Risikomanagement als Kernaufgabe Erfahrungen als Ex-Regulator, Berater und Bankverwaltungsrat Forum Finanzmarktregulierung, Universität Zürich, RWI 15. März 2016
Daniel Zuberbühler Ex-Regulator
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Übersicht
1. Aufseher bei EBK & FINMA • Aufsichtspraxis durch Leitentscheide • Regulierung • Internationales Standard-Setting • Krisenmanagement • Fazit
2. Berater bei KPMG • Bürokratie nicht nur beim Staat • Regulatory Education & Entertainment 3. Bankverwaltungsrat • Spannungsfeld Risiko / Ertrag • Verhältnis zur Aufsicht
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Quantensprung der Aufsichtsressourcen
Eidg. Bankenkommission EBK • Sekretariat bis 1975 10 FTE, wovon 5 Kanzlistinnen • Ausbau bis 2008 auf ca. 170 FTE; Bsp. Grossbankenaufsicht • Unabhängige Aufsicht über Banken, Anlagefonds,
Pfandbriefwesen, Börsen & Effektenhändler (ab 1995) • EFD administrativ zugeordnet: Teil der Bundesverwaltung
(Finanzen, Personalrecht, Organisation) - Zentralbürokratie Eidg. Finanzmarktaufsichtsbehörde FINMA • 2009 Fusion EBK, BPV, Kst. Gw.: ca. 300 FTE 500 FTE • Integrierte Aufsicht: + Versicherungen, GwG-Intermediäre • Selbständige Anstalt mit Ressourcenautonomie
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Aufsichtspraxis durch Leitentscheide
Leitmotiv Bernhard Müller: Was könnte der Gesetzgeber heute vernünftigerweise gewollt haben? • Gesetzeszweck, wirtschaftliche Betrachtungsweise • Rahmengesetze mit grossem technischem Ermessen: Grenzen
ausreizen / Bundesgericht als einzige Instanz • Verfahrensführung: Sachverhaltsermittlung, Konzentration auf
Wesentliches, Parteirechte beachten, ohne Trölerei • Publikation in EBK-Bulletin & Jahresbericht Bsp. Gewährspraxis: Entwicklung von Verhaltensregeln • KYC, Abklärung wirtschaftlicher Hintergründe • Potentaten-Gelder (PEPs): Paradigmawechsel Marcos • Geldwäscherei-Prävention vor GwG / Verbot Insidertransaktionen &
Kursschnitte vor StGB
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Regulierung von Risiken
Gesetzgeber nicht ohne Not anrufen: Politik unberechenbar • Abbruch Totalrevision BankG nach Abfuhr SP-Bankeninitiative • Koalition mit Bankiervereinigung zur Rettung Eurolex oder für
internationale Amtshilfe im BEHG / Nur noch Teil-Revisionen Rahmengesetze erlauben Anpassung an wirtschaftliche Entwicklung auf Stufe Verordnung und Rundschreiben • Eigenmittelregeln in Art 4 BankG seit 1935 kaum verändert –
Umsetzung Basel I, 1.5 und II in BankV / ERV / Rundschreiben • Verordnung, RS & Leitentscheide als Vorläufer späterer Gesetze:
BGE i.S. CS Holding für faktischen Beistandszwang; EBK-Geldwäscherei-Richtlinien für GwG
Selbstregulierung unter behördlicher Aufsicht Internationale Standards als Regulierungstreiber
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International Financial Architecture
G-20
IOSCO International
Organization of Securities Commissions
BCBS Basel Committee on Banking Supervision
Financial Stability Board FSB
International Monetary Fund
IASB International Accounting
Standards Board
FASB (US) Financial
Accounting Standards Board
FATF Financial Action Task
Force on Money Laundering
World Bank
IAIS International
Association of Insurance Supervisors
Joint Forum
Bank for International
Settlements BIS
OECD
EU GHOS
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Basel Committee membership
From 1975: G 10 plus •Belgium •Canada •France •Germany •Italy •Japan •Luxemburg •Netherlands •Spain (2001) •Sweden •Switzerland •United Kingdom •United States •Observers: EU Comm., FSI, IMF
From 2009: G 20 plus •Argentina •Australia •Brazil •China •Hong Kong SAR •India •Indonesia •Korea •Mexico •Russia •Saudi Arabia •Singapore •South Africa •Turkey
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Internationale Standard-Setzung – Praktische Erfahrungen 1/2
• Teilnehmen: les absents ont toujours tort! • Do your homework first
• Eigene Regulierung & Praxis: Expertise & Vorbildfunktion • Vorbereitung: Stock-taking / Lektüre – interne Abstimmung
– Zielsetzung – Identifikation potentieller Verbündeter / Gegner – Stichworte für mündl. Intervention (selten: schriftl. Eingabe) – Abstimmung mit Vorsitz / Sekr. des Gremiums
• Internationale Sitzungen • Teilnehmer-Liste (Vornamen & Institution) merken • Wortmeldung: klare Stellungnahme / Anträge / Fragen –
Eingehen auf andere Voten – kollegiale Direktheit mit Humor geschätzt
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Internationale Standard-Setzung – Praktische Erfahrungen 2/2
• Abstimmungen: häufiger trotz Einstimmigkeitsprinzip; Eskalation durch Unterlegene / Fussnoten
• Networking: Pausen, gemeinsame Essen, Bar, Carfahrt, Ausflüge (Small talk, Sitzungsgeschäfte, Praxis, Bilaterales)
• Medienmitteilungen: harzige Wortklauberei, aber Referenz • Telefon-/Videokonferenz: Orientierung / Vorsondierung –
