333_Hidschra
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Fragen der Hidschra (Auswanderung)
Auszüge aus:
„Die Regelung bezüglich des Verbleibens in den Ländern der
Kuffar (Nichtmuslime) und die Ausrufung der Pflicht
diesbezüglich in manchen Situationen.“ 1
Von Scheich ‘Abdul-‘Aziz ibn Muhammad ibn As-Siddiq Al-
Hasani Al-Ghumaari2
Von Scheich Abdullah bin Hamid Ali
Übersetzt von H. Citlak
www.ahlu-sunnah.de
1 Hukm al-iqaamati fi bilaad al-kuffaar wa bayaan wudschubihaa fi ba’d al-ahwaal, Mataabi‘ al-Bughaaz (‘Imaarah Venezuela – Avenue Holland, Tangiers, Morocco). Zweite Publikation: 1416/1996. 2 Möge Allah zufrieden sein mit ihm! Einer der letzten großen Hadithgelehrten.
Teil I Ist die Auswanderung (Hidschra) aus
den nicht-muslimischen Ländern
Pflicht?
cheich ‘Abdul-‘Aziz rahimahullahu ta’ala sagt:
Imam Ahmad überliefert mit einer authentischen Kette durch Muschaadschi‘ ibn
Mas’ud, dass er dem Propheten sallallahu ‘alayhi wa sallam - möge Allah ihn segnen
und Frieden schenken, einen seiner Neffen brachte, damit dieser ihm sein
Versprechen bezüglich der Auswanderung (Hidschra) gibt. Darauf sagte der
Gesandte Allahs sallallahu ‘alayhi wa sallam: „Nein! Gib es (dein Versprechen) dem Islam.
Denn wahrlich, es gibt keine Hidschra nach der Eroberung. Aber er wird unter denen
sein, welche ihnen (den Auswanderern) im Guten (in guten Taten) folgen.“
‘Aischa radiyallahu ‘anha erläuterte dies durch ihre Aussage:
„Es gibt heute keine Hidschra mehr. Die Gläubigen flohen mit
ihrer Din (Religion) zu Allah, dem Erhabenen, und zu seinem
Gesandten, aus Angst, (ihrer Religion) wegen verfolgt zu
werden. Heute aber hat Allah, der Erhabene, den Islam
manifestiert und die Gläubigen beten ihren Herrn an, wo auch
immer sie möchten.“3
Die Gelehrten sagen:
„Sie weist darauf hin, dass der Grund für die Hidschra die
Angst vor Verfolgung wegen der Religion (Din) ist (khauf al-
fitnah). Wenn man aber fähig ist, Allah, den Erhabenen, an
jedem Ort anzubeten, so ist sie (die Hidschra) nicht mehr
notwendig.“
Auch sagten einige der Imame:
„Wenn man fähig ist die Religion in einem Land der
Nichtmuslime offen zu praktizieren, so wird dieses Land
dadurch zu einem Sitz des Islam (dar al-islam). So ist das
Bewohnen (dieser Länder) besser, als sie zu verlassen, da man
sich erhofft, dass dadurch andere in den Islam eintreten.
Vielmehr wäre es gewichtiger, dort zu bleiben, statt
auszuwandern, wegen dem darin enthaltenen Nutzen für den
Islam und die Muslime.“
Dies hat zwei Gründe:
Der erste Grund: Es besteht die Hoffnung, dass durch die öffentliche Ausübung
des Islam die Nichtmuslime den Islam annehmen. Dies ist eines der größten Ziele
3 Bukhari, Kitab Manaaqib al-Ansaar.
S
(Maqaasid) in der Schari’a4 und das Wichtigste, was aufrichtige Arbeiter tun können,
welche ihrer Religion treu sind.
Der zweite Grund: Durch die Möglichkeit, den Islam öffentlich zu praktizieren und
zur Einheit Gottes aufzurufen, ohne Angst vor Schikane, wird das Land ein
Wohnsitz des Islam für ihn und andere Muslime.5
Wenn man also auswanderte, so würde das Land zu einem Land des Krieges (Dar al-Harb).
Aus diesem Grund haben die Rechtsgelehrten (Fuqaha) gesagt:
„Es obliegt dem Muslim in dieser Situation, dort zu bleiben
und nicht auszuwandern.“
Der gebildetste Scheich der Schafi‘is6 in seiner Zeit, Ibn Hadschar al-Haythami rahimahullah,
sagt in Al-Fatawa al-Hadithiyya, 204, in der Antwort bezüglich einer Frage über den
Hadith, welcher besagt:
„Ich (der Prophet sallallahu ‘alayhi wa sallam) bin frei
(unschuldig) von jedem Muslim, der zwischen den
Muschrikin7 lebt.“
Darauf kommentiert er rahimahullah:
„Wenn du also sagst, dass die Aussage der Fuqaha – es ist
erlaubt, unter ihnen zu leben, solange man in Sicherheit ist –
diesem Hadith widerspricht, so würde ich antworten: Es
widerspricht dem nicht, denn sie legten fest, dass er in
Sicherheit ist, während er seine Religion offen zeigt. Wenn
man dort in Sicherheit ist, so ist in dem Leben zwischen ihnen
(den Nichtmuslimen) ein Nutzen für die Muslime, welcher
den Nachteil seiner Abwesenheit von ihnen überwiegt. So
erlaubten sie es für solche, damit der Ort, von dem er
auswandern würde, nicht zu einem Land des Krieges wird.
Vielmehr ist es verpflichtend, dass er in diesem Fall dort
bleibt.“
So hat er also ausdrücklich verkündet, dass, wenn man vor Verfolgung/Zwietracht (Fitnah)
wegen seiner Religion sicher ist, und gleichzeitig offen das Wort des Tawhid (die Einheit
Gottes) verkünden und die Riten des Islam ausrufen kann, so ist es verpflichtend, dort zu
verweilen, damit dieser Ort nicht zum Land des Krieges durch die Auswanderung wird.
