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Ethisch-kritische und gesellschaftliche Wertvorstellungen in Bezug zur eigenen Person des Beraters/der Beraterin in der Pränataldiagnostik und -medizin Barbara Maier Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Paracelsus Universität

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Ethisch-kritische und gesellschaftliche Wertvorstellungen in Bezug zur eigenen Person des Beraters/der Beraterin in der Pränataldiagnostik und -medizin

Barbara Maier Universitätsklinik für Frauenheilkunde und

GeburtshilfeParacelsus Universität Salzburg

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Inhalt• I. Ethik und Moral • II. Zum Begriff der pränatalen Diagnostik PND• III. Entscheidung zur/in der PND, Exkurs: Autonomie• IV. Betroffenheit und psychische Konflikte• V. Genetische Frühdiagnostik im Setting unserer

Gesellschaft• VI. Technologien und Schwangerschaftsbetreuung• VII. Pränataldiagnostische Implikationen:“Die

Bewertung menschlichen Lebens... in Abhängigkeit vom Gestationsalter“.

• VIII. Verantwortungsvolle Elternschaft unter PND und PID

• IX. „Ambivalente Technologien“?• X. Kasuistiken... “Narrative Ethik“, Diskursethik

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I. Was ist eine ethische Frage?

Wie steht es um unsere Moral ?Binnenmoral der Pränataldiagnostik/medizin - Moral in unserer Gesellschaft „Bürgermoral“?

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Wann bricht eine ethische Frage auf?

• Unsere Erfahrung, das, was wir als „moralisch“ zu bezeichnen gewohnt sind, gerät in Konflikt mit dem, was in einer bestimmten („neuen“) Situation (von uns) gefordert ist...

• Voraussetzung : moralische Sensibilität, Bereitschaft zu kritischer Auseinandersetzung, Übernahme von Verantwortung

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Ethik ist gefragt, wenn...(Düwell 2003)

• Wenn es ein Problem gibt, wenn man also noch gar nicht weiß, ob Fetozid, aktive indirekte Sterbehilfe, Therapieeinschränkung zulässig sind oder ob z.B. der Schwangerschaftsabbruch unmoralisch ist.

• Wenn Reflexion auf unsere moralischen Überzeugungen, Argumente und Urteile gefordert ist.

• Wenn aufgrund neuartiger Fragen oder Situationen, moralische Beurteilungen uneindeutig, unklar oder fraglich sind.

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Klärungen zu Ethik und Moral:

• Moral : Wertvorstellungen in Gesellschaften und ihren Binnenbereichen, in die wir sozialisiert worden sind...

• Moral ist das uns allen (nur allzu) Vertraute, das wir gewohnt, für das wir oft „betriebsblind“ geworden sind...

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Ein Beispiel: Waris Dirie, Die Wüstenblume, Beschneidung als Inkulturation der Frau in eine nomadische Gesellschaft.

Moralisches Erfordernis, um in dieser Gesellschaft als Frau (über)leben zu können.Konsequenzen der Beschneidung (als Anwendung einer gesellschaftlich akzeptierten moralischen Wertvorstellung): Verstümmelung in körperlicher/sexueller, psychischer Hinsicht... Menstruationsbeschwerden, Probleme bei der Geburt, Infektionsgefahr, viele Frauen sterben...Ethische Kritik: an den Folgen orientiert: in erster Linie für Betroffene, dann auch für die Gesellschaft, in der sie leben.

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Klärungen zu Ethik und Moral:

• Ethik : Kritik von Moral. Ethik ist ein Angriff auf das (allzu) Vertraute, das sogenannte „Normale“, nie Hinterfragte. Ethik ist Kulturkritik.

• Ethische Analyse erfolgt auch nicht vom Standpunkt eines unbeteiligten Beobachters aus...Wir alle wurden inkulturiert, (un)moralisch sozialisiert, (allzu) vertraut mit den Werten, der Gesellschaft, in der wir leben...

