PER LA VITA ‐ Pädagogisches Material zum Dokumentarfilm
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„Der nächste Song ist so ein Zeichen, dass es geht, was ihr gerade seht. Wir kommen aus grundverschiedenen Kulturen, Religionen, leben am gleichen – zufälligerweise – am gleichen Ort und haben es geschafft uns zusammenzuraffen und so was zu machen. Und das ist hier nicht nur ein musikalisches Projekt, also ich telefoniere im Moment mehr mit Esther und Edna als mit meinen Eltern. Und das ist auch gut so. Hier haben sich Menschen getroffen, die auch zusammen gehören. Und wenn wir zusammen gehören, dann gehört die ganze Welt zusammen, egal welche Religion, welche Kultur, welche Sprache. Wir sind die Zukunft! Wir sind die Zukunft!“
KutluYurtsevenam26.06.2009inHamburg
Liebe MultiplikatorInnen, liebe PädagogInnen, liebe Interessierte,
die Frage, wie die in den NS‐Verbrechen resultierende Entmenschlichung und ihregesellschaftspolitischenHintergründesich inderGegenwartüberhauptvermitteln lassen,ohnesieihrerzeitlichenDistanzoderihrergebrochenenKontinuitätenzuentkleiden,stelltsichhistorisch‐politischenBildungsprozessenmit zunehmendemzeitlichenAbstandumsomehr.DerBegegnungmitPersonen,diewährenddesNationalsozialismusverfolgtwurden,wirdinderpädagogischenVermittlungeinegroßeBedeutungbeigemessen.Nichtnur,weilin dieser Annäherung zwischen den Generationen die wachsende zeitliche Distanzüberbrückt wird, sondern auch, weil eine empathische Annäherung an das abstraktehistorische Geschehen Einsichten ermöglichen kann, die anhand anderer Quellen nichtgleichermaßenzuvermittelnsind.
DiemedialeÜbersetzungvonZeitzeugenbegegnungeninDokumentarfilmenisthingegennicht unproblematisch: In Infotainment‐Produktionen z.B. aus der Reihe Knopp wurdenkulturindustrielle Medienformate geschaffen, die die Rezeptionsmuster derNachgeborenenprägen.AusschnitteausInterviewsmitZeitzeugenhabenhiernichtmehrdieFunktion,ampersönlichenBeispielzuzeigenwieMenschenGeschichteundErfahrungverarbeiten. Auf kurze Statements zusammengeschnitten, dienen die Erzählungen derZeitzeugen hier vielmehr der Authentifizierung und Emotionalisierung der ausArchivmaterial montierten TV‐Geschichtsdarstellungen. Die Lebensgeschichten derZeitzeugenallerdingsverlieren–eingepasstindiesesMedienformat–anIndividualitätundKomplexität. Der Dokumentarfilm PER LA VITA erzählt dagegen [Lebens‐]Geschichte imSinne klassischer Dokumentarfilmtradition: mit einer beobachtenden Kamera sowie inInterviews wird die einzigartige musikalische Kollaboration zweier Bands gezeigt: DerHipHop‐Band Microphone Mafia und Esther, Edna und Joram Bejarano, Mitglieder derBand Coincidence. Esther Bejarano ist heute [2010] 85 Jahre alt und überlebte alsJugendliche die Konzentrationslager Auschwitz‐Birkenau und Ravensbrück. Diemusikalische Zusammenarbeit richtet sich auch aus diesen biografischen Gründen alsinnovatives,musikalischesZeitzeugenprojektanJugendlicheundgegendieimRahmendes„KampfsumdieKöpfe“vonderNPDherausgegebenenMusik‐CDs[sog.Schulhof‐CDs].
AberauchwennsichdieBandsinderSacheeinigsind,gibtesdochauchKonflikte:EstherBejaranoistdieMusik„zulaut“,RossiPenninoundKutluYurtsevenfragensichbeiKaffeeund Kuchen, wo denn ihre Jugend mit coolen Backstage‐Locations geblieben ist. KutluYurtseven,Rossi PenninoundÖnderBardakci, derenElternalsArbeitsmigrantenausderTürkei und aus Italien nach Deutschland kamen, ringen um ihren Begriff von Heimat[„dieTürkeiistmeineHeimat,Flittard[KölnerStadtteil]istmeinZuhause“],währendEsther
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BejaranomitdemBegriffüberhauptnichtsanzufangenweißundsichdazuHausefühlt,wosie etwas bewirken kann. Auch das Kennenlernen verlief nicht nur unproblematisch, sowundertesichEstherBejaranoüberdenBandnamenderKölnerHipHopper:
„Ich habe gesagt, `Wie heißt denn eure Gruppe? ´ Und da hat er gesagt, Microphone Mafia´. Und da habe ich erst einmal einen Schreck gekriegt. Und da habe ich gesagt `Was? Microphone Mafia, was soll denn das? Also Mafia, was ist denn der Grund dafür?´ Also er konnte mir überhaupt gar nicht erklären, warum sie Mafia heißen. Aber als ich dann gehört habe, worum es geht, da habe ich gesagt, `Ist doch mir egal, wie die heißen, auf jeden Fall ich mach das mit´.“[EstherBejarano2009].
Der Film zeigt, wie Musikerinnen und Musiker, die aus verschiedenen musikalischenTraditionen, biografischen Hintergründen und Generationen kommen über dasMusikprojekt eine gemeinsame Stimme mit politischem Engagement finden und dabeitrotzkleinererDifferenzenvielSpaßamMusikmachenhaben.
DieZusammenarbeitdiesersechsMenschenintensiviertesichindenletztenzweiJahren.SietourtendurchDeutschlandundweitereKonzerteinIsrael,denUSA,inderTürkeiundItalien sind geplant. Außerdem wird bereits an einer weiteren gemeinsamen Musik‐CDgearbeitet. Den Anfang dieser einzigartigen Kooperation verfolgt die Kamera fast zweiJahrelang.SiebegleitetdieAufnahmenimTonstudio,fängtdieAtmosphäreaufderBühneund imBackstageauf ihrenKonzerttourneenein.DieZuschauer lernendieMusikerinnenundMusiker zu Hause kennen, wenn sie über ihr Leben und die Verbindung zurMusikerzählen.Dabei istPERLAVITAmehralsein„Makingof“,erzeigtvielmehreindrucksvoll,wieMusikalsMittelzurAuseinandersetzungmitderVergangenheitgenutztwerdenkann.
Musik in der Hauptrolle
DieMusikstelltimFilmeinstrukturierendesElementdesLebensallerProtagonistendar.Im Film wird die Verwobenheit biografischer Erfahrungen, deren subjektive Bewertungsowie ihre musikalische Verarbeitung dargestellt. Beispielsweise haben alle Musiker einLied, das ihnen besonders gefällt: Esther Bejarano freut sich, dass sich „Avanti popolo“[BandieraRossa]aufderCDwiederfindet,denndaswardasLieblingsliedihresinzwischenverstorbenen Mannes Nissim Bejarano. Edna Bejarano liebt es, mit Kutlu Yurtsevenzusammen„KarliKayin“ in türkischerSprachezu singenundRossiPenninogehtdasLied„DieBalladederverhasstenLiebe“1–Die„JudenhureMarie‐Sanders“–besondersandieNieren,wennerrappt:„OhKinderlauftmitzweierleiBlutimLeib“2.
In den pädagogischen Zusatzmaterialien zum Film finden sich die Originalsongs vonCoincidence – die ihrerseits bereits auf unterschiedliche und zum Teil lange Traditionenverweisen. Es sind Lieder aus der internationalen Arbeiterbewegung3, dem deutschen
1DerSong“DieBalladevonder'Judenhure'MarieSanders“kommtimDokumentarfilmPERLAVITAnichtvor.WirhabenihndennochindaspädagogischeMaterialaufgenommen,weilerTeildesAlbums„PerlaVita“istundweilereineindrucksvolleskünstlerischesundpolitischesStatementgegendiesukzessiverechtlicheDiskriminierungdurchdieNürnbergerGesetzeinderNS‐Zeitdarstellt.2RossiPennino2008imInterviewfürdenDokumentarfilmPERLAVITA[nichtinderaktuellenFilmfassung].3AvantiPopolo/BandieraRossa;CarloTuzzi1908.
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antifaschistischen und künstlerischen Widerstand im Nationalsozialismus4, demWiderstandausdergriechischenMilitärdiktatur,LiederausdempolitischenExilsowieausder israelischen Friedensbewegung5. Die von Coincidence gesungenen Lieder, die impädagogischen Material thematisiert werden, kommen aus einer internationalenpolitischenMusiktradition.MicrophoneMafia hat diese Songs aufgegriffen, sie zum Teilumgetextet und inHipHop‐Rhymes verwandelt. ImAnhang des pädagogischenMaterialsfindensichdieTextezudiesenSongsausdemAlbum„PerlaVita“.EstherBejaranoselbstistmit dem Ergebnis des Samplings äußerst zufrieden: Die im Juni 2009 vorgestellte CDversammelt elf Stücke in acht Sprachen. Sie schlageneine Spanne vonVertonungen vonGedichtenwie„KarliKayin“,dasdertürkischeDichterNazimHikmetüberseineExilierungausIstanbulschrieb,überdasLiedvonMikisTheodorakis„ToSfaijo–derSchlachthof“,indemerInhaftierungundFolterungwährenddergriechischenMilitärdiktaturschildert,überdasfranzösischenAnti‐Kriegslied„DerDeserteur“vonBorisVianbishinzuhebräischenundjiddischenLiedernwie„Adama,admati“ [Original:Text:AlexanderPen/Musik:MordechaiSeyra6]und„Zuejns,zwej,draj“[Original:Musik:HannsEisler/Text:LejbRosenthalnachBertoltBrecht],einerHymneder jüdischenPartisanen‐OrganisationFPOausdemGhettovonVilniuswährenddesZweitenWeltkrieges.7
DieÜbersetzungder Lieder inmoderneHipHop‐Songs, derenRefrains zumeist vonderStimme von Edna Bejarano getragen werden, bietet nun auch Jugendlichen und jungenErwachsenen eine Annäherung an den historischen Kontext, in dem das jeweilige Liedentstand.AndersheruminteressierensichauchältereLeuteüberdiese InhaltemiteinemMalfürHipHop.
Zum Begleitmaterial
Die Autorinnen und Autoren der pädagogischen Begleitmaterialien [Tanja Seider,Katharina Obens, Esther Rachow und Thomas Klauck] möchten an dieser Stelle daraufhinweisen,dasssichunserMaterialnuraufdiedirekteArbeitmitdemFilmimschulischenUnterricht oder der außerschulischen historisch‐politischen Bildungsarbeit bezieht.Zusätzlich haben wir einige wenige in der Bildungsarbeit bewährte Methodenaufgenommen,dieeineAnnäherungandiethematischenSchwerpunkteerleichternsollen.Die Biografie Esther Bejaranos bietet dabei einen biografischen Zugang zur NS‐ undVerfolgungsgeschichte, anhand derer die Lernenden exemplarisch die Auswirkungen dernationalsozialistischen Rassen‐ und Vernichtungspolitik auf die von ihr Betroffenennachvollziehen können. Der von uns produzierte Film unterscheidet sich von klassischenZeitzeugenprojekten dadurch, dass durch das Musikprojekt ein konkreter GegenwartsbezugbereitsinderDramaturgieangelegtist.DabeiwirdeininterdisziplinärerZugang zum historisch‐politischen Lernen ermöglicht anhand des für Jugendlicheinteressanten Unterrichtsgegenstands Musik. Als Filmemacherinnen und PädagogInnensehen wir darüber hinaus die Chance, anhand unserer Materialien auch dieMedienkompetenz der jugendlichen Zielgruppe zu fördern. Gerade derDokumentarfilm,zu dem es bislang wenige aktuelle medienpädagogische Materialien gibt, wird von
4Balladevonder„Judenhure“MarieSanders[BertoltBrecht/HannsEisler1935].5ShirlaShalom[YaakovRotblit/YairRosenblum1969].6Adama,admatiwurde1941geschrieben.7DieVereinigtePartisanenorganisationdesWilnaerGhettos.
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Jugendlichen als unhinterfragte „objektive“ Abbildung von Realität rezipiert. In einemkleinen Modul sollen anhand eines Interviewausschnittes von Esther Bejarano filmischeGestaltungsmitteldesDokumentarfilmsundihreWirkungaufdieZuschauererklärtwerden[Kamera,BildgestaltungundMontagealsStilmittelfilmischenErzählens].
Das vorliegende Begleitmaterial zum Dokumentarfilm konzentriert sich neben demmedienpädagogischen und biografischen Zugang zur Nachbearbeitung der Filmsichtungauf Themen, die über Musik erzählt werden [s. u.]. Sie erheben keinen Anspruch aufVollständigkeit und stellen kein geschlossenes [Workshop]‐Konzept dar, sondern dieeinzelnen Module/Übungen können von Multiplikatoren eigenständig zusammengestelltwerden.WirhabendieÜbungsanleitungenundIdeenzurWeiterarbeit[mitoderohnedenFilm]invierthematischeModulegegliedert:
1. Medienpädagogik: Interviewanalyse & Filmpraxis
2. Musik als persönliches und politisches Ausdrucksmittel
3. Rassismus / Antisemitismus / Mehrheitsgesellschaft
4. Identität und Biografie: Esther, Edna, Joram, Kutlu, Rossi und Önder
Die imDokumentarfilmPER LAVITA verhandelten Inhalte haben sich aus den vondenMusikerinnenundMusikernindenInterviewsundinihrenSongsangesprochenenThemenergeben.Deraktuelle AntisemitismusistnichtTeilderpädagogischenMaterialien,weilervondenProtagonistinnenundProtagonistendes Films nicht explizit thematisiertwurde.Die Auswirkungen von Antisemitismus und deren Folgen für die Betroffenenwerden imDokumentarfilm nur anhand antijüdischer Gesetzgebung imNationalsozialismus und derSchilderung der Konzentrationslagerhaft von Esther Bejarano angesprochen. AktuelleFormenvonAntisemitismuswerdenimModul3gestreift.
ZurWeiterarbeitanderThematik„aktuellerAntisemitismus“möchtenwirauf folgendeStudie verweisen:Scherr,Albert/Schäuble,Barbara:„IchhabenichtsgegenJuden,aber…“.Ausgangsbedingungen und Perspektiven gesellschaftspolitischer Bildungsarbeit gegenAntisemitismus, hg. von der Amadeo‐Antonio‐Stiftung, Berlin 2007. Folgende Trägerengagieren sich in der politischen Bildungsarbeit gegen aktuellen Antisemitismus:Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus [KIgA], die BildungsBausteine gegenAntisemitismus, dasDGB‐BildungswerkThüringene.V., dieAmadeu‐Antonio‐Stiftung, dasInformations‐ und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit [IDA e.V.] und dasProjektvonArbeitundLebenHamburg„WastungegenAntisemitismus?“.
Pädagogische Arbeit gegen Rassismus und auch die direkte Konfrontation mit einerAuschwitz‐Überlebendenreichennichtaus,umantisemitischeKlischeesundRassismuszubeseitigen.Dafüristeinedauerhafte,dieGesellschaftemanzipatorischveränderndeArbeitnötig. Dies ist den Autoren bewusst. Trotzdemwird während der pädagogischen Arbeitoftmalsdeutlich,dassdieJugendlichen/jungenErwachsenen,diesolcheVorurteileäußern,
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aufNachfragegarkeinejüdischenMenschenkennen[oderdasjedenfallsmeinen],odersienurmitdemNationalsozialismusinVerbindungbringenunddamitalsOpferwahrnehmen.Wir zeigen stattdessen lebendige, kreative und witzige Musikerinnen undMusiker, dreiGenerationen, die sich gegen Rechtsradikalismus, Rassismus und Antisemitismusengagierenundlautstarkproklamieren:„WirsinddieZukunft!“
Über die AutorInnen
Tanja Seider,geb.1975inMünchen,arbeitetemehrereJahrealsGeschichts‐,Politik‐undDeutschlehrerin an Berliner Schulen und promoviert derzeit als Stipendiatin der Hans‐Böckler‐Stiftungzur„AuseinandersetzungmitFamiliengeschichte,NationalsozialismusundShoah imMedium autobiografischer Dokumentarfilm“ an der TU Berlin. Sie arbeitet alsfreiberufliche Medienpädagogin an einer Kreuzberger Grundschule und entwickeltmediendidaktischeHandreichungenfürdasOnline‐PortalzurFilmbildung„kinofenster.de“.Sie ist Mitglied des Kameralehrgangs der Filmschule filmArche e.V. und arbeitet alsLehrbeauftragteamOtto‐Suhr‐InstitutderFreienUniversitätBerlin.
Katharina Obens,geb.1976inHamburg,studierteMedizinundPsychologieinHamburgundBerlin undpromoviert derzeit als Stipendiatin derHans‐Böckler‐Stiftung zumThema"RezeptionvonNS‐OpfernalsZeitzeugenbeiJugendlichen".DieSchwerpunkteihrerArbeitsindPsychotraumatologie,sozialpsychologischeHolocaustforschung,qualitativeMethodenund geschichtsdidaktische Forschung. Zudem arbeitet sie als Dokumentarfilmerin andiversen Projektenmit Holocaust‐Überlebenden, als Bildungsreferentin in der historisch‐politischen Bildung und als Lehrbeauftragte am Otto‐Suhr‐Institut der Freien UniversitätBerlin.Sieistseit1993MitglieddesAuschwitz‐KomiteesinderBRDe.V.undimBeiratderOrganisationtätig.
Esther Rachow,geb.1982inKoblenz,studierteangewandteKultur‐undMedienwissen‐schaft als Bachelor und aktuell den Masterstudiengang Public History an der FreienUniversitätinBerlin.SieistseiteinigenJahreninderpolitischenJugendbildungsarbeittätigundarbeitetindiesemFeldhauptsächlichzudenThemenAntisemitismus,RassismusundGeschlechterverhältnisse. Zudem arbeitete sie während eines Volontariats in derHolocaustgedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem an deutschsprachigenUnterrichtsmaterialien zu den Themen Antisemitismus, NS‐Geschichte und Holocaust. Indiesem Rahmen wirkte sie ebenfalls an einem Dokumentarfilmprojekt über Holocaust‐Überlebendemit.
Thomas Klauck, geb. 1968 in Saarbrücken, studierte Kulturwissenschaften undPhilosophie in Hamburg und Berlin. Er ist zurzeit selbstständiger politischerBildungsreferentundleitetSeminarezudenThemenKommunikation,Teambildung,Liebe,Freundschaft, Sexualität, Sterben ist ein Teil des Lebens u.a. Darüber hinaus gibt erSeminareundWorkshopsmitdenSchwerpunktenAntisemitismusundKapitalismuskritik.EristInitiatordesProjektesAbsageagenturundbeschäftigtsichaktuellmitAntisemitismusinderDDRundderVerfolgungjüdischerKommunistenundKommunistinnen.
Für die Inhalte der Module sind jeweils die einzelnen Autorinnen und Autorenverantwortlich.
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Dank
Wegen der vielen Anregungen für die pädagogische Arbeit mit dem Dokumentarfilmdanken wir: Kutlu Yurtseven, Esther Bejarano, Christian Geissler‐Jagodzinski, OlafKistenmacher, Deniz Yücel, tageszeitung [taz], BildungsBausteine gegen Antisemitismus,tacheles reden! e.V., Baustein zur nicht‐rassistischen Bildungsarbeit, Barbara Schäuble,RosaFava,CordPagenstecher,BirgitMarzinka,AktionSühnezeichenFreiwilligendienstee.V.,VerlaganderRuhr,HenningFlad,kinofenster.de
Inhalt
VorwortderAutoren
MusikinderHauptrolle
ZumpädagogischenBegleitmaterial
ÜberdieAutorInnen
Dank
MODUL 1: MEDIENPÄDAGOGIK: Interviewanalyse und Filmpraxis
1.1 Hintergrundinformation: Dokumentarfilm – objektives Fenster zur Wirklichkeit?
1.1.1 DiemedialeRahmungvonZeitzeugen‐InterviewsimDokumentarfilmundimpopulärenGeschichtsfernsehen[Infotainment]
1.1.1 AufgabeMedienvergleich:DererzählendeMenschimDokumentarfilmundimInfotainment
1.1.2 AufgabezurMontage:Waspassiert,wenneinInterviewausschnittinunterschiedlichenKontextengezeigtwird?
1.1.3 ArbeitsaufträgezurSichtunginGruppen
1.2 Medienpraxis – ein Video drehen
MODUL 2: MUSIK als persönliches und politisches Ausdrucksmittel
2.1 Hintergrundinformation: PER LA VITA Vielsprachig die Erinnerung bewahren
2.1.1 „HimmelundErdemüssenvergehn,aberdieMusicíbleibenbestehn!“
2.1.2 ImHipHopzuHause
2.1.3 AufgabezurFilmsichtung:WashatMusikmitunseremLebenzutun?
2.2 Esther Bejarano: Biografie & Musik
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2.2.1 Hintergrundinformation:MusikalischeZwangsarbeitvonEstherBejaranoimMädchenorchesterAuschwitz‐Birkenau
2.2.2 DasMädchenorchester:FragenzurWeiterarbeit
2.3 Die Songs aus dem Film
2.3.1 „Balladevonder‚Judenhure‘MarieSanders“WeiterarbeitmitdemSong[RechercheinArbeitsgruppen:historischerKontextundliterarischeAnalyse]
2.3.2 „Zueins,zwej,draj“WeiterarbeitmitdemSong[RechercheinArbeitsgruppen:HistorischerKontext,TextundMelodiedesjüdischenWiderstandsliedes,dieWeitergabevonGeschichteimSampling]
2.4 Microphone Mafia & HipHop
2.4.1 Hintergrundinformation:KutluYurtsevenzurEntstehungvonHipHop
2.4.2 Aufgaben&MethodenzurWeiterarbeit[GeschichtedesHipHopallgemein,HipHopinDeutschland,HipHopalspersönlichesundpolitischesAusdrucksmittel,„UndwasisteigentlichdasBesondere,EinzigartigeanHipHop?“].
