Täter- und Opferprofile
Dozentinnen: Prof. Dr. Myriam Wijlens & Dr. Julia Dietrich
Seminar: „Sexueller Missbrauch von Minderjährigen im Kontext von Institutionen“
Referenten: Nils Sagolla, Sarah Eitze, Sophie Köhler & Philipp Berger
Gliederung
Täter1. Zum Täterbegriff
2. Was ist ein Täterprofil?1. Gruppenarbeit2. Lebensdaten3. Persönlichkeit4. Prä- und Postdeliktisches
Verhalten
3. Diskussion - Täterprofil
Opfer1. Zum Opferbegriff
2. Wer sind die Opfer?1. Gruppenarbeit2. Lebensdaten3. Persönlichkeitsstruktur
3. Diskussion – Opferprofil
4.Risiko – und Schutzfaktoren
5. Entwicklung und Folgen
Täter
Zum Täterbegriff
Im deutschen Strafrecht ist Täter, wer eine mit Strafe bedrohte Tat selbst oder durch einen anderen begeht (§25 StGB)
Von Kindesmissbrauch ist dann die Rede, wenn eine sexuelle Handlung vor bzw. an einem Kind vorgenommen wird oder das Kind dazu angehalten wird eine sexuelle Handlung an einem Erwachsenen vorzunehmen (§176 StGB).
Þ Eine sexuelle Straftat reicht also vom entblößen des Täters bis hin zu jahrelangen intensiven Missbrauch des Opfers
Was ist ein Täterprofil?
Was ist ein Täterprofil?
„ Ein Täterprofil stellt eine umfangreiche Beschreibung eines noch nicht identifizierten
Verbrechers dar, die aus der Rekonstruktion und Interpretation seines Verhaltens abgeleitet ist. Dabei sind vor allem solche Informationen uber den Täter
von Interesse, die potentiell hilfreich fur die Ermittlungsarbeit sein können. Üblicherweise enthält
ein Täterprofil Angaben uber Geschlecht, Alter, Familienstand, Wohnort, Ausbildung und
Beruf, mögliche Vorstrafen, Persönlichkeitsstruktur, Erscheinungsbild und eventuell uber das prä- und postdeliktische Verhalten des Täters“ (Hoffmann & Mussloff,
2000, S. 17))
Gruppenarbeit
Lebensdaten
Alter der Täter (Bange, Deegener, 1996: 164ff): Ca. 30% der Täter sind selbst noch Minderjährig
Befanden sich häufig (67% bzw. 81%) im Familien- und Bekanntenkreis
„Vielfach wird dabei auf körperliche Gewalt zurückgegriffen […]“
Ca. 50% der Täter sind zwischen 19 und 50 Jahre alt
Þ Durchschnittliches Alter liegt bei 30 Jahren
Lebensdaten
Verhältnis zum Opfer(Befragung des KFN, 2011): Exhibitionisten waren zu 48% unbekannte männliche
Personen
33.50%
23.30%22.00%
38.90%
Missbrauch mit Körperkontaktbek., männl.
unbek.männl.
(Stief)väter
Familie, Vertraute
Lebensdaten
Geschlecht (Befragung des KFN, 2011): 95,6% der Missbräuche mit Körperkontakt wurde von
Männern verubt 90,7% anderer sexueller Handlungen wurden ebenfalls
von Männern verubt
Aber: Bei weiblichen Tätern sind die Opfer fast ausschließlich männlichÞ Missbrauch mit Körperkontakt: 16,9%Þ Andere sexuelle Handlungen: 34,6%
Lebensdaten (Zwischenfazit)
Ca. 95% der Täter sind männlich Täter treten in allen Altersklassen und Umfeldern auf
=> Täter sind schwer identifizierbar
Einmaliger Missbrauch wird aber weitaus öfter von fremden Tätern begangen, wogegen mehrmaliger Missbrauch öfter im Kreis der Angehörigen des Kindes stattfindet (Bange, Deegener, 1996: 154)
Lebensdaten
Muller und Wijlens (2011) definieren folgende Warnsignale: Meist keine tiefen Beziehungen zu Gleichaltrigen Unklarheit uber die sexuelle Orientierung Extreme hinsichtlich sexueller Erfahrung
Eigene sexuelle Viktimisierung erhöht das Risiko, selbst Täter zu werden (vgl. Rossilhol 2005, S.12f)
Weitere Faktoren: Emotionale Vernachlässigung Körperliche Misshandlung Psychische Probleme der Eltern Hohes Maß an familiären Konflikten Häufiger Wechsel von Bezugspersonen (vgl. Julius/Böhme 1997, S.70f)
Persönlichkeitsstruktur
Keine umfassende Theorie zum Zusammenhang zwischen Tatverhalten und Täterpersönlichkeit bekannt!
