ADHS Update 2010 - hansguckindieluft.ch
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ADHS Update 2010Kinderärzte-Vereinigung der
Zentralschweiz
25. Mai 2010
Dr.med.Meinrad H. Ryffel
Kinder- und Jugendarzt FMH
3053 Münchenbuchsee
Definition des Krankheitsbildes ADHS, ist es
überhaupt eine Krankheit ?
Versuch, die ADHS nach den heutigen
Erkenntnissen zu beschreiben:
Bei der ADHS im klinischen Sinne gemäss DSM IV
handelt es sich um eine häufig vererbbare, neuro-
biologisch erklärbare, andere Hirnfunktion mit (in
der Regel ungünstigen) Auswirkungen auf die
zerebrale Informationsverarbeitung.
Im Bereich der Neurotransmittersysteme von Dopa-
min, Noradrenalin und wahrscheinlich auch Seroto-
nin besteht primär in gewissen Hirnabschnitten eine
Fehlfunktion mit verminderter Aktivität.
Diese Aktivität ist aufgrund von Störungen im
Bereich von Rezeptoren und sog. intrasynap-
tischen Transportsystemen vermindert. Diese
wahrscheinlich primäre Störung kann und wird
durch äussere Umweltfaktoren vor allem psy-
cho-sozialer Art, möglicherweise in gewissen Fäl-
len auch durch die Ernährung, beeinflusst und zT
verstärkt.
Klinisch zeigen sich als Hauptsymptome eine
gestörte Aufmerksamkeit, Impulsivität und
fakultativ Hyperaktivität, die sich im Alltag stark
belastend auswirken.
Ganz fatal ist die Situation, wenn Eltern ebenfalls
(häufig unerkannt) ADHS-betroffen sind, da sich
vererbte und zusätzlich ungünstige äussere
Faktoren verstärken !
Je länger die Primärstörung einer ADHS nicht
erkannt und vor allem nicht behandelt wird, desto
grösser ist das Risiko für sekundäre Störungen
und Chronifizierung.
Praevalenz im Kindesalter ca 5%
Neurobiologisch erklärbar
Die Hypothesen des Kinderpsy-
chiater Paul Wender von 1969
haben sich in der Zwischenzeit
weitgehend bestätigt !
Vgl heute dazu die Forschun-
gen in USA (Castellanos), UK
(Katya Rubia) und Deutsch-
land (Kerstin Konrad), Problem:
keine Kliniker !
Aufmerksamkeit wird sowohl von Dopamin als auch von
Noradrenalin beeinflusst
Hyperaktivität/Impulsivität wir vor allem durch Dopamin
beeinflusst
Beispiel eines Forschungsansatzes
Warum wird ADHS in der kommenden
DSM V – Fassung wahrscheinlich neu und
anders definiert werden ?
DSM IV-Einteilung: Feldstudien mit 6 – 12 jährigen
Kindern, vorwiegend Knaben
DSM V-Einteilung: Vorwiegend auf Grund klinischer
Erfahrungen der letzten 20 Jahre ! Eventuell auch
Berücksichtigung der Aetiologie
DSM IV (USA)
• Situationsübergreifend
• Beginn einzl. Symptome vor 7. Altersjahr
• „Impairment“, dh Leidensdruck !
• Nicht durch andere tiefgreifende Entwicklungsstörg.
erklärbar, vgl jedoch Kombination mit ASS (Asperger)
• Die Aufteilung in 2 Symptomlisten (Un-aufmerksamkeit sowie Impulsivität/Hyper-aktivität) hat sich nur beschränkt bewährt, das für die Diagnose nötige Vorhanden-sein von 6 aus 9 Symptomen ohne Be-rücksichtigung des Alters und Geschlechts entspricht nicht der realen klinischen Wirk-lichkeit. Symptome wandeln sich !
• Besser ist einzige Symptomliste, wie dies auch bei anderen psychischen multi-dimensionalen Störungen (vgl zB Depres-sionen, autistische oder bipolare Stö-rungen) der Fall ist
• Unterteilung in die 3 bekannten Subty-
pen ist ebenfalls zu hinterfragen, denn es
erscheint unsinnig, zB einen Patienten mit
6 Symptomen der Unaufmerksamkeit und
lediglich 5 aus der Liste Hyp. und Imp. als
„unaufmerksamen Typ „ zu bezeichnen !
• Braucht es überhaupt 18 Symptome ?,
wahrscheinlich nicht ! Vor allem bei ält.
Kindern und Jugendlichen zeigt die
Erfahrung, dass 4 – 5 Symptome aus der
Liste der Unaufmerksamkeit genügen.
• Die bisherige Übernahme der für Kinder
entwickelten DSM IV-Symptome ist für
Teenager und Erwachsene (6 aus 9
Symptomen) viel zu streng (entspricht 99.
Perzentile) und führt zu einer Unterdiag-
nostik !
• Vor allem für diese Alterstufe sind auch
„bessere“ Symptomlisten zu fordern,
wobei zB Russell Barkley „seine“ 9 „Best
Symptoms for Adults“ vorschlägt
1) Lässt sich durch äussere Reize sehr leicht ablenken.
2) Trifft Entscheidungen in der Regel sehr impulsiv.
3) Hat oft Schwierigkeiten das Verhalten zu ändern, wenn dies angebracht wäre.
4) Beginnt oft Projekte oder Aufgaben, ohne dazu Anleitungen zu lesen oder auf Ratschläge zu hören.
5) Hat häufig Mühe, Versprechen oder Verpflichtungen gegenüber anderen einzuhalten.
6) Hat häufig Mühe, Aufgaben in der richtigen Reihenfolge oder im richtigem Ablauf durchzuführen.
7) Überschreitet beim Autofahren viel häufiger die vorgeschrie-bene Geschwindigkeit als der Durchschnitt („excessive speeding“ !)