4 Wortwörtlich: ‚Weg zur ‚Wasserstelle‘‘; In Bezug auf Islam sind damit alle Lehren, die Allah offenbart hat, gemeint. Es ist auch der klare Weg der Rechtsschulen. Gemeint ist auch der Weg zu Allahs Ge- und Verbote. Die Schari‘a ist ein Oberbegriff, der alle Zweige des Islam umfasst. 5 Diese Aussage stammt von dem großen Schafi’i-Gelehrten des 5. Jahrhunderts, Imam Abu al-Hasan al-Maawardi (450 n.H – nach Hidschra). Siehe auch Fath al-Bari (Kommentar zur Sahih al-Bukhari) und Imam Nawawis Kommentar zu seiner „40 Hadith-Sammlung“. 6 Eine der vier Rechtschulen im Islam. Benannt nach Imam Muhammad ibn Idris asch-Schafi’i (radiyallahu ‘anh) 7 Alle, die Allah ta’ala etwas beigesellen.
Dies ist klar und offensichtlich für diejenigen, welche über die Beweistexte (Nusus)
nachsinnen und die Kommentare der Imame bezüglich dieser Thematik kennen.
Dies ist, weil die Ahadith8, welche es bezüglich des Lebens in den Ländern der
Nichtmuslime gibt, so interpretiert werden, dass sie dann gelten, wenn man nicht die
Religion ausleben kann, Verfolgung fürchtet, sich wegen der Religion seines Lebens und
Besitzes nicht sicher ist.
Wenn der Muslim aber in der Lage ist, die Riten zu praktizieren, öffentlich die Einheit
Gottes (Tawhid) auszurufen, den Gebetsruf (Adhan) zum Gebet auszurufen, zu fasten und
andere Dinge zu tun, dann gibt es absolut (mutlaqan) nichts, dass dagegen spricht, dass er in
den Ländern der Nichtmuslime verweilt.9 Es gibt auch keinen Einwand (Haradsch) dagegen,
dass er in ihnen wegen eines Zieles verweilt, sei es Handel, Studium (qiraa’ah) oder Arbeit.
Niemand hat von einem Verbot gesprochen. Der Beweis hierfür ist, dass Allahs Gesandter
(sallallahu ‘alayhi wa sallam) denjenigen, welche zu ihm als Gläubige kamen, nicht befahl, die
Länder des Unglaubens (Dar al-Kufr) zu verlassen und in die Länder des Islam
auszuwandern, nachdem die Muslime sich niedergelassen und ihre Stärke zugenommen
hatte, sie fest verankert und vor Verfolgung aufgrund ihrer Religion sicher waren.
Tabarani rahimahullah überliefert mit einer guten (hasan) Überlieferungskette durch Hasan
ibn Saalih ibn Baschir ibn Fudaik, dass er sagte:
„Fudaik ging hinaus zu Allahs Gesandtem sallallahu ‘alayhi wa
sallam und sagte: „Oh Allahs Gesandter! Wahrlich, sie
behaupten, wer auch immer nicht auswandert, sei zerstört.“
So antwortete Allahs Gesandter sallallahu ‘alayhi wa sallam:
„Verrichte das Gebet, gebe Zakah
(Pflichtabgabe/Almosen), verlasse die Ungerechtigkeit
und lebe in dem Land deiner Leute, wo auch immer du
willst.“
Ahmad, Bazzaar und Tabarani berichten – und die Überlieferungskette von Ahmad ist gut
(hasan) – durch ‘Abdullah ibn ‘Amr, dass er sagte:
„Ein ernster und verwegener Nomade kam und sagte: ‚Oh
Allahs Gesandter! Wohin ist die Auswanderung? Zu dir, wo
auch immer du bist? In ein bestimmtes Land? Zu bestimmten
Leuten? Oder ist es so, dass sie endet, wenn man stirbt?‘ Er
(‘Abdullah) sagte: ‚Der Gesandte Allahs (sallallahu ‘alayhi wa
sallam) wurde still und sagte: ‚Wo ist der eine, welcher
bezüglich der Hidschra fragt?‘ Er antwortete: „Hier bin
ich, oh Gesandter Allahs!‘ Er (der Prophet) sagte: ‚Wenn du
8 Plural von Hadith – Überlieferungen vom Propheten (sallallahu ‘alayhi wa sallam) 9 Man beachte, wie Scheich ‘Abdul-‘Aziz hier erwähnt, was es bedeutet, die Religion öffentlich zu praktizieren. Wie er die Anwendung des islamischen Strafrechts – die Strafen werden Huduud genannt – nicht dazu zählt. Dies ist, weil die Anwendung der Huduud eine der Regeln ist, welche allein auf den Schultern des islamischen Staates ruht (al-Ahkaam as-Sultaaniyyah) und nicht auf dem einfachen Volk. Dies wird zu einem späteren Zeitpunkt noch näher behandelt, inschallah.
das Gebet verrichtest und die Zakah zahlst, dann bist du
ein Auswanderer, selbst wenn du in Al-Hadrami stirbst.‘
Er (‘Abdullah) sagte: ‚Er meint ein Land in Yamaamah
(Jemen).‘“ 10
Und in einer der Überlieferungen heißt es:
„Hidschra bedeutet für dich das Unterlassen der
Unanständigkeiten (Fawaahisch), die, welche offensichtlich sind
und die, welche versteckt sind, das Gebet zu verrichten und
die Zakah zu zahlen. Dann bist du ein Auswanderer
(Muhadschir).“
Dies ist deutlich (nass) bezüglich dessen, was ich angenommen habe und wozu ich neige.
