Post on 05-Sep-2020
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Helmholtzstraße 22
D-89081 Ulm
phone +49 (0) 731/50-31230
fax +49 (0) 731/50-31239
email ifa@ifa-ulm.de
Kapitel 1: Demografische Trends, Langlebigkeitsrisiko und Kapitalmarktlösungen
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Helmholtzstraße 22
D-89081 Ulm
phone +49 (0) 731/50-31230
fax +49 (0) 731/50-31239
email ifa@ifa-ulm.de
1.1: Demografische Trends und ihre Auswirkungen auf gesetzliche Renten-, Kranken- und Pfelegeversicherung
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Demographische Entwicklung in Deutschland - Bevölkerungspyramide im Lauf der Zeit
Der Anteil der Senioren an der Gesamtbevölkerung wird bis 2050 auf knapp 30% steigen
(heute: ca. 16%) Quelle: Bundesamt für Statistik; Tivig und Hetze (2007)
Medianalter
23,6 Jahre
Medianalter
49,6 Jahre November 2011 3
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Die demographische Entwicklung in Deutschland
Konsequenz: Wir „überaltern“
November 2011 4
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Die demographische Entwicklung in Deutschland
Warum ist das so?
Steigende Lebenserwartung
Niedrige Geburtenrate
Damit das Verhältnis von „Alten“ zu „Jungen“ konstant bleibt, müsste jede deutsche Frau 2,1
Kinder bekommen
Aktueller Stand: 1,3 Kinder pro Frau
Zusätzliches Problem für umlagefinanzierte Systeme:
Geringe Lebensarbeitszeit
November 2011 5
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Demographische Entwicklung in Deutschland – Steigende Lebenserwartung
Breaking the limits – Record Life Expectancy
Entwicklung der Lebenserwartung im jeweils „gesündesten“ Land
Quelle: Oppen und Vaupel (2002)
November 2011 6
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Demographische Entwicklung in Deutschland – Steigende Lebenserwartung
Breaking the limits – Record Life Expectancy vs. Prognosen im Zeitverlauf
November 2011 7
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Demographische Entwicklung in Deutschland – Steigende Lebenserwartung
Stetiger Trend, aber: Zu unterschiedlichen Zeitpunkten passieren unterschiedliche Dinge mit
unterschiedlichen Altersgruppen
Quelle: Oppen und Vaupel (2002)
November 2011 8
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Die demographische Entwicklung in Deutschland
Für ein langes Leben ist es nie zu spät
Verbesserungen in den Rahmenbedingungen können auch im hohen Alter die
Lebenserwartung noch signifikant beeinflussen
November 2011 9
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Die demographische Entwicklung in Deutschland
Für ein langes Leben ist es nie zu spät
Verbesserungen in den Rahmenbedingungen können auch im hohen Alter die
Lebenserwartung noch signifikant beeinflussen
Langlebigkeit November 2011 10
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Die demographische Entwicklung in Deutschland
Langlebigkeit
Ursache für Mortalitätsunterschiede zwischen den Geschlechtern sind primär nicht-
biologische Faktoren
Quelle: Luy (2003), Luy (2004), Luy (2006), Tivig und Hetze (2007)
November 2011 11
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Die demographische Entwicklung in Deutschland
Sinkende Geburtenrate
Quelle: Tivig und Hetze (2007)
November 2011 12
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Die demographische Entwicklung in Deutschland
Geringe Lebensarbeitszeit ist ein Problem für Umlagefinanzierte Systeme
Aber: In der Altersgruppe 60 bis 65 waren im Jahr 2002 noch berufstätig
Männer: 32,4% (West), 22,9% (Ost)
Frauen: 16,5% (West), 9,4% (Ost)
• Quelle: Statistisches Bundesamt
Führt eine Verlängerung der Regelarbeitszeit wirklich zu längerem Arbeiten oder ist
es nur eine versteckte Rentenkürzung?
Ein heute neugeborenes Mädchen wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% den 100.
Geburtstag erleben
Macht es Sinn, dass sie nach 25 Jahren Ausbildung und 35 Jahren Berufstätigkeit 40 Jahre
Rente bezieht?
