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Fallstudie SBB Cargo – Einführung eines unternehmens-weiten Stammdatenmanagements
Alexander Schmidt Bericht Nr.: BE HSG/ CC CDQ/ 22 Lehrstuhl: Prof. Dr. H. Österle Version: 1.0 Datum: 27.09.2009
Universität St. Gallen - Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)
Institut für Wirtschaftsinformatik Müller-Friedberg-Strasse 8 CH-9000 St. Gallen Tel.: ++41 / 71 / 224 2420 Fax: ++41 / 71 / 224 2777 Prof. Dr. A. Back Prof. Dr. W. Brenner (geschäftsführend) Prof. Dr. H. Österle Prof. Dr. R. Winter
Inhaltsverzeichnis 2
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis .................................................................................................... 2 Abstract ..................................................................................................................... 3 1 Unternehmen .................................................................................................... 4
1.1 Überblick ........................................................................................................ 4
1.2 Geschichte ..................................................................................................... 5
1.3 Unternehmensstruktur ................................................................................... 6
1.4 Herausforderungen im Wettbewerb ............................................................... 7
2 Ausgangssituation .......................................................................................... 9 2.1 Strategie und Leitbilder .................................................................................. 9
2.2 Organisation und Daten ............................................................................... 10
2.3 Leidensdruck ............................................................................................... 11
3 Projekt ............................................................................................................. 14 3.1 Projektziele .................................................................................................. 15
3.2 Durchführung ............................................................................................... 16
3.3 Herausforderungen ...................................................................................... 19
3.4 Derzeitiger Projektstand .............................................................................. 20
4 Neue Lösung .................................................................................................. 21 4.1 Stammdatenstrategie ................................................................................... 21
4.2 Organisation: Rollen und Verantwortlichkeiten für Stammdatenobjekte ...... 22
4.3 Stammdaten und Prozesse.......................................................................... 23
4.4 IT-Systemlandschaft .................................................................................... 31
4.5 Kosten und Nutzen ...................................................................................... 32
4.6 Zukünftige Entwicklungen ............................................................................ 33
5 Erkenntnisse .................................................................................................. 35 Anhang A. Geschäftsdatenmodell (Beispiel) ................................................. 37 Anhang B. Expertengespräche ....................................................................... 38 Literatur ................................................................................................................... 39
Abstract 3
Abstract Die Ausrichtung auf das internationale Transitgeschäft im Zuge der Marktöffnung
im Schienengüterverkehr führte bei der SBB Cargo zunehmend zu der Einsicht, dass
Qualität und Verfügbarkeit der Stammdaten nicht mehr den Anforderungen des
Unternehmens (insbesondere für das finanzielle Reporting und die Planung)
entsprachen. Durch die Erkenntnis, dass die Unternehmensstammdaten eine
wichtige Ressource sind, aus deren Qualitätsverbesserung sich Kosteneinsparungen,
Zeitersparnisse sowie Wettbewerbsvorteile erzielen lassen, gelangte die
Geschäftsleitung der SBB Cargo zu der Überzeugung, dass die Etablierung eines
zentralen, unternehmensweit gültigen Stammdatenmanagements notwendig ist.
Als erster Schritt wurde ein dedizierter Verantwortungsbereich etabliert, der als
koordinierende Instanz projektübergreifend die konsistente Verwendung von
Stammdaten sicherstellt bzw. optimiert. Zur Erreichung dieses Zieles wurden eine
Stammdatenstrategie und entsprechende Handlungsfelder zu deren Umsetzung
definiert. Die Handlungsfelder adressieren u.a. die Festlegung eindeutiger
Verantwortlichkeiten für Stammdatenobjekte, die Verankerung von
Datenmanagementaufgaben in Projekten der SBB Cargo sowie die Spezifikation
standardisierter Daten‐ und Metadatenpflegeprozesse. Ein wesentliches
Handlungsfeld (und gleichzeitig erstes Ergebnis) ist die terminologische
Harmonisierung der Stamm‐ bzw. Geschäftsdaten in einem Geschäftsdatenmodell
als Grundvoraussetzung für die Gestaltung der unternehmensweiten
Stammdatenarchitektur.
Unternehmen 4
1 Unternehmen
1.1 Überblick
Die Schweizerische Bundesbahnen Cargo AG (SBB Cargo) mit Sitz in Basel
(Schweiz) ist mit über 4.200 Mitarbeitern und einer jährlichen Verkehrsleistung von
ca. 12,5 Milliarden Nettotonnenkilometern der marktführende Dienstleister im
Schienengüterverkehr der Schweiz. Zudem ist das Unternehmen die Nummer zwei
im strategisch wichtigen, alpenquerenden Transport von Gütern von den
Nordseehäfen und Deutschland nach Italien, der sogenannten Nord‐Süd‐Achse. Als
vollständiges Tochterunternehmen der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) ist
SBB Cargo im Besitz der Schweizerischen Eidgenossenschaft und hat als solches den
Auftrag, im Rahmen der Eigenwirtschaftlichkeit ein flächendeckendes Netz für den
Wagenladungsverkehr zu betreiben und im Transit mit qualitativ hochstehenden
Gütertransporten zur Verkehrsverlagerung von der Strasse auf die Schiene
beizutragen.
Die SBB Cargo bietet ganzheitliche Transportlösungen im nationalen und
internationalen Wagenladungsverkehr (inklusive Import, Export und Transit), im
Ganzzugsverkehr und im kombinierten Verkehr sowie bahnnahe
Zusatzdienstleistungen (z. B. Rangieren, Flottenmanagement, Beladung) und
Serviceleistungen für andere Bahnen. Damit bedient sie zahlreiche Kunden aus
verschiedensten Industrien, zu denen Unternehmen wie ThyssenKrupp, Exxon
Mobil und BASF gehören.
Während die erbrachte Verkehrsleistung beim Binnen‐ und Transitverkehr
innerhalb der Schweiz in den vergangenen Jahren eine stetig abnehmende Tendenz
aufweist, ist es der SBB Cargo gelungen, die Verluste durch den Auf‐ und Ausbau
der Verkehrsleistung im Ausland (Steigerung um über 30%) zu kompensieren.
Daher wurden 2007 bereits 38% der Verkehrsleistung ausserhalb der Schweiz
Unternehmen 5
produziert. Infolgedessen ist SBB Cargo heute in Italien und Deutschland das
grösste private Eisenbahnverkehrsunternehmen [SBB Cargo 2008, 6].
SBB Cargo AG
Gründung und Firmengeschichte
• Schweizerische Bundesbahnen (Bern): 01. Januar 1902; Umwandlung in AG zum 01. Januar 1999
• SBB Cargo Schweiz (Basel): Division Güterverkehr zum 01. Januar 1999; Umwandlung zur SBB Cargo AG am 01. Januar 2001
• SBB Cargo Deutschland (Duisburg): Gründung 2002 • SBB Cargo Italien (Gallarate): Gründung 2003
Firmensitz Basel, Schweiz
Branche Logistikdienstleister im Schienengüterverkehr
Geschäftsfelder • Transportgeschäft Schweiz • Transportgeschäft International • Asset Management bzw. Instandhaltung (Service Rollmaterial)
Firmenstruktur Aktiengesellschaft mit drei Tochterunternehmen: ChemOil Logistics sowie SBB Cargo Deutschland und SBB Cargo Italien für die es jeweils eine eigenständige Produktionsgesellschaft und Verkaufsagentur gibt (siehe Abbildung 1‐1)
Homepage www.sbbcargo.com
Umsatz Betriebsertrag: CHF 1.044,2 Mio. (2008), CHF 1.062,6 Mio. (2007) Verkehrsleistung: 12,53 Mrd. Nettotonnenkilometer (2008), davon
• Schweiz: 7,76 Mrd. • Deutschland: 3,64 Mrd. • Italien: 914 Mio. • Einkauf bei Dritten: 198 Mio.
Jahresergebnis CHF ‐29.9 Mio. (2008), CHF ‐190,4 Mio. (2007)
Mitarbeiter 4.248 (2008), 4.406 (2007)
Kunden In zahlreichen Industrien, unter anderem Eisen und Stahl, Chemikalien und Petroleum, Holz, intermodaler Transport, Handel und Baugewerbe, Logistik und Landwirtschaft
Tabelle 1‐1: Kurzprofil der SBB Cargo AG
1.2 Geschichte
Grundsätzlich transportiert die SBB bereits seit ihrer Gründung am 1. Januar 1902
Güter, die verschiedenen Vorläuferbahnen der heutigen Bundesbahnen sogar schon
seit der Gründung der Nordbahn (Spanisch‐Brötli‐Bahn) im Jahr 1847. Die ʺDivision
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Unternehmen 6
Güterverkehrʺ wurde 1999 mit der Reorganisation der SBB zu einer
spezialgesetzlichen AG gegründet, ab 2000 wurde für die Division auch der Begriff
ʺSBB Cargoʺ verwendet. Die Ausgliederung des Gütergeschäfts der SBB AG in eine
eigenständige Aktiengesellschaft ʺSBB Cargo“ wurde auf den 1. Januar 2001
wirksam. In den darauffolgenden Jahren wurden zur durchgehenden Unterstützung
der internationalen Güterverkehrs – insbesondere der Nord‐Süd‐Achse –
Tochterunternehmen in Deutschland und Italien gegründet.
1.3 Unternehmensstruktur
Die SBB Cargo ist eine eigenständige Aktiengesellschaft, deren Wertpapiere sich
ausschliesslich im Besitz der SBB befinden. Wie im vorherigen Kapitel beschrieben,
wurden nach Gründung der SBB Cargo AG mehrere Tochterunternehmen
geschaffen. Zu diesen gehören [SBB Cargo 2009a]:
• Die am 24. Juni 2002 gegründete SBB Cargo Deutschland (bestehend aus einer
Produktionsgesellschaft und einer Verkaufsagentur) mit Sitz in Duisburg,
welche Güterzüge in Deutschland plant, disponiert und fährt.
• Die SBB Cargo Italien (bestehend aus einer Produktionsgesellschaft und einer
Verkaufsagentur), welche am 29. April 2003 gegründet wurde und ihren Sitz
in Gallarate hat. Sie plant, disponiert und fährt Güterzüge in Italien.