Genauso verhält es sich mit dem Hadith davor.
Es ist bekannt, dass Yamaamah in der Zeit des Gesandten Allahs sallallahu ‘alayhi wa sallam
ein Land des Unglaubens (Dar al-Kufr) war, da es bis zum Kalifat Abu Bakrs radiyallahu ‘anh
nicht erobert wurde.
Nach diesen klaren Zeichen ist es also nicht angemessen, noch weiter zu zweifeln, dumm
danach zu frönen, sinnlos zu sprechen und weitere Spekulationen bezüglich dieser
Thematik zu starten.
Ähnlich erlaubte Allahs Gesandter sallallahu ‘alayhi wa sallam es einer Gruppe von Leuten
auch, dass sie nach ihrem Eintritt in den Islam in Mekka verblieben, noch vor dessen
Eroberung. Unter ihnen war al-‘Abbas, sein Onkel, radiyallahu ‘anh, da sie keine Verfolgung
(Fitnah) fürchteten und geschützt davor waren, dass ihnen etwas angetan wird.
Darin liegt ein klarer Beweis für die „Nicht-Pflicht“ der Auswanderung aus den Ländern
des Unglaubens und des „Nicht-Verbots“ für das Verbleiben in ihnen, wenn die Muslime
sicher davor sind, aufgrund ihrer Religion verfolgt zu werden.
Imam Nasir as-Sunnah Muhammad ibn Idris asch-Schafi’i radiyallahu ‘anh sagt in Al-Umm
(4/84) in seinen Kommentaren bezüglich der Pflicht der Hidschra für diejenigen, welche sie
aushalten können:
„Sie ist lediglich für den, welcher wegen seiner Religion
verfolgt wird in dem Land, indem er den Islam annahm, denn
der Gesandte Allahs (sallallahu ‘alayhi wa sallam) erlaubte
einigen Leuten das Verweilen in Mekka, nachdem sie den
Islam angenommen hatten: Al-‘Abbas ibn ‘Abd al-Muttalib
und anderen – dies war, weil sie keine Verfolgung fürchteten.
Und er (der Prophet) ordnete seinen Soldaten an, denjenigen,
die den Islam annahmen, zu sagen: „Wenn ihr auswandert,
habt ihr, was die Auswanderer haben. Und wenn ihr dort
10 Dieser Hadith klärt darüber auf, dass die Bedeutung des offenen Praktizierens der Religion in einem Nicht-muslimischen Land nichts mit der Fähigkeit zu tun hat, die islamischen Strafen für Unzucht, Ehebruch, Diebstahl etc. durchzusetzen.
verbleibt, dann seid ihr wie Nomaden.“ Und der Prophet
sallallahu ‘alayhi wa sallam erlaubt ihnen nur darin eine Wahl,
was für sie erlaubt ist.“
Schawkani überliefert in Nail al-Awtar 8/29 durch Abu Bakr ibn Al-‘Arabi Al-Maliki, dass
er sagte:
„Hidschra: Es ist das Verlassen des Haus des Krieges (Dar al-
Harb) in das Haus des Islams (Dar al-Islam). Es ereignete sich
zur Zeit des Propheten sallallahu ‘alayhi wa sallam und ging
weiter nach ihm für jeden, der Verfolgung fürchtete. Was ein
Ende gefunden hat, ist, dass man sich dorthin begibt, wo auch
immer er (der Prophet) wäre.“
Bayhaqi stellte aus diesem Grund in seinem Sunan ein extra Kapitel zusammen. Er nannte
es:
„Kapitel über die Erlaubnis im Land der Vielgötterei (Dar
asch-Schirk) zu verbleiben, wenn man keine Verfolgung
fürchtet.“
Darin erwähnt er Ahadith, welche darauf deuten, wofür er das Kapitel erdacht hat.
Ähnlich tat es auch Hafiz Al-Haythami mit einem Kapitel in Madschma‘ Az-Zawaaid für die
Ahadith, welche wir zusammen mit folgender Aussage erwähnten:
„Bezüglich dem, der die Religion verrichtet, wo auch immer er
ist.“
Er erstellte auch ein Kapitel dafür in einem anderen Themengebiet mit der Aussage:
„Bezüglich dem, der nicht ausgewandert ist und die Religion
und die Schari’a verrichtet.“
Hafiz Abu Bakr Al-Hazimi sagte sogar ausdrücklich, dass die Pflicht der Hidschra aus dem
Land des Unglaubens völlig aufgehoben ist, und dass die Hidschra nur zu Beginn des Islam
verpflichtend war, gemäß dem, worauf die Ahadith deuten. Daraufhin wurde es empfohlen
und nicht verpflichtend. [Entnommen aus den Seiten 11-15]
Andere Zitate (und Meinungen) von Gelehrten
Ibn Hazm sagt in Al-Muhallaa 12/124:
„Und die Aussage des Gesandten Allahs sallallahu ‘alayhi wa
sallam - „Ich (der Prophet sallallahu ‘alayhi wa sallam) bin frei
(unschuldig) von jedem Muslim, welcher zwischen den
Muschrikin lebt.“- erklärt, was wir bereits sagten, und zwar,
dass er sallallahu ‘alayhi wa sallam damit lediglich die Länder des
Krieges meinte. Ansonsten (sehen wir nämlich), dass er seine
Stadthalter über Khaibar ernannte, während all seine
Bewohner Juden waren.