Wir brauchen Rahmenbedingungen für flexiblere Erwerbsbiografien
Dies strahlt auch auf die Produktlandschaft der privaten Altersvorsorge aus.
November 2011 13
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Auswirkungen auf GRV, GKV und GPV
So genannte Nachhaltigkeitslücke aus GRV, GKV und GPV (2004):
rund 315,1% des BIP (Quelle: Raffelhüschen)
315,7
0.0
350.0
Explizite vs. implizite Staatsschuld Stilisierte Zusammensetzung der Nachhaltigkeitslücke
in P
roze
nt
des
BIP
Nachhaltigkeitslücke insgesamt
davon explizite Staatsschuld (ca. 62,5% des BIP)
GRV
GKV
GPV
November 2011 14
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Auswirkungen auf die gesetzliche Rentenversicherung
Die demographische Entwicklung wird eine nachhaltige Änderung des
Generationenvertrages bewirken
Die Annahme, dass die jeweils Aktiven die dann vorhandenen Rentner im Umlageverfahren
finanzieren, ist eine Fiktion
Weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer werden dazu in der Lage sein
Durch Zuwanderung ist das Problem ebenfalls nicht lösbar
Kombination aus höheren Beiträgen, längerer Lebensarbeitszeit und v.a. niedrigeren
Leistungen
Mit anderen Worten: Um die für das Umlageverfahren eigentlich erforderlichen aber nicht
vorhandenen Kinder zu kompensieren, muss in Zukunft jeder Einzelne zusätzlich zur
gesetzlichen Rente privat (und/oder betrieblich) vorsorgen
Es wird weitere Reduktionen der gesetzlichen Rente geben. Diese sind bereits heute
gesetzlich verankert
Zahlreiche Rentenreformen führen (u.a.) zu künftigen realen Rentensenkungen
Für den Eckrentner fällt die gesetzliche Rente von 67% auf unter 50% des letzten
Nettogehalts
Aber: Durchschnittsrentner heute schon unter 50%
Ohne private/betriebliche Vorsorge droht vielen Menschen Altersarmut
November 2011 15
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Auswirkungen auf gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung
Die Probleme sind bei der GKV und GPV analog vorhanden aber (relativ) stärker ausgeprägt;
Vgl. Henke und Reimers (2006); Häcker et. al (2004)
GKV:
Großteil aller Kosten fallen im Alter an
„medizinische Inflation“ i.d.R. über Zinsniveau
„Je später desto teuer“ (auch barwertig)
GPV
zunehmende Veralterung
zunehmende Vereinsamung der Senioren
Wer pflegt morgen die Singles
von heute?
GPV wird in der heutigen Form nicht
überleben können.
Beitragsexplosion, Leistungskürzung
oder Subventionierung aus anderen
Quellen
Altersspezifische Beiträge und Leistungen der GKV
0
1000
2000
3000
4000
5000
6000
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100
Alter
Eu
ro
Beiträge Leistungen
Altersspezifische Beiträge und Leistungen der GPV
0
1000
2000
3000
4000
5000
6000
7000
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100
Alter
Eu
ro
Beiträge Leistungen
November 2011 16
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Auswirkungen auf gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung
Quelle: Raffelhüschen (r=Zinssatz; g= BIP-Wachstum)
Beitragssatzentwicklung in der GPV im Status quoBasisjahr 2000, r=3%, g=1,5%
0
1
2
3
4
5
6
7
2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050 2055 2060
Alter
Be
itra
gs
sa
tz in
Pro
ze
nt
Szenario ohne Kostendruck Szenario mit Kostendruck
November 2011 17
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Helmholtzstraße 22
D-89081 Ulm
phone +49 (0) 731/50-31230
fax +49 (0) 731/50-31239
email ifa@ifa-ulm.de
1.2: Langlebigkeitsrisiko und Kapitalmarktlösungen
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Konsequenzen der demografischen Trends
Der Einzelne kann nicht planen, wie lange das angesparte Geld reichen muss
Menschen werden zunehmend verstehen, dass Langlebigkeit ein finanzielles Risiko darstellt
Individuelles Langlebigkeitsrisiko
Eine Absicherung dieses Risikos ist meist nur mit einer Rentenpolice möglich
parallel wird das Absicherungsniveau umlagefinanzierter gesetzlicher Systeme sinken
Demografische Entwicklung = Finanzkrise umlagefinanzierter Systeme!
