KAP Magazin #7, Brüche

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Die aktuelle KAP Magazin #7 zum Thema Brüche / Bauen im Bestand / Nachhaltigkeit

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BRÜCHERBRÜCHEBRÜCHE

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BRÜCHEBRÜCHEBrüche

KAP Magazin #75 Euro

kap-forum.de

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»Glück und Architektur« – was Alain de Botton in seinem Buch beschreibt, scheint beim Bauen im Bestand kein Widerspruch zu sein. Denn sofort wird erkennbar, das aus Brache Neues erwächst. Aus alten Häfen entstehen pulsierende Stadteile. In ehe­malige Fabrikgebäude ziehen Unternehmen und Kreative ein; Baulücken und Brachen werden zu inspirierenden Stadtbildern geschlossen. Gebäudekultur von Gestern wird Heute.

»Deutschland ist gebaut?« Die These mag vertreten, wer nur auf's Volumen schaut. Der Modernisierungsbedarf springt uns überall in die Augen. Die Bausünden der 70er und 80er Jahre, ganze Quartiere harren auf Neu­ und Umgestaltung. Die demographische Entwicklung und die Energiewende tun ihr übriges, dass »Bauen im Bestand« nicht nur zu den Top­Themen der Immobilienwirt­schaft zählt, sondern auch einen sensiblen Umgang mit energetisch­ökologischen As­pekten des Bauens herausfordert. Brauchen wir nicht einen »2. Wiederaufbau«, der die hektischen und zum Teil von der Bauquali­tät dürftigen Häuser und Quartiere der 50er, 60er Jahre angeht und die Scheußlichkeiten der ersten Wohlstandswellen der 70er, 80er Jahre beseitigt?

Der Bestand exemplarisch bei Licht betrach­tet: die alte Berliner Turnhalle aus den 50er Jahren, die in ihrer filigranen Schönheit wieder erweckt wird. Wohnhäuser, die nach der Umgestaltung ganze Stadtteile aufpolie­ren, die neue Lust an alten Häfen, Archi­tekten, die ihre Standpunkte zum Bestand darlegen, Kultautor T. C. Boyle, der in einem alten Frank­Lloyd­Wright­Haus lebt oder Ausblicke auf die IBA Hamburg, die sich das Bestandsthema auf die Fahnen geschrieben hat. Das KAP Magazin #7 – Kontroversen, Standpunkte, Reportagen. Mit Architekten und Immobilienetwicklern wie Pandion AG, Beos, Ludloff + Ludloff­Architekten, Kada­wittfeldarchitektur, Designer Piet Hein Eek und Zukunftsforscher Klaus Burmeister. Ein Blick in Futurum und Bestand. Mit Brüchen, die den Blick und Weg in die Zukunft öff­nen, das Alte, den Bestand mit dem Neuen sinnvoll verbinden.

Vom Rheinauhafen in die City: Diese und weitere Themen diskutieren wir mit klugen und engagierten Köpfen im KAP Forum am neuen Ort in der Rotonda am Salierring 32 in der Kölner Innenstadt.

Herzlich willkommen und beste Grüße, Ihr Andreas Grosz

BAUEN IM BESTAND: DER BLICK ZURÜCK NACH VORN!Architektur- und Stadtentwicklungskultur

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1Seite 9Auftakt-Positionen:Bauen im Bestand – Notwendigkeit, Risiko oder Chance der Stadtentwicklung?Statements von: – Bernd Streitberger, ehem. Dezernent für

Planen und Bauen der Stadt Köln– Prof. Dörte Gatermann, Dipl.­Ing. Archi­

tektin, Geschäftsführerin, Gatermann + Schossig Architekten

– Asia Kornacki, Plajer & Franz Studio– Jan Schröder, AllesWirdGut Architektur– Armin Wittershagen, Leiter Projektent­

wicklung, Hochtief Solutions– Prof. Dr. Michael Voigtländer, Leiter des

Kompetenzfeldes Immobilienökonomik, Institut der deutschen Wirtschaft Köln

– Joachim Bähr, Geschäftsführer, Bähr Ingenieure

2 Seite 27Designen mit Bestand:Als Philips ging, kam Eek um die Ecke Piet Hein Eeks Möbel stammen aus altem Verbundmaterial. Vor zwei Jahren entdeckte der holländische Designer ein ganzes Gelän­de zum Recyclen.

3 Seite 35Die Welt im Umbruch: Wertschöpfungsperspektiven 2030Eine Studie zeigt, wie man Standorte zukunftsfähig halten kann

4 Seite 43Schreiben im Bestand»Ich bezweifle, dass Wright Bewohner in seinen Häusern haben wollte!«Der amerikanische Kultautor T. C. Boyle schützt einen besonderen Bestand im kali­fornischen Städtchen Montecito: ein Frank­Lloyd­Wright­Haus von 1909.

5 Seite 51Bestands-AufnahmenAkten ordnen: Neues Leben in alter Substanz– die Elba Werke Wuppertal/Belvedere in KölnWie sich Industriearchitektur und Bürozellen in lebendiges Wohnen verwandeln

6 Seite 61Wasser-(Be)StandAnkern am Kreativkai: Leben, Wohnen und Arbeiten im Schatten alter Speicher und Hafenanlagen hat Konjunktur.

7Seite 69Nachhaltigkeit, eine moderne UtopieDie sanierte Turnhalle auf dem Tempelhofer Feld in Berlin

8Seite 77Transformation innerstädtischer Industrie -standorteDas Carlswerk

9 Seite 87IBA Hamburg: 35 Quadratkilometer Patchwork zwischen Stadt und HafenGeschäftsführer Uli Hellweg über ein Entwick­lungsprojekt mit Biss

Seite 96Netzwerken im Bestand: KAP goes RotondaKölner Zentrum für Architektur & Design, Bau­ & ImmobilienWirtschaft entsteht

Seite 97Veranstaltungskalender

Seite 98Impressum

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Carpet ConceptObjekt-Teppichboden GmbHT +49 521 924 59 [email protected]

CAS: Sorgsame Hörsamkeit

CAS Collection von Carpet Concept ist ein akustisch wirksames Programm aus

verschiedenen Teppichböden, deren Rücken mit speziell entwickelten Filzen

unterschiedlicher Stärke kaschiert sind. Mit ihrer besonders hohen Fähigkeit

zur Schallabsorption trägt die CAS Collection zu einer ausgeglichenen Akustik

bei – vom Konferenzraum über Callcenter bis hin zu Open Space Büros.

0,0

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125 500 2000250 1000 4000

Frequenz ƒ/Hz

Schallabsorptionsgrad s

Quelle: Prüfbericht M87 645/3 Müller-BBM

CAS h Concept 300DIN 18041 Teppichboden bis 6 mm FlorhöheDIN 18041 Teppichboden 7 - 10 mm FlorhöheRelevanter Sprachbereich

Alle Teppichböden der CAS Collection erreichen ein Maximum des Schallab-sorptionsgrades in dem für Sprache besonders wichtigen Frequenzbereich zwischen 250 und 1.000 Hz. Er liegt weit über den allgemeinen Werten für Teppichböden nach DIN 18041. CAS erreicht schon ab 500 Hz einen

s Wert von 0,5.Weitere Informationen:www.carpet-concept.de/deutsch/produkte/akustik

Willkommen bei Carpet Concept

Orgatec 201223. – 27. Oktober 2012

Halle 10.2 Stand P10 | N11Halle 10.2 Stand N001

CC_CAS_KAP_200x257.indd 1 08.08.12 10:22

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Carpet ConceptObjekt-Teppichboden GmbHT +49 521 924 59 [email protected]

CAS: Sorgsame Hörsamkeit

CAS Collection von Carpet Concept ist ein akustisch wirksames Programm aus

verschiedenen Teppichböden, deren Rücken mit speziell entwickelten Filzen

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BAUENIM BESTAND

BA UENIM BESTABAU IM BESTAN

M ND

Auftakt­Positionen

Bauen im Bestand –Notwendigkeit, Risiko oder Chance

der Stadtentwicklung?

Statements von: Bernd Streitberger

Prof. Dörte GatermannAsia Kornacki

Jan SchröderArmin Wittershagen

Prof. Dr. Michael VoigtländerJoachim Bähr

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BAUENIM BESTANDBA UENBESTAND

M ND

Auftakt­Positionen

Bauen im Bestand –Notwendigkeit, Risiko oder Chance

der Stadtentwicklung?

Statements von: Bernd Streitberger

Prof. Dörte GatermannAsia Kornacki

Jan SchröderArmin Wittershagen

Prof. Dr. Michael VoigtländerJoachim Bähr

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Bauen im Bestand ist die Aufgabe der Zu kunft! Dieser schlichten Aussage wird heute jeder Architekt und Städtebauer gerne zustimmen, sind doch die Planungen von New Towns oder neuen Großsiedlungen im Weichbild der Städte nicht die gegenwärtigen Aufgaben in der europäischen Stadt. Bauen findet heute im Wesentlichen in einem städtisch geprägten Umfeld statt und häufig genug geht es dabei auch um die Transfor­mationen bestehender Grundstücke, Anlagen und Gebäude. Damit kommt es allerdings auch zu einem schleichenden, aber gleich­wohl intensiven Umbau unserer Städte, der in der Regel nicht erklärt und nicht geplant ist. Neben der behutsamen Weiterentwicklung vorhandener Strukturen wird die gestellte Aufgabe oft genug auch durch Abbruch und Neubau bewältigt. Gerade an starken Stand­orten ist der Entwicklungsdruck auf vorhan­dene Grundstücke immens. Dort wird regel­mäßig in Abbruch und Neubau der einfachste Umgang mit der Immobilie gesehen. Dass damit eine Veränderung der Stadt einher­geht, ist den Beteiligten möglicherweise nur am Rande bewusst, in vielen Fällen hat man den Eindruck, dass hier jedes Verständnis für die kontinuierliche Entwicklung der Stadt als Ganzes fehlt.

Dieses Szenario vorausgeschickt zeigt, dass es für die Städte unverzichtbar ist, über ein Planwerk zu verfügen, mit dem dieser Entwicklung der notwendige städtebaulich begründete Rahmen gesetzt wird. Mit dem Städtebaulichen Masterplan Innenstadt hat die Stadt Köln ein Instrument geschaffen, in dem klar vorgegeben ist, wo in der inneren Stadt noch Spielräume zu finden und welche Räume im Interesse der Stadtentwicklung nicht anzugreifen sind. Dabei ist es beson­ders wichtig, einerseits die Verdichtung und

Vernetzung der vorhandenen Siedlungsstruk­tur der Innenstadt voranzutreiben und ande­rerseits wertvolle Grünflächen zu erhalten sowie Wege aufzuzeigen, wie diese weiter­entwickelt werden können. Gleichzeitig ist das vorhandene Verkehrssystem bei Berück­sichtigung zukünftiger Mobilitätsbedürfnisse stadtverträglich auszubauen. Seine oftmals trennende Wirkung muss überwunden und vielmehr ein öffentlicher Raum geschaffen werden, der als Aufenthalts­ und Lebensraum in der Stadt neue Qualitäten aufweist.

Beim Bauen im Bestand wird sich Abbruch und Neubau nicht völlig ausschließen lassen. Dann ist es wichtig, dass im Rahmen von verlässlichen Konzepten gebaut wird. Dazu gehört als integraler Bestandteil des Städte­baulichen Masterplanes Innenstadt in Köln auch das Höhenkonzept.

Wichtig ist es jedoch, sich die Fähigkeiten und Chancen der Bestände sehr genau anzusehen. Denn oft ist nicht die schnelle Lösung von Abbruch und Neubau wirklich die, die dauerhaft auch der Immobilienent­wicklung entgegenkommt. Das eine oder andere, was heute spröde oder deplatziert erscheinen mag, kann morgen vielleicht schon Denkmal oder Kult sein. Köln als Stadt des Wiederaufbaus in den 1950er Jahren hat hier bedeutende Beispiele. Die anstehende Sanierung von Oper und Schauspiel werden belegen, dass modernste Ansprüche an die technischen Möglichkeiten von Bühnen ver­träglich in vorhandene Strukturen integriert werden können. Weitere Beispiele für diese These finden sich zahlreich in der Kölner Innenstadt, erinnert sei nur an die kongenia­le Ertüchtigung des Gürzenich bei Erhalt des wunderbaren Treppenhauses der 1950er. Denn nur dort, wo die Geschichte der Stadt in die Zukunft mitgenommen wird, wird auch die Identität der Stadt und die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit dieser stark genug sein, um im Wettbewerb der Städte eine herausragende Position einzunehmen.

DIE STADT WEITERBAUEN

Bernd Streitbergerwar acht Jahre lang Dezernent für Planen und Bauen der Stadt Köln und ist heute Geschäftsführer der »Modernen Stadt« Köln

Foto:Köln MasterplanGroßer Offenbachplatz, Köln Seite 14

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Wie kann ich meine Altimmobilie langfristig wirtschaftlich nutzen? Diese Frage stellen sich viele Besitzer und kommen doch oft nicht zu den richtigen Antworten. Woran liegt das?

Diejenigen, die sich mit der Rendite von Im­mobilien beschäftigen, gehen bei der Bewer­tung meist von sehr konventionellen Vorstel­lungen aus. Dies gilt sowohl in Hinblick auf die Verwendung der Struktur als auch auf die Nutzungen. Wenn ich aber langfristig Erfolg haben will, muss hier umfassender und vor allem innovativer herangegangen werden. Selbstverständlich sind die klassischen Fak­toren zu bewerten wie Lage, Bausubstanz und mögliche Nutzerstruktur. Hier aber nur mit den gängigen Bewertungsparametern heranzugehen, ist wenig erfolgreich.

Die Lage kann beispielsweise durch eine besondere Architektur »gemacht« werden, wie in Köln der Rheinauhafen gezeigt hat. Hierbei kann die Verwendung historischer Architektur eine besondere Rolle spielen. Der teilweise Wiederaufbau des historischen Bayenturmes aus dem 13. Jahrhundert zum FrauenMediaTurm sowie die Sanierung und Erweiterung des denkmalgeschützten Hafen­amtes aus dem 19. Jahrhundert dienten hier als Initialprojekte. Gerade die Verbindung historischer Substanz mit moderner Architek­tur verspricht eine hohe Identität und damit einen Faktor in der Auswahlentscheidung der Nutzer. Selbstverständlich ist hierbei immer die Besonderheit des Bestandes in Hinblick auf Struktur und Substanz zu berücksichti­gen, aber gerade der Denkmalschutz solcher Objekte ist kein Hindernis, sondern für inno­vative Architekten ein Anreiz.

Besonderes Augenmerk ist bei bestehen­den Bauten auf die Grundstruktur zu legen.

Erschließung, Gebäudetiefen, Geschoss­höhen und konstruktive Ausbildung sind zu untersuchen, um eine neue Struktur zu entwickeln. Nur wenn die Möglichkeiten klar sind, kann durch oftmals geringe Eingriffe eine völlig neue Option entstehen. Dieses hat sich auch bei im ersten Moment vielleicht schwierigen Objekten wie industriell genutz­ten Gebäuden gezeigt. So entwickelten wir schon 1995 sowohl neue Nutzungs­ als auch Arbeitsmöglichkeiten bei der Umwandlung eines stark kontaminierten Wirtschaftsbaues zu einer neuen Bürolandschaft für die Abfall­verwertungsgesellschaft Leverkusen. Auch die Überlegungen zur Umnutzung eines alten Kaufhauses führten zu neuen Nutzungsansät­zen und dann mit angemessenen Eingriffen zu einer attraktiven Klinik.

Das Hauptgebiet der Planungen liegt aber bei den Bauten der 1960er und 1970er Jahre, die sich oftmals in ihren Möglichkeiten der Revitalisierung erheblich unterscheiden. Zwei Jahre habe ich an der TU Darmstadt die City Nord in Hamburg mit ihren »Dinosauri­ern« der 1960er Jahre untersucht und neue Chancen für die nach der Charta von Athen entwickelten Strukturen gefunden. Diese visi­onären bis utopischen Ansätze können wich­tige Impulse für die Realisierungsaufgaben sein, wie der klassische Umbau für die IVG in Bonn zeigte oder auch das Gebäude der PKH am Kölner Sachsenring. Eine Betrachtungs­ebene ist hierbei besonders die Optimierung der inneren Struktur und die Untersuchung der Möglichkeiten in Hinblick auf Einzel­, Team­, Gruppen­, Open­Space oder non­terri­toriales Arbeiten. Die wirtschaftliche Effizienz für die Unternehmen liegt ja gerade darin, ihre Arbeitsstrukturen auch flächenmäßig zu optimieren. Dass dieses möglich ist und hierbei noch ein erheblich besseres Raum­gefühl und Raumklima entsteht, zeigen die Umsetzungen.

Bei der Transformation von Gebäuden ist heute selbstverständlich die energetische Betrachtung von großer Bedeutung. Mit einem integralen Planungsansatz lassen sich intelligente Synergien erzeugen, die über die herkömmlichen Aspekte der Nachhaltigkeit weit hinausgehen. Eigene Fassadenent­wicklungen, gerade auch für Sanierungen konzipiert, tragen hierzu bei und bringen in Verbindung mit innovativen Technikkonzep­ten Wirtschaftlichkeit, Qualität und Effizienz. Hierbei ist aber genau zu untersuchen, um was für eine optionale Nutzung es sich handelt und um welchen Gebäudetyp – ein Hochhaus unterliegt eben anderen Anforde­rungen als ein Flachbau.

Werden also die Kenntnisse um Baukons­truktion, Energieeffizienz und Arbeitsplatz­qualität mit innovativen Ideen verbunden, erhält die Altimmobilie eine neue Dimen ­ sion und wird auch langfristig wirtschaftlich.