Persönlichkeitsstruktur
Täterprofil eines typischen Missbrauchstäters hat eine stark ausgeprägte narzisstische Seite
Dies beinhaltet Anspruchsdenken und ausbeuterisches Verhalten Meist abhängige, zwanghafte und angepasste
Persönlichkeitsstrukturen (Muller & Wijlens, 2011) Beispiel Priester (Müller & Wiljens, 2011):
Halten sich für besonders und einzigartig Mangel an Empathie im Umgang mit anderen Missbrauch besonders unter Stresssituationen und bei leichtem
Zugang zu Minderjährigen
Persönlichkeitsstruktur
Unterscheidung hinsichtlich sexueller Orientierung: Regressiver Täter:
Primäre sexuelle Tendenz auf Erwachsene gerichtet Aufgrund der leichten Verfugbarkeit von Kindern greifen Sie zur
sexuellen Befriedigung auf Kinder zuruck „Ersatzobjekttäter“ Etwa 90%
Pädophiler Täter: Primäre Sexuelle Tendenz auf Personen gerichtet, die noch nicht die
Pubertät erreicht haben Etwa 2-10%
Persönlichkeitsstruktur
Soziopathischer Täter: Zeichnet sich durch mangelnde Empathie fur Opfer und
bisweilen sadistische Neigungen aus Sexualität dient ihm nicht primär zur sexuellen
Befriedigung, sondern als Mittel zur Unterdruckung Tritt nur in Einzelfällen auf
Weitere Klassifikationen
Tätertyp nach Erregung (nach Faller, 1990)1. Das Kind ist fur den Täter das primäre Sexualobjekt2. Das Kind ist fur den Täter eines von vielen Sexualobjekten3. Das Kind ist unter gewissen Bedingungen Sexualobjekt
Unterscheidung (nach Beier, 1995)1. Jugendliche sexuell unerfahrene Täter2. Dissoziale Täter3. Täter mit pädophiler Hauptstörung4. Täter mit pädophiler Nebenstörung5. Schwachsinnige Täter
Prä-und Postdeliktisches Verhalten
C.a 75% aller Vergewaltiger weisen Vorstrafen auf, vor allem im Bereich der Gewalt- und Eigentumskriminalität (vgl. Straub & Witt, 2002)
Schwerpunkt der Vorstrafen liegt nicht im Bereich der „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“
Vergewaltiger sind meist Täter, die eine erhebliche Deliktsbreite im Vorfeld der Vergewaltigung aufweisen (vgl. Straub & Witt, 2002)
(Straub & Witt, 2002)
Prä – und Postdeliktisches Verhalten
Nach Aufdeckung des Missbrauchs kommt es häufig zur Leugnung des Missbrauchs („blaming the victim“)
Nur in wenigen Fällen zeigen sich Täter kooperativ und ehrlich (Eglau, Leitner & Scharf, 2011)
Studie: 67 Pädosexuelle wurden wegen des Missbrauchs an 136
Opfern verurteilt In einer vertraulichen Studie gaben sie sexuelle Kontakte
zu 959 Kindern zu (vgl. Tschan, 2005: S.132)
Prä – und Postdeliktisches Verhalten
Fur eine umfassende Sicht und Bewertung des Geschehens benötigen Täter eine lange Zeit
Täter unterliegen einer „kognitive Verzerrung“ Umfassende Hilfe erfolgt nicht durch die Aufdeckung
der Taten, sondern durch Therapien
Zusammenfassung
Lebensdaten: größtenteils männlich Einmalige Übergriffe finden eher durch Fremde statt Mehrmalige eher durch Bekannte und Angehörige Eigene Erfahrungen mit sexueller Gewalt
Persönlichkeitsstruktur: Narzisstische, zwanghafte und abhängige Persönlichkeit Mangel an Empathie Opfer wird als „Ersatzobjekt“ wahrgenommen
Zusammenfassung
Prä- und Postdeliktisches Verhalten: Vorstrafen im Bereich Eigentums- und Gewaltkriminalität Leugnung des Missbrauchs und „kognitive Verzerrung“
Diskussion - TäterprofileBild auf Platzhalter ziehen oder durch Klicken auf Symbol hinzufugenFrage:
Was können Täterprofile uberhaupt fur die Praxis leisten?
