Post on 20-Jun-2019
Akute Cholecystitis
Ulrich Schittek
Klinik für Allgemein- Viszeral- & Gefäßchirurgie, Universitätsklinikum Magdeburg
Madgeburg, 31.08.2015
• Die akute Cholecystitis ist mit mehr als 64.000
stationär behandelten Fällen eines der häufigsten
Krankheitsbilder
• Meist Verursacht durch die Kombination
Zystikusverschlußstein und Lysolecithin
• Verdickung und Hyperämie der Gallenblasenwand
• 70% der Patienten haben eine frühere Episode mit
Gallenbeschwerden in der Anamnese
• die häufigste Diagnose eines akuten Abdomens
bei Patienten > 50a
Einleitung:
© Todd Buck
Gallenblase:
• liegt unterhalb dem rechten
Leberlappen (lateral unter dem Lobus
quadratus, entspricht vorderem Anteil
Segment IV)
• Nachbarschaft zur rechten Kolonflexur,
Pars descendens duodeni, Pfortader
Anatomie:
Gallenwege:
• Parallel zu den Pfortaderästen
vereinigt sich Ductus hepaticus dx. et
si. zum Ductus hepaticus communis
• Ab der Einmündung des Ductus
cysticus nennt er sich Ductus choledochus
Physiologie der Galle:
1. Zusammensetzung aus Gallensäuren, Lecithin, Cholesterin, Bilirubin, Elektrolyten
2. Emulgation der Fette im Duodenum
3. Mizellenbildung
4. Ausscheidung von Bilirubin
5. Enterohepatischer Gallensäurekreislauf
Definition Bildung solider Konkremente in der Gallenblase • symptomatische unkomplizierte Cholecystolithiasis: häufigste Form
des Gallensteinleidens • komplizierte Cholezystolithiasis: alle Krankheitsbilder als Folge eines
eingeklemmten Konkrements • akute Cholecystitis: häufigste Form der komplizierten Cholecysthiasis
Steinarten
• Cholesterinsteine und gemischte Steine 80 % • Bilirubin- bzw. Pigmentsteine 20 % • Verkalkte Steine 20 %
Gallengangssteine bei 15 % (meist Pigmentsteine)
Cholecystolithiasis:
Risikofaktoren für die Steinbildung • Erbliche Faktoren („Gallensteinfamilien“) • Geschlecht (w:m=3:1), Gravidität, Östrogeneinnahme • Höheres Lebensalter • Cholesterinreiche ballaststoffarme Diät, parenterale Kost • Adipositas • Gallensäureverlustsyndrom • Medikamente (z. B. Clofibrate)
weiblich, übergewichtig, fruchtbar, vierzig Jahre alt, hellhäutig bzw. blond Es wird auch von den „fünf F“ gesprochen: female, fat, fertile, forty, fair Im Angloamerikanischen kommt noch ein sechstes „F“ für family (familiäre Häufung) dazu.
Ätiologie der Cholecystolithiasis:
1. die mechanische Entzündung, sie entsteht durch erhöhten intraluminalen Druck in der Gallenblase, die dann zu einer Überdehnung und Ischämie der Gallenblasenmukosa und -wand führt. Häufigste Ursache hier ist der Verschluss des Ductus cysticus;
2. die chemische Entzündung, sie basiert im Wesentlichen auf einer Freisetzung von Lysolecithin;
3. die bakterielle Entzündung, die durch eine Besiedlung der Gallenblasenflüs- sigkeit, im Weiteren dann mit einer Durchwanderung der Gallenblasen wand durch E. coli, Enterokokkus, Klebsiella oder Enterobacter, hervor gerufen wird.
