Ertrinkungsunfälle Akzidentielle Hypothermie · 45 – 60 mm Hg) - unwillkürliche Aspiration von...
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Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
Ertrinkungsunfälle
Akzidentielle Hypothermie
Unfälle im und am Wasser
Dr. med. Stefan Bergt
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
Wasserunfälle
- Ertrinken
- Beinahe-Ertrinken
- Tauchunfälle
- Hypothermie
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
Fallbeispiel 1
- ca. 70 jährige männliche Person
- Beobachtung durch Badegäste
- Pat. bewusstlos; Atem- und Herz-
Kreislaufstillstand
- EKG: Asystolie
- sofortige Reanimation nach Megacode
bzw. ALS durch Rettungsschwimmer
- Ausbildung eines Spontankreislauf; Übergabe an Notarzt
- Aufnahme auf Intensivstation; unauffälliges cCT
- Extubation nach 2 Tagen
- Entlassung des Patienten nach 2 Wochen in klinisch gutem
Zustand ohne neurologisches Defizit
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Fallbeispiel 2
- 15 jährige männliche Person
- Tauchsportgruppe im Schwimmbad
- plötzlich Bewusstlosigkeit u. Herz-
Kreislauf-Stillstand
- primär erfolgreiche Reanimation
- Diagnose: Beinaheertrinken / Aspiration
- Zwei Tage nach Unfall: Anisokorie
- cCT: Hirnschwellung mit Infarzierungen
- ICP-Sonde: 40 mm Hg
- massive Hirndrucktherapie (Mannitol, Barbiturate; Kühlung)
- Entlassung des Patienten nach mehreren Wochen in klinisch
gutem Zustand
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
Südlich Satow 02/2009
Eiseinbruch im Dorfteich
2 Geschwister (3 bzw. 5 Jahre alt)
Bergung durch Feuerwehr und Anwohner
beide Kinder reanimationspflichtig
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Neuss – 04.02.2010
Eiseinbruch – 3 Kinder – Reuschenberger See
Bergung durch Passanten und Feuerwehr
1 Kind primär reanimationspflichtig
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Rostock – 11.03.2010
Eiseinbruch – 2 Kinder (6 bzw. 7 Jahre) IGA-Park
1 Kind primär reanimationspflichtig (Submerssion ca. 15 min)
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Konsensuskonferenz 2002 Amsterdam
„World Congress on Drowning“
Als ertrunken gilt ein Mensch, der einen Herz-
Kreislaufstillstand durch ein Submersions- oder
Immersionsschock erfährt und dessen Atmung im
Wasser versagt.
Definition - Ertrinkungsunfall
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Als Ertrinkungsunfall (drowning accident) wird heute jedes
Ereignis bezeichnet, bei dem es durch Submersion in
Wasser (oder einem anderen flüssigen Medium) zu einer
Atemstörung gekommen ist – unabhängig von Art und
Ausmaß einer Aspiration, letalem oder nicht-letalem
Ausgang und individuellem neurologischen Outcome.
Bierens JJLM. Handbook on Drowning: Prevention, Rescue, Treatment. Berlin: Springer, 2006
Definition - Ertrinkungsunfall
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Ertrinken (drowning)
= Eintauchen des Körpers (Immersion) und des
Kopfes (Submersion) in eine Flüssigkeit mit Tod des
Betroffenen durch Asphyxie innerhalb von 24 h
Beinahe-Ertrinken (near-drowning)
= umfasst alle anderen Verläufe, die für mind. 24 h
nach Submersion in Flüssigkeit überlebt werden
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Nasses Ertrinken (typisches Ertrinken)
Aspiration von Flüssigkeit (Wasser oder z.B.
