Post on 18-Sep-2018
Sucht im Alter verschiedene Sichtweisen • Die Betroffenen sind
doch selber schuld
• Das wird man im Alter nicht mehr ändern können
• Lohnt sich das überhaupt noch „da ist doch …..verloren“
• Der/die hat doch sonst nichts mehr
• Gute Behandlungsaussichten
• Es lohnt sich immer ohne Abhängigkeit zu leben
• Die Lebensqualität ohne Suchtmittel ist höher
• Das Leben ist länger
• Gesundheit geht nur ohne Abhängigkeit
Andreas Kutschke 2
Eine Krankheit verschiedene Welten
• Alkohol in Maßen konsumiert ist gesellschaftlich legitimiert, aber …
• First onset /late onset
• Oft sozialer Abstieg
• Oft verheimlicht
• Entgleisungen, straffällig, Aggression
• Medikamente werden von einem Arzt verordnet (und bewirken oft gutes)
• Und müssen von daher schon gut sein
• Wer kommt schon auf Idee das BZD krank machen
• Gleichgültigkeit, Apathie
• „die arme alte Dame…“
Andreas Kutschke 3
Gedanken in der Altenarbeit zum Thema
• Integration versus Segregation
• Die Grenzen zwischen den Betroffenen und einem selber verschwimmen unter Umständen
• Es gibt wenig evaluierten Konzepte zum Umgang mit älteren Abhängigen
Andreas Kutschke 4
Pflegerische Haltung
• Ist oft unklar
• Ist sehr von den eigenen Erfahrungen und Vorstellungen geprägt
• Ein Team sollte sich über seine Gedanken bezüglich der Betroffenen im klaren sein
Andreas Kutschke 5
Altenpflegeperspektive
• Stationäre / ambulante Altenpflege
• In aller Regel ohne Facharzt
• Ohne einen medizinischen Auftrag
• Der pflegerische Auftrag ist meistens nicht formuliert
• Bewohner haben einen Mietvertrag
• Die Suchthilfen Perspektive gibt es nur sehr selten, Kooperationen sind die Ausnahme
Andreas Kutschke 6
Differenzierte Wahrnehmung
• Personen die nie Alkohol getrunken haben
• Personen die nie einen schädlichen Gebrauch hatten
• First onset Trinker
• Late onset Trinker
• Personen die trocken werden wollen
• Trockene alkoholabhängige Personen
Andreas Kutschke 7
Andreas Kutschke
Zahlen zur Sucht im Alter
• 3,1 % der Männer und 0,5 % der älteren Frauen sind abhängig(ca. 400 000). Die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich dreimal so hoch Zwei Drittel waren bereits in jüngeren Jahren abhängig (first onset).
• 14 % der Heimbewohner weisen eine Alkoholdiagnose auf
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Konsum und Versorgung
• 60 % des Alkoholkonsums über 60 g und Tag wurde von Pflegenden nicht erkannt (Wurst et al. 2012)
• 1 Drittel der konsumierten BZD sind den Pflegekräften nicht bekannt (Interreg 2011)
• Zwischen 60 -80 % der Patienten über 60 nehmen Benzodiazepine länger als sechs Wochen ein.
• Eine fachärztliche Versorgung trifft nur auf eine kleine Gruppe von Bewohnern zu ca. 16 %
Andreas Kutschke 9
Missbrauch und Abhängigkeit
• 43 % der 65 – 75 Jährigen Männer in der Schweiz konsumieren einmal täglich Alkohol und 22 % der Frauen
• Der abhängige Konsum wird mit 6 % angegeben
• 8 % mit einem problematischen Konsum
• Bei Frauen sind es 3 %
• Die Prävalenz steigt in Schweizer Altenheimen auf bis zu 32 %
(Leherr 2009 Suchtmagazin)
A. Kutschke 10
Pflegerische Wahrnehmung der Erkrankung
Ab wann ist ein Alkoholkranker alt?