Nachfrage nach privaten Rentenversicherungen wird steigen
Dies betrifft einen immer größeren Teil der Bevölkerung
Das kollektive Langlebigkeitsrisiko von Rentenversicherungsanbietern wird steigen
Im Gegensatz zu Aktien- und Zinsrisiken ist dieses Risiko jedoch nicht sinnvoll abzusichern
Eine große Herausforderung der Branche liegt darin, dieses Risiko beherrschbar zu machen
Hierzu werden insbesondere auch Absicherungsinstrumente entstehen
Langlebigkeit November 2011 19
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Konsequenzen der demografischen Trends
Risiken für Versicherer
In einer alternden Gesellschaft werden Renten, die sich in der Auszahlphase befinden, eine
immer wichtigere Rolle spielen
Dies wird durch „Zwangsverrentung“ bei gewissen steuerlich geförderten Produkten sowie durch
steuerliche Anreize zur Verrentung in der sog. 3. Schicht noch verstärkt.
Biometrische Risiken (insbesondere das Langlebigkeitsrisiko) werden daher irgendwann ebenso
wichtig wie Kapitalmarktrisiken
Im Gegensatz zu Finanzrisiken wird der Analyse und dem Management derartiger Risiken derzeit
(in Wissenschaft und Praxis) noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt
Fataler Aspekt:
In der bAV schlagen diese Risiken teilweise unmittelbar, teilweise mittelbar auf den Arbeitgeber
durch!
Studie der britischen Aktuarvereinigung:
„Some of the greatest longevity risks lie in defined benefit pension schemes, not insurance
companies.“
In Deutschland: In bAV werden oft keine Generationentafeln verwendet
Langlebigkeit November 2011 20
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Konsequenzen der demografischen Trends
Die Versicherungsbranche kann ein großer Gewinner der demografischen Entwicklung sein,…
… oder daran zu Grunde gehen!
By providing financial protection against the major
18th and 19th century risk of dying too soon,
life assurance became the biggest financial industry.
Providing financial protection against the new risk of
not dying soon enough may well become the next century‘s
major and most profitable financial industry.
(Peter Drucker in The Economist, 1999)
Longevity risk is one of the largest sources of risk
faced by life companies and pension funds.
(David Blake, The Pensions Institute)
Langlebigkeit November 2011 21
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Volumen des Langlebigkeitsrisikos
Lebenslange Rentenzahlungen, die von Institutionen (Versicherer, Pensionsfonds, Staat) zu
leisten sind, machen ein immenses Volumen aus
Unvorhergesehene Veränderungen der Lebenserwartung können zu massiven Verlusten führen
Beispiel: Pensionsverpflichtungen in UK (in Mrd. GBP)
Swiss Re Schätzung für weltweites Exposure: > $ 20,000,000,000,000
Langlebigkeit November 2011 22
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Modellierung von Langlebigkeit
Bzgl. des kollektiven Langlebigkeitsrisikos gilt:
Eine Zunahme der Lebenserwartung ist per se nicht problematisch
Das Problem ist eine unerwartete Zunahme der Lebenserwartung
a) Der Todeszeitpunkt eines Menschen ist zufällig, also abhängig von
Sterbewahrscheinlichkeiten
b) Die Sterbewahrscheinlichkeiten ändern sich im Zeitverlauf
b1) Sie ändern sich mit einem Trend
(z.B. Trend: Sterbewahrscheinlichkeiten werden geringer Lebenserwartung steigt)
b2) Um diesen Trend gibt es noch Zufallsschwankungen
b3) Der Trend kann sich ändern
Das Problem ist im Wesentlichen von b2) und b3) getrieben
Kernfrage: Was ist die „Wahrscheinlichkeitssruktur“ der Schwankung von
Sterbewahrscheinlichkeiten
Damit beschäftigt sich die stochastische Modellierung von Sterblichkeit
Langlebigkeit November 2011 23
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Modellierung von Langlebigkeit