ungeeignet für kontroverse Entscheide / zu wenig Leidensdruck
• Berichterstattung: Heimbasis orientieren, einbinden • Real-time aus Sitzung für Koordination in anderen Gremien • Aktennotiz mit Hintergrundinformation
• Nationale Umsetzung / internationale Kontrolle (peer review) • Internationale Ausbildung, Outreach, Konferenzen: Referate,
Panels – good citizen & PR für eigene Institution / CH
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Krisenmanagement
• 1977 Chiasso SKA / Texon VSB / SP-Bankeninitiative • 1H90er CH Immobilienkrise: Spar- & Leihkasse Thun –
Flächenbrand Regionalbanken, Kantonalbanken (BE, SO, AR, VD,GE) Schweizerische Volksbank – Strafverfahren / Zivilklagen – CHF 60 Mia. Verluste systematisches Kreditrisiko-Management
• 2H90er Nachrichtenlose Vermögen von Nazi-Opfern / USA • 1998 Schwellenländer-Krise + LTCM (UBS CHF 1 Mia.) / 2002
Dot.com-Crash (CS CHF 3.3 Mia. Reinverlust) • 2007-9 Subprime Finanzkrise / TBTF / UBS-Rettung (2x)
• Krisenerkennung: niemand sieht gut aus • Vorbereitung: konzeptionell gut / Umsetzung mit CH-Präzision • Never miss a good crisis: rasche, radikale Re-Regulierung
bevor Banker und Politiker vergessen / Nachbesserung
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Fazit nach 35½ Jahren als Regulator: schöner Job
• Aktive Mitgestaltung von Regulierung und Praxis des beaufsichtigten Finanzmarktes, national & international
• Institutional Governance: Verantwortung tragbar dank Entscheiden in Kollegialbehörde und guten Mitarbeitenden
• Offener Dialog mit Finanzbranche und korrekte Behandlung betroffener Beaufsichtigter: sophistizierte Kundschaft
• Im Brennpunkt der Medien: Emotionsbewirtschaftung trifft neben skandalanfälliger Branche auch deren Aufseher – Gratwanderung öffentlicher Informationsanspruch / Rechenschaftsablage vs. Stabilität / Persönlichkeitsschutz
• Überregulierung auch für Aufseher unverdaulich – Differenzierungsgebot
• Rascher Wandel & Krisenmanagement: immer spannend
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Prüf- und Beratungsgesellschaft
• Dualistisches Aufsichtssystem: Prüfgesellschaften als verlängerter Arm der Aufsicht
• Beaufsichtigte von RAB, FINMA, PCAOB: Erfahrung als Regulierungsopfer • On-line Tests zu Independence, Compliance etc. • Verbot eigener Aktien an Prüfkunden / globale Meldung • Bürokratisches Verfahren zur Mandatsannahme / time-sheet
• Regulatory Education & Entertainment • Regulierung erklären: was kommt, wie setzt man es um? • Angemessenes Bewilligungskleid / Aufsichtsstatus? • Wie tickt Aufsichtsbehörde und wie geht man mit ihr um? • Öffentliche Statements: Zurückhaltung geg. Kunden, weniger
Hemmungen geg. Politik und Regulierung • Meine bezahlten Mandate: Kein Konflikt mit Aufsichtsethik –
Grösstes Mandat: Beratung Aufsicht in Vietnam für SECO
BPS (Suisse) VR: 5 Personen Keine Ausschüsse 7 Sitzungen + Zirkularb. Kredite > CHF 5 Mio. Casa Madre POPSO.it Überregionale Bank 330 Filialen in Italien BS: 35.5 Mia. € Aufsicht EZB: SSM
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VR-Erfahrungen 1/3
• VR: Organ für Oberleitung, Aufsicht und Kontrolle • Ex-Aufseher prädestiniert für Risk Committee oder Audit C. • Ausschuss-Vorsitz: Doppelter Arbeitsaufwand, da erste
Verantwortung für Agenda (Prioritäten, Vollständigkeit, Entscheidunterlagen, Fristen, Fragen vor Sitzung), Sitzungs-Leitung, Beschlussfassung, Protokoll-Kontrolle (Rechenschaft, Nachvollziehbarkeit durch Dritte, CYA), Information Gesamt-VR, Pendenzen-Kontrolle
• Kreditbeschlüsse: anfänglich mulmiges Gefühl, v.a. bei Zirkularweg – bei Unklarheiten Telefon-Konferenz
• Altlasten ständiger Begleiter, v.a. im Private Banking
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VR-Erfahrungen 2/3
• Spannungsverhältnis Risiko – Ertrag • Häufige Kontroverse um richtigen Ausgleich zwischen
Risikominderung vs. Geschäftschancen / Kundenwunsch
• Checks & balances: VR muss Management herausfordern, kritisch hinterfragen, ev. disziplinierende Rückweisung, Gegenvorschläge für Kompromisse, konstruktive Zusammenarbeit
• Behördliche Aufsicht einfacher: Profitabilität Sache der Bank; chronisch unrentable Banken: Steuerung durch Eigenmittelanforderungen und letztlich Bewilligungsentzug.
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VR-Erfahrungen 3/3
• Verhältnis zur Aufsicht aus meiner Bankenperspektive • FINMA macht guten Job: genügend streng, ohne
unverhältnismässige Härte
• Eigenmittelzuschläge Säule 2: wirksame Begrenzung ohne Publizität
• Jährlicher Assessment Letter mit klaren Erwartungen und Aufsichts-Rating (nicht öffentlich)
• Zeitnahes Reporting über Sonderprobleme mit Nachkontrolle durch Prüfgesellschaft
• Gezielte on-site supervisory reviews mit feed-back
• Anständiger, professioneller Umgangston
Daniel Zuberbühler Fürsprecher Sonnenbergstrasse 3 3013 Bern Mobil: +41 78 710 48 74 [email protected]
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