8) Hat häufig Schwierigkeiten bei Aufgaben oder beim Spiel über längere Zeit die Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten.
9) Hat grosse Schwierigkeiten Aufgaben und Tätigkeiten zu organisieren.
• Der für die Diagnose geforderte Altersbe-ginn vor 7 Jahren ist völlig arbiträr, durch keine Studien belegt und soll durch eine Formulierung „Beginn bis spätestens zum 16. Lebensjahr“ ersetzt werden.
• „Impairment“ (Schweregrad der Beein-trächtigung, sub. Leidensdruck) muss rich-tig definiert und erklärt werden. Entspricht der Konsequenz aus den Symptomen und sollte mit der Normpopulation verglichen werden und sich in Alltag, Schule, Beruf und sozialen Funktionen negativ auswir-ken !
Wie wird heute ADHS lege artis
diagnostiziert, wer soll das machen ?
Die Diagnosestellung entspricht dem
Zusammensetzen eines Puzzles ! Bis heute
gibt es nicht den ADHS- oder POS-Test !
Primäre Anlaufstelle ist idealerweise der Kinderarzt !
Für die Diagnosestellung ist die Anamnese des
betroffenen Kindes (und Familie) am wichtigsten !
Neben einer ausführlichen ärztlichen Untersuchung
ist zusätzlich eine ergänzende psychologische
Untersuchung unumgänglich, entsprechend arbei-
ten in meiner Praxis 1 Jugendpsychologe und 2 Psy-
chologinnen mit ! Variante:Untersuchung nach L.Ruf.
Zweitmeinung (durch Psychologin) !
Differentialdiagnose vor allem zu Lernschwäche !
Begleiterkrankungen, Teilleistungsstörungen häufig !
Fragebogen durch möglichst viele Bezugspersonen !
Brown ADD - Scales
Umfassen neben den DSM IV
- Kriterien weitere Auffäl-
ligkeiten im Bereich der ge-
störten “exekutiven Funk-
tionen“ , wie sie klinisch bei
ADHS-Betroffenen vorhan-
den sind und sich häufig
durch eine Stimulanzien-
therapie verbessern lassen
können
Exekutive Funktionen: Modell des
„Hirnorchesters“ nach T. Brown
• Dirigent:
Koordination der Infor-
mationsverarbeitung:
In- und Output
• Musiker:
Wahrnehmungsfunk-
tionen, zB auditiv, vi-
suell, taktilkinaesthe-
tisch
• Instrumente:
Sinnesorgane wie Augen, Gehör, Tastorgane
Vorläufige
deutsche
Übersetzung
für den eige-
nen Praxisein-
satz
6 Symptomgruppen („Clusters“)in den Brown ADD-Scales
• AKTIVIERUNG, HANDLUNGSPLANUNG
• KONZENTRATION, AUFMERKSAMKEIT
• MOTIVATION, VIGILANZ
• AFFEKTIVITÄT, EMOTIONALE LABILITÄT
• GEDÄCHTNIS
• HYPERAKTIVITÄT
AFFEKTIVITÄT Emotionale Labilität, Stimmungsschwan-
kungen
• Emotionale Labilität ist sehr charakteristisch, obwohl
sie in den DSM IV-Kriterien völlig fehlt.
• Schnelle Frustrationen, überschiessende (impulsive)
Reaktionen. Ohne eigentlich aggressiv zu sein, sind
solche Kinder rasch verärgert und wütend, rasten aus.
• Verstärkte Empfindlichkeit und Verletzbarkeit,
scheu und häufig Einzelgänger. Plagen sich mit
Ängsten und können auch Zwänge zeigen.
• Nicht selten kombiniert mit einer Depression.
• Ungenügende Gefühlssteuerung.
Nach der Abklärung und Diagnosestellung ist für mich
der Leidensdruck eines betroffenen Kindes auf-
grund seiner gestörten Informationsverarbeitung das
entscheidende Kriterium für eine Behandlung.
Im Zentrum steht dabei die Störung der
Aufmerksamkeit, dh der Informationsver-
arbeitung und nicht die Hyperaktivität (und Ver-
haltenstörung) !!
Cave: Nicht selten sind Testuntersuchungen bei
der Abklärung in der Einzelsituation übrigens nur
wenig auffällig !
Offensichtlich leiden „nur“ aufmerksamkeitsgestör-te Kinder besonders stark, sind aber zu Beginn we-nig oder kaum verhaltensauffällig ! ( später jedoch eventuell „unerklärliche“ reaktive Störungen, vor allem auch depressive Entwicklungen !) Sie können kein Selbstwertgefühl aufbauen und verlieren zunehmend ihren Lebensmut.
Zunehmende reaktive Störungen mit Schulangst
und –verweigerung !
Aufmerksamkeitsteste nötig ?In der Regel Papier- und Bleistifteste, in denen eine relativ
monotone, wenig anspruchsvolle Aufgabe möglichst rasch und
richtig über eine längere Zeit bearbeitet werden muss.
In der Untersuchungssituation sind die Kinder trotz der lang-
weiligen Aufgabe fürs Mitmachen meist relativ gut motiviert.
Dabei sind Buchstaben, Figuren oder Zahlen durchzustrei-
chen, resp. es müssen fehlende Symbole ergänzt werden.
Registriert wird das
• Arbeitstempo
• das Verhalten bei der Durchführung,
• die Zahl der richtig und falsch bearbeiteten Zeichen
und
• der zeitliche Ablauf über die ganze Testdauer
Dabei wird in der Regel die selektive Aufmerksamkeit und die Daueraufmerksamkeit beurteilt, wobei diese auch in Relation zum individuellen IQ/EQ gestellt werden muss.