• Die ChemOil Logistics, die auf die Logistik von Mineralöl und chemischen
Produkten spezialisiert ist. Sie entstand aufgrund der Bedeutung der
chemischen Industrie für das Unternehmen sowie der spezifischen
Anforderungen beim Transport chemischer Produkte.
Organisatorisch gliedert sich die SBB Cargo in fünf übergreifende Zentralbereiche
(Finanzen & Controlling, Human Resources, Qualitäts‐ und Informations‐
management, Corporate Services und Business Development) sowie drei operative
Geschäftsbereiche (siehe unterer Teil von Abbildung 1‐1). Während die
Geschäftsbereiche Schweiz und International das eigentliche Kerngeschäft abdecken,
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Unternehmen 7
indem sie wettbewerbsfähige Logistiklösungen sowohl für den
innerschweizerischen als auch den grenzüberschreitenden Transport anbieten, ist
der Geschäftsbereich Asset Management für die technische Sicherheit sowie
Verfügbarkeit der Wagen‐ und Lokomotivflotte verantwortlich. SBB Cargo Asset
Management ist dabei nicht nur für die anderen beiden Geschäftsbereiche der SBB
Cargo, sondern auch für die SBB‐Divisionen Infrastruktur und Personenverkehr
sowie für Drittkunden als Dienstleister tätig.
SBB
Personenverkehr Infrastruktur SBB Cargo AG Immobilien
Produktionsgesellschaft DeutschlandSBB Cargo Deutschland GmbH
Verkaufsagentur DeutschlandSBB Cargo GmbH
Produktionsgesellschaft ItalienSBB Cargo Italia Srl
Verkaufsagentur ItalienSBB Cargo Srl
ChemOil Logistics AG
Leitung SBB Cargo AG
GeschäftsbereichSchweiz
GeschäftsbereichInternational
GeschäftsbereichAsset Management
Corporate Services
Business Development
Finanzen & Controlling
Human Resources
Qualitäts- und Informationsmanagement
Abbildung 1‐1: Unternehmensstruktur der SBB Cargo AG [SBB Cargo 2009b, 14]
1.4 Herausforderungen im Wettbewerb
In den vergangenen Jahren haben sich die Rahmenbedingungen des
Schienengüterverkehrs gewandelt. Mit der Globalisierung und der damit
einhergehenden Auslagerung von Produktionsschritten ins Ausland, ist die
Nachfrage nach einem durchgängigen, grenzüberschreitenden Transport gestiegen.
Vormals national agierende Unternehmen des Schienengüterverkehrs müssen ihre
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Unternehmen 8
angebotenen Logistikdienstleistungen im Zuge der 2001 initiierten Marktöffnung
auf angrenzende Länder ausdehnen, um das Kundenbedürfnis nach durchgehender
Transportverantwortung („alles aus einer Hand“) zu erfüllen. Mit dem
grenzüberschreitenden Verkehr ist allerdings die Abhängigkeit von der
Infrastruktur entlang der gesamten Transportkette und somit von ausländischen
Infrastrukturanbietern verbunden. Im Zuge der Marktöffnung steigt daher die
Bedeutung von Partnerschaften in der Branche, weshalb die SBB Cargo
beispielsweise 2006 gemeinsam mit der SNCF Fret (französische Güterbahn), der
CFL (luxemburgische Güterbahn) und B Cargo (belgische Güterbahn) die
Gesellschaft Sibelit gegründet hat, um den grenzüberschreitenden Nord‐Süd‐
Gütertransport durch eine Zusammenarbeit zu vereinfachen. Die Notwendigkeit,
benötigte Infrastruktur (Trassen) für den Schienentransport bereits vorläufig für das
folgende Jahr einzukaufen, führt zu hohen Anforderungen an die Planungsqualität
und die dafür benötigten Daten, um Kosten aufgrund nicht genutzter Trassen zu
vermeiden.
Des Weiteren prägen wachsende Anforderungen seitens der Kunden und der
Öffentlichkeit den Güterverkehrsmarkt. Neben Qualität und Pünktlichkeit werden
zunehmend auch für hochfrequente Sendungen mit kleineren Mengen komplette
Kundenlösungen gefordert. Für die SBB Cargo stellen diese Lösungspakete ein
wesentliches Differenzierungskriterium gegenüber der Konkurrenz dar. Seitens der
Öffentlichkeit besteht ein Interesse an einem nachhaltigen Güterverkehr mit einer
positiven Ökobilanz und unter Berücksichtigung externer Kosten.
Zu den Hauptkonkurrenten zählen im Bereich des Schienengüterverkehrs derzeit
die BLS Cargo AG (als Tochterunternehmen der Bern‐Lötschberg‐Simplon AG), die
Deutsche Bahn Schenker Rail GmbH (zu der unter anderem auch die Railion
Deutschland AG zählt) sowie weitere Nischenanbieter, die ebenfalls einen
durchgängigen grenzüberschreitenden Schienengütertransport anbieten. Ausserdem
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Ausgangssituation 9
konkurriert die SBB Cargo als Logistikdienstleister im Schienengüterverkehr
indirekt mit Unternehmen anderer Güterverkehrsarten, insbesondere dem
Strassengüterverkehr und dem Luftverkehr.
2 Ausgangssituation
2.1 Strategie und Leitbilder
Vor dem Hintergrund der im vorhergehenden Kapitel beschriebenen
Herausforderungen verfolgt die SBB Cargo folgende strategische Ziele:
• Konsequente Umsetzung der eingeschlagenen Transitstrategie im
Geschäftsfeld „International“,
• Erstellung eines flächendeckenden Angebots im Rahmen eines
eigenwirtschaftlichen Betriebs im Geschäftsfeld Schweiz,
• Erwirtschaftung eines positiven Jahresergebnisses,
• Erreichung der vereinbarten Pünktlichkeitsstandards im nationalen und
internationalen Güterverkehr,
• Angemessene jährliche Steigerung der Produktivität.
Die Marktöffnung für den Schienengüterverkehr im Jahre 2001 führte zu einer
Fokussierung des grenzüberschreitenden Transportes auf die Nord‐Süd‐Achse. Im
Zuge dessen wurden nicht nur Tochterunternehmen im Ausland gegründet,
sondern auch das Geschäftsmodell angepasst, neue Produkte bzw. Dienstleistungen
eingeführt, Geschäftsprozesse verändert und neue Anwendungen eingeführt
[Schwaar 2009, 7]. Die SBB Cargo setzt hier auf eine durchgehende
Transportverantwortung, durch die der Kunde einen einzigen, verantwortlichen
Ansprechpartner hat [SBB Cargo 2009a].
Darüber hinaus setzt die SBB Cargo primär auf zwei Differenzierungsmerkmale
gegenüber der Konkurrenz. Zum einen hat sie in den vergangenen Jahren die
Qualität ihrer Dienstleistung durch eine erhöhte Pünktlichkeit der Auslieferung am
Zielort gesteigert (so erreichten durchschnittlich mehr als 80% der Züge im
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Ausgangssituation 10
grenzüberschreitenden Verkehr ihren Bestimmungsort ohne oder mit einer
Verspätung von maximal 60 Minuten, in der Schweiz über 90% pünktlich oder mit
einer Verspätung von maximal 30 Minuten), zum anderen zeichnet sich der
Transport durch seine Umweltfreundlichkeit aus (50% weniger Energie‐ und 60%
weniger CO2‐Verbrauch im Vergleich zum Strassengüterverkehr) [SBB Cargo 2008,
3ff.]. Das Umweltengagement wird zusätzlich durch für den Kunden
massgeschneiderte Emissionsreports bzw. Energiebilanzen, lärmarme Güterwagen,
die Ausstattung von Gefahrguttransporten mit Entgleisungsdetektoren sowie die
Nutzung von Wasserkraft für die Erzeugung des Bahnstroms unterstützt.
2.2 Organisation und Daten
Bezüglich der Organisationsstrukturen der SBB Cargo ist insbesondere auf die
Schnittstellen zum Mutterkonzern, der SBB, hinzuweisen. Dies betrifft unter
anderem den Zentralbereich Qualitäts‐ und Informationsmanagement (QI), welcher
die Themen Prozesse, Qualität und Informatik bei der SBB Cargo verantwortet. Bei
diesen Themen gibt es eine Differenzierung zwischen „Demand“ (Gestaltung und
Anforderungen aus einer fachlichen Sicht) und „Supply“ (informationstechnische
Umsetzung der fachlichen Anforderungen). Während für ersteres der Zentralbereich
QI zuständig ist, wird die informationstechnische Umsetzung durch die zentrale
Informatik des Mutterkonzerns SBB vollzogen.
Der mit der Reorganisation (Ausrichtung auf das internationale Transitgeschäft im
Zuge der Marktöffnung) einhergehende Zeit‐ und Kostendruck führte zu
punktuellen, prozessverbessernden Lösungen, welche jedoch mit zunehmenden
Redundanzen und unterschiedlichen Verständnissen von Stammdatenobjekten
einhergingen. Für das Stammdatenmanagement gab es bei SBB Cargo bis 2008 keine
eindeutig definierte, übergeordnete Verantwortlichkeit im Sinne einer dedizierten
Organisationseinheit innerhalb der bestehenden Organisationsstrukturen, die das
Stammdatenmanagement aus Unternehmenssicht steuerte und über ein eigenes
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Ausgangssituation 11
Budget verfügte. Die Qualität der Stammdaten wurde entsprechend der jeweiligen
Anforderungen projektspezifisch gewährleistet, ohne dass eine koordinierende
Instanz projektübergreifend die konsistente Verwendung von Stammdaten
sicherstellte bzw. optimierte. Zudem fehlte das Wissen über die
unternehmensweiten Anforderungen an die Stammdatenqualität und eine darauf
aufbauende Stammdatenstrategie. Erste Massnahmen zur Verbesserung dieser
Situation wurden durch die Erarbeitung eines Sollkonzeptes für das
Datenmanagement sowie die Projekte „Master Data Integration“ und „Stammdaten
Information Management“ ab 2006 initiiert. Die Konzepte bzw. Projekte wurden
zwar nur unzureichend umgesetzt, sorgten durch die Dokumentation des
Istzustandes aber dafür, das Bewusstsein um die Bedeutung des
Stammdatenmanagements innerhalb der SBB Cargo zu erhöhen.