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Moral und Ethik:Auseinandersetzung und

Vermittlung

Dialektische Prozesse

MORAL

Σ der Wertvorstellungenin einer Gesellschaft

Folgen

Anwendung

Ethische Kritik

Ethik = Kritik von Moral

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II. Zum Begriff der pränatalen Diagnostik

• Pränatale Diagnostik (PND) ist ein relativ unscharfer Terminus, der zudem nicht ohne seinen Rahmen, den der pränatalen Medizin, analysiert und bewertet werden kann.

• M. Düwell hat für den in der Gesellschaft heftig kritisierten Bereich der PND den Begriff genetische Frühdiagnostik geprägt (Düwell 1998), der die wesentlichen Merkmale der Diskussion umfasst: die Anwendung gendiagnostischer Methoden an Embryonen und Feten vor und während der Schwangerschaft.

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II. Zum Begriff der pränatalen Diagnostik• Vor der Schwangerschaft bezieht sie sich auf eine

spezielle Form pränataler Diagnostik, nämlich die präimplantatorische Abklärung von Embryonen, die im In-vitro-Fertilisationsverfahren entstanden sind und vor dem Transfer in die Gebärmutter auf eine bestimmte genetische Veränderung untersucht werden können (PID).

• Methoden etablierter genetischer Frühdiagnostik sind die Chorionzottenbiopsie (CVS), die Fruchtwasserpunktion (Amniocentese = AC) und die Nabelschnurpunktion (FBS = Fetal blood sampling).

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III. Schwangere Frauen respektive Paare vor der Entscheidung zu genetischer Frühdiagnostik• Die moralische Legitimierung genetischer

Frühdiagnostik bezieht sich im allgemeinen auf die Erweiterung von Handlungs- und Entscheidungsspielräumen der Schwangeren bzw. des betroffenen Paares.

• Sie sind diejenigen, die die Konsequenzen eines Lebens mit einem schwer kranken oder behinderten Kind zu tragen haben, in einer Gesellschaft – so wird von ihnen zu Recht befürchtet – mit nicht allzu viel Solidarität, nicht allzu großer Bereitschaft zu Hilfe und Unterstützung von Eltern und Kindern mit besonderen Bedürfnissen.

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III. Schwangere Frauen respektive Paare vor der Entscheidung zu genetischer Frühdiagnostik

• Wer genetische Frühdiagnostik verbieten möchte, macht es betroffenen Paaren unmöglich, Entscheidungen zu treffen, setzt sie unentschiedenen Konsequenzen für ihr Leben aus.

• Wenn Schwangere/Paare die Entscheidung zu genetischer Frühdiagnostik treffen dürfen, geht es ihnen im Entscheidungsprozess um folgende Fragen: Was kann ich dem Kind, was kann ich mir selbst, was meinem Partner, gegebenenfalls weiteren Kindern, was kann ich meiner Familie zumuten? (Akmanlar-Hirscher, Maier 2002)

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III. Schwangere Frauen respektive Paare vor der Entscheidung zu genetischer Frühdiagnostik

• Über die Zumutbarkeit entscheidet die schwangere Frau respektive das Paar. Sie leben mit der Entscheidung, mit den Konsequenzen ihres Handelns, die zudem oft ambivalent kommentiert werden („Betroffenheitskompetenz“).

• Betroffene Frauen/Paare müssen einerseits fürchten, für ein behindertes Kind verantwortlich gemacht zu werden (in Zeiten möglicher genetischer Frühdiagnostik sei ein solches bei entsprechender „Vorsorge“ verhinderbar), andererseits Angst davor haben, für einen Schwangerschaftsabbruch von Pro-Life-Aktivisten Schelte zu bekommen. Reaktionen in unserer Gesellschaft sind nicht nur ambivalent, double-binding, sondern führen in ihren praktischen Auswirkungen auch zu unsolidarischem Handeln.