Und wenn ein Muslim unter denen ist, welche unter dem
Schutz (des Islam) stehen (Ahl Adh-Dhimma), und sich in ihren
Städten befindet, während keine anderen (Glaubensgruppen)
sich mit ihnen vermischen, um dort zu regieren (imaaratin
‘alaihim) oder um dort Geschäfte mit ihnen zu machen, so
wird er nicht als Ungläubiger oder Sünder bezeichnet.
Vielmehr ist er ein guter Muslim und das Land ist ein Land
des Islam und kein Land des Schirk. Denn das Land wird dem
zugeschrieben, der Macht darüber hat, es regiert und
kontrolliert.“
Und er sagt weiterhin auf S. 125:
„Bezüglich dem, der in die Länder des Krieges flieht, wegen
irgendwelcher Unterdrückung, die er fürchtet, solange er
keinen Krieg gegen die Muslime führt, ihnen (den
Nichtmuslimen) nicht gegen sie (die Muslime) hilft und keinen
unter den Muslimen findet, der ihm Zuflucht gewährt, so
spricht nichts gegen dieses Individuum, denn er steht unter
Bedrängnis und Zwang.“
Ibn Taymiyya sagt in seinem Fataawa 28/204 bezüglich der notwendigen Auswanderung:
„Und in diesem Kapitel ist die Auswanderung aus dem Land
des Unglaubens und der Sünde in das Land des Islam und des
Glaubens. Denn wahrlich, es ist die Auswanderung von dem
Ort des Verbleibens zwischen den Ungläubigen und
Heuchlern, welche ihm nicht die Möglichkeit einräumen, das
zu tun, was Allah ta’ala (erhaben ist Er) ihm
befohlen/auferlegt hat.“
Hafiz As-Suhaili radiyallahu ‘anh sagt in Raud al-Anf, während er über die Auswanderung
nach Abessinien und die Unterhaltung zwischen Nadschaaschi, Dscha’far ibn Abi Talib
und seinen Gefährten spricht:
„Und unter den rechtlichen Aspekten (Fiqh), welche es
beinhaltet, sind: Aus dem Heimatland zu gehen, selbst wenn
es sich um Mekka mit all seinen Vorzügen handelt, wenn die
Flucht wegen der Religion ist. Selbst wenn die Flucht nicht in
ein Land des Islam stattfindet.
Denn wahrlich, die Abessinier waren Christen, welche den
Messias anbeteten. Sie sagten nicht, dass er „der Diener
Allahs“ ist. Dies geht deutlich aus dem Hadith hervor…
Sie gingen fort von Allahs gesegnetem Haus, in ein Land des
Unglaubens. Aber ihr Handeln geschah aus Bedacht auf ihre
Religion und aus der Hoffnung heraus, mit ihrer Anbetung
Allahs in Ruhe gelassen zu werden, während sie Ihm in
Sicherheit und Gelassenheit gedenken.
Diese Regelung besteht weiterhin, wann auch immer das Böse
in einem Land Oberhand gewinnt und der Gläubige wegen
der Wahrheit belästigt wird, und er sieht, dass die Falschheit
die Wahrheit übermannt und sich erhofft, dass er in einem
anderen Land in Ruhe gelassen wird mit seiner Religion und
offen die Anbetung seines Herrn praktizieren kann, so ist die
Auswanderung verpflichtend für den Gläubigen. Dies ist die
Hidschra, welche nicht endet bis zum Tag der
Wiederauferstehung. Und Allahs ist der Osten und der
Westen. Wo auch immer man sich hinwendet, dort ist Allahs
Antlitz.“
Ibn Hadschar Al-Asqalani sagt in seinem Fath al-Bari (6/115) als Kommentar zu der
Aussage des Propheten sallallahu ‘alayhi wa sallam:
„Es gibt keine Hidschra nach der Eroberung.“
„Dies ist die Eroberung Mekkas. Oder aber es hat eine
allgemeine Bedeutung, so dass die gleiche Regel, wie die für
Mekka, auch für andere Orte gilt. So ist die Hidschra nicht
verpflichtend aus einem Land, welches die Muslime erobert
haben. Vor der Eroberung eines Landes befinden sich die
Muslime darin in einem von drei Zuständen:
Erstens: Für denjenigen, welcher fähig ist, auszuwandern, aber
nicht fähig, seine Religion offen zu zeigen und seine Pflichten
zu erfüllen, ist die Hidschra verpflichtend.
Zweitens: Für denjenigen, welcher fähig ist, auszuwandern,
aber auch fähig, seine Religion offen zu zeigen und seine
Pflichten zu erfüllen, ist sie (die Auswanderung) empfohlen,
um die Zahl der Muslime zu erhöhen und ihnen im Dschihad
gegen die Nichtmuslime zu helfen, um vor ihrem Verrat
(Ghadr) sicher zu sein und um Erleichterung davor zu
erlangen, Unanständigkeiten von ihnen zu sehen.
Drittens: Demjenigen, welcher nicht fähig ist, (Hidschra zu
machen), wegen einer Entschuldigung, wie z.B.
Gefangenschaft, Krankheit usw., ist es gestattet, zu bleiben,
aber wenn er sich die Schwere der Auswanderung auferlegt, so
wird er belohnt.“11
Eine ähnliche Einteilung findet man in den Aussagen Ibn Qudamahs in seinem Al-Mughni
(10/514).
11 Ibn Hadschar sagt bezüglich des Hadith: - „Ich (der Prophet sallallahu ‘alayhi wa sallam) bin frei (unschuldig) von
jedem Muslim, welcher zwischen den Muschrikin lebt.“ - „Dies wird so verstanden, dass es sich auf die bezieht, die ihre
Religion nicht frei ausüben können.“
Teil II Ist ein Abkommen (Sulh) mit der
nicht-muslimischen Regierung
notwendig, bevor ein Muslim in
ihren Ländern verbleiben kann?