INNOVATION FÜR DEN BESTAND

Prof. Dörte GatermannDipl.-Ing. Architektin BDA, Gatermann + Schossig Architekten, Köln

Fotos:FrauenMediaTurm, RömerMusem im archä-ologischen Park Xanten, Hafenamt im Rhein-auhafen Köln, Karstadt Gütersloh, Pensions-kasse Hoechst, Verwaltung AWL – Leverkusen, Praxisklinik am NeumarktSeite 15

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Bauen im Bestand, im Speziellen das Store Re­Design, haben ihre eigenen Regeln. Anders als ein Konzept, das von seinem Ur­sprung entsteht, stellt ein Umbau gleichzeitig auch ganz besondere Herausforderungen an die Architekten und Store­Planer. Das neue Konzept ist nicht losgelöst von den Überle­gungen, was mit dem Bestehenden gemacht werden soll, wie es in das neue Konzept integriert werden kann und ob es überhaupt integriert werden kann. Hierbei spielen nicht nur stilistische Aspekte eine entscheidende Rolle. Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit wächst stetig und gewinnt immer mehr an Bedeutung in Architektur und Raumplanung. Schließlich tragen wir als Architekten im gewissen Maß auch die Verantwortung dafür, dass unsere Umwelt eine bessere, eine nachhaltigere wird – unter ökologischen, ökonomischen und sozialen Gesichtspunk­ten. Ökologisch effiziente Räume gehören zum heutigen Zeitgeist und dies betrifft jede Form der Architektur und Innenarchitektur, den Retailbereich mit eingeschlossen. Gefor­dert werden dementsprechend intelligente Lösungsansätze, welche die Brücke schlagen zwischen einem stilistischen Store unter Berücksichtigung des Wohlfühlaspekts der Kunden sowie einem ökologisch effizienten und nachhaltigen Laden.

Grundsätzlich gilt es, den Einsatz von Bauma­terialien auf das Minimum zu reduzieren, um so die Umweltbeeinflussung zu mindern. Dies lässt sich auch stilistisch gut umsetzen, wie man am Beispiel der neuen PUMA Stores in München, Amsterdam und London betrach­ten kann. Zusammen mit dem internationa­len Sportlifestyle­Unternehmen PUMA hat Plajer & Franz Studio ein Re­Design­Konzept entworfen und realisiert. Hierbei standen die Philosophie und die Nachhaltigkeitsziele

des Kunden – PUMA Retail AG – stark im Vordergrund. Es wurde dennoch nicht auf eine stylische Optik, den Wohlfühlaspekt, eine übersichtliche Storeführung und den Spaßfaktor verzichtet. Im Gegenteil, das Storedesign aller drei Läden bietet all das und vereint es in einem innovativen und nachhaltigen Entwurf.

Bereits seit 1993 setzt sich PUMA stark dafür ein, »Kreativität zu fördern, umwelt­ und sozi alverträglich zu handeln und zum Frieden beizutragen«. Maxime für das Handeln bil den die Unternehmenswerte »fair, honest, posi­tive, creative«, zusammengefasst unter dem Begriff »PUMAVision«. Zum Jahr 2015 hat sich PUMA zum Ziel gesetzt, den Ausstoß von Emissionen um 25 Prozent zu reduzieren und 25 Prozent weniger Energie und Wasser zu verbrauchen. Im Rahmen dieses Nachhaltig­keitsziels steht auch die Optimierung der Stores in Bezug auf ihre bauliche Planung und Umsetzung sowie das Projektmanage­ment. Die nachhaltige Modernisierung und Transformation der Stores in Amsterdam, London und München basieren auf der Re­duktion von Baumaterialien und der Aufwer­tung des Bestands, indem jeweils existieren­de Wände unbehandelt und die Decke offen gelassen wurden. Teile des Bestands wurden absichtlich herausgenommen, um die Räume »zu öffnen«, mehr Tageslicht hereinzulassen und dadurch ihre Effizienz zu steigern. Mate­rialien, die zusätzlich zum Einsatz kamen, sind FSC­zertifiziertes Holz und zertifizierte Bodenbeläge sowie emissionsarme Farben, Lacke und Klebstoffe. Abgerundet ist das Storedesign mit einem effizienten Beleuch­tungskonzept, welches den Energieverbrauch der Läden deutlich reduziert (32 W/m2) und dadurch den CO

2­Footprint mindert.

Die Nachhaltigkeitsplanung der Stores erfolgt in enger Zusammenarbeit zwischen PUMA und der Abteilung für »Ganzheitliche Bilanzie­rung« des Fraunhofer Instituts für Bauphysik. Amsterdam, London und München fungieren dabei als Musterstores, die zur detaillierten Ausarbeitung eines Nachhaltigkeitskonzep­tes in Bezug genommen werden und anhand welcher eine internationale Adaption erfol­gen kann. Methoden der ganzheitlichen Bi­lanzierung kommen hierbei zum Einsatz, die – unter Berücksichtigung von ökologischen, ökonomischen, sozialen und technischen Gesichtspunkten – Produkte, Prozesse und Ausbaumaterialien optimieren sollen.

Unsere Aufgabe als Architekten ist es, diese Kriterien in den Entwurf des Re­Designs zu integrieren, dabei intelligent mit dem Be­

stand umzugehen und die bereits genannte Brücke zu schlagen zwischen Ästhetik, räumlicher Übersicht und Nachhaltigkeit. Grundsätzlich gilt auch, dabei die Philoso­phie der Marke, aber auch die Erwartungen der Konsumenten nicht zu vernachlässigen. Letztere sind heute viel kritischer, hinter­fragen mehr und das Thema Nachhaltig­keit gehört zu ihrer Lebenseinstellung. Ein Store­Konzept sollte in der Lage sein, diese verschiedenen Aspekte zu reflektieren, um der Marke Authentizität zu verschaffen und den Konsumenten eine Identifikationsmög­lichkeit zu bieten.

Neben Ökobilanzen, welche für die Pilot­Stores ausgerechnet werden und auf Optimierungspotenziale und Verbesserungs­maßnahmen hindeuten sollen, entwickelt das Projektteam der »Ganzheitlichen Bilan ­ zierung« des Fraunhofer Instituts gegenwär­tig ein softwarebasiertes Tool, das Archi­tek ten und Storeplaner zukünftig bei der Um setzung der Nachhaltigkeitsvorgaben unterstützen soll. Gerade in Bezug auf die Nachhaltigkeit und die Umweltauswirkun­gen eines Ladens wirft der Bestand viele Fragen auf. Bestehendes zu entsorgen und es mit etwas Neuem zu ersetzen entspricht definitiv nicht unserem Zeitgeist. Ebenso wenig entspricht es der Philosophie unseres Studios. Vereinfacht gesagt: Was gut ist, soll ruhig bleiben und aufgewertet werden, was schlecht ist, darf raus. In der Durchführung sind die Ent scheidungen aber nicht immer so einfach zu treffen und bedürfen konzep­tioneller Lösungsansätze in der Entwurfs­planung. Wichtig sind dabei eine integrale Planung und die Lebenszyklusbetrachtung der Store­Einrichtung. Wenn der Bestand langfristig und unter einer ganzheitlichen Betrachtung die Effizienz des Stores reduzie­ren sollte, so macht es Sinn, diesen zu ent­fernen und mit neuen, nachhaltigen Produk­ten zu ersetzen. Dies auch, wenn kurzfristig gesehen dieses Vorgehen zunächst gegen das Nachhaltigkeitsprinzip spricht.

Am Beispiel der PUMA Stores können wir erkennen, dass eine nachhaltige Optimie­rung im Retailbereich unter Einbezug des Bestands besondere Herausforderungen mit sich bringt. Wissenschaftliche Forschung sowie gestalterisches Können müssen zu ­ sammenfließen, um diesem Anspruch gerecht zu werden. Ist aber nicht genau dies das Spannende daran?

GUTEN BESTAND AUFWERTEN

Asia KornackiPlajer & Franz Studio GbR, Berlin

Fotos:PUMA Stores München, Amsterdam, London Seite 18

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Store Re-Design und UmwelteinflüsseThesen

1. Gemäß dem Zeitgeist erfolgt ein Store- Re-Design im ästhetischen und nachhaltigen Sinne zugleich.

2. Der Umgang mit Bestand bedarf gut durchdachter konzeptioneller Lösungs-ansätze, die auf integraler Planung und einer Lebenszyklusbetrachtung basieren.

3. Im Sinne der Nachhaltigkeit sollte der Einsatz von Baumaterialien auf das Minimum reduziert und »guter Bestand« aufgewertet werden.

4. Ein Storekonzept sollte die Markenauthen-tizität reflektieren, eine entsprechende Büh-ne für das Produkt sein, dabei eine räumli-che Übersicht schaffen und die Aspekte der Nachhaltigkeit integrieren.

»Bauen im Bestand« ist aus unserer Sicht eine Tautologie: entsteht ein Haus nicht ausschließlich auf der abstrakten Matrix aus kariertem Skizzenpapier, sondern wird irgendwo auf der Welt errichtet, dann wird es notwendigerweise »im Bestand erbaut«. Die ganze Welt ist Bestand.

Wie aber ein Gebäude in die Welt einfügen?

Grundsätzlich lassen sich die möglichen Reaktionen auf den Bestand auf einer Skala zwischen zwei Extremen einordnen, die unserer Meinung nach beide nicht a priori ausgeschlossen werden können: Diese Pole sind »Dominanz« und »Unterordnung«. Ein Gebäude kann die vor seiner Erbauung bestehende Situation vergessen machen und seine Umgebung neu definieren. Ein Gebäude kann aber auch die vorherrschen­den Qualitäten einer Situation anerkennen, in diesen aufgehen und sie von innen heraus verstärken.

Beide Vorgehensweisen können sinnvoll sein. Welche gewählt wird, muss jedes Mal in Abhängigkeit von Aufgabe und Ort neu entschieden werden. Letztere kann tenden­ziell einfacher sein, da keine Energie in die Überwindung von bestehenden Identitäts­fragmenten gesteckt werden muss. Aller­dings wird im Gegenzug mehr geistige und »geschmackliche« Flexibilität beim Erkennen von bestehenden Qualitäten verlangt.

Die meisten Bestandssituationen sind viel­schichtig. Die entsprechenden Gebäude wer­den daher Mischformen sein aus dominanten und sich unterordnenden Aspekten. Beim Platz in Luxemburg beispielsweise gab be­reits die Wettbewerbsaufgabe eine dominan­te Vorgehensweise vor: ein Stück verwaiste

Industriebrache war zu ersetzen durch einen städtischen Platz für viele Menschen. Die bestehende Atmosphäre der Industriebrache erschien uns aber von so großem Wert, dass unsere Gestaltung als Versuch der Unterord­nung in diese Atmosphäre zu begreifen ist. Geprägt war die Situation von Weite, Stille und Bauwerksresten, die – je nach Wetterla­ge – geheimnisvoll im Nebel herumstehen.

In unserer Gestaltung dort fassen wir Aufent­haltsbereiche und Neupflanzungen zu Inseln zusammen, die weite Teile des Platzes leer lassen und gleichzeitig in dieser Leere als Anlaufpunkte dienen. In Gestalt und Material sind die neuen Einbauten entfernte Verwand­te der bestehenden Industriefragmente.

Alterungsfähige Materialien wie Beton, Holz und unbehandelter Stahl in Kombination mit einer industriebauartigen Detaillierung erlauben der Patina der Vergangenheit die Wiederkehr.

Der neue Platz entstand gemeinsam mit den umliegenden Gebäuden in Etappen: seit 2005 wächst der Platz abschnittsweise. Bereits vor seiner endgültigen Fertigstellung, geplant für das Jahr 2015, zeugt seine Be­schaffenheit durch unterschiedlich weit fort­geschrittene Verwitterung von der eigenen (Bau­)Geschichte und verweist damit auf den Wunsch nach Verbindung von Vergangenheit und Zukunft.

DIE GANZE WELT IST BESTAND

Jan Schröder AllesWirdGut Architektur ZT GmbH, Wien

Fotos:Stahlhof Belval-Ouest Esch-sur-AlzetteSeite 19

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Bauen im Bestand bedeutet immer eine Abwägung im Einzelfall gegenüber der Vari­ante Abriss und Neubau. Entscheidend ist, inwieweit die Grundsubstanz des Gebäudes heutigen Nutzeranforderungen genügt.

Die deutschen Innenstädte sind weitestge­hend bebaut. Die Kriegslücken sind zwi­schenzeitlich geschlossen. Industriebrachen als Folge des Umbruches zur Dienstleistungs­gesellschaft sind, wo die Nachfrage besteht, zwischenzeitlich entwickelt. Im Ergebnis be­deutet dies, dass freie Flächen Mangelware sind. Bei vielen aktuellen Projekten gilt daher abzuwägen zwischen Abriss und Neubau oder Revitalisierung.

Dabei finden wir im Bestand sowohl städ­teräumlich als auch gebäudetechnisch die unterschiedlichsten Qualitäten vor. Solche Gebäude, die sich gelungen in ihre Nachbar­schaft einfügen, möchte man häufig allein schon aus diesem Grund erhalten. Auch denkmalpflegerische Vorgaben können der Impuls für eine Bestandsentwicklung sein. Sind diese Gebäude dann noch in ihren Grundeigenschaften für eine Weiterver­wendung geeignet und ist die Bausubstanz solide, ist die Revitalisierung heute ein zum Neubau gleichwertiger Ansatz. Die Qualitäten müssen dabei Neubaustandard erreichen, da der Nutzer keine Kompromisse akzeptiert.

Die wenigsten Gebäude allerdings entspre­chen idealtypisch den obigen Bedingungen. Was ist mit den anderen? Schauen wir uns stellvertretend zwei Beispiele genauer an.

maxCologne

Wegen seiner herausragenden Einzellage ist das ehemalige Lufthansahochhaus über die

Jahre zu einem markanten Zeichen in der Kölner Stadtlandschaft geworden. Zum Zeit­punkt unseres Erwerbes und der Entschei­dung über Revitalisierung oder Neubau war die Diskussion um weitere Hochhäuser im rechtsrheinischen Köln und deren Auswir­kung auf die Integrität des Kölner Domes in vollem Gang. Ein Abriss des Hochhauses hät­te hier immer auch das Risiko des Verlustes dieser Einzigartigkeit bedeutet.

Aber deshalb erhalten? Schließlich handel­te es sich um ein Betonmassiv, das in den 1960er Jahren ausschließlich auf die dama­ligen Nutzerbelange zugeschnitten wurde. Eine Beziehung zum direkten stadträum­lichen Umfeld bestand jedoch nicht. Auch die Großraumstrukturen waren nicht mehr zeitgemäß.

Auf Basis intensiver Grundlagenermittlung bot die Revitalisierung die Chance, durch Abbruch des massiven Parkhaussockels das Gebäude mit seiner Umgebung zu verknüpfen und neue attraktive Adressen zu schaffen. Mit gezieltem Abriss und neuen An­bauten konnten die Zuschnitte der Etagen so verbessert werden, dass die Revitalisierung auch aus wirtschaftlicher Sicht die richtige Entscheidung war. Diese war jedoch nur mög­lich, weil die Grundsubstanz des Rohbaus wie Raumhöhen und Flächenlasten immer noch den heutigen Bedürfnissen entsprach. So mussten für die Vermietung keine Kompro­misse eingegangen werden.

Ehemalige Eisenbahndirektion

Das Gebäude der ehemaligen Eisenbahndi­rektion steht unter Denkmalschutz. Insbe­sondere die Fassade soll erhalten bleiben. Die Grundrisse sind geprägt von typischen Behördenfluren. Die Bausubstanz insgesamt ist in einem mehr als schlechten Zustand und muss ersetzt werden.

In enger Abstimmung mit der Denkmal­pflege wurde daher beschlossen, die Fassa­den zu bewahren und mit einem Neubau zu kombinieren. Dabei werden wesentliche Elemente des Gebäudes wie etwa die Ein­gangshallen rekonstruiert. Die historische Form der Dächer wird ergänzt. So bietet die Revitalisierung die Chance, die historische Stadtsilhouette am Rhein wiederherzustellen und gleichzeitig moderne und zeitgemäße Bürogrundrisse zu realisieren. Der Nutzer profitiert vom Charme und der besonderen Lage des Gebäudes. Gleichzeitig erhält er alle Annehmlichkeiten eines modernen Büro­gebäudes.

Fazit

Bauen im Bestand ist also immer eine Ein­zel fallentscheidung. Durch die sich zuneh­mend schneller wandelnden Ansprüche an die tech nischen Standards wird in der Regel davon auszugehen sein, dass die gesamte Gebäudetechnik und die Fassaden zu erset­zen sind. Wesentlich wird also sein, inwieweit die Gebäudegrundsubstanz geeignet ist, dem hohen Flexibilitätsanspruch der Mieter auch künftig gerecht zu werden. Die Nutzer werden diesbezüglich ihre Ansprüche nicht zurücknehmen. Daher bedarf Bauen im Be­stand grundsätzlich eines robusten und soli­den Konzeptes, mit Spielraum für eventuelle Anpassungen während der Bauphase.

ABWÄGEN IM BESTAND

Armin WittershagenDipl.-Ing., Architekt, Leiter Projektentwicklung HOCHTIEF Solutions AG, HTP Rhein-Ruhr, Köln

Fotos:maxCologne Ehemalige EisenbahndirektionSeite 22

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Mit großer Spannung werden jedes Jahr die aktuellen Zahlen zu den Wohnungsbaufer­tigstellungen und ­genehmigungen verfolgt. An diesen Daten wird dann festgemacht, wie gut es der Bauwirtschaft geht und wie groß die Wohnungsnachfrage ist. Tatsächlich spielt der Neubau jedoch zunehmend eine untergeordnete Rolle: Im Jahr 2010 entfielen nicht einmal 25 Prozent der Wohnungs­bauinvestitionen auf den Neubau, dagegen wurden 122 Milliarden Euro in bestehende Wohnungen investiert. Seit 2005 steigen die Bauvolumina fast ausschließlich aufgrund von Zuwächsen bei den Bestandsinvestitio­nen. Und dies gilt nicht nur für den Woh­nungsmarkt, sondern auch für den Gewer­beimmobilienmarkt.