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IV. Betroffenheit... psychische Konflikte

• Unmittelbar Betroffene sind schwangere Frauen unter bestimmten Risikobedingungen und Paare mit genetisch problematischer Familienanamnese, die PND bzw. PID zur Abklärung und nach ihrer Sicht zu verantwortlicher Elternschaft in Anspruch nehmen möchten.

• Mittelbar Betroffene sind Menschen mit Behinderungen, die sich in einer Gesellschaft diskriminiert fühlen, die pränatale Diagnostik von Krankheiten oder Behinderungen ermöglicht, die sie selbst haben.

• Letztlich sind tertiäre gesellschaftliche Auswirkungen in Hinblick auf die Sicht von Menschen mit Behinderungen, ihrer Integration und gelebter Solidarität, möglich.

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Psychische Konflikte im Zusammenhang mit AC und CVS

• Bereitschaft zum Abbruch bei „positivem“ Befund ?• „SS auf Probe“, auf „Abruf“ (Katz-Rothman)• SS im Bewußtsein eines kranken Kindes • Gefühl, das Kind zur Disposition gestellt zu haben...• Schuldzuweisungen bei „positivem“ Befund• Schuldgefühle bei Verlust des Kindes als Folge des

diagnostischen Eingriffs• Schuldgefühle bei SS-Abbruch

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Reaktionen von Eltern bei “positivem“ AC/CVS Befund, M. Ringler

• Traumatische Erfahrung. • Diagnosemitteilung : Schockgeschehen mit

Einschränkung von Denk- und Wahrnehmungsprozessen und vor allem der Entscheidungsfähigkeit.

• Bindungsvorgänge mit dem Kind werden akut eingestellt.

• Schuldfrage : „Wer hat das Problem verursacht ?“

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Der problematische Weg der Entscheidungsfindung

• Je größer die Unsicherheiten und Imponderabilia in bestimmten Entscheidungssituationen (Basis einer Entscheidung: Fakten),

• je gravierender die Folgen für Betroffene (Kind und Eltern, Geschwister),

• je unsicherer die Prognose (kleine Fallzahlen, sehr verschiedene Ausgangssituationen)

• je weniger elaboriert die Modelle der Entscheidungsfindung…

• Umso größer wird der jeweilige Ermessens-, Entscheidungs- (und Verantwortungsspielraum) von Ärzt/Innen und Eltern.

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Kriterien When is birth unfair to the child?”Steinbock B, McClamrock R, Hastings Center Report 1994

• “Es gibt Zeiten, wo es im Interesse der Gesundheit ist, zu sterben.” C. Saunders

• “Anyone willing to subject a child to a miserable life when this could be avoided would seem to fail to live up to a minimal ideal of parenting.” (Steinbock, McClamrock)

• Besser tot als auf diese Weise am Leben…Wie schlimm ist zu schlimm? Subjektivität in Lebensqualitätfragen.

• “Wrongful Life”, “Wrongful Birth”

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Entscheidungen – ethische KriterienDas Prinzip des (absoluten) Wertes des Lebens, Sanctity of Life: Absolutes Prinzip oder Güterabwägung? • Speziesorientiert, qua Menschsein, der

menschlichen Gattung zugehörig, sakrosankt….”Pro Life”

• Folgen werden nicht in Betracht gezogen.• Güterabwägung: Embryo, Fet als “Gut”

einer Güterabwägung (Leben der Frau, Lebensqualität, Autonomie,…) zugängig…”Pro Choice”

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EXKURS: Zur Verwirklichung unserer Werte: Autonomie:Kritik aus ethischer Perspektive

• Autonomie ist ein in unserer modernen Gesellschaft ziemlich überbewertetes Prinzip.

• Idealisierte Fiktion.• Annahme, daß Individuen ihre Probleme immer (allein) lösen

könnten.• Oft in der Debatte ge(miß)braucht, um Verantwortung zu

verschieben: vom Arzt an die Patientin,… von der Gesellschaft an das Individuum: Individualisierung der Verantwortung.

• Unterminiert das Konzept einer „shared responsibility“ und Solidarität.