2.3 Leidensdruck
Die fehlende projektübergreifende Koordination von Aktivitäten hatte zur Folge,
dass in neuen Projekten nicht auf bestehende Funktionalitäten und Daten
zurückgegriffen wurde, da dies in der Regel einen zusätzlichen
Integrationsaufwand bedeutete. Einerseits wurde die bestehende
Applikationsarchitektur zunehmend intransparent, da innerhalb einzelner Projekte
eigene Anwendungen (Individualsoftware) entwickelt wurden, die
projektübergreifend verwendete Daten speichern. Diese wurden dann eher ad‐hoc
in die bestehende Applikationsarchitektur eingebunden, wodurch zahlreiche,
grösstenteils unkoordinierte Punkt‐zu‐Punkt‐Verbindungen entstanden.
Andererseits wurde bei der Datennutzung und ‐speicherung nicht auf die konforme
Verwendung zum bereits bestehenden Stammdatenbestand geachtet:
Stammdatenobjekte wurden mit eigenen Attributen neu definiert, Schlüsselattribute
zur Identifikation neu vergeben. Dadurch konnte nicht mehr sichergestellt werden,
dass ein Geschäftsobjekt über Applikations‐ und Projektgrenzen hinweg einheitlich
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Ausgangssituation 12
in den Systemen abgebildet wurde. Vielmehr entstanden eine Vielzahl von
Synonymen (dasselbe Geschäftsobjekt wird in verschiedenen Systemen
unterschiedlich abgebildet und identifiziert) und teilweise auch Homonymen
(unterschiedliche Geschäftsobjekte erhalten gleiches Schlüsselattribut). Dies führte
unter anderem dazu, dass für die Planung eine andere Stammdatenbasis (eigene
Anwendung) verwendet wird als für die Auswertung der tatsächlich erbrachten
Leistung und betriebliche und kommerzielle Daten in separaten Systemen gepflegt
werden (siehe Abbildung 2‐1). Für die Integration von betrieblicher und
kommerzieller Welt sowie von Planung und Steuerung wurde eine einheitliche
Datenbasis als Grundvoraussetzung gesehen.
SAP R/3
Betriebliche Planung & Steuerung
SAP BW• Kommerzielle
Stammdaten
Data Warehouse• Kommerzielle
Stammdaten (Rechnungen)
CIS 2• Kommerzielle
Stammdaten (Faktura)
CIS 1• Betriebliche
Stammdaten (Bahnhöfe, Ressourcen, Tarife etc.)
• Betriebliche Stammdaten (Fahrzeuge, Infrastruktur, Trassen)
SAP CRM• Kunden• Verträge• Angebote
Legende: CIS … Cargo Informationssystem
• Ergebnisrech-nung in CO-PA
Abbildung 2‐1: Vereinfachte Applikationsarchitektur der SBB Cargo
Zudem war nicht mehr ersichtlich, welches System für ein bestimmtes
Stammdatenobjekt führend ist. Die Applikationsarchitektur mit ihren zahlreichen
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Ausgangssituation 13
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Punkt‐zu‐Punktverbindungen ist in Abbildung 2‐1 vereinfacht dargestellt1.
Erschwert werden die Probleme dadurch, dass die betriebliche Planung und
Steuerung nicht sauber und unzureichend in die Applikationsarchitektur
eingebunden ist und sich ausserdem die Anwendungsowner unterscheiden: das
Cargo Informationssystem (CIS) liegt in der Verantwortung von QI, die SAP‐
Systeme hingegen in der des Finanzbereiches.
Die beschriebenen Probleme schlugen sich vor allem im Reporting und Controlling
nieder, für das eine Konsolidierung über den gesamten Wertschöpfungsprozess
hinweg notwendig ist. Die redundante Speicherung von Stammdaten sowie das
fehlende Wissen über den Ort ihrer Speicherung erschwerte eine Konsolidierung. So
konnten beispielsweise Frachtzahler nicht eindeutig den Geschäftsbereichen
(Sparten) zugeordnet werden. Die falsche Zuordnung dieser Stammdaten führte zur
Berechnung unkorrekter Spartenergebnisse und wirkte sich negativ auf die Qualität
der Finanzreports aus. Zusätzliche Auswirkungen haben diese Probleme auf den
Planungsprozess. Da die Planung für den Kauf notwendiger Infrastruktur (z. B.
Trassen) für den Gütertransport beim Infrastrukturbetreiber mit Vorlauf von ca.
einem Jahr durchgeführt werden muss, ist die Qualität der Stammdaten für die
Planungsqualität von entscheidender Bedeutung. Im Vertriebsbereich schlug sich
die unzureichende Datenqualität primär in Kundenreklamationen nieder. Verschärft
wurde die Problematik durch die sich aus der Reorganisation und Neuausrichtung
des Unternehmens ergebende bereits vorab beschriebene Vernachlässigung des
Stammdatenmanagements.
Die wesentlichen Probleme in Bezug auf die Stammdaten lassen sich wie folgt
zusammenfassen:
1 Die einzelnen Teilanwendungen, z. B. der betrieblichen Planung und Steuerung, wurden aus
Gründen der Übersichtlichkeit nicht abgebildet.
Projekt 14
• Fehlende Strategie für den Themenbereich Stammdatenmanagement
(Welcher Bedarf besteht in Bezug auf Stammdaten? Wo wollen wir hin?
Welche Handlungsfelder gibt es?),
• Fehlendes einheitliches Verständnis, da Begriffe, Stammdatenobjekte und
deren Strukturen nicht eindeutig definiert waren,
• Fehlende Definition von unternehmensweit gültigen Pflege‐ und
Änderungsprozessen,
• Fehlende Festlegung der Datenverantwortung (z. B. durch Bestimmung eines
Datenowners),
• Fehlende Transparenz über Entstehung und Verwendung von Stammdaten
in den Geschäftsprozessen sowie über deren Herkunft (führendes System).
Dies führte zunehmend zu der Einsicht, dass Qualität und Verfügbarkeit der
Stammdaten nicht mehr den Anforderungen des Unternehmens entsprachen. Die
Erkenntnis, dass die Unternehmensstammdaten eine wichtige Ressource sind, aus
deren Qualitätsverbesserung sich Kosteneinsparungen (verbesserte
Planungsqualität benötigter Trassen), Zeitersparnisse (automatisierte
Konsolidierung für das Reporting) sowie Wettbewerbsvorteile (bessere Anpassung
des eigenen Produktangebotes auf Grundlage vollständiger und aktueller
Kundenstammdaten) erzielen lassen, führte innerhalb der Geschäftsleitung der SBB
Cargo zu der Überzeugung, dass die Etablierung eines zentralen, unternehmensweit
gültigen Stammdatenmanagements notwendig ist. Hierfür sollten Massnahmen
definiert und umgesetzt werden, um die Qualität der Stammdaten aktiv zu
überwachen und zu steuern [Schwaar 2009].
3 Projekt Aufgrund der Probleme beim Reporting sowie der Planung war der Leidensdruck
innerhalb des Finanzbereiches der SBB Cargo am deutlichsten. Als konkreter
Auslöser sowie Trägerprojekt für die Stammdateninitiative diente daher das FITS‐
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Projekt 15
Projekt (Finanzielle Transparenz und Steuerung), dessen Auftraggeber und Sponsor
der Leiter des Finanzbereiches war. Als eines von acht Teilprojekten des FITS
startete das Datenmanagement im Juli 2008 mit einer (vorläufigen) Laufzeit von
einem Jahr.
3.1 Projektziele
Mit dem FITS‐Projekt soll die Unternehmenssteuerung durch eine erhöhte
Transparenz über Prozesse, Daten und Ergebnisse verbessert werden. Das Projekt
stellte daher eine ideale Plattform dar, um das Thema Stammdaten(‐qualität) zu
platzieren. Das Teilprojekt Datenmanagement verfolgte im Wesentlichen vier Ziele:
• Es sollten die Grundlagen für ein unternehmensweites
Stammdatenmanagement erarbeitet werden. Hierzu zählen insbesondere die
Identifikation und eindeutige Definition der Stammdatenobjekte des
Unternehmens (Geschäftsdatenmodell), die Festlegung eines Datenowners
und eines Master‐Systems für ein Stammdatenobjekt sowie die
Dokumentation der Verwendung des Stammdatenobjektes in
Geschäftsprozessen und Systemen. Dieser Teil ist relativ unabhängig vom
FITS‐Projekt und bezieht sich auf die gesamte SBB Cargo.
• Es sollten Voraussetzungen für ein einheitliches Vorgehen beim
Stammdatenmanagement innerhalb einzelner Projekte (im Besonderen auch
für FITS II) geschaffen werden, um sicherstellen, dass das einmal definierte
Geschäftsdatenmodell in allen Projekten gleichermassen verwendet und
konsistent weiterentwickelt wird.
• Es sollten unternehmensweit standardisierte Pflegeprozesse etabliert werden.
Diese sollten durch ein entsprechendes Workflow‐Tool unterstützt respektive
teilautomatisiert werden.
• Speziell für die Unternehmenssteuerung sollte eine sogenannte
Stammdatenschicht eingeführt werden, die Daten aus verschiedenen
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Projekt 16
Systemen und Prozessen konsistent zusammenführt und damit die
Grundlage für Planung und Reporting bildet.
3.2 Durchführung
Noch vor Projektbeginn wurde im Zuge der Erstellung der Stammdatenstrategie
(siehe Kapitel 4.1) eine Roadmap entwickelt, die wesentliche Handlungsfelder sowie
deren zeitliche Einordnung zusammenfasst [Schwaar 2008, 19ff.]. Sie sind in Tabelle
3‐1 dargestellt.
Handlungsfeld Kurzbeschreibung Zeitraum
0. Freigabe Stamm‐datenstrategie
Das Strategiepapier beinhaltet Vision, Ziele, Handlungsfelder und einen Meilensteinplan für das Stammdatenmanagement bei SBB Cargo.
am 02.07.2008
1. Erstellen Stammdaten‐Compliance
Die Stammdaten‐Compliance beschreibt die gesetzlichen, aufsichts‐ und vertragsrechtlichen Risiken sowie die regulativen Konzernvorgaben. Sie stellt damit sicher, dass die Stammdatenqualität auch bezüglich Compliance‐Anforderungen erfüllt wird. Ergebnis des Handlungsfeldes soll ein Leitfaden (bestehend aus Checklisten und Arbeits‐anweisungen) sein, der die Compliance‐Anforderungen beschreibt und den Stammdatenobjekten zuordnet.