Angesichts des Rückgangs der Bevölkerung sind dem Neubau klare Grenzen vorgegeben. Im Bestand hingegen gibt es noch zahlrei­che Herausforderungen. So sind nur die wenigsten Gebäude vollständig energetisch saniert und noch weniger Gebäude sind altersgerecht umgebaut. Hinzu kommt, dass viele Gebäude umgenutzt werden müssen. Gerade in Ballungsräumen wie Köln steht der hohen Wohnflächennachfrage ein steigender Büroleerstand gegenüber. Und dort, wo die Nachfrage demografisch bedingt zurückgeht, müssen teilweise ganze Stadtteile umgebaut werden, um sie attraktiv zu halten.

Um diese Herausforderungen zu meistern, muss die Politik die richtigen Rahmenbedin­gungen setzen. Vielfach scheitern ambitio­nierte Umbauten an rechtlichen Restriktio­nen oder unangemessenen Auflagen. Hinzu kommen auch steuerliche Benachteiligun­gen: So können kleinere Sanierungen sofort abgeschrieben werden, Vollsanierungen hingegen nur über 50 Jahre. Die Einführung beschleunigter energetischer Abschreibun­gen (Afa über 10 Jahre) wäre daher ein Schritt in die richtige Richtung. Weitere müs­sen folgen, damit unser Gebäudebestand und unsere Städte auch in 20 Jahren noch modern und lebenswert sind.

MEHR INVESTITIONEN IN DEN BESTAND

Prof. Dr. Michael VoigtländerLeiter des Kompetenzfeldes Immobilien-ökonomik, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V.

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Der TGA­Fachplaner kommt zu verschie­denen Anlässen mit der Fragestellung Bauen im Bestand in Kontakt. Eine häufige Aufgabenstellung ist die Planungsaufgabe Revitalisierung eines Gebäudes. Darunter ist eine grundlegende Sanierung des Gebäudes zu verstehen, die weit über Instandsetzungs­maßnahmen oder Umbauten hinausgeht.

Frühester Ansatzpunkt bei einer Revitali­sierung ist die Bewertung der vorhandenen Anlagentechnik bereits im Zuge einer Due­Diligence­Prüfung für einen Investor. Due Diligence steht für »gebotene Sorgfalt«, mit der der Kaufinteressent die zu erwerbende Immobilie in ihrem Wert, aber auch hinsicht­lich potenzieller Risiken bewertet. TGA­Planer werden hierzu vor allem bei Sonderbauten befragt (Bauten mit hoher Nutzerfrequenz oder spezieller Nutzung wie z. B. Versamm­lungs­ und Verkaufsstätten, Hochhäuser, Krankenhäuser), da dort die aufwändigste Technik vorzufinden ist.

Dabei spielen die sehr komplexen Zusam­menhänge zwischen den sich in den letzten Jahren sehr stark weiterentwickelnden technischen Regeln und baurechtlichen Vor­schriften (z. B. Brandschutz, Energieeffizienz, Hygiene) eine immense Rolle. Dieser Faktor wird gerne unterschätzt, die Durchsetzbarkeit eines Bestandsschutzes hingegen über­schätzt, so dass Kostenrisiken mitunter nicht vollständig erfasst werden und so die ange­setzten Budgets später nicht ausreichen.

Bei Realisierung eines solchen Revitalisie­rungsprojektes ist es für den Erfolg ent­scheidend, sich frühzeitig im Detail einen vollständigen Überblick über die vorhande­nen Installationen und technischen Anlagen­teile zu verschaffen und den Baukörper

genau aufzunehmen. Dazu werden Schächte geöffnet, Abhangdecken entfernt, technische Anlagen besonders untersucht (z. B. Kanal­befahrung, Hygieneprüfung bei Lüftungsan­lagen) und die technischen Daten erfasst. Dies muss bereits in der Vorplanungsphase beginnen, da die gesamte Konzeption auf diesen Erkenntnissen aufbaut.

Aus Vermarktungsgründen wird auch bei Bestandsbauten vom Bauherrn ein TGA­Standard angestrebt, der vergleichbar mit Neubauten ist. Eine im Regelfall lösbare planerische Aufgabe – wenngleich beim Bestandsbau nicht immer alle modernen Techniken (z. B. Bauteilaktivierung) ein­setzbar sind. Im Planungsprozess zeichnet sich häufig ab, dass vor allem die Kubatur alter Gebäude, dabei insbesondere gerin­ge Geschosshöhen, baustatische Aspekte (Unter züge) oder fehlende Technikflächen bestimmte Lösungen (z. B. für Lüftungsan­lagen) erschweren bis unmöglich machen. Auch erfordern geänderte baurechtliche Vorgaben häufig teure Kompensationsmaß­nahmen wie etwa Sprinkleranlagen oder Brandmeldetechnik für die vorhandene Ge­bäudestruktur, die bei der Konzeption eines Neubaus nicht benötigt würden.

Es zeigt sich, dass eine umsichtige und de ­ tail lierte Planung auch beim Bauen im Be­stand die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg des Investors bildet. Für die technische Gebäudeausrüstung wird daher auch in Zukunft diese Form des Bauens ein immer wichtigeres Aufgabenfeld darstellen.

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Er ist der Herr der vergessenen Materialien: Piet Hein Eeks Möbel stammen aus altem Verbundmaterial. Vor zwei Jahren entdeckte der holländische Designer ein ganzes Gelän­de zum Recyclen.

Es duftet nach frisch gesägtem Holz, Musik spielt, eine Kreissäge vibriert – kaum hat man die alten Fabrikhallen aus Backstein betreten, eröffnet sich die Welt des Piet Hein Eek. Helle, deckenhohe Räume, in denen seine kräftigen, klaren Möbel Akzen­te setzen. Der Designer, der in Eindhoven studierte, ist mit seinen Stühlen, Tischen und Schränken, die mit ihren patchwork­artig zusammengesetzten Oberflächen an Schwemmholz erinnern, international gefragt. Wertlose Materialien? »Nicht für mich«, sagt der Gestalter, »ich mag Low­Tech­Werkstoffe und lasse mich bei meinen Entwürfen hundertprozentig vom Material bestimmen.«

Schon früh wurde er von der New York Times mit seinem eigensinnigen Ansatz als einer der Stardesigner Hollands vorge­stellt. Eek ist auf dem Teppich geblieben. »Designer haben mittlerweile Popstar­Status und kultivieren ihn. Für unsere Kreativität ist das nicht gut. Popstars kom­men und gehen«, ist er überzeugt. Er setzt auf Kontinuität, Nachhaltigkeit und solides Handwerk. In seiner Manufaktur sitzen die Mitarbeiter erst gemeinsam zur Mittags­pause am großen Tisch, kurz danach klingt die Band »Men at work« aus den Lautsprechern und die jungen Schreiner bauen an den Werkbänken akribisch Eeks Entwürfe nach. »Wir produzieren fast 100 Prozent meines Designs selbst«, sagt Piet Hein Eek. Zu seiner Kollektion gehören heute Lampen, Stühle, Schränke und So­

fas, Kindermöbel und freie künstlerische Arbeiten. Wie sie hergestellt werden, kann jeder Besucher sehen – alle Arbeitsberei­che sind durch lichtes Glas getrennt. Transparenz war für Piet Hein Eek auch in seinem ersten Produktionsort wichtig, in Geldrop, einem Vorort von Eindhoven. Im Jahr 2010 kaufte er dann die alten Produktions­hallen des Elektronikunternehmens Philips auf und verlegte Gestaltung, Fertigung und Ausstellung in das einstige Industriegelände. Ein waghalsiges Unternehmen, gesteht er in seinem Büro, in dem er von seinen Mitar­beitern nur durch ein hohes Regal getrennt ist. Der Schreibtisch ist klein, das Reißbrett groß, Papierstapel, Stifte, Erinnerungen und altes Kinderspielzeug zeugen von der Lust an neuen Ideen und Entwürfen.

Unterstützung aus Brüssel erhielt der Designer für seine mutige Idee, sich im Lehmann­Krisenjahr neu aufzustellen, jedoch nicht. »In Brüssel gibt es zwar entsprechende Fonds, aber sie haben das Konzept nicht verstan­den«, erklärt er. Dabei ist es so erfolgreich wie simpel: Einen Ort zu schaffen, der Ateliers, Fertigungshalle, Showroom, Galerie, Restaurant und Veranstaltungen verbindet. Eine gläserne Werkstatt und Produktion, in denen er seine einfache, aber preisgekrönte Möbelidee umsetzt. »Ich will keine Unikate herstellen, denn davon kauft man eines und es ist entsprechend teuer. Sondern authen­tische Möbel, die seriell gefertigt werden.« Seine Entwürfe werden von einem erfahrenen Team aus 90 Schreinern und Mitarbeitern um­gesetzt, produziert, versendet und verkauft. Kein Stück gleicht dem anderen: hier ist das Holz dunkler, dort hat es mehr Patina. Und die Kunden verlassen mit dem Hochgefühl, ein echtes Piet­Hein­Eek­Original gekauft zu haben, stolz die Hallen.

Interessierte reisen inzwischen aus der ganzen Welt an, um das neue Leben in den ehemaligen Keramikwerken von Philips zu erleben. Sie füllen auch das neue Restau­rant auf dem Gelände, das mit seiner Spei­sekarte – Ziegenkäse aus den Niederlanden, Burger mit selbstgemachtem Landbrot – ge­nauso ehrlich daherkommt. Serviert wird auf Blümchenporzellan, das von Omis Esstisch oder dem Trödel stammen könnte. Um das neue Areal ans Laufen zu bringen, trug Piet Hein Eek das persönliche Risiko »Wir verdienten unser Geld mit der Kollektion und subventionierten die neue Idee«, erzählt er. Inzwischen hat sich auch der Standort Eindhoven gemausert. »Es ist die Produktions­

region in Holland«, erzählt er. Auch ein Grund, warum immer mehr Designer von Rotterdam aus in das rund dreimal kleinere Städtchen mit seiner berühmten Design­Akademie ziehen. »Eindhoven ist das frisch gebackene Silicon Valley der Niederlande«, lacht Eek und spielt damit auf den neuen Campus an, der ebenfalls auf dem Philips­Gelände entstand. Hier residiert inzwischen das nati­onale Forschungs­ und Entwicklungscluster der Niederlande mit rund 100 Einrichtungen. 8.000 Menschen arbeiten an künftigen Anwendungen, die von der Medizintechnik über IT­Sicherheit bis hin zu Energiemanage­mentsystemen reichen.

Die ganze Welt – quasi fassbar um die Ecke. Das Gelände inspiriert. Auch Piet Hein Eek. Und er bleibt auch hier seiner zweiten, ganz privaten Erfolgsstrategie treu, wie er es schon nach dem Studium tat. »Die erste Maßnahme war, dass ich mir eine Umge­bung gestaltete, in der ich mich richtig wohl fühlte. Denn für mich stand fest: nur in einer Umgebung, in der ich mich gut fühle, kann ich auch richtig spannende Sachen entwerfen.«

Ausstellung: Zu Beginn seiner Arbeit fertigte Piet Hein Eek jeden Stuhl noch selbst: sägte und setzte ihn zusammen. In zwanzig Jahren Designarbeit entstanden unter Eeks Reiß­brett eine Menge Stuhl­Varianten. Bis zum 9. November stellt er die Welt der Modelle in seinen Hallen aus.

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Als Philips ging, kam Eek um die Ecke

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WELTUMBRUCH

UMBRUCH

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Die Welt im Umbruch

Wertschöpfungsperspektiven 2030

Klaus Burmeister

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UMBRUCHUMBRUCH

ELT IM

DIE

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Wir leben in einer bewegten Zeit, Umwäl zun-gen und Brüche scheinen an der Tages - ordnung zu sein. Die Volatilität an den in ter-nationalen Kapitalmärkten ist noch lange nicht ausgestanden, die Unruhen in der ara bischen Welt dauern an, technologische Umbrüche in Verbindung mit digital vernetz-ten und bestens informierten Kunden erzwin-gen Veränderungen der Geschäfts modelle. Unsicherheiten gehören mittlerweile zum Alltag. Wie gelingt es in einem solchen Um-feld, Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten?

Diese Frage hat sich der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) gestellt. Unter Federführung vom BDI-Arbeitskreis »Wert-schöpfungsorientierte Innovationsstrategien« und unterstützt durch Z_punkt The Foresight Company ist eine Studie entstanden. Sie identifiziert grundlegende Disruptionspoten-tiale und analysiert in der Perspektive bis 2030, welche Auswirkungen solche Disrupti-onen potenziell auf die Wertschöpfungsstruk-tur in Deutschland haben und wie zukünftig Forschungs- und Innovationspolitik aussehen muss, um den Standort zukunftsfähig zu machen.

Die Atomkatastrophe von Fukushima und die Energiewende in Deutschland waren ein Fanal: Deutschland, Europa und die Welt befinden sich in einer Phase rasanter Veränderung. Die Dynamik, die sich im Finanz­ und Währungssektor, bei ökologischen und demografischen Fragen zeigt, dazu die hohe Volatilität in vielen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen, all dies spricht für eine Zukunft, in der der Wandel nicht die Ausnahme, sondern die Regel sein wird. Eine Zukunft voller Umwälzungen und Brüche scheint

bevorzustehen. Das ist die Grundannahme der aktuellen Studie »Deutschland 2030 – Zukunftsperspektiven der Wertschöpfung«, beauftragt vom BDI, unterstützt vom Köl­ner Büro für strategische Zukunftsfragen Z_punkt.

Darin zeigt sich, dass neue Formen eines konstruktiven und kooperativen Zusammen­wirkens von Politik, Gesellschaft und Wirt­ schaft notwendig werden. Diese Koopera­tionen sollten idealerweise auch in zukunfts ­ fähigen Geschäftsmodellen der Unter­nehmen ihren Niederschlag finden. Die wichtigsten Ergebnisse des Projekts werden im Folgenden zusammengefasst.

Klassische Branchengrenzen werden ver ­ schwinden, dafür entstehen neue, über­greifende Handlungsfelder und Koopera­tionsformen. Beim Thema Gesundheit beispielsweise geht es um den Einzelnen innerhalb großer Patientengruppen, um seine genetische Ausstattung, sein Verhal­ten und sein individuelles Lebensumfeld. Die personalisierte Medizin wird dem Rech­nung tragen. In der Forschung setzt sich interdisziplinäres Denken endgültig durch, Branchen stehen sich nicht mehr fremd gegenüber, sondern kooperieren, sofern sie an einem gemeinsamen Geschäfts­modell partizipieren (Win­Win­Situation). Es entstehen maßgeschneiderte Angebot­spakete aus Produkten und Services, klas­sische Sektoren verlieren zunehmend an Bedeutung. Bei Gesundheit, Ernährung und Kosmetik zum Beispiel ist mit der Bildung neuer, zielgerichteter Allianzen zu rechnen.

Die Wertschöpfung im Jahr 2030 verlangt laut Studie nach einem systemischen und ganzheitlichen Verständnis von Innovati­on. Veranschaulicht am Beispiel Mobilität heißt das: Nicht mehr das Auto als Symbol des Individualverkehrs steht im Mittel­punkt, sondern die Bereitstellung intelli­genter und verkehrsträgerübergreifender Mobilität. Entscheidend ist, Qualitätsziele zu definieren: Welche Mobilität wollen wir eigentlich, zu welchem Preis und zu welchen Konditionen? Neue Akteure werden den Markt betreten: Produzenten von postfossilen Antriebssystemen oder Batterien, Energie­ und IT­Anbieter. Städte und Regionen über nehmen mehr Ver­antwortung und definieren den öffentli­chen Verkehr als integralen Bestandteil inter nationaler Mobilität neu. Vernetzte Informa tionsdienste machen nahtlose Mobilität über alle Verkehrsträger hinweg erst möglich.

Die allgegenwärtige Informatisierung wird sich tendenziell in sämtlichen Branchen und Lebensbereichen durchsetzen. Es entsteht ein Internet der Dinge, in dem nicht nur Menschen, sondern auch Objekte selbstän­dig Informationen austauschen werden. Die Perspektive ist eine autonome und globale Steuerung dezentraler Produktionsprozesse in Echtzeit. Die physische und digitale Welt werden verlinkt. Wissensbasierte Systeme helfen, die sich abzeichnende Komplexität zu beherrschen. Die Verschmelzung der Sys­teme birgt gewaltige Potenziale, aber auch Risiken. Die IT­Sicherheit wird folglich in der Zukunft eine große Rolle spielen.

Die Wertschöpfung der kommenden zwei Jahrzehnte schließlich wird von nachhalti­gen Lösungen geprägt. Deutschland ist eine rohstoffarme Industrienation. Die Versor­gungssicherheit ist und bleibt ein Thema mit hoher Priorität. Ob Energie wende, Steigerung der Ressourceneffizienz oder Kreislaufwirtschaft, eine zukunftsfähige Innovationsstrategie wird vielseitige und unkonventionelle Ansätze berücksichtigen. Dabei liegen im Bereich der nachhaltigen Infrastruktur durchaus Exportchancen. Das gilt für Kraftwerktechnologien, für Spei­chersysteme im Kontext des Smart Grid (intelligente Stromzähler, Anm. d. Red.) und für die Energieeffizienz – Wachstumsmärkte des 21. Jahrhunderts.