• Relativierung von Konsequenzen?

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Autonomie: Kritik aus ethischer Perspektive

• Wortfeld: Autos nomos (Ratio), Freiheit der Wahl, eigene Autorität, egoistische wie altruistische Entscheidung möglich, informiert/unwissend, absolut, kontextuell, bloße Vorliebe, keine Dogmen oder andere Autoritäten anerkennen zu müssen, nicht paternalistisch, unabhängig. Absolute/relative, DD relationale Autonomie…und Konsequenzen ihrer Anwendung mitbedacht?

• Fähigkeit zur Autonomie (Urteilsvermögen) und Verantwortung: verlangt nach vernünftiger Überlegung

• Idealisierung im Rechtswesen: Annahme des rationalen, voll informierten Patienten, der aus verschiedenen Optionen die vernüftigste und risikoloseste wählt. Angst, Schmerzen,…zu wenig berücksichtigt

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Autonomie/Verantwortung: Kritik aus ethischer Perspektive

• Autonomie ist ein Wertkonstrukt aus der Welt der Moral, keine ethische Theorie, kein Apriori, ein Mythos, der eine Person als immer der Selbstbestimmung fähig, rational, angstfrei,…setzt…wir leben und benötigen Kooperation (Lenk-Maring, 1995).

• Verantwortung ist eine Beziehung zwischen Menschen, ist Selbstbindung, die mit den Bedürfnissen von anderen korreliert, Selbstbindung und Zuschreibung überlappen sich.

• Balance Autonomie - Verantwortung: Individual- und Sozialethik.

• Maier B (2006) Autonomy: On Decision-Making in Prenatal Diagnosis. In: Prenatal Testing. Individual Decision or Distributed Action?.Profil Verlag München/Wien, 179-189. 

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V. Genetische Frühdiagnostik im Setting unserer Gesellschaft• Es scheint, dass Ablehnung genetischer Frühdiagnostik oft nur

als Feigenblatt der Moral dient, um es dann an gelebter, aktiver Solidarität mit Menschen mit Behinderung „guten Gewissens“ wieder fehlen zu lassen.

• Kann vermeintliches „gesellschaftliches Gutsein“ mit den leidenvollen Konsequenzen für betroffene Frauen/Paare bezahlt werden? Eine Selbsthilfegruppe für Menschen mit Behinderung in den Niederlanden formulierte den Konflikt differenzierter (allerdings für die gesamte PND): PND ist zu akzeptieren, wenn sie vermeiden hilft, dass Leiden durch Unkenntnis entsteht. PND ist abzulehnen, wenn daraus Schlüsse bezüglich des Existenzrechtes von Menschen mit Behinderungen abgeleitet werden (Maier 2003).

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• Eine ethische Evaluierung der Möglichkeiten genetischer Frühdiagnostik wird deshalb mit einbeziehen müssen, welche Rückwirkungen auf das Krankheitsbild, auf die Sichtweise von Behinderungen und die Regulierbarkeit der erweiterten Handlungsoptionen zu erwarten sind (Düwell 1998, 33). Es kann gerade deshalb keine vollständige Überantwortung des Krankheits- und Behinderungsbegriffs an die individuelle Selbstinterpretation der schwangeren Frau/des Paares geben.

• Welche zu erwartenden schweren Krankheitsbilder und Behinderungen eine Indikation für eine genetische Frühdiagnostik darstellen, ist zu regeln – in Form von medizinischen Indikationen –, wobei Lebensfähigkeit, Ausmaß des Leidens, Therapierbarkeit als Kriterien herangezogen werden.