MODUL 3: RASSISMUS & ANTISEMITISMUS in der Mehrheitsgesellschaft
3.1 Hintergrundinformation zu den Mordanschlägen von Mölln und Solingen
3.1.1 ZeitungskommentarvonDenizYücel15JahrenachdenAnschlägenvonMöllnundSolingen:„OhnegemeinsameshistorischesBewusstsein:Parallelgesellschaften.EintraumatischesGenerationserlebnis“
3.1.2 Methodenteil
3.1.3 FragenzumFilm
3.1.4 ArbeitmitdemSongtext„Insanlar“[MicrophoneMafia;1993]
3.1.5 Kontext‐undDiskursanalyse
3.1.6 PressekonferenznachdemMordanschlaginSolingen
3.2 Rassismus und Alltagsrassismus
3.2.1 Hintergrundtext:Rassismusdefinition
3.2.2 Methodenteil
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3.2.3 FragenzumFilm
3.2.4 PrivilegienundMehrheitsgesellschaft
3.2.5 WasistRassismus?
3.2.6 AufgabenzumSong„Denkmal“[MicrophoneMafia;2002]
3.2.7 EinekleineGeschichtezurArbeitsmigrationinDeutschland
3.2.8 Entwicklung&HintergründezumStreikderFordarbeiter1973
3.2.9 EinInterviewmiteurenElternalsArbeiter/inneninDeutschland
3.2.10 ÜbungenzumpolitischenKontext
3.2.11 AussagenzuRassismus
3.2.12 AuseinandersetzungmitdemHeimatbegriff
3.3 Aktueller Antisemitismus
3.3.1 Antisemitismusheute&Antisemitismusdefinition
3.3.2 UnterscheidungzwischenAntisemitismusundRassismus
3.3.3 ZurgegenwärtigenDebatteumeinenneuenAntisemitismus
3.3.4 Methodenteil:RechercheauftragzumErkennenvonverschiedenenAntisemitismen
MODUL 4: BIOGRAFIE & IDENTITÄT ‐ Esther, Edna, Joram, Kutlu, Rossi und Önder 4.1 Hintergrundinformation: Biografie und Identität
4.2 Methoden
4.2.1 Methode„BausteineunsererIdentität“
4.2.2 Methode:„Erzählmirwas“
4.2.3 Methode:„VierEckenzurErinnerung“
4.2.4 Methode:„Familienbaum“
4.2.5 MethodeZEITSTRAHL:„85JahreLeben–WaspassiertimLebenderMusiker,waspassiertindergroßenPolitik?“
4.3 Biografien der Musikerinnen und Musiker
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ANHANG
• SongsausdemAlbum„PerlaVita“
• DasAlbum„PerlaVita“alsProjektgegenrechteMusik
• Link‐SammlungpädagogischeMaterialiengegendieNPD‐Schulhof‐CD
• ErgänzungzudenModulen:
MODUL1:GlossarKamera‐Einstellungsgrößen
MODUL4:Hintergrundtextzu„NS‐ÜberlebendenalsZeitzeugeninderhistorisch‐politischenBildungsarbeit“
MODUL1&4:SchaubildzurThemenfindungfürdie5.Prüfungskomponente:„HistorischesLernenamBeispielvonBiografien“
LiteraturempfehlungenzurpädagogischenArbeitgegenAntisemitismusvonArbeitundLebenHamburg
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MODUL 1 MEDIENPÄDAGOGIK:
Interviewanalyse und Filmpaxis von Tanja Seider
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Hintergrundinformationen: Dokumentarfilm – objektives Fenster zur Wirklichkeit?
„Ich weiß nicht, was sie denken, aber, wenn man über Dokumentarfilmespricht, dannbeziehtman sichmeistens auf ihren Inhalt. [...]‚Das ist ein FilmübereinMuseum,überdiePsychiatrie‘.Kurz,mansagtimmer‚einFilmüber‘,als ob keine Geschichte erzählt würde, klammert man jegliche narrativeDimensionaus“8.
DasobenangeführteZitatliestsichbeinahewieeineklassischeHandlungsanweisungfürdieRezeptiondesMediumsDokumentarfilmimAlltag.ObgleichauchderFilmPERLAVITAinhaltlich „über ein Musikprojekt“, „über das Zusammentreffen unterschiedlichermusikalischer Traditionen und Generationen“ erzählt, soll im folgendenmedienpädagogischen Teil besonders darauf eingegangen werden, mit welchen Mittelnder Dokumentarfilm erzählt. Dokumentarfilme gewinnen ihre Geschichten undProtagonisten, ihrMaterial, ausder sozialenWirklichkeit.Dennochbilden siediesenichteinfach„objektiv“ab.VielmehrstelltderDokumentarfilmeinFensterzurRealitätdar–einFenster, durch dessen Rahmen die soziale Wirklichkeit mittels filmischer Erzählkonventionen gebrochenwird.ZudiesendokumentarfilmischenErzählkonventionengehört der vorauswählende Blick auf die Wirklichkeit, vermittelt durch denDokumentarfilmstil9 und seine Erzählperspektive sowie das Kamera‐Konzept mit seinerAuswahlderBildausschnitte,derEinstellungsgrößenundderKamerabewegung.Spätestensin der Montage werden bewusst subjektive, politische oder künstlerische Eingriffevorgenommen, wenn das vorhandene filmische Material gesichtet, angeordnet undaussortiertwird.
Im folgenden medienpädagogischen Teil werden anhand von zwei exemplarischenAufgabenGrundlagen zurFilmanalyse undFilmpraxis vermittelt. Inder Filmanalysewirdanhand einer Analyse eines Interviewauszuges von Esther Bejarano herausgearbeitet,welche medialen Faktoren zusätzlich zur Erzählung der Zeitzeugin Einfluss auf dieGestaltungdesInterviewshaben.DerFilmPERLAVITAversuchtinklassischerrealistischerDokumentarfilmtradition, die gestaltenden Faktoren desMediums Film so „neutral“ wiemöglichzuhaltenundEstherBejaranosErzählungdadurchnichtvorzuinterpretieren10.
UmdenUnterschiedzwischeneinermedialenDarstellungsweise, indereineZeitzeugineine größere Möglichkeit der selbstbestimmten Selbstpräsentation hat, und einerFunktionalisierung von Zeitzeugeninterviews in populären TV‐Geschichts‐Infotainmentsherauszuarbeiten, findet sich unten eine Aufgabe, in der die Rezipienten zweiInterviewausschnitte unterschiedlicher dokumentarischer Formate miteinandervergleichen.
8 Philibert,Nicholas[2000],Programmerlehasard.In:LeDocumentaire.L’autreFaceduCinema,CahiersduCinema,Paris2002,S.70f.Zitiertn.Teissl,Verena/Kull,Volker[Hg.][2006],Poeten,Chronisten,Rebellen.InternationaleDokumentarfilmemacherInnenimPorträt,Marburg,S.5.9Vgl.dazuNichols,Bill[2003]:IntroductiontoDocumentary.[3rdprint].Bloomington,Ind:IndianaUniv.Press.10DenFilmemacherinnenistdabeinatürlichbewusst,dasseskeine„neutrale“,„objektive“Darstellungsformgibt,dajedesMediumseinenInhaltbeeinflusstunddieserInhaltzudemvordemHintergrundmedialerErzählkonventionenrezipiertwird.
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Die filmpraktische Aufgabe richtet sich an die Jugendlichen als Rezipienten undProduzenten. Das Musikprojekt „Per La Vita“ nutzt Musik, um Geschichte[n]weiterzutragen. Coincidence, singen diese Liedermit politischer Tradition und geben sieweiteranMicrophoneMafia,diedieseSongs sampelnundzumTeilmiteinemaktuellenKontext vermischen. Die Jugendlichen können Teil dieser Überlieferungskette werden,indemsiezudenSongsaufdem„PerlaVita“‐Albumeineigenes Videoverfilmen.
Die mediale Rahmung von Zeitzeugen‐Interviews im Dokumentarfilm
DerDokumentarfilmPERLAVITAhatkeinen Erzählkommentar,derdurchdieHandlungführtunddiesevonaußeninterpretiert,sondernesistdieMontage,die–ausgehendvonden Selbstdarstellungen der Musikerinnen und Musiker in den Interviews sowie vonKamerabeobachtungenbeimMusikmachen–dieHandlungstrukturiert.DieNarrationfolgtdabei biografischen und thematischen Aspekten, denn die Verknüpfung zwischen derBiografiederMusikerinnenundMusikerzwischenihrempolitischemEngagementundihrerMusik spielt in PER LA VITA eine zentrale Rolle. Esther Bejaranos Biografie und ihrpolitischesEngagementalsMusikerinz.B.istgeprägtvonihrerErfahrungalsÜberlebendedes Mädchen‐Orchesters in Auschwitz. Für die Auseinandersetzung mit Geschichte undErinnerung stellt sich im Dokumentarfilm immer die Herausforderung, wie man bereits Vergangenes sichtbar bzw. darstellbar machenkann.WennesumdiepersönlicherlebteGeschichtevonMenschengeht,istdasZeitzeugen‐Interviewdiesicherlichlebendigsteundspannendste Weise, um Geschichte zu vergegenwärtigen. Ein Mensch erinnert sich anVergangenheitunderzähltdabeinichtnurFaktenundEreignisse11,sondernvorallem,wieerdasErlebteverarbeitethatundwelchenBlickerheutedaraufhat.
DieInterviewsmitÜberlebendenindokumentarischenfilmischenGenreshabensichseitihrer Etablierung in den achtziger Jahren stark verändert. TratenÜberlebende in ClaudeLanzmannsDokumentarfilmSHOAH[1985]nochalshistorischeExpertenundZeugenauf,sohatdasaktuellepopuläreGeschichtsfernsehen[Infotainment]siealsMöglichkeiteinerQuelle derAuthentisierung vonGeschichte entdeckt – und ihreDarstellung als beliebtesMittel,umEmotionenbeidenZuschauernzuwecken.
Viele Jugendliche kennen den Unterschied zwischen klassischen Interviews imDokumentarfilm[dieinLänge,SettingundAutonomieüberdieeigeneRedevielmitOral‐History‐Interviews zu tun haben] und den kurzen Interviewpassen im Infotainment‐Geschichtsfernsehen nicht. Erstere geben in der Montage der Selbstdarstellung der ProtagonistenmehrRaum zur Entfaltung, indemdie Interviewauszüge in längererDauergezeigt werden und keinem übergeordneten Erzählkommentar untergeordnet werden –derbereitsankündigt,wasderProtagonistgleicherzählenwird.AuchdasInterviewsetting [Mis‐en‐Scène] trägt einen wichtigen Teil dazu bei, wie Menschen im Medium Filmpräsentiert werden: sitzen sie in einem Raum, der etwas über ihre Persönlichkeit [z.B.durch Einrichtung], ihre Biografie [z.B. durch Fotos] erzählt? Oder werden sie vor einerneutralenStudioleinwandgefilmtunddadurchauf ihreEigenschaftals z.B.Überlebenderreduziert?11DieOral‐HistoryeignetsichwenigerdazukorrekteFakteninFormvonDatenzuerfragen,dadasmenschlicheGedächtnismitzeitlichemAbstandunzuverlässigwird.UnumstrittenistinderGeschichtswissenschaftaber,dassdieOral‐HistorydiewichtigsteMethodedarstellt,umdieAuswirkungenvonGeschichteundderenVerarbeitungaufIndividuenzuerforschen.
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InderfolgendenÜbungsolleneinInterviewauszugvonEsther BejaranoausPERLAVITAmitdemInterviewauszugdesjüdischenÜberlebendenHans Oskar Löwenstein de Witt12inHOLOKAUST–TEIL1:MENSCHENJAGD[Knopp/Remy2000,00:26:00‐00:26:55]verglichenwerden. Die Interviewausschnitte thematisieren die Diskriminierungserfahrungen alsjüdische Kinder in Nazi‐Deutschland. Dabei soll die unterschiedliche medialeDarstellungsweise herausgearbeitet werden. Das Ziel ist, dass die Jugendlichen dafürsensibilisiert werden, inwiefern mediale Rahmungen eine unterschiedliche Wirkung desInhalts/des Gesagten zur Folge haben können. Anhand der Interview‐Analyse imMedienvergleichsollherausgearbeitetwerden,wiebeieinemInterviewmitÜberlebendendurch Mis‐en‐Scène, Kamera, Lichtsetzung bereits im Aufnahmeprozess visuelleGestaltungsmittel die Erzählung beeinflussen. Gezeigt werden soll, wie in derMontage/PostproduktiondieBedeutungder InterviewausschnitteabhängigvomKontextverschoben wird. Anhand dieses Beispiels kann dargestellt werden, wie deutlich dasMediumDokumentarfilmdiesozialeWirklichkeitvorstrukturiert.DabeiwirdauchdieFragenachderAutoritätgestellt,dieÜberlebende inmedialenSelbstzeugnissenwie Interviewshaben. Die Art und Weise, wie die überlebenden Menschen in die historischen TV‐Dokumentationen [bekanntestes Beispiel Guido Knopp‐Serie] eingebunden werden,unterscheidetsichstarkvonunseremKonzept.WirmöchtendennochandieserStelleaufdieDifferenzeingehen,daJugendlichendiesesDokutainment‐FormatdurchdasFernsehenvertraut ist undwir davon ausgehen, dass siemediale Interviewsmit Überlebenden aufdieserihnenbekanntenvisuellenFolierezipieren.
Zeitzeugen‐Interviews im populären Geschichtsfernsehen [Infotainment]
HistorikerInnenundFilmwissenschaftlerInnenhabendieRollevonZeitzeugenimneuerenGeschichtsfernsehen beschrieben als „Stichwortgeber“, deren Erzählungen zu„illustrierendenO‐Tönen“zusammengeschnittenwerden.NichtmehrdieLebensgeschichteundderenindividuelleVerarbeitungstehtimZentrum,sonderndieSchaffung„emotionalerHöhepunkte“, bei denen die Zeitzeugeninterviews die Funktion haben, dem ansonsteneher langweiligen Archivmaterial Leben einzuhauchen13. Das populäreGeschichtsfernsehenausdemHauseGuidoKnopphatfürdieZeitzeugen‐Interviewssogareine neue visuelle Rahmung geschaffen, die auf ästhetischer Ebene die Funktion derInterviewausschnitte unterstützt: Die Überlebenden sitzen vor einer schwarzenStudioleinwand,aufdievonrechtseinhellerLichtstreifengesetztwird.DabeiwerdendieInterviewpartner auf eine so unübliche Weise ausgeleuchtet, dass bereits dasBeleuchtungskonzept eine Dramatisierung – und damit Interpretation des Erzähltenvornimmt.BeiklassischenInterviewswerdendieInterviewtensoausgeleuchtet,dasssieinneutraler,abervorteilhafterWeiseinSzenegesetztwerden14–imbestenFallenimmtderZuschauer die Beleuchtung also nicht wahr. Es ist Markenzeichen der Knopp‐Reihe,Geschichte zu popularisieren, indem sie personalisiert und dramatisiert wird.
12Hintergrundinformationen zur Biografie Hans Oskar Löwenstein de Witt finden sich unter:http://www.zeitzeugen‐projekt.de/swf/loewenstein.sw.13Vgl.Elm[2008]undKansteiner[2003].14DasGesichtwirddabeivonvorneangeleuchtet,damitdieMimikguterkennbarist.EineGesichtshälftewirdmiteinemzweitenLichtnureinenTickhellerangestrahlt,damitdasGesichtKonturbekommt.Einweiterer,kleinerLichteffektwirdvonhintenaufdenHaaransatzgesetzt,damitsichderInterviewtevomHintergrundabhebt[3‐Punkt‐Ausleuchtung].
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Die Beleuchtung der Interviewten spiegelt dieses Konzept:Überlebendewerden in einerLow‐Key‐Ausleuchtunggefilmt,diemit ihrenhartenSchattenwürfenaufdieTraditiondesFilm Noir zurückgeht. Dabei ist eine Gesichtshälfte stark ausgeleuchtet, während dieandere fast vor dem dunklen Hintergrund verschwindet. Die Verwendung desSchattenwurfshatdabeiaucheinErzähltradition:sowerdenSchatteninSuspenseMoviesundThrillern[vgl.z.B.Hitchcock]verwendet,umdieZwielichtigkeitundZerrissenheiteinerFigur visuell anzudeuten. Im besten Falle ist diese Beleuchtung als Andeutung eines„SchattensdurchdieVergangenheit“lesbar.Neutralistsieindesnicht.Hinzukommt,dassindenKnopp‐ReihenehemaligeVerfolgteundTäter [nichtals solchegekennzeichnet] imgleichenvisuellenSetting interviewtwerden.DurchdiesevisuelleGleichsetzungzwischenTäternundOpfern trägtdieReihe zudemzueinemapologetischenund revisionistischenGeschichtsbildbei.
EinweiteresStilmitteldesunterderRegieGuidoKnoppspopulärgewordenenneuerenGeschichtsfernsehens ist das neue Tempo, das durch schnelle Schnittfolgen und einedramatisierendeMusik inderMontageerzeugtwird.DiekurzenInterviewausschnittemitden überlebenden Zeitzeugen werden dabei als ein Filmschnipsel neben dem anderen,meist aus Archiven stammenden NS‐Propagandamaterial15 in ein großes Potpourrieingefügt, das durch die Kontextualisierung ihren Aussagen eine andere Bedeutungzukommenlässt.EsgehthierwenigerumdiePersondesÜberlebenden,sondernumihreFunktionals„Dabeigewesener“.DasSetting imStudiosowiedienaheKameraeinstellung,die die emotionalen Höhepunkte einzufangen versucht und dabei wenig Respekt zeigtsowie dieVerwendung von vorwiegenddramatisierendenAussagenunterstreichendieseFunktionalisierung. Auch wird die Bedeutung des Erzählten stark gemindert, indem einErzählerkommentar die Worte der Überlebenden vorher schon kontextualisiert16 odersogar zusammenfasst. Die Deutungsmacht der dargestellten Geschichte liegt bei diesemautoritärenmännlichen,„allwissenden“Erzählerkommentar.Ersorgtauchdafür,dassdieZuschauer diewahren Schuldigen an den nationalsozialistischen Verbrechen als kleinenKreisumHitlerunddieNS‐Eliteidentifizieren17.
15BeiderVerwendungvonNS‐FilmmaterialausArchivenistzubedenken,dassdieseAufnahmenkeinen„objektiven“,neutralenStandpunkthaben.VielmehristihnenderNS‐BlickinderInszenierungeingeschrieben.16WieimhierangeführtenBeispiel.17Vgl.Kansteiner[2003]undElm[2008].
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Aufgabe: Der erzählende Mensch im Dokumentarfilm und im Infotainment
DieseAufgabeeignetsich,umdieRezipientenfürdieDarstellungvonÜberlebendenundZeitzeugenindendokumentarischenGenresDokumentarfilmundInfotainmentzusensibilisieren.
Ziel der Aufgabe:
• SensibilisierenfürdieMittelfilmischenErzählensimMediumaudio‐visuellenDokumentarfilm
• SensibilisierenfürdenKonstruktionscharakterdesMediumsDokumentarfilm
• SensibilisierenfürverantwortungsvollenUmgangmitAussagenvonÜberlebenden:DieAutoritätsolltebeidensprechendenMenschenliegen
Zeit:ImUnterrichtidealerweisezweiDoppelstunden,inderaußerschulischenBildungsarbeitBlockvon60Minuten.
Anmerkung: Bevordiemediale DarstellungderZeitzeuginunddesZeitzeugenanalysiertwird,solltendieTeilnehmendensichmitdemInhalt des ErzähltenauseinandergesetzthabenunddasErzählteindenhistorischenKontexteinordnenkönnen.
[‐>Denhistorischen KontextkönnendieTeilnehmendenvorherinderMethode„Zeitstrahl“inMODUL4oderinderAufgabezumSong„Balladevonder‚Judenhure‘MarieSanders“MODUL2erarbeiten].
Fragen vor der Interviewsichtung [fürunterschiedlicheLernniveausformuliert]
Sammeln von Einschätzungen der Teilnehmenden zur Rolle und Darstellung vonZeitzeugen imGeschichtsfernsehen,umVorannahmen,diedurchMedienkonsum implizitexistieren,sichtbarzumachen.
a) Welche Funktionen kann ein Interview in einem historischen Dokumentarfilmhaben? / Oder einfacher formuliert: Warum enthalten Dokumentarfilme überGeschichtefastimmerInterviews?18
b) Welche visuellen Erwartungen habt ihr an das Interview? / Wie sieht so einfilmischesInterviewmeistensaus?
c) Wasglaubt ihr, könnt ihr auseinem InterviewmiteinerÜberlebendender Shoah[hier:mitEstherBejarano]erfahren,was ihrnichtausdemGeschichtsbuchlernenkönnt?
18Experteninterviewz.B.mitHistorikerIndientderGewinnungvonFaktenwissenoderderErklärungvonhistorischenProzessen/Ereignissen;OralHistory‐Interview:gibtindividuelleErfahrungeineshistorischenEreignisseswieder.
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Arbeitsaufträge
[Die einzelnen Fragen sind vor der Sichtung der beiden Interviews so an dieTeilnehmendenzuverteilen,dassmehrereTeilnehmendediegleicheFragehaben].
a) Inhalt + Narration: Achte darauf, WAS erzählt wird und WIE es erzählt wird[Erzählerkommentaretc.]
b) Visuelle Rahmung: Was ist im Bild zu sehen [Mis‐en‐Scène]? Wo befindet sichder/dieInterviewte?
c) Kamera: In welcher Einstellungsgröße wird der/die Interviewte dargestellt? Wiewirkensiedadurchaufeuch?[‐>vgl.einGlossarzuEinstellungsgrößenbefindetsichimAnhang]
d) Lichtkonzept:Wiewirdder/dieInterviewtebeleuchtet?Wiewirkensiedadurchaufeuch?
e) Musik:GibtesMusikundwelcheWirkungundFunktionhatdiese?
f) Interviewlänge: MessedieZeitdesjeweiligenInterviewausschnitts.