Die künftige Geschäftslogik bedarf einer Neuausrichtung der Stakeholder­ und Kun ­ denbeziehungen. Bereits heute haben Kunden­Communities im Internet erheb­lichen Einfluss. Ihre Stärke liegt in der Offenheit der Kommunikation. Die Positi­onen im Markt, geprägt von Produzenten, Zulieferern, Kunden und NGOs – sind bereits in Bewegung. Unternehmen können dieser Dynamik zum Opfer fallen, sie können diese aber auch zu ihrem Vorteil nutzen. Erfolg­reich wird sein, wer die Fähigkeit besitzt, neue Allianzen zu schmieden. Aber Vorsicht: Prozesse zu steuern wird infolge wachsen­der Komplexität immer schwieriger. Auch deshalb ist eine emotionale Kunden­ und Markenbindung als sehr wichtig einzustufen. Zukunftsorientierte Produkte und Dienst­leistungen, zum Beispiel für die alternde Gesellschaft, erfordern eine Kommunikati­on, die nicht nur über Branchengrenzen hin­ausgreift, sondern den Kunden als Innovator einbezieht.

Der Wandel, so die Schlussfolgerungen aus dem Projekt, wird häufig durch neue wissenschaftlich­technische Erkenntnisse

DIE WELT IM UMBRUCH

Wertschöpfungsperspektiven 2030

Klaus BurmeisterZ_punkt GmbH – The Foresight Company

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ausgelöst. Die Umsetzung im Markt ge­schieht aber nur unter der Voraussetzung, dass entsprechende Infrastrukturen, Rah­menbedingungen und Geschäftsmodelle vorhanden sind. Chancen und Risiken der Wertschöpfung im Jahre 2030 werden sich deshalb nicht zuletzt auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar machen. Im Zentrum der Wirt­schaft steht der Mensch. Für ihn muss es eine Brücke von der alten in die neue Welt der Beschäftigung geben. Paradigmenwechsel der Wertschöpfung

Eine genauere Betrachtung der Ergebnisse aus einer branchen­ und unternehmensüber­greifenden Perspektive lässt allgemeine Mus­ter erkennen. Fünf zentrale Erkenntnisse zum langfristigen Wandel der Wertschöpfung, sogenannte Paradigmenwechsel, werden im Rahmen des Projekts identifiziert. Dabei zeigt sich: Die Dinge werden nicht einfacher, sondern komplizierter. Und die Volatilität nimmt zu. 1. Branchenübergreifendes Kooperations-management wird zum kritischen Erfolgs-faktor in wertschöpfungsorientierten Inno-vationssystemen

Die Grenzen zwischen den Branchen sind schon jetzt längst in Bewegung geraten. Der entscheidende Schritt in die Zukunft ist eine offensive Vernetzung innerhalb traditionel­ler Branchen sowie mit neuen Branchen. Daraus erwachsen Innovationen und neue Geschäftsmodelle. Wenn es um preisgüns­tige, unkomplizierte und nahtlose Mobilität für den Kunden geht, sind Akteure aus der Automobilbranche, dem Energiesektor und der IT­Branche ebenso gefragt wie Vertreter von Städten und Kommunen. Schließlich müssen auch Elektroautos parken – und ganz nebenbei aufgetankt, oder präziser: aufgeladen werden. Der Übergang vom Auto zum Flugzeug oder zum Fahrrad sollte leicht und entspannt zu realisieren sein. Dafür braucht es Plattformen mit vielfältigen Kompetenzen und die Fähigkeit zur Gestal­tung von Produkt­Service­Innovationen, sowie nicht zuletzt das aktive Management der Schnittstellen in den neuen, hybriden Wertschöpfungsstrukturen.

Es ist davon auszugehen, dass einzelne Unternehmen alleine tendenziell nicht mehr in der Lage sein werden, die entscheiden­den Innovationen am Markt durchzusetzen. Gewinner wird sein, wem es gelingt, die we­sentlichen Stakeholder für gemeinsame Stra­tegien zu gewinnen. Es gilt, die Kompetenz 39

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von internen und externen Wissens arbeitern einzubringen – und das flexibel und projekt­bezogen. Dabei wird es um Partnerschaf­ten auf Zeit gehen und die Akzeptanz von Lösungen für den Benutzer.

2. Auf dem Weg von der partikularen zur ganzheitlichen Innovation

Systeminnovationen über Branchengrenzen hinweg und die Entwicklung integrierter Wertschöpfungsketten haben eine ent­scheidende Voraussetzung: die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Die nahtlose Mo bilität verlangt von Akteuren aus unter­schiedlichen Branchen, dass sie Pakete aus Produkten und Dienstleistungen schnüren. Sie bestehen zum Beispiel aus Fahrzeugen, dazu aus Real­Time­Verkehrsinformationen, Verkehrsleittechnik, Zugangstechnik und anderen Services. Neue Geschäftsmo­delle müssen dem Rechnung tragen. In vielen Fällen kommt es zu einer breiteren Streuung von Gewinnen, aber auch von Risiken, Letztere sind z. B. das Auftauchen neuer Akteure aus den Emerging Markets oder auch die Unfähigkeit der Unternehmen angepasste Geschäftsmodelle auf Basis von Wertschöpfungspartnerschaften zu entwickeln.

In der deutschen Innovationslandschaft von heute dominieren Produkte, Dienstleis­tungen und Prozesse. In Zukunft werden von Beginn an Geschäftsmodelle stärker betrachtet werden, und in diesem Zusam­menhang auch Finanzierungsinstrumente und ­kriterien. Entscheidend ist die Pers­pektive des Nutzers. 3. Nachhaltige Innovationen werden zum zentralen Hebel der Wertschöpfung

Wenn das fossil gestützte Weltenergiesys­tem langfristig dekarbonisiert werden muss, also Kohlenstoffemissionen zu vermeiden sind, und wenn Knappheiten bei Rohstof­fen eine ressourcenextensive Ökonomie verlangen, dann wird kein Wirtschaftszweig sich dem entziehen können. Nicht nur ökologische, auch soziale Anforderungen, dazu Innovationen auf technischem wie gesellschaftlichem Gebiet bringen den Prozess voran. Zug um Zug wird sich das Thema Nachhaltigkeit in allen Märkten durchsetzen, eine Entwicklung, die traditi­onelle Branchengrenzen verwischen und neue Wertschöpfungscluster entstehen lassen wird. Auf Seiten der Unternehmen gewinnen neue Instrumente an Bedeutung, die dem ganzheitlichen Ansatz der Nach­

haltigkeit Rechnung tragen. Zukunftsfähige Innova tionen werden dann zum zentralen Wachstumstreiber im Land.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass reale Knappheiten und veränderte Wertvor­stellungen den Umbruch einleiten werden, der neuen ökonomischen Notwendigkeiten entspricht. Stoffströme und Austauschpro­zesse der Wirtschaft werden neu konfigu­riert, weil längerfristige Knappheiten mehr und mehr ins Bewusstsein dringen. 4. Bildung neuer Interessensallianzen – vom Shareholder Value zum Stakeholder Value

Unternehmen werden in zunehmend komplexeren Produkt­ und Dienstleistungs­systemen agieren, neue Geschäftsmodelle werden, wie bereits erwähnt, erforderlich. Diese müssen zudem ihre geschäftlichen Aktivitäten stärker mit unterschiedlichen Interessengruppen abstimmen, um ihre Legitimation auf Wertschöpfung (licence to operate) zu erhalten. Ein Beispiel sind die bereits erwähnten Kunden­Communities im Internet, die die Position des Endnutzers im Markt erheblich stärken.

Die Gewinnorientierung von Unternehmen bleibt zwar, so die Annahmen, konstituie­rend, aber sie unterliegt öffentlichen Debat­ten. Die Kongruenz von Gewinnorientierung und Gemeinwohlorientierung steht immer wieder im Mittelpunkt der Diskussion, über ­ haupt geraten geschäftliche Aktivitäten zunehmend unter sozialen Rechtfertigungs­druck. Aus all dem ergibt sich in Zukunft die Notwendigkeit, die verschiedenen Stake holder – gesellschaftliche Gruppen, NGOs, vor allem aber die Kunden – in die Geschäftsprozesse frühzeitig einzubinden. Innovationen werden dadurch erleichtert. Unterbleibt die Kommunikation, kommt es leicht zu Akzeptanzproblemen im Verhältnis zu Politik und Gesellschaft. Das wird aktuell bereits bei der Planung neuer Energieinf­rastruktur deutlich, etwa Standortdebatten bei Windkraftanlagen und neuen Stromt­rassen. Firmen müssen jetzt und zukünftig lernen, sich in diesem Spielfeld zu bewegen und die Erwartungen und Einwände der verschiedenen Anspruchsgruppen auszu­balancieren.

Unternehmen, vor allem in konsumenten­nahen Märkten, werden belohnt, wenn es ihnen gelingt, Kunden und Stakeholder auf verschiedenen Stufen der Wertschöpfung – in der Entwicklung, der Produktion oder im Vertrieb – aktiv einzubeziehen.

5. Wandel von klassischen Planungsprozes-sen hin zum Management und zur Steuerung von Komplexität

Trotz sich abzeichnender Veränderungen werden Märkte jedoch immer weniger plan­bar. Unsicherheiten und Instabilitäten im Wettbewerbsumfeld werden Teil der neuen Normalität. Sie zu steuern wird zur zentralen Herausforderung, damit aber nicht genug: Auch weiterhin werden Rohstoffpreise schwanken, politische Rahmenbedingun­gen variieren, Wirtschaftszyklen schneller verlaufen. Krisenhafte Perioden werden sich abwechseln mit Boomphasen; die Verletzlichkeit der zunehmend virtuellen Geschäftsprozesse nimmt also zu. Cyberat­tacken sind eine permanente Bedrohung, ein nicht zu unterschätzendes Problem, dem es mit adäquaten Lösungen entgegen­zutreten gilt.

Die Perspektive: Unternehmen können auf die hohe Volatilität reagieren, indem sie sich darauf einstellen, bei Rohstoffen zum Beispiel langfristige Absprachen zu tätigen. Auch, indem sie ihre Märkte einem perma­nenten Monitoring unterziehen und ihre eigene Reaktionsgeschwindigkeit erhöhen. Dies kommt einem Systemwechsel gleich: weg vom klassischen Planungsprozess hin zur Steuerung von Komplexität, etwa durch die Vernetzung unterschiedlicher System­komponenten und Akteure. Entsprechend verändern sich auch die Organisationsfor­men: weg von der linear­hierarchischen Struktur hin zum Management von Kapital­, Waren­ und Stoffströmen in dezentralen Netzwerken. Der Gravitationspunkt der Wertschöpfung wird sich dabei in Richtung auf die »Intelligenz« (Software, Brainware) von Produkten bewegen, auf die Akzeptanz der Nutzungskonzepte und neue serviceori­entierte Geschäftsmodelle.

Der Autor: Klaus Burmeister – »geschäfts-führender Gesellschafter« von Z_punkt, The Foresight Company, ein Beratungsunterneh-men für strategische Zukunftsfragen – hat maßgeblich an der Studie mitgewirkt.

Quelle: BDI – Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. und Z_punkt – The Foresight Company (2011): Deutschland 2030 – Zu-kunftsperspektiven der Wertschöpfung. Ver-fügbar unter: http://bdi.eu/Publikationen_Deutschland-2030.htm (Abruf: 23.07.2012).

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SCHREIBEN IM BESTAND

SCHRE IM BESTAND

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Schreiben im Bestand

Der amerikanische Kultautor T. C. Boyle schützt einen besonderen

Bestand im kalifornischen Städtchen Montecito: ein Frank-Lloyd-Wright-Haus

von 1909.

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»Ich bezweifle, dass Wright überhaupt Be-wohner in seinen Häusern haben wollte!«

Der amerikanische Kultautor T. C. Boyle schützt einen besonderen Bestand im kalifornischen Städtchen Montecito: ein Frank­Lloyd­Wright­Haus von 1909. Hier lebt und schreibt er. Wie die historische Atmosphäre in seine Bücher fließt, berich ­tet er bei einem Besuch vor Ort.

Boyle wirkt übernächtigt. »Ich schreibe an einem neuen Roman, habe bisher 90 Sei­ten fertig und es sollen über 400 werden!« Jährlich produziert der amerikanische Au ­ tor einen Bestseller und hat trotzdem noch Spaß am Schreiben. Tom Coraghessan Boyle, in roten Converse­Schuhen und weiten Hilfiger­Jeans, passiert den akkurat getrimmten Rasen, geht auf sein Haus zu, zweistöckig, mit weitausladenden Flach­dächern. »Ein Frank­Lloyd­Wright­Haus von 1909«, erzählt er, während er die Tür öffnet und eine Katze vom Buchregal ver­scheucht, das Wright als eines der wenigen Stücke für das Haus entwarf.

»Als meine Frau Karen und ich mit unseren drei Kindern vor zwölf Jahren aus Los Angeles wegzogen, suchten wir ein altes Haus, ein Denkmal. Es gab viele histori­sche Häuser von berühmten Architekten, zum Beispiel von George Washington Smith. Und es stand das einzige Prärie­haus westlich der Rockies von Frank Lloyd Wright zum Verkauf.« Das Haus war zwei Jahre auf dem Markt, sollte zwei Millionen Dollar kosten, war heruntergekommen, die Wände aus Redwood­Holz verblichen und verschimmelt, das Dach feucht und die Fensterrahmen gesprungen. Der Makler willigte für die Hälfte des geforderten Preis­

es ein, und Boyle schlug zu, mit dem Geld, das er gerade für die Filmrechte seines Romans »Willkommen in Wellville« bekom­men hatte.

So zog der Autor, der über Marihuana­An­bau, Öko­Terroristen und freie Liebe schrieb, in einen Ort, in dem die Straßenschilder aus Holz gezimmert sind, alte Männer Golfrun­den drehen und in der Nachbarschaft TV­Prominenz wie Ophra Winfrey residiert. »Montecito war früher die Sommerfrische für Multimillionäre«, erklärt er. »Hier gab es keine Moskitos, hier wurden Herrenhäuser oder Sommerresidenzen gebaut. Inzwi­schen werden sie von alternden Filmstars, Produzenten oder betagten Rock’n’Roll­Leuten bewohnt.«

Boyle, der in seinen Romanen für den Na­turschutz und gegen die Überbevölkerung plädiert, war von der Funktionalität des Wright­Hauses überrascht. »Wright sagte, ein organisches Haus ist immer modern. Aber ich glaube, es ist mehr ein Lippen­bekenntnis von Wright. Ich bezweifle, dass er überhaupt Bewohner in seinen Häusern haben wollte«, er lacht. »Aber dann war ich angenehm überrascht, denn dieses Haus ist extrem gut bewohnbar, unsere drei Kinder wuchsen hier auf und es ist gut durchdacht.«

Der Schriftsteller betritt den Eingangsraum, der mit seinen knapp zwei Meter hohen Decken eher gedrungen wirkt und sich später zu doppelter Höhe im sakralgleichen Wohnzimmer aufschwingt. Es gibt keine Innenwände im Erdgeschoss, dafür eine Galerie von Fenstern. Blickt man auf die Gläserreihen, glaubt man sich im Mittel­punkt eines Zylinders, an dem die Jahres­zeiten wie im Daumenkino vorbeiziehen. »Wrights Grundgedanke war es, die Natur hereinzuholen«, sagt Boyle. »Er stammt aus der viktorianischen Zeit, als Menschen mehrstöckige Häuser bauten, um zu zei­gen, dass sie die Natur domestizieren konn­ten. Aber er dachte anders. Seine Idee war, nicht auf Gemälde zu schauen, sondern die Landschaft wirken zu lassen. Im ganzen Haus schaut man auf den umliegenden Wald.«

Das Wright­Gebäude wirkt auf den ersten Blick fragil, aber überlebte als eines der wenigen das schwere Erdbeben von 1925, das fast ganz Santa Barbara zerstörte. Im Erdgeschoss hat Karen Boyle Stühle und Sofas aus der Arts­and­Craft­Bewegung sowie Wright­Lampen zusammengetragen.

Boyle wippt auf einem Gustav­Stickley­Schaukelstuhl, wirkt wie Nat King Cole im Heimatmuseum und erzählt: »Karen ist eine Jägerin­ und Sammlerin, ihr größtes Drama war: Sie sammelte viktorianisches Porzellan, als wir hier einzogen!« Er grinst, entdeckt auf dem Eichenparkett zwei Wasserflecken, springt auf und poliert sie schnell weg. Eine Frage nach dem Verbleib des unpassenden Porzellans wäre eine rhetorische – es ist schlicht weg. Er geht über eine Holztreppe auf die offene Galerie, die wie eine maßgeschneiderte Kanzel ins Wohnzimmer ragt. Im Oberge­schoss plante Wright die Schlafzimmer und Bäder, jedoch weder Wandschränke noch Stauraum. Die Räume sind klein und einer von ihnen fungiert für den Schriftsteller als Büro: ein Arbeitsgral, acht Quadratmeter groß. An den Wänden pinnen Interviews, in Regalen stehen Paperbacks seiner Romane. Über dem Schreibtisch hängt ein Foto von Wright. Nachdem der Architekt das Haus entworfen hatte, bekam er eine Mid­life­Crisis. Wright verließ Frau und Kinder, segelte mit Mamah Cheney, der Frau eines Klienten nach Europa. »Seit wir eingezogen sind, dachte ich darüber nach, über Wright zu schreiben«, gesteht Boyle. Schließlich tut er es: 2009 erschien sein Buch »Die Frauen«, in dem er die Lieben und Affären Wrights mit seiner großen Architektur und seinem dramatischen Schicksal verknüpft. Gegen Abend hängt die Sonne glutschwer über Montecito. Boyle serviert einen war­men Sake auf der Terrasse. Glühwürm­chen hängen wie kleine Lampions in den Büschen, Baumkronen verschmelzen mit seinem Wright­Haus. »Ich war immer zufrie­den mit den Orten, an denen ich lebte«, er­zählt er. »Ich bin als mittelloses Kind in klei­nen Appartements aufgewachsen und als Student in heruntergekommenen Buden.« Seine Frau Karen gesellt sich dazu und setzt sich. »Ich habe alles, was ich brauche, und das meiste wurde mir von Frau Boyle gebracht«, erklärt er mit warmem Blick auf sie. »Und zu unserem Haus: Wir beide woll­ten ein Haus erhalten, das seinen eigenen Charme hat. Aber das Leben ist zu zufällig, als dass man sich darüber sorgen sollte, in welcher Sorte Haus oder Tipi man lebt. 7 Milliarden Menschen existieren auf der Erde. Jeder Dritte hat nicht genug zu essen oder eine richtige Unterkunft. Wir können glücklich sein, in einem westlichen Gebiet zu leben, in einer Konsumgesellschaft, in der man Produkte kaufen kann, wenn man sie braucht.« Er schnippt eine Mücke weg:

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SCHRE IM BESTAND

SCHRENIM BESND

SCHREIBEN IM BESTAND

»Und wie Fans meines Buches ›Freund der Erde‹ schon lange wissen – in nicht allzu ferner Zeit werden die Systeme zusammen­brechen. Es gibt nicht genug Ressourcen und zu viele Konsumenten. Und deshalb sind wir dringend gefragt, für diese Probleme neue Technologien zu entwickeln.«

Lesetipps:

»Wenn das Schlachten vorbei ist«Der neue Roman von T. C. Boyle erzählt über Irrungen und Wirrungen zweier Tierschutz- und Umweltaktivisten. Zielsicher, komisch und tragisch zugleich. Hanser-Verlag, ISBN 978-3-446-23734-6, 22,90

»Die Frauen«Bestimmen Frank Lloyd Wrights Schicksal. Boyle zeigt neue Seiten des genial-exzentri-schen und berühmtesten Architekten der USA. ISBN-10 3446232699, 24,90

T. C. BoyleTom Coraghessan Boyle, geboren 1948 in Peekskill, New York. Verheiratet mit Karen Kvashay seit 1974, gemeinsam haben sie drei Kinder. Seit 1986 ist er Literaturprofessor an der USC, University of Southern California.

