Vorlesung Einführung in die sozialwissenschaftliche Bildungsforschung
WS 2013/2014
Prof. Heiner Barz
eLearning – Forschung, Praxis, Potential
Überblick
Leitfrage: Was ist gute Lehre?
Evidenzbasierte Lehre: Einflussfaktoren, Ermittlung, Ergebnisse
eLearning: Entwicklung, Forschung, Fazit
eLearning in Unternehmen: Praxisbeispiele
Blended Learning: Die Mischung macht„s
eLearning in der wissenschaftlichen Weiterbildung: Praxisbeispiele - die Zweite
Tools: Typische Werkzeuge im eLearning
Barrieren: Erkennen und überwinden!
Potential: Das kann eLearning!
Ausgangsfrage:
Was ist gute Lehre?
Fallbeispiel Hochschulen in Deutschland:
In der deutschen Hochschullandschaft rückte die Frage nach der
„guten Lehre“ mit den steigenden Studierendenzahlen in den 60er
Jahren in den Vordergrund.
Normative Lehransätze:
70er Jahre: „Forschendes Lernen, wissenschaftliches Prüfen“
Seit 90er Jahren: „Shift from Teaching to Learning”
Jedoch kaum empirische Überprüfung der Ansätze!
(vgl .auch Lüthje 2007, S. 15-45)
Theoretischer Hintergrund:
Lerntheorien
Behavioristische Ansätze
Lernen als Reiz-Reaktionsschema
„Innere Vorgänge“ im Lernenden werden (z.T. bewusst) außen
vor gelassen
Klassische Vertreter: John B. Watson, Burrhus F. Skinner
Kognitive Ansätze
Denkprozesse des Lernenden stehen im Vordergrund
Lernen als wechselseitiger Prozess von Akkommodation und
Assimilation
Klassische Vertreter: u.a. Jerome S. Bruner, David Ausubel
(Ursprung bei Jean Piaget)
Tipp zu Infos im Netz: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at
Einflüsse auf den Lernerfolg
Viele unterschiedliche Einflussvariablen!
Grundlegend lassen sich folgende Kategorien
unterscheiden:
Einflüsse des Lehrers/der Lehrerin
Einflüsse des Schülers/der Schülerin
Umwelteinflüsse (z.B. Schulpolitik, soziales Umfeld)
Lehrevaluationen (Befragungen)
Seit den 90er Jahren:
Ausbau der Evaluation von Veranstaltungen und
Studiengängen
Wichtiger Ansatz! Liefert allerdings nur subjektive Einschätzungen!
Der Lernerfolg selbst wird nicht gemessen
Der subjektiver Lernerfolg muss nicht dem objektiven
Lernerfolg entsprechen!
Messung des Lernerfolgs(externe Bewertung)
Mögliche Messverfahren, z.B.
Tests mit automatischer Auswertung(z.B. Multiple-Choice-Tests)
Tests, Prüfungen mit persönlicher Auswertung(z.B. offene Fragen, Hausarbeiten etc.)
Beobachtungen / Experimente (z.B. Auswertung der Kommunikation oder Zusammenarbeit
im Seminar)
Meta-Studien
In den USA liegen eine Vielzahl von Einzelstudien zu
den Einflussfaktoren auf das Lernergebnis vor
Hintergrund u.a.: Negative Ergebnisse internationaler
Schulleistungsstudien!
Ergebnisse wurden in Meta-Studien zusammengefasst
Ergebnisse von Meta-Studien
(Zusammenführung der Ergebnisse von 5 Metastudien nach Winteler/Foster 2007, eigene Darstellung)
Rang Einflussfaktor Einfluss durch Effektstärke
1 Prior knowledge Student 1,43
2 Identifying similarities and differences Teacher 1,32
3 Wait time Teacher 1,27
4 Cues Teacher 1,19
5 Experimental inquiry Teacher 1,14
6 Reinforcement Teacher 1,05
7 Corrective Feedback Teacher 1,00
8 Explanatory graphics Teacher 1,00
9 Summarizing and note taking Teacher 0,99
10 Students cognitive ability Student 0,98
11 Goal specification Teacher 0,97
12 Engagement Teacher 0,88
13 Opportunity to learn School policy 0,88
14 Homework with teacher comments Teacher 0,83
Zwischenfazit
Die Lehrenden übern durch ihre individuelle Gestaltung
des Unterrichts den zentralen Einfluss auf den Erfolg der
Lernenden aus!
eLearning?