• Viele alkoholabhängige Bewohner sind vergleichsweise jung
• Pflegekräfte sind oft der Meinung, dass die Betroffenen zu jung für ein Altenheim sind!
• Gerade First onset Trinker sind oft „jung“, vorgealtert und benötigen Hilfen
• Die Betroffenen können 10 bis 20 Jahre voraltern und sind mit 70 oft „richtig“ alt
Andreas Kutschke 11
Eine Befragung unter Altenpflegefachkräften
• Stoffgebundene Abhängigkeit wird von Pflegekräften als durchschnittlich häufig wahrgenommen, jedoch als besonders bedeutsam
• Alkohol im Seniorenheim als Pflegebedürftiger zu bekommen ist davon abhängig, in welchem Seniorenheim sie sind und welche Pflegekraft im Dienst ist
• Der überwiegende Teil der Pflegekräfte würde Alkoholkonsum einschränken
Andreas Kutschke 12
Abhängigkeit und Missbrauch von Alkohol und BZD ein Thema für die Altenpflege?
Bisher kaum, außer in einigen Facheinrichtungen
• In der Fachliteratur findet man nur rudimentäre Hinweise
• Fortbildungsangebote sind selten
• Assessments sind kaum bekannt
• Wohnangebote für trinkende ältere Alkoholiker sind eher die Ausnahme
• Manche Seniorenheime wollen alkoholkranke Menschen nicht aufnehmen
Andreas Kutschke 13
Andreas Kutschke
Beschreibung der late onset Trinker
• Sie sind zwischen 55 und 65 und älter wenn Sie beginnen „viel“ zu trinken, die Gesamthäufigkeit beträgt 1/3, die Persönlichkeit ist in der Regel stabil und angepasst, sie sind sozial integriert, sie trinken kontinuierlich angepasst, die Therapiechancen sind gut.
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Andreas Kutschke
Beschreibung first onset Trinker
• Sie haben früh begonnen Alkohol zutrinken zwischen 20 und 60, die Häufigkeitsverteilung beträgt 2/3, es betrifft vor allem Persönlichkeiten die instabil sind, dissoziale Merkmale aufweisen, die soziale Situation ist instabil und desintegriert, der Trinkstil ist chaotisch und exzessiv, die Therapiechancen ungünstiger, oft die verschiedensten Spätfolgen
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Häufige Gründe für die Aufnahme von älteren Alkoholabhängigen in die Ambulanz sind
Delirien und Stürze, daneben fallen vor allem gastrointestinale Probleme auf. Ebenfalls
Schmerzen, Schlafstörungen, Depressionen oder Angst (Onen et al. 2005), die Ursache
für diese Probleme werden oft nicht erkannt.
Auch bei der Aufnahme in ein Seniorenheim ist oft nicht bekannt ob der Bewohner Abhängig ist oder Alkohol missbraucht.
Andreas Kutschke
MAST –G (Michigan Alkoholism Screening Test Geriatric version)
• Haben Sie anderen gegenüber schon einmal untertrieben wie viel Alkohol Sie trinken?
• Haben Sie nach ein paar Gläsern Alkohol manchmal nichts gegessen oder ein Mahlzeit ausgelassen, da Sie sich nicht hungrig fühlten?
• Helfen ein paar Gläser Alkohol, Ihre Zittrigkeit oder ihr Zittern zu verhindern?
• Haben Sie, nachdem Sie Alkohol getrunken haben, manchmal Schwierigkeiten, sich an Teile des Tages oder der Nacht zu erinnern?
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Andreas Kutschke
• Trinken Sie gewöhnlich Alkohol, um zu entspannen oder Ihre Nerven zu beruhigen?
• Trinken Sie, um Ihre Probleme für einige Zeit vergessen zu können?
• Haben Sie schon einmal mehr Alkohol getrunken, nachdem Sie einen Verlust in Ihrem Leben erlitten haben?
• Hat Ihnen schon einmal eine Person gesagt, sie mache sich Sorgen bezüglich Ihres Alkoholkonsums?