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Bestands-Aufnahmen

Akten ordnen: Neues Leben in alter Substanz –

die Elba Werke Wuppertal/Belvedere in Köln

Wie sich Industriearchitektur und Bürozellen in lebendiges Wohnen

verwandeln

Von Dagmar Haas-Pilwat

AKTENORDNENAKTEN

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Viele kennen sie, die berühmten Akten­ordner mit dem Schriftzug »Elba« aus dem Hause einer der führenden Markenhersteller von Büroprodukten und Organisationssys­temen in Europa. Aber wer weiß schon, wer als Namensgeber Pate stand? Es waren die damals selbstständigen Städte Elberfeld und Barmen. Heute sind sie längst Stadtteile von Wuppertal. Und auf der Grenze zwischen den beiden am Arrenberg wurden kurz nach der vorletzten Jahrhundertwende – 1904 – die roten Backsteinbauten an der Wupper errichtet. Bis 1998 waren sie die Heimat der Elba­Werke, auch wenn »Elba« im Laufe der Jahre mit dem Werbeslogan »Erfolgreiche Lösungen für besseres Arbeiten« übersetzt wurde.

Nun entstehen im Rahmen einer behutsa­men Revitalisierung unter der Regie des preisgekrönten Aachener Architekturbüros Kadawittfeldarchitektur in der leerstehen­den Industriehalle 31 Lofts mit höchstem Komfort, viel Platz und Licht. Zu den sechs luxuriösesten Wohnungen in der oberen Etage gehören 50 Quadratmeter große Dachterrassen, die einen kilometerlangen Blick über die Talachse bieten. Daneben sollen in dem sanierten Denkmal aus vier Gebäudeteilen auch Gewerbeflächen für Kreative Platz finden.

Oberbürgermeister Peter Jung bezeichnet das Vorhaben als einen Glücksfall für die Stadt. Die Fabrik gilt als eines der Denkmäler, die für Wuppertals Aufstieg stehen und sie zählt zu den bekanntesten Industriedenkmälern der Stadt. Gleichzei­tig stelle die Immobilie schwierige Auf­gaben an die Planer, betont Jung. Wenn sie wiederbelebt werde, sei dies auch ein wichtiger Schritt, um die Wupper aus dem

Schattendasein zu holen, in das sie im Laufe von mehr als 100 Jahren gedrängt wurde.

Initiator des Bauvorhabens ist der Eigentü­mer Bodo Küpper, der das besondere Poten­zial des Standortes erkannt hat. »Direkt an der Wupper, der Lebensader der Stadt, eine Immobilie von diesen Dimensionen nutzen zu können, bietet hervorragende Möglich­keiten!« Immerhin weist die alte Fabrik eine beachtliche Nutzfläche von mehr als 5.000 Quadratmetern auf. »Nicht einmal in Düs­seldorf lassen sich Gebäude mit ähnlichem Potenzial finden«, betont auch Immobilien­experte Harald Robiné, der als Projektma­nager die Fäden in der Hand hält.

Die traditionsreichen Elba­Werke sind einer der seltenen Fälle, in denen ein Industrie­denkmal zu einem attraktiven Lebensmittel­punkt mit Wohnkultur transformiert werden kann. »Wir wollen eine Brücke zwischen Historie und Moderne schlagen, Wohnen in Steinen mit Geschichte möglich machen«, sagt Lutz Langer vom Aachener Architektur­büro. Um eine neue Lebenswelt in histori­schem Ambiente zu schaffen, »mussten wir die Ursprünge des über die Jahrzehnte bis in die 1980er Jahre ständig erweiterten und umgebauten Industriebaus rekonstruieren. Es waren keine Schnitte und Ausführungen mehr vorhanden, die wir als Grundlage hätten nutzen können. Durch die Bomben­angriffe während des Zweiten Weltkriegs wurden auch die Unterlagen vernichtet«, erklärt der Projektleiter.

Rationale Raster helfen, das Haus in sei nen Ursprüngen zu verstehen. »Denn wir wollen nicht nur die denkmalgeschützte Backstein­fassade, sondern möglichst viel Substanz erhalten, etwa die Bögen, Stützen und gro ­ ßen Fenster.« Der Aufwand, in einer Be­standsimmobilie Neues zu schaffen, sei – so Langer – ungleich aufwendiger als ein Neubau.

Die Urtypologie neu zu nutzen, Originaltreue herauszuarbeiten, das sei die Herausforde­rung. Noch zieren Graffiti die Wände des Gebäudes. Die 31 authentischen, mit ho­hem Komfort ausgestatteten Lofts werden bei überdurchschnittlicher Raumhöhe (3 bis 3,60 Meter) zwischen 85 und 285 Quadrat­meter groß sein. Keine der Wohnungen mit Terrassen, Balkonen und Loggien wird wie die andere sein. Sie unterscheiden sich alle in Grundriss und Wohnflächen und verteilen sich auf die drei Gebäudeteile mit unter­schiedlichen Ausrichtungen. Geplant sind

derzeit Preise zwischen 2.700 bis 3.300 Euro pro Quadratmeter. Mit der Fertigstel­lung wird 2013 gerechnet.

Schon im derzeitigen Zustand wecken die von Licht durchfluteten, riesigen Räume den Wunsch, dort Quartier zu beziehen. Verlo­ckend sind allein schon die monumentalen Sprossenfabrikfenster mit der Aussicht auf Wupper und Schwebebahn.

Als Ziel sehen die Planer eine Revitalisie­rung, die sehr behutsam mit der Bausub­stanz umgehen soll. Eine durchdachte Vorgehensweise und ausgesuchte Materia­lien werden das Interieur aufwerten – etwa barrierefreier Ausbau, geschliffene und polierte Estrichböden, Fußbodenheizung, nicht tragende Innenwände, historische Treppenhäuser.

Für den hofseitigen Anbau, der zur Wupper weist, ist eine Aufstockung vorgesehen, so dass alle Gebäudeteile des Komplexes das gleiche Niveau erreichen werden. Das Dach wird mit Terrassen besetzt sein, die zu den Wohnungen im Obergeschoss gehören. Die anderen Lofts werden über Balkone und Loggien verfügen. so dass jede Wohnung über einen eignen Außenbereich verfügt.

Auch für den Hof ist eine anspruchsvolle Lösung vorgesehen: Insgesamt entstehen im Hof und Hinterhof Stellplätze für die Wohneinheiten und das Gewerbe. Beson­ders schön: Unter einem begrünten Dach im Innenhof wird es allein 30 Parkplätze geben.

Wenn nun ein neues Kapitel in der Historie der Elba­Werke aufgeschlagen wird, dann wird das lange Zeit nicht so gut angesehene Quartier an der Wupper sein Comeback feiern – davon sind die Macher überzeugt. Eingerahmt von Grünflächen wird wohl auch die Kunst nicht ganz aus den Elba­Hallen verschwinden. Nachdem sie in der jüngeren Vergangenheit der Kultur eine außerge­wöhnliche Bühne geboten haben mit Thea­terdarstellungen, Lesungen, Ausstellungen mit Gemälden, Installationen und Skulp­turen sowie Filmvorführungen und Konzer­ten, soll auch in Zukunft die bildende und darstellende Kunst vor Ort erlebbar sein.

INDUSTRIE-BESTANDAkten ordnen: Neues Leben in alter Fabrik – die Elba Werke Wuppertal

Dagmar Haas-Pilwat

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Keine Lofts in ausgedienten Fabrikhallen, dafür Wohnen mit Aussicht in ehemaligen Bürozellen: Das Belvedere in Köln ist anders als die Elba­Werke in Wuppertal ein gelun­genes Beispiel für die Revitalisierung einer Büroimmobilie in ein exklusives Wohnge­bäude.

Alt­Müngersdorf ist ein idyllisches Fleck­chen im westlichen Köln – ein beliebtes und beschauliches ein Viertel mit viel Grün. Neben modernen Stadtvillen gibt es entlang der Belvederestraße zahlreiche Häuser, die noch den ursprünglichen Charakter dieses Vorortes widerspiegeln. Mittendrin ragte ein siebengeschossiger, massiver Bürobau in die Höhe. Nicht nur von den Anwohnern wurde der graue Waschbeton­Charme der 1970er Jahre als städtebaulicher Schand­fleck empfunden.

Nachdem der Projektentwickler Pandion die zuvor von der DEG – Deutsche Entwick­lungs­ und Investitionsgesellschaft – genutz­te Liegenschaft erworben hatte, sollte der massive Bau mit seiner tristen Fassade abgerissen und durch ein Neubauensemb­le in gleicher Höhe und Massivität ersetzt werden. Dagegen regte sich schnell und heftig Widerstand. Schließlich musste Pan­dion seine Neubauplanungen einstampfen, nachdem der Stadtrat die so genannte »Hangterrassenkante« an der Herrigergasse unter Landschaftsschutz stellte und so Neu­bauvorhaben dieser Größenordnung nicht mehr zuließ.

Nach einer langen und schwierigen Pla­nungsphase ging das Wohnprojekt aber dann doch mit einem völlig neuen Konzept an den Start. Nun werden dort, wo vor weni­gen Jahren noch die Angestell ten der Deut­

schen Investitions­ und Entwicklungsgesell­schaft (DEG) an ihren Schreibtischen saßen, demnächst Singles, Paare und Familien einziehen. Das profane Bestandsgebäude aus den 1970ern Jahren wird bleibt erhal­ten, wird entkernt und nach den Plänen der Arbeitsgemeinschaft Römer Partner Architektur und msm Meyer Schmitz­Mor­kramer zu 69 Eigentumswohnungen mit großzügigen Dachterrassen oder Balkonen revitalisiert.

In Alt­Müngersdorf, einem Quartier mit Cha rakter, das bis heute durch denkmal­geschützte Hofanlagen, Fachwerk­ und Backsteinhäuser geprägt ist, wachsen nun auf 6.700 Quadratmetern am Hang ste­hende Gebäude mit weißen Fassaden und klaren Formen. In der Nachbarschaft zum Terrassenbau des Wohnensembles Belve­dere gruppieren sich die drei modernen Stadtvillen mit 21 Eigentumswohnungen entlang der Herrigergasse, die das Quartier als Fußweg durchquert.

Architektonisch setzt das Pandion Belvedere ab 2013 weit hin sichtbare Akzente. Denn von der Belvederestraße aus umfasst das Gebäude sieben Geschosse, von der West­seite betrachtet ist das Gebäude sogar zehn Stockwerke hoch. Die Wohngrößen liegen zwischen 55 und 166 Quadratmetern, die durchschnittlichen Kaufpreise belaufen sich auf rund 3.800 Euro pro Quadratmeter, die Penthouse­Wohnungen in den oberen Stock­werken liegen deutlich darüber (6.000 Euro). Dafür gibt es modernsten Wohnbaustandard mit hochwertiger Inneneinrichtung, erläutern die Architekten. »Der Plan zeigt, dass man aus einer Büroimmobilie ein sehr schönes Wohngebäude machen kann«, so Architekt Caspar Schmitz­Morkramer.

Auch sonst erwartet die zukünftigen Eigen­tümer Wohnkomfort. Ein hauseigener Concierge­Service soll die Bewohner in ihrem Alltag unterstützen. Die Fassade wird komplett neu eingedämmt und so auf den neuesten Stand der Isoliertechnik gebracht. Zugleich soll die gesamte Außenhaut des Gebäudes aufgehellt und dadurch attrakti­ver gestaltet werden. Bodentiefe französi­sche Fenster und ein hochwertiges Interieur mit Parkettboden und feiner Sanitärkera­mik runden das Wohngefühl ab.

Einen besonderen Clou versprechen die Planer bei der Haustechnik. Die hauseigene zum Haus gehörende Tiefgarage mit 90 Stellplätzen spielt dabei eine wichtige Rolle. Die dort erwärmte Abluft soll über Wärme­

tauscher und eine so genannte Luftgas­Wärmepumpe zur Wärmegewinnung in der Wohnimmobilie genutzt werden.

26 Millionen Euro lässt sich der Projektent­wickler die Baumaßnahme kosten. Auf die neuen Bewohner jedenfalls wartet dank der Hanglage an einem ehemaligen Rheinarm in der Mehrzahl der Wohnungen von den großzügigen Dachterrassen oder Balkonen eine einmalige Sicht auf die City und ihren Dom.

VOM SCHREIBTISCH AUF DIE TERRASSEBelvedere in Köln: Wenn aus Bürozellen großzügige Wohnungen entstehen

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Your light in a world of change.

„Die Gestaltung des Einkaufszentrums als lebendigen Raum, außen wie innen, bedurfte einer einzigartigen schöpferischen Kraft,

die imstande ist, Besucher anzuziehen, sie zum Bleiben zu bewegen und dafür zu sorgen, dass sie wiederkommen. Mit dieser

Medienfassade, die wir dank des Fachwissens von Zumtobel über Licht und dessen Wirkung auf die Architektur realisieren

konnten, gelang es uns, dieses Konzept in die Tat umzusetzen: durch weich fließende, sanfte Farbübergänge und wellenartige

Licht sequenzen scheinen die geschwungenen Linien des Gebäudes auf faszinierende Weise in Bewegung zu geraten.“

Ben van Berkel

Mitgründer / Direktor von Architect UNStudio

Zumtobel. Das Licht.

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Mehr zum Projekt: www.zumtobel.com/cheonan

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Häfen sind Lebensadern und Verkehrsar­me. Auch in weniger maritimen Regionen ist die Liebe zum einstigen Umschlagplatz entbrannt. Leben, Wohnen und Arbeiten im Schatten alter Speicher und Hafenanlagen hat Konjunktur.

Hamburg macht es mit der Speicherstadt vor und auch wenig küstennahe Regio­nen wie Nordrhein­Westfalen entdecken das Flair alter Hafenanlagen. Traumhafte Entwicklungsflächen zwischen Ladekran und Wellenschlag werden neu geplant. In Münster beispielsweise, das bisher mit seinen historischen Gebäuden und der alten Universität verknüpft wurde, hat die Stadt­entwicklung den Innenhafen zum Kreativkai ausgebaut. Aus Getreidespeichern wurden Kunsthäuser, Werbeagenturen, Architektur­büros, oder Verlage wie Coppenrath siedel­ten sich dort an.

Die Mischung aus Wasser und alter Industrie funktioniert: Auch in Duisburg lockte die Mischung Kunst­ und Kulturschaffende, Gas­tronomen und Unternehmer an die einstigen Güterumschlagplätze. Seit jeher war die Stadt geprägt durch ihre Lage an Rhein und Ruhr: Diente doch der Innenhafen mehr als hundert Jahre lang als größter, europäischer Getreideumschlagplatz. Einige der alten Speichergebäude wie die Küppersmühle zeugen noch davon. In den 1990er Jahren dann entwickelte sich hier ein neuer Stadt­teil, dessen Masterplan Architekt Norman Foster zeichnete. Mehr als 550 Millionen Euro kostete die Quartiersentwicklung und brachte der Stadt neue Power, unter ande­rem durch Hitachi Power Europe. Das Unter ­ nehmen zog 2007 in den Duisburger Innen­hafen und schaffte rund 900 neue Stellen. Etwa 60 Prozent der entwickelten Flächen

werden heute von Unternehmen im Hafen als Büro genutzt, der Rest verteilt sich auf Wohnen und Leben am Wasser.

Ehrgeizige Pläne verfolgt man auch im süd lich gelegenen Düsseldorf: die Neuss­ Düsseldorfer Häfen haben sich zu den drittgrößten Binnenhäfen in NRW gemau­sert. Sie sind Umschlagort für Container, Fahrzeuge, Flüssig­ und Stückgut. Nach Fusion mit den beiden Wirtschaftshäfen der angrenzenden Städte Neuss und Krefeld vor knapp zehn Jahren werden heute auf einer Gesamtfläche von 500 Hektar rund 15,8 Millionen Tonnen Güter angeliefert, umge­laden, verarbeitet und veredelt.