5 Jahre Frankfurter Konzentrationstest (Apfel-Birnen)
6-7 Jahre Zahlensymboltest A
7-9 Jahre bp-Test nach Esser
8-16 Jahre Zahlensymboltest B
ab ca 8,5 J. d2-Test
ab 15 J. FAIR-Test
Der Dortmunder Aufmerksamkeitstest von Lauth ist an-
ders aufgebaut und lässt das Aufmerksamkeitsverhalten in
einer komplexeren Handlungssituation beurteilen.
Dortmunder Aufmerksamkeitstest von
Lauth
Die computerisierten Verfahren, vor allem die Continous Per-
formance Teste, zeigen nur bedingt Vorteile, sie werden aber in
der Regel von den Kindern geschätzt und lassen meiner Erfah-
rung nach bei auffälligen Befunden die Aufmerksamkeitspro-
blematik anschaulicher, „objektiver !“ erklären und zeigen häu-
fig auch erstaunliche „messbare“ Verbesserungen unter einer
Medikation. Vor allem auch Lehrer erkennen bei der Demon-
stration dieser Teste häufig, dass wirklich ein Problem und
nicht nur „schlechter Willen“ ( er könnte wenn er nur wollte!)
vorliegt.
Allen Aufmerksamkeitstesten ist gemeinsam, dass die
Sensivität ( dh die Wahrscheinlichkeit, dass ein Betroffener
einen positiven Befund aufweist ) deutlich schlechter ist als
die
Spezifität ( Wahrscheinlichkeit, dass ein Nichtbetroffener
einen normalen Test aufweist)
GDS - Test
M-MAT Test
In Grossbritannien sind 2009 die NICE-Kriterien (National
Institute of Clinical Excellence) zu Diagnostik und Therapie
der ADHS erschienen.
Objektive Testverfahren gesucht !
Bisher für Routinediagnostik nicht vorhanden
• Quantitave EEG-Diagnostik
• Aktometer (Screening-Untersuchungen in Deutschland
durch M.Huss)
• Messung der Augensakkaden (Pavlidis Test)
• PET- ,SPECT- oder fMRI -Untersuchungen sind wahr-
scheinlich die diagnostischen Verfahren der Zukunft !
Allerdings sehr aufwendig und Fehlen von Normalbefun-
den !
Diagnostik mit 3 -
dimensionalen
SPECT-Bildern von
Daniel Amen in
Kalifornien
www.amenclinic.com
Patient J.B. aus Zürich:Typ: „Ring of fire“
D.Amen unterscheidet 6 versch. Typen von
ADHS mit unterschiedlichem Ansprechen
auf eine Pharmakotherapie
Gibt es sichere Hinweise für eine ADHS
im Kleinkindesalter, wenn ja welche ?
• Klinische Symptome häufig hinweisend aber
keineswegs beweisend !
• Testuntersuchungen mit beschränktem Wert
• Brown Fragebogen für 3 – 7 –Jährige !
• Häufig ist Familienanamnese ein wichtiges
Kriterium
• Symptomatik und „Impairment“ bei Kindern von
ADHS-betroffenen Eltern wesentlich häufiger
• Therapie (auch Stimulanzientherapie !) bei ADHS-
Verdacht möglich und häufig auch wichtig ! Cave
aber zB Triple P !
• Symptome im Kleinkindesalter
Häufig motorisch sehr früh und aktiv
mit unzähligen Missgeschicken und
Unfällen, plan-, ziel- und rastlose Akti-
vität ist die Regel. Geringe Spielinten-
sität und - ausdauer. Probleme in der
Gruppe, ausgeprägte und langdauern-
de Trotzreaktionen, oppositionelles
und aggressives Verhalten, zT deut-
liche audit. und visuelle Wahrneh-
mungsprobleme, event. Schwierigkeiten in der
Fein- und Grobmotorik, Sprachentwicklungsstörungen.
Zunehmend gestörte Interaktion Mutter-Kind, allg. ist die
Beziehungsfähigkeit eingeschränkt, somit keine bestän-
digen Freundschaften, zunehmend soziale Inkompetenz
So zusätzlich Gefahr der Ausgrenzung von Kind und häufig auch der Eltern !
Zunehmende Überforderungssituation der Eltern, Gefahr von
Kindsmisshandlung. Übliche Erziehungsmassnahmen greifen
nicht……
Fataler Teufelskreis, va wenn Eltern auch betroffen !
• Symptome im Kindergartenalter
Keine Ausdauer, grosse Schwierigkeiten, verbale Aufforde-
rungen umsetzen zu können, kann nicht im „Kreisli“ bleiben,
zieht sich zurück oder ist der „Schrecken“ aller Kinder, dh
Quälgeist, spielt häufig immer mit den gleichen Spielsachen,
vor allem „emotional“ und sozial nicht schulreif, zT tolpatschig.
Kann eine ADHS erst im Jugend- oder
Erwachsenenalter manifest werden ?
• vgl Kritik an DSM IV, zB Altersbeginn vor 7
Jahren
• Falsche Gewichtung der Hyperaktivität !
• Vor allem Frauen und Betroffene mit gutem bis
überdurchschnittlichem Potential
• Betroffene aus stabilen und belastbaren
Familien
• Diagnosestellung im Rahmen von Zweit- oder
Begleiterkrankungen, vor allem Depressionen
und Sucherkrankungen
• Diagnosestellung beim Erfassen der Kinder !
Unter erwachsenen ADHS-Patienten hat es sehr
viele ehemalige „nur aufmerksamkeitsgestörte“
Kinder und Träumerinnen…….
Wer übernimmt idealerweise die jahre-
lange Betreuung von ADHS-Betroffenen ?
Wichtige Rolle des Kinderarztes:
Häufig primäre Anlaufstelle, sollte möglichst selbst Abklärung
durchführen können und mit Entwickungs-, resp. Schulpsycho-
login zusammenarbeiten, ideal ist gemäss meiner Erfahrung die
Mitarbeit von Psychologen/innen in der kinderärztl. Praxis, die
neben einer ausführlichen kompetenten (neuro)psychologischen
Diagnostik mit Verhaltensbeobachtung auch die notwendige
Elternberatung/Coaching und eine eventuell indizierte Verhaltens-
therapie übernehmen können.
