INTO THE COLD

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INTO THE COLD Schweiz | Schweden | Norwegen Eine filmische Auseinandersetzung mit Mensch und Na- tur in Kälteregionen. Realisiert mit Unterstützung der Otto Pfeifer Stiftung. Februar und März 2011 SIMON WEBER SIBYLLE MUFF

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INTO THE COLD Schweiz | Schweden | Norwegen

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INTO THE COLD Schweiz | Schweden | Norwegen

Eine filmische Auseinandersetzung mit Mensch und Na-tur in Kälteregionen. Realisiert mit Unterstützung der Otto Pfeifer Stiftung.

Februar und März 2011

SIMON WEBER SIBYLLE MUFF

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ALP BUFFALORA Val Müstair | 2038 m.ü.M. | Februar 2011 | -8° bis -12°C

Das Projekt «Into The Cold» lancierten wir am 1. Feb-ruar 2011 inmitten auf dem Helvetiaplatz in Luzern. Die eisige Minustemperatur an diesem Abend pass-te bestens zu unserem Vorhaben, die kältesten Orte in der Schweiz und Skandinavien zu erkunden. Dem Pfeiermobil wurde es bereits in Luzern zu frostig. Der Wassertank entleerte sich an diesem Abend und auf dem Boden rund um das Fahrzeug herum entstand ein See aus Eis.

Erstes Reiseziel war Buffalora. Die Alp auf dem Ofen-pass konkurrenziert während den Wintermona-ten in Sachen Minustemperaturen ständig mit La Brévine im Jura. Das Quecksilber zeigte auf 2000m Höhe -12°C. Ausgerüstet mit einer filmfähigen Foto-Kamera, Audiorekorder und Mikrofonen nahmen wir auf Schneeschuhen unsere ersten Erkundungen in Angriff. Schneebehangene Föhren säumten die Umgebung. Schnell war das erste Sujet gefunden. Ein Bach blubberte verspielt unter einer dicken Eis-schicht. Die ersten Aufnahmen waren im Kasten.

Wir wollten uns der Interaktion zwischen Mensch und Natur widmen. Nur tummeln sich im Winter in alpinen Seitentäler nicht so viele Menschenge-stalten wie erwünscht. Also musste sich Sibylle für die ersten Filmsequenzen zur Verfügung stellen. Sie marschierte für die Aufnahmen über unberührte Hügel. Die Bilder zeigen eine gehende Figur, wel-che einen Kontrast (Farbe und Bewegung) zu der Schneelandschaft bildete.

Von der Alp Buffalora aus marschierten wir durch das Val Mora Richtung Santa Maria. Eine achtstün-

dige Tour, von der uns die Tourismusfrau in Zernez vehement abgeraten hat...sie meinte: „Im Winter ist diese Wanderung nicht zu empfehlen, sie ist viel zu lang, oder aber man wandert wirklich genug früh los“. Das taten wir dann auch. Ein wunderschönes Tal mit vielen Arvenbäumen und Flusslandschaften. Eine der schönsten Wintertouren, die ich je gemacht habe. Die für dieses Projekt neu zugelegte Technik hatte mit Schnee, Wind und Kälte erstaunlicherwei-se keine Probleme. Wir hatten befürchtet, dass sich die Akkulaufzeiten bei Minustemperaturen drastisch reduzieren würden. Unsere zusätzlichen grossen Ak-kublöcke konnten wir getrost im Wohnmobil lassen. Die grössere Herausforderung war es, die kleinen Knöpfe mit den dicken Handschuhen zu bedienen .