Bevor wir uns mit der Thematik dieses Teiles befassen, sollten wir Folgendes beachten, um
den richtigen Kontext der Erläuterung von Scheich ‘Abdul-‘Aziz zu verstehen:
Er sagt auf Seite 22 seiner Abhandlung:
„Und die Gefährten radiyallahu ‘anhum – möge Allah mit ihnen
zufrieden sein, pflegten als Beweis für die Erlaubnis einer Sache,
die sie taten, die Tatsache anzuführen, dass der Qur’an
offenbart wurde, dies aber nicht verbot – wie es bei der
Angelegenheit des Coitus interruptus (al-‘Azl) geschah, dass
Dschabir (radiyallahu ‘anh) als Beweis für die Erlaubnis dessen
dergleichen, was wir eben erwähnten, hervorbrachte.
So ist die erste Stelle, an der Allah subhanahu wa ta’ala – gepriesen
sei Er, der Erhabene, die Thematik des Abkommens erwähnt,
ohne es in irgendeiner Weise zu verbieten oder zu rügen,
Seine Aussage in Surat al-Dschumu’ah:
„Doch wenn sie eine Handelsware oder ein Spiel sehen,
dann brechen sie sogleich dazu auf und lassen dich (im
Gebet) stehen.“ [62:11]
Bezüglich des Offenbarungsgrundes dieses Verses ist
Folgendes von Dschabir ibn ‘Abdillah in Bukhari und Muslim
überliefert:
„Während wir zusammen mit dem Propheten sallallahu ‘alayhi
wa sallam beteten, traf eine Karawane, beladen mit Essen, aus
Schaam (Damaskus) ein. So richteten sie (die beim Gebet
Anwesenden) ihre Aufmerksamkeit darauf, bis mit dem
Propheten sallallahu ‘alayhi wa sallam nicht mehr als 12 Mann
verblieben. Daraufhin wurde dieser (besagte) Vers
offenbart.““
Dann sagt der Scheich auf derselben Seite und der darauffolgenden:
„Es ist bekannt, dass Schaam zur Zeit des Gesandten Allahs
sallallahu ‘alayhi wa sallam ein Land des Unglaubens war.
Dennoch verbot er es den Gefährten nicht, dorthin zu fahren,
um Handel zu betreiben und verurteilte sie nicht deswegen,
wie es der Brauch des Qur’an ist. Denn wahrlich, niemals
erwähnt er eine Angelegenheit, welche verboten gehört, ohne
sie ausführlich zu erklären, wie es hier der Fall ist. Denn er
behandelte nicht die Thematik der Reise nach Schaam für
Handel, sondern lediglich den Tadel bezüglich ihres
Verlassens des Gesandten Allahs sallallahu ‘alayhi wa sallam zur
Zeit der Dschumu’ah Khutba (Freitagspredigt), und nicht
mehr.
Wenn also das Reisen in das Land des Unglaubens verboten
gewesen wäre und dem Muslim nicht gestattet, so hätte Er
(Allah) ta’ala es bei dieser Gelegenheit (qissah) erklärt, da es
nicht passiert, dass die Erklärung einer Regel hinausgezögert
wird zu der Zeit, wo sie benötigt wird…“
Der Sachverhalt des Abkommens (Sulh)
Auf Seite 40 und 41 sagt der Scheich Folgendes:
„Und vielleicht wird man sagen, dass die Erlaubnis der
Gelehrten, in die Länder der Nichtmuslime eizutreten, auf
einer Bedingung basiert. Diese soll sein, dass es für die
Muslime einen Pakt der Sicherheit (Amaan) mit ihnen (den
Nichtmuslimen) gibt oder einen Vertrag (Mu’aahadah), so dass
derjenige, der unter ihnen lebt, sicher vor Misshandlungen ist.
Und wo gibt es diese (Abkommen) heute?
Die Antwort ist: Das Eintreten in die Länder der
Nichtmuslime mit dieser Bedingung einzuschränken, ist nicht
kritiklos (Fihi ma fihi).
Wenn aber die Gefährten in der Zeit des Gesandten Allahs
sallallahu ‘alayhi wa sallam nach Schaam gingen, um zu handeln
und Güter zurück nach Medina zu bringen, taten sie dies,
ohne dass es eine Übereinkunft (‘Ahd), einen Pakt der
Sicherheit (Amaan) oder Vertrag (Mu’aahadah) zwischen Allahs
Gesandtem sallallahu ‘alayhi wa sallam und den Römern in
Schaam gab. Dies deutet darauf hin, dass alles, was verlangt
wird, um in ihre (der Nichtmuslime) Länder einzutreten, die
Sicherheit (in der Praktizierung) der Religion, des Lebens und
des Besitzes ist, selbst wenn dies nicht auf einer Übereinkunft
oder einem Pakt basiert.
Dies ist es auch, was sein sallallahu ‘alayhi wa sallam Befehl an
die Gefährten, nach Abessinien auszuwandern, andeutet, denn
bei diesem Herrscher (Malik) wurde niemandem Unrecht
angetan. So sah also Allahs Gesandter sallallahu ‘alayhi wa
sallam diese Tatsache bezüglich Nadschaaschi12 als ausreichend
an (um Sicherheit für die Gefährten anzunehmen).
Ähnlich verhält es sich mit dem bereits Erwähnten von Abu
‘Ubaid in Kitab al-Amwaal. Es deutet darauf, dass diese
Bedingung nicht beachtet wird, da ‘Umar die vollen
Farmsteuern (‘Uschr)13 von denen nahm, welche sich aktiv im
12 Der Titel des Herrschers von Abessinien war „Nadschaschi“ 13 Die Steuer auf die Erzeugnisse von Farmen war 10%. Aus diesem Grund wird sie „Al-‘Uschr“ genannt – Das Zehntel.
