Plagiatskompass

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  • Plagiats- und Tuschungskompass | 1

    Der kleine Plagiats- unD tuschungs-komPass Umgang mit Tuschungen und Plagiaten an der THM

    1. Auflage/Mai 2013Foto: Fotolia

    UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES

  • | Plagiats- und Tuschungskompass2

    Umgang mit Tuschungen und Plagiaten

    Fotos: Till Schrmann

  • Plagiats- und Tuschungskompass | 3

    Vorwort Sehr geehrte Hochschulmitglieder,

    Studierende schreiben sich an der Technischen Hochschule Mittel-hessen unter anderem mit der Erwartung ein, in ihrem jeweiligen Studiengebiet auf einem Niveau ausgebildet zu werden, welches den sehr hohen Anforderungen seitens der Wirtschaft, der Gesell-schaft und des persnlichen Umfeldes gengt. Damit diese Erwar-tungen weitestgehend erfllt werden knnen, versucht die THM gemeinsam mit ihren Studierenden fachliche Kenntnisse, techni-sche und methodische Fertigkeiten und arbeits-, personenbezo-gene- sowie soziale Fhigkeiten zu entwickeln. Die Erreichung der einzelnen Entwicklungsschritte wird jeweils durch entsprechende Leistungsnachweise, die von den Studierenden erbracht werden, dokumentiert.

    Es ist immer wieder zu beobachten, dass bei der Erbringung von Leistungsnachweisen in unterschiedlichster Weise nicht erlaubte Hilfsmittel eingesetzt werden oder versucht wird, ber den wahren Leistungsstand hinweg-zutuschen. Dass dies kein Thema nur der Technischen Hochschule Mittelhessen ist, sieht man an den in jngerer Zeit verffentlichten Nachweisen von entsprechenden Plagiatsversuchen und in der ffentlichen Diskussion. In dieser Diskussion werden zwei wesentliche Aspekte von Plagiats- und Tuschungsversuchen im Bereich des Leistungsnachweises in der Aus- und Weiterbildung selten oder nicht benannt:

    Durch die Versuche, die Ergebnisse von Leistungsnachweisen in unerlaubter Weise in positiver Hinsicht zu beeinflussen, werden insbesondere Studierende benachteiligt, die sich im Vorfeld von Prfungen bzw. anderen Leistungsnachweisen intensiv mit der entsprechenden Materie auseinandersetzen, um nur unter Zuhilfe-nahme von erlaubten Hilfsmitteln die Leistungsnachweise zu erbringen.

    Der Einsatz unerlaubter Hilfsmittel bei der Erstellung von Leistungsnachweisen bzw. der Durchfhrung von Prfungen erweist sich mittelfristig bei der eigenen Karriereentwicklung als kontraproduktiv. Lerneffekte, die entsprechend verringert oder verhindert werden bzw. nicht dokumentiert werden knnen, werden evtl. im spteren Berufsleben bentigt, sind allerdings auf Grund der fehlenden Auseinandersetzungen mit dem jewei-ligen Thema nicht vorhanden.

    Die vorliegende Broschre mchte einen berblick ber den Umgang mit Tuschungen und Plagiaten an der THM geben. Auch wenn der Titel der Broschre Der Kleine Plagiats- und Tuschungskompass Hilfestellung bei der Verwendung unerlaubter Hilfsmittel suggerieren mag, so verbirgt sich hinter diesem bewusst ironisch gewhlten Titel eine Sammlung von Informationen, in welchen rechtlichen Rahmen die Verwendung unerlaubter Hilfsmittel einzubinden ist, welche Konsequenzen sich bei deren Verwendung ergeben und welche Hilfestellun-gen es gibt, diese unerlaubten Hilfsmittel zu vermeiden. Der Kleine Plagiats- und Tuschungskompass soll Leit-faden und praktische Arbeits- und Entscheidungshilfe sein.

    Ein Ziel der THM ist es, alle Studierenden in ihrem Bestreben zu untersttzen, ihr Studium durch eigenstndige Leistungen auf einem mglichst hohen Niveau zu absolvieren. Hierdurch soll erreicht werden, dass THM Studie-rende auf ihren Abschluss und die selbst erbrachten Leistungen stolz sein knnen und damit fr ihre berufliche Entwicklunge eine hervorragende Ausgangsposition einnehmen knnen.

    Prof. Dr. Klaus Behler- Vizeprsident -

    Prof. Dr. Klaus Behler, Foto: Dr. Armin Eikenberg

  • | Plagiats- und Tuschungskompass4

    umgang mit tuschung unD Plagiaten an Der thm

    Fairuse Wer kopiert verliert ber Verbreitung und Ursachen von Plagiaten ......................................................................................... 6

    Tuschungsversuche erkennen, aufdecken und beweisen ....................................................................................................................... 9

    Sanktionsmglichkeiten an der THM ......................................................................................................................................................... 12

    Exkurs: Wie wird an auslndischen Hochschulen sanktioniert? ............................................................................................................... 16

    Wenn Der stuDierenDe tuscht unD Plagiiert Professorensicht

    Plagiate Zum Umgang mit Plagiaten am Fachbereich WIRTSCHAFT .................................................................................................... 18

    Tuschung Tuschungshandlungen in schriftlichen Prfungen/Klassiker und aktuelle Beispiele aus der Praxis .............................. 20

    abschreiben, Plagiieren, zitieren Was ist noch erlaubt?

    Rechtspraktische berlegungen zum Umgang mit Tuschungen und ihren Folgen ............................................................................... 26

    THM Talk Studierende und Prfungsamt im Gesprch .......................................................................................................................... 34

    PlagiatssuchsoftWare

    Plagiatssuchsoftware im Anwendertest Seminarbesuch bei Prof. Dr. Debora Weber-Wulff ................................................................. 40

    Datenschutzrechtliche Aspekte bei der web-basierten Plagiatskontrolle ................................................................................................ 42

    gefahr erkannt gefahr gebannt?

    Mglichkeiten der Prvention ..................................................................................................................................................................... 46

    Exkurs zu Literaturverwaltungsprogrammen als Prventionsmglichkeit bei Plagiaten ..................................................................... 47

    nachklang ... ......................................................................................................................................................................................... 53

    inhalt

  • Plagiats- und Tuschungskompass | 5

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Studierende,sehr geehrte Damen und Herren,

    aller guten Dinge sind drei. Neben dem Leitfaden fr Prfungsord-nungen und dem Prfungsratgeber aus unserer Kleinen Reihe knnen wir jetzt die 1. Auflage des Kleinen Plagiats- und Tu-schungskompass anbieten.

    Wie fr unsere Kleine Reihe typisch, haben wir auch dieses Mal zunchst in einer Infoveranstaltung zum Thema informiert. Kompe-tent untersttzt wurden wir dabei von den Referenten Marco Gisse (Justiziar), Hajo Koeppen (Leitung Referat fr Hochschulpolitische Angelegenheiten), Prof. Dr. Pia Robinson (WIRTSCHAFT/ZDH), Prof. Dr. Knut Thielen (WI/ZDH), Karina Lubig und Stefan Mallmann (Bibliothek). Zusammen haben wir Interessierten aus der Lehre einen berblick zu folgenden Themen gegeben:

    Abschreiben, plagiieren, zitieren was ist noch erlaubt? Was bringt der THM eine Plagiatssuchsoftware? Wie knnen Vorbereitungsphase und Prfungssituation an der

    THM gestaltet werden, damit es erst gar nicht zum Tuschen und Plagiieren kommt?

    Wenn der Studierende tuscht und plagiiert Professorensicht

    Diese Informationen haben wir mitgenommen und in unserem Kompass fr Sie zum Nachlesen dargestellt. Unser Kompass soll zum einen eine praktische Arbeits- und Entscheidungshilfe sein und zum anderen ein Leit-faden im Umgang mit Tuschungen und Plagiaten an der THM.

    Den Referenten herzlichen Dank fr die kurzweilige und informative Koproduktion sowie ihre Gastbeitrge fr unseren Kompass! Ebenfalls bedanken mchten wir uns bei Sebastian Sattler, der uns, trotz zahlreicher ander-weitiger Interviewanfragen, spontan einen Gastbeitrag geschrieben hat. Unsere Auslandskorrespondenten Hefei Huangh (China), Sarah Evermann (Australien), Heidy Villanueva (Bolivien) und Robbin Bastian (USA) wollen wir an dieser Stelle auch nicht vergessen, genau wie Carolin, Kristof, Juliane, Alexander, Fokko und Dirk, die sich sofort auf unseren THM-Talk einlieen.

    Gerne nehmen wir Ihre Wnsche und Anregungen fr neue Workshops und Infoveranstaltungen des Prfungs-amts entgegen ([email protected]).

    Herzlichst Ihre

    Ute Bringezu und Alexandra Kunert - Sachgebietsleitung Prfungsamt -

    Referenten v. links: Marco Gisse, Alexandra Kunert, Hajo Koeppen, Prof. Dr. Pia Robinson, Prof. Dr. Knut Thielen, Karina Lubig, Stefan Mallmann, Ute Bringezu, Foto: Marco Gisse

  • | Plagiats- und Tuschungskompass6

    fairuse

    Mit Ablauf des Sommersemesters 2016 wird die THM alle Diplom-studiengnge eingestellt haben. Die Umstellung auf das Bachelor- Mastersystem ist dann komplett abgeschlossen. Unbenotete und grenzenlos wiederholbare Studienleistungen gibt es dann nicht mehr, vielmehr fliet jetzt jede Bewertung mit in die Gesamtnote ein.

    Fr die Studierenden bedeutet dies, dass eine gute Vorbereitungs-phase und entspannte Prfungssituation unabdingbar fr den Studienerfolg sind. Ein mglicher Konkurrenzkampf unter den Studierenden um die beste Abschlussnote als Garant fr hhere Chancen im spteren Jobeinstieg kann eine mgliche Folge sein.

    Bielefelder Soziologen haben im Rahmen der Studie Fehlverhalten und Betrug bei der Erbringung von Studienleistungen: Individuelle und organisatorisch-strukturelle Bedingungen (Fairuse), mehrere tausend zufllig ausgewhlte Studierende aus zufllig ausge-whlten Fchern vier deutscher Universitten befragt.

    Die Studie wurde im Rahmenprogramm zur Frderung der empi-rischen Bildungsforschung vom Bundesministerium fr Bildung und Forschung (BMBF) gefrdert. Das Hauptziel des Projektes war es, die Verbreitung und Ursachen von verschiedenen studen-tischen Fehlverhalten darunter auch Plagiate in Deutschland zu untersuchen und darauf basierend Handlungsempfehlungen zu entwickeln.

    Von 2009 2012 hatte sebastian sattler die Projektleitung fr das bmbf-forschungsprojekt fairuse an der bielefelder fakultt fr soziologie. bereits 2006 wurde er fr seine magisterarbeit mit dem thema: Plagiate in hausarbeiten. erklrungsmodelle mit hilfe der theorie rationalen handelns mit dem Preis fr herausra-gende abschlussarbeiten der Deutschen gesellschaft fr soziolo-gie ausgezeichnet. aktuell ist er als Wissenschaftlicher mitarbeiter am institut fr Psychologie in der abteilung Wirtschaftspsychologie der albert-ludwigs-universitt freiburg ttig.

    Wer kopiert verliert ber Verbreitung und ursachen von Plagiaten

    Plagiate sind in vielerlei Hinsicht ein Problem. Das haben die deutschen Hochschulen und Lehrenden mittlerweile erkannt. Die zahlreichen prominenten Plagiatsaffren waren dabei nicht unwesentlich. Fr einige Beteiligte waren sie schmerzhaft, fr andere alarmierend und lehrreich. Keineswegs ist es so, dass Universitten und Lehrende hierzulande vorher flchendeckend die Augen vor Plagiaten ver-schlossen haben. Plagiatssoftware wird nicht erst seit Guttenberg eingesetzt, Schreibwerksttten zum Erlernen korrekten wissen-schaftlichen Arbeitens nicht erst seit Koch-Mehrin. Jedoch hat man das Gefhl, dass noch nie so viel in den Hochschulen ber Plagiate diskutiert wurde und so viele Initiativen angeschoben wurden, wie in den letzten zwei Jahren. Der Weg dahin war lang. Denn in der

    umgang mit tuschungen unD Plagiaten an Der thm

    Sebastian Sattler, Foto: Simon Eymann

    Damit stellt sich die Frage, ob Tuschen und Plagiieren lega les Doping im Kampf um die beste Note ist oder sein darf.

  • Plagiats- und Tuschungskompass | 7

    umgang mit tuschungen unD Plagiaten an Der thm

    Von links: Ute Bringezu (PA), Alexandra Kunert (PA), Foto: Marco Gisse

    Wissenschaft zhlen vor allem die Anzahl der Publikationen oder die Hhe eingeworbener Forschungsgelder. Die prominenten Plagiats-flle in den Doktorarbeiten von Politikerinnen und Politikern sind nur ein Indiz dafr, das die Ausbildung der Studierenden teilweise ein Schattendasein fristete.