Mageninhalt) in die Lunge (90%)
Trockenes Ertrinken (atypisches Ertrinken)
Asphyxie infolge Laryngospasmus (10%); keine
Flüssigkeitsaspiration
Sekundäres Ertrinken
Zeitverzögerter Tod nach Beinahe-Ertrinken, zumeist
Folge eines akuten Lungenversagens
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Die gefährlichen Orte
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Die gefährlichen Orte
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
- ca. 400 - 600 tödliche Ertrinkungsunfälle / Jahr
- dritthäufigste Unfalltodesursache
- sehr hohe Dunkelziffer für Beinahe-Ertrinken
(geschätzter Faktor in den USA ca. 500!!)
Epidemiologie
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
- Kinder < 5 Jahre, besonders zwischen 2,5 – 3,5
Jahre, meist Jungen (75%) = zweithäufigste
Todesursache
- gefährlich sind Gartenteiche und Swimmingpools
- bis zu 25% Badewannenunfälle
- immer an Kindesmißhandlungen denken (ca. 20%)
- 20 – 35 jährige Opfer (> 90 % männlich)
- Alkohol- und Drogeneinfluss; Mutproben;
Selbstüberschätzung
- höheres Alter – zunehmend Erkrankungen des
Herz- Kreislaufsystems
Risikogruppen
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kein Fall von Ertrinken und Beinaheertrinken gleicht
einem anderen
- Unfallhergang
- Disposition des Opfers
- Umgebungsbedingungen
- Zeitpunkt und Effektivität der Ersten Hilfe
Pathophysiologie des Ertrinkens
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1. Panik Überlebenskampf; Versuch an der Wasseroberfläche zu
bleiben; kleine Wassermengen werden verschluckt
2. Tauchreflex (v.a. Kinder) Apnoe, Bradykardie, Laryngospasmus (durch Hypothermie
eingeschränkt)
3. Finaler Überlebenskampf große Wassermengen werden verschluckt, Erbrechen,
Aspiration, Bewußtseinsverlust
Ablauf eines Ertrinkungsunfalls
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- Apnoephase (bewusster Atemstop)
- Anstieg des arteriellen CO2-Partialdrucks
- stärkster physiologischer Atemtrigger - Atemnot
- Stress / Panik sowie Kälteexposition führen zu
weiterer Steigerung des Atemantriebs
- nach ca. 90 sec. Atemanhalten nicht länger möglich
„breathhold breakpoint“ (paCO2 45 – 60 mm Hg)
- unwillkürliche Aspiration von Wasser
- reflektorischer Laryngospasmus
Pathophysiologie des Ertrinkens
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- Verschlucken größerer Mengen Wasser
- Hypoxie, Bewusstlosigkeit
- Lösen des Laryngospasmus
- finale Atembewegungen / Zwerchfellkontraktionen
- aktive / passive Aspiration weiterer Wassermengen
- Bildung von Schaum in den Atemwegen
feinblasiger Schaumpilz nach der Bergung
Pathophysiologie des Ertrinkens
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- Herzrhythmusstörungen durch zunehmende Hypoxie
- Asystolie
- Absinken der Körpertemperatur mit Ausbildung einer
akzidentiellen Hypothermie
Prognose der Patienten wird durch den
Sauerstoffmangel in den Organen bestimmt
Pathophysiologie des Ertrinkens
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ZNS: zytotoxisches Hirnödem
Lunge: Lungenödem, Atelektasen, ARDS
Herz: Kontraktilitätsstörung, Arrhythmien
GI-Trakt: blutige Diarrhoe, Schleimhautabstoßung
Gefäße: Störung von Vasotonus und
Endothelfunktion
Niere: akute tubuläre u./o. kortikale Nekrose
Blut: Hämolyse, DIC - Koagulopathie
Asphyxie- / Hypoxiefolgen
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- geringe Aspirationsmengen (5 - 8 ml / kg KG)
- Unterscheidung zwischen Süß- und
Salzwasseraspiration ohne klinische Relevanz
- Füllung der Alveolen mit Wasser
- Auswaschung von Surfactant
- Atelektasenbildung u. Überblähung
- Reduktion der Gasaustauschfläche