Ein Beispiel für Zufallsschwankungen von Sterbewahrscheinlichkeiten
Sterblichkeit von 65-jährigen Männern in England und Wales im Zeitverlauf
Langlebigkeit
… und das sind nur die Daten
für ein Alter und Geschlecht
November 2011 24
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Modellierung von Langlebigkeit
Inzwischen gibt es eine Reihe von mathematischen Modellen, zur Beschreibung der
Zufallsstruktur von Sterbewahrscheinlichkeiten
Dies ist eine wichtige Vorbedingung, diese Risiken handelbar zu machen
Nur so kann man die eingegangenen Risiken quantifizieren
Hier keine Details (siehe mortality.org) sondern lediglich zwei Charts zu einem
Sterblichkeitsmodell
(Vgl. Bauer et al, 2008)
unten: Struktur der Volatilität der Sterblichkeit
rechts: Mathematik hinter der Volatilitätsstruktur
Langlebigkeit November 2011 25
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Absicherung von Langlebigkeitsrisiken
Die einfachste Art Langlebigkeitsrisiken abzusichern besteht in einem so genannten
„natürlichen Hedge“
Versicherer verkauft Renten und Todesfallversicherungen
Wenn die Lebenserwartung stark steigt, wird der Verlust bei den Renten durch Gewinne bei den
Todesfallversicherungen ausgeglichen
Aber:
Sterbewahrscheinlichkeiten ändern sich nicht in allen Altersgruppen gleich
Regulatorische Einschränkungen, z.B. in Deutschland: Risikogewinne und -verluste dürfen
zwischen den Abrechnungsverbänden nicht saldiert werden.
Alternative: Rückversicherung
Kapazität scheint an die Grenzen zu stoßen
Langlebigkeit November 2011 26
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Absicherung von Langlebigkeitsrisiken
Daher haben sich Kapitalmarktlösungen entwickelt
Langlebigkeitsrisiko ist ein Kandidat für den Kapitalmarkt
Grundsätzlich verbriefbar
Signifikantes Volumen
kann in bisher existierenden Märkten nicht abgesichert werden
Aber:
Standardisierung erforderlich um Liquidität zu schaffen
„Education“ notwendig, da Langlebigkeit für die meisten Marktteilnehmer ein unbekanntes Risiko
ist
Langlebigkeit November 2011 27
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Absicherung von Langlebigkeitsrisiken
Kapitalmarktlösungen der ersten Generation: Bondartige Produkte
„Verzinsliches Wertpapier“, dessen Kupons von der Sterblichkeit einer Kohorte abhängt
fiktives Beispiel:
Basiskohorte = die im Jahr 2011 65 jährigen Männer in Deutschland
Kupon 2011 = 100
Kupon im Jahr 2012 ff. = 100 * Prozentsatz dieser Kohorte, der noch lebt
Falls also 2020 noch 85% der Population lebt, wird 2020 ein Kupon von 85 bezahlt
Konsequenzen:
Käufer des Bonds erwirbt Hedge gegen Langlebigkeit
Sogenanntes Basisrisiko ist aber nicht abgesichert
Nachteil: Hohe Abhängigkeit des Marktwerts dieses Bonds von Zinsschwankungen; Hoher
Kapitalbedarf
Literatur: Blake & Burrows (2001), Lin and Cox (2004)
Es gab einige Versuche, solche Produkte zu emittieren. Der Erfolg war überschaubar.
Langlebigkeit November 2011 28
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Absicherung von Langlebigkeitsrisiken
Kapitalmarktlösungen der zweiten Generation: Sterblichkeitsderivate
Longevity Swaps (Survivor Swaps)
Swap einer deterministischen Zahlungsreihe gegen eine mortalitätsabhängige
Eine Möglichkeit:
Zahle jedes Jahr x € * die erwartete Anzahl der Überlebenden
erhalte x € * die tatsächliche Anzahl der Überlebenden
Beispiel: Swap zwischen Friends‘ Provident und Swiss Re
Basis: 78.000 Rentenversicherungsverträge von Friends‘ Provident (verkauft zwischen Juli
2001 und Dezember 2006)
Allerdings: Juristische Konstruktion als Rückversicherungsvertrag und nicht als
Kapitalmarktinstrument. Letzteres wäre auch möglich.