    Durch das Schreiben lernenSchriftliche (Haus-)Arbeiten sind eine wichtige Prfungsform. Durch sie sollen Studierende lernen sich einer wissenschaftlichen Frage-stellung anzunhern, in die Fachliteratur einzutauchen und mit Hilfe dieser und eigener kreativer Gedanken Antworten zu finden. Dabei besteht die Leistung der Studierenden nicht nur aus der Niederschrift der eigenen Gedanken, sondern unter anderem aus der fokussierten Recherche sowie der kritischen Diskussion von Gedanken oder Lsungsanstzen anderer. Erstaunlicherweise haben Studierende teilweise Angst zu viel zu zitieren. Sie frchten, dass der Anteil eige-ner Gedanken zu gering erscheinen knnte. Aber gerade in der Auf-arbeitung von Literatur kann auch eine wichtige Leistung gesehen werden. berblicksartikel ber den Forschungsstand zu einem Thema oder zu einer fachlichen Diskussion sind nicht ohne Grund eine bedeutsame Textform in der Wissenschaft. Diesen Stellenwert von Literaturarbeit und kritischen Einordnungen gilt es den Studie-renden zu vermitteln. Genauso, wie die Tatsache, dass der Ursprung der dargestellter Gedanken nachvollziehbar sein sollte. Die wissen-schaftlichen Grundregeln sind also nicht ohne Grund zu beachten, denn durch korrekte Quellenangaben verweist man auf den Ursprung, die Genese oder Interpretation von Ideen. Nachvollziehbarkeit ist ein wichtiges Kriterium von Wissenschaft.

    Wer plagiiert betrgt sich und anderePlagiieren die Studierenden hingegen, verletzten sie dieses Kriterium. Sie betrgen sich selbst, denn sie verweigern die kritische Auseinan-dersetzung mit Gedanken anderer und die selbststndige Entwicklung von Lsungsanstzen und verzichten damit auf die langfristig ntz- lichen Lerneffekte, fr die sie eigentlich an die Unis gekommen sind bzw. gekommen sein sollten. Um Lernprozesse zu ermglichen inves-tiert die Gesellschaft nicht wenige Ressourcen und erwartet dafr eine Gegenleistung bspw. gut ausgebildete rzte und Ingenieure. Diese Gegenleistung kann durch Plagiate geschmlert werden.

    Plagiatoren schdigen aber nicht nur sich selbst und verschwenden gesellschaftliche Ressourcen, sie betrgen auch ihre Mitstudieren-den: nicht etwa nur um gute Noten, sofern sie mit einem cleveren Plagiat durchkommen, sondern auch um Zeit. Denn eine gute Arbeit kostet Zeit. Zudem stellen Plagiate ein bertreten der Prfungsord-nung dar, knnen Urheberrechte sowie moralische Grundstze ver-letzen. Infolgedessen drohen mitunter erhebliche Strafen, etwa eine Exmatrikulation oder Bugelder, die bis zu 50 Tausend Euro betra-gen knnen. Wer kopiert, verliert also die Chance etwas zu lernen, macht andere dabei auch zu Verlierern und riskiert empfindliche Strafen.0

    10

    20

    30

    16,5

    25,0

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    7,3

    17,8 17,1 17,915,7

    29,8

    1 2 3 4 5 6 7 8 Gesamtfchergruppe

    ante

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    stud

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    in %

    Legende: 1) Sprach- und Kulturwissenschaften, 2) Sport, 3) Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 4) Mathematik und Naturwissenschaften, 5) Human- medizin und Gesundheitswissenschaften, 6) Agrar-, Forst- und Ernhrungswissen- schaften, 7) Ingenieurswissenschaften, 8) Kunst und Kunstwissenschaft

    Grafik: Anteil der Studierenden in Prozent, die mindestens einmal innerhalb von sechs Monaten angegeben haben, dass sie plagiiert haben.

  • | Plagiats- und Tuschungskompass8

    Gute Lehre und KompetenzvermittlungEine wichtiges Mittel ist und war eine der zentralen Aufgabe von Univer-sitten: gute Lehre und die Vermittlung von Fach- und Methodenkom-petenzen. Universtten mssen hier ihre Anstrengungen intensivieren, aber auch mit entsprechenden finanziellen Mitteln von den jeweiligen Lndern versorgt werden. Ewas konkreter und um nur wenige Beispiele zu nennen: Wir brauchen bessere Betreuungsquoten, flchendeckende und professionelle Untersttzungsangebote (z. B. Schreibwerksttten), gut ausgestattete Lernumgebungen, eine Professionalisierung des Lehrens durch gezielte Frderung von Lehrkompetenzen und mehr Zeit fr das Lehren. Gegebenenfalls Lehrprofis entlastend fr schlechte Betreuungsquoten wirken, d.h. Dozenten, die sich auf Lehre spezialisieren und attraktiv dafr bezahlt werden. Mit dem Ziel Plagiate zu bekmpfen, lsst sich also auch gut begrnden, bekannte Mngel der Hochschulausbildung zu beheben.

    Plagiatssoftware schreckt ab, ist aber kein Allheilmittel Plagiatssoftware kann zwar einige Plagiatoren abschrecken und Plagiate aufdecken, ist aber kein Allheilmittel. Denn erstens ist Plagiatssoftware noch immer nicht perfekt findet also lange nicht jedes Plagiat. Zweitens ist der Einsatz fr Lehrende und Universitten zeit- und ressourcenintensiv. Drittens sollte man sich den Sinn von Bildungseinrichtungen vor Augen fhren. Es kann ihnen nicht primr darum gehen unerwnschtes Verhalten wie Plagiate zu bekmpfen. Vielmehr mssen Lehrende ihre Studierenden fr wissenschaftliches Arbeiten und Forschen begeistern, ihnen die Mittel an die Hand geben und deren Kompetenzerwerb untersttzen.

    (Stand 18. April 2013)

    Angaben zum Autor:M.A. Sebastian Sattler2009 2012 Projektleitung fr das BMBF-Forschungsprojekt Fairuse an der Biele-felder Fakultt fr SoziologieSeit 2013 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut fr Psychologie der Abteilung Wirtschaftspsychologie an der Albert-Ludwigs-Universitt Freiburg [email protected]://www.psychologie.uni-freiburg.de/abteilungen/wirtschaftspsychologie/teamseite

    umgang mit tuschungen unD Plagiaten an Der thm

    Wie verbreitet sind Plagiate an deutschen Unis?Bislang wusste man nicht, welches Ausma das Problem Plagiate in Deutschland hat. Im Rahmen der vom Bundesministerium fr Bil-dung und Forschung gefrderten FAIRUSE-Studie wurde daher unter anderem die Verbreitung und die Ursachen von Plagiaten erforscht. Ein Ergebnis der Studie ist, dass knapp jeder Fnfte (17,9 %, siehe Grafik) Studierende zugab mindestens einmal innerhalb von sechs Monaten bei einer schriftlichen Arbeit plagiiert zu haben also bewusst fremde Gedanken oder Zitate von anderen bernommen zu haben, ohne dies kenntlich zu machen. Knapp jeder Zehnte (8,4 %) plagiierte zwei Mal oder hufiger. Unter den angehenden Ingeni-eurswissenschaftlern war der Anteil der Plagiatoren besonders hoch. Knapp jeder Dritte (29,8 %) gab mindestens ein Plagiat inner-halb von sechs Monaten zu. In den Sportwissenschaften war es jeder Vierte (25 %).

    Was sind die Ursachen von Plagiaten?Unterschiede zwischen Fchern knnen viele Ursachen haben. So zeigte sich, dass insbesondere Ingenieure geringere Methodenkom-petenzen als Naturwissenschaftler aufwiesen. Zudem erwarten Inge-nieure eine deutlich geringere Bestrafung als Studierende in anderen Fchergruppen. Auerdem wurde in keiner anderen Fchergruppe die Entdeckungswahrscheinlichkeit eines Plagiats als so gering ein-geschtzt, wie in den Ingenieurswissenschaften. ber alle unter-suchten Fchergruppen hinweg wurde nicht einmal jeder Zehnte Plagiator innerhalb von sechs Monaten erwischt.Allerdings gibt es noch deutlich mehr Ursachen fr das Auftreten von Plagiaten. Dazu zhlt ein Mangel an intrinsischer Motivation. Geht es Studierenden also beim Lernen nicht darum die eigenen Kompetenzen zu steigern oder sich persnlich zu entfalten, wird hufiger plagiiert. Aber auch Studierende, die sich stark gestresst fhlen und sich weniger gut konzentrieren knnen, plagiieren hufiger. Vermutlich sehen sie Plagiate als Ausweg im Umgang mit Belastungen und Defiziten an. Zudem spielt die moralische Bewertung von Plagiaten eine wichtige Rolle. Ein Unrechtsbewusstsein schtzt vor Plagiaten, aber nicht jeder besitzt dieses Unrechtsbewusstsein in ausreichendem Mae. Es zeigt sich auch, dass Studierende, die sich weniger von ihren Leh-renden untersttzt fhlen, eher geneigt sind hufiger zu plagiieren.

    Wie knnen Universitten auf Plagiate reagieren?Die eine Manahme, mit der man alle Plagiate aus den Unis verbannen kann, gibt es nicht und wird es nie geben. Denn dafr liegen Plagiaten zu heterogene Ursachen zugrunde. Generell sollte es den Universitten und Lehrenden nicht primr um Abschreckung und Aufdeckung gehen, auch wenn dies eine wichtige Sule im Kampf gegen Plagiate ist und hier Nachholbedarf besteht. Von Lndern wie den USA knnen wir beispielsweise lernen die Einhaltung der Integritt ein Stck weit in die Hnde der Studierenden zu legen auch wenn dies vermutlich einen langjhrigen Prozess voraussetzt. Innerhalb von Ehrenkodizes werden Betrugsversuche genau definiert, Verantwortlichkeiten, Ver-fahren und Strafen geregelt. Beispielsweise gibt es studentische Gremien, die Plagiatoren anhren sich diese also vor ihresgleichen rechtfertigen mssen und gegebenenfalls geeignete Sanktionen verhngt. Dies wrde auch Lehrende entlasten.

  • Plagiats- und Tuschungskompass | 9

    umgang mit tuschungen unD Plagiaten an Der thm

    tuschungsversuche erkennen, aufdecken und beweisen

    erkennen und aufdeckenSchnell ist ein Tuschungsversuch durch die Prferin oder den Prfer entdeckt oder vermutet. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um diesen auch sanktionieren zu knnen (siehe S. 12 ff).

    Wichtig ist dabei zunchst die Unterscheidung zwischen leichter und schwerwiegender Tuschung. Eine Kategorisierung gibt es hier nicht, vielmehr muss bei jedem entdeckten Tuschungsversuch immer eine Einzelfallentscheidung durch den Prfungsausschuss bzw. das Prfungsamt (siehe S. 13) herbeigefhrt werden.

    Als leichtere Verste werden in der Regel der kaum brauchbare Spickzettel oder der Wortwechsel unter den Prflingen anzusehen sein.

    schwere flle der Tuschung sahen Gerichte beispielsweise im aufwendigen Einsatz technischer Hilfsmittel

    (BverwG Beschl. v. 12.1.1981), in dem organisierten Zusammenwirken aller Prflinge

    (BVerwG Beschl. v. 12.1.1981) oder auch dem akademische ghostwriting

    (VG Kln Urt. V. 15.12.2005).

    Schwieriger ist dann schon die Entscheidung, ob der entdeckte Aktenordner mit allen Prfungsunterlagen oder aktuell eben das Tablett mit Onlinezugriff auf dem Scho des Prflings einen schweren oder eben einfachen Fall der Tuschung im Sinne der Allgemeinen Bestimmungen der THM darstellt.

    Generalisieren kann man hier nicht. Bezglich jeden Falles ist auch hier immer eine Einzelfallentscheidung aufgrund von hn-lich gelagerten Fllen sowie Erfahrungswerten herbeizufhren.

    Das Prfungsamt und Marco Gisse, Justiziar der THM, stehen hier allen Betroffenen (Studierenden und Prfern) als Ansprechpartner zur Entscheidungshilfe zur Verfgung (siehe hierzu auch Wider-spruchsverfahren S. 36 ff. KLEINER PRFUNGSRATGEBER).

    Nhere Informationen zum Prfungsamt der THM finden Sie unter http://www.thm.de/pa/.

    Fr den Prfer entscheidend ist hier zunchst das Aufdecken und vor allen Dingen der Beweis des Tuschungsversuchs.