- Hypoxie durch zunehmenden Rechts- /Links-Shunt
- Progredienz der Veränderungen noch über Stunden
Aspiration
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
1. Rettung aus dem Gewässer
2. Basisdiagnostik, O2-Gabe, Beatmung
3. Kreislauftherapie, Reanimation
4. Schutz vor weiterer Auskühlung
5. Schonender Transport
6. adjuvante Maßnahmen
7. Stationärer Aufenthalt
Notfallmanagement
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
- Bergung aus dem Wasser
- Absetzen des Notrufes
- Überprüfung der Vitalfunktionen
- Wärmeerhalt
- ggf. Beginn der Reanimation
Möglichkeiten des Ersthelfers
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
- Aufgabe der Wasserrettungsdienste (Wasserwacht
DLRG; SAR; DGzRS; Feuerwehr)
- Rettung der Personen unter Beachtung des
Eigenschutzes
- Beginn der Atemspende im Wasser möglich
- schnellstmöglicher Transport auf sichere
Versorgungsplattform (Rettungsboot, Strand)
- 90 % aller Ertrinkungsunfälle finden in Strandnähe statt
Rettung aus dem Gewässer
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- Vitalfunktionen
- Bewusstseinslage
- Atmung
- Kreislauf
- Begleitverletzungen (SHT, Wirbelsäule, Extremitäten)
- Neurologie (Pupillenreaktion, Reaktion auf
Schmerzreiz, Motorik der Extremitäten
- Glasgow-Coma-Scale
- Temperatur
Basisdiagnostik
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
- Ertrinkungsunfälle sind vorwiegend durch hypoxische
Gewebeschäden gekennzeichnet
Erstes Ziel ist Wiederherstellung einer suffizienten
Respiration / Oxygenierung
- großzügige Indikationsstellung für O2-Gabe
- mind. Nasensonde, besser Maske mit 4 – 6 l/min
- großzügige Indikation für Intubation / Beatmung
- Gefahr der Entwicklung eines ARDS ist hoch
Sauerstoff / Beatmung
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
- Zeichen der respiratorischen Insuffizienz
- Unruhe, Bewusstseinstrübung
- Abfall der O2-Sättigung unter Insufflation von
Sauerstoff
- Auskultatorisch: V.a. Lungenödem
Indikation zur Intubation / kontrollierte Beatmung /
Analgosedierung
(FiO2 1,0; PEEP 5 –10 cm H2O; AZV 7 – 8 ml/kg KG)
Sauerstoff / Beatmung
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
- Reanimation erfolgt grundsätzlich nach den Regeln des BLS u. ALS
Endotracheale Intubation
Elektrische und medikamentöse Reanimation
- kein Absaugen der tiefen Atemwege
- Magensonde bei Kindern indiziert (Einschränkung der Zwerchfellbeweglichkeit durch hohes Aspirationsvolumen)
- Anschlagzeit und Wirkdauer der Medikamente oft verlängert
Kreislauftherapie / Reanimation
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- Defibrillation unter 29°C häufig ohne Erfolgsaussicht
- Ausgleich eines Volumendefizits mit kristalloiden und
kolloidalen Volumenersatzmitteln
Cave: Ringer-Lactat ist hypoton (273 mosm/l)
Verstärkung der Ödembildung (Gehirn / Lunge)
Kreislauftherapie / Reanimation
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Beachtung von Begleitverletzungen
- großzügige Indikation zur Immobilisation
- bewusstseinsklare Patienten werden so gelagert, wie es
am bequemsten ist
- bei (beginnender) Atemnot Oberkörperhochlagerung
- bewusstlose Patienten mit Spontankreislauf und
suffizienter Spontanatmung:
- stabile Seitenlage durch Ersthelfer / Rettungsschwimmer
- Indikation zur Intubation / Beatmung durch Rettungsdienst
- Reanimationsbedingungen: Rückenlage
Lagerung
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
- alle Patienten erleiden mehr oder weniger großen
Wärmeverlust
- nasse Kleidung entfernen
- Schutz vor weiterer Auskühlung (Rettungsfolie /
Wolldecke)
- aktive Erwärmung bei bewusstseinsklaren Patienten
erlaubt (heiße Getränke usw.)