Der Arzt sollte möglichst kompetent das „Medical Management“
beherrschen, dh die Indikation zur häufig notwendigen Medikation
stellen, die praktische Durchführung und vor allem die Langzeit-
betreuung einer medikamentösen Basisbehandlung über-
nehmen.
Voraussetzung für das „Medical Management“ ist die Kenntnis
der neurobiologischen Grundstörung und die korrekte Durch-
führung der Medikation (zB Anwendung der „4 Goldenen
Regeln“ in der Stimulanzientherapie !)
Zudem ist Kinderarzt die notwendige Schalt- und Koordina-
tionsstelle für weitere medizinische und / oder pädagogische
Massnahmen („Vernetzung“), „Kummerkasten“ und Manager
von unvermeidlichen „Feuerwehrübungen“.
Die Übernahme einer ADHS-Behandlung bedeutet in der
Regel eine jahre- bis jahrzehntelange Begleitung der
Familie !
Was versteht man heute unter einer
multimodalen Therapie, ist diese
überhaupt immer notwendig ?
Behandlungsziel
Mobilisierung der vorhandenen
Ressourcen
Multimodale Behandlung der ADHS
• Aufklärung und Information über die ADHS, zB „Biblio-therapie“ (nach Conners)
• Beratung des Kindes und der Familie, Strukturierung und „Coaching“, sog. Psychoedukation
• Medikamentöse Basisbehandlung (ermöglicht häufig erst die nachfolgenden Therapien !)
• Verhaltenstherapie Lernstrategien, „Aufmerksamkeitstrai-ning“, fam. und soz. Interaktionstraining, Aufbau eines gesunden Selbstwertgefühls, Gruppentherapie event. in Selbsthilfegruppe
• Je nach Zusatzbefunden (häufig !) funktionelle Therapienwie Ergotherapie, SI, Psychomotorik etc
• Sonderpädagogische Massnahmen, Lerntherapie, spezif. Berufsberatung
• Eigentl. Psychotherapie bei schweren reakt./neurot. Störg.
vgl. Behandlungsempfehlungen für POS aus
den 70 - er Jahren (Ch. Wolfensberger)
• Erziehungsberatung mit möglichst eingehender Information der Erzieher über das Wesen, Eigenarten und besonderen Schwierigkeiten des betroffenen Kindes: Prinzip: Fördern, Fordern, nicht Überfordern !
• Heilpädagogische Massnahmen
• Ärztlich: Die medikamentöse Therapie mit hirnstimulierenden Mitteln bietet die Chance einer Verbesserung der Konzentra-tionsfähigkeit, Aufnahmefähigkeit und feinmotorischer Koor-dination. In gut ansprechenden Fällen kann sie über Monate und Jahre eingesetzt werden (Die Wirkung besteht in einer Normalisierung des Hirnchemismus !)
• Gefahr von Über-
• therapie !
Zusatztherapien („multimodale Behandlung“) in meiner
Praxis
30 % Psychologische Betreuung, va verhaltenstherapeutisch
oder Gesprächstherapie
25 % Pädagogische Sondermassnahmen ( KKD, Sonder-
schule, Internat, Repetition, etc )
25 % Zusatzunterricht, Legasthenie, Dyskalkulie etc
10 % Psychomotorik
10 % Kinderpsychiatrische Betreuung
10 % Heilpädagogisches Ambulatorium
5 % Heilpädagogische Früherziehung
5 % Ergotherapie
vereinzelt Drogenberatung, Sozialdienst, Jugendgericht, Kinder-
schutzgruppe, Heimschulung, stat. kinderpsych. Hospitalisation
zusätzlich Alle möglichen Alternativtherapien
Vor allem bei vorwiegend aufmerksamkeitsge-
störten ADHS – Betroffenen mit gutem Potential (zB
Gymnasiasten) ist eine zT jahrelange medikamentö-
se Unterstützung alleine ausreichend, Vorausset-
zung ist allerdings, dass diese richtig durchgeführt
und immer wieder hinterfragt wird !
Psychoedukation der Eltern, wie macht
man das ?
• Am wichtigsten: Sich dafür Zeit nehmen !
• Aufklärung über die neurobiologischen Ursachen
• Über Therapiemöglichkeiten informieren, kein
Druck ausüben, insbesondere bzgl. allfälliger
Pharmakotherapie
• Teilnahme in Selbsthilfegruppen
(Elpos) empfehlen
• Abgabe von Informationsbroschü-
ren, zT auch für betroffene Kinder
• www.adhs.info aus Deutschland
„Bibliotherapie“ ist vor allem auch für Kinder
sehr wichtig !
Alle erhältlich bei Elpos Bern
Lehrerberatung, lohnt sich das wirklich,
wie macht man das ?
• Auch hier ganz entscheidend: Sich dafür Zeit
nehmen
• mE gibt es sehr viele engagierte Lehrer, die an
Zusammenarbeit Interesse haben
• Vor allem bei medikament. Einstellung ist
Mitarbeit der Lehrer unerlässlich.
• Informationsvermittlung !
• Ideal ist (wäre) Teilnahme des KA an an an
an“Netzgesprächen“ des jeweili-
gen „Helfernetzes“
• Kontinuierliche gegenseitige Kom-
munikation wäre wünschenswert……..
Was ist neu in der medikamentösen
Therapie der ADHS ? Gibt es wirklich
einen gefährlichen „Off Label Use“ ?