Krieg befanden (Ahl al-Harb), da sie das Gleiche taten, wenn
die Muslime in ihr Land kamen.
Das Gleiche gilt bezüglich dessen, was Abu ‘Ubaid durch
Ziyad ibn Hudair überliefert, nämlich, dass sie die
Farmsteuern von den Leuten des Krieges (Ahl al-Harb)
nahmen, so wie sie auch uns Verachtung entgegen brachten
(Yu’affiruunanaa), wenn wir zu ihnen kamen. Gemeint ist, dass
sie mit den Kaufleuten der Muslime tückisch (muraaghamah)
umgingen und der Umgang allgemein nicht von Begeisterung
gekennzeichnet war (laa mudschaamalah).
Daraus resultierend lässt sich sagen, dass diese Bedingung,
welche die Fuqaha stellten, keine Grundlage hat. Es ist
vielmehr ein Verlassen der passenderen Analogie (Istihsaan)14
und nicht mehr. Aber selbst wenn man die Meinung nimmt,
dass es notwendig ist, so existiert solch eine Übereinkunft
heute.
Denn wahrlich, alle islamischen Länder sind mit den
Europäern und Amerikanern durch Verträge verbunden,
durch welche die Einwanderer vor Misshandlungen,
Unterdrückung und dem Entzug ihrer Rechte geschützt sind.
Dies ist allgemein bekannt und bedarf keiner weiteren
Erklärung.
Es ist also nicht möglich, jemanden aufgrund dieser Sache
davon abzuhalten, in den Ländern der Nichtmuslime zu
verweilen, es ist nicht gestattet, diese Meinung zu haben und
keiner nutzt es als Beweis für seine Rechtsmeinung (Fatwa)
bezüglich Untersagung (Man‘) und Verbot (Tahrim), außer
dem, der nicht gut prüft und nicht sehr bewandert ist in der
Untersuchung der Meinungen der Rechtsgelehrten.“
14 Istihsaan ist ein Mittel des Idschtihad. Die sprachliche Bedeutung ist „etwas als gut erachten“. Die fachspezifische Defintion ist: „Sich von einer als angemessen angesehenen Analogie (Qiyas Dschali) zu einer weniger passenden Analogie (Qiyas Khafi) abwenden oder sich von einer allgemeinen Regel (Hukm Kulli) zu einer außergewöhnlichen Regel (Hukm Istithnaai) abwenden, aus einem bestimmten Interesse (Maslahah) heraus, welches dieses Abwenden notwendig macht.“ Im obigen Fall wäre die als angemessen angesehene Analogie die, dass man nicht die Bedingung stellt, dass ein Pakt der Sicherheit zwischen den Muslimen und Nichtmuslimen bestehen muss, da der Prophet (sallallahu ‘alayhi wa sallam) dies nie von jemandem verlangte, da die Atmosphäre in den nicht-muslimischen Ländern, in welchem zu seiner Zeit Muslime lebten, nicht feindlich war. Die weniger passende Analogie in diesem Fall wäre es, auf einen Pakt der Sicherheit zu bestehen. Das Interesse der Sicherheit der Person, Religion und des Besitzes war es, was die Juristen dazu veranlasste, sich von der angemesseneren Analogie abzuwenden an Orten, wo die Atmosphäre gegen die Muslime feindlich war, wie z.B. in Andalusien (ehemals von Muslimen erobertes Gebiet Spaniens) nachdem die Ungläubigen die Muslime vertrieben und die Kontrolle über das Land wiedergewonnen hatten. Ein Muslim könnte sich dort nur aufhalten, wenn die herrschenden Mächte dort für die Muslime die Sicherheit gewährleisten würden, ihre Religion nach den Bedingungen der Regel nach Istihsaan zu praktizieren. Diejenigen, die auf diesen Istihsan bestehen, um darauf zu beharren, dass ein Pakt existieren muss, sei gesagt, es gibt keinen ‘Idschma (Konsens) unter den Rechtstheoretikern (Usuliyun), dass Istihsaan ein legitimes Mittel ist. Dies also von jedem Muslim zu verlangen, unabhängig von seiner Rechtsschule oder den Umständen in der Welt heute, wäre nicht gerecht.
Teil III Ist ein Sultan oder Kalif notwendig,
um die in Islam festgesetzten
Strafen (Huduud) zu vollziehen?
Und umfasst „fähig sein, die Religion
offen auszuleben“ in den
nichtmuslimischen Ländern auch
die praktische Ausübung des
Strafrechts?