• Haben Sie jemals Trinkregeln aufgestellt, um besser mit Ihrem Alkoholkonsum klar zu kommen?
• Verschafft Ihnen ein alkoholisches Getränk Erleichterung, wenn Sie sich einsam fühlen?
• Bei mehr als zwei Ja Antworten gibt es ein Problem
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Andreas Kutschke 21
F10 psychische oder Verhaltensstörungen
durch Alkohol
F11 psychische oder Verhaltensstörungen
durch Opioide
F13 psychische oder Verhaltensstörungen
durch Sedativa oder Hypnotika
F15 psychische oder Verhaltensstörungen
durch andere Stimulanzien einschließlich
Koffein
F17 psychische oder Verhaltensstörungen
durch Tabak
Das ICD– 10 unterscheidet zwischen
schädlichem Gebrauch und
Abhängigkeitssyndrom
DSM – IV
Alkoholabhängigkeit/-missbrauch
Opiatabhängigkeit/-missbrauch
Cannabisabhängigkeit/-missbrauch
Abhängigkeit/Missbrauch von Sedativa,
Hypnotika oder Anxiolytika
Halluzinogenabhängigkeit/ -missbrauch
Nikotinabhängigkeit
Abhängigkeit/Missbrauch von
Inhalantien
Polytoxikomanie
Das DSM – IV unterscheidet zwischen
Abhängigkeit und Missbrauch.
Andreas Kutschke
Gründe für Abhängigkeit und schädlichen Gebrauch im Alter
• Verschiedene Modelle (biologisch, neurowissenschaftlich und andere)
• Minderung der Alkoholtoleranz im Alter
• Rückgang sozialer Kontakte
• Geldmangel
• Die unterschiedlichsten Verlusterlebnisse
• First – onset, (Beginn der Sucht im Erwachsenenalter)
• late – onset (Beginn im höheren Alter z.B. ab 60)
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Andreas Kutschke
Epidemiologische Besonderheiten des Alters
• Abnahme des Alkoholkonsums
• Generationsspezifische Unterschiede des Trinkverhaltens
• Erhöhte alkoholbezogene Mortalität
• Positive Therapieergebnisse günstige Spontanverläufe
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Die Pflegenden in der Altenhilfe stehen zwischen zwei Stühlen, von denen der eine Fürsorge / Sorge und der andere Freiheit und Autonomie heißt! Alkoholkonsum steht zwischen Genuss
und dem Risiko von Missbrauch und Abhängigkeit, Benzodiazepine zwischen sinnvoller Behandlung und Abhängigkeit
Es gibt häufig pflegerische Probleme
• Eine Vielzahl von Alkoholfolgeerkrankungen
• Soziale Isolation
• Verwahrlosung
• Aggression
• Eigenwillige Biografie
• Bewohner verstehen sich nicht mit jüngeren Abhängigen
• Pflegekräfte sind nicht vorbereitet
Andreas Kutschke 26
Andreas Kutschke 27
Entzugssymptome beim
Fehlen von Alkohol
Entzugssymptome bei Nikotin Entzugssymptome bei
Benzodiazepinen
Gesteigerte Angst, Erregbarkeit
Halluzinationen, Wahnvorstellungen
Veränderte Bewusstseinslage
Tremor Ataxie
Magen-Darm-Störungen
Krämpfe
Tachykardie, Hypertonie