05.01.2009 bis 16.07.2009
2. Erstellen Stammdaten‐prozesse
Handlungsfeld 2 definiert, implementiert und dokumentiert nachvollziehbar die für das Management der Stammdaten erforderlichen Prozesse (insbesondere Stammdaten‐Führungsprozesse, Pflegeprozesse, Change Management‐Prozesse, Steuerungsprozesse) sowie die entsprechenden Rollen und Verantwortlichkeiten.
01.07.2008 bis 31.12.2008
2.a Einführen toolunterstützter Workflows
Zur Unterstützung der definierten Pflegeprozesse sollen für jedes Stammdatenobjekt toolbasierte Workflows entwickelt und implementiert werden.
01.07.2008 bis 30.06.2009
3 Aufbau zentrales Stammdaten‐Mutationsteam
Ziel ist die Zentralisierung der heute an verschiedenen Stellen durchgeführten Veränderungen (Mutationen) von Stammdaten in einem eigens verantwortlichen Kompetenz‐zentrum. Dadurch sollen schnellere Durchlaufzeiten und geringere Fehlerquoten bei Stammdatenänderungen erreicht werden.
05.01.2009 bis 31.12.2009
4 Aufbau Stamm‐datenarchitektur
Der Aufbau der Stammdatenarchitektur ist eine der wesentlichen Grundlagenarbeitspakete. Es umfasst:
• Festlegen einer einheitlichen Begrifflichkeit, • Definition von Stammdatenstruktur, ‐eigenschaften
und ‐hierarchie, • Spezifikation des Schlüssels eines Stammdatentyps
05.01.2009bis 31.12.2010
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Projekt 17
zur eindeutigen Identifikation, • Festlegen eines führenden Master‐Systems.
Das Handlungsfeld formuliert damit langfristige Anforderungen und Prioritäten des Stammdaten‐managements im Hinblick auf die ICT‐Architektur (Information and Communication Technology).
5 Erstellen Stammdaten‐Landkarte (Metamodell)
Die Stammdatenlandkarte beschreibt, welche Stamm‐datenobjekte in welchen Systemen verwendet werden, welches das führende System ist und wie die Daten zwischen den Anwendungen fliessen. Ihre Entwicklung ist daher eng mit dem vorherigen Handlungsfeld verknüpft. Die bestehende Stammdatenlandkarte bildet die Basis für die Migration in das Unternehmensarchitekturmodell.
01.07.2008 bis 31.12.2008
6 Einführung Stammdaten‐Historisierung
Angabe von Informationen zu den Stammdatenobjekten, die entweder in der Vergangenheit oder für die Zukunft über einen längeren Zeitraum Gültigkeit besassen/besitzen. Dies umfasst auch die Versionierung von Objekten und bildet unter anderem die Grundlage für die Erfüllung von Compliance‐Anforderungen.
01.07.2009 bis 31.03.2011
7 Erarbeiten ICT Stammdaten‐Architektur
Die ICT‐Stammdatenarchitektur definiert notwendige Plattformen und Anwendungen für das Stammdaten‐management sowie die Schnittstellen zwischen stamm‐datennutzenden Cargo‐Anwendungen. Die Anforderungen dafür werden durch die Stammdatenarchitektur gestellt. Dieses Handlungsfeld legt die Grundlage für eine langfristige Optimierung und Weiterentwicklung der Applikationsarchitektur (in Bezug auf Stammdatenqualität).
01.07.2008 bis 31.12.2008
7a Einführen ICT Stammdaten‐Architektur
In diesem Handlungsfeld soll die konzeptionell erarbeitete ICT‐Stammdatenarchitektur unter Berücksichtigung der Ergebnisse der vorhergehenden Handlungsfelder (z. B. Stammdatenarchitektur, Compliance‐Anforderungen usw.) umgesetzt werden
05.01.2009 bis 31.12.2011
8 Aufsetzen Kennzahlen‐Reporting
Das Kennzahlen‐Reporting schafft Rahmenbedingungen, um die Qualität der Daten und der Mutationsprozesse messbar zu machen. Dazu gehört die klare Festlegung von Qualitätszielen, Reportmechanismen und Kennzahlen. Die Ergebnisse werden dem Management periodisch im Stammdaten‐Cockpit präsentiert, um einen Nachweis über den Zustand der Stammdaten zu liefern.
01.01.2009 bis 02.10.2009
9 Umsetzung priorisierte Stammdaten‐Brandherde
Zur Behebung identifizierter Stammdaten‐Brandherde und zur Realisierung von Quick Wins sollen kurzfristige Massnahmen erarbeitet und umgesetzt werden.
01.07.2008 bis 31.12.2008 / 01.01.2009 bis 31.12.2009
Tabelle 3‐1: Handlungsfelder der Stammdaten‐Roadmap [Schwaar 2008, 19ff.]
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Projekt 18
Für das Teilprojekt „Stammdatenmanagement“ wurde ein Projektteam unter der
Leitung von Herrn Beat Schwaar gebildet, welches externe Unterstützung von zwei
Vertretern der gicom GmbH, ein auf Datenqualitätsmanagement spezialisiertes
Beratungsunternehmen, erhielt. Organisatorisch ist das Stammdatenprojekt im
Zentralbereich QI angesiedelt, während das Gesamtprojekt FITS in Verantwortung
des Finanzbereiches lag (siehe Abbildung 1‐1). Während der Projektdurchführung
wurden die entsprechenden Vertreter aus den Fachbereichen (insbesondere die
Prozessowner) fortlaufend involviert, um die letztendlichen Nutzer der Stammdaten
und ihre Anforderungen berücksichtigen zu können. Im Rahmen von Interviews
und Workshops identifizierten und definierten die Anwender aus den
Fachabteilungen in Zusammenarbeit mit dem Projektteam die von ihnen
verwendeten Datenobjekte sowie die Prozesse und Systeme, in denen die Objekte
verwendet werden. Eine Einschränkung bezüglich bestimmter Stammdatenobjekte
wurde dabei nicht vorgenommen. Konsolidierung und Aufbereitung der
Informationen aus den Interviews durch das Projektteam führten zu einem
iterativen Abstimmungsprozess mit den Fachabteilungen, an dessen Ende die
verabschiedeten Definitionen im Geschäftsdatenmodell dokumentiert wurden (zum
Vorgehen siehe Kapitel 4.3.1). Ausserdem fanden regelmässige Abstimmungen mit
der zentralen IT der SBB statt, um eine den fachlichen Anforderungen
entsprechende Umsetzung sicherzustellen. Teil‐ und Zwischenergebnisse (vor allem
Definitionen einzelner Stammdatenobjekte) wurden über das unternehmensweite
Intranet wöchentlich publiziert, mit dem Ziel, die Stammdatennutzer frühzeitig zur
Verwendung standardisierter Definitionen und Pflegeprozesse zu animieren.
Zu Beginn des Projektes wurden darüber hinaus parallel zu den zentralen
Handlungsfeldern der Roadmap sogenannte „Business Hot Spots“ (Brandherde) für
Stammdaten identifiziert, für deren Behebung ein separates Handlungsfeld (siehe
Tabelle 3‐1) definiert wurde. Durch die Behebung dieser Stammdaten‐Brandherde
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Projekt 19
sollte in kurzer Zeit und mit geringem Aufwand relativ hoher Geschäftsnutzen
(sogenannte „Quick Wins“) durch das zentrale Stammdatenmanagement erzielt
werden. Dies erleichterte es dem Projektteam, den konkreten Nutzen seiner Arbeit
aufzuzeigen sowie über einen längeren Zeitraum immer wieder positive Ergebnisse
vorzeigen zu können. Viele „Hot Spots“ wurden im Finanzbereich (Analysesysteme)
sowie im Vertriebscontrolling (Kundennummern, Datumsangaben) identifiziert.
3.3 Herausforderungen
Die grösste Herausforderung bestand (und besteht weiterhin) in der finanziellen
Zuordnung des Stammdaten‐Vorhabens zu einem nicht in der QI aufgesetzten
Projekt (FITS). Als Teil eines Finanzprojektes, organisatorisch jedoch im
Zentralbereich QI verankert, kommt der Stammdateninitiative organisatorisch nicht
die notwendige Handlungsfähigkeit innerhalb der SBB Cargo zu, welche der in
Kapitel 2.3 aufgezeigten Bedeutung hoher Stammdatenqualität für das
Unternehmen entsprechen würde. Dies erschwert zurzeit noch die effiziente
Durchsetzung standardisierter Definitionen und deren Umsetzung in entsprechende
Stammdatensysteme. Zusätzlich ist es schwierig, nach nur einem Jahr, in dem das
Stammdatenprojekt aktiv läuft, den potentiellen Nutzen der aufwendigen
Grundlagenarbeit aufzuzeigen, da dieser sich erst mit der regelmässigen,
standardgemässen Verwendung einheitlich definierter Stammdaten und
Pflegeprozesse einstellen wird. Zwar konnten durch die anfangs realisierten „Quick
Wins“ in speziellen Teilbereichen positive Ergebnisse vorgewiesen werden,
trotzdem bleibt die aktive Mitarbeit des Fachbereiches als interner Kunde (auch in
Bezug auf die Verwendung der erarbeiteten Ergebnisse) von deren Bereitschaft
abhängig.
Eine weitere Herausforderung bestand in der Sensibilisierung der in ihren
funktionalen Strukturen agierenden Mitarbeiter für eine durchgängige,
stammdatenorientierte Sichtweise entlang der Geschäftsprozesse. Hierfür ist das
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Projekt 20
Verständnis der Zusammenhänge und ihrer Komplexität zwischen Systemen und
einzelnen Aufgaben vonnöten, dass nur bei wenigen Mitarbeitern vorhanden war.
Im Zusammenhang damit war und ist die Erstellung der Stammdatenarchitektur
äusserst schwierig, weil das Wissen über die Geschäftsdatenobjekte
unternehmensweit verteilt ist und aufwendig zusammengetragen werden muss.