Zitate von Gelehrten
Imam an-Nasafi rahimahullah sagt in seinem ‘Aqaid:
„Die Muslime müssen einen Imam (d.h. Kalif) haben, um
Rechtsurteile anzuwenden und das Strafrecht durchzusetzen,
ihre Grenzen (Thuguur) zu sichern, die Streitkräfte
vorzubereiten, die (Pflicht)-Almosen (Sadaqaat) einzunehmen,
die Rebellen (Mutaghalibah), Diebe (Mutalassisah) und Banditen
(Quttaa At-Tariiq) zu verdrängen, das Freitagsgebet (Dschuma‘)
und die Festtagsgebete (‘Ayaad) durchzuführen, die
Streitigkeiten zwischen den Dienern (Allahs) zu lösen, die
Zeugnisse bezüglich der Rechte der Menschen anzuerkennen,
um die jungen Männer und Frauen ohne
Erziehungsberechtigte (Wali) verheiraten zu können, die
Beute zu teilen und wegen anderer Dinge als diese.“
Imam Taftazani rahimahullah sagt in seinem Scharh al-‘Aqaid (dem Buch Nasafis), das
Kalifat kommentierend:
„Es gehört zu den Angelegenheiten, welche der normale
Bürger dieser Ummah (Gemeinschaft der Muslime) nicht auf
sich nimmt. Wenn also gesagt wird, warum es nicht
ausreichend sei, jemanden zu haben, der die Macht in der
Region besitzt und worauf die Pflicht basiert, jemanden zu
bestimmen, der die alleinige Oberaufsicht (Ar-Riaasat al-
‘aammah) hat, so sagen wir: Weil es zu Streitigkeiten und
Auseinandersetzungen führt, welche wiederum in Unordnung,
sowohl in religiöser wie auch weltlicher Hinsicht münden, wie
wir es in unserer heutigen Zeit beobachten können.“
Er sagt auch:
„Wenn gesagt wird, dass es ausreichend sei, jemanden zu
haben, der die Macht (Schaukah) und alleinige Herrschaft
besitzt, sei es ein Imam oder etwas anderes, denn sicherlich
erreicht man auch so die Regelung der Sicherheit, wie es
schon zur Zeit der Türken war, so sagen wir: Wahrlich! Man
erreicht eine gewisse Ordnung in den weltlichen (Dunya)
Angelegenheiten, aber die Angelegenheiten der Religion,
welche wichtiger sind und die große Stütze des Staates, wären
gestört.
Scheich Nuh ‘Ali Sulaimaan Al-Qudaat15 sagt in seinem Scharh (Kommentar) von
Dschawharat at-Tawhid:
„Es ist bekannt, dass der noble Qur’an und die prophetische
Sunnah Urteile und Regeln enthalten, welche die gesamte
Gesellschaft betreffen und keiner ist fähig, sie durchzusetzen,
außer die herrschende Autorität (Daulah). Dies sind
Rechtsbeschlüsse (qadaa) auf den verschiedensten Gebieten,
wie Vergeltung (Qisaas), bestimmte Bestrafungen (Huduud),
Verträge, der Schutz der Religion und der Gesellschaft durch
Dschihad, Erfüllung des gesellschaftlichen Rechts, Verbreitung
des Islam in allen Regionen der Welt und andere
Bestimmungen, welche das Individuum allein nicht fähig ist,
durchzuführen.
Allahs Gesandter sallallahu ‘alayhi wa sallam etablierte den
islamischen Staat mit seiner Auswanderung nach Medina, der
Erleuchteten (Stadt). Deswegen ist die Auswanderung der
Beginn der islamischen Geschichte, da es der Beginn der
Etablierung des islamischen Staates ist. Allahs Gesandter
sallallahu ‘alayhi wa sallam war der Führer des islamischen
Staates, der Redner der Freitagspredigt, der Richter bei
Streitigkeiten, der Kommandant im Krieg usw., und er konnte
dies nicht vor der Auswanderung und Gründung des
islamischen Staates tun. So war also die Gründung des
islamischen Staates notwendig (Daruuri), damit die islamischen
Urteile, welche Allah für die Menschen bestimmt hat,
angewandt werden konnten. Allah subhanahu wa ta’ala sagt:
‚Und wer nicht nach dem richtet, was Allah
herabgesandt hat - das sind die Ungläubigen‘16 [5:44]
Nach dem Dahinscheiden des Propheten sallallahu ‘alayhi wa
sallam beeilten sich die Gefährten, einen Führer für den
islamischen Staat zu bestimmen. Sie waren sogar durch diese
Sache von der Angelegenheit der Vorbereitung des Propheten
sallallahu ‘alayhi wa sallam und seiner Beerdigung abgelenkt,
trotz ihrer leidenschaftlichen Liebe für ihn, weil sie durch den
Propheten sallallahu ‘alayhi wa sallam verstanden hatten, dass
diese Angelegenheit nicht hinausgezögert werden darf.
Dadurch haben die Leute der Sunnah ihren Beweis für die
Pflicht der Ernennung eines Führers für die Muslime erhalten,
welcher ein Vertreter des Propheten sallallahu ‘alayhi wa sallam
15 Er ist der ehemalige Oberste Richter und Mufti der jordanischen Streitkräfte und ein Doktor in der Schari’ah (Islamisches Gesetz). 16
Siehe hierzu die Artikel im Bereich ‘Aqidah von Ibn Qayyim, Tafsir von Qurtubi und Ibn Kathir.
in der alleinigen Herrschaft der religiösen und weltlichen
Angelegenheiten ist. Sie nannten ihn Kalif des Gesandten
Allahs, Amir al-Mu’minin (Führer der Gläubigen) und Imam
der Muslime (Imam al-Muslimin). All dies sind Namen für
einen Bevollmächtigten. Er ist der Führer der islamischen
Nation.