V. Genetische Frühdiagnostik im Setting unserer Gesellschaft

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Gruppen von Erkrankungen bzw. Behinderungen

Kriterien : Leiden, Lebenserwartung, GestationsalterWerte sind nicht bloß persönliche, sondern haben eine SoziogeneseBei Kindern mit Down-Syndrom trotz "Personalitätskriterien": gesellschaftlich akzeptierte imaginäre Trennlinie "Entscheidung der Eltern"

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Pränataldiagnostik – eine unsoziale Technik?Ein Annäherungsversuch in gesellschaftskritischer Perspektive

• Ist eine Ablehnung der Option genetischer Frühdiagnostik (PND/PID) dem einzelnen betroffenen Paar gegenüber unsozial, aber ein soziales Erfordernis für unsere Gesellschaft? Gibt es diese Ambivalenz, diesen Widerspruch?

• Nimmt das betroffene Paar, das die Option genetischer Frühdiagnostik ergreift, an einem Diskurs teil, der Menschen mit Behinderungen diskriminiert?

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Gesellschaftskritik als Aufgabe ethischer Analyse

• Freilich gilt zu beachten, dass zwischen dem moralisch legitimen Entscheidungsträger und den Kriterien einer moralisch vertretbaren Entscheidung zu unterscheiden ist (Düwell 1998, 40).

• Entscheidungsträgerin ist die betroffene Frau (und gegebenenfalls ihr Partner).

• Für sie selbst bleibt die Frage, nach welchen Kriterien sie eine ethisch begründ- und verantwortbare Entscheidung fällt.

• Zudem führt die Entscheidung zu genetischer Frühdiagnostik oft zu einer Kaskade von notwendigen Folgeentscheidungen, die für die Betroffenen nicht absehbar waren.

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Ein Ideal?

• Das Ideal einer wirklich sozialen Gesellschaft würde jene Sicht, wie sie von der niederländischen Selbsthilfegruppe für Menschen mit Behinderung geäußert worden war, in den Vordergrund stellen und hätte es nicht notwendig, pränatale genetische Diagnostik (PND/PID) individuellen Betroffenen zu verbieten, um das kollektiv zu Recht bestehende „schlechte Gewissen“ wegen der Diskriminierung behinderter Mitmenschen abzuarbeiten.

• Spannung zwischen Individual- und Sozialethik

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Kein Widerspruch ?

• PND/PID und bestmögliche Unterstützung aller Menschen, die mit einer Behinderung IN unserer Gesellschaft leben, müssen einander nicht ausschließen. Nach van den Daele ist die Geburt eine Art moralischer Wasserscheide, nach der Entscheidungen gegen ein behindertes Kind nach genetischer Frühdiagnostik und Förderung von Kindern mit besonderen Bedürfnissen nach der Geburt einander nicht zu Ungunsten der letzteren beeinflussen (van den Daele 2002).

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VI. Technologien und Schwangerschaftsbetreuung Zwei Schritte der Analyse von Genetischer Frühdiagnostik am Beispiel der PND (H. ten Have)

1. Wie und unter welchen Umständen wenden wir Genetische Frühdiagnostik an ? Dabei wird sie als akzeptiert vorausgesetzt und nur die Bedingungen ihrer Anwendung festgelegt.

2. Welche Erfahrungen werden in und mit der Genetischen Frühdiagnostik gemacht ? Dabei werden die Technologie als solche und ihre Implikationen für unser Leben hinterfragt.

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Schwangerschaft und Geburt

• Schwangerschaft und Geburt sind private, intime Erfahrungen, die die schwangere Frau, ihren Partner, sowie ihre Familie gleichzeitig mit vielfältigen gesellschaftlichen Normen konfrontieren.

• Normierungen werden auch durch Medizintechnologien und ihre Angebote mitgestaltet.

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Angst und Schwangerschaft

• Dominierende Angst der Schwangeren : Angst vor Fehlbildungen/Behinderungen. Rangiert noch vor der Angst vor Geburtskomplikationen. (Lukesch, Geburtsangstskala,1983).

• Dominierende Angst des Diagnostikers : Fehlbildungen zu übersehen...Einsatz von Technologien zur eigenen Angstreduktion wie zur forensischen Absicherung.

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VII. Pränataldiagnostische Implikationen: “Die Bewertung menschlichen Lebens... in Abhängigkeit vom Gestationsalter“.