Das Leben im Bus spielte sich in einem ungewohn-ten Rhythmus ab. Einerseits galt es ständig das Ener-giemanagement des Fahrzeugs zu überwachen. Gasvorrat, Batterieleistung, Diesel etc. Eine Fehlkal-kulation könnte uns in dieser Gegend schon mal ins Schwitzen, respektive ins Frieren bringen. Wir betrachteten Buffalora als Testaufenthalt für den eisigen Norden Skandinaviens. Nebst guten winter-tauglichen Kleidern hatten wir einen beträchtlichen Essensvorrat eingepackt. Das Frühstück stellte sich schon bald als wichtigste Verpflegung des Tages heraus. Da wir mit dem vielen Equipement sowie-so schon genug zu tragen hatten, mussten ein paar Energieriegel unterwegs wo wir filmten und Audio aufnahmen ausreichen. Auf den Touren verharrten wir oft länger am selben Ort, ohne uns zu bewegen. Der dokumentarische

Ansatz verlangte sehr viel Geduld. Bereits nach fünf Minuten spürte man, wie sich die Kälte langsam im Körper ausbreitete. Nach spätestens einer halben Stunde mussten wir weiter, damit unsere Füsse nicht am Boden festfroren.

Der einwöchige Aufenthalt auf der Alp Buffalora gab uns gutes Vertrauen in unser technisches Equi-pement, das Pfeifermobil und die Winterausrüstung. Inhaltlich waren wir überzeugt, dass unser Filmkon-zept funktionieren kann. Gerne wären wir noch eine Weile an diesem schönen, kalten Ort geblieben. Aber insgeheim freuten wir uns sehr, die lange Reise in den Norden anzutreten.

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Die Fahrt durch Schweden dauerte vier Tage. Wir wählten den Landweg über die Öresundbrücke von Kopenhagen nach Malmö. Ich erinnere mich an ex-tremen Wind auf der Brücke. Wir fühlten uns wie auf einem grossen Segelschiff auf offenem Meer, wobei man am grossen Ruder Gegensteuer geben musste. In Malmö angekommen parkten wir mitten in der Stadt an bester Lage. Wir waren sehr erstaunt, dass wir mit unserem Gefährt kein Aufsehen erregten. An-wohner und Ordnungshüter machten uns während des gesamten Trips nie Probleme. Wohnmobile ge-hören in Skandinavien einfach zum täglich Bild und werden überall geduldet. Die Fahrt durch Schweden Richtung Norden zogen wir in endlos langen und nicht enden wollenden Tagesetappen in grossen Abschnitten durch. Braune Farbtöne dominierten die Landschaft. Also nix wie weiterfahren zu Schnee und Eis. Wir durchquerten Schweden von West nach Ost über Göteburg nach Uppsala und dann der Küs-te entlang weiter Richtung Norden. Übernachtungs-plätze fanden wir vor Kirchen, an Seen und in Hafen-gebieten. Ab Sundsvall wurde auch die winterliche Landschaft wieder weisser. Die Autobahn verringer-te ihre Spuren. Der Verkehr lichtete sich. Als wir Pitéa hinter uns liessen, zweigten wir schon bald Richtung Nordwesten ab. Das Schwarz der Strassen wich einer Schneeschicht. Die Strasse zog eine schnurgerade Linie durch riesige Flächen von Nadelbäumen. Ein Highlight war das Überqueren des Polarkreises. Ein unspäktakulärer Ort, mitten im Wald. Für uns aber das Zeichen, dass unser nördlichstes Reiseziel, das schwedische Lappland, in Reichweitel liegt.

SCHWEDEN Februar 2011

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KIRUNA Schweden | März 2011

In Kiruna stationierten wir uns für vier Tage. Eine Stadt, in der sich die Temperaturen von Oktober bis April unter dem Gefrierpunkt bewegen.

Ihre Existenz verdankt die nördlichste Stadt Schwedens dem Eisenerzbergbau. Die ganze wirtschaftliche Grund-lage der Region basiert auf diesem Wirtschaftszweig. In den nächsten Jahren will man das Stadtzentrum um fünf Kilometer nach Osten verlegen, damit man die Eisenerz-vorkommen unter der Stadt abbauen kann. Kiruna be-heimatet in den Wintermonaten auch viele schwedische Sami (Urvolk von Lappland).