Diskussion - Täterprofile
Besonders erfahrene Fallanalytiker warnen davor, die Verfahren zu uberschätzen (Hoffmann & Mussloff, 2000)
Täterprofile ersetzen nicht die herkömmliche Ermittlungsarbeit, aber unterstutzen diese
Eine Studie aus Großbritannien konnte zeigen, dass lediglich in 2,7 % von 184 Fällen das Profiling zu einem direktem Erfolg fuhrte
Kritik: Täterprofile können Personengruppen unter Generalverdacht stellen
Opfer
Zum Opferbegriff
„Ein Opfer – als Missbrauchsopfer – ist jemand, der nicht durch widrige Umstände, sondern durch andere Menschen verletzt wurde. Ihm ist nicht einfach ein Ungluck wiederfahren, sondern Unrecht angetan worden. Opfer stehen immer wieder vor dem Problem, dass das Geschehene wie ein Stigma an ihnen haftet. Dadurch wird ihnen die passiv leidende Rolle zugeschrieben, verbunden mit der Annahme des Umfelds, dass solche Menschen immer Opfer bleiben werden und sich davon nie mehr emanzipieren können“ (Eglau, Leitner & Scharf, 2011)
Gruppenarbeit
Die Studie des KfN
„Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen: Eine Befragung von 16 – 40 Jährigen“
Erfassung von 11.428 Personen Repräsentativ fur Deutschland Retrospektiv erhobene deskriptive Analyse durch
Befragung Gefördert vom Bundesministerium fur Bildung und
Forschung
Lebensdaten 25 % aller Mädchen und 8% aller Jungen sind Opfer
sexuellen Missbrauchs, davon sind:
bis 5 Jahre8%
5 - 14 Jahre72%
14 – 16 Jahre20%
Lebensdaten 2/3 aller Missbrauchsfälle finden innerhalb der Familie
statt
30% aller Opfer werden später selbst zu Tätern
Mädchen sind 4-5 mal so häufig betroffen wie Jungen:
Lebensdaten
Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. Erster Forschungsbericht zur Repräsentativbefragung Sexueller Missbrauch 2011 Steffen Bieneck, Lena Stadler & Christian Pfeiffer
Lebensdaten Es gibt keine Unterschiede hinsichtlich des Bildungsniveaus:
Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. Erster Forschungsbericht zur Repräsentativbefragung Sexueller Missbrauch 2011 Steffen Bieneck, Lena Stadler & Christian Pfeiffer
Persönlichkeitsstruktur
Unsichere Kinder mit geringem Selbstwert > selbstsichere Kinder
Sich isolierende Kinder > stark Gruppen zugehörige Kinder
Extrem anpassende/adaptive Kinder Kinder mit wenig Bezugspersonen/familiärem Ruckhalt Geistig und körperlich behinderte Kinder Erlernte Hilflosigkeit
Diskussion - OpferprofileFrage:
Gibt es so was wie Opferprofile? – wenn ja, was können sie fur die Praxis leisten?
Risiko- und Schutzfaktoren Risiko- und Schutzfaktoren ergeben zusammen einen
mehrdimensionalen Index, mit dem ein Opferprofil umgangen werden kann.