Gemeinsame Auswertung im Plenum
TragteureErgebnisse ineinerTabelle [s.u.] zusammen.WelcheGemeinsamkeitenundwelcheUnterschiedekönntihrbeiderDarstellungderZeitzeugenindenbeidenInterviewsfeststellen?
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Weiterarbeit zur Montage: Was passiert, wenn ein Interviewausschnitt in unterschiedlichen Kontexten gezeigt wird? Seht euch nun die ganze Sequenz an, in die die Interviewszene eingebaut ist. DasFilmmaterial,das zuvorunddanachkommt,wirkt sich inderRezeptionauchdaraufaus,welcheBedeutungwiralsZuschauerdemInterviewausschnittbeimessen. Arbeitsaufträge zur Sichtung in Gruppen
a) NotierteuchdenInhalt der Szenen,dievorundnachdemInterviewkommen,dieesalsokontextualisieren.
b) Welches Material wirdhiergezeigt?StelltVermutungenan,woesherkommt.Nunzum Film „Holokaust“: Welche Funktion könnten die Farbaufnahmen desAlltagslebens der nicht‐jüdischen Berliner Bevölkerung und die Schwarz‐WeißAufnahmenHitlersinder„Wolfsschanze“haben?WelcheBedeutungbekommtderInterviewausschnittmitLöwensteindeWittdurchdieseRahmung?
c) Welcheandere Person wird interviewt? WelchePerspektivehatsieinneundwiewirdsiedargestellt?WelcheFunktionhatdieserInterviewausschnitt?
d) WirdMusikeingespielt?WelcheRollehatsie?
e) Diskussion:VerändertderKontext,indenderInterviewausschnitteingebundenist,die Bedeutung der Interviewszene?Wessen Einfluss im Film ist größer: Der desInterviewten,oderderderRegie?FührteineAbschlussdiskussionimPlenumdurchundargumentiertaufderGrundlagedergesichtetenInterviews.
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Literaturhinweise zum Weiterlesen
Verfügbarkeit DiesechsteiligeSerie„Holokaust“istnuraufVHSerhältlich.Siekannetwabeiwww.alphamusik.deoderwww.amazon.deab€50,–bestelltbzw.ingrößerenBibliothekenausgeliehenwerden.Zeitzeugen im Dokumentarfilm Elm,Michael[2008]:ZeugenschaftimFilm.EineerinnerungskulturelleAnalysefilmischerErzählungendesHolocaust.Berlin:Metropol.Dost,Bernhard[2009]:ZeitzeugeninDokumentarfilmen.In:Schreiber,Waltraud[Hg.]:Zeitzeugengesprächeführenundauswerten.HistorischeKompetenzenschulen.Neuried:arsuna,S.129–131.Keilbach,Judith[2008],GeschichtsbilderundZeitzeugen.ZurDarstellungdesNationalsozialismusimbundesdeutschenFernsehen.Münster.Lappe,Christian[2009]:DieRollevonZeitzeugeninGeschichtsdokumentationen.ÜberlegungeneinesFilmredakteurs.In:Schreiber,Waltraud[Hg.]:Zeitzeugengesprächeführenundauswerten.HistorischeKompetenzenschulen.Neuried:arsuna,S.132–134.Didaktische Materialien zur Rolle von Zeitzeugen im Dokumentarfilm: Schreiber,Waltraud[2009]:ZeitzeugeninDokufilmenundhistorischenAusstellungen.In:Schreiber,Waltraud[Hg.]:Zeitzeugengesprächeführenundauswerten.HistorischeKompetenzenschulen.Neuried:arsuna,S.142–153.
Dokutainment/“Holokaust“Elm,Michael:Holokaust.MedienpädagogischesFilmheftzurZDF‐FernsehdokumentationunterderLeitungvonGuidoKnopp.UnterMitarbeitvonGottfriedKößlerundMonicaKingreen.HerausgegebenvonFritz‐Bauer‐Institut.Onlineverfügbarunterhttp://www.fritz‐bauer‐institut.de/texte/Michael‐Elm_Filmheft‐Holokaust.pdf
Kansteiner,Wulf[2003]:DieRadikalisierungdesdeutschenGedächtnissesimZeitalterseinerkommerziellenReproduktion.Hitlerunddas‚DritteReich'indenFernsehdokumentationenGuidoKnopps.In:ZeitschriftfürGeschichtswissenschaft,Jg.51.,H.7,S.626–648.
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Medienpraxis – ein Video drehen
Tipp für MultiplikatorInnen: In dieser Projektarbeit zur Medienpraxis soll es darumgehen,dassdie JugendlichenselbstmitdemMediumFilmarbeitenunddabei lernen ihrtheoretischesWissenindiePraxisumzusetzen.NebendertechnischenHandhabungistdieUmsetzung von der Text‐ zur Bilderebene sicherlich der herausforderungsvollste Aspektder Aufgabe. Es macht deshalb Sinn, dass die Jugendlichen [außer sie haben schon vielpraktischeFilmerfahrungen],zunächstihrDrehbuch&Storyboardsodetailliertwiemöglichausarbeiten,bevorsiemitderpraktischenUmsetzungbeginnen.
Dreht euer eigenes Video zum Per la Vita‐Album!
InPERLAVITAistzusehen,wieMicrophoneMafianebendenTextenundihrenLyricsinihrenVideoseinezusätzliche,andereAusdrucksformfinden.BishergibtesallerdingsnochkeineVideoszudenSongsdes„PerLaVita“‐AlbumsderBejaranos&MicrophoneMafia.
TeilteuchinGruppenà4‐5LeuteaufundsuchteucheinenSongodereineStropheauseinem Song aus, den/die ihr verfilmen möchtet [‐> Die Songs befinden sich im Anhangsowie in MODUL 2]. Unten könnt ihr unterschiedliche Möglichkeiten kennenlernen einVideozumachen[1.RealististischeUmsetzungdurchSchauspiel;2.Metaphernverfilmung;3.AnimationStop‐Trick].
Wenn ihr euch für eine Umsetzungsmöglichkeit entschieden habt, dann zeichnet einStoryboard, in dem ihr dieSzene inmindestens zehnEinstellungen auflöst. Erst danachkönntihrmitdemFilmenbeginnen.
Ablauf
1. Hört euren Song und sammelt auf Moderationskarten Ideen, Stimmungen,Assoziationen,Gefühle und Bilder, die euch einfallen. Clustert die Karten an einePinnwandundbenutztsiealsweitereAnregung.
2. Lest den Text Strophe für Strophe in Einzelarbeit und unterstreicht für euchwichtige Passagen. Formuliert eine Message, die der Song für euch ausdrückt.Begründet,weshalbdiesdiezentraleMessagedesSongs/derStrophefüreuchist.SammeltnuneureVorschlägeundInterpretationenundüberlegt,obihrliebermitAnimationen im Stop‐Trick oder mit Videodreh/Schauspiel arbeiten möchtet.Entscheidet auch, ob ihr eine illustrierende oder eine stärker abstrakte,interpretierendeUmsetzungbevorzugt.
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AG Videodreh [Kamera & Schauspiel]
a) Vorbereitung
Schaut euch verschiedene Videos zu eurem Lieblingsmusikstil an [zum BeispielHipHop, Elektro, Punk, R&B] und notiert Ideen, die euch inspirieren [z. B. häufigbenutzte Kameraperspektiven, Kamerafahrten etc.]. Beachtet bei denDrehvorbereitungen folgende Fragestellungen: welche Stimmung „erzählt“ dasVideo?MitwelchenfilmischenMittelnwirddieseAtmosphäreerzeugt?
• Inhalt: Zeigt das Video eine Partysituation, einen Bühnenauftritt oder erzählt eseineGeschichte?Wiewirddieserzählt?
• Stimmung und Wirkung:Wie können Filmbilder und Schnitttempoden gezeigtenMusikstilverdeutlichen?
• Verfremdungseffekte:ZeigtdasVideonatürlicheBilder"unplugged"oderwirdmitEffekten[zumBeispielSchwarzweiß,Blenden,Farbverfremdungen]gearbeitet?
b) Möglichkeit 1: Umsetzung der Songtexte durch Schauspiel
UmdieLyricsdesvoneuchausgewähltenSongsineineBildsprachezuübersetzen,ist es wichtig darauf zu achten, auf welcheWeise in den Songs eine Geschichteerzählt wird:Was erzählt der Song undwie erzählt er es?Wer singt anwelchenStellen:MicrophoneMafiaoderdieBejaranos?Überlegt euch filmische Stilmittel,mitHilfedererihrdieSongsinBilderübersetzenkönnt.
Folgende Überlegungen zur Struktur der Songs können euch helfen:
• Gedanken, innerer Monolog eines Lyrischen Ichs, allerdings einem Reimschemafolgend [Bsp. Adama] [z.B. subjektive Kameraperspektive, Innenschau,experimentellerStil]
• Geschichte mit Handlungsentwicklung, dramatische Situation/Zuspitzung [Bsp.BalladeMarieSanders][z.B.szenischesSchauspiel]
• Ereignis[Partisanenaufbruch:BellaCiao]• Szene, dargestellt in äußerer + innerer Handlung: Lyrisches Ich befindet sich im
Exil;stehtimDunklenvorerleuchtetemHaus[KarliKayinOrmani][HerausarbeitenvonKontrast zwischen innererundäußererHandlung z. B. durchBildsprache,dieKontrastzwischenInnenundAußenbetont,oderdiedieHandlungkomplettdurchdieWahrnehmungdesEinzelnendarstellt].
• Verkettung von Einzelszenen: Der Frieden erzählt als Lyrisches Ich, wie erverschiedeneOrtebesuchtundwaserdorterlebt[ShirlaShalom].[UmsetzungwieStationentheater; Einzelszenen werden durch ein bestimmtes Motiv miteinanderverbunden].
• Dialog beschreibt Solidarität zwischen zwei Gefangenen [To Sfaijo] [durchSchauspielundSchuss‐Gegenschuss‐AufnahmenkannderAustauschzwischendenGefangenenbetontwerden].
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c) Möglichkeit 2: Verfilmung von Metaphern [AG Videodreh & Animation] Ihrkönntaucheinekünstlerische,wenigerrealistischeVerfilmungsweisewählen,inderihrversucht,[assoziative]BilderfüreinzelneStrophenzufindenoderindemihrMetaphern/Sprachbilder, die es bereits im Text gibt, aufgreift und dazu Bilderentwerft.
AG Stop‐Trick/Animation
ÜbersetzteineStrophe/einenSongineineanimierteFilmszenemitdemProgrammMagicVideoDeluxe[kostenloseSchulversionerhältlich]oderWindowsMoviemaker.
a) ÜberlegteucheinenHintergrundundzeichnetdiesenbzw.stelltdiesenher.
b) Zur Bewegung von Gegenständen/Figuren im Raum: Setzt den Gegenstand/dieFigur auf den Hintergrund. Um die Figur zu animieren/durchs Bild zu bewegen,schießtihreineFotoseriederFigurvordemHintergrund–beijedemFotomussdieFigurumeinpaarMillimeterweiterdurchsBildbewegtwerden.EingearbeitetindieSoftwareergebendieFotos[ca.24Bilderp.Sek.]eineflüssiganimierteFilmszene.
c) Animieren von Figuren [z. B. Arm‐/Beinbewegungen]. Zeichnet eine Figur undzerlegt ihre Körperteile, um diese beweglich zu machen. Um die Figur zuanimieren/durchs Bild zu bewegen, schießt ihr eine Fotoserie der Figur vor demHintergrund – bei jedem Foto müssen die Körperteile der Figur um ein paarMillimeterbewegtwerden.EingearbeitetindieSoftwareergebendieFotos[ca.24Bilderp.Sek.]eineflüssiganimierteFilmszene.
d) Wenn ihr eure Bilder schneidet, stimmt die Bewegungen auf den Rhythmus derMusikab.
Tipp: Ein sehr gutes filmsprachliches Glossar sowie aktuelle Veranstaltungen zu Film,SchuleundMedienpädagogikfindetsichimOnline‐Portalwww.kinofenster.de
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MODUL 2 Musik als persönliches und politisches Ausdrucksmittel
Von Tanja Seider und Katharina Obens
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Hintergrundinformation: PER LA VITA –Vielsprachig die Erinnerung bewahren
UnserDokumentarfilmschilderteinsehrlebendigesProjekt:FÜRDASLEBENUNDGEGENNAZISsollvielsprachigdieErinnerungandieVerbrechendesNationalsozialismusbewahrtwerden.DieMusikerinnenundMusikerwolleneinZeichensetzengegendiesogenannten„Schulhof‐CDs“,die2004erstmalsausdemLagerrechtsextremerKameradschaftenherausverteilt wurden. Inzwischen wurde die 4. Auflage der NPD‐Schulhof‐CDs mit MusikneonazistischerBandsundLiedermacher–diesmalunterdemTitel„BRDvs.Deutschland“–kostenlosvorSchulen,Jugendclubs,Diskothekenusw.verteilt.DieNPD‐SchulhofCD2009verbindet dabei zwei Leitmotive miteinander: Zum einen wird behauptet in der BRDherrscheeine„Gesinnungsdiktatur“,diesichgegenRechtewende,zumanderenwirdvonVerschwörungstheorienerzählt,die„Deutschlandzersetzen“undmitderenHilfeDeutsche„unterjocht“werdensollen.
EsgibtbereitsArgumentationshilfen und Aktionen gegen die „Schulhof‐CDs“,diewirimAnhangaufführen.
Sampling als Erfahrungstransfer
InPERLAVITAschildertKutluYurtseven,dasserundRossiPennino,umEstherBejaranonicht zubelasten, ihreigentlichnureineFragezu ihrerVergangenheit,diedurchKZ‐HaftunddieErmordungihrerElternundihrerSchwesterRuthgeprägtist,stellten:„Woher hast du die Kraft genommen, weiter Musik zu machen?“ Esther Bejarano antwortete ihnen:„Wenn sie mir die Musik genommen hätten, dann hätten sie mich getötet.“ OhnesichüberEsther Bejaranos Erfahrungen ausgetauscht zu haben, versuchten die Musiker vonMicrophoneMafia sich in ihre Erfahrungswelt einzufühlen und es entstanden Texte, dieEstherBejaranoselbstals„wundervoll“bezeichnet.VorallemdieTextezudenLiedern„Zuejns, zwej, draj“ und „Die ‚Judenhure` Marie Sanders“/„Ballade der verhassten Liebe“spiegeln dieseVersuchewider undwerden in diesemModul behandelt. Kutlu Yurtsevenbezeichnetdas „Storytelling“ als kleinstengemeinsamenNennerbeiderMusikstile: Es istnichtnurTeilderHipHop‐Tradition,sonderninderFormvonOralHistoryweltweitTeilderkulturellen Vermittlung von Erfahrungen zwischen den Generationen. Wie haben KutluYurtseven und Rossi Pennino Erfahrungen aus Esther Bejaranos Biografie aufgegriffen[beispielsweiseLiederausdemGhetto]undetwasNeuesdarausgemacht.
„Himmel und Erde müssen vergehn, aber die Musicí bleiben bestehn!“ [Eintrag in Esther Bejaranos Fotoalbum, 1959]
EstherBejaranohat, anders als andereehemaligeMitgliederdesMädchenorchesters –auch nach den furchtbaren Erfahrungen mit musikalischer Zwangsarbeit imKonzentrationslager Auschwitz – ihr Leben lang weiterMusik gemacht.Musik spielte inschrecklichenaberauch inglücklichenMomenteneinezentraleRolle in ihremLeben: IhrVater Rudolf Loewy arbeitete als Kantor in der jüdischenGemeinde in Saarbrücken.Mitsieben Jahren nimmt sie Klavierunterricht, dann singt sie im jüdischen Kinderchor inSaarbrückenunterLeitungihresVaters.Mit18JahrenwirdsienachAuschwitzdeportiert.DortwirdsieMitglieddes„Mädchenorchesters“inAuschwitz‐Birkenau.SiekonnteimApril1945währenddesTodesmarschesausdemKonzentrationslagerRavensbrück fliehenund
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irrtebiszum8.Mai1945durchNorddeutschland.BereitszurFeierihrerBefreiungspieltesieschonwiederAkkordeon.Ihre„zweiteGeburt“wiesieihreBefreiungnennt,stellenwiralsAnimationimFilmdar.
Idee zur Weiterarbeit mit der Animation „Esthers Befreiung“:SpielenSiedenLernendendieAnimationohneTonvorundfragenSie,wasdortabgebildetistund welche Musik man unter diese Szene legen könnte. Improvisieren SiegemeinsammitverschiedenenLiedernunddemAkkordeon.
NachihrerBefreiunggehtEstherBejaranonachPalästinaundlässtsichspäterinIsraelalsSopranistin ausbilden. Ab 1959 ist sie Dozentin am Konservatorium Beer‐Sheva. 1960kommt sie mit ihrer Familie in die Bundesrepublik. Sie gibt Konzerte in der jüdischenGemeinde,beginnteinProgrammmitisraelischerundjiddischerFolkloreundwendetsichdannmehr politischen Songs zu. Sie tritt bei den Festivals "Künstler für den Frieden" inHamburg [1981‐1983] u.a. mit Harry Belafonte auf. Das waren damals großeVeranstaltungenderFriedensbewegung,diesichgegendieatomareAufrüstunginEuropaim Kalten Krieg richteten. Esther Bejarano ist Mitbegründerin und Vorsitzende desAuschwitz‐Komitees und erhielt 2004 die Carl‐von Ossietzky‐Medaille und 2008 dasBundesverdienstkreuz. Dabei dient Musik ihr als Mittel sich mit der Vergangenheitauseinanderzusetzen:
"Musik hat mir geholfen, einen bestimmten Zweck zu verfolgen. Ich wollte, dass die Menschen wissen, was damals passiert ist. Wenn man das mit Musik macht, hat man die Chance, nicht nur Gleichgesinnte zu gewinnen, sondern auch Menschen, die nicht so genau Bescheid wissen. Und das ist uns zum großen Teil auch gelungen."19
Idee zur Diskussion: Weswegen heißt die aktuelle CD der Bejaranos und derMicrophoneMafia„PerlaVita“[FürdasLeben]?Wasdenktihr:GelingtesmitMusikauchMenschenfüreineSachezugewinnen,vondersievielleichtnochnicht so viel wissen? Was gibt es für andere Beispiele für den „politischenSong“?
Seitnunmehr20JahrenmachtsiezusammenmitihrenKinderninderBandCoincidenceMusik. Die noch in Israel geborenen Kinder Edna und Joram Bejarano, mit denen siegemeinsam1960wiedernachDeutschlandzurückkehrte,tretenihrmusikalischeErbean:EdnaBejaranogründete1988dieBandCoincidence,dievorallemLiederausdenjüdischenGhettoswährenddesNationalsozialismusinterpretiert,seit1992istauchJoramBejaranoindieserFamilienbanddabei.SiebeidearbeitenalsprofessionelleMusiker:Ednawaru.a.LeadsängerinderBand„TheRattles“,JoramarbeitetalsAuftragskomponist.
19EstherBejaranoimOktober2005imAJZDessau
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Im HipHop zu Hause
Die Musiker von derMicrophone Mafia wuchsen als Kinder von Arbeitsmigranten imKölnerArbeiterstadtteilFlittardauf.DieBandmitglieder,sowiesiejetztzusammenMusikmachen,kennensichschonausihrerSchulzeit.KutluYurtsevensagtineinemInterview20:„HipHop und Rap waren damals eine Art von Pionierarbeit: wir waren eine Minderheit in der Minderheit und wurden als Rapper erst belächelt. HipHop war wie gemacht für Jugendliche wie uns, die finanziell nicht viel investieren mussten. Es kam vielmehr darauf an, was man kann und macht. Auf einmal gab es eine eigene Jugendkultur. Das Grundgefühl war ein Zusammenhalt in der Community: Besonders für Jugendliche mit migrantischem Hintergrund war es ein Mittel, um ausdrücken, dass wir zwischen zwei Kulturen lebten. Im Grunde war HipHop damals zu einer Zeit ohne Internet ein Mittel zur Verständigung von Jugendlichen in der ganzen Welt. Wir waren zum Beispiel auf einem Jam in München und auf einmal standen Jugendliche aus Australien vor der Bühne. Mit HipHop war man nicht mehr in der türkischen oder deutschen Kultur gefangen, sondern es gab eine eigene Jugendkultur.“
Microphone Mafia haben sich immer in politische Diskurse eingemischt. Als nach derWiedervereinigungbeidenrechtsextremenBrandanschlägeninMölln[1992]undSolingen[1993] [siehe MODUL 3] Menschen ermordet wurden – sandten sie mit ihrem Song„Insanlar“ [Menschen; 1993] eine deutliche Message an eine Gesellschaft, die einrassistisches Klima hervorbringt, in dem Menschen andere Menschen verfolgen undumbringen. Die Mehrheitsgesellschaft reagierte auf das politische Engagement vonMicrophone Mafia durch Vereinnahmung. Weil sie mehrsprachig gegen Rassismus undüber andere politischen Themen rappten und sich außerdem auf ihren Hintergrund alsKinderderArbeitsmigrantenbezogen,wurdensieab1993alsAushängeschildfürunzähligemultikulturelleVeranstaltungengehandelt.FürihrendeutschsprachigenVideoclip„HandinHand“undihrenEinsatzerhieltdieMicrophoneMafiadenCivic‐Preis.
DurchihrenErfolgglaubtedieGruppe,dassdieMediennunendlichfürkritischereTönebereitseien:
„Wir dachten, wir könnten jetzt auf Türkisch rappen, auf Deutsch, Italienisch, Englisch, egal, die Leute sind offen“, erzählt Kutlu. „Und was kommt? Wir machen unseren ersten Song „No!“21, wo kein Wort Deutsch drin vorkommt, wo alle zuerst gesagt haben: ‚Toll, ihr lasst ja euren Lyrics einfach freien Lauf, egal in welcher Sprache‘. Aber Viva hat das mit der Begründung abgelehnt, dass da keine deutschen Reime gekickt werden. Das war 1994“.22
DieseErfahrungenhieltenKutluYurtsevennichtdavonab,HipHopalsMediumzunutzen,umsichmitderpersönlichenundderhistorischenVergangenheitzubeschäftigen.ImFilmPER LA VITA erzählt er, dass er ohne die Musik wahrscheinlich nie über seinen Vaternachgedacht hätte, der in den 1970er Jahren bei Ford für bessere Arbeitsbedingungengestreikthat[sieheMODUL3].