Elektrolytverschiebungen
Hyperglykämie
Schlafstörungen
Schweißneigung
Unruhe
Gereiztheit
Aggressivität
Depressionen/Stimmungss
chwankungen
Benommenheit
Konzentrationsstörungen
Zittern
Schwitzen
Kopfschmerzen
Tremor, Muskelkrämpfe
Schweißbildung
Kopfschmerzen Empfindlichkeit auf Lärm, Licht und Berührung
Schlafstörung
Dysphorie, Reizbarkeit
Erregung, Schuldgefühle
Epileptische Anfälle
Augenflimmern
Optische Verzerrungen
Verzerrungen wie Mikropsie und Makropsie
Veränderung des Geschmacksinns
Störung des Körperschemas
Psychotische Symptome
Delir möglich
Andreas Kutschke 28
Patient/Bewohner (Alkohol)
Kontakt und Zugang zum Betroffenen herstellen und
halten
lebensbedrohende Einflüsse erkennen und abwenden
Grundbedürfnisse wie Ernährung und Pflege sichern
Milieu und Umfeld sichern und stabilisieren
Alkoholkonsum verringern oder stabilisieren
Selbstpflege und Abstinenz
Pflegerische Schwerpunkte in der Pflege alkoholabhängiger Bewohner • Ernährung • Förderung der Bewältigungskompetenz bei
Einsamkeit, Langeweile, Trauer und Angst • Förderung von Genuss- und
Entspannungsfähigkeit • Soziale Kontakte • Niedrigschwellige Angebote, sinnstiftende Arbeit • Angehörige, Betreuer, Selbsthilfe,
Beratungsstellen, Ärzte und Pflege zusammenbringen
Andreas Kutschke 29
„Ich habe ja sonst nichts mehr“
• Im Seniorenheim kann dies tatsächlich so sein! • Einige Pflegekräfte vertreten diese Position
ebenfalls durch ein resignierendes „das macht doch keinen Sinn mehr“
• Mehr Leben und sinnvolle Aufgabe in den Alltag / hier benötigen wir einen Wechsel in der Einstellung zu den Bewohnern
• Menschen mit einer Abhängigkeit benötigen eine Perspektive (im ambulanten und stationären Bereich)
• Sinnvolle Beschäftigungen
Andreas Kutschke 30
Wie viel ist zu viel?
Das amerikanische Institute on Alcohol Abuse empfiehlt für über 65 nicht mehr als 10 g Alkohol je Tag. Das entspricht
- 0,25l Bier
- 0,125l Wein
- 0,04l Schnaps das ist ein Doppelter Schnaps
(Standarddrinks)
Die DHS geht bei Frauen von 12g und bei Männern von 18g je Tag aus.
Andreas Kutschke 31
Das Risiko hängt auch von Co-faktoren ab
• Sedierende Medikamente
• Allgemeiner Gesundheitszustand
• Andere Medikamente und die Einnahme von
Herz- und anderen Stärkungsmitteln wie Doppelherz, Klosterfrau Melissengeist (80 Vol. %), Bronchicum-Tropfen (19,4 Vol. %), Eupatal Hustentropfen (27,1 Vol. %) Ipalat Tropfen mit Codein (39 Vol. %) Makatussin Hustentropfen forte (37,3 Vol. %)
Andreas Kutschke 32
Kommt es zu einer Einweisung in ein Krankenhaus oder zu einer
Operation
Sollte in jedem Fall die Information weitergeleitet werden, ob und
wieviel Alkohol konsumiert wird!