Je nach Kontext und Person kann ein Faktor Risiko- oder Schutzfaktor sein, das Risiko also erhöhen oder verringern
Schutzfaktoren wirken präventiv und fuhren aber auch zu einer besseren Bewältigung
Die (gestärkte) Persönlichkeit des Kindes Familiärer Zusammenhalt und soziales Umfeld Externe Unterstutzung, die
Bewältigungsstrategien fördert und verstärkt
Risikofaktoren
Patriarchale Gesellschaft bzw. Familienstruktur Machtgefälle zwischen Erwachsenen und Kindern Informationsmangel/ Tabuisierung von Sexualität Grenzenloses Familienklima Getrennte oder ungluckliche Familien Armut
Entwicklung und FolgenKurzzeitfolgen Langzeitfolgen
Emotionale Reaktionen
Ängste, Scham- und SchuldgefuhleVerwirrung, Wut
Depression, Ängstlichkeit, niedriges Selbstwertgefuhl
Verhaltens-auffälligkeiten(Sexualität)
Übersteigerte Neugier, sexualisiertes Verhalten
Misstrauen gegenuber Männern, Bindungsprobleme
Verhaltens-auffälligkeiten(Sozialverhalten)
Schulschwänzen, aggressives / delinquentes Verhalten
Sozialer Ruckzug, Passivität
Psychosomatik gestörtes Essverhalten, Hygieneverhalten Schlafstörungen, Kopf-/Bauchschmerzen,…
SuchtproblematikEssstörungen
Entwicklung und Folgen
Verhaltensauffälligkeiten:
Alpträume, Einnässen, Einkoten, Aggressivität, Leistungsabfall in der Schule, verändertes Spielverhalten, regressives Verhalten, verändertes Kleidungsverhalten, Angst vor Orten oder Personen, ungewöhnliches Waschverhalten, Selbstverletzung, Selbstmordgedanken bzw. Suizidversuche
Zusammenfassend:
Risiko- und Schutzmodelle sind Profilen uberlegen Opfer sind nicht anhand von Profilen zu identifizieren:
weder präventiv noch diagnostisch durch die Folgen Missbrauch geschieht in jeder Altersstufe, jedes Kind
kann Opfer von Missbrauch werden
Diskussion
Diskussion Frage:
(Bange, 1996)
Warum schweigen Opfer?
Warum schweigen Opfer?o Sprachlosigkeit
o Schamgefuhlo Gefuhl von Schuld, Verantwortungo Rollenkonformität
o Angst vor Schuldzuweisung
o Angst, dass einem nicht geglaubt wird
o Tätermotivierte Grundeo Drohungeno emotionale Abhängigkeit
Warum schweigen Opfer?o Sprachlosigkeit
o Schamgefuhlo Gefuhl von Schuld, Verantwortungo Rollenkonformität
o Angst vor Schuldzuweisung
o Angst, dass einem nicht geglaubt wird
o Tätermotivierte Grundeo Drohungeno emotionale Abhängigkeit (Fallbeispiel 1: Petra)
Warum schweigen Opfer?1. Ist jeder Täter daran
interessiert sein Opfer zum schweigen zu bringen?
2. Wie bringt ein Täter sein Opfer zum Schweigen?
Fallbeispiel 2: Anonyme Frau
Warum schweigen Opfer?Bild auf Platzhalter ziehen oder durch Klicken auf Symbol hinzufugenFrage:
Was kann man tun um Missbrauchsdelikte fruhzeitig aufzudecken?
Diskussion Bild auf Platzhalter ziehen oder durch Klicken auf Symbol hinzufugenFrage:
Welche besonderen Gefahren bestehen in kirchlichen Organisationen?
Diskussion Bild auf Platzhalter ziehen oder durch Klicken auf Symbol hinzufugenFrage:
Wie können Opfer zu Tätern werden?
FallbeispielBild auf Platzhalter ziehen oder durch Klicken auf Symbol hinzufugenLest den Artikel!
Frage:
Hat sich fur euch das Bild eines Täters geändert?
Quellen
Bange, D., Deegener G. (1996). Sexueller Missbrauch an Kindern: Ausmaß, Hintergrunde, Folgen. Weinheim: Beltz, Psychologie Verlagsunion
Bieneck, S., Stadler, L., Pfeiffer, C. (2011). Erster Forschungsbericht zur Repräsentativbefragung sexueller Missbrauch 2011. Letzter Zugriff: 2.11.12
Eglau, U., Leitner, E. , Scharf, M. (2011). Sexueller Missbrauch in Organisationen. Wiener Dom-Verlag.
Faller, H. (2012). Pädophilie: Der Getriebene. Letzter Zugriff: 2.11.12
Quellen
Hoffmann, J., Mussloff, C. (2000). Fallanalyse und Täterprofil. BKA-Forschungsreihe, Band 52.
Julius, H. , Böhme, U. (1997). Sexuelle Gewalt gegen Jungen. Eine kritische Analyse des Forschungsstandes. Göttingen: Hogrefe.
Muller, W., Wijlens, M. (2011). Aus dem Dunkeln ans Licht – Fakten und Konsequenzen des sexuellen Missbrauchs fur Kirche und Gesellschaft. Vier-Türme- Verlag.
Quellen
Rossilhol, J.-B. (2002). Sexuelle Gewalt gegen Jungen. Tectum Verlag.
Straub, U. , Witt, R. (2002). Polizeiliche Vorkenntnisse von Vergewaltigern. BKA – Forschungsreihe, Band 56.
Tschan, W. (2005). Missbrauchtes Vertrauen. Karger: Basel.
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