Die Einwohner dieser unwirtlichen Stadt haben sich sehr gut an die klimatischen Verhältnisse adaptiert. Mit Steh-schlitten flitzt die ältere Generation durch die Stadt. Die Jüngeren sind mit modifizierten, radlosen Rollbretter un-terwegs und skaten so über die schneebedeckten und vereisten Gehsteige. Autos fahren grundsätzlich nur mit Spikepneus. Oft sind Parkfelder mit Stromsteckdosen ausgerüstet. Angeschlossen werden dabei Wärmemat-ten unter der Kühlerhaube, damit der Motor bei den Mi-nustemperaturen auch wieder locker anspringt. Wir zapf-ten den Strom für unser energiehungriges Pfeifermobil ab. So sparten wir beim Dieselverbrauch, hatten schön Licht und konnten all unsere energiefressenden Gadgets wie Laptops, iPhone und Digitalkameras aufladen.

Im März gibt es nördlich des Polarkreises wieder beacht-lich viele Sonnenstunden. Sonderbar für uns waren die langen Abenddämmerungen. Der Sonnenuntergang begann bereits um 15h und zog sich während mehreren Stunden dahin. Für Filmaufnahmen das perfekte Licht!

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Nachdem wir uns in Kiruna mit zusätzlichen Gasfla-schen eingedeckt hatten (unsere Heizung lief auf Hochtouren) steuerten wir unsere nächste Destination an: Abisko. Der Wetterbericht für die nächsten Tage ver-hies nichts Gutes. Schnee von Westen kommend war angekündigt. Wir wollten nicht in den Sturm geraten und fuhren noch in der Nacht los. Kurz vor Mitternacht erreichten wir unseren Bestimmungsort, gerade noch rechtzeitig. Der Schneefall hatte bereits eingesetzt. Wir waren erleichtert, auf dem Parkplatz der Abisko Mountain Station einen sicheren Hafen für unser Mo-bil gefunden zu haben. In der Nacht machten wir fast kein Auge zu. Der Sturm rüttelte heftig am Fahrzeug. Es fühlte sich an, als würde das Wohnmobil durch den Wind in Bewegung geraten und auf dem Parkplatz hin und her schlittern. Das musste ich wohl geträumt ha-ben. Am nächsten Morgen stand unser Fahrzeug am selben Ort, wo wir es in der Nacht zuvor parkten. Kurz darauf erfuhren wir, dass die Bahn- und Strassenver-bindungen zwischen Kiruna (Schweden) und Narvik (Norwegen) auf unbestimmte Zeit gesperrt wurden. Gut, dass wir sowieso mit einem längeren Aufenthalt in Abisko rechneten.

Den Folgetag verbrachten wir mit der Planung unserer «Kungsleden» Tour. Der Königspfad führt von Abisko nach Nikkaluokta und dauert sieben Tage. In Berghüt-ten kann man unterwegs übernachten. Am 5. März lichteten sich die Wolken und wir zogen frühmorgens auf unseren Schneeschuhen los. Die Temperaturen pendelten in diesen Tagen zwischen -10°C und -20°C. Uns begegneten diverse Gestalten, die uns mit ihrer Ausrüstung sehr an Arktik-Expeditionen von Reinhold Messner erinnerten. Schlittenhunde und Pulkas (Zieh-schlitten) zogen an uns vorbei. Am zweiten Tag unserer Tour gab es am Nachmittag einen Wetterumschwung.