    Von links: Prof. Dr. Oliver Steinkamp (MND), Prof. Dr. Uwe Probst (EI), Prof. Dr. Andreas Bark (BAU), Foto: Marco Gisse

  • | Plagiats- und Tuschungskompass10

    ghostwriting und Plagiieren flle schwerer tuschung

    akademisches ghostwritingEinen besonderen Fall der schweren Tuschung nehmen das aka-demische Ghostwriting sowie das Plagiieren ein.

    Whrend beim Ghostwriting ein Dritter mit der (teilweisen) Anfer-tigung einer schriftlichen Prfungsleistung (gegen Bezahlung) befasst wird, wird beim Plagiieren vom Verfasser selbst geistiges Eigentum eines anderen ohne entsprechendes wissenschaftli-ches Zitieren bernommen. Im Gegensatz zum Aufdecken von Plagiaten, was mit Hilfe von Plagiatssuchsoftware und anderen Mglichkeiten (siehe S. 40 ff) erleichtert wird, ist das Auffinden von akademischem Ghostwriting fr den Prfer nahezu unmg-lich. Zustzlich erschwert wird das ganze durch ein vielfltiges Onlineangebot sogenannter Ghostwritingagenturen. Diese ver-sprechen ihren Kunden hchste Diskretion bei der Anfertigung wissenschaftlicher Arbeiten gegen entsprechende Bearbeitungs-gebhren.

    anzeichen hierfr knnen sein, Arbeit ist stilistisch zu glatt, zu spezielles Vokabular wurde verwendet, seltsame Formatierungen im Text, Brche im Stil, merkwrdige Schreibfehler, Prfungsleistung weicht zu den sonstigen vom Prfling abge-

    lieferten Prfungsleistungen auffllig ab.

    Natrlich sind dies nur Anzeichen und noch keine Beweise. Ein sicheres Mittel zur Vermeidung von Ghostwriting kann aber auch die enge zusammenarbeit von Prfer und Prfling sein. Sowie das Andenken der Mglichkeit einer in der Prfungsordnung (Fachspezifische Bestimmungen-Teil II der Prfungsordnung) verankerten mndlichen ergnzungsprfung im zweifelsfall.

    umgang mit tuschungen unD Plagiaten an Der thm

    untersttzungsangebote (lektorat, bersetzungen und hilfe-stellungen des Prfers) wie viel fremde hilfe ist erlaubt?Wenn 18 Abs. 1 der Allgemeinen Bestimmungen fr Bachelor- und Masterprfungsordnungen der THM vorgibt, dass bei der Abgabe der Abschlussarbeit von der oder dem Studierenden die Versicherung verlangt werden kann, dass die Arbeit selbstndig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt wurden und die Arbeit in gleicher oder hnli-cher Form noch keiner anderen Hochschule oder Prfstelle vor-gelegen hat, dann stellen sich sowohl fr Studierende als auch Prfer berechtigte Fragen:

    In der Regel wird die selbstndig- und eigenstndigkeit einer schriftlichen Prfungsleistung dann nicht angezweifelt werden, wenn die oder der Studierende Hilfestellungen zum richtigen wis-senschaftlichen Arbeiten durch Tutoren, Hilfestellungen erfahrener Kommilitonen oder fachbereichsinterne Repetitorien erlangt:

    Wie nhere ich mich einer wissenschaftlichen Fragestellung an? Richtiges Abtauchen in die Fachliteratur?

    Viele Curricula der THM enthalten zum wissenschaftlichen Arbei-ten bereits Pflichtmodule wie bspw. Arbeitstechniken 1 3, Lern-werkstatt, Arbeits- und Prsentationstechniken etc...

    Da es an der THM bislang keine bzw. nur vereinzelte und teil-weise auch stark veraltetete Anleitungen zum wissenschaftli-chen Arbeiten gibt, wird es zeitnah im Zuge der neu gegrndeten arbeitsgruppe zum umgang mit tuschungen und Plagiaten an der thm (siehe S. 46) einen leitfaden zum wissenschaftli-chen arbeiten geben. Dieser soll sich selbstverstndlich als Vor-schlag verstehen.

    Grundstzlich gilt, dass die Inanspruchnahme fremder Hilfe- stellungen bei der Anfertigung von Prfungsleistungen (Lektorat, bersetzungsbro, Kommilitonen, Hilfestellung durch den Prfer etc) immer dann einen Tuschungs-versuch vermuten lsst, wenn die Korrektur von formalen Kriterien wie bspw. Orthographie berschritten wird und inhaltliche Korrekturen bzw. berarbeitungen durch jeman-den anderen als den Prfling vorgenommen werden.

    Wie kann ich als Prfer dennoch Anzeichen fr erfolgtes Ghostwriting erkennen?

    Ist die Selbstndigkeit bereits verletzt, wenn ich Unter-sttzungsangebote bei akademischen Aufgaben (Referate, Hausarbeiten..) in Anspruch nehme?

    Wenn ich meine Arbeit bei einem (professionellen) Lekto-rat einreiche?

    Wieweit darf die Hilfestellung meines Prfers gehen? Hilfe von Tutoren erwnscht? Darf ich als internationaler Studierender meine Ab-

    schlussarbeit bei einem bersetzungsbro einreichen?

  • Plagiats- und Tuschungskompass | 11

    umgang mit tuschungen unD Plagiaten an Der thm

    Generalisieren kann man hier auch nicht. In der Regel drfen formale kriterien einer schriftlichen Prfungsleistung wie Ortho-graphie, Grammatik oder eine mangelhafte Wortwahl im Umkehr-schluss damit nicht dazu fhren, dass eine ansonsten inhaltlich und fachlich korrekte Prfungsleistung allein wegen dieser uerlichkeiten als nicht bestanden gewertet wird. Sie sollten lediglich etwa zur Abrundung bei der prfungsrechtlich vorgesehenen Bildung eines Gesamteindrucks herangezogen werden (siehe Kleiner Prfungsratgeber S. 39).

    Das PlagiatDas Plagiat sei fr Theodor Fontane (1819 98 dt. Erzhler) das aufrichtigste aller Komplimente. Der bundesgerichtshof hingegen erkannte erstmals in einem Urteil vom 12. Januar 1960 das Plagiat als Unwerturteil an (vgl. BGH Urt. v. 12.1.1960).

    Whrend sich weder im hochschul- oder urheberrecht eine Legal-definition bzw. ein rechtlicher Plagiatsbegriff finden lsst, ist das Pla-giieren im Prfungsrecht als Fehlverhalten definiert (siehe S. 12 ff).

    Die arten des Plagiierens sind dabei unterschiedlich und reichen vom komplettplagiat (copy and paste) bis hin zum bauernopfer (kleiner Teil der plagiierten Arbeit wird als fremde Geistesttig-keit kenntlich gemacht, so dass die Glaubwrdigkeit der Eigenau-torschaft hinsichtlich des restlichen Textes umso glaubwrdiger erscheint).

    Wie viel Prozent des plagiierten Parts einer Prfungsleistung als schwerer Fall der Tuschung einzustufen sind, ist auch hier jedes Mal wieder eine Einzelfallentscheidung, die durch den Prfungs-ausschuss (im Falle der schweren Tuschung im Einvernehmen mit dem Prfungsamt) herbeizufhren sein wird (siehe S. 13).

    beweis und beweislast der (schweren) tuschungIst die Tuschung entdeckt und als leichter oder schwererer Fall seitens des Prfers eingestuft, muss der Prfer diese noch beweisen, d. h. er trgt die Beweislast.

    Fr die Aufdeckung des Tuschungsverhaltens gilt dann der beweis des ersten anscheins (siehe auch S. 32).

    Als Prfer knnen Sie dann die Prfung beenden oder unterbrechen.

    Erste Anzeichen fr einen Tuschungsversuch knnen bei-spielsweise:

    die bereinstimmung der Gliederung einer Abschluss- arbeit eines Prflings mit der eines anderen Prflings,

    die Mitfhrung eines unzulssigen Hilfsmittels (Smart-phone, Tablett, Kamerasystem + Brille )

    aber auch die Verweigerung zumutbarer Mitarbeit bei der Aufklrung eines irritierenden Sachverhalts sein.

    Seitens der Prfer stellt sich in diesem Zusammenhang vermehrt die Frage, wie hoch der Anteil eines Plagiats sein muss, um einen schweren tuschungsversuch annehmen zu knnen.

    nur das Vorwort ? 20 % , 60 % oder 70 % des Textes ?

    Theodor Fontane, Foto: Fotolia

  • | Plagiats- und Tuschungskompass12

    umgang mit tuschungen unD Plagiaten an Der thm

    sanktionsmglichkeiten an der thm

    In welchem Rahmen Sanktionen bei Tuschungsversuchen zuls-sig sind, ist in den Hochschulgesetzen der einzelnen Bundeslnder festgelegt. Die Regelungen der einzelnen Bundeslnder sind dabei nicht einheitlich. So sieht beispielsweise das nordrhein-westflische Hochschulgesetz die Mglichkeit vor, dass Tu-schungsflle mit drastischen Geldbuen geahndet werden drfen. Das ist nach hessischem Hochschulrecht nicht zulssig.

    In Hessen gilt das hessische hochschulgesetz (hhg) vom 14. Dezember 2009 (GVBl. I S. 666), das dazu in 18 Abs. 4 S. 2 folgende Regelung enthlt:

    Die gesetzliche Vorgabe des HHG wird durch die Prfungsbestim-mungen der einzelnen hessischen Hochschulen ausgestaltet. Fr die THM findet sich dazu eine hochschuleinheitliche Regelung sowohl in den Allgemeinen Bestimmungen fr Bachelorprfungs-ordnungen der Technischen Hochschule Mittelhessen vom 15. Dezember 2004 (StAnz. 24/2005 S. 2109), zuletzt gendert am 27. Oktober 2010 (AMB 25/2010) als auch in den Allgemeinen Bestim-mungen fr Masterprfungsordnungen der Technischen Hoch-schule Mittelhessen vom 15. Dezember 2004 (StAnz. 24/2005 S. 2109), zuletzt gendert am 27. Oktober 2010 (AMB 26/2010). Die Regelung ist fr den Bachelor- und fr den Masterbereich identisch und findet sich jeweils in 11 Abs. 5 und 6 (siehe Tabelle).

    In abs. 5 der Regelung ist also zunchst die wohl jedem noch aus der Schulzeit bekannte Tuschungssanktion beschrieben:

    Dass in diesen Fllen mit Verdacht auf Tuschung der Beweis des ersten Anscheins gilt und ein sofortiger Prfungsabbruch durch den Prfer zulssig ist, wurde bereits erlutert, ebenso, dass die Beweislast fr die erfolgte Tuschung beim Prfer liegt (siehe S. 11). Weiterhin ist in der Regelung festgelegt, dass in Tuschungs-fllen der zustndige Prfungsausschuss eingeschaltet werden kann und zwar sowohl auf Antrag des Prfers als auch auf Antrag des verdchtigten Prflings. Der Prfungsausschuss muss darauf-hin beiden Seiten Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Letztend-lich muss er alle ihm bekannte Fakten gegeneinander abwgen und eine individuelle Einzelfallentscheidung zum Vorgang treffen.

    Stellt der Prfungsausschuss fest, dass eine Tuschung passiert ist, erhlt der Prfling eine 5 und hat damit den Prfungsversuch nicht bestanden. Kommt der Prfungsausschuss zu der Entscheidung, dass eine Tuschung nicht hinreichend nachgewiesen ist, dann wird die Leistung des Prflings regulr bewertet. Falls das nicht geht, weil die Prfungsleistung abgebrochen wurde, erhlt der Prfling seinen Prfungsversuch zurck. Ob er dabei auf die nchstmgliche

    Von links: (Benefizversteigerung zum Tag der Hochschule 2010) Prof. Dr. Stephanie Gokorsch (KMUB), Prof. Dr. Matthias Willems (MND/ZDH), Foto: Dr. Armin Eikenberg

    Wer schummelt und erwischt wird, der kriegt eine 5.

    im falle eines mehrfachen oder schwerwiegenden tu-schungsversuches knnen die regelungen vorsehen, dass die oder der zu Prfende exmatrikuliert wird.

  • Plagiats- und Tuschungskompass | 13

    umgang mit tuschungen unD Plagiaten an Der thm

    In schwerwiegenden Tuschungsfllen sind drastischere Sanktionen zulssig, die bis zum endgltigen Nichtbestehen der Bachelor- oder Masterprfung und damit verbunden zur Zwangsexmatrikulation fhren knnen.