Wiedererwärmung
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Transport grundsätzlich
im RTW anstreben
- rapide Verschlechterung des klinischen Zustandes jederzeit
möglich
- allseitige Zugangsmöglichkeit
- Reanimation / Defibrillation
Transport des Patienten
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
- Heranführung des Rettungsteams
(Notarzt; Rettungsassistent)
- schlechte Erreichbarkeit des Notfallortes durch
bodengebundenen Rettungsdienst (Steilküste, fehlende
Straßen)
- sehr lange Transportstrecken (Herz-Lungen-Maschine)
- klinisch stabiler Patient
RTH - Indikation
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- kein Bewusstseinsverlust
- sofortige Reanimation durch Ersthelfer
- Unterwasserliegedauer < 5 min
- Alter > 3 Jahre
- Spontankreislauf (ROSC) < 10-minütiger Reanimation
- keine Hyperkaliämie (K+ < 7,5 mmol/l)
- pH > 7,1
- nach 24 h spontane, gerichtete Bewegungen und normale Hirnstammfunktion
Kriterien für eine gute Prognose
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Therapie der schweren akzidentiellen Hypothermie
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unbeabsichtigtes Absinken der Körperkerntemperatur auf
unter 35°C
Milde Hypothermie: 32 – 35°C
Moderate Hypothermie: 28 – 31,9°C
Schwere Hypothermie: < 28°C
Akzidentielle Hypothermie
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Stadien einer Unterkühlung nach Einteilung der
Schweizer Rettungsflugwacht
(ohne Bezug zur Körpertemperatur)
Stadium Klinisches Bild des Patienten
___________________________________
I ansprechbar, Muskelzittern
II somnolent, kein Muskelzittern
III nicht ansprechbar
IV Kreislaufstillstand
Akzidentielle Hypothermie
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1. Erhöhter Wärmeverlust
- Wasserunfall
- Lawinenunglück
- Immobilisation
2. Gestörte Thermoregulation
- Intoxikationen
- Stoffwechselerkrankungen
- Erkrankungen des ZNS (Tumor; Trauma)
- Verbrennung
Akzidentielle Hypothermie - Ursachen
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Herz-Kreislauf-System
Sympathikusaktivierung mit peripherer Vasokonstriktion,
Tachykardie, Anstieg des HZV
Auftreten von atrialen und ventrikulären Arrhythmien und
EKG-Veränderungen (Verlängerung von PQ- und QT-Zeit)
bei weiterem Temperaturabfall kommt es zu einer
Bradykardie und HZV-Abfall, Kammerflimmern, Asystolie
besonders Kinder reagieren mit dem Tauchreflex
= vagal vermittelter reflektorischer Herzstillstand
37°C
32°C
35°C
30°C
28°C
Akzidentielle Hypothermie - Pathophysiologie
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
Atmungssystem
zunächst Steigerung der Atemfrequenz
später Abnahme der Atemfrequenz und AZV
Hypoxie, Hypoxämie, respiratorische Azidose
ödematöse Schwellung des Alveolarepithels, Ausbildung
eines Lungenödems
37°C
32°C
35°C
30°C
28°C
Akzidentielle Hypothermie - Pathophysiologie
Verschlechterung des pulmonalen Gasaustausches
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Neurologie
zuerst Muskelzittern zur Thermogenese
Muskelverhärtung / Koordinationsstörung
später Areflexie und generalisierte Parese
zunehmende Bewußtseinstörung bis Koma
Störung der Pupillomotorik
Reduktion des Metabolismus um 5 – 8% / °C
37°C
32°C
35°C
30°C
28°C
Akzidentielle Hypothermie - Pathophysiologie
Neuroprotektive Wirkung der Hypothermie
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Metabolismus / Gerinnungssystem
Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve und
Ausbildung einer Azidose
Verminderung der hepatischen Clearance von
Medikamenten
Insulinresistenz mit Hyperglykämie
Thrombozyten- u. Gerinnungsdysfunktion
Induktion einer disseminierten intravasalen Koagulation
37°C
32°C
35°C
30°C
28°C
Akzidentielle Hypothermie - Pathophysiologie
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
Die Behandlung der systemischen und oft lebensbedrohlichen
Unterkühlung hat Vorrang gegenüber lokalen Erfrierungserscheinungen.