Agostino Ramellis
Bücherrad
16. Jahrhundert
Umsetzung unklar
eLearning (Ende des 20. Jahrhunderts)
eLearning kann Lehre
verbessern!(Hoffnung der 1960-1990er Jahre)
USA: Förderprogramme bereits
seit den 1960er Jahren frühe Verbreitung
Beispiel PLATO: 1977 bereits
1100 Terminals
Foto: The Johns Hopkins University, Baltimore, Maryland PLATO V terminal showing RankTrek application" Image from April 1981 Quelle: Wikimedia Commons: http://en.wikipedia.org/wiki/File:Platovterm1981.jpg
Kann eLearning die Lehre verbessern? Exkurs:
Kognitive Effizienz von Medien
Hypothese von Tom Cobb (1997):
Medien in spezifischen Anwendungsfällen
unterschiedlich kognitiv effizient!
Beispiel: arabisches vs. römisches Zahlensystem
Meta-Studien speziell zu eLearning
Allenfalls geringe positive Effekte
In der Regel aber auch keine negativen Auswirkungen!
Allerdings wird auch Kritik an den Studien geäußert:
In vielen Studien werden externe Variablen nicht kontrolliert.
Die meisten Studien basieren nicht auf einer Zufallsauswahl der
TeilnehmerInnen.
Validität und Reliabilität der Instrumente sind fragwürdig, da in
den meisten Studien entsprechende Informationen fehlen.
Viele Studien bieten keine adäquate Kontrolle von Gefühlen und
Einstellungen der TeilnehmerInnen.
(Phipps/Merisotis 1999, S. 3f.)
Fazit
Pauschale Vorbehalte gegenüber neuen Medien und
Technologien wie eLearning scheinen unbegründet
Fazit: Nicht das Mediensystem, sondern das
didaktische Konzept ist ausschlaggebend!In der Praxis rücken Qualität und Konzeption rücken in den
Vordergrund
Forschung zur Einbettung von Medien in didaktische
Konzepte ist allerdings stark ausbaufähig!
eLearning in Unternehmen
Praxisbeispiele
Robert Bosch GmbH: www.powertool-portal.com
Zielgruppe: Verkäufer, Kunden
visuell
ansprechend /
aufwändig
eLearning in Unternehmen
Praxisbeispiele
EPSON Deutschland GmbH: www.training.epson.de
Zielgruppe: Verkäufer, Distributoren, Kunden
visuell
ansprechend /
aufwändig
animiert
Ein weiteres Beispiel: http://www.powertool-
portal.com/content.aspx#2.7.0.0.17843
eLearning in Unternehmen
Praxisbeispiele
Siemens AG: http://www.knowhow-elearning.de/showroom/industry_LP_demo/menu/menu.htm (Demo)
Zielgruppe: Mitarbeiter
visuell
ansprechend /
aufwändig
animiert
interaktiv
MMB 2010
visuell
ansprechend /
aufwändig
animiert
interaktiv
hoch virtuell
eLearning in Unternehmen
Aktuell genutzte Tools / Formen
eLearning in Unternehmen
Trends
Michel 2010 (MMB-Trendmonitor)
visuell
ansprechend /
aufwändig
animiert
interaktiv
hoch virtuell
aber: Trend zum
Blended
Learning
Übrigens: 55% der Großunternehmen setzen eLearning
systematisch ein. In KMU ist es wenig verbreitet.
Die Mischung machts: Blended Learning
Herkömmliche
Lehrveranstaltung
Veranstaltungen mit begleitendem
eLearning Anteil
eLearning Angebote mit begleitenden
Präsenzveranstaltungen
Klassische Präsenzveranstaltung
Gleichwertige Kombination von
Präsenzveranstaltung und eLearning
Webbasierte
LernumgebungVollständig virtualisierte Veranstaltung
Blended
Learning
Blended
Learning
eLearning in Hochschule:
Typische Angebote
E-Mail (Schwerpunkt Organisation),
seltener via Foren
Klassische Lernmaterialien (z.B. Studienbriefe) online
Kleimann / Özkilic / Göcks 2008
eLearning in der wiss. Weiterbildung:
Einführungskurs eLearning, HHUD
Online-PhasePräsenz-
sitzung
Präsenz-
sitzung
Wissenserwerb,
SozialisationWissenserwerb
Anwendung,
Übung
Reflexion,
Wissenserwerb,
Übung
vgl auch Bremer o.J., 2
4 Std. 4 Std.12 Std. (verteilt auf 4 Wochen)
i.d.R. Gruppenarbeit
eLearning in der wiss. Weiterbildung:
Donau-Universität Krems
Beispielhaftes Modul im Master of Arts in Higher Education:
Donau-Universität Krems (Department für Interaktive Medien und Bildungstechnologien)
http://www.donau-uni.ac.at/de/studium/masterhighereducation/14862/index.php
Vorwissen aktivieren,
theoretische
Grundlagen
schaffen
Nachbereitung Präsenz als
Einzel- oder Gruppenarbeit,
Ziel: Wissen anwenden
Nachbereitung,
Evaluation,
Abschluss-
beurteilung
Basiswissen
erweitern: z.B.