• Menschliches Leben kann nicht bewertet werden: „sakrosankt“, „Heiligkeit des Lebens“ (Dogma).

• Embryo/Fet als „Gut“ im Rahmen von Güterabwägung?

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VII. Pränataldiagnostische Implikationen: Der Fötus als Subjekt und die Autonomie der Frau Daele

• Biologische Lebenseinheit von Schwangerer und Embryo/Fet.

• Psycho- und soziologisch dominiert der Beziehungsaspekt zwischen Schwangerer und ihrem „Kind“.

• Wissenschaftlich-technische Entwicklung lockert Lebenseinheits- und Beziehungsaspekte zunehmend auf.

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3 D Ultraschall-Bild

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Pränataldiagnostische/medizinische Implikationen:

die glücklose Schwangerschaft im medizinischen Setting • Gestörte Schwangerschaft, Abortus• Induzierter Schwangerschaftsabbruch nach

PND, Schwangerschaftsverlust nach PND• Intrauteriner Fruchttod (IUFT)• Fetozid• Peripartaler Kindstod

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Besonderheiten bei Schwangerschaftsverlust nach pränataler Diagnostik (PND):

• Dem Schwangerschaftsverlust geht eine aufgrund von PND getroffene Entscheidung voraus.

• Das macht den Verlust und die Trauer betroffener Eltern nicht geringer.

• Die bei Schwangerschaftsverlust ohnehin sehr häufigen Schuldgefühle sind meist noch deutlicher ausgeprägt. Sie sollten aktiv angesprochen und bearbeitet werden.

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Empfehlungen für die Betreuung betroffener Eltern (Initiative Regenbogen)

• Kontinuierliche Betreuung durch wenige Bezugs-Personen.

• Partner integrieren.• Geburt, soweit möglich, in üblichen Bahnen

ablaufen lassen.• Ausreichend Schmerzmittel, aber eher keine

Beruhigungsmittel verabreichen.• Das tote oder sterbende Kind behutsam wie ein

lebendes versorgen.

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Empfehlungen für die Betreuung betroffener Eltern (Initiative Regenbogen)

• Die Eltern zum Betrachten, Halten, ...ihres Kindesauffordern.

• Fotos anfertigen.• Nach einigen Stunden nachfragen, ob sie ihr Kind

(noch einmal) sehen wollen.• Genau informieren, wohin das Kind nach der

Geburt kommt, insbesondere über Bestattungsmöglichkeiten aufklären.

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Besondere Aspekte bei Mehrlingsschwangerschaften

•das kranke, das verstorbene Kind hat eine besondere Bedeutung im zukünftigen Leben des anderen Zwillings

• gut dokumentieren

• auch wenn medizinisch die Bedeutung der diagnostizierten Fehlbildungen in den Hintergrund tritt

• auf Möglichkeit der Bestattung eines verstorbenen Zwillings präpartal hinweisen

• nach Namen für beide fragen

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• Was erwartet mich in der Klinik?• Meine Trauer• Die Trauer des Vaters• Wie Geschwister trauern• Die Zeit danach• Informationen zu gesetzlichen

Regelungen; Bestattung• Wo können Sie zusätzlich Beratung

und Hilfe finden ?• Buchempfehlungen, Kinderbücher

Gruppe für Paare nach glückloser Schwangerschaft und Geburt (Inhalt der Begleitbroschüre)

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Aufgaben der Trauerverarbeitung -Ansatzpunkte der Trauerbegleitung: Prophylaktische Wirkung gegen

• pathologische Trauer• psychosomatische Folgeerkrankungen• Ängste und Komplikationen bei

Folgeschwangerschaften

• Burnout und Rückzug der Betreuer/Innen

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Nicht intendiertes OutcomeDer Oldenburger Fall...“Ensuring a stillborn?“

• Spätabtreibung eines Kindes mit Down-Syndrom in der 28.SSW...Kind überlebt

• Neonatologisches Intensivmanagement• Zusätzliche Schädigung durch Frühgeburtlichkeit und

Abtreibungsversuch.• Sicherung eines „gewünschten Ergebnisses“ durch

vorausgehenden Fetozid. Isada NB et al., „Fetal Intracardiac Potassium Chloride Injection to Avoid the Hopeless Resuscitation of an Abnormal Abortus: I. Clinical Issues“, Obstetrics & Gynecology 80, no2 (1992), 296-99.

