Tropenmedizin in der Hausarztpraxismit speziellem Fokus auf die
Flüchtlingsbetreuung
Dr. med. Roland Dürig
Maihofpraxis Luzern
Migration und Medizin
- Zahlen und Statistiken
- allgemeine wichtige (ungelöste) Probleme mit Auswirkungen auf das ärztliche Handeln
- Fallvorstellungen: was ist zu beachten?
Migration: Zahlen
Staatssekretariat für Migration, 2019
Migration: Routen
Migration: Zahlen
Staatssekretariat für Migration, 2018
Migration: Zahlen
Migrationsmedizin: grundsätzliche Probleme in der Hausarztpraxis
1. Verständigungsprobleme
– sprachlich
– Transkulturell
– -> migesplus.ch
– -> Übersetzungsdienste
Migrationsmedizin: grundsätzliche Probleme in der Hausarztpraxis
2. Schwangerschaft und sexuelle Gesundheit
– Vergewaltigung
– alleinerziehend
– Zugang zu Gesundheitssystem
- STDs
Migrationsmedizin: grundsätzliche Probleme in der Hausarztpraxis
3. Unbegleitete Kinder– (EJPD 2018)
Migrationsmedizin: grundsätzliche Probleme in der Hausarztpraxis
4. Psychische Erkrankungen als Folge der Migration
– Akute Belastungsreaktionen
– Anpassungsstörungen
– Posttraumatisches Stresssyndrom
Grenzsanitarische Massnahmen (GSM)
- eine medizinische Befragung zum allgemeinen Gesundheitszustand und zu Tuberkulose anhand eines computerbasierten Fragebogens in einer von 32 Sprachen
- Information über das Gesundheitssystem in der Schweiz und über die Möglichkeit von Impfungen
- Vorführung eines Videos über HIV/Aids in einer von 16 Sprachen und Abgabe eines Kondoms
- Abgabe eines Flyers an weibliche Asylsuchende über weibliche Genitalverstümmelung
Was wurde schon gemacht?Screening / Impfungen von Imigranten
Screening / Impfungen von Imigranten
Impfungen
Impfungen bei erwachsenen Flüchtlingen, SMF, 2016; 16 (49-50: 1075-1079)
Varizellen
Tropenmedizinische und infektiologische Erkrankungen bei Asylsuchenden: Fallbeispiele
I: Hauterkrankungen
Herr J., geb. 01.01.1992
Herkunft: Aethiopien, Jimma
Sprache: Tigrinya, Oromyia
Fluchtroute: Sudan (2J) - Libyen (1J) - Italien (kurz)-CH
Klinik
- seit in der CH rezidivierende Furunkel/Abszesse Abdomen und Beine
- Mehrfache Inzisionen
- Mehrfache lokale und perorale Antibotikatherapien
Diagnostik
Ausschluss einer Immunschwäche
– DM, Immundefekte, HIV, Alkohol etc.
Abstrich
– Bei Vd. speziell erwähnen: Corynebacterien, Mykobakterien (PCR)
PVL positive S. aureus
Besonderheiten:
- aggressives Verhalten
- Hohe Gefahr der Ansteckung
- Carrier status
Therapie
- Dekolonisierung: über 5 Tage
– Duschen: HIBISCRUB Lös 4 % 250 ml
– BETADINE Gurgelmittel liq 120 ml, 2/d
– BACTROBAN NASAL Nasensalbe Tb 3 g, 2/d
- Aufklärung (Sprache)
- Läsionen: Inzision, lokal desinfizierende Salben, AB p.o.
gemäss Antibiogram
Differentialdiagnose: Furunkel/Abszess bei Migranten
Mykobakteriose
Cutane Leishmaniose
Differentialdiagnose: Furunkel/Abszess bei Migranten
Hautdiphterie
Streptokokken (Ecthyma)
Staphylokokken, MRSA
Scabies, Krätze
Menschenmilbe
STD, 15-10 min Berührungszeit
Nur bei starkem Befall auch über Berührung, Kleider oder Bettwäsche
Juckreiz vor allem nachts
Diagnose Scabies
Klinik: Daran denken!