20http://npd‐blog.info/2010/01/28/esther‐bejarano‐microphone‐mafia‐100/.21EinenAusschnittdesVideos„No!“gibtesimDokumentarfilmPERLAVITAzusehen.22In:Güngör,Murat/Loh,Hannes,FearofaKanakPlanet.HipHopzwischenWeltkulturundNazi‐Rap.Österreich,Höfenhannibal2002,S.178.
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Das Musikprojekt „Per la Vita“
Microphone Mafia hat seit ihren frühen Jahren in zahlreichen Bandkooperationen,meistensmitanderenHipHop‐Bandsgearbeitet.Coincidence,dieBandderBejaranosfälltdamusikalischausdemRahmen.KutluYurtsevensagtdazu:
„Die wenigsten glauben mir, wenn ich sage, dass es wirklich überhaupt kein Problem war. Nachdem die übliche Frage nach dem Wie geklärt war, haben alle Beteiligten, also die Mafia und die Bejaranos, das Projekt als Herausforderung betrachtet. Musikalisch hätte das alles aber überhaupt keinen Wert, wenn es nicht auch menschlich so gut geklappt hätte. Bei der Zusammenarbeit haben sich wirklich Menschen getroffen, die sich mögen und rein zufällig auch Musik machen. Und dadurch sind unsere gemeinsamen Konzerte auch sehr ehrlich und sehr bewegend, wenn sie auch manchmal schwer verdaulich sind.“
Nicht nur die Liebe zur Musik verbindet also diese Menschen: Es gibt auch noch diegemeinsameIdeemitMusiketwasverändernzukönnenundnichtzuletzttreffensichdiebeiden Bands in der Vielsprachigkeit, in der sie Musik machen. Jetzt sampeln dieMicrophoneMafiadiejiddisch‐,ladino‐,hebräisch‐,griechisch‐,türkisch‐,französisch‐unddeutschsprachigen Lieder der Bejaranos und steuern selber noch Italienisch dazu bei.Zusammen bringen sie es nun aufachtverschiedene Sprachen. DieseGemeinsamkeitenhelfenauchUnterschiedezuüberwinden:SosinddieBejaranoszunächstgarkeineHipHop‐Fansgewesen–trotzdemarbeitensiejetztmitHipHopperndererstenStundezusammen.Alle diese Erfahrungen der sechs Musiker und Musikerinnen, die die verschiedenenBausteineihrerEntwicklungundihrerSelbstdarstellungausmachen,verarbeitensiekreativinihrerMusik–eineinteressanteVerbindung,diewirzusammenherausarbeitenwollen!
Aufgabe zur Filmsicherung: Was hat Musik mit unserem Leben zu tun?
AufgabemitBeobachtungsaufträgenundRollenkartenzudeneinzelnenMusikerinnenundMusikern.Ziel:DieZuschauerlernendieProtagonistinnenundProtagonistendesFilmskennen,indemsiedieVerknüpfungvonMusikundBiografieinderSelbstdarstellungderMusikerinnenundMusikerherausarbeiten.
Zeit: 145 min.:Arbeitsaufträgevor der Filmsichtungverteilen[10min.],Filmsichtung[60min],ErarbeitungsphaseinGruppen[30min.]AuswertungundPräsentation[45min.]
Arbeitsaufträge
a) BildetzujeeinemderMusikerinnenundMusikerzusammenmitanderenTeilnehmerInneneineExpertengruppe:EstherBejarano,EdnaBejarano,JoramBejarano,KutluYurtseven,RossiPennino.
b) BeobachtetdieMusikerinnenundMusikerwährenddesFilmsundstelltwichtige
biografische EreignisseunddieRolle von MusikinihremLebendar.NotierteinZitat,daseuchalstypischfüreureMusikerin/eurenMusikererscheint.PräsentiertsienachderFilmsichtungineinerRollenkarte mit Kurzvortrag.
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ArbeitetdieVerknüpfung von Biografie und Musik unddieBedeutung von MusikinihremLebensowieThemen von Songsheraus.DieseFragenkönneneuchdabeihelfen:• WiekamensiezurMusik?• WelcheRollespieltMusikinihremLeben?• WelcheArtvonMusikmachensie?• WasmöchtensiemitMusikerreichen?• WelcheThemen&Inhaltesindihnenwichtig?• Musik:UnterhaltendesoderpolitischesMedium?
Hintergrundinformation: Musikalische Zwangsarbeit von Esther Bejarano im Mädchenorchester Auschwitz‐Birkenau
VomApril1943bis1.November1944existierteimFrauenlagerdesKonzentrationslagersAuschwitz‐Birkenau das sogenannte „Mädchenorchester“. Die Musikkapelle wurde aufInitiativederLagerführer Franz Hößler und Maria Mandlgegründet.IndieserZeitmusstendort inhaftierteFrauen„musikalischeZwangsarbeit“23 leisten.DieOrchesterfrauen, inderMehrzahl Laienmusikerinnen, mussten an sechs Tagen in der Woche mindestens achtStunden täglich üben und auftreten. Esther Bejarano wurde bei der Gründung desOrchestersvondererstenDirigentinZofia Czajkowska,alsAkkordeonistinaufgenommen,ohneüberhauptAkkordeonspielenzukönnen.SiewurdemitdemSong„DuhastGlückbeidenFrau’n,BelAmi“ [Mackeben/Beckmann]geprüftundschildertdieseSituation indemDokumentarfilm [19:41‐21:08 und 21:45‐ 22:40]. Die Musikerinnen wurden zumMärschespielen ans Lagertor abkommandiert. Sie spielten, wenn dieMitgefangenen zurZwangsarbeit aus‐ und abends wieder einmarschierten, spielten in dem sogenanntenHäftlingskrankenbau und wurden zum Spielen bei der Ankunft von Deportationszügengezwungen.DieseErinnerungquältEstherBejaranonochheute[23:25‐24:58].
ImAugust1943spieltendortzusammenmit ihrelf jüdischeundfünfzehnnichtjüdischeFrauen24.SpäterkamenmitanderenTransportenimmerwiederneueMusikerinnenanundEstherBejaranowurdezwangsweiseGitarristinundFlötistin.ImAugust1943wurdeAlmaRosé, Tochter von Arnold Rosé und Nichte Gustav Mahlers, neue Dirigentin und dasOrchesterwurdeauf42Frauenvergrößert.VonderZeitderDirigentschaftvonAlmaRosébekamEstherBejaranoabernurnochdenAnfangmit,denn imOktober1943wurdesienachRavensbrückdeportiert.
Die SS‐Oberaufseherin Maria Mandl, seit Oktober 1942 inoffizielle Leiterin desFrauenlagers Auschwitz‐Birkenau, unterstützte die Errichtung einer besonderen Baracke[LagerabschnittBIbinunmittelbarerNähedesStacheldrahtzaunes]fürdieMusikerinnen.DerBlocktrugdieNummer12,abHerbst1943dieNummer7.DerArbeitsführer MollließEstherBejarano,dieanBauchtyphuserkrankte, indenchristlichenKrankenbauverlegen,wo ihr imGegensatz zum jüdischen Krankenbau auchMedikamente verabreichtwurdenund ermöglichte so ihr Überleben. Esther schildert im Dokumentarfilm aber auch dieandere Seite diesesMusikliebhabers: Sie selber hat mehrmals beobachtet, wie er seinezweiSchäferhundeaufwehrloseFrauenimKonzentrationslagerhetzte[18:48‐19:24].
23Knapp[1996],S.153.24Vgl.ebd.,S.153.
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Josef Kramer, seit Mai 1944 Lagerkommandant, wollte vor allem, dass dieArbeitskommandosimGleichschrittmarschierten,begleitetvomMädchenorchester.AuchwirkteeinOrchestergut,wennhöhergestellteSS‐LeutedasLagerbesichtigten.Ebenfallszuspielen hatte dasOrchester,wenn Transporte nach Auschwitz kamen. DieMusikerinnenstandendannnahederRampe,gekleidetmitblauenFaltenröckenundweißenBlusenundsolltendieMenschenberuhigen.DasOrchester spielte,wenndieTransportzügemitdenDeportierten ankamen und die Selektionen an der Rampe stattfanden. Ein Teil musstedannandemOrchestervorbeigehenzurGaskammer.DieMusikerinnenwussten,dassdieMenschen vergast wurden, die Betroffenen allerdings nicht. Sie mussten auch anSonntagenKonzertegebenundPrivatvorstellungen füreinzelneSS‐Leute zu jederTages‐undNachtzeit,und siehattenbeioffiziellenAnlässenaufzuspielen, z.B.wennauswärtigeGästedasLager inspizierten.AufgrausameWeiseverstricktedieSSsomitdieMusikunddie Musikerinnen in ihren Vernichtungsapparat. Die funktionale Bedeutung der Kapelleinnerhalb des Vernichtungsprozesses im Konzertrationslager wechselte vermutlich zuverschiedenen Zeiten. Die Marschmusik erfüllte beispielsweise am Lagertor mehrereFunktionen: „Sie diente der Bewegungskoordination der Arbeitskolonnen und damit derArbeitserleichterungderSS.BeidenSS‐Aufseherinnen,derenAufgabeeswar,erschöpfteund damit `arbeitsunfähige` Häftlingsfrauen auszusondern und zu töten, wurde durchMusikdieGewaltbereitschaftgefördert,eswurdeninnereBlockadenabgebaut,diesieander Verrichtung ihrer Aufgaben hätten hindern können. Die Musik untermalte eineSituation, in der die SSMacht und Ohnmacht inszenierte. […] Die Gefangenen erlebtendurch Musik ihre absolute Ohnmacht und wurden moralisch zermürbt.“25.ZusammenfassendschreibtKnappzurFunktionderOrchesterindenKonzentrationslagern:„Hannah Arendt [1958] hat die Konzentrationslager als Laboratorien der Gewaltbezeichnet. Musik war ein fester Bestandteil des Laboratoriums Auschwitz. Musik übteseelischeundkörperlicheGewaltaus,akustischeGewalt,derHunderttausendevonOpfernwehrlos ausgeliefert waren. Sie war kein sinnloser Luxus einzelner SS‐Leute, keinüberflüssigesElementimLageralltag,sonderneinunverzichtbaresMittel,umMenschenzuterrorisierenundzuvernichten.“26.
DasFrauenorchesterwaraberfürdieMusikerinnenoftdieeinzigeMöglichkeit,unterdenBedingungen des Konzentrationslagers am Leben zu bleiben: „Tatsachlich räumenehemalige Insassen derMusik einen großen Stellenwert für das geistige Überleben ein.Heimlich gesungene, von der SS verbotene Lieder oder heimliche Konzerte fürMitgefangenegabenHoffnungundstärktendenÜberlebenswillen.AleksanderKulisiewicz,Überlebender mehrerer Lager, betrachtete die von Häftlingen verfaßten Lieder alsAusdruckihrerpsychischenSelbstverteidigung.“27.
25Knapp[1996],S.156.26Ebd.,S.166.27Ebd.,S.149.
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Das Mädchenorchester: Fragen zur Weiterarbeit in Expertengruppen
RecherchiertzudenfolgendenFragenundpräsentierteureErgebnisseinFormeinesKurzvortragesmiteinemLernposterodereinerPower‐Point‐Präsentation.
1. RecherchiertinderBiografievonEstherBejaranofolgendeFragen:
ÜberwelchenZeitraumwarEstherBejaranoimMädchenorchester?WiesahderAlltagderMusikerinnendesMädchenorchestersaus?
[Literatur:EstherBejarano/BirgitGärtner[2004]:Wirlebentrotzdem–EstherBejarano–vomMädchenorchesterinAuschwitzzurKünstlerinfürdenFrieden,Bonn:Pahl‐Rugenstein‐Verlag].
2. Obwohl Esther Bejarano keine körperliche Schwerstarbeit leisten musste, wie diemeistenHäftlinge,bezeichnetsieimFilmPERLAVITAihreArbeitimMädchenorchesterals „das Schrecklichste, was mir passiert ist in Auschwitz“. Seht euch das Interview[23:25‐24:58] nochmal an und kontextualisiert ihre Aussage: Worüber spricht siegenau?
3. Was waren die Aufgaben des Orchesters im Konzentrationslager? Inwiefern spiegeltsich in der Funktionalisierung von Musik im Konzentrationslager die national‐sozialistische Herrschafts‐ und Vernichtungspolitik? Arbeitet dazumit dem o. a. TextüberdasMädchenorchester.
4. Esther Bejaranomusste zur Aufnahme in dasOrchester den deutschen Schlager „DuhastGlückbeidenFrau´n,BelAmi“[TextvonHansFritzBeckmannnachderMelodievon Theo Mackeben, gesungen von Willi Forst 193928] spielen. Recherchiert denHintergrund dieses Liedes und seines Komponisten.29 Welche Funktion hatte dieseUnterhaltungsmusikimNationalsozialismus?
5. Welche Musik wurde im Konzentrationslager gespielt? Wird dies durch Noten,Instrumente,Konzertprogramme,Fotos,Zeichnungen,Erinnerungsberichteüberliefert?WieverändertesichdasMusikprogrammwährendderZeit,diedasOrchesterexistierteundwarum?RecherchiertindenLiteraturhinweisen.
6. Sucht in den Songs von Coincidence nach Liedern, die thematisch etwas mit EstherBejaranosBiografiezutunhaben.AufwelcheWeisesetztsichEstherBejaranoheuteinihrerMusikmitihrerVergangenheitauseinander?
7. InderHintergrundinformation zumMädchenorchester inAuschwitz‐BirkenauwerdendreiSS‐Tätergenannt.Wieheißensie?WelcheInformationenerhaltenwirübereinenvonihnenimFilm?RecherchiertihreBiografieundfindetheraus,obsienach1945zurVerantwortunggezogenwurden!30
28DasLiedkönntihranhörenunter:http://www.youtube.com/watch?v=bAKTPlJD9hA.29„BelAmi“alsFilmmusikausdemNS‐Unterhaltungskino[BelAmi,RegieWilliForst1939].30Mandelwurdeam22.12.47inPolenzumTodeverurteilt[vgl.Bejarano/Gärtner2004:85,nachGudrunSchwarz1997:188].
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Literaturhinweise zum Weiterlesen
Knapp,Gabriele[1996]:“BefohleneMusik".MusikundMusikmißbrauchimFrauenlagervonAuschwitz‐Birkenau,Source:ActaMusicologica,Vol.68,Fasc.2[Jul.‐Dec.,1996],pp.149‐166Publishedby:InternationalMusicologicalSocietyStableURL:http://www.jstor.org/stable/932775Accessed:14/06/200911:07.EstherBejarano/BirgitGärtner[2004]:Wirlebentrotzdem–EstherBejarano–vomMädchenorchesterinAuschwitzzurKünstlerinfürdenFrieden,Bonn:Pahl‐Rugenstein‐Verlag.AnitaLasker‐Wallfisch[2000]:IhrsolltdieWahrheiterben.DieCellistinvonAuschwitz.Erinnerungen.MiteinemVorwortvonKlausHarpprecht.252Seiten,Reinbek:Rowohlt‐Verlag.FaniaFénelon[1981]:DasMädchenorchesterinAuschwitz,München:dtv,München.
Die Songs aus dem Film
„Bei den Bejaranos ist es wie bei uns – die Erfahrungen, das Leben, fließen in die Musik ein.“ Kutlu Yurtseven beschreibt in seinem Zitat die Gemeinsamkeiten zwischen derMicrophoneMafiaundderMusikderBejarano.WennMicrophoneMafiaalsoSongsderBejaranos aufgreifen, die Texte umschreiben und als HipHop‐Versionen sampeln, dannspinnen sie dieses „Storytelling“ weiter mit dem Wissen um die lange Geschichte vonMusikalsMediumdesErfahrungstransferszwischendenGenerationen.Neuartig ist,dasssiedenSongsihreeigeneInterpretationhinzufügen–indenTextenundinderMusik.ImfolgendenModulsollesdarumgehen,zweiSongszuvergleichen,die imZusammenhangmit Esther Bejaranos Biografie als verfolgte Jüdin im Nationalsozialismus stehen: „DieBallade von der „Judenhure“ Marie Sanders [Brecht/Eisler]31 und „Zu ejns, zwej, draj“[Brecht/Rosenthal].Essolluntersuchtwerden,wassichbeiderTransformationderStückeveränderthat.
Die Ballade von der „Judenhure“ Marie Sanders
DieBalladevonder„Judenhure“MarieSanders schriebBertoltBrecht im Jahr1935 imExil als Reaktion auf die von den Nazis erlassenen Nürnberger Gesetze, mit denen dieAusgrenzung und Verfolgung der Jüdinnen und Juden in Nazi‐Deutschland rechtlichfestgeschriebenwurde.DasLiedwurdeimgleichenJahrvonHannsEislervertont.
31Die Ballade von der „Judenhure“ Marie Sanders istnichtimDokumentarfilmPERLAVITAzuhören,aberaufdemgleichnamigenAlbum„PerlaVita“[MicrophoneMafia&Bejaranos]unterdemTitel„BalladederverhasstenLiebe“zufinden.DieOriginalversion[Brecht/Eisler]findetsichaufdemAlbum„Liderfarslebn–LiederfürdasLeben“vonCoincidence.
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Die Ballade von der „Judenhure“ Marie Sanders [Coincidence; 1995] InNürnbergmachtensieeinGesetz,darüberweintemanchesWeib,dasmitdemfalschenMannimBettelag.„DasFleischschlägtaufindenVorstädten,dieTrommelnschlagenmitMacht,GottimHimmel,wennsieetwasvorhätten,wär‘esheuteNacht“.MarieSanders,deinGeliebterhatzuschwarzesHaar.Besser,dubistheutzuihmnichtmehrWieduzuihmgesternwarst.„DasFleischschlägtaufindenVorstädten,dieTrommelnschlagenmitMacht,GottimHimmel,wennsieetwasvorhätten,wär‘esheuteNacht“.MuttergibtmirdenSchlüssel,esisthalbsoschlimm.DerMondschautauswieimmer.„DasFleischschlägtaufindenVorstädten,dieTrommelnschlagenmitMacht,GottimHimmel,wennsieetwasvorhätten,wär‘esheuteNacht“.EinesMorgensfrühumneunFuhrsiedurchdieStadtimHemd,umdenHalseinSchild,dasHaargeschoren.DieGassejohlte.Sieblicktekalt.DasFleischschlägtaufindenVorstädten,derStreicher32redetheutNacht.GroßerGott,wennsieeinOhrhätten,wüsstensie,wasmanmitihnenmacht.
Die Ballade von der verhassten Liebe [Per la Vita; 2009] Strophe 1 – Kutlu Yurtseven HasswirdzuRechtperGesetzsiesindseelenlosAngstwirdverbreitetruchlos,TatenschonungslosGesichterkaltverzerrtihreHerzensindleerLiebewirdbestraftsuhlensichimBlutmeerSinddemTeufelverschriebenimNamenderEhreWassieStolznennenverbreitetVerwüstungundLeereSiehassenunswofürwirlebenundstehenVerweigernunsdieWeltmitunserenAugenzusehenSielügenundblendenundsperrenunseinSiekönnenunsnichtfangenunsereLiebeistfreiUnsereHerzenvereintfürsieeinMakelJagenunsdurchStraßen,umunszumakelnRefrain – Esther Bejarano DasFleischschlägtaufindenVorstädtenDieTrommelnschlagenmitMachtGottimHimmel,wennsieetwasvorhättenWär’esheute,heutNachtStrophe 2 – Rossi Pennino IchhasseeuerGesetz,ichhasseeuerGeschwätzHierwerdenMenschengehetztundwerdenschwerverletztGetriebenwieViehzusammengepferchtUmzuzeigendassOrdnungindiesemLandeherrschtWerherrschtgewinnt,wernichthörtverliertWerzerstörtundnimmt,derprofitiertWerNächstenliebesucht,weitgefehltWerLiebemischt,dagibteseinenSchießbefehlOhKinderlauftmitzweierleiBlutimLeibVerstecktEuchwoIhrseid,obMannobWeibDennbraunerSchneefälltundbedecktdasLandTiefeNarbenwerdenindieHerzengebranntRefrain – Esther Bejarano DasFleischschlägtaufindenVorstädtenDieTrommelnschlagenmitMachtGottimHimmel,wennsieetwasvorhättenWär’esheute,heutNachtStrophe 3 – Rossi Pennino und Kutlu Yurtseven LassdichnichtmitdemFalscheneinDenneskönnteeinFremderseinMitblasserHautundschwarzemHaarWeißnichtwohinundwoseineHeimatwarÜbersetzung des türkischen Textes WersichmitdemHassschlafenlegt,stehtmit
32JuliusStreicherwarHerausgeberdesantisemitischenHetzblattes„DerStürmer“.
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demTodaufMenschlichkeitimSterbebett,zuvieleSeelenleidenFürsogenanntesRechtwerdenLebengenommenWassieRechtnennenverdunkeltdieseWeltRefrain – Esther Bejarano DasFleischschlägtaufindenVorstädtenDieTrommelnschlagenmitMachtGottimHimmel,wennsieetwasvorhättenWär’esheute,heutNacht
Recherchiert in Arbeitsgruppen
AG 1 Historischer Kontext:
1. WaswarderInhaltder„NürnbergerGesetze“von1935?RecherchiertdensukzessivenrechtlichenAusgrenzungsprozessderNS‐Gesetzgebung.WelcheBedeutunghattendieNürnbergerGesetzedarin?
[Literatur:RaulHilberg[1999]:,DieVernichtungdereuropäischenJuden,3.Bd.9.durchges.underw.Ausg.,Frankfurta.M.].
2. HörtdieSongsundlestdieLyricsdazu.Worankannmanerkennen,inwelcherZeitsiespielen?WasverschiebtsichinderhistorischenKontextualisierungvonderCoincidencezurPerlaVita‐Version?
