Staerken staerken

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© Mentus GmbH, 2016 1 Stärken über Stärken stärken? - Führungskräfteentwicklung auf das Wesentliche fokussieren - In Diskussionen unter Personal- und Führungskräfteentwicklern herrscht meist große Einig- keit darüber, dass es deutlich sinnvoller und effizienter ist, Stärken zu stärken, statt an Schwächen zu arbeiten. Kein Wunder, denn die Arbeit an Schwächen kann bestenfalls zu mittelmäßigen Ergebnissen führen und wirkt wenig motivierend. Stärken in den Fokus zu stellen nimmt dagegen die höhere Motivation des Lerners auf und kann sogar zu Exzellenz führen. Der Stärkenfokus motiviert nicht nur stärker, er rechnet sich auch. Kompetenzen sind die Grundlage von Leistung und die resultierende Leistungsfähigkeit wird sich in Lernergruppen mehr oder weniger normalverteilen. Personalentwickler sehen sich also einer kleinen Grup- pe von Top-Leuten und einer ähnlich kleinen Gruppe an „Schwachleistern“ gegenüber. Diese zu entwickeln kann unter dem Strich nur eine minimale Verbesserung der Gesamtleistung bewirken. Die große Gruppe der „Gutleister“ in den Fokus zu stellen bedeutet dagegen, dass sich bereits geringe individuelle Fortschritte zu einer signifikanten Steigerung der Gesamt- leistung summieren. Stärken stärken macht also doppelt Sinn. Wie aber mit dem Grunddilemma des Stärkenan- satzes umgehen? Wie soll ich etwas weiter ausbauen, was bereits stark ausgebildet ist? Schließlich gilt allzu oft, dass der Aufwand für Fortschritte exponentiell steigt, umso näher man einem Maximalwert kommt. Wie ist dann überhaupt der Schritt von einer sehr guten Leistung zur Exzellenz zu schaffen? An dieser Stelle muss betont werden, dass sich die Leistungssteigerung eines Mitarbeiters oder einer Führungskraft stets auf die Wirkung bezieht, die im Arbeitskontext erzielt wird. Stärken und Schwächen ergeben sich nur daraus, ob eine bestimmte Kompetenz oder deren Fehlen im Arbeitsumfeld eine positive oder negative Wirkung entfaltet. Die Mehrzahl der potenziell entwickelbaren Kompetenzen, wird im jeweiligen Arbeitskontext keine oder nur eine geringe Wirkung entfalten. Diese sollten in Entwicklungsmaßnahmen auch nicht be- rücksichtigt werden. Diese Logik wird in den meisten der gängigen Kompetenzmodelle dadurch aufgenommen, dass aus einer großen Kompetenzmatrix diejenigen Kompetenzen ausgewählt werden, die für eine Funktion relevant scheinen. Auf diesen Standard hin werden alle Teilnehmer einer Maßnahme entwickelt. Dabei bleiben zwei Fragen:

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Stärken über Stärken stärken?

- Führungskräfteentwicklung auf das Wesentliche fokussieren -

In Diskussionen unter Personal- und Führungskräfteentwicklern herrscht meist große Einig-

keit darüber, dass es deutlich sinnvoller und effizienter ist, Stärken zu stärken, statt an

Schwächen zu arbeiten. Kein Wunder, denn die Arbeit an Schwächen kann bestenfalls zu

mittelmäßigen Ergebnissen führen und wirkt wenig motivierend. Stärken in den Fokus zu

stellen nimmt dagegen die höhere Motivation des Lerners auf und kann sogar zu Exzellenz

führen.

Der Stärkenfokus motiviert nicht nur stärker, er rechnet sich auch. Kompetenzen sind die

Grundlage von Leistung und die resultierende Leistungsfähigkeit wird sich in Lernergruppen

mehr oder weniger normalverteilen. Personalentwickler sehen sich also einer kleinen Grup-

pe von Top-Leuten und einer ähnlich kleinen Gruppe an „Schwachleistern“ gegenüber. Diese

zu entwickeln kann unter dem Strich nur eine minimale Verbesserung der Gesamtleistung

bewirken. Die große Gruppe der „Gutleister“ in den Fokus zu stellen bedeutet dagegen, dass

sich bereits geringe individuelle Fortschritte zu einer signifikanten Steigerung der Gesamt-

leistung summieren.

Stärken stärken macht also doppelt Sinn. Wie aber mit dem Grunddilemma des Stärkenan-

satzes umgehen? Wie soll ich etwas weiter ausbauen, was bereits stark ausgebildet ist?

Schließlich gilt allzu oft, dass der Aufwand für Fortschritte exponentiell steigt, umso näher

man einem Maximalwert kommt. Wie ist dann überhaupt der Schritt von einer sehr guten

Leistung zur Exzellenz zu schaffen?

An dieser Stelle muss betont werden, dass sich die Leistungssteigerung eines Mitarbeiters

oder einer Führungskraft stets auf die Wirkung bezieht, die im Arbeitskontext erzielt wird.

Stärken und Schwächen ergeben sich nur daraus, ob eine bestimmte Kompetenz oder deren

Fehlen im Arbeitsumfeld eine positive oder negative Wirkung entfaltet. Die Mehrzahl der

potenziell entwickelbaren Kompetenzen, wird im jeweiligen Arbeitskontext keine oder nur

eine geringe Wirkung entfalten. Diese sollten in Entwicklungsmaßnahmen auch nicht be-

rücksichtigt werden.