Therapieziel ist das Wiedererwärmen des Patienten bis zur Erlangung
der normalen Körpertemperatur.
Sofortmaßnahmen
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
- Eigenschutz / -sicherung geht vor Fremdrettung
- Notruf (Feuerwehr, Rettungsdienst, SAR, DGzRS, RTH)
- Bergung bewußtseinsgetrübter Patienten unter Immobilisation;
Cave: „after drop“ - Phänomen
- nasse Kleidung entfernen (in geschützter Umgebung)
- Schutz vor weiterer Auskühlung (Rettungsfolie / Wolldecke)
- aktive Erwärmung bei bewusstseinsklaren Patienten erlaubt (heiße
Getränke usw.)
Sofortmaßnahmen - Rettung
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Vitalfunktion
- Bewusstseinslage
- Atmung
- Kreislauf
Neurologie (Pupillenreaktion, Reaktion auf Schmerzreiz, Motorik)
Glasgow-Coma-Scale (GCS)
Temperatur
Begleitverletzungen (SHT, Wirbelsäule, Extremitäten)
Sofortmaßnahmen - Basisdiagnostik
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
- Schutz vor Hypoxieschäden
- engmaschige Kontrolle der Vitalfunktionen
- frühzeitige Gabe von Sauerstoff und Sicherung der Atemwege
(ggf. Intubation / Beatmung)
Cave: Induktion von Kammerflimmern
- Ausgleich eines Volumendefizits mit kristalloiden Lösungen
(Kältediurese; hydrostatischer Druck durch Immersion)
- moderate / tiefe Hypothermie langsame Infusion / keine Infusion
Sofortmaßnahmen
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
- Schonender Transport in eine geeignete Zielklinik
- weitere Immobilisation des Patienten
- Passive Wiedererwärmung durch Rettungsfolie / Heizung
- Reanimationssituation – keine Wiedererwärmung / RTW nicht beheizen
- Anmeldung in der Zielklinik bei Herz-Kreislauf-Stillstand bzw.