3.4 Derzeitiger Projektstand
Das erste FITS‐Projekt ist nach einjähriger Laufzeit beendet. Trotzdem geht die
Planung des Teilprojektes für Stammdatenmanagement bis Ende 2011 (siehe
Roadmap in Tabelle 3‐1), da seit Juli 2009 das Nachfolgeprojekt FITS II läuft.
Innerhalb von FITS II ist – analog zum ersten FITS‐Projekt – ein Teilprojekt für das
Stammdatenmanagement vorgesehen, in dem die Arbeit gemäss Roadmap
fortgeführt werden soll. Zusätzlich hat das Stammdatenmanagement die Aufgabe,
für das Gesamtprojekt ein Datenkonzept zu erstellen (siehe Kapitel 4.3.2). Bis zum
Zeitpunkt der Fallstudienaufnahme war Handlungsfeld 2 (Definition
Stammdatenprozesse) abgeschlossen, für Handlungsfeld 2a
(Workflowunterstützung) wurde ein erster Prototyp für ein Stammdatenobjekt und
den entsprechenden Prozess implementiert. Der Umfang der durch das Tool
unterstützten Prozesse soll in den kommenden Monaten stetig erweitert werden.
Handlungsfelder 4 (Aufbau Stammdatenarchitektur) und 5 (Erstellen Stammdaten‐
Landkarte) laufen derzeit parallel. Nach Angaben des Projektteams ist man mit
diesen Aufgaben bereits weit fortgeschritten, da 90‐95% der Geschäfts‐ und
Stammdaten im Geschäftsdatenmodell abgebildet sind und für 93% dieser Objekte
der Masterprozess bzw. für 54% das Mastersystem identifiziert wurde (siehe hierzu
Kapitel 4.3). Der Aufbau eines zentralen Mutationsteams (Handlungsfeld 3) ist einer
der wesentlichen Punkte, die als nächstes angegangen werden. Handlungsfeld 1
(Stammdaten‐Compliance) wurde zu Beginn aus Sicht des Gesamtprojektes im
Vergleich zu den anderen Handlungsfeldern niedriger priorisiert und verschoben,
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Neue Lösung 21
da hierfür die Zusammenarbeit mit einer zentralen Stelle für Compliance‐Themen
innerhalb des Konzerns SBB (Security) notwendig ist. Die weiteren Handlungsfelder
werden integraler Bestandteil von FITS II sein.
4 Neue Lösung
4.1 Stammdatenstrategie
Als Grundlage eines erfolgreichen Stammdatenmanagements stellte die Erarbeitung
einer Stammdatenstrategie eine der ersten Arbeitsergebnisse der
Stammdateninitiative dar. Daher wurde sie bereits im Vorlauf des FITS‐Projektes
entwickelt (Dezember 2007 bis März 2008) und zu Projektbeginn im Juli 2008
freigegeben. Mit Hilfe der Strategie sollten fünf wesentliche Bereiche des
Stammdatenmanagements adressiert werden [Schwaar 2009, 13]:
• Goals & Vision. Aufzeigen der langfristigen Möglichkeit, durch standardisierte
und optimierte Datenmanagementprozesse eine hohe Qualität der
Stammdaten zu erreichen.
• Data Governance. Festlegung notwendiger Rollen, Aufgaben und
Verantwortlichkeiten, um eine hohe Qualität der Stammdaten dauerhaft zu
gewährleisten.
• Roadmap. Entwicklung eines Projektplanes mit wichtigen Meilensteinen, der
durch wesentliche Handlungsfelder sowie angestrebte Ergebnisse (inklusive
zeitlicher Rahmen) die definierte Stammdatenstrategie operationalisiert (siehe
Tabelle 3‐1).
• Activities. Beschreibung der Handlungsfelder mit detaillierten Tätigkeiten
und Teilprojekten, die zur Umsetzung der Stammdatenstrategie erforderlich
sind.
• Contributors. Einbindung von Experten aus sämtlichen Fachbereichen sowie
der zentralen IT der SBB in den Prozess der Strategieentwicklung, um den
Fachbereich für das Thema zu sensibilisieren und die Akzeptanz zu erhöhen.
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Neue Lösung 22
4.2 Organisation: Rollen und Verantwortlichkeiten für Stammdatenobjekte
Grundsätzlich konzentrieren sich sämtliche Aktivitäten für das
Stammdatenmanagement im Projektteam von Herrn Schwaar. Die Etablierung einer
unternehmensweiten Linienaufgabe für das Management der Datenqualität ist ein
langfristiges Ziel (über 2011 hinaus) und soll sich aus den verschiedenen
Handlungsfeldern ergeben.
Im Zuge der Identifikation und Beschreibung der Stammdaten wurde ein
standardisiertes Rollenmodell entwickelt, welches für jedes Stammdatenobjekt
ausgeprägt werden kann. Die darin spezifizierten Rollen sind: a) der Besteller oder
Auftraggeber, der eine Veränderung an einem Stammdatenobjekt auslöst bzw.
beantragt; b) die Prüfstelle, welche die Abhängigkeiten von und zu anderen
Stammdatenobjekten und damit die Richtigkeit von Veränderungen untersucht; c)
der Datenowner, der für die Freigabe und konsistente Änderungen verantwortlich
ist; d) die Mutationsstelle, welche die Veränderungen am Objekt physisch ausführt,
und e) die Kommunikationsstelle, die Veränderungen im Unternehmen publik
macht und verbreitet. Mit Veränderungen sind hier sämtliche Modifikationen an
einem Stammdatenobjekt gemeint, inklusive seiner Entstehung und seiner
Löschung.
Die Rolle des Datenowners ist zweigeteilt. Es gibt einerseits einen operativen
Datenowner, der in seiner täglichen Arbeit mit dem Objekt zu tun hat, andererseits
einen Verantwortlichen aus dem Management für das Objekt. Der Datenowner im
Management wurde jeweils möglichst eng mit dem entsprechenden Prozessowner
verknüpft, idealerweise fallen beide Rollen zusammen. Er ist für die ihm
zugewiesenen Stammdatenobjekte hauptverantwortlich, d. h. er entscheidet über
jegliche Änderungen des Objekts. Mit dieser Rollenzuteilung wurde das Ziel
verfolgt, das prozessorientierte Datenmanagement (über bisherige Funktions‐ und
Systemgrenzen hinweg) zu fördern sowie – durch die Zuordnung der
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Neue Lösung 23
Verantwortung auf Management‐ und nicht auf operativer Ebene – den Stammdaten
das notwendige Gewicht zu geben.
In Bezug auf die Definition von Rollen und Verantwortlichkeiten besteht die nächste
Aufgabe in Übereinstimmung mit der definierten Stammdaten‐Roadmap im Aufbau
eines zentralen Mutationsteams, welches sich unternehmensweit um die konsistente
Umsetzung von Veränderungsanfragen für Stammdateninstanzen (Create, Update,
Delete) kümmert. Dazu wird ein pragmatischer Ansatz gewählt, d.h. das zentrale
Mutationsteam soll überall dort zum Einsatz kommen, wo für das Business ein
spürbarer Nutzen entsteht.
4.3 Stammdaten und Prozesse
4.3.1 Geschäftsdatenmodell
Der in Handlungsfeld 4 definierte Aufbau einer Stammdatenarchitektur umfasst als
wichtiges Ergebnis die Entwicklung eines Geschäftsdatenmodells aus Sicht der
wesentlichen Geschäftsprozesse der SBB Cargo. Das Geschäftsdatenmodell soll die
Kernentitäten des Unternehmens sowohl als graphisches Modell als auch in Form
textueller Beschreibungen (Glossare) abbilden und somit eine Grundlage für ein
unternehmensweit einheitliches Verständnis bilden.
Datenarten
Zu Beginn der Arbeit am Geschäftsdatenmodell wurde deutlich, dass eine
ausschliessliche Beschränkung auf die Stammdaten dem Ziel einer
prozessorientierten Dokumentation nur ungenügend gerecht wird, da sie im
Geschäftsprozess selten und eher indirekt verändert werden. Der
Betrachtungsumfang wurde daher allgemein auf Geschäftsdaten erweitert und eine
Dreiteilung der Datenarten vorgenommen, um eine übersichtlichere Darstellung der
Objekte und ihrer Beziehungen zu ermöglichen. Folgende Datenarten wurden
definiert [Schwaar 2009, 17]:
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Neue Lösung 24
• Geschäftsvorfalldaten (Business Transaction Data) sind Daten welche direkt im
Laufe eines Wertschöpfungsprozesses entstehen, verwendet, verändert und
wieder gelöscht werden. Typische Beispiele sind Rechnungen, Verträge oder
Angebote. Sie stehen in Beziehung zu anderen Geschäftsvorfalldaten und
nutzen Stammdaten sowie Kerndatenelemente.
• Stammdatenobjekte (Master Data Objects) werden in den Geschäftsvorfällen
verwendet, durch die Geschäftsprozesse aber nicht direkt verändert. Sie
bleiben über einen längeren Zeitraum konstant und stehen mit anderen
Stammdatenobjekten sowie Kerndatenelementen in Beziehung. Zu
Stammdatenobjekten zählen beispielsweise Kunden, Debitoren oder
Verkäufer/Lieferanten.
• Kerndatenelemente (Core Data Elements) entsprechen am ehesten dem in der
wissenschaftlichen Literatur verwendeten Konzept der Referenzdaten, da
deren Pflege zum Teil nicht im Verantwortungsbereich einzelner
Unternehmen liegt, sondern von übergreifenden Organisationen wie dem
Internationalen Eisenbahnverband durchgeführt wird. Sie dienen in der
Regel der Klassifikation von Stamm‐ und Geschäftsvorfalldaten. Typische
Kerndatenelemente sind der NHM‐Code sowie die Klassifikation von
Wagentypen oder Produkten.
Zusätzlich wurde im Laufe der Dokumentation eine vierte Datengruppe gebildet
(„Glossarbegriffe“), in der Synonyme und Homonyme (mit Begriffsowner und
Attributen) zu bestehenden Objekten zugeordnet werden.