Pflegerische Strategien und Konzepte im Umgang mit Bewohnern die alkoholabhängig sind,
Die Motivierende Gesprächsführung fördert die Selbstwirksamkeit, den Glauben, sich verändern zu können; dies ist ein wichtiger Motivator. Der Patient ist für die Entscheidung zur Veränderung und deren Umsetzung verantwortlich. Der Glaube des Therapeuten an die Fähigkeit der Person, sich zu verändern, wird zu einer sich selbsterfüllenden Prophezeiung (Selffulfilling Prophecy). Beispielhafte offene Fragen zur Bewusstmachung und Änderung •«Was gefällt Ihnen am Trinken?» •«Warum sind Sie hier?» •«Was beunruhigt Sie an der gegenwärtigen Situation?» •«Was könnten Sie oder andere an Ihrem Alkoholkonsum Besorgnis erregend finden?» •«Was glauben Sie wird geschehen, wenn Sie nichts verändern?» (Miller Rollnick 2004)
Andreas Kutschke 35
«Stages of Change»
1. Schritt: Sorglosigkeit Alkohol mit seinen Wirkungen und Nebenwirkungen aufzeigen 2. Schritt: Bewusstwerdung Probleme der Abhängigkeit von Alkohol verdeutlichen 3. Schritt: Bereitstellung und Klarheit Einen Plan gemeinsam mit dem Patienten und den behandelnden Ärzten ausarbeiten und konkrete Termine und Vorgehensweisen absprechen. 4. Schritt: Handlung und Bewegung Nebenwirkungen besprechen, Alternativen aufzeigen, durchführen und reflektieren 5. Schritt: Aufrechterhalten und Stabilisierung Regelmäßige Gespräche und Nachfragen über den Status, wie es ohne abhängig machendes Medikament geht. (Maurischat 2001)
Andreas Kutschke 36
Alltagregeln/hilfreiche Aspekte im pflegerischen Umgang mit Abhängigkeitserkrankten
• hohes Maß an Geduld und kein Moralisieren • konsequentes, aber immer zugewandtes Handeln • enge Kooperation mit den Drogenberatungsstellen und
Selbsthilfegruppen • Familie miteinbeziehen • Lebensleistung anerkennen) • kein Fatalismus («In dem Alter lohnt sich eine Abstinenz doch
nicht mehr! ») • Überleben sichern • Vereinbarungen treffen • stehen Alkohol und Benzodiazepine frei zur Verfügung, muss
der Gesundheitszustand beobachtet werden
Andreas Kutschke 37
Fallbesprechung
• Ist vielleicht ein besonders wichtiges Instrument, vor allem um die verschiedenen Akteure zu vernetzen
• Ethische Fragestellungen zu klären
• Narrativ versus strukturiert / und integriert!?
• Wer gehört dazu? Suchthilfe, Betreuer, Angehörige, Bezugspflegekraft, Moderator …
Andreas Kutschke 38
Der Status und das Ziel des Betroffenen sind für die pflegerische Strategie wichtig
Trockene Bewohner, sollten geschützt werden,
- Vielleicht ein segregativer Ansatz
- Auf Nahrungsmittel und Medikamente achten
- Bei Feiern und Festen alternativen anbieten wenn dies gewünscht wird
- Gute Kommunikation unter den Mitarbeitern und der Therapieeinrichtung
A. Kutschke 40
Die Betroffenen streben keine Abstinenz an
Kontrollierter Alkoholkonsum
• Absprache mit allen Betroffenen vor allem dem Betreuer
• Zeiten und Mengen werden festgelegt und müssen ggf. angepasst werden
• Zuverlässigkeit und Konstanz ist ein Schlüssel zum Erfolg
• Laps und Relaps werden immer möglich sein
• Grenzen aber keine Vorwürfe
A. Kutschke 41
Netzwerk
• Sucht- und Altenhilfe (Kommunikationsstrukturen schaffen)
• Selbsthilfegruppen
• Sozial psychiatrische Dienste
• Fachkliniken (Fachärzte die auch in der Altenhilfe tätig werden)
• Kenntnisstand ausgleichen zwischen Alten- und Suchthilfe (welche Inhalte, Modelle, Fähigkeiten …)
Andreas Kutschke 42
generelle Strategien zur Verbesserung der Pflege • Öffentlichkeit herstellen • Praxisnahe Materialien • Interdisziplinäre Absprachen und Überprüfung • Schwerpunktabteilungen und integrative
Konzepte • Care und case Management auch über die
Pflegestützpunkte • Die Betroffenen besser erkennen • Mehr Schwerpunkteinrichtungen?! • Therapieplätze?!