Hinweis zur Weiterarbeit zu antijüdischer Gesetzgbung im Nationalsozialismus
• Vgl.auchMODUL1:EstherBejaranoerzähltimInterviewimFilmPERLAVITAwie sie als Jugendliche von staatlicher Ausgrenzungspolitik betroffen war[0:15:19‐0:16:36]. Seht euch den Interviewausschnitt an und recherchiert dieGesetze und Verordnungen, die sie erwähnt sowie deren Bedeutung imEntrechtungsprozess für Jüdinnen und Juden im nationalsozialistischenDeutschland.
• EineÜbersicht zu antijüdischer Gesetzgebung zwischen 1933 bis 1939istdownloadbarinden„Bausteinenzurnicht‐rassistischenBildungsarbeit.Downloadbarunter:http://baustein.dgb‐bwt.de/PDF/C2‐RechtlicheAusgrenzung.pdf
• UnterdergleichenAdressegibteseineMethode zur Auseinandersetzung mit rechtlicher Ausgrenzung während des Nationalsozialismus. Downloadbarunter:http://baustein.dgb‐bwt.de/PDF/C2‐RechtlicheAusgrenzung.pdf
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AG 2:Literarische Analyse
1. RecherchiertdieliterarischeBiografievonBertoltBrecht.InwelchemRahmenerschiendie„Balladevonder‚Judenhure‘MarieSanders“?WaszeichnetdenSongals„Ballade“aus?
2. HörtdiebeidenSongsvonCoincidence[1995]undvonBejaranos&MicrophoneMafia[2008]anundnotiertzujedemSong,wieeraufeuchwirktundwelcheBildererineuchweckt.WorausgewinnendieSongsjeweilsihreStärke?
3. VergleichderLyrics&MusikinArbeitsgruppen
Inhalt:
• WelcheNS‐Organisationistgemeint,wennBertoltBrechtdichtet:„DasFleischschlägtaufindenVorstädten...“?
• WiewerdendieTäterbeiBrecht[1935],wieimTextvonBejaranos&MicrophoneMafia[2009]dargestellt?
• WelcheGemeinsamkeitengibteszwischendenLyricsderSongs?Wounterscheidensiesich–undinwiefernbringenMicrophoneMafiadieretrospektivePerspektive,ihrWissenumdieShoah,inihrenTextein?33
Form:
• SindbeideStückeBalladenoderhateineVerschiebungstattgefunden?34Rhymes:WiereimtBrechtundwiereimendieMicrophoneMafia?FindetdenRhythmus,denFlowderbeidenSongsheraus35.
Song „Zu eins, zwej, draj“
Der Songwird vonRossi PenninoundKutlu Yurtseven aufDeutsch gerapptundEstherBejarano singt den Refrain in jiddischer Sprache. Über 90 % der sechs Millionenermordeten Juden sprachen Jiddisch, die Sprache der meisten osteuropäischen Juden.Auchder jüdischeWiderstand fandvorallem inOsteuropa statt.DieMelodiedes Liedeswurdeursprünglich1934vonHannsEislerkomponiert.BertoltBrechtschriebdenTextdesin vielen Sprachen der Welt gesungenen »Arbeiterfrontliedes«. Es war zunächst an diedeutsche Arbeiterbewegung gerichtetmit dem Ziel, dafür zu kämpfen, dass derMensch„unter sich keine Sklavenwill und über sich keine Herren“. Der jiddische Text „Zu ejns,zwej, draj“ wurde von Lejb Rosenthal geschrieben und wurde zur Hymne der jüdischen
33Parallelen:Fleisch/Blutmeer:VorgriffaufDeportationen:GetriebenwieViehzusammengepfercht/OhKinderlauftmitzweierleiBlutimLeib:ErweiterungaufKindergeneration.Entkontextualisierung:beiBrechtfängtesanmit„InNürnbergmachtensieeinGesetz“34Ballade:epischesGedicht/Gedicht,daseineHandlungsentwicklungerzählt.DerepischeCharakterbeiMicrophoneMafiawenigerstark,DialogszeneMutter‐Tochterverschwunden.35EineguteÜbersichtüberReimtypeninderLyrikundimHipHopgibtesin:Loh,Hannes/Verlan,Sascha[2000]:ArbeitsbuchHipHop.RaplyrikerundReimkrieger.EinArbeitsbuchfürdieSekundarstufen,Mülheim:VerlaganderRuhr,S.109f.
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Partisanen‐OrganisationFPO[FareinigtePartizanerOrganizacje]imWilnaerGhetto[GhettovonVilnius]währenddesZweitenWeltkriegs36.
Idee zur WeiterarbeitEinige Worte aus dem Jiddischen sind leicht zu verstehen, vielleicht könneneinzelne Passagen auch von den Lernenden verstanden werden. VielleichtspielensiedenSongmehrmalsvoroderversuchenSiezurEinführungzunächstbekanntejiddischeBegriffezusammeln,dannfälltdieseÜbungleichter!
Der gerappte deutschsprachige Text des dem Albums „Per la Vita“[2009] erzählt, wieMenschenzurDeportationgesammeltwerden,unddrücktAngst,Schrecken,Ungewissheit,VerzweiflungundvieleandereGefühleaus.ErschildertausderPerspektivederOpferdasVerhalten von Tätern und beschäftigt sich mit dem Gefühl der Machtlosigkeit derDeportierten, geht aber auchauf die traumatischen Folgen solcher Erlebnisse ein.DurcheinigemitdemNationalsozialismusassoziierbareWörterundMetaphern [„Schlachtvieh“,„blauerDunst der in denHimmel steigt“], vor allemaberdurchdieRahmungdurchdenjiddischenRefrainwirdderhistorischeKontextexpliziert.Zu ejns, zwej, draj [Text: Lejb Rosenthal; Widerstandslied der jüdischen Partisanenorganisation FPO] EshatunsdasLebengerufen,DasLebenvonsonnigenTagen.SoistjederimLandfröhlicheinhergeschrittenUndseineneigenenWeggegangen.Zueins,zwei,drei,zueins,zwei,drei,IstmanzurArbeitaufgebrochen.JederSchritthatseinenKlang,jederWegseinenGesang,Wennduweißtwodugehst,undwarum.JetztsindunsdieGehsteigeverboten,wennauchandredortfreigehendürfen.Undwir–sehtnurher!–gehenaufdemsteinigenPflasterUntereisernenKnüppelschlägen.Zueins,zwei,drei,zueins,zwei,dreiHatmanunsnurdasPflastergelassen.DerSchritthatsoeinenKlang,einenganzanderenGesangWenndugehst,undduweißtnichtwarum.EshabenJungundAltDasLebenaufgebautundgehofft,BissoeinSchwertallesvonderErdefegteUndmanunswieSchafegetriebenhat.Zueins,zwei,drei,zueins,zwei,dreiSindwirwiedieSchafegegangenWoistdeineFrau?WoistdeinKind?WosindalleAngehörigen?
Ejns, zwej, draj [Per la Vita, 2008] Kutlu Yurtseven WirsindaufgereihtwieViehIchhabeAngstwienochnie.SucheFrauundKind,ohbittesagmir,wosindsieUmmichMenschenvollerAngst,ichsehverzweifelteMinen.Schergen,dieunswieSchlachtviehausunserenHäusernziehn.EsisthellichterTagDochesherrschtumunsFinsternisUnsereVerzweiflungnehmensieKaltlächelndzurKenntnis.WogesternKinderspielten,datanztheutederTodDawogesterndieSonneschien,istderHimmelblutrotStummunderstarrtstehenwirinunserenReihenIchhörestummeSchreie,ichhöreWimmernundWeinen,DennmirzitterndieBeine.DannderBefehlzumMarschierenFragendeBlicke,waswirdmitunsallenpassieren?WirerreichendenBahnhof,ichhöredieZüge,SpürdieResignation,wieichmichmeinenMördernfüge...Refrain – Esther Bejarano [Übersetzung aus dem Jiddischen] Zueins,zwei,drei,zueins,zwei,drei
36BenjaminOrtmeyer[Hg.]:JiddischeLiedergegendieNazis.In:http://www.uni‐frankfurt.de/fb/fb04/personen/ortmeyer.html
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Keinerweiß,wohinundwarum.DochBruder,einandererRhythmusWirdinunsereOhrendringen,werheutenochversklavtist,wirdinunserenReihemitgehen.Zueins,zwei,drei,zueins,zwei,drei,DieGhettos,dieGassenverlasst!JederTritthatseinenKlang,docheinenanderenGesang,Wennduweißtwohindugehstundwofür[Quelle:BenjaminOrtmeyer[Hg.]:JiddischeLiedergegendieNazis.In:http://www.uni‐frankfurt.de/fb/fb04/personen/ortmeyer.html]
MantreibtunsmitKnüppelnsooftWoistdeineFrau?WodeinKind?WodeinganzesGesind?Keinerweiß,wohinundwarum. Rossi Pennino Nalos,zackzack,inReihundGliedmitSackundPackaufderStraßeaufgestellt,Manchewarennochhalbnackt.Traumatisiert,dasLebenscheintleerzuseinIchwürdemichgernwehren,dochesfälltmirschwerzuschreinBinwiegelähmt,siehabenunsgetriebenindieNachthinein.KeineZeitumzutrauern,keineZeitumzuwein‘.RettesichwerkannvordiesenhasserfülltenKreaturenEssindBestien,diehetzenohnesichauszuruhn.BlauerDunststeigtindenHimmel,gnadenloseStille.DashieristPerlaVita,undwassiegtdasistderWille.Refrain – Esther Bejarano [Übersetzung aus dem Jiddischen] Zueins,zwei,drei,zueins,zwei,dreiMantreibtunsmitKnüppelnsooftWoistdeineFrau?WoistdeinKind?WodeinganzesGesind?Keinerweiß,wohinundwarum.EshabenJungundAltdasLebenaufgebautundgehofft,bissoeinSchwertallesvonderErdefegteUndmanunswieSchafegetriebenhat.
AG 1 Historischer Kontext
• RecherchiertdieGeschichtederJüdinnenundJudeninVilnius[Wilna]währenddes ZweitenWeltkrieges. Sammelt insbesondere Informationen zumAlltag imGhettoundzuder jüdischenPartisanenorganisationFPO[FareinigtePartizanerOrganizacje].
AG 2 Text und Melodie des jiddischen Widerstandsliedes
• Der Song wurde ursprünglich von Brecht/Eisler als „Lied derArbeitereinheitsfront“ vertont. Stellt Vermutungen an, warum Lejb RosenthaldiesenSonginTextundMelodiealsGrundlagefürdenjüdischenWiderstandimGhettovonVilniuswählte.
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AG 3: Die Weitergabe von Geschichte im Sampling
• HörtdasWiderstandsliedund lestdenText.StelltdannVermutungendarüberan,warumMicrophoneMafiageradedieseSongssampelte!
• Vergleicht die beiden Songs „Zu ejns, zwej, draj“ von Rosenthal und vonBejaranos&MicrophoneMafia.Washat sich inderaktuellenHipHop‐Versionverändert?
Kutlu Yurtseven erklärt im Film PER LA VITA, dass er Esther Bejarano nicht zu ihrerVergangenheitbefragt,sondernihrnurdieeineFragegestellthabe,wiesiedanachweiterMusikmachenkonnte.AlsMicrophoneMafiadieLyricszu„Zuejns,zwej,draj“schrieben,verarbeitetensieeinThema,dasEstherBejaranoinähnlicherFormselbsterlebenmusste.Dasheißt,siehabenversucht, ihrePerspektivezuübernehmen,alssieeinenSongfürsieschrieben.
• Untersucht den Song darauf, welche Erzählperspektive darin eingenommenwird.Werspricht?
• InwelcherWeisewirddasGeschehenvermittelt:berichtendoderszenischalsDialog? Welche Wirkung erzeugt diese Erzählweise eines historischenGeschehens?
• MitwemidentifiziertsichderZuhörerunddurchwelcheErzählmittelwirddaserreicht?
• Diskutiert, ob der Song es euch als Zuhörern möglich macht, sich diesehistorischeSituationvorzustellen
Hinweis: Weitere Songs von dem Album „Per la Vita“ [MicrophoneMafia & Bejaranos]findetihrimAnhang.
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Hintergrundinformation zu HipHop – „Mit HipHop war man mehr in der türkischen oder deutschen Kultur gefangen, sondern es gab eine eigene Jugendkultur.“ [Kutlu Yurtseven 2010] KutluYurtsevenerzählt ineinem InterviewausdemJahr2009überdieEntstehungdesHipHop undweshalb das Prinzip des „Storytelling“ seinerMeinung nach die VerbindungzwischenMicrophoneMafiaundderMusikderBejaranosdarstelle: „1979 ist ja die erste HipHop‐Platte aufgenommen worden von der Sugarhill Gang. Die Sache ist die, HipHop ist Anfang der 70er Jahre in der Bronx entstanden und es ist ja nicht von ungefähr entstanden. Es hat ja schon eine kulturelle Verwurzelung in der afrikanischen Kultur gehabt. Sprich, was ist passiert? Die afrikanisch‐amerikanischen Jugendlichen kommen nicht in Discos rein und haben dafür ihre Block‐Parties gemacht. Irgendwann kam Kool DJ Herc auf die Idee: „Hey, die tanzen immer an einer Stelle am meisten, bei dem Breakbeat“. Er hat sich zwei Plattenspieler genommen und hat diese Stelle immer wiederholt. Dann haben aber die Leute nur zugekuckt und nicht mehr getanzt und das ist schlimm für ’nen DJ. Er hat dann einen gerufen, den MC, der die Leute zum Tanzen animiert hat, und der fing dann an in Reimform den Leuten was vorzurappen. Und das hat auch in der afrikanischen Kultur seine Wurzeln und in der türkischen Kultur. Diese Reimsprache gab’s ja schon Jahrtausende, auch in der jüdischen Kultur ist dieses Storytelling verbreitet, diese Art Geschichten zu erzählen. Und ich glaube, das ist auch der kleinste gemeinsame Nenner zu der Musik von Coincidence. Man erzählt irgendetwas. Nur die Art und Weise ist anders. Rap zum Beispiel entsteht alleine schon daraus, dass man aus verschiedenen Elementen einen eigenen Song macht und dabei auch oft sampelt – so wie wir das mit dem Album von Coincidence gemacht haben.“
Aufgaben zu HipHop
Kutlu Yurtseven erzählt im Interview von den Ursprüngen des HipHop in den USA.RecherchiertinArbeitsgruppendieweitereEntwicklungdesHipHop.
AG 1: Geschichte des HipHop allgemein
• Welche verschiedenenmusikalischen und inhaltlichen Strömungen haben sich imHipHopentwickelt? FindetetwasüberdiewichtigstenBands/DJsund ihre Inhalteheraus.
AG 2: HipHop in Deutschland
• Wie kam der HipHop nach Deutschland? Findet heraus, wie der HipHop inDeutschlandfußgefassthatundwelcheBandsseitdererstenStundedabeiwarenund zu welchen Themen sie damals rappten. [Vgl. auch die Discografie vonMicrophone Mafia im Anhang]37. Wie hat sich der HipHop seitdemweiterentwickelt?
AG 1 und AG2:BringtdiewichtigstenSongsderHipHop‐GeschichteundihreLyricsmitundpräsentiert sie den anderen.Waswar an diesen Songs oder ihrenBands dasNeuartige?
37GuteHintergrundinfosauchin:Güngör/Loh[2002]undfürdiedidaktischeArbeitmitUnterrichtsmaterials.Loh/Verlan[2000],S.25‐51.
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Stellt dabei die unterschiedlichen Strömungen und Entwicklungen wie in einenStammbaumdesHipHopdar.
AG 3: HipHop als persönliches und politisches Ausdrucksmittel
• KutluYurtsevenerzählt im InterviewvondenGründen,warumersich fürHipHopbegeistert. Lest sein Interview38 und recherchiert die Gründe inhaltlicher,musikalischerundbiografischerArt.SammeltBeispielevonHipHops‐Songs,diefüreuchdieMöglichkeit bieten etwas auszudrücken, Kritik zu äußern, und gehört zuwerden.BringtdieLyricsmit,stelltdieSongsdenanderenvorundbegründet,wasihrandeneinzelnenSongsgutfindet.
AG 4: Und was ist eigentlich das Besondere, Einzigartige an HipHop?
• Findetheraus,wasdenHipHopvonanderenMusikstilenunterscheidet.Spieltdenanderen Teilnehmenden auch hier Beispiele von besonders gelungenen Rhymes,Flows,witzigenoderabsurdenSprachbildern,klugenTextenetc.vor.
Literaturhinweise zum Weiterlesen HipHop im Deutschunterricht Loh, Hannes/Verlan, Sascha [2000]: Hip Hop – Unterrichtsmaterialien für dieSekundarstufen:Sprechgesang‐RaplyrikerundReimkrieger,MülheimanderRuhr:Verlagan der Ruhr. [Inhaltsangabe: Das Arbeitsbuch untersucht die Rap‐Texte bekannterdeutscherHipHop‐Formationen]. Hintergrundinformationen zum HipHop in Deutschland Loh, Hannes/Verlan, Sascha [2006]: 25 Jahre HipHop in Deutschland:[1980‐2005]AktualisierteAusg.,Höfen:Hannibal.[Inhaltsangabe:DetaillierteGeschichtedesRapund HipHop, Interviews mit Musikern, die die Anfänge dieser einflussreichenJugendbewegunginDeutschlandmitbegründethabenu.a.m.].Güngör,Murat/Loh,Hannes[2002]:FearofaKanakPlanet,HipHopzwischenWeltkulturundNazi‐Rap,Höfen:Hannibal.[Inhaltsangabe:DarstellungderBedeutung,diedieKinderdersogenanntenGastarbeiterbeiderVerbreitungdesHipHopinDeutschlandhatten,vondessenkommerziellemErfolgsieaberweitgehendausgeschlossenblieben].
38http://npd‐blog.info/2010/01/28/esther‐bejarano‐microphone‐mafia‐100/.
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MODUL 3 Rassismus und Antisemitismus in der Mehrheitsgesellschaft.
Hintergründe und Methoden von Esther Rachow und Thomas Klauck
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Hintergrundinformation zu den Mordanschlägen von Mölln und Solingen
Der Mordanschlag von Mölln Bei dem von Neonazis geplanten Mordanschlag auf zwei von türkischen FamilienbewohnteHäuserwurdenam23.November1992dreiMenschengetötet.Diezehn‐undvierzehnjährigenMädchenYelizArslanundAyşeYılmazsowie ihre51‐jährigeGroßmutterBahide Arslan starben in den Flammen. Weitere neun Menschen wurden zum Teillebensgefährlichverletzt.
Der Mordanschlag von Solingen BeidemMordanschlaginSolingenam29.Mai1993wurdenfünfMenschenvonNeonazisgetötet.HülyaGenç[9],GülüstanÖztürk[12]undHaticeGenç[18]kamenindenFlammenums Leben. Gürsün İnce [27] und Saime Genç [4] starben an ihren Verletzungen nacheinemSprungausdemFenster. 17weitereBewohnerInnendesHauseserlitten zumTeillebensgefährlicheVerletzungen.
Die imFilmgenanntenMordanschlägevonSolingenundMöllnreihensich ineineSerievonrassistischenAnschlägenindenfrühen1990erJahrenein39.NebenHoyerswerda40undRostock‐Lichtenhagen41sindsiewichtigerBestandteilmedialerundpolitischerDiskurseumdie Frage nach Einschluss und Ausschluss im gerade wiedervereinigten und nunsouveränenDeutschlandgeworden.
Die Pogrome von Rostock und Hoyerswerda zeichneten sich dadurch aus, dass siemitgroßer Beteiligung der Bevölkerung stattfanden. Die Anwohnerinnen und Anwohnerapplaudierten, behinderten Krankenwagen und Löschfahrzeuge, unterstützten die Täteraktivoderschauteneinfachzu,wieMigrantengejagtundderenWohnungenangezündetwurden.
Die Mordanschläge von Mölln und Solingen sind als solche von Nazis geplant unddurchgeführtworden.SiegeltenalsHöhepunktederzahlreichenAnschläge42,seitherfallenin jedem Jahrmindestens fünfMenschen nazistischen Anschlägen zumOpfer. Seit 2001sinddieZahlenwiederangestiegen.43
Die Erklärungen für den als wiederaufkeimend beschriebenen rassistischen Terrorwurden Anfang der 1990er Jahre häufig in der gerade überwundenen Diktatur der DDRgesucht.EinesderHauptargumentewar,dieextremeRechtefändeinderehemaligenDDR,aufgrund ihrer nicht‐demokratischen Vergangenheit einen besseren Nährboden. Wennauchmit denAnschlägen vonMölln und Solingen diese These entkräftetwar, so suchteman doch weiterhin die Ursachen der rassistischen Gewalt nicht in der eigenenMehrheitsgesellschaft und deren Verfasstheit blieb unhinterfragt. Dabei prägte derpolitische Slogan „Deutschland ist kein Einwanderungsland!“ die derzeitige
39EineausführlicheAuflistung:„Jederistunsdernächste.DokumentationvonausländerfeindlichenundantisemitischenÜbergriffeninderBRD“,BandIüber1991und1992;BandIIüber1993.AktuelleAuflistungenunterwww.mut‐gegen‐rechte‐gewalt.deoderunterhttp://medien‐beobachtung.blogspot.com/.40September1991:mehrtägigeAngriffeaufVertragsarbeiterwohnheimundAsylbewerberheimunterBeifallundUnterstützungdurchAnwohnerinnen.41August1992:mehrtägigeAngriffeaufdieZentraleAufnahmestellefürAsylbewerber.EbenfallsmitgroßerUnterstützungausderBevölkerung.42DasArchivfürSozialpolitikzählte19906,199114,199241und199351MordedurchNazis.43Vgl.www.mut‐gegen‐rechte‐gewalt.de.