Gruppenarbeiten,
Diskussionen
Präsentation,
Diskussion
Tools, Tools, Tools:
Typische Werkzeuge im eLearning
o Weblogs
o Etherpads
o Wikis
o E-Mail
o Chats, Foren
o Virtuelles Klassenzimmer
o Selbsttests
o Onlineübungen
o Lernspiele
o Lehrtexte, Podcasts, Videos
o Videolectures, Screencasts
o Animationen
o Simulationen
Üb
un
gK
oll
ab
ora
tio
n &
Re
fle
xio
n
K o m m u n i k a t i o n
R e z e p t i o n
Barrieren
Kosten / Aufwand
Insbesondere: Produktion, Technik
Abhängig von dem Grad der Medialität – Fachunterschiede!
Neue Editorentools vereinfachen jedoch die Produktion
Fehlende technische Voraussetzungen
Fehlende eLearning-Kompetenzbei Lehrenden und Studierenden
Fehlende Supportstrukturen (technisch und didaktisch)
Potential:
Das kann eLearning
Kostenersparnis auf Seiten der Anbieter (?)
Keine generellen Effekte durch Medieneinsatz
Größere zeitliche und räumliche Unabhängigkeit(im Vergleich zu Präsenz)
Vereinfachung von Kommunikation und Organisation
Höhere Lernwirksamkeit durch neue Medien (?)
Nicht generell, jedoch erweitertes Methodenrepertoire!
Neue Möglichkeiten für selbstgesteuertes Lernen
Neue Möglichkeiten für konstruktivistische Lernformen (insbes. solche, die auf Kommunikation/Kollaboration angewiesen sind)
vgl. auch Bremer o.J., 2; Akademie für Führungskräfte 2007
Potential:
Das kann eLearning noch
Kooperationsmöglichkeiten (hochschulübergreifend)
Trojanisches Pferd für die Hochschuldidaktik (Mandl)
vgl. auch Bremer o.J., 2; Akademie für Führungskräfte 2007
Literatur / Quellen
Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft (2007): Lernen - managen - Führen: Wie bilden sich deutsche Manager weiter? Onlinequelle
Bremer, Claudia (o. J., 1): Überblick über die Szenarien netzbasierten Lehrens und Lernens. Onlinequelle
Bremer, Claudia (o. J., 2): Mehrwerte des Einsatzes neuer Medien in der Hochschullehre. Onlinequelle
Dittler, Ulrich; Jechle, Thomas (2008): E-Learning in der Aus-und Weiterbildung. In: Issing, Ludwig J.; Klimsa, Paul (Hrsg.): Online-Lernen. Handbuch für Wissenschaft und Praxis. München.
Kerres, Michael / Gorhan, Elke: Status und Potentiale multimedialer und telemedialer Lernangebote in der betrieblichen Weiterbildung. In: QEUM (Hrsg.): Kompetenzentwicklung. Bd. 4. Münster 1999.
Kleimann, Bernd; Özkilic, Murat; Göcks, Marc (2008): Studieren im Web 2.0. Studienbezogene Web‐und E‐Learning‐Dienste. HISBUS‐Kurzinformation Nr. 21. HIS: Projektbericht. Hannover.
Lüthje, Jürgen (2007): Von der Hochschuldidaktik zur Qualitätsentwicklung. In: Merkt, Marianne / Mayrberger, Kerstin: Die Qualität akademischer Lehre. Zur Interdependenz von Hochschuldidaktik und Hochschulentwicklung, Innsbruck 2007.
Literatur / Quellen
MBB: Telefonische Befragung zum Einsatz von eLearning in deutschen Großunternehmen. Schlussbericht zur Studie (2010). Onlinequelle
Michel, Lutz P. (2011): MMB-Trendmontior II/2011: Weiterbildung und Digitales Lernen heute und in drei Jahren. Mobile und vernetzte Szenarien im Aufwind. Onlinequelle
Phipps, Ronald; Merisotis, Jamie (1999): What's the Difference? A Review of Contemporary Research on the Effectiveness of Distance Learning in Higher Education. A Report from The Institute for Higher Education Policy.
Winteler, Adi; Forster, Peter (2007): Wer sagt, was gute Lehre ist? EvidenzbasiertesLehren und Lernen. In: Das Hochschulwesen. Forum für Hochschulforschung, -praxis und –politik. Jg. 55, Heft 4. S. 102-109.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
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