    11 abmelDung, Versumnis, rcktritt, tuschung unD strung

    (5) Versucht die Kandidatin oder der Kandidat, das Ergebnis ihrer oder seiner Prfungsleistung, Prfungsteilleistung oder Vor-leistung durch Tuschung oder Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen, wird die betreffende Leistung mit nicht ausreichend bewertet; sie gilt als nicht bestanden. Eine Kandidatin oder ein Kandidat, die oder der den ordnungsgem-en Ablauf eines Prfungstermins strt, kann von der jeweiligen Prferin oder dem jeweiligen Prfer oder Aufsichtsfhrenden von der Fortsetzung der Leistung ausgeschlossen werden; die betreffende Leistung wird mit nicht ausreichend bewertet. Der Prfungsausschuss entscheidet auf Antrag und nach Anhrung der Kandidatin oder des Kandidaten und nach Anhrung der Prferin oder des Prfers bzw. der oder des Aufsichtfhrenden, ob die Voraussetzungen von Satz 1 oder 2 fr die Entscheidung nicht bestanden vorliegen oder die Prferin oder der Prfer die von der Kandidatin oder dem Kandidaten erbrachte Leistung nach Magabe des 9 zu bewerten hat bzw. wie weiter verfahren wird. Im brigen gilt Abs. 4 entsprechend.

    (6) In schwerwiegenden Fllen einer Tuschung, Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel oder eines Ordnungsverstoes (z. B. bei Plagiat oder bei Inanspruchnahme einer anderen Person als Verfasserin oder Verfasser einer Leistung oder bei erneuter Tu-schung) kann der Prfungsausschuss im Einvernehmen mit dem Prfungsamt die Kandidatin oder den Kandidaten von der Erbringung weiterer Prfungsleistungen bzw. Wiederholungsprfungen ausschlieen bis hin zu der Folge, dass die Bachelorpr-fung endgltig nicht bestanden ist und die Kandidatin oder der Kandidat exmatrikuliert wird. Abs. 4 gilt entsprechend.

    Prfung im Folgesemester verwiesen wird, er einen kurzfristigen Sondertermin erhlt oder ob eine andere Lsung gefunden wird, darber befindet ebenfalls der Prfungsausschuss. Der Prfling wird schriftlich ber die Entscheidung informiert.

    Im folgenden abs. 6 geht es um schwerwiegende tuschungs-flle. In der Regelung wird also differenziert zwischen leichteren Tuschungen, beispielsweise dem Benutzen eines Spickers oder dem Abschreiben beim Tischnachbarn, und schwerwiegenden Tuschungen, wie z. B. Plagiats- oder Ghostwriting-Flle oder wiederholte Tuschungsflle (siehe S. 10).

    Im Unterschied zu den leichteren Tuschungsversuchen liegt in den schwerwiegenden Fllen die entscheidungszustndigkeit nicht mehr allein beim jeweils zustndigen Prfungsausschuss, sondern die entscheidung ist einvernehmlich zwischen Pr-fungsausschuss und Prfungsamt zu treffen. Durch das Zusam-menlaufen aller schweren Tuschungsflle im Prfungsamt der THM soll sichergestellt werden, dass in allen Einzelfllen mg-lichst einheitliche Bewertungsmastbe angelegt werden.

    Ansonsten luft das Prfungs- und Entscheidungsverfahren genauso ab wie fr die leichteren Flle beschrieben: beide Seiten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme, alle bekannten Fakten sind gegeneinander abzuwgen und es ist eine individuelle Einzel-fallentscheidung zu treffen. Allerdings umfasst die Entscheidung

    hier nicht nur die Feststellung, ob eine Tuschung nachgewiesen wurde oder nicht, sondern darber hinaus auch noch, ob die nach-gewiesene Tuschung schwerwiegend war oder nicht. In Absprache zwischen zustndigem Prfungsausschuss und Prfungsamt wird zudem die Konsequenz fr den Tuscher festgelegt.

    In der Praxis ist es an der THM bisher nur sehr selten zur Zwangsex-matrikulation nach endgltigem Nichtbestehen wegen schwer-wiegender Tuschung gekommen. Lediglich in zwei Einzelfllen wurde diese Sanktion verhngt.

  • | Plagiats- und Tuschungskompass14

    sanktionsregelungen anderer hessischer hochschulenSchaut man sich die Sanktionsregelungen in den Prfungsord-nungen der anderen hessischen Hochschulen an, so stellt man fest, dass sie weitgehend vergleichbar sind. Beim Vergleich der Tuschungssanktionsregelungen der einzelnen hessischen Hoch-schulen fiel ansonsten noch auf, dass einige Prfungsordnungen kurze Festlegungen dazu enthalten, was an der Hochschule als Plagiat aufgefasst wird, z. B. an der Hochschule Darmstadt.

    Auerdem verbieten manche Prfungsordnungen konkret das Mitfhren von Handys und anderen elektronischen Gerten wh-rend der Prfung und definieren einen Versto gegen diese Vor-gabe als Tuschung, beispielsweise an der Hochschule Rhein-Main oder Goethe-Universitt Frankfurt am Main.

    umgang mit tuschungen unD Plagiaten an Der thm

    bersicht mglicher sanktionen unD entscheiDungszustnDigkeiten anDerer hessischer hochschulen

    Hochschule Sanktionsrahmen Entscheidungszustndigkeit

    Hochschule Fulda Einfache Tuschung: 5,0 Mehrfache oder schwerwiegende Tuschung:

    Exmatrikulation mglichGenerell beim Prfungsausschuss

    Hochschule Darmstadt Einfache Tuschung: 5,0 Mehrfache oder schwerwiegende Tuschung:

    Exmatrikulation mglich

    Prfungsausschuss Prfungsausschuss nach vorheriger

    Anhrung des Prfungsamtsleiters

    Hochschule RheinMain Einfache Tuschung, auch Plagiat: 5,0 Mehrfache oder schwerwiegende Tuschung:

    Exmatrikulation mglichGenerell beim Prfungsausschuss

    Fachhochschule Frankfurt Einfache Tuschung: 5,0 Ab zweitem Tuschungsversuch oder schwer-

    wiegende Tuschung: Exmatrikulation mglichGenerell beim Prfungsausschuss

    Phillips-Universitt Marburg Einfache Tuschung: 5,0 Schwerwiegende Tuschung: Exmatrikulation

    mglichGenerell beim Prfungsausschuss

    Universitt Kassel

    Einfache Tuschung: 5,0 Schwerwiegende Tuschung in der Abschlussar-

    beit oder bei falscher Eigenstndigkeitserkl-rung: Ausschluss von der Wiederholungsprfung

    Generell beim Prfungsausschuss

    Johann Wolfgang Goethe-Universitt Frankfurt am Main

    Einfache Tuschung: 5,0 Mehrfache oder schwerwiegende Tuschung:

    Exmatrikulation mglichGenerell beim Prfungsausschuss

    TU Darmstadt Einfache Tuschung, auch Plagiat: 5,0 Mehrfache Tuschung: Exmatrikulation mglich

    Beim Prfungsausschuss bzw. der Prfungskommission

    Justus-Liebig-Universitt Giessen

    Einfache Tuschung: 5,0 Ab zweitem Tuschungsversuch:

    Exmatrikulation mglichBeim Prfungsausschuss

  • Plagiats- und Tuschungskompass | 15

    Foto: Fotolia

  • | Plagiats- und Tuschungskompass16

    umgang mit tuschungen unD Plagiaten an Der thm

    exkurs: Wie wird an auslndischen hochschulen sank-tioniert?

    Spicken, Tuschen und Plagiieren bei Hochschulprfungen ist fr Studierende auf der ganzen Welt verboten. Aber wie wird eigentlich an Hochschulen in China, Australien, USA oder Sdamerika mit Tu-schungsversuchen und Plagiieren bei Hochschulprfungen umge-gangen? Wie wird dort sanktioniert und wer entscheidet darber?

    Diese Fragen haben wir Kolleginnen und Studierenden gestellt, die in diesen Lndern ihren Hochschulabschluss erworben oder dort studiert haben.

    Die Sanktionen aber auch die Prventionsmanahmen sind teil-weise sehr unterschiedlich genau wie die Hochschulverantwort-lichen die an den jeweiligen Hochschulen ber die Art und Weise der Sanktion entscheiden.

    chinaHefei Huang hat ihren Master International Marketing an der allgemein staatlichen Wuhan University in Wuhan, Hubei in China absolviert.

    Fr uns berichtet Sie, dass es in China offiziell keine klare Verord-nung oder Gesetze auf staatlicher Ebene zur Regelung von Plagi-ieren und Tuschen an Hochschulen gebe. Vielmehr habe jede Hochschule ihre eigenen akademischen Kommissionen, um die entsprechende Verantwortung zu tragen. Die Sanktionen bei ent-deckter Tuschung und Plagiaten wren je nach Schwere des Falls: Verwarnung oder Strafen wie bspw. Aberkennung, Bewh-rung oder eben der Ausschluss. Jeder Fall wrde lebenslang im persnlichen Profil des Studierenden aufgefhrt.

    Wenn die Tuschung entdeckt worden sei, wrden der Prfer und der Aufsichtsfhrende eine Meldung machen und die Ungltig-keit der Prfung ankndigen. Nach der Prfung wrde der Fall dann der akademischen Kommission bergeben. Die Kommis-sion entscheide danach ber die Tragweite des Vergehens und die jeweiligen Sanktionen. Die Entscheidung wre dabei unmittelbar wirksam.

    (Stand 24. Oktober 2012)

    australienEinblicke in den Prfungsalltag einer australischen Hochschule haben wir von Sarah Evermann bekommen. Die 24-jhrige studiert an der THM im Masterstudiengang International Marketing (WIRT-SCHAFT) und befindet sich aktuell an unserer Partnerhochschule Victora University in Melbourne (Victoria) im Auslandssemester. Zum Thema Umgang mit Tuschungen dort konnte sie fr uns lei-der nichts herausfinden, dafr umso mehr zum Thema Plagiate, was an australischen Hochschulen ein wichtiges Thema ist.

    Alle Studierenden der Victoria University mssten ihre schriftli-chen Arbeiten elektronisch bei der Plagiatssuchsoftware Turn it in einreichen, bevor diese zur Bewertung frei gegeben wrden. "Turn it in" sei eine amerikanische Datenbank, die 220 Millionen Arbeiten, 90.000 Bcher und Magazine sowie 20 Milliarden Web-seiten umfasse und somit die Originalitt einer einzureichenden Hausarbeit berprfe, um Plagiieren zu verhindern.

    Alle Hochschulmitglieder, d. h. Studierende, Professorenschaft und wissenschaftliches Personal der Victoria University wrden die sogenannte 51 seitige Academic Honesty and Preventing Pla-giarism, eine Richtlinie fr die Aufklrungsmanahmen und den Umgang mit Plagiaten, anerkennen.

    Die Prventionsmanahme der Hochschule gegen Plagiieren bestehe unter anderem darin, alle Hochschulmitglieder in Kennt-nis zu setzen bzw. mglicher Unwissenheit vorzubeugen darber, was unter Plagiieren zu verstehen sei und verstrkt darber zu informieren, wie richtiges wissenschaftliches Arbeiten funktio-niere. Dazu wrden regelmige Workshops aber auch Seminare seitens der Hochschule angeboten. Das Sanktionssystem sei drei-stufig und beinhalte Sanktionsmanahmen wie den zeitlich begrenzten Ausschluss vom Studium, Besuche von Plagiatsver-meidungsworkshops als Auflage, Neuschreiben des plagiierten Parts innerhalb von 45 Tagen oder den Ausspruch einer ffentli-chen Entschuldigung vor der gesamten Hochschule aber auch dem endgltigen Nichtbestehen der Prfungsleistung. Das for-male Vorgehen nach der Aufdeckung sei unterschiedlich, d. h. je nach Schwere des Plagiats (nur 10 %, 50 % ...) wrden unter-schiedliche Verantwortliche nach Anhrung des Plagiierenden, vom Prfer bis hin zum Direktor der Hochschule entscheiden.

    (Stand 12. Oktober 2012)

    Hefei Huang, Foto: Dieter Ziethen

    Sarah Evermann, Foto: Karla Mate

  • Plagiats- und Tuschungskompass | 17

    umgang mit tuschungen unD Plagiaten an Der thm

    usaUnsere Kollegin Robbin Clarissa Bastian aus dem Auslandsreferat ist gebrtige US-Amerikanerin und hat ihren Hochschulabschluss am privaten Monmouth College in Monmouth, Illinois (ungefhr 3.5 Stunden sdwestlich von Chicago), gemacht. Das Monmouth College ist eine Hochschule (Liberal Arts) mit geisteswissen-schaftlichem Schwerpunkt, an der 1.321 Studierende immatriku-liert sind und die ein 4-jhriges Bachelor System anbietet.

    Robbin hat fr uns berichtet, dass in den USA jede Hochschule ihre eigenen Prfungsordnungen habe, die die Studierenden befolgen mssten (sogenannte Academic Dishonesty Regulati-ons & Consequences). Allerdings gehe sie davon aus, dass die Regeln und dazugehrenden Konsequenzen im Falle der Missach-tung an allen amerikanischen Hochschulen vergleichbar wren. Amerikanische Hochschulen wrden hufig im ersten Semester Pflichtmodule zum Thema Plagiieren anbieten. Studierende sollten lernen, was Plagiieren bedeutet und wie richtig wissenschaftlich gearbeitet wrde.