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Ausländerpolitik während der 16‐jährigen Amtszeit Helmut Kohls.44 Gegen dieZuwanderung von ArbeitsmigrantInnen, Asylsuchenden und anderen Gruppen wurdenGesetze geschaffen, welche die Situation der MigrantInnen, auch derer, die zu diesemZeitpunktseitmehrerenGenerationinDeutschlandlebten,sukzessiveverschlechterte.DieMedienheiztendasohnehinvorhandenerassistischeKlimaweiterauf, indemsie in ihrerBerichterstattunggegenMigrantInnenundAsylsuchendeanschrieben.ObwohlsichgroßeTeilederBevölkerungnachdenAnschlägenvonMöllnundSolingenbetroffenzeigtenunddemonstrierendaufdieStraßegingen,konnteaufderstaatlich‐institutionellenEbeneeingrundlegender Eingriff ins Grundgesetz beschlossen werden: drei Tage vor demMordanschlag inSolingenwurdedasGrundrechtaufAsylabgeschafft.45DerabgeschaffteArtikel 16 Absatz 2 zur Gewährung von Asyl war nach dem Zweiten Weltkrieg in dasGrundgesetzaufgenommenwordenalsReaktionaufdieNS‐Zeit,inderverfolgteMenschenausDeutschlandinanderenLändernAsylbeantragenkonnten.WährendderursprünglicheArtikel 16 Absatz 2 lautete: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“, so sah das neueGesetzeineVielzahlvonBedingungenvor,dieesquasiunmöglichmachteninDeutschlandpolitischesAsylzubekommen.46
EinweiteresPhänomenindermedialenAuseinandersetzungmitdenAnschlägenwardieEntpolitisierung der Anschläge. Obgleich sie rechtsextremistisch motiviert waren, wurdevonöffentlicherSeitezunächstdieThesevertreten,alkoholisierte,unpolitischeJugendlichehätten die Taten begangen. Dieses verharmlosende Bild des rechtsextrem motiviertenVerbrechenshatsichnichtzuletztdurchdenDruckzehntausenderMenschen,diesichzusogenannten Lichterketten zusammenfanden und demonstrierten, gewandelt. ImZusammenhang mit diesem zivilgesellschaftlichen Engagement setzte sich eine neueSichtweise auf Asylsuchende und MigrantInnen durch. Diese war zwar humanistischgeprägt, nahm aber gleichzeitig eine Trennung zwischen Asylsuchenden und„anständigen“,arbeitendenund integrationsfähigenMigrantInnenvor.DamitwurdeeineEinteilung geschaffen von unerwünschten Asylsuchenden, geduldeten „anständigen“MigrantInnenundderdeutschenMehrheitsgesellschaft.47
SobliebendieAsylsuchendenunddieMigrantInnenweiterhinsichselbstüberlassen.Eswurdefürsieundübersiegesprochen,aberkaummitihnen.IhreAngstvortätlichenundlebensbedrohlichen Attacken war groß. Die Überlebenden der Brandanschläge erhieltenkeineEntschädigung.DieSchmerzensgeldzahlungen,dieindemFalldesSolingerAnschlagsjuristisch verhandelt wurden, erreichten sie nie. Bis heute leiden die Opfer unter denpsychischenundphysischenFolgenderVerbrechen.
44Vgl.dazuUlrichHerbert[2001]:GeschichtederAusländerpolitikinDeutschland:Saisonarbeiter,Zwangsarbeiter,Gastarbeiter,Flüchtlinge,München.45DasneueAsylrechtistmitdenStimmenvonCDU/CSU,SPDundFDPzustandegekommen.46LautBundesamtfürMigrationundFlüchtlingewurden1993322599AnträgeaufAsylgezählt.1994,nachInkrafttretenderVerfassungsänderungundderneuenAsylgesetze,sankdieZahlauf127210.2007warenesnochetwa19000vondenen304positivbeschiedenwurden.47ImFebruar1992befürwortetenlauteinerEmnid‐Umfrage74ProzentderDeutscheneineÄnderungdesGrundgesetzeszwecksBeschneidungdesAsylrechts.Vgl.:„DerSpiegel“8/1992,S.40ff.
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Zeitungskommentar von Deniz Yücel: „Ohne gemeinsame historisches Bewusstsein: Parallelgesellschaften. Ein traumatisches Generatonserlebnis“ Tageszeitung[TAZ]27.05.2008
"Parallelgesellschaft"isteinerderBegriffe,ohnedenkaumeinGesprächüberIntegrationauskommt. Im Zusammenhang mit dem Brandanschlag von Solingen aber, der sich indiesenTagenzum15.Maljährt,hatmandiesesWortseltengehört.Unddoch:WennmandiesenAusdruckbenutzenmöchteundderSoziologeKarlMannheimrechthatmitseinerThese, dass für eine Generation nicht nur das Alter identitätsbildend ist, sondernherausragende Ereignisse in Kindheit und Jugend, ist Solingen die Chiffre einer"Parallelgesellschaft":WasfürDeutsche,dieheutezwischen30und40Jahrealtsind,derFallderMauerbedeutete,warenfürgleichaltrigeDeutschtürkendieMordevonSolingenundMölln.
FürdieersteGeneration,dienichtselbsteingewandert,sondernhieraufgewachsenwar;dieerste,diemehralseinenAbiturientproStadtviertelhervorbrachte;dieerste,diesichvielleichtnichtalsDeutsche,aberebenauchnichtalsTürkengefühlthatte,fügtensichdieAnschläge in die Kausalkette Wiedervereinigung‐Asylkampagne‐Pogrome ein. DieErfahrung,nichtwirklichanerkanntzusein,hattendiemeistenschonzuvorgemacht.Docherst mit Mölln und Solingen verdichtete sich dieser Eindruck zu einem traumatischenGenerationserlebnis.InsbesonderediedamalsgeradeheranwachsendeElite‐oder,umeswenigerprätentiöszusagen:dieerstenAbiturtürken‐,dieheutealsrole modelundMittlerzwischenderGesellschaftsmehrheitunddenUnderdogsfungierenkönnten,reagiertenmitMisstrauen,Distanz,mitunter sogarAbgrenzung, die bis heute nicht ganz verschwundensind.Andererseitsprofitierenbisheute jenevondiesenEreignissen,dieein ideologischesodergeschäftlichesInteressedaranhaben,dassdieTürkenTürkenbleiben.
Wenn man verlangt, dass Einbürgerungswillige wissen, worum es in derPaulskirchenversammlungging,istesnichtmindergeboten,diepartikulareGeschichtederEinwanderer in die allgemeine Geschichtsschreibung aufzunehmen, etwa Straßen undSchulen nach der Familie Genç zu benennen. Denn ohne ein gemeinsames historischesBewusstseinwirdmankeineParallelgesellschaftüberwindenkönnen.
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Methodenteil Fragen zum Film
Zeit: 60Minuten
• DiskutiertKutluYurtsevensPositionen:„MöllnundSolingenhabendasMiteinandervonDeutschenundTürken10‐15Jahrezurückgeworfen“und„dannkameszueinerAbkapselung“.Wieistdaszuverstehen?
• DiskutiertRossiPenninosPosition:„Wirwolltenunseigentlichganzanderswehren,wir wollten draufgehen auf die“ und „wir wollten uns wehren, richtig, nicht mitMusik“.BisherhabendieMusikerInnenimFilmsehrdeutlichgezeigt,dasssiesichMusikalspolitischesAusdrucksmittel ausgewählthaben.Wie istesdann zueinersolchen Aussage gekommen? Bezieht in eure Überlegungen auch die Reaktionender deutschen Bevölkerung mit ein und überlegt, welche politischenEntscheidungen zu jener Zeit getroffenwurden, die einen Einfluss darauf gehabthabenkönnten.
• Diskutiert die Aussage von Rossi Pennino: „Wir zahlen Steuern und sind nicht
kriminell.“WoraufantwortetRossiPenninoungefragt?Wiesoistesfürihnwichtig,diesklarzustellen?
Arbeit mit dem Song „Insanlar“ [Microphone Mafia; 1993]
Zeit: 45Minuten
1.SchauteuchdieSzeneimFilman,inder„Insanlar“[MicrophoneMafia1993]vorkommt.WelcheBilderwurdengewählt,umandieAnschläge inMöllnundSolingenzuerinnern?WaserfährstduausdenhistorischenFotosüberdasEreignis?WelcheBilderwürdestduwählen,umandieAnschlägezuerinnern?
2.HörtnundenSong„Insanlar“48anunddiskutiertdieLyricsinKleingruppen.Achtetdabeibesondersdarauf,wersprichtundwerangesprochenwerdensoll.Arbeitetheraus,wasdieMessagedesSongsist.WelcheWirkunghatdieMusikinVerbindungmitdemText?
Insanlar – Menschen[1993,ÜbersetzungausdemtürkischenOriginal]
MeinGottinwasfüreinerZeitlebenwireigentlich
WirschauenbeimUntergangderMenschlichkeiteinfachnurzuSchauennur,jawirschauennurzuWirhabendieBedeutungderMenschlichkeitzerstörtEinKriegzwischenBrüdernundSchwesternFürunserenOpportunismusverletzenundhassenwirDasEndederMenschlichkeitistdasEndedieserErdeMeinerMeinungnachistesunserePflichtdagegenzukämpfenMenschen, Menschen die andere Menschen im Schlaf in Brand setzen
48Vgl.„Insanlar“aufdemMicrophoneMafia‐Album„Vendetta“[1996].
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Menschen, Menschen die Menschen hinterhältig verbrennen Strophe auf Deutsch Ticktack,dieZeitbombeticktHilfmit,dassderKonfliktimKeimersticktBevorderKonflikteuchersticktDerKonflikt,derbeijedemselbstanfängtunddasGehirneinengtkanndafürsorgen,dasssichdieWeltindieLuftsprengt.DieMenschheitzeigtlängstnichtmehrMenschlichkeitZuallembereit,bloßnichtzurEinigkeitZuweitgehtderHass,Brüder,Ignoranz,AngstundNeidBeendetdenStreit,sonstistbaldApokalypsezeitMenschen brennen doch du bist still Menschen, Menschen die Menschen hinterhältig verbrennen Menschen, Menschen die andere Menschen im Schlaf in Brand setzen Mansagt,manschadetsichimmerselberWiedieSäure,dieihrenBehälteralsersteszerfrisstHinterhältigkeit,Hass,dieBösartigkeitnimmtüberhandDieGierzerstörtunserLebenunsereSeeleBrüderlichkeitexistiertnichtmehr,unserZustandistsehr,sehr,sehrernstesreichtLeute,reißtEuchdochendlichzusammenEureTatenlassenmeineSeeleerfrieren Menschen brennen doch du bist still
Fragen zum Kontext der Anschläge in drei Arbeitsgruppen
Zeit: 74Minuten
Gruppengröße: dreiArbeitsgruppen
JedeKleingruppebekommtunterschiedlicheAufgaben,denKontext zudenAnschlägenvon Mölln und Solingen mit unterschiedlichen Medien zu recherchieren [45 Minuten].AnschließendsollendieErgebnisseimPlenumpräsentiertwerden[30Minuten].
1. Arbeitsgruppe: Internetrecherche
RecherchiertimInternet:a]WelcheKonsequenzenmusstendieTätertragen?b]WieergingesdenOpfernundihrenFamiliennachdenAnschlägen?
Diskutiert eure Ergebnisse in der Kleingruppe und überlegt ob ihr den UmgangmitTäternundOpfernangemessenfindet.
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2. Arbeitsgruppe: Medienanalyse
Was sind eure spontanenReaktionen auf die euch vorgelegten Schlagzeilen ausderZeitvordenAnschlägenvonMöllnundSolingen?NehmteineAnalysederTitelvorundbesprechtinderKleingruppe,welcheBilderundGefühledieseSchlagzeilenin euch wachrufen. Diskutiert sodann, wie ihr diesemediale Auseinandersetzungbewertet. Formuliert Antworten an die Zeitungen, in denen ihr kritisch Stellungnehmt.DaskanninFormeinesklassischenLeserbriefesoderalsHipHop‐Songbzw.Gedichterfolgen.
1) ASYLANTEN JETZT AUF SCHULHÖFEN. NEUE WELLE! UND BIS WEIHNACHTENKOMMENNOCH400000.49
2) WOHNRAUMBESCHLAGNAHMT.FAMILIEMUSSASYLANTENAUFNEHMEN.503) DASAUSLANDPRÜGELTWIEDERAUFDEUTSCHLANDEIN.51
3. Arbeitsgruppe: Bildinterpretation
Schaut euch das Titelbild an und diskutiert eure ersten Eindrücke. Beschreibtgenau,wasihraufdemBildseht.WieschätztihrdieWirkungdesBildesein?
http://www.demokratiezentrum.org/uploads/pics/Abb5_Ansturm_der_Armen.jpg
Planspiel: Pressekonferenz nach dem Mordanschlag in Solingen
Zeit:80Minuten
Nach dem Mordanschlag in Solingen wird eine Pressekonferenz abgehalten, auf derverschiedenePersonenundGruppenihrenStandpunktvertretenkönnen.DiePressewirdkritische Fragen stellen. Anwesend sind der Bürgermeister von Solingen, einBundespolitiker, ein Sprecher der Demonstration, Mehmet Yildiz und Mitglieder destürkischenVolksvereinsSolingen.
Jede Rolle soll von zwei oder drei SchülerInnen vorbereitet werden [20Minuten]. Dierestlichen SchülerInnen können als JournalistenInnen und BürgerInnen Fragen stellen.Mindestensein/eSchüler/insolltemoderieren.
Zur Vorbereitung gibt es folgende Aussagen, die so getroffen wurden, undRollenvorschläge:
Bernd Krebs, CDU, Bürgermeister: In Solingen gibt es kein rechtsextremes Potential. Solingen ist eine liberale und weltoffene Stadt. Der Anschlag kommt nicht von ungefähr, aber ich bitte Sie zu bedenken, dass erst geklärt werden muss, ob diese Täter überhaupt Solinger sind.
49Bild,1.September1992.50Bild,8.September1992.51Bild,28.August1992.
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Mehmet Yildiz: Solinger, alle jetzigen Bürger dieses Staates. Wir wollen Menschenrechte, die uns bis jetzt verwehrt blieben. Keine Lichterketten mehr! BEGREIFT ENDLICH! Die Geschichte unserer beider Länder ist belastet. Lassen Sie uns besser über die Gestaltung unserer gemeinsamen Zukunft reden. Alle Politiker in diesem Land: sprechen Sie nicht mehr ÜBER uns. Versuchen Sie, MIT uns zu sprechen. Besonders die, die von Anerkennung Deutschlands sprechen, die vom ‚Image‘ im Ausland reden, die wie Herr Kohl von einem ‚gastfreundlichen‘ Land sprechen. Wir sind keine Gäste! BEGREIFT ENDLICH! […]”
Bundespolitiker, Richard von Weizsäcker, CDU: Dieser grausame Akt ist nicht aus dem Nichts gekommen. Wir Deutsche haben die Türken eingeladen, zu uns zu kommen. Seit Jahr und Tag arbeiten sie mit uns. Natürlich wollen wir uns in Deutschland zu Hause fühlen. Aber sie haben maßgeblich Anteil daran, dass dieses Zuhause auch gut funktioniert. Sie tragen bei zu unserer Marktversorgung, unserer starken deutschen Wirtschaft, unserem Sozialprodukt; sie zahlen Steuern und leisten Sozialabgaben.
Sprecher einer antirassistischen Migrantengruppe: Ich bin über den grausamen Mord in Solingen nicht überrascht, auch nicht sprachlos oder hilflos, wie die verantwortlichen Politiker von sich behaupten, sondern maßlos wütend. Diese Tat ist nicht zufällig, sie ist nicht von einem verrückten, gestörten Jugendlichen begangen worden, oder wie Herr Kohl meint, von den ‚Asozialen‘. Sie ist auch nicht unvermeidbar gewesen, wie Herr Rau behauptet. Ich zitiere ihn: ‚Wir können doch nicht vor jedem Haus, in dem ein Ausländer wohnt, einen Polizisten hinstellen‘. Herr von Weizsäcker hat recht, wenn er sagt: ‚Dieser grausame Akt ist nicht aus dem Nichts gekommen‘. Seit vielen Jahren, schon vor der Wende, behaupteten die verantwortlichen Politiker, die eigentlichen Brandstifter, dass Deutschland von einer ‚Asylantenflut‘ überschwemmt werde. [..] Wir wollen unsere vertrauten PolitikerInnen in Deutschland selber wählen, wir wollen selber in den Vertretungsorganen sitzen. Wir möchten mit an einem Antirassistischen Gesetz arbeiten. [...] Tut doch etwas, sammelt Unterschriften für die doppelte Staatsbürgerschaft. Statt Lichterketten, Unterschriftenketten, damit wir endlich die sturen Politiker bewegen.
Mitglied des Türkischen Volksvereins Solingen und Umgebung e. V.: Als wir von dem durch die Nazis gelegten Brandanschlag und von den fünf Brandopfern hörten, gingen wir zum Brandort, um zu erfahren, was und wie es geschah. Die Nachbarn, die dort versammelt waren, waren überzeugt, dass es ein Brandanschlag war. Etwa gegen 11 Uhr hörten wir eine Durchsage von Radio RSG, dass um 13 Uhr ein Schweigemarsch vor dem Intertreff und eine Demo um 15 Uhr vor dem Rathausparkplatz stattfinden sollte. An dem Schweigemarsch haben tausende Menschen teilgenommen. Er lief friedlich durch die Innenstadt und endete vor dem abgebrannten Haus. Der Brandanschlag hat bei uns tiefe Wunden hinterlassen. Die Täter sind nicht nur die Brandleger, sondern auch die regierenden Parteien. Die deutsche Politik hat gegen den Naziterror versagt. Wenn in Zukunft solche Fälle verhindert werden sollen, müssen die hier lebenden ausländischen Bürger ihre Rechte bekommen, zum Beispiel das Wahlrecht und die Doppelte Staatsbürgerschaft.
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Rassismus und Alltagsrassismus – Privilegien der Mehr Definition und Kontext
Die Wissenschaftlerin Philomena Essed ist bekannt für die Erforschung desAlltagsrassismus in Westeuropa und definiert Rassismus wie folgt: „Rassismus ist eine Ideologie, eine Struktur und ein Prozess, mittels derer bestimmte Gruppierungen auf der Grundlage tatsächlicher oder zugeschriebener biologischer oder kultureller Eigenschaften als wesensmäßig andersgeartete und minderwertige «Rassen» oder ethnische Gruppen angesehen werden.“52 Die so konstruierteDifferenz zwischen zweiGruppen [Wir‐Gruppeund Fremdgruppe] dient beim Rassismus immer dazu, die alsminderwertig angeseheneGruppe von kulturellen und materiellen Ressourcen auszuschließen. Das als fremdKonstruiertewirdalsfeindlichbetrachtet.ReaktionenkönnenAusschlüsse,dieAusweisungunddieVernichtungderalsminderwertigangesehenenGruppesein.
In öffentlichen Debatten und Diskursen wird Rassismus fälschlicherweise oft aufRechtsextremismus verkürzt und/oder als individuelles Vorurteil verstanden, das durchAufklärung beseitigt werden könnte. Allerdings bezieht diese Vorstellung von RassismusgesellschaftlicheEin‐undAusschlüsse[Inländer–Ausländer,Mehrheit–Minderheit]nichtmit ein. Die alltägliche Praxis von rassistischen Zuschreibungen wird in derMehrheitsgesellschaft als „normal“ wahrgenommen. Beispiele für eine institutionelleDiskriminierungvonMigrantInnensind:AusschlussvonWahlenunddamitMitbestimmung,Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt. Durch diese Nicht‐Teilhabe am öffentlichenDiskurs haben MigrantInnen in Deutschland auch wenige Möglichkeiten sich selbst zuvertreten und auf institutioneller Ebene für ihre Rechte einzutreten. In staatlichenBildungsinstitutionen werden die Umstände migrantischer Biografien entweder kaumberücksichtigt oder als Problem behandelt und Menschen aus sozialen Oberschichtenwerden bevorzugt. In der Logik der Mehrheitsgesellschaft, die ihre Privilegien kaumwahrnimmt und nicht reflektiert, sind MigrantInnen einzig selbstverschuldet in ihrejeweilige „Lage“ geraten. Dass es sich dabei aber um eine komplexe VerschränkungverschiedensterMacht‐undHerrschaftsverhältnissehandelt,bleibtunbeachtet.
Methodenteil Fragen zum Film Zeit:45Minunten Die Gruppe COINCIDENCE, aber auch die Musiker der Microphone Mafia singen undrappenihreTexteinvielenverschiedenenSprachen,diewieKutluYurtsevenerzählt,nichtnurauf ihreWurzelnbezogensind,sondernalldasumfassen,was ihnengefällt.DassagtsehrvielüberihreigenespluralistischesSelbstverständnisausundsolllautKutluYurtsevenverhindern, dass sie in Schubladen gestecktwerden. Trotzdemwerden ihnen von außenimmer wieder Fremdzuschreibungen aufgezwungen, mit denen sie nicht einverstandensind.InderfolgendenÜbungwirdesumKutluYurtsevensPositiongehen:„Ich muss doch
52PhilomenaEssed[1992]:RassismusundMigrationinEuropa.In:ARGUMENT‐SonderbandAS201,Hamburg:ArgumentVerlag,S.375.
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das Leben nicht immer labeln.“ Unter „labeln“ versteht man etwas „zu einer Markemachen“oderetwas„zustempeln“.DieseZuschreibungen,diedabeientstehen,begleitenunsdurchunserenAlltag.HäufigwerdensiedurchstereotypeBildervereinfacht:eineFraumit Kopftuch ruft bestimmteAssoziationen hervor, ein lesbisches Pärchenwird sofort ineineSchubladegesteckt.DieseStempellassenunsMenschenundSituationenimmergleichinterpretierenundverhinderndamit,einmalgenauhinzusehen,waseigentlichdiePersonoder die Situation ausmacht. Dabei soll nicht vergessen werden, dass diese Label sopräsentundabrufbarsind,auchweilwirsieausdemFernsehen,derWerbung,RomanenoderMagazinenkennen.DasgenaueBetrachtenvonLabelnisteineMöglichkeit,dahinterzu kommen, wie sie entstanden sind und was sich wirklich hinter denMenschen/Situationenverbirgt.