• Stimulanzien unverändert für Grossteil der
Betroffenen Mittel der 1. Wahl
• Ganz entscheidend ist die individuelle optimale
Einstellung gemäss den „4 goldenen Regeln“
• In der Regel Beginn mit kurz wirksamen Methyl-
phenidat (2,5mg !), Vorteil von Medikinet mit 5,
10 und 20 mg Tabletten
• Medikinet MR 5mg nur
in Deutschland !
• „ Off Label“ Use sowohl für Kleinkinder wie auch
für Erwachsene seit Jahrzehnten bekannt und
bewährt
• Seit kurzem ist nun Concerta für Erwachsene
zugelassen aber nicht kassenzulässig
• Neueinführung von Focalin ( l. abgeändertes
Ritalin ) durch Novartis: Ebenfalls für
Erwachsene zugelassen, jedoch (noch) nicht
kassenzulässig…..
• Langzeitpräparate vor allem für ältere Kinder
und Jugendliche mit Vorteilen, jedoch ganz
individuell unterschiedliches Ansprechen !
• Die in den USA viel eingesetzten d-Ampheta-
minpräparate (Dexedrine, Adderall mit Marktan-
teil ca 35 % !) werden in Europa nicht eingeführt,
jedoch wahrscheinlich das neue Vivanse ( = sog.
Prodrug !)
►„Dexaminsirup“ aber weiterhin durch Firma
Streuli erhältlich, d- Amphetamintabletten durch
die Generika-Apotheke in Bern als „Hausspezia-
lität“
Adderall durch
Internat. Apotheke
Praxistipps:
• „Ritalinversager“ = häufig enge therap. Breite !
(„3. Goldene Regel“), event. Tropfen !
• Langzeitmonitoring für möglichst optimale
Dosierung, immer kleine Dosisänderungen, dh
bei MPH 2,5mg-weise!
• Schleichende Überdosierung, vor allem mit
Concerta
• Langsame Toleranzentwicklung (vor allem
Concerta)
• Compliance (Adherence) ganz wichtiges
Kriterium für optimale Einstellung !
3. Regel:
zT sehr schmale therapeutische Breite
Praxistipps:
• Kind, das Medikation ablehnt, hat häufig recht,
vor allem vor der Pubertät
• Medikamente auch zu Lehrbeginn weiter
verordnen
• Prognostisch schlechter vor allem bei
– Psychisch kranke Eltern (vor allem depressive Mutter)
– Unterdurchschnittliches Begabungspotential
– Familie bricht auseinander (Scheidung !)
– Zu frühes Aufhören der Stimulanzientherapie
– „Selbstmedikation“ vor allem mit Cannabis
Brillenmetapher als bewährte Erklärung für Kinder:
A ufmerksamkeit
KO nzentration
S elbststeuerung
B R I L L E
* Individuelle Dosierung („Anpas-
sung wie beim Optiker/Augenarzt“)
* Kurze Wirkungsdauer (wirkt nur
wenn eingenommen, resp. „Brille“ getragen wird….)
* Verbessert Fähigkeiten und Kompetenzen (verantwort-
lich bleibt aber Brillenträger)
* Ziel: Aufbau eines normalen Selbstwertgefühls !
Wie erlebt das Kind selbst die Behandlung mit
Stimulanzien ?
Untersuchung aus Boston 1991 (L.Bowen, AJDC, 145, 291ff)
Beurteilung durch das Kind selbst:
„Medizin hilft mir“ sehr 49 %
etwas 40 %
nichts 11 %
Einstellung zur Medik. positiv 33 %
neutral 45 %
negativ 22 %
Weiterfahren ? Täglich 47 %
n. Bedarf 42 %
stop 11 %
Gründe für Medikation aus Sicht des Kindes ?
• Konzentrationsschwierigkeiten 81 %
• Schulschwierigkeiten 71 %
• Motorische Unruhe 71 %
• Verhaltensstörung zu Hause 71 %
• Soz. Probleme in Schule 49 %
• Weiss es nicht 32 % !!!
Neue Arbeit aus SchwedenThorell & Dahlström: Children‘s Self Reports on Perceived effects on Taking Stimulant
Medication for ADHD J Atten Disord 2009; 12; 460
zeigt ähnliche Resultate, wobei Kinder die Medikation
tendenziell besser bewerten als die Eltern !
Im Vordergrund Verbesserung der Konzentrationsfähig-
keit (83 %)
13 % der Kinder „fühlen sich jedoch nicht mehr
selbst“, dies ist der Hauptgrund, die Medikation
abzubrechen !
Unerwünschte Wirkungen von Stimulanzien:
Unterscheide eigentliche Nebenwirkungen und Auswirkungen
durch zu hohe Dosierung
• Appetitreduktion ist relativ häufig und in gewissen Fällen zu Beginn stark ausgeprägt. Wird bei regelmässiger Gabe meist besser !, ebenso nicht selten mit Concerta.
Gewichtsreduktion zT jedoch positiv ! (Mädchen in
Praepubertät !!)
• Schlafprobleme Vor allem bei schon bestehenden Einschlaf-problemen können diese verstärkt werden. Ev. hilft aber eine Abenddosis von Stimulanzien. Melatonin hilft häufig !
• Bauch- und Magenschmerzen werden etwa beobachtet, verschwinden aber häufig. Zeitpunkt der Einnahme wechseln.
• Kardiale Nebenwirkungen „Herz-
todesfälle“, Kontroverse der Ameri-
can Heart Association und den
Pädiatern betr. „Routine EKG“
• Reboundphaenomen: Beim raschen Absinken der Stimulan-zienwirkung Verstärkung der Symptomatik. Vorteil der Langzeitpräparate !
• Wachstumsverzögerung in gewissen Fällen möglich, ca 1 - 2cm/Jahr für 2 -3 Jahre, Erwachs.grösse wahrsch. gleich !