instabilem Patienten
- Aufbau / Vorbereitung der HLM
Sofortmaßnahmen
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
1. wacher Patient mit stabiler Atmung und Kreislauf
Überwachung, passive Erwärmung, heiße Getränke
2. instabiler, schwer hypothermer Patient
Invasive Verfahren der Wiedererwärmung
Peritoneale Lavage Magenspülung Hämofiltration
Extrakorporale Zirkulation (Herz-Lungen-Maschine)
Klinische Therapiestrategien bei schwerer Hypothermie
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
Therapie nur in speziellen Zentren mit Herzchirurgie (SARRRAH-Projekt)
Problem
- Temperatur 26 – 30°C nicht-defibrillierbares Kammerflimmern
- Reanimationsmaßnahmen bis KKT > 30°C
- Schwierige superfizielle Wiedererwärmung von Erwachsenen
- Wiedererwärmungsschock bei ca. 30°C
Extrakorporale Zirkulation
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
Therapie nur in speziellen Zentren mit Herzchirurgie (SARRRAH-Projekt)
Vorteile der Herz-Lungen-Maschine
- Suffizienter Kreislaufstabilität auch bei Kammerflimmern
- zentrale Wiedererwärmung (Leber)
- geringere Stoffwechselentgleisung (Laktatazidose)
- Oxygenierung / evtl. Fortsetzung als ECMO
Extrakorporale Zirkulation
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
„Wiedererwärmungsschock“ bei ca. 30°C
Nachlassen der relativen Hypertonie durch Wiedereinsetzen von
- Thermoregulation
- Weitstellung der Gefäße
Adäquate Volumenzufuhr in der Phase der Wiedererwärmung
Ausgleich der (Laktat-)Azidose bei suffizienter Abatmung des CO2
Vermeidung eines „Overshoots“ mit hyperthermen bzw. febrilen
Temperaturen
Extrakorporale Zirkulation
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
Keine Anwendung von Medikamenten bei KKT < 30°C
- Keine Wirkung am Myokard
- Fehlende Metabolisierung
- Toxische Konzentrationen in der Phase der Wiedererwärmung
Tierexperimentelle Untersuchung
- Beeinträchtigung der CO2-Elimination; Verstärkung der metabolischen
Azidose
Schwere Hypothermie und Adrenalin / Amiodaron
Kondratiev, T.V., Myhre, E.S.P., Simonsen, O., Nymark, T.-B. & Tveita, T. Cardiovascular effects of
epinephrine during rewarming from hypothermia in an intact animal model.
[Abstract] 2006 JAppl Physiol Vol. 100(2), pp. 457-464
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
Rhythmisierung eines Kammerflimmerns durch Defibrillation bei
KKT < 30°C unwahrscheinlich
- maximal 3 Versuche der Defibrillation erlaubt
- Wiedererwärmung bis KKT > 30°C
Schwere Hypothermie und Defibrillation
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
Keine Transportverzögerung durch Versuch der Etablierung eines
i.v.-Zugangs
- Kein wesentlicher Volumenmangel – keine zwingende Indikation für
Infusion
- Keine Indikation für Medikamenten-Applikation
- Punktion peripherer Venen oft schwierig
- Evtl. Punktion der V.jug.ext.
- Kein präklinischer ZVK – Gefahr des Kammerflimmerns
Alternative: intraossärer Zugang
Schwere Hypothermie und Gefäßzugang
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
Schwere Hypothermie und Gefäßzugang
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
Effektivität verschiedener Techniken der Wiedererwärmung
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
Vermeidung des hypoxisch-zytotoxischen Hirnödems
- Ausgeglichene Flüssigkeitsbilanz
- Ausreichender zerebraler Perfusionsdruck (suffizienter MAP; venöser
Abstrom)
- Normoventilation
- Vermeidung einer Hyperglykämie
- Senkung des zerebralen Energiebedarfs (tiefe Sedierung)
Therapie der zerebralen Hypoxie
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
Milde therapeutische Hypothermie
Vermeidung von Apotose in reperfundierten, submaximal
hypoxiegeschädigten sensiblen Hirnregionen (CA1-Region des
Hippocampus)
Verstärkung der Apotose-Neigung durch Glucocorticoide
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
Kinder und schwere Hypothermie - Eiswasser
1. Schnelle Abkühlung
2. Frühkindlicher Tauchreflex
3. Geringere Flimmerneigung
4. Hohe Hypothermietoleranz
Prognosebestimmend
Reflektorischer vs. Asphyktischer Herz-Kreislaufstillstand
Primär Immersion vs. Submersion
Medizinische Fakultät – Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie
Überleben einer schweren akzidentiellen Hypothermie
- was ist von Bedeutung -
1. Logistik
2. Richtige Primärversorgung (Rettungsdienst)
3. Auswahl des adäquaten Zielkrankenhauses
4. Schonende und langsame Wiedererwärmung
5. Vermeidung eines Temperatur-Rebound-Phänomens
6. Organbezogene Intensivtherapie