Einen Kalif zu bestimmen ist eine gemeinschaftliche Pflicht
(Fard Kifaayah) für alle Muslime seit dem Ableben des
Propheten sallallahu ‘alayhi wa sallam bis zum Eintreten der
Stunde. Wenn also die Leute mit Einfluss (Ahl al-Hall wa al-
‘Aqd) – d.h. die berühmten/wichtigen Leute (Wudschahaa an-
Naas) – sie (die Pflicht zur Bestimmung eines Führers)
erfüllen, so fällt die Sünde auch von den anderen ab…“ 17
Imam al-Baidschuri18 sagt in seinem Kommentar zu Dschauharah:
„Unter Beweisen durch die Schrift (Schar‘), welche auf die
Pflicht dessen (das Kalifat) hindeuten, ist, dass der göttliche
Gesetzgeber (Schaari‘) die Durchsetzung der Strafen (Huduud),
die Sicherung der Grenzen und die Versorgung der
Streitkräfte angeordnet hat. Dies wird nur durch einen Imam
erfüllt, an den man sich bezüglich der Staatsangelegenheiten
wendet…“ 19
Imam Ibn Taymiyya sagt:
„Bezüglich Seiner (subhanahu wa ta’ala) Worte:
„und wenn ihr unter den Menschen richtet, dass ihr mit
Gerechtigkeit richtet.“ [4:58]
Wahrlich, das Richten unter den Menschen sind die
festgelegten Strafen (Huduud) und die Rechte (Huquuq). Es
sind zwei Kategorien: Die erste Kategorie sind die
festgelegten Strafen und Rechte, welche nicht wegen
bestimmter Leute sind. Vielmehr ist ihr Nutzen für die
Allgemeinheit der Muslime oder eine Gruppe von ihnen,
während aber alle sie benötigen. Sie werden die festgelegten
Strafen Allahs und die Rechte Allahs genannt, so wie die
Strafe (Hadd) für Banditen, Diebe, denen, die sich
ungesetzlichen Geschlechtsverkehrs schuldig gemacht haben,
usw. Es betrifft auch die Urteile bezüglich des Vermögens,
welches der Sultan beaufsichtigt (Amwaal Sultaaniyah),
17 Zitat aus Al-Mukhtasar Al-Mufid fi Scharh Dschauharat At-Tawhid, Dar Ar-Raazi, ‘Amman, Jordanien 1420/1999, S. 220-221 18 Er ist Ibrahim ibn Muhammad ibn Ahmad, der Schafi’i Gelehrte. Er starb im Jahr 1277 n. H. 19 Tuhfat Al-Murid Scharh Dschauharat At-Tawhid, Daar Al-Kutub Al-‘Ilmmiyah, 1422-2001, S. 220.
Stiftungen (Auqaaf) und die Testamente (Wasaayaa), welche
nicht für eine spezielle Person sind.
Dies sind mitunter die wichtigsten Angelegenheiten der
Regierung (Wilaayah). Deswegen sagte ‘Ali ibn Abi Talib
(radiyallahu ‘anh):
„Die Menschen müssen eine regierende Autorität (Imaarah)
haben, sei sie rechtschaffen oder nicht.“ Darauf wurde gesagt:
„Oh, Führer der Gläubigen! Die rechtschaffene kennen wir,
aber was ist mit der nicht rechtschaffenen?“ Er sagte darauf:
„Die festgelegten Strafen werden durch sie durchgesetzt. Die
Straßen sind durch sie sicher. Der Feind wird durch sie
bekämpft und die Beute durch sie geteilt.“ 20
Imam Al-Maawardi benennt in Al-Ahkaam As-Sultaniyah zehn Aufgaben eines Kalifen.
Darunter erwähnt er:
„…die Durchsetzung der festgelegten Strafen (Huduud), so
dass die von Allah als unverletzlich eingestuften Dinge
geschützt bleiben und die Rechte des Dieners sicher sind vor
Verlust und Verbrauch.“ 21
All diese Zitate zeigen deutlich, dass die Durchsetzung der Huduud eine Aufgabe ist, die auf
den Schultern des Kalifen lastet und nicht auf denen des einfachen Muslims. Die Aufgabe
des einfachen Muslims ist es, durch die Leute mit Einfluss (Ahl al-Hall wa al-‘Aqd), welche
sie und ihre Sorgen repräsentieren, einen Kalif zu bestimmen. Wenn niemand den Kalifen
bestimmt – nach den Bestimmungen für die Ernennung eines Kalifen, festgelegt durch die
Schari’a – so lastet diese Sünde auf allen Muslimen, bis sie es tun.
In Abwesenheit des Kalifen aber darf kein Muslim oder eine Gruppe von Muslimen es auf
sich nehmen, die Huduud auf andere anzuwenden, denn dies kommt dem gleich, die Arbeit
eines anderen zu machen, der mit seinem Arbeitgeber vertraglich festgelegt hat, dass nur er
diese Arbeit verrichten darf.
Was dies nun für Muslime bedeutet, die in den nichtmuslimischen Ländern leben, ist, dass
es keine Bedingung für das Verweilen in diesen Ländern ist, dazu fähig zu sein, die Huduud
durchzusetzen. Was dies ferner unterstützt, ist folgender Hadith:
Imam Nasaai berichtet über Abu Sa’id, dass ein Nomade den Gesandten Allahs sallallahu
‘alayhi wa sallam) bezüglich der Hidschra befragte. Er sallallahu ‘alayhi wa sallam sagte:
„Barmherzigkeit sei mit dir! Wahrlich, die Angelegenheit der Hidschra ist
schwerwiegend. Hast du irgendwelche Kamele?“ Er antwortete: „Ja.“ Der Prophet
sallallahu ‘alayhi wa sallam sagte darauf: „Und zahlst du dafür die Almosen (Zakat)?“ Er
20 Aus As-Siyaasah Asch-Schar’iyah Islah Ar-Raa’i War-Ra’iyah von Ibn Taymiyya, Daar Al-Kutub Al-‘Ilmmiyah, S. 65 21 Al-Ahkaam As-Sultaniyah, Daar Al-Kutub Al-‘Ilmmiyah, 1405/1985, S. 18
sagte: „Ja.“ Der Prophet sallallahu ‘alayhi wa sallam antwortete: „Dann arbeite jenseits des
Meeres. Denn wahrlich, Allah subhanahu wa ta’ala wird niemals irgendeine deiner
Werke aufgeben.“
Bemerke, in diesem Hadith gestattete der Prophet sallallahu ‘alayhi wa sallam diesem Mann,
außerhalb der muslimischen Länder zu leben, obgleich diese Länder nicht die Huduud
anwandten.