Pathogenese der akuten Cholecystitis:
Akute Cholecystitis: Klinik
• Intensiver epigastrischer Schmerz, ev. rechter OB
mit Ausstrahlung in den Rücken ev. re Schulter
• Übelkeit und Erbrechen
• lokaler Peritonismus
• begleitende oder vorausgehende Koliken
• Mehr als 3 Stunden anhaltend, reduzierter AZ
• Murphy-Zeichen
• Charcot-Trias: Fieber, Ikterus, Schmerzen rechter OB
• Cave Betagte, Diabetiker
Labor: - Leukozytose, CRP-Erhöhung
- 25-50% mit leichtem ↗Bilirubin - 20% mit ↗ Serumamylase
- Transaminasen, alk. Phos., Amylase, γGT
Akute Cholecystitis: Diagnostik
• Sonographie – Verdickung der Wand 3-4mm – Dreischichtung, Flüssigkeitssaum – Sensitivität 88% – Spezifizität 80%
• Computertomographie
– Sensitivität und Spezifizität wie Sonographie
– Wegen Strahlung nicht primäre Methode
Akute Cholecystitis: Diagnostik
• ERCP
– bei Verdachtsmomenten für biliäre Obstruktion bzw. Chonangio-, Choledocholithiasis
Akute Cholecystitis: Diagnostik
Tokio Guidelines
• leicht oder milde Cholecystitis (I°): – keine Organdysfunktion – Geschehen bleibt auf die Gallenblase beschränkt
• moderate Cholecystitis (II°): – keine Organdysfunktion – ausgeprägte Entzündung der Gallenblase, ggf. Gangrän, Empyem oder Abszess
• schwere Cholecystitis (III°): – begleitende Organdysfunktion bis hin zum Multiorganversagen (MOV)
Akute Cholecystitis: Einteilung
• Ulcus duodeni/ventriculi • akute Pankreatitis • Neoplasie oder entzündliche Prozesse im Bereich der rechten Kolonflexur • Colon irritabile • Nierensteinkolik • Appendizitis (insbesondere mit retrozökaler Lage) • rechtsseitige Pneumonie • Myokardinfarkt • Pyelonephritis rechts
Akute Cholecystitis: Differenzialdiagnose
Konservative Therapie: • wenn klinisch und sonografisch keine Perforation oder
Gallenblasenempyem vorliegt • wenn die Klinik bereits länger als 3 Tage besteht • wenn schwere Begleiterkrankungen gegen eine frühzeitige Operation
sprechen
Akute Cholecystitis: Therapie
Therapiemaßnahmen: • stationäre Behandlung • Nahrungskarenz bis zur Beschwerdefreiheit • i.v. Antibiotikagabe
Operative Therapie: • Sofortoperation: bei V.a. Perforation, bei lokaler/fortschreitender Peritonitis • Frühoperation: innerhalb 72 Stunden nach Beginn der Symptomatik • Intervalloperation: ca. 6 Wochen nach Abschluss der konservativen
Therapie
Akute Cholecystitis: Therapie
offene Cholecystektomie: • bei akuten Entzündung schneller als laparoskopisch • alle Komplikationen werden sicher beherrscht • anterogrades Vorgehen wegen unübersichtlicher Verhältnisse im
entzündeten Lig. hepatoduodenale vorzuziehen
laparoskopische Cholecystektomie: • oft technisch möglich, zeitaufwendiger, indiziert bei frischen Befunden • weniger Wundkomplikationen, weniger Schmerzen, kürzere AU, vorteilhaft
auch bei starker Adipositas
Früh versus Spätoperation • in einigen Ländern (US, UK, Japan) wird nach wie vor meist nicht im akuten
Stadium operiert:
Akute Cholecystitis: ACDC-Studie
• organisatorische Gründe • Präferenz des Arztes beim 1. Patientenkontakt • Spezialisierung
Acute Cholecystitis Early versus Delayed Cholecystectomy, A Multicenter Randomized Trial (ACDC Study) Gutt C. et al., Ann Surg 2013
Akute Cholecystitis: ACDC-Studie
• 35 Zentren (Deutschland, Slovenien); Chirurgen + Gastroenterol. • 4Jahre (bisNov.2010), n=618
Erwachsene mit Zeichen/Symptomen akuter Cholezystitis 1) Abdominalschmerz im rechten oberen Quadranten 2) Murphyzeichen positiv 3) Leukozytose 4) Rektaltemperatur > 38°C
Sonographisch Cholezystolithiasis u/o Cholezystitiszeichen
Laparoskopische Cholezystektomie innert 24h möglich
Akute Cholecystitis: ACDC-Studie Ausschlusskriterien: – ASA IV und V
– septische Schock – Perforation oder Abszess – keine zeitgerechte Laparoskopie möglich – Schwangeschaft, Stillen – Kontraindikation gegen Moxifloxacin
Randomisierung in • Gruppe ILC: lap. Cholezystektomie innert 24 Stunden
(Krankenhauseinweisung) Krankenhausentlassung ab 2.POD • Gruppe DLC: Moxifloxacin iv und po bis fieberfrei und Entzündungswerte
normalisiert Krankenhausentlassung ab Tag 4 lap. CCE Tag 7 - 45
Resultate
ILC (n=304) DLC (n=314)
Morbidität 11,8% 34,4%
Konversionsrate 9,9% 11,9%
Hospitalisationstage 5,4 d 10,0 d
Kosten (overall) 2919 Euro 4262 Euro
Akute Cholecystitis: ACDC-Studie
Akute Cholecystitis: Fazit
• Die akute Cholezystitis ist die häufigste Komplikation der Cholelithiasis. Die Therapie der Wahl ist die Cholezystektomie, wenn immer möglich laparoskopisch • Die Operation soll so früh wie möglich nach Krankenhausaufnahme durchgeführt werden, unabhängig vom Intervall seit Symptombeginn • Bei Patienten mit stark erhöhtem Operationsrisiko kann eine primäre Verbesserung der Komorbiditäten erwogen werden mit verzögerter Operation • Bei prohibitiv hohem Operationsrisiko bietet sich die perkutane Cholezystostomie an.