Die Zahl der Mitarbeiter am Düsseldorfer Hafen wächst stetig und geht einher mit dem Ausbau des Containerterminals und der neuen Lagerhallen. Die Logistik wurde ein wichtiger Pfeiler der Region – der Hafen führt Lkws, Eisenbahnen und Schiffe zu ­ sam men. Mit dem Rhein als größter Was­ser straße stehen ideale Verbindungen zur Verfügung: zu den Seehäfen und den wichtigsten Wirtschaftszentren Europas. Arbeit und Mobilität am Wasser prägt daher auch die Düsseldorfer Initiative Zukunft durch Industrie e. V. (ein Zusammenschluss namhafter Großunternehmen unterschiedli­cher Branchen), die sich seit ihrer Gründung 2008 intensiv für die logistische Anbindung an Straßen, Wasser und Schiene einsetzt. »Nur so hat die Industrie die Chance, ein starkes Stück von Düsseldorf zu bleiben und zum [wirtschaftlichen] Erfolg der Lan­des hauptstadt beizutragen«, erklärt der Vereinssprecher Nikolai Juchem. Damit liefert er auch Mobilitätsexperten weitere Ar­gumente: Sie warnen seit langem vor einem nahenden Chaos. Mehr Fracht gehöre auf Wasser und Schiene, sonst drohe Nordrhein­Westfalen ein Verkehrskollaps. Dem Rhein komme dabei eine tragende Rolle zu, betont Düsseldorfs Oberbürgermeister Dirk Elbers. Das Ziel sei, die Fracht per Schiff beispiels­weise von Rotterdam bis nach Düsseldorf zu transportieren, hier Containerflächen zur Verfügung zu stellen und weitere Betriebe für Montage und Veredelung anzusiedeln. Deshalb soll nun der Reisholzer Hafen zum D­Port, einem internationalen Hub, ausge­baut werden.

Ein erster Schritt auf dem Weg in die Zu­kunft gelang bereits vor wenigen Wochen: Der »Überflieger«, eine neue Brücke mit einer an zwei Stahlbögen aufgehängten Fahrbahnkonstruktion, macht eine kreu­zungsfreie Verbindung in den Düsseldorfer

Hafen möglich. Fünf Millionen Euro hat die Stadt in den Neubau investiert. Mit der Brücke wird die Anbindung des Hafenberei­ches nun deutlich schneller und dringend notwendig: Die rasante Entwicklung des Düsseldorfer Medienhafens und das damit einhergehende Verkehrsaufkommen wuchs und wächst stetig. Die Prognose für die Verkehrsentwicklung sieht bis 2020 einen Anstieg des Individualverkehrs um etwa 60 Prozent, des Lkw­Anteils um 30 Prozent und des öffentlichen Nahverkehrs sogar um 67 Prozent vor.

Nun ist der Hafen nicht nur um ein logisti­sches, sondern auch architektonisches High­light reicher: Die »Überflieger«­Brücke, die das Neusser Büro Airbag /Wienstroer plante, verbindet filigran Stadt mit Hafengebiet und Medienhafen.

Schon längst ist der Düsseldorfer Hafen da­mit Paradebeispiel für den Wandel. Bereits in den 1970er Jahren wurde deutlich, dass der Hafen mit seinen klassischen Firmen schrumpfen würde. Die Entscheidung, just in dieser Zeit einen Landtag direkt am Rhein zu bauen, brachte Schwung für einen Neu­anfang. »Sie war eine Initialzündung für die Entwicklung des Medienhafens«, resümiert der städtische Planungsdezernent Gregor Bonin rückblickend. Die Stadtplaner hatten damals die Vision, ein modernes Viertel am Fluss zu gestalten. »Wasser ist immer faszinierend und regt die Phantasie an«, ist Bonin überzeugt. Es wecke Emotionen und Sehnsucht nach neuen Horizonten. Gute Voraussetzungen, an den ausgedienten Becken des Zoll­ und Handelshafens ein außergewöhnliches Viertel mit besonderem Reiz zu schaffen.

Die Ausstrahlung der Hafenarchitektur hat ihre Wirkung auf Unternehmen nicht verfehlt – Leerstände sind kaum zu verzeichnen. So ist der Hafen zu einer Art Brennpunkt für Düsseldorfs Wirtschaftsstandort geworden. Vermisst wird nur nach wie vor der Schwer­punkt Wohnen, der in der Entstehungszeit nicht möglich war, weil an zentraler Stelle noch Industriebetriebe arbeiteten. Nun lie­gen schon Pläne für den Bau zweier großer Wohntürme, die »Königskinder« – so werden die Häuser wegen der eigens dafür kreierten Dachskulpturen des Künstlers Markus Lü­pertz genannt –, fertig in der Schublade. Die Stadtplaner sind überzeugt, dass mit diesen neuen Wohnungen der Hafen erst recht zu einem Zeugnis für den gelungenen Wandel eines alten Industrieviertels zu einem mo­dernen Stadtteil wird.

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Ankern am Kreativkai

Dagmar Haas-Pilwat

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Werkstattbericht

Nachhaltigkeit, eine moderne Utopie

Jens Ludloff

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Die sanierte Turnhalle auf dem Tempel hofer Feld in Berlin versucht, das Schlagwort »Nachhaltigkeit« neu zu bewerten und findet dabei eine neue Ressource.

Als das Bezirksamt Berlin Tempelhof Ende der 1950er Jahre die Grundschule auf dem Tempelhofer Feld plante und realisierte, war die Welt eine andere – in zweifacher Hinsicht. Man schaute zurück auf einen immer noch recht nahe zurückliegenden Neuanfang mit vorangegangenem mehr­fachem Wechsel aller politischen und ästhetischen Werte und schuf funktionale Gebäude, die mit vergleichsweise beschei­denen Mitteln mitunter eine überraschend sinnliche Leichtigkeit ausstrahlen konnten. So entstanden neben außerordentlichen Bauten auch unzählige profane Gebäude, die nie das Zeug zum Einzeldenkmal hat­ten. Die Turnhalle auf dem Tempelhofer Feld, 1960 als Teil einer städtebaulich reiz vollen, parkartigen Schulanlage fertig gestellt, war eine solche »graue Maus« und zudem durch Teilsanierungen und Wärme­dämmmaßnahmen in den 1990er Jahren stark überformt.

Nachdem unser Büro sich bereits beim 2009 fertig gestellten Neubau einer Mensa mit dem Gebäudeensemble auseinander­gesetzt hatte, lagen bei der Turnhallensa­nierung andere Maßgaben zugrunde: Die Herausforderung bestand darin, bei einer sogenannten »energetischen Sanierung« die geltende Energiesparverordnung um 20 Prozent zu unterschreiten. Mit dieser Aufgabe betraut, haben wir den Weg des lediglich optimierten Gebäudebetriebs bald um eine energetische Gesamtbetrachtung erweitert.

Nutzen statt Ersetzen: Fairplay in der Effizienzberechnung – auf der Suche nach versteckter Energie

Sanierungsmaßnahmen an vergleichbaren Gebäuden konzentrieren sich gewöhnlich vor allem auf den Energieverbrauch beim Betrieb des Gebäudes. Um die Energie­sparverordnung einzuhalten oder noch zu übertreffen, wie in unserem Fall, werden mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln Wände, Fenster und Dächer ertüchtigt.

Materialschichten und Maßnahmen aus früherer Zeit werden oftmals abgetragen und durch zum Teil komplizierte Verbund­werkstoffe des »state of the art« ersetzt. Die Sanierungsmaßnahme selbst, die Ressourcenvernichtung und die beim Bau erzeugten Folgemaßnahmen werden dabei weder evaluiert noch in die energetische Bilanz miteinbezogen. Der Erfolg einer Sanierung errechnet sich aus der Vorher­Nachher­ Differenz der im Betrieb des Gebäu­des eingesparten Kilowattstunden.

Während der Analyse der vorhandenen Bausubstanz im Zuge der Entwurfsplanung zeigte sich für uns eine energetische Ge­samtbetrachtung als sinnvoll, mehr noch: als notwendig. Wir versuchten, dem Gesamt­umfang der im Bauwerk gebundenen soge­nannten »Grauen Energie« auf die Spur zu kommen, bezogen auf die vorhandene Sub­stanz wie auch auf das neu zu verbauende Material. Diese sowohl vergangenheits­ als auch zukunftsorientierte Entwurfsstrategie bewertet den Energieaufwand, der bei den aktuellen Rückbau­ und Entsorgungspro­zessen, bei der Herstellung des verplanten Baumaterials sowie bei der zukünftigen Entsorgung des Gebäudes entsteht. Diese Betrachtungs­ und Entwurfsweise führt zwangsläufig zu einer neuen Gebäudetypo­logie: Zum einen wirft sie die vorhandenen, überholten energetischen Maßnahmen nicht zwangsläufig auf den Müll und zum ande­ren werden sämtliche Konstruktionen so geplant, dass nach Ablauf ihrer Lebenszeit eine sortenreine Trennung der Komponen ­ ten und eine Entsorgung oder Wiederver­wertung nach heutigem Kenntnisstand auf einfachem und lokalem Wege möglich ist.

Eine Passivhalle für aktive Benutzer

Die Entwurfsplanung begann wie üblich mit einer Bestandsaufnahme der Gebäu­dehülle, wobei dem Abwägen der Möglich­keiten für den Erhalt oder die Ertüchtigung von Bauelementen unter dem Aspekt des

energetischen Gesamtlebenszyklus eine wichtige Rolle zukam. Nach eingehender bauphysikalischer Prüfung entschieden wir uns zum Beispiel dafür, die in den 1990er Jahren konstruierte Fassadendämmung aus acht Zentimeter starkem Polystyrol groß­teils zu erhalten und auszubessern, obwohl diese unter dem heutigen Dämmstandard liegt. So konnten wir die Entsorgung einer großen Menge von Verbundmaterial sowie ein erhebliches zu produzierendes und zu verbauendes Materialvolumen einsparen. Um Minderdämmstärken ausgleichen zu können, fand bei anderen Bauteilen eine gezielte Überdämmung statt.

Unser Ziel war es, die Gebäudehülle so zu gestalten, dass sich bereits durch die Konst­ruktion und die Materialien sowie durch das passive Verhalten des Gebäudes mitsamt seiner Licht­ und Luftführung ein gutes In­nenklima einstellt. Für alle Neukonstruktio­nen wurden nachwachsende Rohstoffe oder, wo dies nicht möglich war, nur sortenreine und hochgradig recyclingfähige Rohstoffe eingesetzt. In diesem Zusammenhang war auch die Nutzung regenerativer Energiequel­len eine Selbstverständlichkeit, also Solar­kollektoren für die Wasseraufbereitung, die Nutzung vorgewärmter Luft aus Nebennutz­flächen zur Konditionierung ausgewählter Hauptnutzflächen und die Möglichkeit der Nachtlüftung für den Hallenbereich. Der Einsatz fossiler Brennstoffe konnte auf ein Mindestmaß reduziert werden.

Dass eine solche Zielsetzung in einem Schulgebäude und ausgerechnet in einer Turnhalle vollzogen wurde, hat eine sinn­liche Logik. Sporthallen aus vergangenen Jahrzehnten dienten vor allem der Erzie­hung und Ausbildung zu Zweckmäßigem, zu Disziplin und Leistung. Wie kann das klassische Motto »mens sana in corpore sano« (lat.: ein gesunder Geist in einem gesunden Körper) aber stattfinden, wenn heute, da persönliche Ziele zum Glück nicht mehr in früherem Maße durch Zwang, Verzicht und Härte herbeigeführt werden, nicht auch das Gebäude selbst als »gesun­der Körper« empfunden werden kann? In diesem Sinne verband sich in diesem Pro­jekt die energetische mit der ästhetischen Gestaltung des Gebäudes.

Sichtbare Schichten im Außen- und Innen bereich

Nach dem Rückbau großer Teile der Innen­verkleidungen wurde die filigrane Tragstruk­tur des Gebäudes sichtbar. Wegen fehlender

NACH-HALTIGKEIT, EINE MODERNE UTOPIEJens LudloffLudloff+Ludloff Architekten BDA, Berlin

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Tragwerksreserven der Deckenkonstruktionen waren alle Neubauteile gewichtsoptimiert zu planen. Die Westseite des Gebäudes, bisher nur halbhoch verglast, wurde vollständig ge­öffnet. Als Alternative zu einer abgehängten festen Decke entwickelten wir eine ballwurf­sichere Spanndecke aus lichtdurchlässigem Glasgewebe auf einer Metallrahmenkonstruk­tion. Sie schützt und verbirgt alle technischen Einbauten sowie die Akustikelemente. Gleich­zeitig bleibt dieStruktur der Konstruktion ablesbar und sichert im Bereich der Vergla­sungen eine blendfreie Tagesbelichtung.

In den Hallenanbauten wurde eine leichte Staka­Systemdeckenkonstruktion freigelegt, in Teilbereichen ertüchtigt und als Lichtre­flektor nutzbar gemacht. Die Sanitärtrakte wurden entkernt: neu installierte Dusch­ und Wascheinheiten sind als offene Fliesenkör­per in die Umkleideräume eingestellt.

Auf der Außenhaut erhielt der »patchwork­artig« ausgebesserte Bestandsputz einen farbigen Anstrich mit einer Linierung aus unterschiedlichen Farbfamilien. Eine Fassade aus Holzstäben, die sich in Form eines Para­vents um diese gewachsene Struktur legt, führt die Zeitspuren der baulichen Geschich­te zusammen. Der Paravent macht sich als Teil des Laubengangs von der eigentlichem Halle unabhängig. Dadurch gelingt es, Neu­ und Altbauteile unter Stärkung der vorhan­denen Strukturen zu einem Gesamtensem­ble zusammenzuführen. Die farbigen Linie rungen und die Struktur der Holzstäbe halten das Gebäude visuell zusammen. Der Bau fügt sich harmonisch und ohne ästhe­tische und stilistische Verwirrungen in den parkähnlichen Raum mit dem gewachsenen Baumbestand ein.

Generationswechsel in der baulichen Vernunft

Seit Jahren kreisen die Diskussionen um Schlagworte wie Nachhaltigkeit, Ökobilanz, Ressourcennutzung. Und mit der inflationä­ren Sinnentleerung der Begriffe kommt eine gewisse Abstumpfung für diese Themen auf. Sämtliche Wirtschaftszweige haben sich Markierungen aus dem »grünen«, dem »biolo­gischen« Bereich angeeignet und pflegen sie zugunsten weiterhin ansteigender Unvernunft. Erst nach und nach wird dabei deutlich, dass nur das Einbeziehen sämtlicher Faktoren eines Produktions­ oder Handlungsprozesses zu gültigen Bildern und Werten führt.

Versteht man Architektur weniger als das Ergebnis von Forschung, sondern vielmehr als das Produkt einer künstlerischen und

technischen Praxis, versteht sich von selbst, dass sich nachhaltig gedachte, intelligente Architektur jeder Normierung widersetzt. Denn für jeden Bau müssen eigene Kriterien gesucht und gefunden werden. Der Nach­haltigkeitsdiskussion in der Architektur fehlt aktuell meistens die wichtigste Ressource: die Bausubstanz. Ferner fehlen – so unver­ständlich und unvernünftig seitens der Indus ­ trie nachvollziehbar – verwendbare und aner ­ kannte Daten zum gesamtheitlich errechne­ten tatsächlichen Ressourcenverbrauch der Baumaterialien, eben dem Maß an im Werk­stoff gebundener Energie. Diese Wissens­lücken zu schließen bzw. zugänglich zu ma­chen, ist eine dringende Notwendigkeit – als Basis jeglichen architektonischen Handelns.

Darüber, wie viel »versteckte Energie« ein Gebäude enthält, entscheidet der Architekt alleine während der Planung. Zu einem späteren Zeitpunkt kann dieser rohstoffver­schlingende Faktor nicht mehr eingespart werden. Die »Graue Energie« lässt sich also gleichsetzen mit den »Grauen Zellen des Bau­verstands«. Genauso verhält es sich mit den Aufwendungen für die spätere Entsorgung des Gebäudes, die nur durch einfache, vor­ausdenkende Konstruktionen umweltgerecht geplant werden kann. Allein die Betriebs­energie eines Gebäudes kann durch eine bedarfsgerechte Nutzung und Optimierung der Anlagentechnik auch im Verlauf eines Gebäudelebens beeinflusst werden.

Die Feststellung, dass die große Zeit des Ab­reißens und Neubauens vorüber ist, mag uns Architekten bitter schmecken. Die Einsicht in die Notwendigkeit des neuen Planens wird jedoch von der Hoffnung begleitet, dass eine Generation heranwächst, die sich ihrer selbst nicht über das ständig Neue und den Ab­bruch des Alten vergewissern muss und die den Wert der in der Architektur eingelagerten Zeit erkennt, die also Diversität als Befruch­tung und nicht als Bedrohung empfindet, eine neue Kultur der Ästhetikerfahrungen sucht und in der Reduzierung eine Berei­cherung entdecken kann. Auf diesem Wege ließe sich sogar der geschundene Begriff der Nachhaltigkeit recyceln.

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Werkstattbericht

Transformation innerstädtischer Industriestandorte:

Das Carlswerk

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Einführung

Die Entwicklung von Bestandsimmobilien wird in Zukunft einen immer größeren Stel­lenwert einnehmen. Schon aus Nachhaltig­keitsgesichtspunkten ist die Beschäftigung mit vorhandener Bausubstanz ein wesentli­cher Beitrag zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen. Warum einen Neu ­ bau errichten, wenn ein Bestandsgebäude genutzt werden kann? Warum neue Flächen versiegeln, leben wir doch in einem Land, das sich in den nächsten Jahrzehnten in vielen Städten eher mit Schrumpfungsten­denzen denn mit Wachstum auseinander­setzen muss. Ein Beitrag dazu kann die Bestandsentwicklung leisten, die eine beson­dere Herausforderung an alle Beteiligten darstellt.