• Überdosierung: Wenn sorgältig auftitriert wird, ist diesselten zu beobachten. Subjektiv kann ein erhöhter Pulsoder Schweissausbruch beobachtet werden, der Blick desKindes ist anders, es ist ihm „nicht wohl in seiner Haut“.Auch im Verlauf einer länger dauernden Medikation kann esschleichend zu einer Überdosierung kommen: Das Kind istzu „ruhig“, resp. apathisch oder fast depressiv, andere Kinderwerden aber auch wieder überdreht, irritabel und unleidig.
Die in vielen Medien berichteten „Nebenwirkungen“ (Zombieverhalten, Ruhigstellung etc) beruhen meistauf einer falschen, dh zu hohen Dosierung !
• Tics können ausgelöst oder verstärkt, zT auch vermindert werden
• Abhängigkeit und Suchtentwicklung:
Auf Grund der heutigen Kenntnisse der neurobiologi-schen Ursache der ADHS und der millionenfachen Anwen-dung vor allem in den USA kann dies für therapeutische Dosierungen ausgeschlossen werden.
Prospektive Studien zeigen im Gegenteil, dass behandelte ADHS-Patienten kein grösseres Abhängigkeitspotential ent-wickeln als normale Jugendliche, dies im Gegensatz zu un-behandelten ADHS-Patienten, die ein deutlich höheres Ri-siko für Drogenmissbrauch aufweisen !
Wie effektiv ist Hirndoping ?
Ritalin ist über 50 Jahre auf dem Markt !
Zu Beginn kommerzieller Flop !
Conners in USA setzt später
Rit. bei „Minimal Brain Dys-
function“ ein
Memorandum
führender Wissen-
schafter zum „Neuro-
Enhancement“
„Otto Jedermann“
profitiert kaum von
Stimulanzien !
Vgl ADHS-AKTUELL
Nr. 25
Unterschiede zwischen Stimulanzien und
Atomoxetin, welche Vor- und Nachteile
haben diese Pharmakas ? Welche Neben-
wirkungen sind zu beachten ?
Langzeitauswirkungen ?
Stimulanzien wirken vor allem im Dopamin- und
etwas weniger im Noradrenalin-Neurotransmitter-
system
Atomoxetin wirkt vorwiegend
im Noradrenalin-NT System
► Zusammenspiel der ver-
schied. NT-Systeme je
nach unterschiedlicher ge-
netischer Determination mit vielen Varianten !
Stimulanzien Atomoxetin
Wirkdauer 4 – 12 h 24 h
Wirkungs- sobald indiv. Volle Wirkung mit Ed
eintritt richtige Dosis nach 6 – 12 Wochen
sofort
Dosierung individuell sehr ca 1,2 mg/kg KG als
unterschiedlich „Erhaltungsdosis“
Stimulanzien Atomoxetin
Wirkung auf gut eher schwächer
ADHS Symp.
Langzeiter- über 50 Jahre ca 7 Jahre
fahrungen
Nebenwirkungen bekannt Kopf-,Bauchschmerzen
Nausea, Müdigkeit, sel-
ten Hepatoxizität
Atomoxetin = Mittel erster Wahl bei
• deutlichen Ein- und Durchschlafstörungen
und einer „stressigen“ Morgen-Routine
• zusätzlich emotionale Beeinträchtigungen
( Angststörungen, depressive Phasen)
• Tic-Störungen
• autistisch anmutenden sozialen Beeinträchti-
gungen
• Wenn vorgängig mit Stimulanzien keine befriedi-
gende Wirkung erreicht werden konnte
• Eltern dies vorziehen (Angst vor Betäubungs-
mittel !)
Eigene Erfahrungen mit Atomoxetin noch sehr
beschränkt und sehr unterschiedlich.
Vor allem ist für mich der typische „Strattera-Pa-
tient“ noch nicht sicher fassbar……wahrsch. va
Patienten mit deutl. emot. Labilität (Brown Skalen!)
Kombination Atomoxetin und Stimulanzien wahr-
scheinlich in gewissen Fällen sinnvoll (aber sehr
teuer und Probleme mit KK/IV zu erwarten…..)
Zum Glück gibt es heute viele erfolgreiche
Alternativmethoden, welche haben sich
nun aber wirklich bewährt ?
Alternativtherapien vgl PAEDIATRICA 11/2000, 27/8
Methoden, für die bisher weder eindeutig eine Wirkung
nachgewiesen noch abgesprochen werden kann, da ge-
nügend wissenschaftliche Untersuchungen fehlen:
• Zufuhr essentieller Fettsäuren, Omega 3- Fettsäuren
Trotz grosser Propoganda keine sichere Verbesserung
max. 2 – 3 Monate sinnvoll, vgl der „gute alte Lebertran“
• Zufuhr einzelner Saccharide wie Glucose, Galactose oder Mannose etc
• Vitaminpräparate
• Phytotherapie
Fragl. Effekt von Gingkopräparaten (va Hyp.)