Langlebigkeit November 2011 29
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Absicherung von Langlebigkeitsrisiken
Kapitalmarktlösungen der zweiten Generation: Sterblichkeitsderivate
Mortality Forwards
JPMorgan kündigte 2007 an, so genannte q-forwards zu emittieren
„Baukastensystem“ aus verschiedenen q-forwards
Jeder q-forward bezahlt die Differenz aus erwarteter und tatsächlicher Sterblichkeit eines
gewissen Alters in einem gewissen Jahr
Siehe folgendes Beispiel
Langlebigkeit November 2011 30
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Absicherung von Langlebigkeitsrisiken
Kapitalmarktlösungen der zweiten Generation: Sterblichkeitsderivate
Beispiel für einen q-forward
Langlebigkeit November 2011 31
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Zusammenfassung
Die Gesellschaft wird älter
Dieser Trend wird auch in Zukunft Bestand haben
Die umlagefinanzierten Verfahren werden diesen Prozess nicht durchstehen
Auf Versicherer kommen neue Herausforderungen zu
Aufklärung der Bevölkerung
Produkte für neue Zielgruppen
Umgang mit neuen Risiken
Die Bedeutung von Langlebigkeitsrisiken ist hoch und wird zunehmen
Wenn es keine Möglichkeit gibt, diese angemessen abzusichern, könnte die Kapazität für
Rentenversicherungen an die Grenze stoßen
Kapitalmarktinstrumente zur Langlebigkeitsabsicherung werden daher an Bedeutung gewinnen
Mathematische Modelle hierzu werden gerade entwickelt
Erste Ansätze sind viel versprechend, stecken aber noch in den Kinderschuhen
Es ist noch ein weiter Weg bis zu einem voll entwickelten Markt
Langlebigkeit November 2011 33
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Helmholtzstraße 22
D-89081 Ulm
phone +49 (0) 731/50-31230
fax +49 (0) 731/50-31239
email ifa@ifa-ulm.de
1.3: Kurzer Ausblick: Wie die Demografie die Produktlandschaft verändern wird
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Konsequenzen für die Produktentwicklung
Konsequenzen für die Produktentwicklung:
Altersvorsorge wird immer wichtiger und immer stärker individuell finanziert
Zahlreiche Produktinnovationen der letzten Jahre Jetzt breites Spektrum an
Möglichkeiten (siehe Kapitel 2)
Anteil der Senioren an Gesamtbevölkerung steigt auf knapp 30% in 2050 (heute: ca. 16%)
Neue Produkte für diese Zielgruppe
Lebenszyklen und Erwerbsbiografien werden immer individueller
flexible, lang laufende, anpassbare Produkte erforderlich
Hier nur zwei ausgewählte Beispiele und rein qualitativer Erläuterung:
Innovative Rentenbezugsphasen
Lebenserwartung bei Rentenbeginn hoch genug für chancenreiche Kapitalanlagen
Rentenhöhe abhängig vom Gesundheitszustand
Universal Life
Lebensbegleitende Produkte mit mehr Flexibilität
November 2011 35
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Konsequenzen für die Produktentwicklung
Auszahlungsphasen von heutigen Rentenpolicen sind ineffizient.
Das wird sich in einer alternden Gesellschaft ändern müssen!
Eine heutige Rentenversicherung ist in der Auszahlungsphase nur attraktiv für Kunden, die
gesund sind.
Alle anderen bekommen ein schlechtes Preis-Leistungsverhältnis
„Kranke“ Kunden haben also die Wahl:
Langlebigkeitsrisiko nicht absichern oder ein für sie überteuertes Produkt kaufen
Wir brauchen Rentenversicherungen, bei denen die Rente umso höher ist, je geringer die
Lebenserwartung des Kunden!
November 2011 36
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Konsequenzen für die Produktentwicklung
Auszahlungsphasen von heutigen Rentenpolicen sind ineffizient.
Das wird sich in einer alternden Gesellschaft ändern müssen!