    Das bliche Vorgehen am Monmouth College, wenn eine Studie-rende oder ein Studierender beim Tuschen oder Plagiieren erwischt wrde wre, das die betroffene Professorin oder der betroffene Professor die Beweislast trage, und den Fall dem Dekanat schriftlich mitteilen msse. In Absprache mit dem Deka-nat msse die Professorin oder der Professor dann die passende Strafe festlegen. Klassische Beispiele hierbei wren die Neuzu-ordnung der Arbeit bzw. eines neuen Themas, die Prfung wird mit nicht bestanden bewertet bzw. der gesamte Kurs.

    Wrde eine oder ein Studierender erneut beim Tuschen oder Plagiieren erwischt, knnten die Verantwortlichen ber eine Sus-pendierung des Studierenden bzw. einen endgltigen Ausschluss des Studierenden vom Studium entscheiden. Die oder der Studie-rende habe in beiden Fllen die Mglichkeit, in Berufung zu gehen.

    (Stand 16. Oktober 2012)

    bolivienHeidy Villanueva hat an der Bolivian Catholic University (UCB) in La Paz ihren Abschluss in System Engineering gemacht. Heute arbeitet sie als Leiterin einer Grundschule.

    Whrend der fnf Jahre ihres Studiums habe sie keinen Fall mit-bekommen, in dem einer Ihrer Kommilitonen whrend einer Pr-fung beim Tuschen erwischt worden wre.

    Getuscht wurde dennoch, was aber seitens der Prfer nicht gesehen wurde oder gesehen werden wollte. Aufgrund der Loyali-tt und dem Zusammenhalt unter den Studierenden sei dies dann aber auch nicht aufgedeckt worden, schlielich liege es im Ver-antwortungsbereich der oder des Studierenden zu tuschen oder eben nicht.

    Fr uns habe sie die Richtlinien der UCB gelesen und herausge-funden, dass das Tuschen whrend einer Prfung dort auch ver-boten sei. Studierende der UCB knnten fr ein Semester suspen-diert werden, wenn sie erwischt werden wrden. Die Entscheidung darber wrde in einer hochschulinternen Verhandlung getroffen, in der die oder der Studierende dazu angehrt werden wrde.

    (Stand 17. Oktober 2012)

    Robbin Clarissa Bastian, Foto: Prof. Dr. Nikolaus Zieske Heidy Villanueva, Foto: Heidy Villanueva

  • | Plagiats- und Tuschungskompass18

    Wenn Der stuDierenDe tuscht unD Plagiiert Professorensicht

    Plagiate zum umgang mit Plagiaten am fachbe-reich Wirtschaft

    Prof. Dr. Pia robinson vertritt seit 2002 am fachbereich Wirt-schaft/thm business school das fachgebiet externes rech-nungswesen, steuerberatung und Wirtschaftsprfung. sie war in dieser zeit zunchst Vorsitzende des Prfungsausschusses fr den Diplom- und fr den bachelorstudiengang betriebswirt-schaft, danach studiendekanin am fachbereich Wirtschaft am campus gieen. neben ihrer ttigkeit an der thm business school ist sie fr studiumPlus Direktorin im Wissenschaftlichen zentrum Duales hochschulstudium am campus Wetzlar.

    Fr unsere Informationsveranstaltung zum Thema Umgang mit Tuschungen und Plagiaten an der THM konnten wir sie als Refe-rentin gewinnen. Sie gab den Interessierten einen informativen berblick zum umgang mit Plagiaten am fachbereich Wirtschaft.

    Bei der Abgabe einer Bachelor-Thesis im Bachelor-Studiengang Betriebswirtschaft hat der Studierende schriftlich zu versichern, dass er seine Arbeit selbststndig verfasst und keine anderen als die ange-gebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt hat. Dies ergibt sich aus 18 Abs. 1 der Allgemeinen Bestimmungen fr Bachelor-Prfungsord-nungen der THM. Entsprechendes gilt fr Studierende im Diplom-Studiengang Betriebswirtschaft bei der Erstellung der Diplomarbeit und fr unsere Master-Studierenden fr ihre Master-Thesis.

    In der Vergangenheit gab es am Fachbereich Wirtschaft mehrfach Flle, in denen die Versicherung eines Studierenden, die Arbeit selb-stndig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen benutzt zu haben, unwahr war. In diesen Fllen haben wir die jewei-lige Arbeit als Plagiat bezeichnet.

    Sollte der zustndige Prfungsausschuss feststellen, dass die Versi-cherung eines Studierenden, seine Bachelor-Arbeit selbststndig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfs-mittel benutzt zu haben, unwahr ist, so ist die Arbeit gem 18 Abs. 4 der Allgemeinen Bestimmungen fr Bachelor-Prfungsordnungen nicht bestanden. Dies gilt entsprechend auch fr Diplom- und fr Masterarbeiten.

    Nach den frher geltenden Prfungsordnungen konnte der Studie-rende die Arbeit in einem solchen Fall ohne weiteres wiederholen, da es bei Nichtbestehen einer Bachelor-, Diplom- oder Masterarbeit eine Wiederholungsmglichkeit gibt.

    Das Risiko eines plagiierenden Studierenden bestand somit lediglich darin, mglicherweise erwischt zu werden und da-raufhin die Arbeit erneut anfertigen zu mssen. Von den Mit-gliedern des Fachbereichs Wirtschaft wurde diese Situation als unbefriedigend empfunden, so dass wir uns seinerzeit fr eine Verschrfung der prfungsrechtlichen Regelungen fr Plagiate ausgesprochen haben.

    Prof. Dr. Pia Robinson, Foto: Till Schrmann

  • Plagiats- und Tuschungskompass | 19

    Wenn Der stuDierenDe tuscht unD Plagiiert Professorensicht

    Bei der letzten berarbeitung der Allgemeinen Bestimmungen fr Bachelor-Prfungsordnungen der THM wurde eine solche Verschr-fung in 11 Abs. 6 denn auch wie folgt verankert: In schwerwiegen-den Fllen einer Tuschung, Benutzung nicht zugelassener Hilfs-mittel oder eines Ordnungsverstoes (z. B. bei Plagiat oder bei Inanspruchnahme einer anderen Person als Verfasserin oder Verfasser einer Leistung oder bei erneuter Tuschung) kann der Prfungsaus-schuss im Einvernehmen mit dem Prfungsamt die Kandidatin oder den Kandidaten von der Erbringung weiterer Prfungsleistungen bzw. Wiederholungsprfungen ausschlieen bis hin zu der Folge, dass die Bachelorprfung endgltig nicht bestanden ist und die Kan-didatin oder der Kandidat exmatrikuliert wird. Auch fr die Master-Studiengnge der THM gilt seit 2010 hochschulweit eine solche Regelung.

    Fr einen Studierenden besteht aufgrund dieser prfungsrechtlichen Situation nunmehr zumindest das Risiko, dass er wegen eines Plagiats exmatrikuliert wird und nicht mehr die Mglichkeit hat, das Studium erfolgreich abzuschlieen.

    Im Rahmen des Moduls Wissenschaftliches Arbeiten knnen unsere Studierenden die grundlegenden Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens anwendungsorientiert erlernen. Die Teilnehmer haben in dieser Veranstaltung bungen zur wissenschaftlichen Texterstellung sowie Gliederungs- und Zitierbung zu absolvieren. Zudem haben die Studierenden als Prfungsleistung fr dieses Modul Seminararbeiten zu erstellen, die von einer Reihe von Lehrenden unseres Fachbe-reichs beurteilt und den Studierenden mit Korrekturhinweisen verse-hen zurckgegeben werden. Sofern erforderlich werden die Teilnehmer auch aufgefordert, eine berarbeitung ihrer Texte vorzunehmen. Da in unserem Bachelor-Studiengang Betriebswirtschaft sehr viele Studierende immatrikuliert sind, verursacht die Korrektur dieser Seminararbeiten fr die Lehrenden insgesamt einen erheblichen zeit-lichen Aufwand.

    Dabei ist der Umfang der Verfehlungen unterschiedlich gravierend: In einigen Fllen wurden mehrere Textpassagen aus nicht angegebe-nen Quellen bernommen, in anderen Fllen wurden sogar Abschluss-arbeiten von Studierenden anderer Hochschulen komplett abge-schrieben.

    Aufgedeckt werden diese Flle meist dadurch, dass der Prfer Text-passagen aus einer Abschlussarbeit googelt, d. h. mit Hilfe der Inter-net-Suchmaschine Google recherchiert, ob die Textstelle aus einer nicht angegebenen Quelle stammt. Anlass fr eine solche Untersu-chung geben dem Prfer verschiedene verdchtige Umstnde: So ist es beispielsweise bedenklich, wenn ein Studierender nicht die Mg-lichkeit nutzt, mit seinem Betreuer ber die Gliederung seiner Abschlussarbeit zu sprechen. Verdchtig ist auch eine sehr kurze Bearbeitungszeit fr eine Abschlussarbeit. Sehr bedeutsam sind auch Rechtschreibung, Zeichensetzung sowie die Ausdrucksweise des Ver-fassers in einer Abschlussarbeit: Kritisch sind insbesondere die Flle, in denen sich diesbezglich innerhalb einer Arbeit erhebliche qualita-tive Unterschiede finden.

    Stellt der Prfer bei der Beurteilung einer Abschlussarbeit fest, dass ein Plagiat vorliegt, so wird dies dem Studierenden, der diese Arbeit eingereicht hat, ebenso mitgeteilt wie die Tatsache, dass die Abschlussarbeit infolgedessen nicht bestanden ist. Fr den Prfer kann es zum Nachweis sinnvoll sein, eine synoptische Gegenber-stellung der Originaltexte einerseits und der entsprechenden Passa-gen der Abschlussarbeit andererseits zu erstellen. In einigen weni-gen Fllen wurde von betroffenen Studierenden am Fachbereich Wirtschaft zunchst bestritten, dass sie unzureichend zitiert hatten. Mit Hilfe einer Gegenberstellung von Originaltext und Abschlussar-beit konnte der Prfer jedoch in jedem Fall eindeutig belegen, dass der Vorwurf des Plagiats gerechtfertigt war.

    (Stand 3. Dezember 2012)

    Angaben zur Autorin:Prof. Dr. Pia RobinsonDozentin an der THM Business SchoolDirektorin des Wissenschaftlichen Zentrums Duales Hochschulstudium an der THM [email protected]/ www.studiumplus.de/wps/splus/home/studiumplus/.

    Obwohl das korrekte Zitieren in dem Modul Wissenschaft- liches Arbeiten somit intensiv eingebt wird, mssen wir Pla-giate bei Abschlussarbeiten doch weiterhin feststellen.

    Der Fachbereich Wirtschaft hat jedoch nicht nur mit dazu bei-getragen, die Sanktionsmglichkeiten bei Plagiaten an der THM zu verschrfen. Vielmehr haben wir bei der Entwicklung unserer Studienprogramme auch das Instrumentarium zur Vorbeugung verbessert: Dazu haben wir das Modul Wissen-schaftliches Arbeiten als Pflichtmodul im dritten Semester des Bachelorstudiengangs Betriebswirtschaft verankert und dieses Modul inhaltlich ausgebaut.

  • | Plagiats- und Tuschungskompass20

    Wenn Der stuDierenDe tuscht unD Plagiiert Professorensicht

    tuschungshandlungen in schriftlichen Prfungen/klassiker und aktuelle beispiele aus der Praxis

    Prof. Dr. knut thielen ist langjhriger Prfungsausschussvorsit-zender der Diplom- und bachelorstudiengnge Wirtschaftsinge-nieurwesen und studiendekan des fachbereichs Wirtschaftsin-genieurwesen am campus friedberg. auch ist er als Dozent im Wissenschaftlichen zentrum Duales hochschulstudium am campus Wetzlar ttig. seine arbeitsgebiete sind thermodynamik und energietechnik.

    Seinen Erfahrungsschatz zum Thema tuschungshandlungen in schriftlichen Prfungen klassiker und aktuelle beispiele aus der Prfungspraxis hatte er uns als Referent zu o. a. Infoveran-staltung zur Verfgung gestellt.

    Nur die wenigsten Mitmenschen knnen von sich sagen, sie htten bei einer Klassenarbeit in der Schule oder spter im Studium niemals geschummelt oder gespickt.

    Nach wie vor ist das Spicken unter Studierenden in Klausuren sehr beliebt. Jedoch sind die Mittel, die beim Spicken zum Einsatz kommen, im Laufe der Jahrzehnte vielfltiger geworden. So finden auch heute noch herkmmliche Spickzettel, wie der in Abb. 1 dargestellte, Ver-wendung.