• Überlegt inwelchen Situationen ihr andereMenschenmit Eigenschaften verseht,vondenen ihrgarnichtsicherseinkönnt,obsiezutreffen.Umgekehrt isteseuchvielleichtauchschonpassiert,dassjemand,aufgrundeuresGeschlechtsodereurerHerkunft,vonetwasausgegangenist,wasgarnichtzutrifft.Wiegehtihrdamitumundwarumistdassoschwierig?
• DiskutiertabschließendKutluYurtsevensAussage:„Ich muss doch das Leben nicht immer labeln“.Wasmeinterdamitundwürdetihrihmzustimmen?BegründeteureArgumente.
Methode: Privilegien der Mehrheitsgesellschaft53
Zeit: 45Minuten
Was heißt Normalität?DieWelt,indersichweiße[christliche]Deutsche[aussozialabgesichertenVerhältnissen]inberuflichenundalltäglichenSituationenbewegen,istfürsieselbstverständlich,normal,sie kanndoch gar nicht anders sein. FürMigrantInnenbirgt diese scheinbareNormalitätaber oftmals in vielerlei Hinsicht Zurückweisungen und Ausgrenzungen. Für weißeDeutsche ist eine andere „Normalität“ schwierig vorstellbar. Auf Reisen in LänderaußerhalbEuropas,indeneneseineandereAlltagskultur[andereKleidung,Frisuren,Essen,Gewohnheiten etc.] gibt als in Deutschland, kannman erahnen,wie esMigrantInnen inDeutschland ergeht. Eine ungewohnte Umgebung imUrlaub kann spannend sein, sie istabernichtzuvergleichenmitdenSchwierigkeitendesberuflichenundalltäglichenLebensin einem anderen Land. In der folgenden Übung sollen die Gegebenheiten des Alltagssichtbargemachtwerden,dieNormalitätfürdieEinheimischenunddieSchwierigkeitenfürMigrantInnen bedeuten können. Ziel der Übung ist es auch, zu erkennen, dass dieMenschen der Mehrheitsgesellschaft dabei gegenüber MigrantInnen über Privilegienverfügen,dieihnenhäufiggarnichtbewusstsind.
53PeggyMcIntosh[1988]:“Whiteprivilege:unpackingtheinvisibleknapsack“,http://www.amptoons.com/blog/files/mcintosh.html.PeggyMcIntoshisassociatedirectoroftheWellesleyCollegeCenterforResearchonWomen.TheessayisexcerptedfromWorkingPaper189."WhitePrivilegeandMalePrivilege:APersonalAccountofComingToSeeCorrespondencesthroughWorkinWomen'sStudies".
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Durchführung:Lest die unten stehende Liste durch und erweitert sie. Fragt euch dabei, wasMigrantInnennichtkönnen[gesetzlich],wosienichtaufihreKulturtreffenundwasfürdieMehrheiteinerGesellschaft„normal“ ist.HalteteureErgänzungenfestunddiskutiertdieListeundeureVorschlägeimPlenum.
• WennichineinenKioskgeheundhauptsächlichMenschenaufdenTitelseitenderZeitungenundZeitschriftensehe,diemeineHautfarbehaben.
• WennichineinemSupermarktdieFrüchteunddasGemüsefinde,dieichkenne.
• WennichaufderStraßegeheunddiemeistenMenscheneineähnlicheHautfarbewieichhaben.
• WennichmireinPflasterkaufenkann,dasmeinerHautfarbesehrähnlichist.• WennichwegenmeinerHerkunftprinzipiellfürjedeArbeitinFragekomme.
Was ist Rassismus?
Zeit: 90‐120Minuten
BeidieserÜbungsollesanhanddesFilmsdarumgehen,waseigentlichgemeintist,wennvonRassismusgesprochenwird.EssollenalsoverschiedeneSituationen,vondenenRossiPenninoundKutluYurtsevenimFilmberichtenoderüberdiesiesichinanderenInterviewsgeäußert haben, daraufhin untersucht werden, ob in ihnen Rassismus eine Rolle spielt.DabeigehtesnichtumrichtigeAntworten,sondernumeinegemeinsameAnnährung.
• LesteuchdieverschiedenenAussagendurchundteilteuchinKleingruppenzuje4bis6Personenauf.Diskutiert20‐30MinutendiegeschildertenSituationen:Gibtesin der beschriebenen Situation Rassismus? Begründet eure Antwort und überlegtauch, inwiefern sich die Situationen unterscheiden.Wie würdet ihr die Situationbeschreibenundbewerten?
• Danach kommt ihr wieder im Plenum zusammen und tauscht euch über dieDiskussionsergebnisse aus [30‐45 Minuten]. Eine Person sollte wichtige Punktenotieren. Zur Unterstützung könnten euch Fragen helfen wie: Wo ergeben sichGemeinsamkeitenundwoUnterschiedeineurerBewertung?Tragtzusammen,waseurerAnsichtnachunterRassismusverstandenwerdenkann.
WasKutluYurtsevenundRossiPenninopassierte:
• Kutlu Yurtseven: „Da hat keiner gefragt, kannst du Deutsch oder kannst du nicht Deutsch, sondern wie lange kannst du arbeiten. Trägst du den Müll von der Straße weg, den deutsche Arbeiter nicht wegtragen wollen.“
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• Kutlu Yurtseven: „Mit 16 bekommt man ja den eigenen Pass mit dem Aufenthaltstitel. Und da hat dann der Beamte mir den Pass so rübergeschoben, wo drauf stand: unbefristete Aufenthaltsberechtigung. […] Und dann meinte er: ‚Pass jetzt auf, wenn du einmal Scheiße baust, bist du früher zu Hause als du denkst’.“
• RossiPennino:„Was dich prägt sind zum Beispiel auch solche Sachen: Wenn du mit
deinem Vater oder mit deiner Mutter in die Stadtsparkasse gehst, weil die einen Brief nicht verstehen und die Leute dort versuchen dich abzuwimmeln, weil die dich nicht verstehen. Und dann siehst du, das ist deine Mutter und dein VaterWenn mich das nicht stört, warum stört euch das dann?“54
Erarbeitetunddiskutiert[30Minuten]inKleingruppenHandlungsmöglichkeitenundschreibtsieauf.[Waskannmanz.B.beieinemrassistischenGraffitimachen:esübermalen,herausfinden,weresgewesenist,esmeldenetc.]WelcheMöglichkeitenerscheineneuchselbstrealistisch.
Aufgaben zum Song „Denkmal“ [Microphone Mafia; 2002]
Zeit:105Minuten
Bevor ihr den Text lest, schaut euch noch einmal die Stelle im Film an, in der KutluYurtseven von der Entstehung des Songs erzählt, er spricht außerdem von seinemVaterund dessen Einstellung zur Arbeit. Nehmt diese Informationen mit in dieTextinterpretation. Diskutiert den Text, nachdem ihr ihn gründlich gelesen habt, inKleingruppen zu je 4 bis 6 Personen.Was ist die Kernaussage des Songtextes? Bedenktdabei die Informationen, die ihr recherchiert habt. Stellt die Erlebnisse der erstenArbeitsmigrantInnen,wiesieimSongbeschriebenwerden,ineinenZusammenhangzudenrassistischenDebattenindendeutschenMediender1990erJahre.
Denkmal [2002] EinerderwenigenAbende,binmalfrühdaheim,einerderwenigenAbende,gehnichtdirektinmeinZimmerrein.SehemeinenVateraufdenFernseherstarren,seinenstarrenBlickaufdieserTalkrundeverharren.WirsehendieseWeisen,dieunsAusländerndenWegweisen,wieindiesenklugenKreisenBinsenweisheitenkreisen.LeisedrehtsichmeinVaterum,schautmirindieAugen,seineFragenmichstillschweigendaussaugen.WosindmeineKollegen,diewissenwieeswirklichwar,wosindmeineKollegen,warumsitzensienichtda.Umselbstzuerzählenwieesunsfrühererging,wiedamalsfürunsdieneueZukunftanfing.DamalshießmanunswillkommenmitPaukenundTrompeten,dieMusikistverstummtundheutehörtmansienurreden,dasswirunsinDeutschlandnichtsorechtintegrieren.IstesIntegration,wennHäuserbrennenundsieapplaudieren?Damalswardasanders,vordenFord‐Werken,obdeutsch,Türke,Italiener–zusammenzeigtenwirStärken.
54RossiPenninoineinemInterviewfürdenFilm[2009].
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StandenSchulteranSchulteraufgemeinsamerFährte,mitgemeinsamenZielen,hattengemeinsameWerte.DamalszeigtemanVerständnis,heutedieTür.Bessergesternalsheute,wennesseinmussmitWillkür.FühlmichhintergangenwieeinebetrogeneBraut,binerschöpftundergraut,ichdankefürdenKnock‐out.UndichhöremeinenVatervollerWutundZornsagen:Wir wollen keinen Dank, wir wollen Respekt, verdammt noch mal. Darum setze ich euch mit diesem Lied ein Denkmal. Wir wollen keinen Dank, wir wollen Respekt, verdammt noch mal, ihr seid wahre Helden, geformt durch das Schicksal.WowartihrdennfrühermiteuremDeutschunterricht,imHeimzimmerzusammengepferchtbeimKerzenlicht.ZwölfMannineinemRaum,dennochmitZuversicht,niemandwollteunslehren,aufunsereArbeitskrafterpicht.DirektnachderAnkunftstandenwiraufSchicht.Hauptsachegesundundkräftig,Bildungwarunwichtig.GesundheitundKraftließenwiramBandzurück,habenDeutschlandmitaufgebaut,sindTeilvondiesemvonMeisterstück,sindkeineEinwegflaschen,diemannutzt,dannentsorgt.MeineJugendließichhier,alsobleibichandiesemOrt.WirbrauchenkeinenDank,mansollunsrespektieren,brauchenkeineLeitkulturen,dieunsangeblichkultivieren.Wir wollen keinen Dank, wir wollen Respekt, verdammt noch mal. Darum setze ich euch mit diesem Lied ein Denkmal. Wir wollen keinen Dank, wir wollen Respekt, verdammt noch mal, ihr seid wahre Helden, geformt durch das Schicksal. Darum setze ich euch mit diesem Lied ein Denkmal.
Eine kleine Geschichte der Arbeitsmigration in der BRD
• RecherchiertdenhistorischenHintergrundaufdensichKutluYurtsevenindemLiedüberseinenVaterbezieht:SeitwannwarbdieBRDsogenannte„Gastarbeiter“an.WaswarenihreLebens‐undArbeitsbedingungen?[ErsteHintergrundinformationenfindetihrinder„KleinenMigrationsgeschichteDeutschland“inden„Bausteinenzurnicht‐rassistischen Bildungsarbeit. Downloadbar unter: http://baustein.dgb‐bwt.de/PDF/C8‐Migrationsgeschichte.pdf]. Erstellt einen Zeitstrahl zur EinwanderungnachDeutschlandzwischen1900und2010.
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Entwicklung & Hintergründe zum Streik der Ford‐Arbeiter 1973
KutluYurtsevenerzähltimFilmPERLAVITA,dassseinVaterbeiFordgearbeitetundbeimFord‐Streik1973fürbessereArbeitsbedingungengekämpfthat.
Eine kritische Beleuchtung der Hintergründe zum Ford‐Streik und zu den unter‐schiedlichen Arbeitsbedingungen für deutsche ArbeiterInnen und migrantischeArbeiterInnenfindetihrimArtikelvonSerhatKarakayali[KanakAttak].Downloadbarunter:http://baustein.dgb‐bwt.de/PDF/C9‐Fordstreik.pdf
• Findetheraus,warumdieArbeiterInnengestreikthabenundwasihrewichtigstenForderungenwaren.
• WiebeschreibtKarakayalidasVerhältniszwischendendeutschenunddentürkischenArbeiterInnen?
Ein Interview zur Geschichte eurer Eltern als ArbeiterInnen in Deutschland
KutluYurtsevenerwähntimFilmPERLAVITA,dasserüberdenHipHopdieGeschichteseinesVatersbesserkennengelernthat,indemereinenTextfürihngeschriebenhat.
• BefragteureElternoderGroßelternzuihrenArbeitsbedingungenunddazu,obsieauchanStreiksteilgenommenhaben.
• Findetheraus,wiesiedasVerhältniszudenanderenKollegInnenbeurteilen–warenanihremArbeitsplatzdiemigrantischenArbeiterInnendendeutschenArbeiterInnengleichgestelltoderwurdensiebenachteiligt?
• BefragteureEltern/Großelterndazu,wiesiesichverhaltenhaben.StellteuchdieErgebnisseeurerBefragunggegenseitigimPlenumvorunddiskutiert,inwiefernsichdie[Arbeits‐]Verhältnisseheutegeänderthaben.
Idee zur Weiterarbeit WasistineuremLeben/derGeschichteeurerElternrelevantundworübermöchtetihrschreiben?OrganisierteinenHipHop‐Workshop,packteureGedankeninReimeundschicktsieindieWelthinaus.KutluYurtsevenunterrichtetHipHop‐WorkshopsnachAbsprache:[email protected]
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Übungen zum politischen Kontext Aussagen über Rassismus Zeit: 40Minuten Ihr kommt im Plenum zusammen und eine oder mehrere Personen lesen die untenstehenden „Aussagen über Rassismus“ vor. Sprecht gemeinsamdarüber,wasmit diesenAussagengemeintseinkönnteundwasihrglaubt,worumesdenVerfasserInnengeht[20Minuten].BildetArbeitsgruppenvon4bis6Personenunddiskutiert[20Minuten]folgendeFragen:Welchender folgendenAussagen stimmt ihr zu,welchennicht?Warum?Würdet ihr dieInhaltevon„Denkmal“jetztandersbewerten?
Aussagen über Rassismus
a) Die Leitkultur ist eine moderne Variante des Rassismus. Nicht mehr dieÜberlegenheiteinerRassesollanerkanntwerden,sonderndieeinerKultur,dersichdieanderenunterzuordnenhaben.DasistzwardummesZeug,aberderPopulismushantiertnunmalmitdummemZeugunderzieltErfolgedamit[...].[Rafik Schami,imFR‐Magazin vom18.11.2000]
b) RassismusberuhtaufdervonfastallenEinheimischengeteiltenMeinung,dassdieInteressenderDeutschenVorranggegenüberdenender‘Fremden’habenmüssten.[UteOsterkamp[1996]:RassismusalsSelbstentmächtigung,Hamburg,S.98]
c) Es geht um Markierung von Unterschieden, die man dazu braucht, um sichgegenüberanderenabzugrenzen.Wenndiesedazudienen, soziale,politischeundwirtschaftlicheHandlungenzubegründen,diebestimmteGruppenvomZugangzumateriellen oder symbolischen Dingen [z.B. Anerkennung] auszuschließen, dannhandelt es sich um Rassismus. [Stuart Hall, in: Baustein zur nicht‐rassistischenBildungsarbeit DGB‐Bildungswerk Thüringen e.V. http://baustein.dgb‐bwt.de/PDF/C3‐WasIstRassismus.pdf]
Auseinandersetzung mit dem Heimatbegriff – Diskussionswettbewerb
Zeit:60Minuten[DieseMethodebietetsichaufbauendaufMODUL4–ArbeitzudenBiografienan]
Esther Bejarano und Kutlu Yurtseven äußern im Film ein unterschiedliches Verständnisvon„Heimat“:
• Kutlu Yurtseven: „Die Türkei ist meine Heimat und Deutschland mein zu Hause. Heimat ist ja kein Land oder kein Ort. Heimat ist ja ein Gefühl, wo man sich wohl fühlt“.
• EstherBejarano:„Das Wort Heimat mag ich überhaupt nicht. Für mich ist ein Leben,
wo ich wirken kann, wo ich etwas bewirken kann, das ist mein zu Hause.“
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Führt einenDiskussionswettbewerb durch zu dem Thema: „Heimat“. Teilt euch in dreiGruppenein.EineGruppestelltdie JuryundzweiGruppenerhalten jeweilsdieAufgabe,KutluYurtsevensundEstherBejaranosArgumenteaufzugreifenundweiterzuentwickeln[20Minuten] unddiese später in dieDiskussion einzubringen. Zieht euch in die „Kutlu“‐bzw. „Esther“‐Gruppe zurück und sammelt Argumente für ihre jeweiligen Positionen.Bedenkt dabei genau, wie Kutlu Yurtseven und Esther Bejarano zu ihren jeweiligenÄußerungen gekommen sind. Legt für eure Präsentation fest, welche Person welchesArgument vorträgt und in welcher Reihenfolge die Argumente in die Diskussioneingebrachtwerdensollen.DieGruppeder Juryverständigt sich ineinemanderenRaumüber Kriterien für die Bewertung der Diskussionsbeiträge. Ausgehend von den KriterienwirddieJurydarüberentscheiden,werdiebesserenArgumentehatte.DieDiskussion[40Minuten] findet imPlenumstattundwirdvonder Jurygenaubeobachtet.DabeikönnenPunktefürdieeinzelnenBeiträgeverteiltwerden.ImAnschlusserfolgteineAuswertung,inderalleTeilnehmerInnendieMöglichkeithaben,ihreArgumentenochmalzuüberprüfen.DieJurystelltihreErgebnissevor.Aktueller Antisemitismus Antisemitismus heute Definition: AntisemitismusDer Begriff Antisemitismus bezeichnet die Feindseligkeit gegenüber Juden und Jüdinnen.Antisemitismus isteinVerallgemeinerungsmechanismus,umJudenkollektiv negative Eigenschaften zuzuschreiben, oftmals verbunden mit konstruiertenphysischen oder moralischen Bewertungskriterien. Antisemitische Feindseligkeit istnicht an die Gegenwart von jüdischen Menschen gebunden. Sie ist eine Form der Welterklärung, die Juden die Verantwortung für ökonomische und soziale Prozessezuweist.Moderner AntisemitismuserklärtdieJudenzurBedrohungderNationbzw.desnationalen Selbstbewusstseins und greift dabei auf die jahrhundertealte Traditionreligiöser antijüdischer Feindbilder [Antijudaismus] zurück. Der Begriff „Antisemitismus“wurde1879vonWilhelmMarrgeprägt,derinseinerHetzschrift„DerSieg des Judentums über das Germanentum“ den Bruch mit dem christlichen Antijudaismus forderte und den Antisemitismus „wissenschaftlich“ – über den Bezugauf eine jüdische „Rasse“ – zu begründen suchte. Wörtlich übersetzt bedeutet derBegriff „Semitenfeindschaft“. Zu der „Rasse“ der Semiten rechnete man alleBewohnerInnen des Nahen Ostens, indemman von der sprachlichen Verwandtschaftdes Arabischen und des Hebräischen auf eine biologisch‐rassische Gemeinsamkeitschloss.DieantisemitischeFeindschaft richtetesichaberausschließlichgegen jüdischeMenschen – unabhängig davon, ob sie Hebräisch sprachen und wo sie lebten. NeueSprachverwirrer behaupten, Antisemitismus gäbe es gar nicht, denn Juden wärenüberhaupt keine Semiten, dieAraber seien Semiten, und gegendiehättemannichts.Araber könnten zudemals Semiten auch nicht antisemitisch sein.Dieser verblüffendeVersuch, realen Antisemitismus durch das Wegdefinieren der Bezeichnung scheinbarzumVerschwindenzubringen,machtDiskussionspartnerofterstmalsprachlos.55
55Bausteinzurnicht‐rassistischenBildungsarbeit,www.baustein.dgb‐bwt.de,DGB‐BildungswerkThüringene.V.
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Unterscheidung zwischen Antisemitismus und Rassismus RassismusundAntisemitismusermöglichendieKonstruktiondesentgegensetztAndereninAbgrenzungzusichselbstundderGruppe,dermanangehört.GleichzeitigmüssendieFeindbilder und Stereotype desmodernen Antisemitismus von Rassismus unterschiedenwerden.RassistischeArgumentationensehendasAndere,FremdealseineGefahr fürdieeigene Identität und als minderwertig an. Sie werden als fremdeGruppe projiziert. ImGegensatz dazu werden im Antisemitismus Juden als das Andere per se gesehen. Siewerden also als jeder Gruppe Fremde entworfen, als reale Bedrohung wahrgenommenundalsübermächtigkonstruiert.Rassismuszeichnetsichdadurchaus,dassdem„Eigenen“die Hochkultur und der zivilisatorisch höhere Stand zugerechnet wird, wohingegen dem„Anderen“ das naturhafte und animalische zugerechnet wird. Ganz anders imAntisemitismus, in dem „der Jude“ das genau Entgegengesetzte der Zivilisation bzw. derModerne ist. Wesentlich ist dabei, dass das Jüdische der absolute Widerspruch zumEigenen ist. Durch antisemitische Feindbilder kann so, anders als bei rassistischenStereotypen,einekompletteWelterklärungvorgenommenwerden.DerAntisemitismusistwenigeralsderRassismusanunmittelbarewirtschaftliche InteressengekoppeltundeherTeileinesautoritärenUmgangsmitAusbeutungundUnterdrückung.Auf„denJuden“wirdeinenicht‐nationaleIdentitätprojiziertunddafürwirderverfolgt.56Zur gegenwärtigen Debatte um einen „Neuen Antisemitismus“
ObeseinenneuenAntisemitismusgibt,isthäufigGegenstandaktuellerDebatten,diejenach medialer Konjunktur breiter oder weniger breit geführt werden. Dabei lassen sichzweiexponierteFragestellungenerkennen:1.HatsicheineFormdesAntisemitismusmitbesonderem Bezug auf Israel konstituiert? 2. Wird diese Haltung primär von jungenMigrantInnenmiteinemmuslimischenHintergrundvertreten?