• Homöopathie
Studie von H. Frei basiert lediglich auf Beurteilung durch
Eltern, bisher keine weiteren Studien zur Bestätigung
• Laser - Akupunktur
• Neurofeedback
In USA weitgehend verlassen, eigentlicher Boom in
Europa mit neuen Forschungsergebnissen, die zT sehr
vielversprechend sind. Jedoch noch keine Routineme-
thode. Problem, dass nicht vorausgesagt werden kann,
wer ansprechen wird, Transfer in Alltag ? Viele Unter-
suchungen mit gleichzeitiger Pharmakotherapie ! Zeitauf-
wendig und kostspielig. www.adhs-deutschland.de mit
aktuellem Artikel von H.J.Kühle, Neuropädiater,Giessen
• Feedback mittels Spiegelmethode
• Wahrnehmungstraining, zB sensorische Integration
• Vestibuläre Stimulation
• Antimykotische Therapie und einzl. Immuntherapien
► Neue computergestützte Methoden zur Verbesserung
des Arbeitsgedächtnisleistungen zB COGMED- Trai-
ning (M.Bader, Lausanne) www.cogmed.com
Methoden, die wahrscheinlich ohne Wirkung oder sogar
gefährlich sind:
• Megavitamindosen
• Zufuhr einzelner Aminosäuren
• Restriktion der Zuckerzufuhr
Klare Indikation bei spezieller Aetiologie
• Chelattherapie bei nachgewiesener Bleiintoxikation
• Korrektur der Schilddrüsenfunktion bei nachgewiesener Fehlfunktion ( ca 2 – 5 % aller ADHD – Kinder ?? )
• Zufuhr von Zink, Eisen, Magnesium oder Vitaminen bei nachgewiesenem Mangel
Eisenmangelsyndrom als DD zu ADHS ! Ganz unterschied-
liche Erfahrungen (vgl Studie Hassink, aus „Eisenzentren“,
eigene sehr verwirrende Ergebnisse, po oder iv Zufuhr ?)
Methoden mit nachgewiese-
ner Wirksamkeit
• Oligoantigene Diät für Kinder
mit nachgewiesener Nahrungs-
mittelintoleranz ( ca 5 % aller
ADHS – Kinder )
• Desensibilisierung einzelner Nahrungsmittelallergene
• Biofeedback mit EMG
• Meditation ! (habe sich in 2 kleinen Untersuchungen sehr bewährt....!) In Zwischenzeit weitere positive Studien
Kann der Verlauf einer ADHS bei früh-
zeitiger Erkennung und richtiger Behand-
lung wirklich beeinflusst werden ?
• Je länger eine ADHS nicht erkannt oder nicht regelrecht
behandelt wird (vgl eigentliche „Therapieodysseen“
vieler Patienten), desto schwieriger und umfassender
wird die Behandlung ausfallen. Gewisse Patienten/Fami-
lien können häufig allerdings „nur“ begleitet werden…..
• Eine eigentliche Ausheilung der ADHS ist nicht möglich,
die Symptomatik kann aber deutlich verringert werden,
der betroffene Patient „lernt damit umzugehen“. Zudem
gibt es zunehmend Hinweise auf eine gewisse „neuro-
biologisch nachweisbare“ Verbesserung der cerebralen
Informationsverarbeitung. Entsprechend kann die Medi-
kation in der Regel nach einigen Jahren abgesetzt wer-
den !
MTA-Studie Multitreatment Assesement Study
A 14-Month Randomized Clinical Trial of Treatment Strate-
Gies for Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder
Arch Gen Psychiatry Vol 56, Dec 99, 1073 ff
Auswertungen nach 3, 9, 14 und 24 Monaten, erste
Publikation nach 14 Monaten mit Ergebnissen für die
ADHS-Symptomatik (und weiterer 15 Kriterien, va bedingt durch die
hohe Komorbidität, die ebenfalls dignostiziert wurde)
Nach 14 Monaten (aus Kostengründen !)
reine Beobachtungsstudie bei Betreuung in
üblichem Rahmen („Community Care“),
drop out 25 % !.
Bereits nach 3 Jahren ist kein Unterschied bzgl.
anfänglicher Therapie ersichtlich, allen Kindern
geht es jedoch unterschiedlich besser, wobei sich
3 Gruppen unterscheiden lassen:
A: 34% weitere langsame Verbesserung und
eindeutige Wirkung der Medikation
B: 52 % anfänglich gute, jetzt konstant blei-
bende Verbesserung, Medikationswirkung ?
C: 14% nach anfänglicher Verbesserung
wieder Verschlechterung
► Gruppe B mit sozio-oekonomischen Vorteilen:
Mehr intakte Familien, höherer IQ, besser
verdienend, weniger Verhaltensprobleme,
sozial kompetenter und als Gruppe zu Beginn
zufällig (??) vermehrt in den 2 Behandlungs-
armen „Med.“ und „Med/Verhaltentherapie“
Nach 6 und 8 Jahren, dh mit durchschnitt-
lich 14,5 bis 16,5 Jahre alten Betroffenen
und im Vergleich zu einer nach 2 Jahren
neu rekrutierten Vergleichsgruppe ohne
ADHS (n 289) zeigen sich folgende Ergebnisse:
Medikation
Noch 32 % nahmen Medikamente mindestens an
50% aller Tage im vergangenen Jahr ein ( mit 14
Monaten waren es 63 %), 83 % davon aus-
schliesslich Stimulanzien (43 mg/Tag).
Nur 17 % hatten die Medikation während
der ganzen Studie immer eingenommen,
die anderen machten zT längere Pausen.
Kein Effekt der ursprünglichen 14 Monate langen
Behandlungsvarianten, allen Jugendlichen geht
es zwar besser, aber weiterhin besteht ein grosser
Unterschied zur „normalen“ Vergleichsgruppe,
Gruppe B schneidet jedoch insgesamt am
besten ab !
Insgesamt wurden 21 Bereiche untersucht,
wovon in 19 die MTA-Kinder schlechter ab-
schnitten. Wohl sind die ADHS-Symptome
zurückgegangen, die Beeinträchtigung (=
„Impairment“ ) im Alltag ist aber weiterhin gross.
Die Diagnose ADHS und die „Gruppenzugehörig-
keit“ bestimmen den Verlauf !
25 % zeigen eine schwere Störung des Sozial-
verhaltens,
26 % kamen bereits mit dem Gesetz in Konflikt.
Obwohl in der Zwischenzeit mit Langzeitpräparaten
neue Möglichkeiten bestehen, ist die Wirkung der
Pharmakotherapie in dieser Verlaufsstudie
bescheiden, wahrscheinlich zum grossen Teil da-
durch bedingt, dass die Medikation nicht mehr
optimal durchgeführt worden war ! Der starke
Rückgang der noch medikamentös betreuten Kinder
scheint dies zu bestätigen.