Heutige Rentenversicherungen sind in der Regel in der Auszahlungsphase nicht
Fondsgebunden
Ein 60-jähriger hat noch eine Lebenserwartung von deutlich über 20 Jahren
Kontrolliertes Aktien- und Fondsinvestment ist noch sinnvoll
Wir brauchen Rentenversicherungen, die die Nutzung von Kapitalmarktchancen zulassen
und gleichzeitig gewisse Garantien bieten.
Rendite des Kapitalmarkts beeinflusst die Höhe der Rentensteigerung
Versicherer sorgt dafür, dass jeder die Rente garantiert lebenslang bekommt
Alles, was wir in den letzten Jahren an Produktinnovationen für die Ansparphase gesehen
haben, wird sich für die Auszahlungsphase wiederholen
November 2011 37
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Konsequenzen für die Produktentwicklung
Flexibles Produkt für lange Laufzeit: Das Universal Life Konzept
November 2011 38
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Konsequenzen für die Produktentwicklung
Universal Life: ein Beispiel aus Österreich
Langlebigkeit November 2011 39
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Helmholtzstraße 22
D-89081 Ulm
phone +49 (0) 731/50-31230
fax +49 (0) 731/50-31239
email ifa@ifa-ulm.de
1.4: Exkurs: Einige Gedanken zur Struktur von Sterblichkeitsverbesserungen und zur Qualität aktueller Rententafeln
Die folgenden Folien basieren auf Ergebnissen eines aktuellen Forschungsprojekts von Matthias Börger (ifa) und Marie-Christine Aleksic (geb. Köhler) (Uni Ulm)
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Einführung: Was sind Heat-Charts
Heat-Charts erlauben die grafische Darstellung einer Größe, die von zwei weiteren Größen
abhängt.
Beispiel: Sterblichkeitsverbesserung in Abhängigkeit von Alter und Kalenderjahr
qx,t+1 = qx,t ∙(1 - vx,t+1)
qx,t : einjährige Sterbewahrscheinlichkeit im Jahr t
vx,t+1 : Sterblichkeitsverbesserung zum Zeitpunkt t+1
Senkrechte Strukturen: zeitabhängige Effekte
Waagerechte Strukturen: altersabhängige Effekte
Diagonale Strukturen: Kohorteneffekte
Heat Charts erlauben eine rasche und intuitive
Erfassung von Strukturen und Trends „mit bloßem
Auge“
November 2011 41
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Anwendung von Heat-Charts auf deutsche Sterblichkeitsdaten
Links: beobachtete Sterblichkeit – Rechts: Projektion gemäß DAV 2004 R 2. Ordnung
Historisch gab es vorwiegend
zeitabhängige Effekte und
Kohorteneffekte
Die DAV-Tafel unterstellt fast
ausschließlich
altersabhängige Effekte
Die unterstellten
Sterblichkeitsverbesserungen
scheinen ferner eher gering
Es deutet vieles darauf hin, dass die in den DAV 2004 R-Tafeln verwendete Projektion zu
einer unplausiblen Struktur auf aggressivem Niveau führt
November 2011 42
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Anwendung von Heat-Charts auf deutsche Sterblichkeitsdaten
Links: beobachtete Sterblichkeit – Rechts: Projektion gemäß DAV 2004 R 1. Ordnung
Grund für die von der DAV gewählte Struktur
Bei Berücksichtigung von Kohorteneffekten im Modell wäre die Sterblichkeit von 89-jährigen
Männern unter die von 89-jährigen Frauen gefallen
Aber: Im verwendeten Modell driften diese Wahrscheinlichkeiten immer weiter
auseinander
Dies ist genauso unplausibel (vgl. Luy (2003), Luy (2004) und Luy (2006))
Auch hier die selben Strukturprobleme
zukünftige Sterbewahrscheinlichkeiten noch
immer eher unterschätzt
systematisches Risiko für die gesamte
Branche
November 2011 43
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Herleitung eines alternativen Modells
Ziel des genannten Forschungsprojekts ist die Herleitung eines alternativen Modells welches
eine Projektion liefert,
die zur Vergangenheit konsistent ist (und zwar hinsichtlich Struktur und Niveau)