Modellierung
Wie bereits zu Beginn des Kapitels angedeutet, wurde für die Dokumentation der
Geschäftsdaten ein zweigleisiges Vorgehen gewählt. Als erstes wird jedes
Geschäftsvorfalldatum, Stammdatenobjekt, Kerndatenelement sowie jeder
Glossarbegriff einheitlich in einem Glossar gepflegt. Zielgruppe des Glossars ist der
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Neue Lösung 25
Fachbereich, dem es über das Intranet zur Verfügung gestellt wird, um damit eine
unternehmensweit einheitliche Verwendung der Begrifflichkeiten zu fördern.
Zusätzlich wird den Datennutzern der verantwortliche Datenowner als
Ansprechpartner angezeigt. Innerhalb des Glossars werden folgende Metadaten
geführt: Name (des Datums bzw. Objektes), unternehmensweit einheitliche
Definition, zugehörige Datenklasse, mögliche Werte bzw. Ausprägungen, Attribute
(nur teilweise), Datenowner, Master‐Prozess, Nutzer‐Prozesse, (führendes) Master‐
System und weitere, nutzende Systeme. Ein Beispiel ist in Tabelle 4‐1 angeführt.
Name Beschreibung
Schl
üsse
lbeg
riff
Bus
ines
s
Master Prozess (Produziert)
Nutzer Prozesse (Konsumiert)
MasterSystem
NutzerSystem
Vorschlag Business Owner
Wagentyp
Typisierung / Codierung unterschiedlicher Wagen. Die Wagentypen beschreiben die Bauart und die Eigenschaften des Fahrzeugs. Die Codierung ist durch die UIC festgelegt.Beispiele: Eaos, Habbiillnss, Shimmns
Wagentyp ist eine Teilmenge von Fahrzeug.
KE Instandhaltung
K4.2 Planung (Produziert)
K1.2 Angebotsplanung (Konsumiert)K2.2 Machbarkeit (Konsumiert)K2.3 Offerte (Konsumiert)K3 Leistung (Konsumiert)K4.1 Live Cycle Management (Konsumiert)K4.3 Bereitstellung (Konsumiert)
SAP/ERP
Muster HansMeier Max
Tabelle 4‐1: Ausschnitt aus dem Glossar der SBB Cargo (Kernentität Wagentyp)
Zusätzlich wird für jedes Geschäftsvorfalldatum ein UML‐Klassendiagramm
erstellt, welches das Objekt mit seinen Schlüsselattributen sowie seinen Beziehungen
zu sämtlichen Stammdatenobjekten und Kerndatenelementen zeigt. Das
Geschäftsvorfalldatum stellt somit den zentralen Ankerpunkt eines jeden
Einzeldatenmodells dar. Zum Zeitpunkt der Fallstudienaufnahme konnten 11
Geschäftsvorfalldatenmodelle in Abstimmung mit Prozess‐/Datenownern und
Produktverantwortlichen erstellt werden. In Anhang A ist ein Beispieldiagramm für
das Geschäftsvorfallsdatenobjekt „Opportunity“ abgebildet.
Eine Modellierung bzw. vollständige Beschreibung der Objekte auf Ebene der
Attribute wurde in diesem ersten Schritt bewusst nicht durchgeführt, um die
Komplexität (insbesondere für den Fachbereich) möglichst gering zu halten. Derzeit
werden pro Objekt zum besseren Verständnis wenige, ausgewählte Attribute
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Neue Lösung 26
modelliert; die Ausweitung sowie die Festlegung von globalen und lokalen
Attributen werden erst im Rahmen der Architekturgestaltung
(Stammdatenverteilung) in Zukunft durchgeführt. Überbetriebliche Spezifikationen
wie beispielsweise railML, welche standardisierte Beschreibungen von Entitäten im
Schienenverkehrssektor liefern, kommen nicht zur Anwendung.
Vorgehen
Ausgangspunkt für die Identifikation der Geschäftsdatenobjekte war die bestehende
Dokumentation der Geschäftsprozesse, die im Management‐System Cargo sehr
detailliert abgelegt ist. Anhand dieser Geschäftsprozesse konnten erste Objekte
erkannt und die Prozessowner kontaktiert werden. Ausgehend von Gesprächen mit
den Prozessownern wurden iterativ Informationen zu einzelnen Objekten
gesammelt und konsolidiert (wobei wiederum neue Geschäftsdatenobjekte
identifiziert wurden). Hierfür wurden Interviews und Workshops mit Nutzern der
Geschäftsdatenobjekte durchgeführt, um konzertierte Definitionen zu finden (im
Falle abweichender Verständnisse), Nutzersysteme zu identifizieren, den
zugehörigen Prozess (im Sinne des Datenlebenszyklus) zu spezifizieren und den
Datenowner festzulegen, welcher in Zukunft die Aufgabe hat, bezüglich möglicher
Veränderungen an den Metadaten des Geschäftsdatenobjektes zu entscheiden. Eine
wesentliche Herausforderung besteht in der Festlegung eines eindeutigen Schlüssels
zur Identifikation von Geschäftsdatenobjekten. Da sich die Schlüssel derzeit
anwendungsspezifisch unterscheiden (z.B. Kundennummer im CRM‐ und im SAP‐
System), ist die Bestimmung des Master‐Systems notwendig, dessen Schlüssel dann
bei einer zukünftigen Zusammenführung der Datenbestände massgeblich ist.
Das Stammdatenmanagement‐Projektteam bereitete die Informationen
anschliessend auf, pflegte sie in das Glossar ein und veröffentlichte das aktualisierte
bzw. erweiterte Glossar im Intranet. Sukzessiv wurden auch erste UML‐
Klassendiagramme für einzelne Geschäftsvorfalldaten entlang der
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Neue Lösung 27
Wertschöpfungskette erstellt. Im Falle uneinheitlicher bzw. inkonsistenter
Definitionen sowie zur Verfeinerung der Datenmodelle wurden anschliessend
iterativ zusätzliche Abstimmungstreffen durchgeführt.
Für die Metadatenpflege, also die konsistente Fortführung der Informationen in
Glossar und Geschäftsdatenmodell, nach fachlicher Freigabe der Änderungen durch
den jeweiligen Datenowner ist (auch in Zukunft) das Stammdatenmanagementteam
zuständig. Darunter fällt die Definition neuer Geschäftsdatenobjekte, die Anpassung
von Datenformaten oder die Änderung von Hierarchien und
Merkmalszuordnungen im Objekt. Die zentrale Mutationsstelle pflegt nur
Änderungen an den Stammdateninstanzen.
Derzeitiger Stand
Die Modelle sowie das Glossar werden derzeit im unternehmensinternen Enterprise
Architecture Management Tool (MEGA) gepflegt und in 14‐tägigem Rhythmus
aktualisiert. In diesem Tool werden in weiteren Schritten auch sämtliche Prozesse
und Systeme (insbesondere der Bebauungsplan) und der Zusammenhang zwischen
Daten, Prozessen und Systemen abgebildet. Das Tool wird dann nicht nur zur
Dokumentation verwendet, sondern erlaubt auch die Ableitung von Reports und
Auswertungen über die gepflegten Geschäftsdatenmodelle (z. B. in welchen
Modellen bestimmte Objekte vorkommen). Durch die derzeit noch nicht vollständig
vorhandene Basis der Verknüpfung von Daten zu Geschäftsprozessen in MEGA
sind integrierte Analysen (z. B. in welchen Geschäftsprozessen bestimmte Objekte
verwendet werden) mit dem Tool aktuell noch wenig aussagekräftig.
Wie Tabelle 4‐2 verdeutlicht wurden insgesamt 303 Geschäftsdatenobjekte
identifiziert, modelliert und beschrieben. Davon sind 62 Geschäftsvorfalldaten
(entspricht 20%) und 47 Stammdatenobjekte (entspricht 16%). Nach Einschätzungen
des Projektteams entsprechen diese Zahlen 90‐95% der Gesamtobjektzahl. Bereits in
den letzten Wochen ist ein signifikantes Wachstum nur noch bei den
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Neue Lösung 28
Glossarbegriffen festzustellen. Ausserdem ist zu betonen, dass bei mehr als 90% der
identifizierten Geschäftsdatenobjekte jeweils ein Datenowner definiert und der
Master‐Prozess bestimmt werden konnte.
Beschreibung Absolute Anzahl Prozentualer Anteil
Ermittelte Geschäftsdatenobjekte 303
davon mit Owner 279 92
davon Owner in Abklärung 23 8
Ermittelte Geschäftsdatenobjekte (pro Ebene) 303
Geschäftsvorfalldaten 62 20
Stammdatenobjekte 47 16
Kernelementdaten 114 38
Glossarbegriffe 78 25
noch offen 2 1
Geschäftsdatenobjekte mit Master‐Prozess 204 93
Geschäftsdatenobjekte mit bekanntem Mastersystem 121 54
Tabelle 4‐2: Übersicht über definierte Geschäftsdatenobjekte (Stand: 29.05.2009)
Schliesslich ist noch auf die Unterschiede zu Versuchen in der Vergangenheit
einzugehen, ein unternehmensweites Datenmodell zu erstellen. Diesbezügliche
Initiativen gab es auch innerhalb der SBB Cargo. Jedoch waren diese stets stark IT‐
getrieben und berücksichtigten nur unzureichend die Anforderungen der Fachseite.
Für das jetzige Projekt wurde bewusst eine konträre Herangehensweise verfolgt.
Stammdatenmanagement wird als fachliche und weniger als technische Aufgabe
betrachtet. Massgeblich für die Erarbeitung der Ergebnisse sind die Anforderungen
des Fachbereiches an das Stammdatenmanagement. Dementsprechend werden
Konzepte primär in Zusammenarbeit mit Fachbereichsvertretern entwickelt. Mit der
zentralen IT der SBB finden in der Regel lediglich Abstimmungstreffen statt, in
denen die informationstechnologische Machbarkeit der Umsetzung diskutiert wird.
Dies trifft in besonderem Masse auf die Spezifikation der Stammdatenarchitektur
bzw. des Geschäftsdatenmodells zu. Deren Ziel ist nicht die Modellierung für die
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Neue Lösung 29
anschliessende Anwendungsentwicklung, sondern eine einheitliches
Begriffsverständnis (auch zwischen Fachbereich und IT) und darauf aufbauend eine
konsistente Verwendung von Stamm‐ bzw. Geschäftsdatenobjekten sicherzustellen.