Andreas Kutschke 44
Pflegeeinstufung
• Eine Pflegestufe wird bei Abhängigen älteren Menschen selten gewährt, wenn diese nicht körperlich sehr stark eingeschränkt sind
• Der Pflegebedürftigkeitsbegriff bezieht sich auf körperliche Gebrechen
• Frühzeitig mit dem NBA (neues Begutachtungs-Instrument) Einstufungen avisieren (ab Beginn 2017)
• Die stationäre Versorgung in einem Altenheim ist nur mit einer Pflegestufe (SGB XI) möglich
Andreas Kutschke 45
Die pflegerische Herausforderung liegt ebenfalls in einigen Fragestellungen begründet
• Sollten Pflegekräfte immobilen abhängigen Bewohnern/Patienten Alkohol beschaffen?
• Wie ist auf Handgreiflichkeiten bei alkoholisierten Bewohnern zu reagieren?
• Wie werden Ekel und persönliche Ablehnung einbezogen?
Andreas Kutschke 46
Was bedeutet Leben in der Altenhilfe für Abhängige Bewohner oder Kunden?
• Reglements in der Altenhilfe noch zeitgerecht?
• Angebote noch zeitgerecht?
• Ausstattung individuell und Bewohnerbezogen?
• Muss vielleicht für die hier Betroffenen, vor allem die jüngeren neu gedacht werden?
Andreas Kutschke 47
Unterschiedliche Argumentationen zum Alkoholkonsum? Pro und kontra • Ältere Menschen
profitieren vor allem bei kardiovaskuläre Erkrankungen von kleinen Mengen Alkohol wie ¼ Wein
• Genuss pur • Ist ein Kulturgut in
unserer Gesellschaft • Alkohol ist ein gutes
Einschlaf- und ein schlechtes Durchschlafmittel
• Macht an allen Organen Schäden
• Korrespondiert mit fast allen Medikamenten negativ
• Macht kognitive Schäden • Kann zur Verwahrlosung
führen • Vermehrte Unfälle
Andreas Kutschke 51
Schulungen der Mitarbeiter
• Grundlagen Alkohol / Abhängigkeit
• Biografie / Alkoholabhängigkeit
• Gesundheitliche Fragen
• Psychische Auswirkungen
• Verhalten gegenüber den Bewohnern
• Supervision
Andreas Kutschke 52
Zuhause wird mehr getrunken als im Heim
• In Heimen konsumierten 72,4 % der Bewohner keinen Alkohol, in Privathaushalten hingegen waren es 39,4 %. Ein Drittel der Probanden aus den Privathaushalten gab an, mehrmals wöchentlich oder täglich Alkohol zu trinken.
(Aurich et al. 2001)
Ein großer Teil der Betroffenen wird nicht diagnostiziert, obwohl es eine engmaschige Überwachung gibt
53 Andreas Kutschke
Andreas Kutschke 54
Patient/Bewohner (Benzodiazepine)
Beziehung zum Betroffenen herstellen und halten
Risiken erkennen und abwenden
Gemeinsame Erkenntnis über die Wirkung und
Notwenigkeit der Medikamente
Kontakt mit dem/den Ärzten, Absprachen und
Strategien überprüfen
Alternativen überprüfen in Bezug auf Ursachen und
Wirkungen
Benzodiazepin verringern oder stabilisieren
Selbstpflege und Abstinenz
Förderung der Änderungsbereitschaft
• Verringerung der Trinkmenge
• 2 alkoholfreie Tage pro Woche
• Keine Vorratshaltung
• Alkoholfreie Getränke zum Durstlöschen
• Kein Alkohol auf nüchternen Magen
• Kein Alkohol vor 17. Uhr
Andreas Kutschke 55
Gründe für Benzodiazepinabhängigkeit im Alter
• Nicht reflektierte Verordnung durch Ärzte
• Pflegerische Anforderung / Angehörige
• Schmerzen, Schlaf- und Angststörungen
• Unkenntnis über die Gefahren einer Abhängigkeit
• „Medikamente müssen gut für den Körper sein“ “das hat doch der Arzt verordnet“
• Wenig Angebote von Alternativen
• Hat die Suchthilfe alte BZD abhängige Damen im Blick?