    Abb. 2 zeigt eine als Spickzettel aufbereitete Seite aus einer Tafel fr Winkelfunktionen, wie sie der Verfasser whrend seiner Realschul-zeit um 1968 benutzte.

    Das Tabellenwerk war ohne die zustzlichen handschriftlichen Ein-tragungen in der Mathematik-Klassenarbeit zugelassen. Das Bedrf-nis des damaligen Realschlers bestand darin, sich mit der aufberei-teten Tafel die notwendige Sicherheit fr die Klassenarbeit zu verschaffen. Letztendlich war es aber nur selten erforderlich, auf Eintragungen dieser Art zurckzugreifen.

    So erweist sich das herkmmliche Schreiben von Spickzetteln als beraus sinnvoll. Es entsteht dabei ein besonderer Lerneffekt, der dazu fhrt, dass die Informationen, die mhselig verkleinert auf einen Zettel geschrieben werden, dem vermeintlichen Nutzer genau dann von selbst einfallen, wenn er sie bentigt.

    Diese Erkenntnis fhrte beim Verfasser dazu, dass er whrend seines Studiums zur Klausurvorbereitung Zusammenfassungen seiner Skripte schrieb. Hierdurch wurde der zu lernende Stoff verinnerlicht. Am Ende des Studiums passten smtliche Zusammenfassungen in einen Ordner, auf den der Verfasser auch heute noch gern zurckgreift.

    Prof. Dr. Knut Thielen, Foto: Prof. Dr. Knut Thielen

    Daneben erfreuen sich zunehmend moderne technische Hilfsmit-tel wie Smartphones bei manchen Studierenden groer Beliebt-heit, um in schriftlichen Prfungen im Sinne eines Spickzettels auf Skripte, vollstndig gelste Aufgaben, Bcher oder gar auf das komplette Internet zurckgreifen zu knnen.

  • Plagiats- und Tuschungskompass | 21

    Wenn Der stuDierenDe tuscht unD Plagiiert Professorensicht

    Abb. 1: Spickzettel in Ziehharmonika-Technik, Foto: Prof. Dr. Knut Thielen

    Abb. 2: Tafel fr Winkelfunktionen als Spickzettel eines Realschlers im Jahre 1968, Foto: Prof. Dr. Knut Thielen

    Klausur im Modul RechtVor wenigen Jahren ereignete sich bei einer Klausur im Modul Recht eines Bachelorstudiengangs folgender Fall. Die Aufsichts-person bekommt beim Weg durch die Reihen zufllig einen Einblick in die offenstehende Aktentasche eines Studierenden und findet meh-rere, lose in der Tasche liegende Haftnotizzettel. Die Aufsicht dekla-riert die gefundenen Notizzettel als Spickzettel. Fr den Studierenden ist die Prfung zu Ende.

    Der Studierende beschwert sich beim Prfungsausschuss, die Haft-zettel seien zuvor an dem in der Klausur zugelassenen Brgerlichen Gesetzbuch geklebt gewesen. Er htte sie vor der Klausur von dem Buch entfernt und tief unten in seine Aktentasche gelegt. Eine Tu-schung sei nicht beabsichtigt gewesen.

    Die Aufsichtsperson legt dem Prfungsausschuss den Sachverhalt anders dar. So htten sich die Haftzettel nicht tief in der Tasche, son-dern mit der Schrift nach oben lose auf dem sonstigen Inhalt der Tasche befunden. Zudem htte sich die Tasche exakt in der Reich-weite befunden, die es dem Studierenden ermglichte, die Zettel ohne Bewegung des Krpers nur mit einer einfachen Bewegung zu ergreifen und zu nutzen.

    Der Vorwurf der beabsichtigten Tuschung wird aufrecht erhalten und die Arbeit des Studierenden mit nicht bestanden bewertet.

  • | Plagiats- und Tuschungskompass22

    Wenn Der stuDierenDe tuscht unD Plagiiert Professorensicht

    Klausur MarketingmanagementEin weiterer Fall ereignete sich vor einiger Zeit im Zusammenhang mit der Klausur Marketingmanagement im Studiengang WI. Der Prfer stellt bei der Korrektur der Klausur eine praktisch wortgleiche bereinstimmung der kompletten schriftlichen Ausfhrungen von zwei Studentinnen fest. Die Arbeiten der beiden Studierenden werden vom Prfer mit dem Vorwurf der Tuschung an den Prfungsaus-schuss bergeben.

    Der Prfungsausschuss hrt die Studierenden an. Sie knnen glaub-haft machen, dass es bei ihnen Praxis ist, zur Klausurvorbereitung den Stoff auswendig zu lernen. Darber hinaus knnen die Studieren-den die Quellen der von ihnen verwendeten Texte genau angeben und die Wortgleichheit mit den Texten in den Quellen nachweisen. Der Vorwurf der Tuschung wird nicht lnger aufrechterhalten. Die Arbeiten der Studierenden werden beide mit gut bewertet.

    Klausur Technische FluidmechanikDer folgende dritte Fall behandelt eine Tuschung, wie sie im Zusam-menhang mit der Klausur Technische Fluidmechanik in einem dua-len Bachelorstudiengang festzustellen war.

    Der Prfer stellt bei der Korrektur der Arbeiten von zwei Studieren-den, die whrend der Klausur nebeneinander saen, eine praktisch identische Lsung einer Aufgabe fest. Ein Vergleich der schriftlichen Darstellungen zeigt, dass sich die Lsung des Studierenden A von der des Studierenden B bereits optisch kaum unterscheidet. Es werden die gleichen, von den Studierenden selbst zu benennenden Hilfsgr-en verwendet, was bereits ungewhnlich ist. Des Weiteren finden sich Nebenbemerkungen auerhalb des normalen Textflusses auf dem Papier an identischen Positionen wieder. Schlielich wird jeder Zweifel, es handele sich mglicherweise um einen Zufall, dadurch

    beseitigt, dass in beiden Fllen dieselben Fehler an denselben Stellen auftreten. Zudem hat der Studierende B etwas nachlssig abge-schrieben. Dort, wo ein Minuszeichen htte stehen mssen, hat er ein Multiplikationszeichen gesetzt, womit seine Zahlenrechnungen zu einem anderen Ergebnis htten fhren mssen.

    Die Studierenden werden vom Prfer mit den Erkenntnissen konfron-tiert. Der Studierende B gibt zu, vom Studierenden A abgeschrieben zu haben. Der Studierende A versichert glaubhaft, von alledem nichts mitbekommen zu haben. Der Studierende A erhlt seine Note, der Studierende B muss erneut zur Klausur antreten.

    Klausur im Bachelorstudiengang WIDer vierte Fall ereignete sich vor nicht langer Zeit whrend einer Klausur im Bachelorstudiengang WI. Ein Studierender wird von der Aufsichtsperson bei der intensiven und lnger andauernden Benut-zung seines Smartphones beobachtet und dabei gestellt. Der Studie-rende kann noch smtliche Anwendungen schlieen und weist zunchst die Beschuldigung der Tuschung zurck.

    Da sich die Anwendungen aufgrund eines Passwortschutzes nicht ffnen lassen, meint die Aufsichtsperson, ber keinerlei Beweis fr die Tuschung zu verfgen. Sie konfisziert kurzerhand das Smart-phone. Schlielich rumt der Studierende den Tuschungsversuch ein. Seine Arbeit wird mit nicht bestanden bewertet. Nach Klrung einiger Fragen mit dem Prfungsamt erhlt der Studierende sein Smartphone zurck.

    Weiterer interessanter VorfallZu einem weiteren interessanten Vorfall kam es in einer Klausur im Studiengang WI, bei der der Verfasser selbst als Aufsicht ttig war. Im Klausurraum sitzen 22 Studierende, die Dauer der Klausur ist auf 60 Minuten angesetzt.

    Etwa die Hlfte der Klausurteilnehmer versprt whrend der Klausur das dringende Bedrfnis, die Toilette aufsuchen zu mssen, was den Studierenden nicht verweigert werden darf. Der erste Studierende nutzt diese Gelegenheit bereits kurz nach Klausurbeginn. Nach seiner Rckkehr geht es fast unterbrechungslos weiter. Die jeweilige Abwesenheit aus dem Klausurraum betrgt zwischen vier und sechs Minuten. Die Namen der betroffenen Studierenden und die Dauer des jeweiligen Toilettenbesuchs werden festgehalten. Am Ende der Klau-surzeit, nach 60 Minuten, sind ca. zehn Teilnehmer notiert.

    In diesem Zusammenhang stellen sich folgende Fragen: Was tun die Studierenden, nachdem sie den Klausurraum verlassen haben? Suchen sie berhaupt die Toilette auf? Holen sie sich an einem geeig-neten Ort gar von Kommilitonen Rat? In jedem Fall lassen sich auer-halb des Klausurraums umfangreichere Spickpapiere, die von den Studierenden krpernah verborgen getragen werden knnen, prob-lemlos einsehen.

    Foto: Till Schrmann

  • Plagiats- und Tuschungskompass | 23

    Wenn Der stuDierenDe tuscht unD Plagiiert Professorensicht

    Greift man die eingangs geschilderten Erfahrungen aus der Schul- und Studienzeit des Verfassers auf, so bietet sich eine einfache wie wirksame Methode an, um den Gebrauch von ver-botenen Spickzetteln in Klausuren zu vermeiden. So lsst der Verfasser bei Klausuren, die er in seinen Fchern Thermodynamik und Energietechnik stellt, eine Stoffsammlung im Umfang von zehn DIN A4 Blttern zu, die beidseitig beschrieben werden drfen. Was die Studierenden in ihre Stoffsammlung hinein-schreiben, entscheiden sie selbst. So sind neben Formeln auch Diagramme und verbale Beitrge zugelassen. Wichtig ist, dass die Studierenden den Stoff selbst und bewusst aus dem Skript auswhlen. Es kommt darauf an, dass sie sich durch diesen Vor-gang intensiv damit befassen und so mageblich zum Lernerfolg beitragen. Die Studierenden schreiben sich auf diese Weise ihren Spickzettel in herkmmlicher Art, den sie zudem noch benutzen drfen. Die Konsequenz ist, so zeigt es die Erfahrung, dass bei einer 90mintigen Klausur nur sehr wenige Studierende die Toi-lette aufsuchen. Niemand hat es ntig, im oder auerhalb des Klausurraums einen Spickzettel wie den in Abb. 1 dargestellten zur Entfaltung kommen zu lassen.

    Angaben zum Autor:Prof. Dr. Knut ThielenStudiendekan des Fachbereichs WirtschaftsingenieurwesenVorsitzender der Prfungsausschsse der Diplom- und Bachelorstudiengnge Wirt-schaftsingenieurwesenDozent des Wissenschaftlichen Zentrums Duales Hochschulstudium an der THM [email protected]/ www.studiumplus.de/wps/splus/home/studiumplus/(Stand 13. November 2012)

    Von links: Ute Bringezu (PA), Prof. Dr. Matthias Willems (MND/ZDH), Prof. Dr. Johannes Ohlert (MND), Karina Lubig (Bib.), Stefan Mallmann (Bib.), Gerhild Donnevert (MNI), Anke Valentin (W), Ute Krause (FSZ), Foto: Marco Gisse

  • | Plagiats- und Tuschungskompass24

    Foto: Fotolia

  • Plagiats- und Tuschungskompass | 25

  • | Plagiats- und Tuschungskompass26

    rechtspraktischen berlegungen zum umgang mit tuschungen und ihren folgen

    marco gisse ist seit nunmehr 20 Jahren Justiziar an der technischen hochschule mittelhessen. er ist an der hochschule ansprech-partner fr (fast) alle rechtsfragen der hochschule und damit auch fr das Prfungsamt die letzte instanz in allen prfungs-rechtlichen angelegenheiten.

    In besagter Infoveranstaltung hat er seine rechtspraktischen berlegungen zum umgang mit tuschungen und ihren folgen mit allen Interessierten geteilt.

    Die Grenzlinien zwischen erlaubt und verboten sind, wie in vielen anderen Lebens- und Arbeitsbereichen, auch auf dem sensiblen Ter-rain des Prfungsrechts nicht immer deutlich sichtbar. Gelegentlich beherrschen extremistische Auslegungsparolen das Feld, deren Pegelausschlag von der jeweiligen Stellung ihrer Anwender im Pr-fungsverfahren abhngig ist: Zwischen den Aussagen Es ist alles erlaubt, was nicht ausdrcklich verboten ist und Es ist alles verboten, was nicht ausdrcklich erlaubt ist besteht unter diesem Gesichts-punkt nicht nur ein gradueller Unterschied, sondern mitunter sogar ein geradezu weltanschaulicher Konflikt. Der bei weitem grte Anteil prfungsrechtlicher Streitflle aber bewegt sich irgendwo zwischen diesen Polen und beruht hufig auf einem Umstand, zu dessen Verschwinden die vorliegende Broschre einen Beitrag leisten will: Nichtwissen.

    Dieser kurze Text beschftigt sich folgerichtig mit einigen ausge-whlten Grenzlinien auf beiden Seiten des Prfungsverfahrens, mit der Tuschungsprophylaxe und wenn es denn einmal doch dazu gekommen ist mit der Ahndung von Missetaten.

    1. AufklrenEine durchaus beliebte Verteidigungsstrategie in gerichtlichen und auergerichtlichen Prfungsstreitigkeiten besteht auf eine kurze Formel gebracht in der Behauptung: Das habe ich nicht gewusst! Allerdings verhalten sich die Erfolgsaussichten dieser Vorgehens-weise in aller Regel umgekehrt proportional zu ihrer Verwendungs-hufigkeit. Denn die mageblichen Regelungen des Prfungsrechts und seiner Auswirkungen, Rechte und Pflichten sind an der Hoch-schule in schriftlicher Form vorhanden; sie knnen von jedem, der es will, eingesehen, kopiert und gelesen werden. Es gehrt zu den blichen berzeugungen der Gerichte, dass einer der Inhalte sowohl der Pflichten der Prfer als auch der Pflichten der Prflinge ist, sich mit den geltenden Prfungsbestimmungen selbst vertraut zu machen und nach ihnen zu handeln.

    Rechtsvorschriften haben aber gleichzeitig die Eigenart, ihre Rege-lungsgegenstnde hchst abstrakt zu formulieren, ein Merkmal, das dem Bestreben geschuldet ist, mglichst viele Lebenssachverhalte mit mglichst wenig Gesetzestext zu umschreiben. Nicht alle Sach-verhalte, die unter eine Rechtsvorschrift subsumiert werden knnen, sind fr Laien auf den ersten Blick zu erkennen. Hinzu kommt, dass es im Prfungsrecht eine Vielzahl von Einzelfallentscheidungen gibt und sich schlielich nicht zuletzt durch die schnelle Entwicklung des Internets Verfahrensweisen in der Praxis herausgebildet haben, die zwar allgemein angewendet werden, aber nicht immer im Ein-klang mit den rechtlichen Voraussetzungen stehen.

    Marco Gisse, Foto: Marco Gisse

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  • Plagiats- und Tuschungskompass | 27

    Ein kleines Beispiel aus der THM-Praxis mag das verdeutlichen: Vor einigen Jahren wurde die Diplomarbeit eines Studierenden mit nicht bestanden bewertet, weil sich bei der Durchsicht herausgestellt hatte, dass nahezu 70 % ihres Inhalts aus Internetquellen zusam-mengefgt wurde, ohne dass diese Quellen im Anhang einzeln kennt-lich gemacht waren; in der Literaturliste fand sich lediglich der magere Verweis auf www.google.de. Der Studierende zog gegen die Bewertung vor Gericht und machte als Rechtfertigung seines Han-delns sinngem geltend, die Nichtanerkennung einer Internet-Suchquelle wie Google als ausreichende Quellenangabe in der Diplom- arbeit sei im Jahre 2006 nicht mehr zeitgem; darber hinaus sei diese Arbeitsweise in der Prfungsordnung ja berhaupt nicht gere-gelt. Deshalb knne die Verwendung von Internethilfen einem Prf-ling auch nicht vorgeworfen werden. Den Hinweis der Hochschule, dass Google als Werkzeug zum Auffinden von Quellen allenfalls mit einer Bibliothek oder ihrem Sachkatalog verglichen werden knne, wollte der Klger auch in der Auseinandersetzung vor dem Verwal-tungsgericht nicht gelten lassen.

    Selbstverstndlich war diese Argumentation aus juristischer Sicht nicht haltbar und wurde folglich auch vom Gericht verworfen. Sie zeigt aber, dass in manchen Bereichen ein Missverhltnis zwischen Recht und Praxis existieren kann, das nicht mehr von allen handeln-den Rechtssubjekten als solches berhaupt wahrgenommen wird.

    Deshalb tut Aufklrung not. Sie ist eine Vorstufe zur Verhinderung von Tuschungen und Plagiaten und sollte deshalb in allen Fachbe-reichen mglichst breitgestreute Informationen in erster Linie fr Studierende, aber auch fr die Prferinnen und Prfer bereithalten. Dazu gehrt die Darstellung der Folgen von Fehlverhalten ( 11 Abs. 5 Allgemeine Bestimmungen fr Bachelorprfungsordnungen der THM: Versucht die Kandidatin oder der Kandidat, das Ergebnis ihrer oder seiner Prfungsleistung, Prfungsteilleistung oder Vorleistung durch Tuschung oder Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen, wird die betreffende Leistung mit nicht ausreichend bewertet; sie gilt als nicht bestanden.) ebenso wie mglichst umfangreiche Informationen zum korrekten wissenschaftlichen Arbeiten, insbesondere zur richtigen Zitierung und zum Anfertigen mustergltiger fachspezifischer Quellenangaben, einschlielich der Behandlung von Internet-Quellen. Da die Voraussetzungen fr die jeweiligen wissenschaftlichen Fachgebiete sehr unterschiedlich sind, knnen an dieser Stelle keine ausfhrlicheren Einzelhinweise gegeben werden.

    Aufklrung ist aber nicht nur eine selbstauferlegte prophylaktische Manahme, sondern gehrt darber hinaus auch zu den gesetzlichen Pflichten der Hochschule als staatliche Ausbildungssttte. 18 Abs. 4 des Hessischen Hochschulgesetzes (HHG) schreibt unmissverstnd-lich vor: Die Hochschulen sollen Regelungen erlassen, die den Studie-renden und Prfenden Hinweise und Orientierung fr ein den akademi-schen Anforderungen gengendes Prfungsverhalten geben. ()

    In die gleiche Kerbe haut der Text der Grundstze der Fachhoch-schule Gieen-Friedberg zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis vom 20. Mrz 2002, einer hausinternen Rechtsvorschrift, mit der sich die Hochschule auf dem Gebiet der Wissenschaftsethik selbst verpflichtet hat. So heit es etwa in 1 Abs. 3 der Grundstze:

    Die Hochschule nimmt ihre Verantwortung fr ihre Absolventinnen und Absolventen auch dadurch wahr, dass sie den Studierenden unter Hinweis auf diese Bestimmungen bereits in den Einfhrungsveranstal-tungen des Grundstudiums im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags die Grundstze wissenschaftlichen Arbeitens und guter wissenschaftli-cher Praxis vermittelt und sie zu Ehrlichkeit und Verantwortlichkeit in der Wissenschaft anhlt. Dabei soll Sensibilitt auch im Hinblick auf die Mglichkeit wissenschaftlichen Fehlverhaltens vermittelt werden.

    Den vollstndigen Text sowie einige andere fr den Hochschulbereich wichtige Vorschriften finden Sie brigens auf der Homepage der THM unter http://www.thm.de/site/rechtsvorschriften/_.html.

    Von links: Hajo Kppen, Prof. Dr. Bernd Heimrich (KMUB), Foto: Marco Gisse

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  • | Plagiats- und Tuschungskompass28

    2. VerhindernGelegenheit macht Diebe. Diese schon etwas angestaubte Weisheit gilt unverndert auch im Prfungsbereich, insbesondere und natur-gem bei Klausuren bei mndlichen Prfungen drfte die beson-dere Prfungssituation Tuschungsmanver weitgehend verhindern, bei schriftlichen Hausarbeiten ist die Kontrolle regelmig auf das fertige Werk beschrnkt, da seine Anfertigung der direkten Einwir-kung durch die Prfer entzogen ist. Um Tuschungshandlungen bei Klausurprfungen zu verhindern, gibt es eine Reihe von organisatori-schen Manahmen, die nachfolgend kurz juristisch bewertet werden sollen:

    a. SitzordnungDie grozgige Separierung der Prflinge voneinander ist ein bewhrtes Mittel, das keinen juristischen Bedenken begegnet, aber wegen ungeeigneter Rumlichkeiten und fehlendem Aufsichtsper-sonal nicht immer zufriedenstellend in die Praxis umgesetzt werden kann.

    b. Festlegung der erlaubten HilfsmittelDa die geltenden Prfungsordnungen (s. o.) die Sanktionierung pr-fungsrechtlichen Fehlverhaltens vom Vorliegen einer Tuschungs-handlung oder der Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel abhn-gig machen, kommt der Festlegung eben dieser zugelassenen Hilfsmittel zentrale Bedeutung zu. Das ist unter rechtlichen Gesichts-punkten nicht nur unproblematisch, sondern sogar hchst wn-schenswert: Je genauer die zugelassenen Hilfsmittel definiert wer-den am besten schriftlich und mit dem Hinweis versehen, dass die Verwendung anderer Hilfsmittel als Tuschungsversuch angesehen werden kann , desto einfacher ist es, auch in Grenzfllen Verste nachzuweisen und zu sanktionieren. Das gilt besonders dann, wenn es um Hilfsmittel (z. B. Mobiltelefone) geht, deren bloe Mitfhrung schon prfungsrechtliche Sanktionen auslsen, bei denen also quasi das Vorliegen des objektiven Tatbestands die Rechtsfolge herbeifhren kann.

    c. Sichtkontrolle whrend der PrfungDie klassische Aufgabe des Aufsichtspersonals, um ebenso klassische Tuschungsmanver zu entdecken: Spickzettel, vorgefertigte Bltter, unerlaubte Anmerkungen in erlaubten Hilfsmitteln, aber auch moder-nere technische Hilfsmittel wie Mobiltelefone, Kleinstrechner und MP3-Player. Die Befugnisse des Aufsichtspersonals erstrecken sich allerdings nicht auf Leibesvisitationen, Taschen- und Bekleidungskon-trollen. Wer den vermeintlichen, versteckten Spickzettel nicht freiwillig herausgibt, kann von der Aufsicht nicht dazu gezwungen werden. Aller-dings kann die Verweigerung unter Umstnden bereits als sog. Anscheinsbeweis gewertet werden.

    d. Ausgabe gekennzeichneter ArbeitsbltterOb nummeriert, bunt oder mit Wasserzeichen, kann dieses Verfahren hilfreich sein und ist auch unter rechtlichen Gesichtspunkten ohne weiteres mglich.

    e. AusweiskontrolleKann sich auf den Studierendenausweis und/oder den Personalausweis beziehen und ist rechtlich unproblematisch, um z. B. potenzielle Stell-vertreterinnen und Stellvertreter im Klausurtermin zu erkennen.

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    f. Gesonderte Lagerung von Taschen und Kleidungsstcken (Jacken, Mntel)Soweit keine sicheren Aufbewahrungsmglichkeiten auerhalb des Prfungsraums vorhanden sind, knnen die Gegenstnde ohne wei-teres zumindest in einiger Entfernung von den Prflingen gelagert werden.

    g. Taschen- und MantelkontrolleDie Inspizierung privater Gegenstnde der Prflinge ist ohne deren freiwillige ausdrckliche Zustimmung nicht mglich.

    h. ToilettenverbotEin heikles Thema, da die Verhinderung der Verrichtung menschlicher Bedrfnisse sich rasant schnell auf einen strafrechtlich geschtzten Bereich zubewegen kann und den Prfern oder dem Aufsichtsperso-nal dann der Vorwurf der Krperverletzung drut. Umfangreiche uerungen der Rechtsprechung gibt es dazu bisher nicht; einige Ver-waltungsgerichte haben (fr den Schulbereich) die Feststellung getroffen, dass ein generelles Toilettenverbot bei einer 45mintigen Klassenarbeit noch nicht per se rechtswidrig sein mag. Es kann aber je nach den Umstnden des Einzelfalls auch in solchen Fllen geboten sein, Ausnahmen zuzulassen.

    i. Wegnehmen persnlicher Gegenstnde der PrflingeSollte man grundstzlich unterlassen, unabhngig davon, ob die Wegnahme zu Beweiszwecken oder zur Vorbeugung erfolgt. Das Auf-sichtspersonal kann anbieten, dass die Prflinge mitgefhrte Gegen-stnde, die z. B. unter die Rubrik unerlaubte Hilfsmittel fallen, vor Prfungsbeginn abgeben.