Daher ist die vollständige Beschreibung bezogen auf die Art und Anzahl der
Attribute nicht notwendig.
4.3.2 Projektübergreifende Etablierung von Datenmanagementstandards
Parallel zu der im vorherigen Abschnitt beschriebenen Grundlagenarbeit müssen
ständig laufende Projekte, die erste Ergebnisse der Stammdateninitiative nutzen,
unterstützt werden, um die konsistente Weiterentwicklung der
Stammdatenarchitektur sowie der Stammdatenlandkarte zu gewährleisten. Zur
Erreichung dieses Ziels wurde schon frühzeitig ein einheitlicher Prozess entwickelt
(siehe Abbildung 4‐1), der zukünftig in allen Cargo‐Projekten Berücksichtigung
finden soll. Dieser umfasst datenmanagementspezifische Aufgaben und
Meilensteine, die in den allgemeinen Projektplan integriert werden.
Phasen Projektmanagement
Aufgaben Datenmanagement
Studie Grobkonzept Detailkonzept Realisierung Einführung
PKA PKA PKA PKA
Erstellen desDatenkonzeptes mitSDM-Projektteam
Erstellen desDatendetailkonzeptes
gemässDatenkonzept
Umsetzung gemässDetailkonzept
Nachführen desGeschätsdatenmodells
Ist-Geschäfts-datenmodell
Soll-Geschäfts-datenmodell
Soll-Geschäfts-datenmodell
AktualisiertesGeschäfts-
datenmodell
Legende: SDM … StammdatenmanagementPKA … Projektkreditantrag
Abbildung 4‐1: Einbindung des Stammdatenmanagements in das Projektmanagement
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Neue Lösung 30
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Die Aufgaben des Datenmanagements fokussieren auf die Konsistenzwahrung des
Geschäftsdatenmodelles. Hierfür muss das Projektmanagement auf Grundlage des
bestehenden Geschäftsdatenmodells frühzeitig ein Datenkonzept erarbeiten und
diejenigen Geschäftsdaten identifizieren, welche im Projekt benötigt (also genutzt)
oder verändert werden. Auf Grundlage des Datenkonzeptes und der darin
formulierten Anforderungen wird ein konsistentes Soll‐Geschäftsdatenmodell in
Zusammenarbeit mit dem Stammdaten‐Projektteam sowie den entsprechenden
Datenownern erstellt. Zur besseren Etablierung sowie zur Unterstützung der
Datenmanagement‐Aufgaben in den Projektabläufen wurden Templates erarbeitet,
welche die Definition des Datenkonzeptes zu Beginn eines jeden Projektes
vereinfachen.
4.3.3 Toolunterstützte Stammdatenworkflows
Am 6. Juli 2009 wurde ein mit einem externen Partner entwickeltes Workflow‐
Management‐System (WfMS)1 in Betrieb genommen. Das Tool unterstützt derzeit
die Änderungs‐ und Pflegeprozesse für das Stammdatenobjekt „Debitor“. Die
Implementierung kann als eine indirekte Bestätigung der erfolgreichen
Grundlagenarbeit gesehen werden, baut sie doch auf deren Ergebnissen auf
(festgelegter Datenowner sowie weitere notwendige Rollen, identifizierte Master‐
und Nutzersysteme pro Objekt, Abhängigkeiten zu anderen Geschäftsdaten‐
objekten, Verwendung im Geschäftsprozess). Für die Umsetzung im WfMS wurde
der Pflegeprozess für das Stammdatenobjekt gemeinsam mit dem Datenowner
genau spezifiziert, inklusive der Kriterien für eine erlaubte Veränderung (als
Entscheidungsunterstützung für den Datenowner), der Geschäftsregeln (Business
Rules) zur Überprüfung der Abhängigkeiten zu anderen Geschäftsdatenobjekten
1 Intern wird das System als Prozess‐Workflow‐Tool bezeichnet. Aufgrund der gängigen
Verwendung des Begriffes Workflow‐Management‐System in Wissenschaft und Praxis, verwenden wir im Weiteren die Bezeichnung WfMS.
Neue Lösung 31
und der Mutationsregeln für jedes betroffene System. Nur so war eine
Implementierung des Prozesses in das WfMS möglich.
Durch das WfMS können eine Vielzahl der Schritte im Prozess automatisiert werden
(beispielsweise die Überprüfung von Stammdatenmutationen bezüglich ihrer
Regelkonformität, die kontinuierliche Dokumentation und Auswertung der
Mutationen, die Benachrichtigung der Prozessschrittverantwortlichen), wodurch
sowohl die Durchlaufzeit des Pflegeprozesses als auch die Fehleranfälligkeit
reduziert werden kann. Da das WfMS über das Intranet grundsätzlich für jeden
zugänglich ist, können Anfragen für notwendige Veränderungen ohne grossen
Aufwand ausgelöst und Informationen über den aktuellen Prozessstatus einfach
abgefragt werden.
Derzeit ist es noch zu früh, um valide Aussagen bezüglich des Nutzens zu treffen. In
den kommenden Wochen soll der Umfang des WfMS schrittweise auf weitere
Objekte ausgedehnt werden, wofür die definierten Prozesse für jedes Objekt in dem
Tool abgebildet werden müssen.
4.4 IT-Systemlandschaft
Die Systemlandschaft (siehe Abbildung 2‐1) hat sich in Bezug auf das
Stammdatenmanagement bis zum derzeitigen Zeitpunkt nicht verändert. Die
zielgerichtete (Um‐)Gestaltung der Applikationsarchitektur wurde als wichtiges
Thema für das Stammdatenmanagement identifiziert (siehe Handlungsfeld 7a der
Stammdaten‐Roadmap), jedoch bewusst nach hinten verschoben. In welcher Form
(eigenes Stammdatenprojekt oder im Zuge der konzernweiten
Integrationsarchitektur) dieses aufgrund zahlreicher Abhängigkeiten schwierige
Handlungsfeld adressiert wird, ist derzeit noch nicht geklärt. Grundvoraussetzung
hierfür ist die eindeutige Definition der Stammdatenobjekte sowie die Identifikation
und Dokumentation der entsprechenden Master‐Systeme, welche führend für sie
verantwortlich sind. Zudem muss festgelegt werden, welche Attribute globale
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(unternehmensweite) Gültigkeit besitzen und welche lediglich über lokale
Gültigkeit (z. B. pro System) verfügen sollen. Langfristiges Ziel soll es sein, die
Vielzahl von stammdatenführenden Systemen auf maximal zwei zentrale Systeme
zu reduzieren, in denen die Stammdaten zentral gepflegt und auf angebundene
Systeme verteilt werden. Dadurch soll die langfristige Konsistenzwahrung mit
minimalem Aufwand gewährleistet werden.
4.5 Kosten und Nutzen
Im Rahmen der Entwicklung des Strategiedokumentes wurde primär eine
qualitative Nutzenbetrachtung durchgeführt, jedoch wurden die Kosten und der
erwartete Nutzen in einzelnen Teilbereichen im Sinne einer vereinfachten Business
Case‐Rechnung grob geschätzt. Der quantifizierte Nutzen wurde auf der Grundlage
der reduzierten Anzahl von nicht abrechenbaren Sendungen (NAS)1 und des damit
einhergehenden, geringeren Zinsverlusts sowie der Reduktion der administrativen
Kosten (z. B. durch weniger Nacharbeit) berechnet. Die Verringerung der
Administrationskosten wurde auf 7,3 FTE (Full Time Equivalent, Vollzeit‐
mitarbeiter) pro Jahr geschätzt. Durch die Verringerung der Anzahl nicht
bewertbarer bzw. fakturierbarer Sendungen als Ergebnis der Stammdateninitiative
wurde ein Einsparpotential für den Zinsverlust von 50% prognostiziert, was ca.
1,8% des monetären Wertes der durchschnittlichen Anzahl NAS entspricht.
Zusätzlich werden weitere Nutzenpotentiale aufgezählt, ohne diese genau zu
beziffern. Hierzu zählen unter anderem die Verminderung der manuellen
Aufwände zur Pflege bzw. Fehlerkorrektur oder die Verringerung der benötigten
Zeit zur Erstellung finanzieller Reports sowie die Reduktion der Anzahl fehlerhafter
1 NAS sind Aufträge, welche die SBB Cargo an den Kunden liefert, obwohl sie mangels vollständiger
Vertragsdaten und/oder falscher Angaben der Kunden nicht bewertbar sind und somit nicht fakturiert werden können. Der durchschnittliche Wert einer NAS beträgt ca. CHF 2.250.
Neue Lösung 33
Reports durch eine höhere Transparenz über Datenbasis und Herkunft verwendeter
Daten.
Mit Abschluss des ersten FITS‐Projektes ist für das Teilprojekt
Stammdatenmanagement ein wichtiger Meilenstein erreicht. Auch wenn es derzeit
noch verfrüht ist, finale quantitative Nutzenbetrachtungen abzuleiten (insbesondere
da Investitionen in das Stammdatenmanagement keine direkten monetären
Rückflüsse generieren), lassen mehrere positive Entwicklungen den Schluss zu, dass
die erste Projektphase als erfolgreich bewertet werden kann. So deuten nicht nur die
Aussagen des Projektteams, das die Einschätzung vertrat, dass die
Stammdateninitiative in den Fachbereichen sehr positiv aufgenommen und aktiv
unterstützt wird, auf eine positive Resonanz hin. Die Expertengespräche zeigten,
dass insbesondere der Finanzbereich den langfristigen Nutzen positiv bewertet und
sich viel von den Ergebnissen verspricht, auch wenn das Stammdatenprojekt im
Moment eher mit Aufwand verbunden ist. Insofern ist mit der deutlichen Erhöhung
des Problembewusstseins für die Stammdatenproblematik in den Fachbereichen
bereits ein wichtiger (wenn auch nicht monetärer) Nutzen erzielt wurden. Auch die
Weiterführung der Stammdateninitiative in FITS II (und somit bis mindestens 2011)
ist ein deutliches Zeichen dafür, dass der Nutzen der Arbeit im Unternehmen
erkannt wird.