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Spätabbruch (Geburtseinleitung nach Fetozid) an/jenseits der Grenze der (Über)Lebensfähigkeit (Speculum 4/2002)

• Konzept eines graduell abgestuften, sich mit dem Fortgang der Schwangerschaft steigernden Lebensschutzes des Feten.

• Zustand und Entwicklungsprognose des Ungeborenen. Situation der Schwangeren.

• Entscheidungsprozesse unter definierten prozeduralen Richtlinien (Sicherung der Diagnose mit second opinion, Durchführung in einem Zentrum, psychosoziale Begleitung, fetopathologische Untersuchung, entsprechende Dokumentation)

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Besonderheiten bei Fetozid

• Je deutlicher die Entscheidung und die Durchführung des Schwangerschaftsabbruchs von Mutter/Eltern durchlebt werden, umso intensiver sollten sich Begleitung und Nachbetreuung gestalten.

• Es gibt hier spezielle Fragen, auf die geantwortet, und die, selbst wenn sie nicht gestellt wurden, angegangen werden sollten (z.B. Spürt das Kind Schmerz? Was ist der Unterschied im Sterben durch Fetozid oder Schwangerschaftsabbruch im herkömmlichen Sinn?)

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Besonderheiten der Betreung bei Fetozid (bisher wenige Erfahrungen an unserer Klinik):

Es gibt hier spezielle Fragen, auf die geantwortet werden soll, selbst wenn sie nicht gestellt wurden.

Z.B. Spürt das Kind Schmerz? Was ist der Unterschied im Sterben durch Fetozid oder bei Schwangerschaftsabbruch im herkömmlichen Sinn?

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VIII. Verantwortete Elternschaft

• Die Natur elterlicher Verantwortung ändert sich...Technologien verführen zu „bestimmten“ (gesellschaftlich genormten) Erwartungen.

• Präsumptive Eltern „sollten“ diese nutzen.• Eltern-Konzepte ändern sich : weniger Kinder,

später, „perfekt“ vorbereitet...• „Imperfect obligations“ (Onora O`Neill):

Häusliche Atmosphäre, liebevolle Pflege,Gefühl von Sicherheit,...

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VIII. Verantwortungsvolle Elternschaft unter PND und PID

• Medizin und Gesellschaft gehen von der autonomen Entscheidung von Frauen/Eltern aus : Integration von Interventionen und deren Implikationen sowie Konsequenzen in ihr Lebenskonzept und Vereinbarkeit mit ihren Werthaltungen.

• Verantwortung beruht auf einem Wechselspiel von sozial vermittelten Werten und individuellen Haltungen ( H. Haker ) .

• Institutionelle Verantwortung : wenn PND/PID ein gesellschaftliches Soll suggeriert.

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Harris„Ich habe nicht versucht zu zeigen,

wie unsere vertrauten und bequemen moralischen Überzeugungen auf neue

Situationen angewandt werden können, sondern vielmehr, in welcher Weise wir von den neuen Situationen und Entdeckungen der medizinischen

Forschung und Praxis in unseren Grundüberzeugungen

herausgefordert und dazu gezwungen werden, die Probleme noch einmal

ganz neu zu überdenken.“

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IX. “Ambivalente Technologien”…. Die Grenzen der (Über)Lebensfähigkeit…

• Bestimmen sich faktisch, naturwissenschaftlich-medizinisch, technologisch,…was ist machbar?

• Ethisch…wo sollen wir trotz etwaiger Machbarkeit die Grenze ziehen? Welche Grenzkriterien (Bewältigungskriterien) gibt es?