die Kohorteneffekte angemessen berücksichtigt
die für Männer und Frauen konsistente Ergebnisse produziert
Ansatz: Relativ einfache Modellstruktur: vx,t = ax + pt + ct-x
Kalibrierung an Vergangenheitsdaten über gewichtete Kleinste-Quadrate-Schätzung
Viele Details zu beachten würde hier den Rahmen sprengen
Ergebnis der Kalibrierung:
Modell liefert historische Sterblichkeitsverbesserungen, die sehr gut zu den Beobachtungen
passen
Keine „Struktur im Fehler“
Lässt man nicht alle drei Effekte zu, so wird der „Fit“ schlechter und die Fehler enthalten
Struktur
November 2011 44
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Herleitung eines alternativen Modells
Kalibrierungsergebnisse
Sterblichkeitsverbesserungen aus Modell (links) passen zu beobachteten (Mitte)
Fehler scheint reine Random Noise (rechts)
Bei einem Modell z.B. ohne Kohorteneffekte
ist der Fehler hingegen strukturbehaftet
November 2011 45
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Herleitung eines alternativen Modells
Projektion
Eine Projektion (und somit eine Herleitung alternativer Sterbetafeln) erfolgt nun durch
Fortschreibung des kalibrierten Modells
Für Perioden- und Kohorteneffekt ist Extrapolation erforderlich
Für den Periodeneffekt wurden drei Szenarien betrachtet
1. Zukünftig kein Periodeneffekt
2. Extrapolation der historischen Veränderung der deutschen Lebenserwartung
3. Parallele zur Zunahme der Vaupel‘schen Weltlebenserwartung (Oeppen und Vaupel (2002))
November 2011 46
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Herleitung eines alternativen Modells
Projektionsergebnisse – Männer (Ergebnisse für Frauen strukturell sehr ähnlich)
In allen Varianten Projektion konsistent zur Vergangenheit
Unterschiedlicher Grad der Konservativität
unterstes Szenario mittleres Szenario oberstes Szenario
November 2011 47
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Herleitung eines alternativen Modells
Vergleich mit DAV-Tafeln
Historie vs. DAV Historie vs. mittleres Szenario
November 2011 48
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Herleitung eines alternativen Modells
Vergleich mit DAV-Tafeln sofort beginnende Rentenbarwerte sind vergleichbar
Aber: massive Unterschiede bei Rentenbarwerten mit 40 Jahre Aufschub
Barwerte der DAV 1. Ordnung liegen immer unter Barwerten des untersten Szenarios
massiver Unterschied von DAV 2. Ordnung zu mittlerem Szenario
Renten-
eintrittsalter
DAV
1.Ordnung
DAV
2.Ordnung
unterstes
Szenario
mittleres
Szenario
oberstes
Szenario
65 15.3628 15.0706 15.4072 15.4911 15.8034 75 9.90802 9.80098 9.82154 9.86446 10.0107 85 5.53234 5.51457 5.43046 5.44691 5.49498
Renten-
eintrittsalter
DAV
1.Ordnung
DAV
2.Ordnung
unterstes
Szenario
mittleres
Szenario
oberstes
Szenario
65 7.09098 6.38915 7.53903 7.88492 8.61784 75 4.33775 3.73366 4.76005 4.99551 5.65835 85 1.6705 1.31219 1.75882 1.88896 2.33855
November 2011 49
ifa
Institut für Finanz- und
Aktuarwissenschaften
Langlebigkeit
Fazit
Fazit
Mit Heat-Charts lassen sich historische und prognostizierte Sterblichkeitsverbesserungen
grafisch darstellen. Strukturen und Strukturbrücke lassen sich mit bloßem Auge erkennen.
Eine Analyse der aktuellen DAV-Rententafeln offenbart Inkonsistenzen.
Ein möglicher Ansatz einer Projektion, die konsistent zur Vergangenheit und konsistent
zwischen Geschlechtern ist, impliziert Rentenbarwerte, die signifikant über den Barwerten
liegen, die sich aus den DAV-Tafeln ergeben.
Vor dem Hintergrund von „Zwangsverrentung“ in manchen und Steueranreizen zur
Verrentung in anderen Schichten, werden Verrentungen weiter an Bedeutung gewinnen. Die
aufgezeigten Risiken sollten daher für alle Marktteilnehmern von Interesse sein.
November 2011 50