Innerstädtische Areale bieten ein enormes Potenzial für solche Bestandsentwicklun­gen. Im Besonderen gilt dies für Unterneh­mensimmobilien an traditionsreichen oder gewachsenen Standorten, die nicht mehr oder nur noch zum Teil von den Unterneh­men, in deren Besitz die Immobilien meist sind, genutzt werden. Oft sind diese Areale hervorragend angebunden und befinden sich in einem städtischen Kontext. Flächen dieser Größenordnung können meist im innerstäd­tischen Zusammenhang nicht mehr gefun­den werden und eignen sich daher hervorra­gend für die Ansiedlung von Unternehmen. Einerseits benötigen die Unternehmen eine gute Anbindung an das Autobahnnetz, eben­so wichtig ist für die Mitarbeiter andererseits die Anbindung an die Innenstadt durch den ÖPNV.

Aus Investoren­ und Anlegersicht verfügen Unternehmensimmobilien als Assetklasse

über ein ausgesprochen günstiges Risiko­Rendite­Profil. Eine Rolle hierbei spielt zum Beispiel die Flexibilität der Nutzung vieler Gebäude, die oft sowohl zur Produktion, als Servicefläche oder auch als Büro genutzt wer­den können. Des Weiteren besteht die Mie­terschaft größtenteils aus verschiedensten Branchen, so dass eine große Diversifizierung gegeben ist. Meist handelt es sich dabei um mittelständische Unternehmen mit stabilen Umsätzen, die den wesentlichen Kern der deutschen Wirtschaft darstellen.

Die Umwidmung solcher bestehenden Areale ist dennoch mit einer Reihe von komple­xen Themen verbunden, über die sich der Investor im Klaren sein bzw. die er im Vorfeld genauestens untersuchen muss. Die Doku­mentation solcher Liegenschaften ist meist eher dürftig, stand doch jeweils die Produk­tion im Vordergrund, also das, was in dem Gebäude passierte, und nicht das Gebäude selbst. Umbauten wurden oft in Eigenregie und ohne Genehmigung durchgeführt. Über Leitungsverlegungen sind kaum Unterla­gen vorhanden. Die gesamte Infrastruktur stellt eine enorme Herausforderung dar. Vom Areal­Stromnetz bis hin zum Entwäs­serungssystem muss hier schon zu Beginn in der technischen Due Diligence einiges an Aufwand betrieben werden, um sich ein ausreichend genaues Bild der Situation zu verschaffen. Zudem ist durch die langjährige Nutzung solcher Gelände natürlich oft mit Be­lastungen von Grund und Boden zu rechnen. Dies schreckt Investoren häufig davor ab, sich weiter mit den Liegenschaften zu be­fassen. Eine genaue Analyse inklusive einer reellen Risikobetrachtung hilft hier weiter. Oft sind trotz vorhandener Belastungen keinerlei Maßnahmen erforderlich, sofern man keine großflächigen Entsiegelungen vornimmt. Die Beschäftigung mit jedem einzelnen Gebäu­de, dem mit seinem Baujahr in Verbindung stehenden potenziellen Schadstoffen, den Kosten für eine Instandsetzung bzw. Ertüch­tigung sowie der Ermittlung der Kosten für Mieterausbauten ist ebenfalls notwendig, um eine genaue Vorgabe für die Entwick­lung eines soliden Businessplans zu haben. In diesen sollte auch immer ein Puffer für Unvorhergesehenes eingestellt sein.

Hat man all dies bei Ankauf berücksichtigt und den Markt detailliert analysiert, steht einer erfolgreichen Bestandsentwicklung nichts mehr im Wege.

Im Folgenden wird als Beispiel die Umwid­mung des Carlswerks in Köln­Mülheim dar ­ gestellt.

Historie des Carlswerkes

Die Firma Felten & Guilleaume ist noch heute vielen Kölnern ein Begriff. Felten pro duzierte in Köln bereits im ausgehenden 17. Jahrhun­dert Seile. Waren es zu Beginn nur Hanfseile, so wurden später immer mehr Drahtseile, insbesondere für das wachsen de Telegrafen­wesen, hergestellt. Das Unternehmen wuchs kontinuierlich und das ursprüngliche Firmen­gelände am Rande der Kölner Altstadt bot im 19. Jahrhundert keine Erweiterungsmög­lichkeit mehr. Die Wahl des neuen Standor­tes fiel nicht zuletzt wegen der verkehrsgüns­tigen Lage und der Expansionsmöglichkeiten auf ein 55 Hektar großes Areal in Köln­Mülheim. Hier wurde das Carlswerk, dessen Name auf den Miteigentümer Franz Carl Guilleaume zurückgeht, am 14. Juni 1874 er­öffnet. Arbeiteten im Gründungsjahr nur rund 150 Mitarbeiter am neuen Standort, waren 1929 bereits 17.000 Menschen im Werk beschäftigt. Zugleich wuchsen Bekanntheits­grad und Renommee des Unternehmens. 1904 wurde im Carlswerk u. a. das erste transatlantische Telefonkabel hergestellt.

In den 1970er Jahren hatte das Werk stark unter einer Rezession zu leiden. Im Jahre 1981 kam es durch die Bildung der Sparten Telekommunikation und Energie­technik zu einer größeren Umstrukturie­rung, damals unter einer Aktienmehrheit von Philipps. Nach zahlreichen weiteren Umstrukturierungen und Aktienverkäufen wurde das Carlswerk 1999 schließlich an den dänischen Kabelhersteller nkt cables veräußert.

Die BEOS AG erwarb das Carlswerk im Namen einer internationalen Investorengrup­pe Anfang 2008. Nkt cables konnte seine Expansionspläne im Bereich der Produk­tion schwerer Seekabel am vorhandenen Standort nicht realisieren: Im Norden von Köln, dem CHEMPARK Leverkusen, plante nkt cables daher ein neues Werk mit direkter Anbindung an das Wasserstraßennetz, das im Sommer 2010 fertiggestellt wurde. BEOS verhandelte mit dem Unternehmen einen Sale­and­lease­back­Vertrag: nkt sollte den Standort nach und nach verlassen, so dass BEOS als Projektentwickler die Möglichkeit hatte, leerstehende Gebäude über einen Zeitraum von mehreren Jahren aufzuwerten und einer neuen Vermietung zuzuführen. Entsprechend sollte das Gelände sukzessive einem Transformationsprozess unterzogen und so ein moderner Gewerbecampus ge­schaffen werden.

DIE TRANS-FORMATION INNER-STÄDTISCHER INDUSTRIE-STANDORTE

Das Carlswerk

Holger MatheisBEOS AG

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Entwicklung der Schanzenstraße

Schon seit Mitte der 1990er Jahre siedeln sich in der Schanzenstraße namhafte Me­dienunternehmen wie BRAINPOOL (Stefan Raab), Bonito TV (Harald Schmidt) und die Werbeagentur Jung von Matt an. Der Trend, historische Gebäude auch für großflächige Büronutzungen zu revitalisieren, z. B. für die Bayer AG und die Gothaer Versicherung, wird im Carlswerk fortgesetzt. Das Palladium und das E­Werk tragen neben weiteren Locations als Veranstaltungsorte für Konzerte und andere Events zur kulturellen Stärkung des Stadtteils bei. Die einzigartige Mischung von jungen und etablierten Unternehmen in einer historischen Industriearchitektur bildet einen Anziehungspunkt für weitere Entwicklungen und Ansiedlungen. Zur Stärkung des Stand­ortes wurde auf Initiative von BEOS eine private Nachbarschaftsinitiative gegründet. Die private Initiative gewährleistet einen starken gemeinsamen Auftritt gegenüber der Stadt und der Politik und erhöht zudem den Bekanntheitsgrad des Schanzenviertels regional wie national. Die Zusammenarbeit mit andern Flächenanbietern am Standort schafft darüber hinaus eine vertrauens volle Basis für einen kooperativen Umgang mit­einander, da von allen Eigentümern größ ten ­ teils gleiche Ziele verfolgt werden. Außer­dem werden regelmäßig Unternehmer des Schanzenviertels eingeladen zur Hebung von Synergieeffekten und zur Stärkung des Netzwerkens am Standort.

Lofts im Carlswerk

Für die beiden Loftgebäude im Carlswerk sollte wegen der Attraktivität der Gebäude und der Lage auf dem Campus der Start­schuss für das Projekt fallen: Aufgrund der starken Zerstörung Kölns im II. Weltkrieg wurden viele Gebäude, darunter auch hoch­wertige Industriearchitektur, zerstört. Die Werkstatt bildet deshalb zusammen mit der Kupferhütte ein außergewöhnliches Ensemb­le im Herzen des Carlswerkes. Daher sollten die Gebäude direkt nach Ankauf spekulativ in hochwertige Bürolofts umgebaut werden. Es wurde zunächst jedoch nur ein veredelter Rohbau erstellt, so dass jeder Mieter noch die Möglichkeit der individuellen Anpassung von Trennwänden und Oberflächengestaltung hat.

Die Bildung eines Nukleus, der wie kein an­derer an dem Standort die alte Tradition mit einer neuen und modernen Arbeitswelt ver­bindet, ist Kernpunkt der Überlegung zur so­fortigen Transformation dieser Gebäude. Das Belassen der rohen und spurenträchtigen

Oberflächen, das Spürbarmachen der langen Tradition und der ehemaligen Nutzung, das Wecken der Neugier auf die Deutung der alten Zeichen – all das schafft einen einzig­artigen Genius Loci, wie er insbesondere in der Kreativbranche für ein impulsgebendes Arbeitsumfeld gesucht wird.

Die Strukturen der Gebäude lassen überdies eine Vielfalt von Nutzungsmöglichkeiten zu und sind daher prädestiniert für die Umset­zung moderner Arbeitswelten, die über ste­reotype Klassifizierungen von Bürostandards hinausgehen: Alles ist möglich, jedoch sollte der typische Loftcharakter durch den Einbau zu vieler Trennwände und Einzelbüros nicht zerstört werden. Ohnehin wird in der Krea­tivszene weitaus mehr in offenen Strukturen gearbeitet, die allzu oft nichts mehr mit der klassischen Büroform zu tun haben. Beispiel­haft genannt seien hier die immer häufiger anzutreffenden »Co­Working«­Spaces. In den USA ist diese Form des Zusammenarbei­tens seit langem etabliert, in Deutschland wächst die Zahl insbesondere in Großstädten stetig an. Die »Co­Worker« mieten sich auf Tages­ oder Monatsbasis in den bereits fertig ausgestatteten Etagen ein. Neben der erfor­derlichen Büroausstattung von IT­Anschluss über Besprechungsräume bis zu Teeküchen und Kommunikationszonen finden sie hier vor allem eines: Inspiration. Viele fühlen sich hier motivierter und produktiver. Genutzt werden diese Büros vom Programmierer bis zum Webdesigner, vom Architekten bis zum Journalisten.

Werkstatt

Das Produktionsgebäude wurde in den Jah­ren 1897/98 nach dem Entwurf des Archi­tekten Jean Wüst (1873–1906) errichtet, der bis 1900 sämtliche Bauaufgaben für Felten & Guilleaume übernahm. Wüst entwickelte eine Architektur, die stilistische Elemente des Historismus mit Flächengliederungen der Romantik verband. Ergänzt wurden diese äußeren Stilelemente durch eine innere Ske­lettkonstruktion mit Gusseisenstützen und massiven Kappendecken. Eine der Einheiten weist eine seltene Misch­Konstruktion aus Guss­ und Holzkonstruktion auf, die hierdurch eine ganz eigene Prägung erhält. Bei der erfolgreichen Umgestaltung der Werkstatt in repräsentative Loftbüros steht die Kombinati­on von ressourcenschonender Revitalisierung und nachhaltiger Nutzung im Vordergrund. Die Einteilungen orientieren sich bewusst an den historisch wertvollen Konstruktionen, stellen die Strukturen heraus und lassen auch sonst die Spuren der Veränderung

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erkennen. Die Gebäude sollen nicht im ästhetischen Sinne als Nachbauten ihre Ge­schichte verleugnen. In Abstimmung mit der Denkmalpflege wurden vorbildliche Lösun­gen gefunden, die gleichermaßen Vermark­tungsoptionen und denkmalpflegerische Bestandssicherung zur Deckung bringen.

BEOS hat sich durch langjährige Erfahrungen im Umgang mit alten Industriegebäuden und dem Denkmalschutz bei der Werkstatt auf die notwendigsten Eingriffe beschränkt, gleichzeitig aber ein Gebäude geschaffen, das den Anforderungen an moderne Büroflä­chen genügt. An der Außenfassade wurden bis auf eine intensive Reinigung keine Ver ­ änderungen vorgenommen. Durch die ver­schiedenen historischen Konstruktionen, die alle sichtbar bleiben, verfügt jede Einheit über einen unverwechselbaren Charakter. Die Struktur des Gebäudes lässt insbesondere eine Nutzung als Großraum oder Kombibüro zu. Dies entspricht der Entwicklung moderner Arbeits­ und Bürowelten. Prozessorientierte Arbeitsweisen, die Zusammenarbeit in stetig wechselnden Teams, die Schaffung kleinerer Rückzugsmöglichkeiten und die Etablierung zentraler Kommunikationszonen sind wichti­ge Faktoren einer modernen Arbeitswelt.

Kupferhütte

Die Kupferhütte wurde in den Jahren 1885/86 ebenfalls nach dem Entwurf des Architekten Jean Wüsterrichtet. Ursprüng­lich wurde in dem Gebäude das Rohkupfer geschmolzen und gewalzt. Die einstige Kupferhütte wurde nach Planung und architektonischer Umgestaltung durch das Architekturbüro ksg, Kister Scheithauer Gross, in Bürolofts umgebaut. Die historische Ziegelfassade mit den gusseisernen Fenster­profilen wurde in Abstimmung mit den Denk­malbehörden zwar zum überwiegenden Teil in ihrem Zustand belassen, verfügt aber über großzügige Öffnungen, die ihren Ursprung bereits in Umbauten durch Felten & Guilleau­me haben. Im Inneren erfuhr die Kupferhütte durch das Einfügen einer zweiten Ebene größere Veränderungen als die Werkstatt. Die neu gestaltete, helle und lichtdurchflu­tete obere Galerieetage lässt die historische Dachkonstruktion erkennen und steht dabei im Kontrast zur historischen Fassade und der rohen Backsteinoptik im Inneren. Über die zwischen den einzelnen Hallenschiffen eingefügten Lichtbänder werden auch die erdgeschossigen Bereiche ausreichend mit Tageslicht versorgt. Das Gebäude verfügt über eine Fläche von ca. 3.400 m2, die in sechs Maisonetten aufgeteilt wurde. Jede

Einheit hat eine eigene Adresse und wird in­dividuell erschlossen. Darüber hinaus erhält jeder Mieter eine eigene Terrasse. Die einzel­nen Flächen zeichnen sich dabei durch eine hohe architektonische Verbindung zwischen den alten charakteristischen Bauelementen und einer modernen Ausstattung aus.

Hauptgebäude

Die Nachnutzung von Gebäuden aus den 1950er und 1960er Jahren stellt wiederum ganz andere Anforderungen, wie der Um ­ bau des Hauptgebäudes beweist. Es wurde An fang der 1960er Jahre als klassisches zweihüftiges Bürogebäude mit vorgelager­ten Produktionshallen konzipiert. Durch die Gesamtlänge von 120 Metern herrschte im Innern der typisch triste Charme eines Behör­denflurs. Als Ankermieter für das Gebäude konnte der Bastei Lübbe Verlag gewonnen werden, der seinerseits das Innenarchitektur­büro Wild mit der Innenraumplanung beauf­tragte. Der lange Flur wurde durch repräsen­tative Kommunikationszonen aufgebrochen und das Gebäude in ein modernes und ästhetisch hochwertiges Büro umgewandelt. Die Fassade wurde komplett erneuert, das Trinkwasserleitungsnetz musste ebenfalls vollständig saniert werden.

Die ehemalige Produktion in der vorgela­gerten Halle wurde in ein multifunktionales Foyer umgestaltet, ohne dass der ursprüng­lich industrielle Charakter verloren ging.

Fazit

Das Carlswerk wird sich in Zukunft weiter innerhalb des Transformationsprozesses zu einem Ort entwickeln, der, geprägt von einer alten Industrietradition, unterschiedlichste Nutzer anziehen wird, der Synergien zwi­schen einzelnen Mietern entstehen las sen wird und Historisches mit Innovativem ver­bindet. Mittlerweile konnten neben dem Bastei Lübbe Verlag weitere namhafte Unter­nehmen wie die Bühnen der Stadt Köln, die Shine Group, KaiserGames, Brennwagen, Karthäuser­Breuer, Wunderman, KHD Hum­boldt Wedag, PKF, Battery Gurus, Cape Cross und viele andere Nutzer vom Standort über­zeugt werden.

Autor: Holger Matheis, FRICS. Seit 2011 Leiter Berlin und Leiter Rhein-Ruhr, BEOS AG. Schwerpunkte Projektentwicklung und Asset Management. Er ist Fellow der Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) und seit 2009 Vorstandsmitglied der Alumniverei-nigung IMMOEBS e. V.