NachderWiedervereinigungbiszurJahrtausendwendewurdendieöffentlichen,ebensowiediepädagogischenDebattenumdenNationalsozialismusundumAntisemitismusvoneiner hegemonial herkunftsdeutschen Perspektive aus geführt. Es waren nationaleDebatten,dieaucherinnerungspolitischeinegroßeWirkungerzeugten.BesondersdeutlichwardasAuflebeneinesdeutschenNationalismuszubeobachten,derseitdemoffeneralszuvorbekundetwird.MigrantischeGeschichtsbezügewurdenkaumberücksichtigtunddieDebatten konzentrierten sich eher darauf,migrantische Jugendliche als Unruhestifter zustilisieren, um die deutsche Gesellschaft, ihre Kontinuitäten und familienbiografischenBezügezurNS‐Volksgemeinschaftauszublenden.DiedarausresultierendeFrontenbildungzeigtdeutlich,wieemotionalaufgeladenderDiskurssichverhält.57
56Vgl.:Bausteinzurnicht‐rassistischenBildungsarbeit,www.baustein.dgb‐bwt.de,DGB‐BildungswerkThüringene.V.57Vgl.:FritzBauerInstitut,JugendbegegnungsstätteAnneFrank[Hg.],[2006]:NeueJudenfeindschaft?PerspektivenfürdenpädagogischenUmgangmitdemglobalisiertenAntisemitismus.Jahrbuch2006.ZurGeschichteundWirkungdesHolocaust,Frankfurta.M.
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Die Charakteristika des gegenwärtigen Antisemitismus
Der Antisemitismus in der deutschen Mehrheitsgesellschaft ist weiterhin vongesellschaftlichenundfamiliärenKontinuitätenzurNS‐Gesellschaftgeprägt.Schuldabwehr,die Ablehnung von Verantwortung und Erinnerung an die Massenverbrechen derDeutschen sowie die Relativierung und Leugnung der Shoah sind die Merkmale einesAntisemitismus nach Auschwitz. In der Umkehr von Tätern und Opfern und der damitvorgenommenenProjektionderhistorischenSchuldaufdieJudenalsimaginiertesKollektivbesteht der „Kern des Antisemitismus nach Auschwitz“.58 Antisemitismus zeigt sich aberauch als ein antisemitischer Antizionismus, der ebenfalls die Shoah relativiert. Innerhalbder Diskurse um den Nahostkonflikt schreibt sich eine ethnisierende und polarisierendePosition immerweiter fest.Dabeiwerdendie Juden,als „Täter“oder „Nazisvonheute“,den Palästinensern gegenüber gestellt.59 Laut Klaus Holz handelt es sich beimAntisemitismusumeine„identitätsstiftendeWeltsicht“.60
Methodenteil Rechercheauftrag zur Erkennung von verschiedenen Antisemitismen Zeit: 120Minuten
Recherchiert im Internet, vor allem auf den vorgeschlagenen Seiten, nach den untenaufgelistetenFragen[45‐60Minuten].TeilteuchdafürinfünfGruppenzumindestensfünfPersonen auf. Wenn ihr weniger seid, dann könnt ihr zum Beispiel eine der Fragenauslassen.RecherchiertmiteurerKleingruppeeinederFragenunddiskutiert,ob ihreureErgebnisseverstehtundwennja,wieihrsieversteht.BildetdanachfünfneueGruppen.Injeder neuen Gruppe ist jeweils eine Person aus jeder vorherigen Gruppe. Stellt euch indieserneuenGruppenkonstellation, inderaus jederRecherchegruppeeinePersondabeiist,gegenseitigeureRechercheergebnissevor.D.h.,jedePersonstelltinderneuenGruppeihre Ergebnisse vor. Das sollte nicht länger als drei Minuten pro Person dauern. Dannkönnen Fragen gestellt werden [30 Minuten]. Kommt jetzt im Plenum zusammen unddiskutiertdieFragennacheinander.EinePersonsolltedieErgebnissefesthalten.
FragenkatalogzuAntisemitismus:
1. WaslässtsichuntersekundäremAntisemitismusverstehen?2. WashabenAntisemitismusundSchuldabwehrmiteinanderzutun?3. WasbedeutetTäter‐Opfer‐Umkehr?4. WashatmodernerAntisemitismusmitReligionzutun?5. WasbedeutetineurenAugenOpferparallelität?
58Holz, Klaus[2005]:DieGegenwartdesAntisemitismus.Islamische,demokratischeundantizionistischeJudenfeindschaft,Hamburg,S.12.59Ebd.60Ebd.,S.10.
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Recherchiert für die Fragen 1. bis 4. auf den Internetseiten www.hagalil.com undwww.antisemitismus.net.Fürdie5.FragebrauchtihrdenArtikel„BistduJude?“,derunterhttp://www.zeit.de/2010/04/Umfrage‐Reportage?page=all, bei ZEITONLINE zu finden ist.Literatur zum Weiterlesen über das Thema Antisemitismus
• Bergmann,Werner[2002]:GeschichtedesAntisemitismus,München.• Benz, Wolfgang [2004]: Was ist Antisemitismus? Ausgabe: Bundeszentrale für
politischeBildung,Bonn.• Benz,Wolfgang[2001]:BildervomJuden.StudienzumalltäglichenAntisemitismus,
München.
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MODUL 4
Esther, Edna, Joram, Kutlu, Rossi und Önder ‐ Biografie und Identität von Katharina Obens
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In dem Dokumentarfilm PER LA VITA – BEJARANOS & MICROPHONE MAFIA habt ihretwas über die musikalische Zusammenarbeit von fünf unterschiedlichen Menschenerfahren. Sie alle haben ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht, in verschiedenLändern gelebt und sprechen neben Deutsch auch andere, unterschiedliche Sprachen.NebenihremaktuellenProjekterzählensieindenInterviewsundindenSongsauchüberEreignisse,diesieinihrerBiografie geprägthaben.
In diesem Modul erhaltet ihr zusätzliche Hintergrundinformationen zu den Protagonisten desFilmsundkönntmitdenBiografienderfünfMusikerinnenundMusikerweiterarbeiten. Die Biografieforschung beschäftigt sich mit dem Erleben, Denken undHandeln von Menschen unter verschiedenen individuellen und gesellschaftlichenLebensbedingungen. Dabei ist es wichtig zu bedenken, dass Menschen, die aus ihrerBiografie erzählen, nicht nur ein Selbstbild, sondern auch einWeltbild entwickeln. UmdiesemaufdieSpurzukommen,benötigtihrnebendemZugangzuden‚Innenwelten’derMusiker über verschiedene Typen von Selbstzeugnissen [Kurzbiografien hier im Text,Interviews imDokumentarfilm, LyricsderSongsausdemFilm,veröffentlichteBiografien,Zeitungsartikel und Internetpublikationenmit Interviewaussagen] auch Informationen zudenEreignissen in der „großen Politik“.
DieMusikerinnen undMusiker erzählen von unterschiedlichen Dingen, die sie geprägthaben. Esther Bejarano musste als Jüdin im Nationalsozialismus bereits als JugendlicheZwangsarbeit leisten und wurde mit 18 Jahren in das Konzentrationslager Auschwitz‐Birkenaudeportiert.
AberauchRossiPenninosprichtineinemInterviewimDokumentarfilmübereinEreignis,das ihn sehr geprägt hat: Die rassistisch motivierten Brandanschläge in Mölln und SolingenAnfangder1990erJahre[sieheMODUL3].
In diesem Modul versuchen wir einen biografischen Zugang für Lernende zu denverschiedenenLebensgeschichtenunsererProtagonistenzuerleichtern.Wirschlagenvor,zunächstmitderMethode „ Bausteine unserer Identität“dasBewusstseinderLernendenfürdieVielschichtigkeitundWandelbarkeitvon Identitätenzuschärfenundspäter inderMethode „Familienbaum“ familienbiografisch den Hintergrund der eigenen Herkunft zubeleuchteten.DieMethode„Erzähl mir was“simuliertdie Interviewsituationen, indenensich auch unsere Protagonisten während der Dreharbeiten wiederfanden und mit derMethode „Vier Ecken zur Erinnerung“ lassen sich Meinungsbilder erstellen undDiskussionen anregen. Die zeitaufwendigere Übung „85 Jahre Leben – der Zeitstrahl“könnteeineNachbearbeitungderFilmsichtungdarstellen.
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Methodenteil Methode „Bausteine unserer Identität“
Methode zur Schulung von Empathie durch das Kennenlernen von Esther BejaranosBiografie als exemplarisch für eine deutsch‐jüdische Biografie. Gleichzeitig erkennen dieTeilnehmendenverbindendeElementedurchdasInbezugsetzenzureigenenBiografie.
Ziel:
• DieTeilnehmendensetzensichmitunterschiedlichenAspekten[„Bausteinen“]vonIdentitätauseinander.
• Sie erkennen, dass Identitätsbausteine selbstgewählt [Selbstbild], durchBeziehungen zu anderen Menschen bestimmt sein können aber auch von derUmgebunganeinenherangetragenwerdenkönnen[Fremdzuschreibung].
• Sie lernen Identität als etwas Veränderbares kennen und erkennen durch dieunterschiedlichenAspektedieVielschichtigkeitvonIdentität.
Zeit: 90Minuten
Im Film PER LA VITA – BEJARANOS & MICROPHONE MAFIA erhalten wir vieleunterschiedlicheInformationenüberEstherBejarano.
→ z.B. Esther Bejarano ist: 85 Jahre alt, Musikerin, Auschwitz‐Überlebende, Mutter, Witwe, Jüdin, Deutsche, politisch aktiv, eine Frau …
1. SammeltalleInformationen,dieetwasübersieaussagen.Überlegtundbegründet,wann in ihrer Biografie welche Identitätsbausteine für sie im Vordergrundgestanden haben könnten.Welche Bausteine konnte sie sich frei aussuchen undwelche wurden von außen an sie herangetragen? Bedenkt dabei, dass inbestimmten Situationen oder Lebensabschnitten verschiedene Anteile unseresSelbst mehr oder weniger stark in den Vordergrund treten oder an Bedeutungverlieren.
2. WelcheAnteileverbergensichindeinerIdentität?NimmeinBlattPapier,aufdemdudieunterschiedlichenBausteinedeinerIdentitätnachihrerWichtigkeitfürdichzu einem Bau‐/Kunstwerk anordnest und sie mit deinen Angaben ergänzt. FügeaucheigeneBausteinehinzuundüberlegedir,welcheBestandteiledeinerIdentitätunveränderbarsindundwelchesichwandelnkönnen.
3. VergleichenunnochmalDeineIdentitätsbausteinemitdenenvonEstherBejarano:KannstDujetztnochneueAspekteergänzen?
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Gib dein eigenes Identitätsporträt an deine/n Nachbarn/Nachbarin weiter. Interviewteuch gegenseitig zu euren Porträts und schreibt anschließend mit den neuenInformationeneinKurzporträtübereinander,dasihrderKlassepräsentiert[wennihrdasmöchtet].
Methode: „Erzähl mir was“61
Paarinterview zum „Aufwärmen“
Ziele:DieJugendlichenlernensich[besser]kennen
• DieJugendlichenaktivierengegenseitigihrVorwissenzumThema„Judentum“und„Antisemitismus“.
Zeit:45‐60Minuten,jenachGruppengröße
Gruppengröße:8‐32Personen
Material:proPaareineInterviewvorlage[sieheVorlageArbeitsblattu.]
61MethodeentnommenausdemBuch:BildungsBausteinegegenAntisemitismus/tachelesreden!e.V.[2007],Woher kommt der Judenhass?Waskannmandagegentun?EinBildungsprogramm,MülheimanderRuhr:VerlaganderRuhr.
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Durchführung:
Für MultiplikatorInnen: Kopieren Sie die Interviewvorlage für alle Gruppenmitglieder.NatürlichkönnenSiedieFragendaraufverändernoderergänzen.Achtung:DieSeitebietetPlatz für ein Foto. Die Jugendlichen/jungen Erwachsenen bilden Paare, wobei sichmöglichst Personen zusammentun sollten, die sichnochnicht so gut kennen. JedesPaarerhält zwei Interviewbogen und einen Stift. Die Partner befragen sich nun gegenseitiganhand der Vorgaben und notieren die Antworten des jeweils anderen auf demFragebogen.AchtenSiewährenddessendarauf,dassdiePartnersichwirklichgegenseitiginterviewen und nicht die eigenen Antworten eintragen. Fotografieren Sie die Teamswähren dieser Zeit und kleben Sie die Fotos später auf die ausgefüllten Seiten. Sind dieInterviewsbeendet,stellensichdiePartnergegenseitigderGesamtgruppevor.GebenSiedabei den Jugendlichen Gelegenheit, sich noch einmal zu ihren Antworten zu äußern[„Fühlstdudichzutreffendwiedergegeben?Möchtestduetwasergänzen?“].
AbschließendsolltendieausgefülltenInterviewbogenfürallesichtbarausgestelltwerden,z.B.anderSeitentafelbzw.anStellwänden.
TIPP
AlsEinstiegindasThemakönnenSiezunächstdasInterviewalsTextartmitderGruppebehandeln. Fragen Sie z.B., warum viele Zeitschriften Interviews in der Dialogformabdrucken und nicht in Form eines zusammenhängenden Textes. Fragen Sie dieJugendlichen,welchePersonenSiegerneeinmalinterviewenmöchtenundweshalb.ZeigenSie ihnen aussagekräftige Auszüge aus Interviews mit Prominenten, und lassen Sie sieraten,werdieinterviewtePersonseinkönnte.
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Fragebogen „Erzähl mir was“
Vorname:Name:Wobistduaufgewachsen?WofühlstdudichzuHause?Woranglaubstdu?WasgefälltdiranDeutschland?WasgefälltdirnichtanDeutschland?WasweißtduüberdieGeschichtedeinerFamiliewährendderNS‐Zeit?WasfälltdirzumBegriffJudeundJudentumein?WasinteressiertdichamThemaAntisemitismus?
hierFotoeinsetzen
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Methode: „Vier Ecken zur Erinnerung“62Die Jugendlichen beschäftigen sich [nach dem Prinzip der Aufstellung] mit ihrerFamiliengeschichteundderErinnerungandenNationalsozialismus.
Ziele:
• DieJugendlichenkönnen ihrWissenüberdieZeitdesNationalsozialismusunddieGeschichteihrerFamiliezudieserZeitanderenmitteilen.
• SiekönnenihreeigeneMeinungentwickelnundvertreten.
• Sie sind sich dessen bewusst, wie heute mit der Zeit des Nationalsozialismusumgegangenwird.
Zeit: 30Minuten
Gruppengröße:mind.zehnPersonen
Material: Ein Exemplar der Kopiervorlagemit Fragen und Antworten [s. u.], Schere undKlebeband.
Durchführung:
Für Multiplikator Innen: SchneidenSiedieKopiervorlagesoauseinander,dassdieFragenund die möglichen Antworten voneinander getrennt sind ‐ d.h. Frage und AntwortenstehendannjeweilsaufeinemeigenenkleinenZettel.BewahrenSiedieZettelsoauf,dassSiedieFrageundAntwortennocheinander zuordnenkönnen. Falls sich imRaumStühlebefinden,stellenSiesiegemeinsammitdenJugendlichen/jungenErwachsenenalleineineEcke des Raumes, so dass sie nicht stören. In der Mitte muss ein großer freier Platzentstehen, wo sich die Gruppe anschließend versammelt. Lesen Sie die erste Äußerungbzw. die erste Frage vor und anschließend die vier möglichen Fortsetzungen bzw.Antworten.DieZettel,aufdenendieAntwortenstehen,werdenanschließendaufdievierEckendesRaumes verteilt unddort auf denBodengelegtodermit Klebestreifen anderWandbefestigt.
AnschließendbegibtsichjederTeilnehmerindieEcke, indersichdieAntwortbefindet,der er am ehesten zustimmt. Dabei können die Jugendlichen sich auch fürZwischenpositionenentscheiden,diesiedurchihrenStandortimRaumausdrücken.Wennalle ihre Position gewählt haben, sollen entweder alle oder nur einige Freiwillige ihren„Standpunkt“erläutern.
62MethodeentnommenausdemBuch:BildungsBausteinegegenAntisemitismus/tachelesreden!e.V.[2007],Woher kommt der Judenhass?Waskannmandagegentun?EinBildungsprogramm.MülheimanderRuhr:VerlaganderRuhr.
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Tipp zur Auswertung: Wichtig ist, dass nicht in „richtige“ und „falsche“ Positionen unterschieden und keineStandpunkte verurteilt werden. Die Multiplikatoren sollten sich die vertretenenArgumentationen aber merken bzw. notieren und später im Unterricht thematischaufgreifen.Fragebogen:„Vier Ecken zur Erinnerung“ Frage 1: Wird in deiner Familie über die Zeit des Nationalsozialismus gesprochen? MöglicheAntworten:
1) Nie.2) Nur manchmal habe ich etwas von meinen Großeltern bzw. Urgroßeltern dazu
gehört.3) Immer, wenn das Thema in den Nachrichten kommt oder etwas darüber in der
Zeitungsteht.4) InunregelmäßigenAbständen.
Frage 2: Ergänze den folgenden Satz: Zur Zeit des Nationalsozialismus … MöglicheAntworten:
1) …wurdenmeineGroßelternbzw.Urgroßelternverfolgt.
2) … waren meine Großeltern bzw. Urgroßeltern ganz normale Leute, die nichtsSchlimmesgetanhaben.
3) …warenmeineGroßelternbzw.UrgroßelternMitgliederderNSDAP.
4) … haben sich meine Großeltern bzw. Urgroßeltern für Menschen, die von den
Nationalsozialistenverfolgtwurden,eingesetztbzw.gegendenNationalsozialismusprotestiert.
Frage 3: Müssen wir uns heute noch mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinander ‐setzen? MöglicheAntworten:
1) Nein.DiesesKapitelsollteendlichabgeschlossensein.
2) EinmalinderSchuledarüberzusprechen,reichtvölligaus.
3) Es wäre gut, nicht immer nur die schlechtesten Seiten dieser Zeit in denVordergrundzurücken.
4) Wirmüssenunsweiterdamitbeschäftigen,umzuverstehen,wieesdazukommen
konnte,damitsoetwasniewiederpassiert.
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Methode: „Familienbaum63“
Ziel:IndieserMethodesetzensichdieJugendlichenmitihrereigenenFamiliengeschichte–insbesonderewährendderZeitdesNationalsozialismus–auseinander.
Zeit:ca.90Minuten
Gruppengröße: zunächst Einzelarbeit [1], dann Arbeit in 3‐er Gruppen [2], anschließendDiskussionimPlenum[3]
Material:DINA3‐BlattproTeilnehmer/in,Stift
Durchführung:
[1] Reflexionsphase in Einzelarbeit Zeit:ca.30Minuten
DieTeilnehmendenzeichneneinenBaummitKroneundWurzelnaufdasBlatt[Größe:sodass noch genügend Platz bleibt um an Krone und Wurzeln handschriftlich eigeneEintragungenzumachen.
ZudenWurzelnschreibendieTeilnehmenden
• Was ich weiß über meine Familiengeschichte–Was sind meine Wurzeln?
• InwelcherSituationwarmeineFamilieinderZeitdesNS?Wasweißichdarüber?
AndieKroneschreibendieTeilnehmenden
• Was möchte wissen / wem würde ich gern welche Fragen stellen?
• Welche Lücken / Leerstellen gibt es?
• WassinddieThemenundFragen,diemichbeschäftigen?
DieTeilnehmendenbeginnenmitderArbeitandenWurzeln[„WasweißichübermeineFamiliengeschichte“], so dass sich die Fragen zur Krone [„Was muss ich nochherausfinden?“]ausdemvorherigenSchrittergeben.
[2] Austausch in der Gruppe Zeit: ca.45Minuten[15Min.proTeilnehmer/in]
DieTeilnehmendenstellensichin3‐erGruppengegenseitigihreFamilienbäumevor.Dieanderen Gruppenmitglieder haben die Möglichkeit Nachfragen zu stellen undAnmerkungenzumachen.Esgehtumeinenlebendigen,wennauchsensiblenAustausch,indemdieLeerstellenderjeweiligenFamiliengeschichteherausgearbeitetwerdensollen.
63MethodenderbiografischenArbeitwerdenu.a.vonASF[AktionSühnezeichenFriedensdienste]entwickeltundeingesetzt[Infounter:www.asf‐ev.de].tachelesreden!e.V.bieteteinenfamilienbiografischenWorkshopzurAuseinandersetzungmitFamiliengeschichteundNationalsozialismusan[Kontakt:tacheles@tacheles‐reden.de].
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[3] Diskussion im Plenum
Anschließend präsentieren die Kleingruppen ihre wichtigsten Ergebnisse im Plenum:Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es? Welche auffälligen gemeinsamenLeerstellengibtes?
Tipp zur Anwendung
Die Teilnahme an der Übung ist freiwillig – niemand sollte zur Teilnahme verpflichtetwerden! Darüber hinaus ist es in der Arbeit mit Jugendlichen wichtig, bei derZusammenstellungderGruppen–fallssiesichnichtselbstfinden–daraufzuachten,dassbei dieser sehr persönlichen Übung ein vertrauens‐ und rücksichtsvolles Klima gewahrtbleibt.Dazugehörtauch,dieunterschiedlichenPerspektivenderTeilnehmendenvorherzuantizipieren.Wichtigistesauchzubetonen,dassdasErzähltevertraulichbleibenmuss.
Methode ZEITSTRAHL: „85 Jahre Leben ‐ Was passiert im Leben der Musiker, was passiert in der großen Politik?“
Überblick über die Geschichte der Judenverfolgung im Nationalsozialismus und überbedeutendeEreignissevonderNachkriegszeitbisheute[VariantemitModeratorzurArbeitnach der Filmsichtung mit dem Arbeitsauftrag: Bildet fünf Gruppen. Notiert euch inGruppen für jeweils eine/n der fünf Musikerinnen und Musiker politische bzw. gesellschaftliche Ereignisse, diefürsiebedeutsamwaren. Ziele:
• Ihr kennt die Eckdaten der Geschichte[n] und könnt sie zu dem Leben derMusiker/inneninBezugsetzen.
• IhrkönnteigeneundandereBiografienzueinanderinsVerhältnissetzen.
• IhrsetzteuchmitPerspektivenundLebensrealitätenandererauseinander.
• