Logistik als Metasystem der Infrastruktur. Die ... · Logistik als Metasystem der Infrastruktur....
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Richard Vahrenkamp Universität Kassel
Logistik als Metasystem der Infrastruktur.
Die Eisenbahnlogistik und die neuen Herausforderungen der
LKW-Logistik für die Nah- und Fernversorgung 1920 bis 1940
Center for Metropolitan Studies an der der TU Berlin,
am 22. November 2008
Richard Vahrenkamp Universität Kassel
Erster Weltkrieg als Anstoß für die Verbreitung von LKW
LKW aus Armeebeständen, ausgebildete Soldaten.
Vertrag von Versaille gab den Alliierten Zugriff auf die Deutsche Eisenbahn.
Im Ruhrkampf 1923 Beschlagnahme von Eisenbahnkapazität.
Besetzung des Rheinlandes bis 1930.
Technischer Fortschritt, z. B. Luftreifen, Leistungssteigerung und
Verbilligung von LKW in den 1920er Jahren.
Transportengpässe wurden durch den LKW überwunden.
Im Jahre 1929 befanden sich 30% des LKW-Bestandes des Landes Preussen
im Rheinland.
Adenauer und Horion schlugen den Bau der Autobahn Köln – Düsseldorf vor.
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Neue Geschäftsfelder für LKW-Unternehmer
Lieferverkehre im Stadtbereich
Speditionen mit „Kraftlinien“ für Intercity-Verkehre (Fernverkehre)
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Starkes Wachstum von leichten LKW (Lieferwagen)
In 1920er Jahren starkes Wachstum von leichten LKW (Lieferwagen),
die preisgünstiger und schneller waren als schwere LKW.
Belieferung von Filialen (Filialisierung des Handels)
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Systemvergleich Eisenbahn - Lastkraftwagen
Eisenbahn Lastkraftwagen
Zentralistisch atomistisch
Infrastruktur Schienennetz
Infrastruktur Strassen
Landstrassen und
Stadtstrassen
Im Schienennetz hohe
Fixkostenniedrige Fixkosten
Verkehr von Bahnhof zu
BahnhofHaus-zu-Haus Transport
Nicht alle Kommunen am
NetzJede Kommune erreichbar
Nach Gesetz
Betriebspflicht und
Beförderungspflicht
Freie Kontrahierung
LKW-Gewerbe: kleinteilig, niedrige Markteintrittsbarriere,
„ruinöse Konkurrenz“, niedrige Qualifikation der Unternehmer
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Wettbewerb Reichsbahn - LKW
Linie Länge km Kraftwagen Eisenbahn
Zahl der
Abfahrten
Zahl der Züge
monatlich
Menge t Fahrtdauer
Std.
Abfahrten Fahrtdauer
Std.
Berlin - Dessau 120 3 x wöch. 22 180 4 3 x wöch. 12
Berlin - Stettin 135 täglich 32 220 8 täglich 12
Berlin - Magdeburg 142 täglich 8 72 12 täglich 12
Berlin - Spremberg 150 täglich 26 150
Berlin - Leipzig 170 täglich 33 337 8 täglich 12
Berlin - Dresden 180 täglich 24 280 8 täglich 12
Berlin - Braunschweig 225 täglich 25 50 9 täglich 12
Berlin - Hannover 256 täglich 30 350 12 täglich 12
Berlin - Hamburg 280 täglich 26 182 10 täglich 12
Berlin - Breslau 326 täglich 35 346 12 täglich 12
Berlin - Kassel 416 3 x wöch. 8 80 20 täglich 15
Berlin - Nürnberg 485 3 x wöch. 24 276 17-22 täglich 20
Berlin - Elberfeld 509 täglich 12 160 täglich 36
Berlin - Dortmund 540 täglich 12 160 24 täglich 12
Berlin - Düsseldorf 543 täglich 12 160 24 täglich 21
Berlin - Köln 557 täglich 64 833 30 täglich 36
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Wettbewerb Reichsbahn – LKW der 1920er Jahre
Zahlreiche Stellungnahmen und Gutachten zu diesem Thema
Klage der Reichsbahn über Umsatzverluste durch LKW und Auto.
Die mächtige Lobby der Reichsbahn konnte sich durchsetzen:
Notverordnung von Kanzler Brüning im Oktober 1931 zum „Überlandverkehr“
Genehmigungspflicht von Buslinien und LKW-Linien.
Starke Stellung der Reichsbahn, die nach dem Dawes-Plan jährlich 660 Mio. RM
an Reparationszahlungen aufzubringen hatte.
Der Wettbewerb Reichsbahn – LKW fand in einem expandierenden
Transportmarkt statt. Die Daten stützen nicht die These der Reichsbahn
vom Umsatzverlust beim Gütertransport.
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Umsätze der Reichsbahn im Güterverkehr
Geschäftsjahr 1925 1925 normalisiert 1926 1927 1928 1929
Personenverkehr 1.710.992.983 1.368.794.386 1.320.175.242 1.379.571.987 1.443.338.036 1.423.236.256
Güterverkehr 3.536.888.629 2.829.510.903 2.830.619.404 3.226.400.653 3.276.357.469 3.485.405.425
Sonstiges 420.800.905 336.640.724 390.006.116 433.296.590 439.534.808 445.192.576
Summe 4.534.946.014 4.540.800.762 5.039.269.230 5.159.230.313 5.353.834.257
Das Geschäftsjahr 1925 lief über 15 Monate vom 1.10.1924 bis 31.12.1925
1925 normalisiert: sind die Daten aus 1925 multipliziert mit 12/15, bezogen auf 12 Monate
Transporte der Reichsbahn nach Güterarten
Wachsender Umsatz im Güterverkehr
Jahr 1925 1926 1927 1928 1929
Stückgut in Mio.
Tonnen15,6 14,6 16,9 16,9 16,2
Wagenladung in
Mio. Tonnen356 370,1 413,68 409,56 414,84
Anstieg bei Stückgut und Wagenladung (Massengut)
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Das Stückgut und die Evolution des konsumorientierten
Wirtschaftssystems in den 1920er Jahren
Steigende Bedeutung von Fertigwaren und Konsumgütern
Großflächiger Einzelhandel, Filialisierung (Handels-Enquete 1929)
Konsumorientierte Dienstleistungen: Finanzierung, Versicherung, Tourismus
Automobilindustrie als ein wichtiges Element des konsumorientierten
Wirtschaftssystems. Das Auto als (langlebiges) Konsumgut und als Transportmittel
beim Einkauf (Massenkonsumgesellschaft).
Der Autobestand stieg in Deutschland mit einer Wachstumsrate von 33% p.a.
rapide von 32.000 in 1920 auf 500.000 in 1930.
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Beispiel Automobil: Keine Standardisierung
bei Reifen und Felgen.
Daher kaum Vorratshaltung für die vielen
Typen möglich.
Bei Reparaturen daher häufig Bestellungen
beim Zentrallager:
Aufbau moderner Logistiksysteme im
Stückgutversand, wie LKW-Speditionen für
schnelle Belieferung.
Aber: Der Stückgutverkehr der
Eisenbahn dauerte mindestens 4 Tage.
Steigender Versand von Stückgütern
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Das Stückgut als Sprengsatz der Eisenbahnlogistik
Das Güterbahnhof-Netzwerk von Breslau 1929
mit 24 Bahnhöfen
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Das Güterbahnhof-Netzwerk von Berlin 1911
34
Bahnhöfe
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Das Güterbahnhof-Netzwerk von Nürnberg 1909
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Ein Modell der Güterbahnhof-Netzwerke von Großstädten
Zugbildungsbahnhof
mit Umschlagshalle
für StückgutFernrelation
Post,
Schlachtvieh
Gemüsegroß-
markt
Lokaler
Güterbahnhof
Lokaler
Güterbahnhof
Lokaler
Güterbahnhof
Lokaler
Güterbahnhof
Spezialisierte
Terminals
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Güterschuppen Bahnhof Kassel
Ladestrasse Gleisseite
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Die Stückgut-Umschlagshalle von Magdeburg 1928
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Güterbahnhöfe, insb. Stückgutumschlag als Engpässe
Ständiger Ausbau von Güterbahnhöfen (Berlin-Tempelhof, Köln, Heilbronn…)
Versuche, die Kapazität beim Stückgutumschlag zu steigern und den
Stückgutumschlag zu beschleunigen
Ladestrasse
Gleis
Schuppen
Versand Empfang
200 m
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Maßnahmen zur Kapazitätssteigerung
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Doppelstöckige Schuppen
Maßnahmen zur Kapazitätssteigerung
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Expansion von LKW-Speditionen als Reaktion auf die
Engpässe im Stückgutverkehr
Terminal TerminalFernverkehr
Sammeln und
Verteilen
Sammeln und
Verteilen
Anstelle überfüllter Stückgutbahnhöfe erfolgte der Aufbau von
speditionseigenen Umschlagsterminals. Speditionen als Pioniere
der Logistikindustrie.
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Kampf der Eisenbahnlobby gegen eine leistungsfähige
Logistikindustrie
1931: Notverordnung Kanzler Brüning gegen „Kraftlinien“
1933: Zulassungsstopp für LKW im Fernverkehr, maximal 12.000
1935: Restriktives Güterkraftverkehrsgesetz im NS-Stil
1938: Transportkrise in der Aufrüstung (Grenzbefestigung Frankreich)
Die Chance wurde vertan, den LKW als Transportbasis des konsumorientierten
Wirtschaftssystems anzuerkennen.
Auch in der späteren BRD führte die Verkehrspolitik bis 1980 einen
Kampf gegen den LKW („Leberplan“ ...). Unterschied zu den Niederlanden,
wo die Politik den LKW-Verkehr förderte.
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Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Literatur:
Richard Vahrenkamp : Logistik als Metasystem der Infrastruktur.
Die Grenzen der Eisenbahn-Logistik und der Aufstieg der
Lastwagen-Logistik 1900 bis 1938, in: Wiebeke Porombka, Heinz
Reif und Erhard Schütz (Hersg.): Versorgung und Entsorgung der
Moderne – Logistiken und Infrastrukturen der 1920er und 1930er
Jahre, Frankfurt 2011, S. 123- 152.