• “When is birth unfair to the child?” To its parents, to society?

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Ambivalente Technologien:Die Versuchung einer Grenzverlegung derFrühgeburtlichkeit (Frauenarzt 12/1998)

• Vor 22 SSW: entsprechend ihrer Würde im Sterben betreut...

• 22.-24. SSW: 50% überleben, davon 30% mit schweren körperlichen und geistigen Behinderungen...

• Ab 25.SSW: 60-80% Überlebenschance, Behinderungen in Abhängigkeit von Zusatzfaktoren

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Ambivalente Technologien:Frühgeburtlichkeit an der Grenze der Lebensfähigkeit (Frauenarzt 12/1998)

• Einerseits der Versuch der Vermeidung von Kindern mit Behinderung über PND/PID, andererseits die Inkaufnahme von schweren Behinderungen nach neonatologischer intensivmedizinischer Betreuung an der Grenze der Lebensfähigkeit.

• Unvermögen, Grenzen anzuerkennen, unsere Begrenzung am Beginn des Lebens zu akzeptieren.

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Ärztliche Entscheidungen zwischen Scylla und Charybdis: Lyon J, “Playing god in the nursery”

“If it is hard to justify creating blind paraplegics to obtain a number of healthy survivors, it is equally hard to explain to the ghosts of the potentially healthy that they had to die in order to avoid creating blind paraplegics.”

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X. Kasuistiken (Narrative Ethik)

Ethical Rounds in Teams der Pränataldiagnostik/-medizin

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Aufbrechen der ethischen Frage nach den Konsequenzen von PND

• Einige Schwestern weigern sich, die Nalador-Infusion (=Einleitung eines SS-Abbruchs) anzuhängen.

• Frage nach der (Mit)Verantwortung für den SS-Abbruch („Tötung ungeborenen Lebens“).

• Krise...Diskussion der ethischen Problematik von allen Beteiligten. Einbringen von Fallbeispielen.

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Schwangerschaftsabbruch aus „kindlicher Indikation“ nach AC

• 32jährige Frau, Carrier, hat bereits ein 4-jähriges Kind mit Down-Syndrom.

• Kommt in ihrer 2. SS zu PND Abklärung?• Kommt zum Schwangerschaftsabbruch in der 17.SSW

wegen erneuter Trisomie 21 nach AC-Befund.• Extremer SS-Konflikt für die Mutter : massive

Ambivalenz gegenüber SS-Abbruch, da das erste Kind mit Down-Syndrom lebt, akzeptiert und geliebt wird.

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Schwangerschaftsabbruch aus „kindlicher Indikation“ nach AC

• Psychologische Begleitung : Unterstützung bei der Entscheidungsfindung mit dem Aushalten von Ambivalenz, offenes Ansprechen von Schuldgefühlen.

• Es kam zum SS-Abbruch : Begleitung bei Einleitung, Verabschiedung und Trauerarbeit

• Moralische Bewältigung über Zumutbarkeit für die Frau.

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PID als Alternative...

• Paar Anfang dreißig : beide Überträger einer schweren Form von Epidermiolysis bullosa.

• Ihre Geschichte : 11 Monate altes Kind mit dieser schweren Form von Epidermiolysis bullosa an Nierenversagen verstorben. 2 weitere Schwangerschaften in PND abgeklärt, erneut Epidermiolysis bullosa >>> beide Schwangerschaften abgebrochen...

• Sollte ein solches Paar die Möglichkeit zu PID haben...?

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Kasuistik

• 42 jährige Ärztin, hat ein Kind, allein erziehend. Wird in einer jungen neuen Beziehung mit Religionslehrer (Witwer, 2 Kinder) schwanger.

• Entschließt sich zur CVS: Befund Trisomie 21 und Klinefeldter Syndrom, kommt in 17. SSW

• Beratung... vor Entscheidung• Betreuung... während AB-Induktion • ...nach AB-Induktion