Andreas Kutschke 56
Folgen einer längeren BZD Einnahme
• Hang-over-Sedierung und Medikamenten-Akkumulation
• Abhängigkeit bei normaler Dosierung, (Low Dose Abhängigkeit)
• Obstipation / Inkontinenz / Blutdruckabfall
• Stürze und Schluckstörungen
• Eingeschränkte Kritikfähigkeit und Reizbarkeit
• Gedächtnisstörungen
Andreas Kutschke 58
Benzodiazepinabhängigkeit wahrnehmen
• Assessment verwenden
• Lippstädter Benzodiazepincheck
• Benzodiazepinselbstauskunft Bogen
• Verhalten wahrnehmen
• Verordnungsdauer überprüfen
• Entzugssymptome bei Absetzen
• Mit den Betroffenen sprechen / die Suchthilfe hinzuziehen
Andreas Kutschke 60
Substanzen/Handelsnamen
Clonazepam (Rivotril®, Antepilepsin®)
Chlordiazepoxid (Librium®, Radepur®)
Diazepam (Valium®, Valiquid®, Faustan®)
Flunitrazepam (Fluninoc®, Rohypnol®)
Flurazepam (Dalmadorm®, Staurodorm®)
Lorazepam (Laubel®, Tavor®)
Oxazepam (Adumbran®, Praxiten®)
Zolpidem (Stilnox®, Bikalm®)
Zopiclon (Ximovan®, Sonmosan®)
Halbwertzeit in Stunden
18 – 50
5 - 30
20 – 100
16 – 35
40 – 250
10 – 24
4 – 15
1,5 – 4,5
5 - 6
(Voss 2011, Bernhard 2009, Laux, Dietmaier et al. 2002)
Andreas Kutschke 62
Überlegungen im Umgang mit BZD abhängigen Bewohnern
• Nicht besserwisserisch über BZD aufklären
• Über stationäre Entzugs- und Entwöhnungstherapien aufklären
• Auf Ängste, den Anforderungen einer Therapie nicht gewachsen zu sein, eingehen
• nicht Stigmatisieren
• Alternativen anbieten
• Multiprofessionelles Team beispielsweise in der Fallbesprechung nutzen
Andreas Kutschke 63
Hypnotika: Grundregeln
• Toleranzentwicklung nach 3-4 Wochen
• Keine längerfristige regemäßige tägliche Gabe,
• Alternativ: – Quotengeregelte Bedarfstherapie (max. 10 TD in 3
Wochen)
– Wochenintervalltherapie (2-4 Wo. Dann 2-4 Wo Hypnotika-freies Intervall)
– Tagesintervalltherapie (5 von 7 Tagen pro Woche)
– Kontrollierte Bedarfsintervalltherapie (prospektive Festlegung von max. 3-4 Einnahmen pro Woche)
(Pollmächer T. Wetter TC: Schlafstörungen. In Hoelsboer F, Gründer G., Benkert O (Hrsg.)Handbuch der Psychopharmakatherapie, Springer 2012)
Andreas Kutschke 64
Einige fachliche Kompetenzen die bei Alkohol und BZD benötigt werden • Verschiedene Assessments • Motivierende Gesprächsführung (Miller, Rollnick
2005)
• Kurzinterventionen • Stages of Change • Serial Trial Intervention • (ethische) Fallbesprechungen • Kollegiale Beratung • Niedrigschwellige Angebote • Umgang mit Ablehnung und Aggression
Andreas Kutschke 65
Weitere Wahrnehmungen von Pflegenden
• «Meines Erachtens ist das Bewusstsein, dass auch Medikamente wie Benzodiazepine Sucht auslösen können, nur wenig ausgeprägt» so eine Befragte
• Medikamente werden nur sehr unregelmäßig auf ihre Notwendigkeit überprüft (von 1x monatlich bis gar nicht)
• Oft wissen die KollegInnen gar nicht, das BZD gegeben werden, die Antworten lagen in den gleichen Wohnbereichen zwischen 5 – 70 % (bei Fachkräften)
Andreas Kutschke 66