Um den Fortschritt in Bezug auf die Stammdatenarchitektur zu dokumentieren und
zu bewerten, werden primär Auswertungen erstellt, die mit denen in Tabelle 4‐2
vergleichbar sind. Hierbei sind vor allem Zahlen zur Festlegung von Datenownern
sowie zur Identifikation von Master‐Prozessen und ‐Systemen von Bedeutung.
Qualitative Aussagen sind jedoch (noch) nicht möglich.
4.6 Zukünftige Entwicklungen
Auf die zukünftigen Herausforderungen beim Aufbau einer zentralen
Mutationsstelle sowie der Optimierung der Applikationsarchitektur
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Neue Lösung 34
(Zentralisierung der Stammdatenhaltung) zur Erhöhung der Stammdatenqualität
wurde bereits in den vorangegangenen Kapiteln eingegangen. Für die Fertigstellung
des Geschäftsdatenmodelles wird ein Schwerpunkt (auch im Hinblick auf die
Gestaltung der Applikationsarchitektur) auf der Identifikation der Mastersysteme
liegen, die für fast die Hälfte der Entitäten (siehe Tabelle 4‐2) noch nicht
durchgeführt wurde. Ausserdem sollen bis Ende 2010 schrittweise sämtliche
Stammdatenpflegeprozesse definiert werden.
Eine weitere wichtige Aufgabe wird die Bearbeitung von Handlungsfeld 8 mit dem
Aufbau eines kennzahlenbasierten Reportings für die Messung der
Stammdatenqualität sein. Diesbezüglich wird es in einem ersten Schritt notwendig
sein, aussagefähige Messgrössen und Key Performance Indicators (KPIs) zu
identifizieren, um ein Controlling von Qualität (Vollständigkeit, Korrektheit,
Aktualität, Eindeutigkeit, Verfügbarkeit der Daten) und Pflegekosten zu etablieren.
Dies ist wichtig, um die positiven Auswirkungen der eigenen Arbeit aufzuzeigen
und damit zusätzliche Argumente für eine unternehmensweite Verankerung des
Stammdatenmanagements zu haben.
Eine naheliegende Ausweitung des Projektumfangs auf den gesamten SBB‐Konzern
ist derzeit nicht geplant und wird aufgrund der Heterogenität der einzelnen
Konzernbereiche (Personenverkehr, Infrastruktur, Cargo) kritisch bewertet. Allein
das Verständnis über einen Kunden unterscheidet sich signifikant zwischen SBB
Cargo und SBB Personenverkehr. Sinnvoll erscheint dies lediglich bei gemeinsam
genutzten Geschäftsdatenobjekten, wie z. B. Trassen oder Bahnhöfen zwischen den
Geschäftsbereichen Cargo und Infrastruktur. Trotz alledem wird das
Stammdatenmanagement auch in den anderen Konzernbereichen aus Sicht von SBB
Cargo in naher Zukunft ein Schlüsselthema sein, weshalb der Transfer von
Erkenntnissen und Erfahrungen angestrebt werden sollte.
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Erkenntnisse 35
Aufbauend auf den Erkenntnissen aus der Erstellung des Geschäftsdatenmodelles
wird zurzeit ein analoges Vorgehen für die Dokumentation sogenannter
Relationsdaten gewählt. Als Relationen werden kommerzielle Strecken zwischen
zwei Bedienpunkten bezeichnet, welche ein Kunde bestellt. Sie stellen wichtige
Entitäten in der Wertschöpfungskette der SBB Cargo dar, da sie unter anderem die
Grundlage für das Angebot und den Verkauf von Leistungen sowie die Berechnung
von Kosten bilden. Für das Management von Relationen soll bis Ende 2009 ein
Fachkonzept erarbeitet werden.
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Internationalisierung der SBB Cargo (siehe
Kapitel 1.4), die mit der Nutzung von Infrastruktur im Ausland einhergeht, hat sich
die Stammdatenproblematik in den vergangenen Jahren noch verschärft, da
Ressourcen und Kapazitäten vermehrt bei Partnerunternehmen (SNCF Fret, B
Cargo) eingekauft werden müssen.
5 Erkenntnisse Als Erkenntnisse aus dem Stammdatenprojekt können bereits zum jetzigen
Zeitpunkt ein paar wesentliche Punkte abgeleitet werden, die für dessen Durch‐ und
Weiterführung mitentscheidend waren. Dies ist zum Ersten das Bewusstsein in der
Geschäftsleitung, dass Stammdaten im Unternehmen nicht über die erforderliche
Qualität verfügen und dies negative Auswirkungen entlang der gesamten
Wertschöpfungskette hat (vor Projektbeginn war dies sowohl beim Leiter des QI‐
Bereiches als auch des Finanzbereiches der Fall). Daraus resultiert der Auftrag, das
Stammdatenprojekt als Teilprojekt von FITS abzuwickeln. Hierdurch ist es leichter
möglich, in relativ kurzer Zeit positive Nutzeneffekte zu erzielen und damit das
Problembewusstsein innerhalb des Fachbereiches (als Kunden eines
Stammdatenprojektes) zu erhöhen sowie zusätzliche Argumente für die
Ausweitung auf weitere Unternehmensteile zu haben. Zudem vereinfacht die
Einbettung in das Projekt FITS die Durchsetzung der erarbeiteten Richtlinien und
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Erkenntnisse 36
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Standards. In diesem Zusammenhang ist die aktive Mitarbeit des Fachbereiches bei
Aufgaben des Stammdatenmanagements zu betonen, die auf eine positive Resonanz
schliessen lässt.
Im Vergleich zu früheren Massnahmen zur Erhöhung der Stammdatenqualität stellt
die durchgängige Ausrichtung an den Anforderungen und die Einbindung des
Fachbereiches einen entscheidenden Erfolgsfaktor bei der Entwicklung der
Stammdatenarchitektur (inklusive Geschäftsdatenmodell) dar. Dementsprechend
liegt der Fokus auf der Etablierung eines einheitlichen Begriffsverständnisses als
Grundlage für die eindeutige Identifikation und konsistente Verwendung von
Stammdatenobjekten. In diesem Sinne wird die Modellierung mit dem Glossar und
der geringstmöglichen Komplexität der Datenmodelle so gewählt, dass die Nutzung
durch den Fachbereich gefördert wird. Erfolgsentscheidend war ausserdem die
Orientierung an den Geschäftsprozessen der SBB Cargo, um die funktions‐ und
systemspezifischen Sichten auf die Geschäftsdatenobjekte zu integrieren und
sicherzustellen, dass Mitarbeiter, die Daten verändern, sich der Konsequenzen ihrer
Änderungen für Datennutzer zu einem späteren Zeitpunkt im Prozess bewusst sind.
Die Prozessorientierung führte zu der Erkenntnis, dass eine ausschliessliche
Fokussierung auf Stammdatenobjekte unzureichend ist, um die Datenqualität im
Unternehmen zu verbessern, weshalb das Geschäftsdatenmodell zusätzlich
Geschäftsvorfall‐ und Referenzdaten umfasst. Schlüsselthemen bei der
Grundlagenarbeit sind die Festlegung der Datenowner (häufig fühlte sich keiner für
ein bestimmtes Objekt verantwortlich), der verwendeten Geschäftsprozessen und
des Master‐Systems. Diese sind noch nicht vollständig abgeschlossen.
Anhang A 37
Anhang A. Geschäftsdatenmodell (Beispiel) Abbildung A‐1 zeigt das Modell für das Geschäftsvorfallsdatenobjekt (GVD)
„Opportunity“. Es ist mit seinen Beziehungen zu Stammdatenobjekten (SDO) und
Kerndatenelementen (KE) sowie angrenzenden GVDs modelliert.
Abbildung A‐1: Modell für das Geschäftsvorfallsdatenobjekt „Opportunity“
Anhang B 38
© HSG / IWI / CC CDQ / 22
Anhang B. Expertengespräche
Nr. Datum, Uhrzeit und Ort Interviewpartner
1 16. Juli 2009, 10:00 – 12:00, Basel (Schweiz)
Beat Schwaar, Leiter des Projektes zum Stamm‐ und Geschäftsdatenmanagement, Qualitäts‐ und Informationsmanagement (QI), Prozessmanagement & IT, SBB Cargo AG (seit 2004 bei SBB Cargo, seit 2008 Hauptverantwortlicher für das Stamm‐ und Geschäftsdatenmanagement bei der SBB Cargo)
2 16. Juli 2009, 13:00 – 14:30, Basel (Schweiz)
Mathias Hirschi, Teilprojektleiter Analysesysteme, Management & Accounting (innerbetriebliche Controllingsysteme), Finanzen & Controlling, SBB Cargo AG (nicht direkt in Stamm‐ und Geschäftsdatenmanagement bei der SBB Cargo involviert, aber wichtiger Ansprechpartner und Kunde im Rahmen von FITS)
3 16. Juli 2009, 14:45 – 16:15, Basel (Schweiz)
Karl‐Heinz Diekmann, Bereichsleiter Stammdatenmanagement, gicom GmbH (seit November 2008 als externer Berater aktiv in das Projekt zum Stamm‐ und Geschäftsdatenmanagement bei der SBB Cargo involviert)
Tabelle B‐1: Die Expertengespräche im Überblick
Die Interviews führte Alexander Schmidt (Wissenschaftlicher Mitarbeiter, IWI‐
HSG).
Literatur 39
Literatur [SBB Cargo 2008] SBB Cargo, Geschäftsbereich International, http://www.maekas.wiwi.uni‐
due.de/fileadmin/fileupload/PROJEKT‐MAEKAS/PDFs/praesasentation_SBB.pdf, 20.07.2009
[SBB Cargo 2009a] SBB Cargo, Organisation, SBB Cargo ‐ Schienengüterverkehr europaweit,
http://www.sbbcargo.com/index/sbbc_organisation.htm, 20.07.2009 [SBB Cargo 2009b] SBB Cargo, SBB Cargo im Jahr 2008 ‐ Auszug aus dem Geschäftsbericht der
SBB, Basel 2009b [Schwaar 2008] Schwaar, B., Stammdatenstrategie bei SBB Cargo ‐ Governance, Vision,
Handlungsfelder und Roadmap, Basel 2008 [Schwaar 2009] Schwaar, B., Master Data Management at SBB Cargo, Presentation at the 2nd
CC CDQ2 Workshop, St. Gallen 2009