Die letzten fünf Kilometer kämpften wir mit kräftigem Gegenwind. Es war bereits Dunkel, als wir in der Hütte Alesjaure eintrafen. Der Wind steigerte sich am nächs-ten Tag zu einem Sturm. Drei Gruppen brachen trotz Warnungen der Hüttenwärtin zur nächsten Tagestour auf. Zwei davon kehrten nach ein paar Stunden wie-der um; heftiger Wind und schlechte Sicht verunmög-lichten das Überqueren des Tjäktia-Passes. Für unsere Projekt war der erzwungene Zwischenstop sehr pro-duktiv. Wir nutzten die Zeit für Aufnahmen im nahe-gelegenen Sami Dorf, welches im Winter unbewohnt ist. Der Wintersturm dauerte drei Tage. Nach einigen Diskussionen entschlossen wir die Tour hier abzurbre-chen und in zwei Tagesetappen wieder nach Abisko zurückzukehren. Wir haben in dieser Zeit Abenteurer kennengelernt, z.B. Ulli (48) der mit 30kg Gepäck auf dem Rücken unterwegs war...oder Stephan (35) der sich ausschlieslich von Beutelnahrung verpflegte und mit einem GPS-Notsendegerät ausgestattet war, damit man ihn auch in den abgelegensten Tälern lokalisieren könnte. Die Wanderwege sind auf der ganzen Strecke mit Holzpfeilern gekennzeichnet. Alle fünfzig Meter werden die Pfosten mit einem roten Kreuz eingeschla-gen. Wenn es aber so richtig stürmt, kann es trotzdem schwierig werden, den nächsten Pfeiler noch zu sehen. Die Orientierung kann schnell verloren gehen.

Filmisch waren es bestimmt die aufregensten Aufnah-mesituationen während unser gesamten Reise. Nach sieben Tagen kehrten wir wieder zu unserer Basis am Tometräsk-See zurück. Das Pfeifermobil glich einer Schnee- und Eisskulptur als einem Fahrzeug.

KUNGSLEDEN März 2011

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Nach einer schweisstreibenden Fahrt über die vereiste E10 schwor ich mir, nördlich des Polarkreises niemals mehr im Winter mit einem Fahrzeug ohne Vierradan-trieb und Spike Pneus unterwegs zu sein. Mit 30km/h tasteten wir uns an die norwegische Grenze vor. Die Strasse war nach der Grenze schwarzgeräumt. Dies lag aber nicht an den fleissigeren norwegischen Schnee-räumern, sondern hatte mit den klimatischen und geographischen Verhältnissen zu tun. Wir erreichten die norwegische Küstenstadt Narvik am späten Nach-mittag. Ein besonderes Spektakel boten uns die be-leuchteten Skipisten, deren Ausläufer bis in die Stadt reichen. Von der Meeresküste marschiert man zu Fuss in fünfzehn Minuten zum Sessellift. Wir filmten ein Ju-niorenteam bei ihrem Abendtraining, im Hintergrund das norwegische Meer!

Von den Lofoten, einer Inselgruppe vor der Küste Nor-wegens waren wir sehr beeindruckt. Als hätte man die Alpen mit Wasser umspühlt. Riesige eis- und schnee-bedeckte Berggipfel ragten aus dem tiefblauen Meer heraus. In dieser Jahreszeit trauen sich noch keine Tou-risten auf die Inselgruppen. Zu schlecht sind die Stras-sen, zu unberechenbar das Wetter. Wir hatten wieder einmal Glück und trafen ideale Bedingungen vor. Unser Fokus galt nun dem Meer. Endlich wieder ein Element, dass sich konstant in Bewegung befindet. Nach all den von Kälte erstarrten Formen eine willkommene Ab-wechslung.

Nach den Lofoten fuhren wir im Eiltempo über Trond-heim, Oslo, Dänemark und Deutschland wieder in die Schweiz zurück. Ein kurzer Abstecher noch in den Jura nach La Brévine, wo bei 12°C bereits der Frühling ein-gesetzt hat!

Die Reise war sehr intensiv. Nun warten viele Stunden Video und Audio auf die weitere Verarbeitung. Wir möchten 2012 das Ergebnis unserer Reise der Öffent-lichkeit präsentieren zu können.

Herzlichen Dank der Pfeifermobil Stiftung für die Mög-lichkeit, uns intensiv mit frostigen Ereignissen und Er-scheinungen zu beschäftigen.

Januar 2012

NARVIK-LOFOTEN Norwegen | März 2011

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Februar und März 2011