    3. ErkennenVerhltnismig unproblematisch ist das Erkennen von Versten in Fllen der Qualitt in flagranti; bei spter festgestellten Unstim-migkeiten kommt es hufig auf die bereits erwhnten Umstnde des Einzelfalls an, wie es unter Juristen ein wenig ausweichend aber zutreffend heit. Mgliche Anhaltspunkte, die auf Tuschungen, Plagiate und hnliche Fehlleistungen hindeuten knnen, werden im Beitrag Tuschung Erkennen, aufdecken und beweisen bereits beschrieben; auch die Sinnhaftigkeit der Verwendung von Plagiats-software wird an anderer Stelle ausfhrlich diskutiert und muss hier nicht wiederholt werden. Da die Umstnde des Einzelfalls aber naturgem Legion sind, muss im Zusammenhang mit dem Erken-nen in erster Linie auch dafr Sorge getragen werden, dass das Erkannte nicht wieder in Vergessenheit gert. Deshalb gilt es, das Geschehene mglichst bald so zu verfestigen, dass man die Umstnde des Vorfalls ggf. mit einigem zeitlichen Abstand wieder reproduzieren kann. Gerade in Situationen, in denen die Beteiligten mitunter erheb-lichen Stressbelastungen ausgesetzt sind, werden die erinnerten Handlungen im Zeitablauf hufig dramatisiert und verlieren dabei an der gebotenen Genauigkeit. Es empfiehlt sich also (soweit das nach der Prfungsordnung nicht ohnehin vorgeschrieben ist), den Vorfall umgehend und detailliert zu protokollieren, denn die Hochschule ist in Streitfllen im Hinblick auf das Vorliegen eines Tuschungsver-suchs beweispflichtig. Zu protokollieren sind dabei alle Umstnde, aus denen sich der prfungsrechtliche Versto oder sein Versuch ergibt bzw. ergeben kann: Wer hat abgeschrieben, wer hat abschreiben

  • Plagiats- und Tuschungskompass | 29

    abschreiben, Plagiieren, zitieren, sanktionieren was ist noch erlaubt?

    lassen? Wurde das Mobiltelefon benutzt, zu benutzen versucht oder nur mitgefhrt? Wurden die Prflinge vor der Klausur ausreichend deutlich ber die erlaubten Hilfsmittel und die Folgen von Versten informiert? Was hat der Delinquent zu seiner Verteidigung vorge-bracht?

    Mgliche Tuschungsversuche sind im brigen nicht allein auf die konkrete Prfungssituation (z. B. bei einer Klausur, whrend einer Hausarbeit oder bei der Vorbereitung auf eine mndliche Prfung) beschrnkt, sondern knnen sich durchaus auch in anderen Zusam-menhngen ergeben. So wertet es etwa die Rechtsprechung als einen Tuschungsversuch, wenn ein Prfling im Rahmen eines Widerspruchs- oder berdenkensverfahrens mit dem Prfer Kontakt aufnimmt und ihn zu beeinflussen versucht, indem er auf die Trnen-drse drckt (vgl. Zimmerling/Brehm: Die aktuelle Rechtsprechung zu den juristischen Prfungen, NVwZ 6/2009, S. 362).

    4. Sanktionierena. Rechtsgrundlagen, oder: Im Dunstkreis von Art. 12 GGDas Hochschulprfungsrecht ist ein Gebiet, auf dem die irgendwie ja immer als eine Art Hintergrundrauschen vorhandenen Grundrechte und ihr Zusammenhang mit der Wirklichkeit zumeist sehr schnell und auch sehr deutlich sichtbar werden. Wer studiert, tut das in der Absicht, nach erfolgreichem Studium einen bestimmten Beruf auszu-ben. Gleichzeitig nimmt sie oder er das durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG garantierte Grundrecht in Anspruch: Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungssttte frei zu whlen.

    Wer bei einer Prfung gegen 11 Abs. 5 der Allgemeinen Bestim-mungen fr Bachelorprfungsordnungen der THM verstt, verliert einen Prfungsversuch oder luft sogar Gefahr, dauerhaft von der Weiterverfolgung ihres oder seines Berufswunsches ausgeschlossen zu werden, denn bei endgltigem Nichtbestehen ist das Studium beendet und eine sptere Berufsausbung nicht mehr mglich. Fr derartig einschneidende Bestimmungen des Prfungsrechts, die mit den von ihnen angeordneten Rechtsfolgen die Berufswahl und die Berufsausbung unmittelbar betreffen, ist der sog. Regelungsvorbe-halt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG zustndig: Die Berufsausbung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. Eine untergesetzliche Rechtsnorm wie die Prfungsordnung als Hochschulsatzung muss also, anders gesagt, auf einer ausreichen-den gesetzlichen Ermchtigungsgrundlage beruhen und darber hinaus selbstverstndlich auch den Vorgaben dieser Ermchtigung entsprechen.

    Einschlgig ist insoweit fr die hessischen Hochschulen und damit auch fr die THM das Hessische Hochschulgesetz, in dem haupt-schlich die Vorschriften der 18 und 20 Regelungen enthalten, die sich mit den Voraussetzungen der Berufswahl und der Berufsaus-bung beschftigen. 18 HHG legt unter anderem fest, dass ein Hochschulstudium durch verschiedene Formen von Prfungen abge-schlossen wird, wer zur Abnahme von Prfungen berechtigt ist und welche weiteren Leistungen auf Prfungen angerechnet werden kn-nen. 20 erklrt die von den Hochschulen als Satzungen zu erlas-senden Prfungsordnungen als Voraussetzung fr diese Prfungen und beschreibt die Mindestinhalte der Prfungsordnungen. Fr den

    Von links: Prof. Dr. Friedrich-Karl Feyerabend (SuK), Bettina Drr-Schmidt (SPS), Prof. Dr. Knut Thielen (WI), Foto: Marco Gisse

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    hier interessierenden Bereich der Sanktionierung von Fehlverhalten ermchtigt 20 Abs. 2 Nr. 12 HHG die Hochschulen, in ihren Pr-fungsordnungen die Folgen von Versten gegen Prfungsvorschriften zu regeln. Ergnzend ermchtigt 18 Abs. 4 Satz 2 HHG (historisch sehr viel jnger und systematisch an dieser Stelle nicht auf Anhieb einleuchtend) die Hochschulen, Regelungen zu erlassen, die im Falle von schwerwiegenden oder wiederholten Tuschungsversuchen die Exmatrikulation der Tter vorsehen. Das kann in einer eigenstndigen hochschulinternen Norm geschehen, aber auch in den einschlgigen Bestimmungen der Prfungsordnungen.

    Damit ist der grundgesetzliche Regelungsvorbehalt in Bezug auf die prfungsrechtliche Sanktionsmglichkeit erfllt: Die Prfungsord-nung beruht auf einer entsprechenden Ermchtigungsvorschrift des parlamentarischen Gesetzgebers in Hessen.

    b. Was oder wer wird sanktioniert?Zweck einer (Hochschul-)Prfung ist es festzustellen, ob der Studie-nerfolg eingetreten ist (). Dieser Nachweis ist regelmig nicht erbracht, wenn der Prfling bei Prfungsleistungen () tuscht, weil er insofern keine eigene, eigenstndige fachliche Prfungsleis-tung erbringt, die etwas ber seine fachliche Qualifikation aussagt, und er zugleich gegen den Grundsatz der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) verstt. (VG Dsseldorf, Entscheidung vom 17.06.2009, Az.: 15 K 5332/07)

    Dieser Auszug aus einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ver-deutlicht, dass durch Tuschungen bei Prfungsleistungen gewisser-maen doppelt gesndigt wird: Zum einen gegenber dem Prfungs-gremium, dessen Bild ber den Leistungsstand der Tuschenden verflscht wird, zum anderen gegenber den Mitprflingen, vor denen sich die Tuschenden einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen trachten. Man knnte als drittes Tuschungsopfer sogar noch die oder den Tuschenden selbst hinzufgen, indessen wird die Eigenschdi-gung durch Selbstbetrug im Prfungsverfahren nicht von den Sankti-onsvorschriften erfasst. Die Prfungsordnungen (Beispiel: 11 Abs. 5 und 6 Allgemeine Bestimmungen fr Bachelorprfungsordnungen der THM, s. o.) sehen regelmig einige zentrale Tatbestandsmerkmale vor, deren Vorliegen eine bestimmte festgelegte Rechtsfolge nach sich zieht: Versuch, Ergebnis, Tuschung oder Benutzung nicht zuge-lassener Hilfsmittel, beeinflussen und Strung des ordnungsge-men Ablaufs eines Prfungstermins (Abs. 5) sind die Merkmale, die sozusagen auf der ersten Eskalationsstufe das Nichtbestehen der jeweiligen Prfung zur Folge haben, schwerwiegende Flle (Abs. 6) bezeichnet ein qualifizierendes Merkmal, dessen Vorliegen auf der zweiten, verschrften Eskalationsstufe zum Ausschluss von weiteren Prfungen und damit zum endgltigen Nichtbestehen fhren kann. Was unter einem schwerwiegenden Fall zu verstehen ist, wird mit einigen Beispielstatbestnden (Wiederholungsfall, Schicken eines Stellvertreters) unterfttert, aber nicht abschlieend festgelegt. Da bereits der Versuch sanktioniert wird, kommt es nicht darauf an, ob der Prfling mit seinem Vorhaben Erfolg hatte oder nicht.

    blicherweise ist klar, wer von den prfungsrechtlichen Sanktions-manahmen betroffen ist, nmlich die Tterin oder der Tter. In bestimmten Fllen kann es sich sogar um mehrere Personen oder alle beteiligten Prflinge handeln, wenn z. B. eine Musterlsung ent-wendet und von mehreren in der Prfung benutzt wurde. Aber wie ist mit Prflingen zu verfahren, die ihre Sitznachbarn nachweislich haben abschreiben lassen, sei es aus Mitleid, Freundschaft oder aus sonstigen Grnden? Mitgefangen, mitgehangen?

    Mit diesem nicht ganz selten auftretenden Fall haben sich die Gerichte bereits vor geraumer Zeit relativ ausfhrlich beschftigt, und der Baden-Wrttembergische Verwaltungsgerichtshof ist in einer Entscheidung vom 21.11.1978 (Az.: IX 1112/78) zu folgendem Ergebnis gekommen (Leitsatz):

    1. Eine Tuschung im prfungsrechtlichen Sinne liegt nur bei eigen-ntziger Verwendung unerlaubter Hilfen vor.2. Besteht wegen Bearbeitungsparallelen nebeneinander sitzender Prflinge der Verdacht des Abschreibens, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafr, dass derjenige abgeschrieben hat, der unter

    Von links: Ute Krause (FSZ), Prof. Dr. Hayo Reimers (W), Prof. Dr. Carsten Zack (W) Foto: Marco Gisse

    abschreiben, Plagiieren, zitieren, sanktionieren was ist noch erlaubt?

  • Plagiats- und Tuschungskompass | 31

    Foto: Birgit Kuhl

    Absehen von einer Sanktionsnote wegen Tuschung eine deutlich schwchere Prfungsarbeit abgeliefert hat als sein Nachbar.

    Die Begrndung des Gerichts orientiert sich in erster Linie am Pr-fungszweck und ist ein schnes Beispiel fr differenzierte Rechtsan-wendung; sie soll deshalb an dieser Stelle auszugsweise zitiert werden: Es ist nicht nachgewiesen, dass der Klger das Ergebnis des Leis-tungsnachweises durch Tuschung zu beeinflussen versucht hat ().

    Tuschung im Sinne des Prfungsrechts () ist die Vorspiegelung einer eigenstndigen und regulr erbrachten Prfungsleistung, um bei dem Prfer ber die ihr zugrunde liegenden Kenntnisse und Fhigkeiten einen Irrtum zu erregen (Urteil des Senats vom 22.11.1977 IX 972/75 mit weiteren Nachweisen). Die Sanktion bei Tuschung knpft an die Tatsache an, dass zu einer ordnungsmigen Prfungs-leistung die eigenstndige, nur mit den zugelassenen Hilfsmitteln erfolgte Bearbeitung der Prfungsaufgabe gehrt. Eine Tuschung im prfungsrechtlichen Sinn kann damit nur dort vorliegen, wo diese selbstverstndliche Bewertungsgrundlage berhrt wird. Ein derarti-ger Bezug fehlt bei der Prfungsleistung eines Prflings, der uner-laubt einem Mitprfling bei der Bearbeitung der Aufgabe hilft. Durch diese Hilfe wird seiner Prfungsleistung nicht die ungeschrie-bene Bewertungsgrundlage entzogen, sondern lediglich derjenigen des Mitprflings. Wrde die Sanktionsnote "ungengend" dem Hel-fenden erteilt, wrde dies eine Disziplinarmanahme darstellen, die mit dem Grundsatz der Verhltnismigkeit in Konflikt treten wrde. Denn die "Einziehung" seiner Prfungsleistung ist nicht vom Pr-fungszweck her geboten (wie bei derjenigen Prfungsleistung, wel-cher der Mangel prfungsordnungswidriger Beeinflussung anhaftet), zumal die Hilfeleistung hufig nur einen geringen Unrechtsgehalt haben wird (etwa bei geringen Hilfen aus Mitleid).

    Der Umstand, dass mit Hilfe der weiteren Auslegung vor allem die Beweisfhrung fr die Prfungsbehrde erleichtert wrde, reicht zur Legitimierung eines Sanktionszwecks nicht aus, da allein mit dieser Begrndung eine derartige Sanktion den Grundsatz der Verhltnis-migkeit verletzen wrde. Denn d