► Wahrscheinlich ist – gemäss meinen ei-
genen jahrzehntelangen Erfahrungen –
ein optimales “Medical Management”
über Jahre, wenn nötig kombiniert mit
Verhaltenstherapie, weiterhin die erfolgsver-
sprechendste Massnahme
vgl prospektive Studie von Bidermann et alDo Stimulants Protect Against Psychiatric Disorders in Youth with ADHD ? A 10-
Year Follow-up Study PEDIATRICS 2009, 124; 71 -78
Von 112 ADHS-Betroffenen erhielten 82 Stimu-
lanzien
Behandelte ADHS-Patienten zeigten mit 22 Jahren
signifikant weniger Depressionen, Angststörungen
und Persönlichkeitsstörungen und wiesen auch
bessere Schul- und Ausbildungsresultate auf !
Einschränkungen: DSM III Kriterien, nur weisse Kna-
ben
Zusätzlich zunehmend Hinweise, dass eine Lang-
zeitbehandlung möglicherweise neurobiologisch
nachweisbare Verbesserungen bewirkt, dafür
spricht auch die Erfahrung, dass eine Medikation
nach einigen Jahren abgesetzt werden kann !
Untersuchungen von Castellanos
Positiver Einfluss der Stimulanzientherapie
Langzeitbeobachtung von
ADHS-Kindern mit und ohne
Stimulanzientherapie inbezug
auf Volumen, widerlegt Vorwurf
des „shrinking brain“
Vgl. auch M.Ashtari, North Shore-Long Island Jewish Health System New Hide Park,
N.Y., praesentiert am Annual Meeting 2004, RSNA in Chicago, DTI-Untersuchung
(= Diffusion Tensor Imaging = neue MRI-Untersuchungsmethode ¨)
ADHS-Kinder unter Stimulanzien zeigen weniger Abnormali-
täten in der weissen Substanz als nicht behandelte !
Komorbiditäten und Zweit- resp. Folge-
erkrankungen. Welche therapeutischen
Konsequenzen sind dabei zu beachten ?
Sekundäre oder begleitende Störungen:
sind im Kindesalter häufig zu beobachten: (vor allem Teilleistungsstörungen, Störung des Sozialverhaltens, Angststörungen) oder treten im späteren Verlauf auf (va Depressionen, Suchtprobleme oder auch Delinquenz).
Es gibt - wie bereits ausgeführt - Hinweise, dass ein Teil dieser Zusatzstörungen durch eine frühzeitige Medikation vermindert werden kann, vor allem im Bereich der Suchterkran-kungen, die ja nicht selten eine „falsch ablau-fende“ Selbstmedikation darstellen
Wandel der typischen ADHS-Symptome im
Zeitverlauf
10 Jahre 20 JahreADHS
Störung Sozialverhalten
Persönlichkeitsstörung F60.2
+ F60.3
Sucht
Zeitliche Abfolge der Entwicklung der Störungen
Lernstörungen
Bipolare + depressive
Störungen
Angsterkrankungen
PTSD
30 Jahre
Tourette / Tics
Entwicklungsstörungen
Restless Legs
OCD
Medikamentöse Behandlungsalgorithmen bei ADHS
unter Berücksichtigung spezifischer KomorbiditätenFrölich et al. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie 2010
(38,2010,7-20)
Quintessenz: Eine individuell exakt dosierte Stimulanzien-
therapie führt nicht nur zu einer Remission der ADHS-Kern-
symptome sondern auch zu einer Gesamtstabilisierung des
Kindes mit häufiger Rückbildung der Komorbiditäten, resp.
einer besseren Zugänglichkeit zu psychotherapeutischen
Interventionen.
Viele eingesetzte Zusatzmedikamente werden off label
eingesetzt, haben Nebenwirkungen und sind in Kombination
mit Stimulanzien kaum geprüft !
ADHS und Depression
Stimulanzien meist sinnvoll, da idR auch stimmungs-
aufhellend
Atomoxetin fragl. sinnvoll
Ab 8 Jahren SSRI möglich (Fluctin, Sertralin)
Diskussionen ob damit erhöhte Suizidalität ?
Eigene recht gute Erfahrungen mit Johanniskrautpräparaten
in Ergänzung zu Stimulanzien
ADHS und Angststörung
Primärer Einsatz von Atomoxetin zu empfehlen, dabei
scheint Atx bei diesen Patienten die ADHS-Symptomatik
besser zu beeinflussen als bei isolierter ADHS !
Stimulanzien sind – nicht wie früher angenommen - bei
dieser Kombination kontraindiziert. Wenn ADHS besser
häufig auch Verbesserung der Angstsymptomatik !
Ev. Kombination mit SSRI
ADHS und Ticstörungen
Häufig !
Psychostimulanzien oder Atomoxetin
Eventuell zusätzlich Tiapridal (Deutschland) oder
Clonidin (USA)
ADHS und aggressive Verhaltensstörungen
Häufig und rel. schwer zu beeinflussen !
Im Prinzip wirken Stimulanzien recht gut, allerdings häufig
Reboundeffekt beim Nachlassen der Wirkung, eventuell
Vorteil mit Atx.
Wenn Verhaltenstherapie fehlschlägt eventuell zusätzlich
atyp. Neuroleptikum, zB Risperdal. (Studie nur mit Kindern,
die unterdurchschnittl. IQ haben….)
In seltenen Fällen Lithium, Carbamazepin, Valproat oder
Lamictal
Ihre individuellen Fragen ?
Weitergehende Informationen für ADHS-
Betroffene und interessierte Fachpersonen:
www.hansguckindieluft.ch
Benutzername: adhs
Kennwort: ryffel
www.sfg-adhs.ch
Schweizerische Fachgesellschaft
Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung
SFG-ADHS
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