Tape test skin scraping Dermatoskop
Therapie der Skabies
Topisch
– Permethrin 5%
Scabi-med 5%
Schwangerschaft
– Ivermectin 1%
Systemisch:
– Ivermectin (Stromectol)– mind. 2 Dosen a 200ug/kgKG in 1-2
Wochen Abstand
– Scabies norvegica: Ivermectin p.o + Permethrin topisch
Take Home Messages: Haut
Häufig: Skabies
bei Ulcera:
– Meist Streptokokken, Staph. (MRSA, PVL)
– Denken an: Hautdiphterie, Mykobakterien, Leishmanien
Diagnostik:
– evt. Abstrich
– bei fehlender Besserung: Stanzbiopsie
II: Fieber
Herr Z., 01.01.1985
Herkunft: Eritrea
Sprache: Tigrinya, etwas italienisch
Caserma Mussolini, now the Bank of Eritrea. (Edward Denison)
Fluchtroute: Aethiopien (1 Jahr)-Sudan (1 Jahr)-Ägypten (3 Monate)-Lampedusa-Italien (3 Monate)-Schweiz
Klinik
Ca. 2 Wochen nach Ankunft in der Schweiz:
Fieber, Muskelschmerzen, frontalbetonte Kopfschmerzen, Inappetenz
Status: bis auf Fieber und druckdolente Muskeln unauffällig
Diagnostik
Labor:
CRP 79 mg/l, Leukopenie, Tc normal
Leberwerte ->leicht erhöhte Transaminasen
Urinstatus normal
Blutkulturen kein Wachstum
HIV negativ
Bildgebung
RxThorax apikale Vernarbungen
US Abdomen leichte Hepatosplenomegalie
Wie weiter?
nächster Schritt
Malariaschnelltest und Ausstrich pos. Pl vivax
Therapie Pl. vivax
Riamet (Arthemter/Lumefantrin) p.o. gefolgt von
Primaquin p.o 0.5mg/kg/d über 14 Tage
– (vorher G6PDH-Mangel ausschliessen)
Take Home messages persistierendes Fieber
Ätiologie:
– Häufig: Malaria, Tuberkulose!
– Virale Infekte: Hepatitiden A, B, C, E; HIV, EBV, CMV
– selten: Viszerale Leishmaniose, Borrelia recurrentis(Läuserückfallfieber), Pilzinfektionen, Brucellose
Diagnostik:
– BK, RxTh, Malariaausstrich, Serologien
– Evt: Brucellen Serologie und BK, dicker Trpf für B. recurrentis im Fieberschub
III. Gastrointestinale Probleme
Frau A, 01.01.1995
Herkunft: Mali
Fluchtroute: Algerien-Frankreich
Sprache: etwas französisch
Klinik
Unterbauchschmerzen, seit Monaten wiederkehrend
Stuhl normal, Abdomen etwas gebläht
Kein Fieber
Menstruation unklar, keine Schwangerschaft
Status: bis auf leichte Druckdolenz Abdomen unauffällig
Diagnostik
Schwangerschafttest negativ
Blutbild leichte Eosinophilie
Infektparameter, Trans. normal
Wie weiter: Eosinophilie, Unterbauchschmerzen?
Stuhl Helminthen/Parasiten unauffällig
Urinstatus EC ++, LC (+), Nitrit neg
US Abdomen: unauffällig
Gyn: : unauffällig
Wie weiter?: Unterbauchschmerzen, Eosinophilie, Hämaturie
Serologie bei Vd. a. Gewebshelminthien– Filariose: ELISA 0.0 OD
– Strongyloidose: ELISA 0.3 OD
– Schistosomiasis: (Ei-Antigen) ELISA 0.82 OD
– Schistosomiasis: Adultantigen ELISA 0.93 OD
– Schistosomiasis: IFAT 320 rez. Titer
– Echinococcus granulosus: ELISA 0.0 OD
– Toxocarose: ELISA 0.41 OD
– Fasciolose (Distomatose): ELISA 0.0 OD
– Trichinellose: ELISA 0.0 OD
Genügt das?
Diagnosesichernde Untersuchungen
– Ei-Nachweis im Stuhl: 3 Proben Nativstuhl
– Ei-Nachweis im Urin: 1mal, mind 50 ml Morgen/Mittagurin, vorher Treppenhüpfen.
– CCA Ag im Urin (S. mansoni)
– Gewebeproben aus Blase/Darm sollten vermieden werden
Urogenitale Bilharziose
Hämaturie, Hämatospermie, Dysurie
Komplikationen:
– Plattenepithelkarzinom der Blase, Harnleiterstenose, Hydronephrose
– Zystitis, Urethritis, Salpingitis Sterilität!!
– Prostatitis, Epididymitis, Hydrozele, unklare Skrotalschwellung
Therapie der Schistosomiasis
Praziquantel 60 mg/kg/d in 3 Dosen über 2 Tage (bei kürzlich zurückliegender Infektion nach 3 Wochen)
Cave: Neurocystizerkose
THM: asymptomataische Eosinophilie
Häufig: Strongyloides, Schistosomiasis u.a.
Diagnostik:
– Mikroskopie
– für Strongyloides, Schistosomiasis: Serologie
THM: gastrointestinale Symptome
Häufig: intestinale Parasiten (Würmer, Protozoen)
Ausschliessen bei Vd: Amöbenleberabszess
Nicht vergessen: Gynäkologie, Psyche
Diagnostik:
– Stuhl Mikroskopie (3xSAF)
– Evt. Multiplex PCR, Helminthenserologie inkl. Strongyloides, US Abdomen
Danke für die Aufmerksamkeit
Dr. med. Roland DürigMaihofpraxis, [email protected]: 041 429 30 30 Fax: 041 429 30 31
Top Related