Klein-Meynen, Dieter; Meynen, Henriette; Kier-dorf, Alexander: Kölner Wirtschaftsarchitek-tur. Wienand Verlag Köln, 1996, S. 131–137

Dreyer, Sarah: Coworking Spaces als Ideenpool. http://www.bildungsxperten.net/job-karriere/coworking-spaces-als-ideenpool Abrufdatum: 04.07.2012

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IBA Hamburg: 35 Quadratkilometer Patchwork zwischen Stadt und Hafen

IBA-Geschäftsführer Uli Hellweg über ein Entwicklungsprojekt mit Biss

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Ob Wasserhäuser, Smart Price Houses Null-Energie-Bauten oder Offene Gebäudeformen – über 70 bauliche, soziale und kulturelle Projekte zeigt die IBA Hamburg, die Interna-tionale Bauausstellung Hamburg GmbH, bis zum Jahr 2013 in der Hansestadt. Auf 35 Quadratkilometern Patchworkfläche zwischen den Hamburger Elbinseln Wilhelmsburg, Ved-del und dem Harburger Innenhafen entstehen zahlreiche neue Quartiere. Wie sie schon jetzt den hohen Norden prägen, erzählt IBA Geschäftsführer Uli Hellweg im Interview mit dem KAP Magazin.

KAP Magazin: Erst kürzlich waren Sie mit der IBA-Lounge im KAP Forum zu Gast. Was beab-sichtigen Sie mit dieser Veranstaltungsreihe?

Wir verfolgen ein doppeltes Ziel. Zum einen suchen wir Partnerstädte mit vergleichbaren Leitthemen. Denn wir verstehen die IBA als Stadtlabor, das unsere erarbeiteten Lösun­gen auch für andere Städte profitabel macht. Zum Beispiel bei der Schäl Sick in Köln. Zum anderen wollen wir die IBA bereits vor ihrer Eröffnung in 2013 bekannt machen.

KAP Magazin: Die Hafencity mit ihren spek-takulären Gebäuden steht allenthalben im Fokus, wenn man über Hamburgs Stadtent-wicklung spricht. Welchen Stellenwert hat die IBA derzeit in Hamburg?

Die Hafencity ist 16 Jahre früher gestartet als die IBA. Beide ergänzen sich gut, machen gemeinsame Ausstellungen im Ausland. Der große Unterschied liegt darin: Die Hafencity ist ein Konversionsprojekt, die IBA ist ein Stadtumbauprojekt. Also zwei ganz unter­schiedliche Strategien. Weil viele Projekte der IBA derzeit aus dem Boden wachsen, wächst auch die Wahrnehmung seitens

der Öffentlichkeit von Tag zu Tag. Es bleibt da aber auch ein grundlegendes Problem: das heißt Schäl Sick. Was südlich der Elbe passiert, nimmt der Hamburger nur noch aus dem Augenwinkel wahr.

KAP Magazin: Wilhelmsburg und Veddel gelten eher als die Hinterhöfe Hamburgs – wie wollen Sie den Bestand und die Freiflächen attraktiv entwickeln?

Für den Stadtumbau gibt es – außer der klas­sischen Stadterneuerung – aus unserer Sicht vier zentrale Strategien:

Erstens: Die zentrale Verbesserung der Frei­flächen. Man kann sie einerseits neu schaf­fen, wie bei der Gartenschau geschehen, oder man kann den Bestand verbessern.

Zweitens: Infrastrukturen doppelt nutzen. Wir belegen gezielt Infrastrukturen mit urbanen Nutzungen, öffnen Deiche zum Begehen oder Müllberge für die Freizeit, denn vorhande­ne Freiflächen kann man nicht beliebig erweitern. Die Doppelnutzung ist dafür eine Lösung.

Drittens: Mit neuer, zukunftsweisender Archi­tektur und städtebaulichen Konzepten. Wo wir neu bauen, bauen wir mit der Landschaft. Wir setzen stark auf Öko­Aspekte, energie­neutrale Häuser oder sogar Plus­Energie­Häuser.

Viertens: Mit der Verbesserung von Bildungs­struktur, dem Aufbau von Bildungskonzepten.

KAP Magazin: Welche Projekte stehen dabei im Fokus, welche Menschen und Berufe wol-len Sie ansprechen?

Wir bauen ganz bewusst Nischenprodukte. Wir sprechen nicht den Mainstream an, son­dern Stadtpioniere. Leute, die sich bewusst auf Neues einlassen, eine Verbesserung von Bildungseinrichtungen anstreben. Es ist ein erweiterter Bildungsbegriff, es geht auch um interkulturelle Bildung, um frühkindliche Spracherziehung. Wir gehen davon aus, dass Kinder, die hier in die Schule gehen, Deutsch sprechen müssen.

Wir haben zwei Zielgruppen: Leute, die hier wohnen – und für uns heißt wohnen »blei­ben«. Und zugleich die bildungsbewusste Bevölkerung, die innovative und bezahlbare Neubauten sucht. Wir können das sogar in drei Gruppen differenzieren: Gruppe eins, etwa einem Drittel der Interessenten – Mitte Vierzig, ältere Kinder will aus dem Umland

zurück in die Stadt ziehen und findet Wil­helmsburg grün und zentral. Dann gibt es Gruppe zwei: die Wilhelmsburger selbst, die ihren Wohnwert verbessern wollen. Sie wä­ren früher weggezogen und suchen sich nun eine neue Wohnung in Wilhelmsburg. Und dann die dritte Gruppe: das sind Menschen, die aus anderen Bundesländern kommen und nicht das Schäl­Sick­Vorurteil im Kopf haben. Zu dieser Gruppe gehören auch die Szene­Verdrängten, die sich die hohen Prei­se z. B. auf der Schanze nicht mehr leisten können und sich für das Open­House­Pro­jekt oder andere neue Baugemeinschaften in Wilhelmsburg entscheiden. Die Preise differenzieren hier. Beim Bestand liegen sie bei Durchschnittsmieten von 6,50 Euro, bei Neuwohnungen zwischen 9 und 10 Euro. Im Bereich der Eigentumswohnungen oder besonderer Projekte wie der Wasserhäuser liegt der Anschaffungswert zwischen 2.400 und 3.600 Euro pro Quadratmeter.

KAP Magazin: Wie ist die Resonanz auf die IBA mit ihren fast 70 Projekten, wie viele Be-sucher haben Sie seit 2010 verzeichnet?

Wir hatten bisher [in den Jahren ]allein 450.000 Besucher, die in den Veranstaltun­gen und Workshops waren. Nicht mitgezählt sind jene, die das Gebiet auf eigene Faust erkunden.

KAP Magazin: Wie ist die Bilanz der Projekte – haben Sie für alle Investoren finden können? Wie viele sind im Bau?

Es sind fast alle Projekte im Bau. Es gibt einige, die können erst dieses Jahr begonnen werden, da der Rahmen noch nicht fertig ge­stellt ist – zum Beispiel durch eine Straßen­verlegung. Wir haben ja nicht allein bauliche, sondern auch soziale und kulturelle Projekte. Von den rund 50 Bauprojekten sind fünf noch nicht im Bau.

KAP Magazin: Den von Ihnen erstellten Katalog zur IBA betrachten Sie auch als »Reiseführer durch Hamburg« – zum Beispiel von Wasserhäusern über Smart Price Houses bis zu Smart Material Houses – viele Ideen, wie man in Zukunft vorbildlich bauen kann. Haben Sie auch schon Resonanz aus den USA oder Asien – Megacities, die sich ebenfalls in Hamburg informieren könnten?

Aus den BRIC­Staaten verzeichnen wir noch wenig Nachfrage – außer China. Bei China und Japan, da verzeichnen wir massives Interesse, wenn es um unsere Energiekon­zepte geht. Auch Städte wie Chicago, Boston,

IBA HAMBURG: 35 QUADRAT-KILOMETER PATCHWORK ZWISCHEN STADT UND HAFEN

IBA-Geschäftsführer Uli Hellweg über ein Entwicklungsprojekt mit Biss

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Kopenhagen und Amsterdam informieren sich. Gerade eben Städte mit Wasserbezug wie die letztgenannten oder auch Marseille und Nantes sind sehr interessiert.

Bei amerikanischen Städten erleben wir eher ein starkes Interesse am Energiethema, bei französischen Städten kommen natürlich die sozialen Faktoren, insbesondere das Migrati­onsthema, stark hinzu.

KAP Magazin: Gibt es viele Investoren, die gute Anlagen in den neu zu entwickelnden Spreehäfen oder im Harburger Innenhafen ausmachen? Gibt es schon Druck auf diese Gelände – und falls ja: was könnte das für die rund 55.000 Menschen, die dort leben, bedeuten?

Bei uns gibt es Konzeptausschreibungen und dann ist es eigentlich egal, ob Hochtief oder ein kleineres Unternehmen zum Beispiel die Waterhouses baut. Wir haben das ganze Größenspektrum der Investoren bei uns ver­treten. Das Entscheidende ist, dass sie sich auf unser Konzept einlassen.

Zum Gentrifizierungsthema, den dort leben­den Menschen: Für uns heißt wohnen wie gesagt »bleiben«. Wir tragen nicht dazu bei, die Mieten zu erhöhen. Wir bauen kulturelle Einrichtungen auf, stärken die Infrastruk­tur – auch speziell für die migrantische Bevölkerung wie z. B. mit dem Weltgewer­behof oder kultursensiblen Senioreneinrich­tungen. Was nicht ausschließt, dass es auch in Wilhelmsburg irgendwann mal teurer wird. Da ist die Politik gefragt, rechtzeitig zu reagieren, z. B. mit einer sozialen Erhal­tungssatzung.

KAP Magazin: Wenn man an das Thema »Bau-en im Bestand« beim Präsentationsgebiet der IBA denkt – 35 Quadratkilometer Patchwork zwischen Stadt und Hafen – wird die IBA selbst Projektentwickler?

Seitens des Senats wird darüber nachge­dacht, ob die IBA weiterentwickelt wird und weiterentwickelt. Die Anfänge zwischen 2006 und 2010 waren noch sehr mühselig. Man musste eine Aura um die Produkte stricken, und das gelang uns, weil wir nicht auf den Mainstream setzten. Als die ersten großen lokalen Investoren dabei waren, brach das Eis.

KAP Magazin: IBA im Laufschritt. Was würden Sie einem Besucher mit drei Stunden Zeit empfehlen? Ab dem 23. März 2013 einen IBA­Shuttle

zu nehmen, in Wilhelmsburg auszusteigen, dann an einer Baustellenführung teilzu­nehmen, an einer Bus­Tour oder sogar vom Wasser aus, zum Beispiel mit einem Floß, die neuen Gebiete zu erkunden.

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Geometrische Klarheit besitzt eine zugleich rationale und emotionale Anziehungskraft. Im Spannungsfeld von Sinnlichkeit und Sachlichkeit, Intuition und Logik prägt und perfektioniert Alape das Prinzip des emotionalen Purismus.www.alape.com

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Geometrische Klarheit besitzt eine zugleich rationale und emotionale Anziehungskraft. Im Spannungsfeld von Sinnlichkeit und Sachlichkeit, Intuition und Logik prägt und perfektioniert Alape das Prinzip des emotionalen Purismus.www.alape.com

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Das KAP Forum für Architektur Technologie Design zieht zum 01. Oktober 2012 vom Rheinauhafen in die Rotonda, Salierring 32, 50677 Köln.

Das KAP Forum bildet seit seiner Gründung im Jahre 2004 die übergreifende Netzwerk­ und Kommunikationsplattform führender design­ und architekturbezogener Unterneh­men: Alape, CarpetConcept, Dornbracht, GIRA, SilentGliss, Wilkhahn, Zumtobel Licht. Die Unternehmen verbindet ein hoher Qua­litätsanspruch und die ständige Suche nach

innovativen Wegen des Planens, Bauens und Einrichtens. Im KAP Forum kommen Experten aus Architektur, Technologie und Design mit einer interessierten Öffentlichkeit zusammen und ermöglichen einen nachhaltigen Dialog über die Zukunft von Leben und Arbeiten.

Mit rd. 400 Veranstaltungen hat sich das KAP Forum in den zurück liegenden acht Jahren zu einem weit über die Grenzen Köln hinaus beachteten Zentrum für Themen rund um Architektur, Design und Städte­bau entwickelt. Veranstaltungs­Highlights und Publikumsmagneten waren z. B. die Ausstellung »Convertible City«, eine Nachnut­zung des Deutschen Beitrags der Architek­turbiennale Venedig 2007, gestaltet von den Architekten Grüntuch Ernst aus Berlin, der mehr als 5.000 Besucher anzog; das Festival Rheindesign, das vom KAP Forum ausging und über 50.000 Menschen in Köln anlockte; das »Forum zur Zukunft der Euro­päischen Stadt«, das seit 2005 gemeinsam mit dem Kölner Baudezernenten Bernd Streitberger bis heute rd. 20 europäische Städte – u. a. Liverpool, Barcelona, Berlin, Hamburg, Lille, London, Mailand, Paris, Madrid, Turin, Moskau – in Köln präsentierte. Mehr als 200 Architekten, Innenarchitek­ten und Designer zeigten und diskutierten bislang im KAP Forum in Werkvorträgen und Seminaren ihre Pläne, Arbeiten, Entwürfe,

Bauten. Verbindendes Element der Arbeit ist das KAP Magazin. Die Chefredaktion des mehrfach ausgezeichneten Magazins liegt bei Inken Herzig, das Design beim Kölner Büro »großgestalten«, das zudem für gesamte Kommunikation im KAP Forum verantwortlich ist. Das KAP Forum setzt sein erfolgreiches und öffentlichkeitswirksames Konzept zukünftig in den Räumen des Rotonda Business­Clubs fort. Der Kölner Wirtschaftsclub, mit seinem gewachsenen Netzwerk aus Wirtschaft und Gesellschaft, engagiert sich seit vielen Jahren für die Kölner Stadtent­wicklung und erweitert sich durch das KAP Forum organisch um die Seiten Architektur, Design und Unternehmen aus der kreativen Bauzulieferindustrie. Durch die Integration und gegenseitigen Synergien entsteht in der Rotonda ein Rheinisches Forum und Kompe­tenzzentrum für Architektur und Immobilien­wirtschaft.

KAP ForumArchitektur Technologie DesignSalierring 3250677 KölnTel. 0221 992029-10Fax 0221 [email protected]

NETZWERKEN IM BESTAND:KAP GOES ROTONDA

Kölner Zentrum für Architektur & Design,Bau- & ImmobilienWirtschaft entsteht

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VERAN-STALTUNGEN

Veranstaltungsort: Kap ForumArchitektur Technologie DesignSalierring 3250677 Köln

Schach oder Poker?Köln Immobilien #09: Projektentwicklung heuteDienstag, 23. Oktober 2012 12.30 – 18.30 Uhr

Die aktuelle Wirtschaftslage, wachsende Staatsverschuldung und die Euro­Krise stel­len die Immobilienwirtschaft vor gewaltige Herausforderungen. Wie und wo investieren in solch’ unsicherem Gewässer? Die ver­schärften Risikoanforderungen als Reaktion auf die globale Finanzkrise sowie die redu­zierte Kreditvergabe durch die Banken engen den Handlungsspielraum für Immobilien­investitionen zusätzlich ein.

Architektur- und ImmobilienlunchDonnerstag, 08. November 201212.30 Uhr

Referenten und Thema werden in Kürze bekannt gegeben!

Moderation:Sevgi Hund, SavillsOliver Gross, KAP Forum

Social Media und Web 2.0Zukunftswerksatt Architektur @ ImmobilienMittwoch, 14. November 201210.00 – 17.00 Uhr

Für Architekten und Immobilien­ExpertenAkquisition, Bloggen, Video­ und Fotodaten­bank, Büropräsentation, Projektkommuni­kation – Techniken und Chancen virtueller Welten optimal nutzen, Praxis üben mit drei Experten

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KAP ForumDas KAP Forum ist Netzwerk­ und Kommu­nikationsplattform der Unternehmen Alape, Carpet Concept, Dornbracht, Gira, Silent Gliss, Wilkhahn und Zumtobel Licht.

Im KAP Forum kommen Experten aus Architektur, Technologie und Design mit einer interessierten Öffentlichkeit zusammen. Die vielfältigen Ausstellungen, Symposien, Vorträge und Seminare eröffnen einen akti­ven Dialog über Architektur und Städtebau, Kommunika tion und Design, Wirtschaft und Kultur.

Das KAP Magazin ist klimaneutral. Die durch die Herstellung dieses Druckproduktes ver­ursachten Treibhausgasemissionen wurden kompensiert durch Investitionen in ein WWF­Klimaschutzprojekt nach Gold Standard.

HerausgeberKAP Forum Architektur, Technologie, DesignAndreas GroszSalierring 3250677 Kölnwww.kap­forum.de

Redaktionelle LeitungInken Herzigwww.inken­herzig.de

AnzeigenleitungStefan AltmannT +49 221 99 20 29 ­ 0magazin@kap­forum.de

Gestaltunggrossgestalten.deTobias GroßLayout:Martin Schüngel

LektoratTanja Motzkauwww.lektoratsbuero.net

DruckMedia Cologne GmbHwww.mediacologne.de

PapierCircle Offset White100 % Altpapier

FotosS. 14 AS&P – Albert Speer & Partner

GmbH, Architekten, Planer, Frankfurt am Main Kardoff Ingenieure – Lichtplanung GmbH, Berlin

S. 15 GATERMANN + SCHOSSIG, Csaba Mester, Klaus Dieter Weiss, Jens Willebrand

S. 18 Manuel SchlueterS. 19 Roger WagnerS. 22 Volker Dennebier, HH VisionS. 30 – 31 Tobias GroßS. 46 – 47 Todd BigelowS. 54 – 55 © kadawittfeldarchitekturS. 64 – 65 © Düsseldorf Marketing &

Tourismus GmbH – Fotograf U. Otte, © Düsseldorf Marketing & Tourismus GmbH, A. Klauser

S. 72 – 73 Jan BitterS. 80 – 81 Markus Bredt, Andreas Kunert,

Frederic LezmiS. 90 – 91 Aufwind­Luftbilder, Bente Sta­

chowske, Bernadette Grimmen­stein, Johannes Arlt, M.KUNZE, moka­studio 2010

Graphikengroßgestalten Kommunikationsdesign

IMPRESSUM

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