Diese Logik wird in den meisten der gängigen Kompetenzmodelle dadurch aufgenommen,

dass aus einer großen Kompetenzmatrix diejenigen Kompetenzen ausgewählt werden, die

für eine Funktion relevant scheinen. Auf diesen Standard hin werden alle Teilnehmer einer

Maßnahme entwickelt. Dabei bleiben zwei Fragen:

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1. Haben wir die richtigen Kompetenzen ausgewählt?

2. Ist ein standardisiertes Kompetenzprofil eine funktionierende Grundlage für stärkenfo-

kussierte Entwicklung?

Die Antwort auf Frage 1 ist eher eine Glaubenssache, da ein eindeutiges Ursache-Wirkungs-

Verhältnis schwer messbar scheint. Die zweite Frage ist bei ehrlicher Betrachtung sogar mit

nein zu beantworten. Zu einem Kompetenzstandard gehört ein standardisiertes Entwick-

lungsprogramm und es bleibt wenig Raum für individuelle Stärkenidentifikation und –

entwicklung.

Neben dem beschriebenen Dilemma des Aufwand-Nutzenverhältnisses sehen wir uns also

einem zusätzlichen Dilemma aus operativer Vereinheitlichung der Kompetenzentwicklung vs.

der Notwendigkeit zur Individualisierung im Stärkenansatz gegenüber.

Einen eleganten Ausweg aus diesen Dilemmata bietet des Extraordinary Leadership Modell

von Jack Zenger und Jo Folkman (vergl. managerSeminare Heft 193 und Literaturtipps un-

ten). Die beiden Forscher haben aus den Daten mehrerer Millionen 360°-Feedbacks Antwor-

ten auf die beiden Fragen identifiziert. Die Antwort auf Frage 1 kann für einige Personalent-

wickler beunruhigend sein. Die Datenanalyse zeigte, dass nur 16 Kernkompetenzen für den

Schritt von guter Führungsleistung zur Führungsexzellenz verantwortlich sind. Nur deren

Entwicklung sollte daher im Fokus stehen. Die gute Nachricht ist, dass nicht alle 16 eine aus-

gewiesene Stärke darstellen müssen, zwei bis drei reichen völlig aus, um als exzellente Füh-

rungskraft bewertet zu werden.

Auch auf die zweite Frage hat das Extraordinary Leadership eine Antwort. Die Entwicklung

einer Stärke bedeutet nicht zwingend, dass genau die entsprechende Kompetenz weiter

entwickelt werden muss. Vielmehr haben die Forscher zu jeder der 16 Kernkompetenzen

einen individuellen Satz von fünf bis zwölf sogenannter Begleitkompetenzen identifiziert.

Werden diese weiterentwickelt, steigt automatisch die Leistung in der zugehörigen Kern-

kompetenz. Die Logik ist leichter verständlich, wenn man sich Leistungssportler ansieht. Der

Schritt in die Spitze hängt nicht nur von der körperlichen Leistung ab, Technik, mentale Stär-

ke im Wettkampf oder Ernährung sind weitere Faktoren, die auf dem Weg an die Spitze gro-

ßen Einfluss haben. Die Begleitkompetenzen können analog eingesetzt werden, wenn man

weiß, welche für eine Kernkompetenz wirksam sind.

Konkret heißt dies also, dass sich eine Führungskraft, nach einem 360°-Feedback auf zwei bis

drei ihrer Stärken (aus den 16 Kernkompetenzen), die für die eigene Funktion relevant sind,

konzentriert. Zu diesen Fokuskompetenzen werden je ein bis zwei Maßnahmen definiert,

um zügig das Exzellenzniveau zu erreichen. So wird bei relativ geringem Aufwand eine große

Wirkung erzeugt. Gleichzeitig erlaubt dieser Ansatz flexible Anpassungen an Veränderungen,

die ein Standardprogramm kaum zulässt.

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Die Konsequenzen sind weitreichend und können vielen PE-Verantwortlichen die Zornesröte

oder den Angstschweiß auf die Stirn treiben. Für einen individualisierten Stärkenansatz sind

die gängigen Programme der Führungskräfteentwicklung eher ungeeignet und werden durch

individuelle Maßnahmenpakete, die der Betreffende eigenverantwortlich definiert und um-

setzt, ersetzt. Die Rolle der PE würde sich konsequenterweise weg vom Systemverantwortli-

chen, hin zu einem „individuellen Ermöglicher“ verschieben. Wäre diese Rolle aber nicht viel

befriedigender als die des Verwalters von Standards?

Literatur:

Edelkraut F.: Extraordinary Leadership http://goo.gl/neHDgG Hübner C., Edelkraut F. (2015) Extraordinary Leadership – Führung im Gesundheitswesen,

ZFPG 2016 http://de.slideshare.net/fredel00/fhrung-im-gesundheitswesen-51101540

Zenger, J., Folkman J.; Manager oder doch eher Coach?

http://www.harvardbusinessmanager.de/blogs/fuehrungskraefte-sehen-sich-als-coach-a-

985924.html

Zenger, J., Folkman J. Edinger, S.K.; Wie außergewöhnliche Führungskräfte Gewinne verdop-

peln: Der Zusammenhang zwischen Führungsqualität und Unternehmenserfolg

http://goo.gl/4g8aua

Homepage von Zenger|Folkman: http://zengerfolkman.com/

Kontakt:

Dr. Frank Edelkraut

Mail: [email protected]

Web: www.mentus.de

Tel.: 0171 / 6806893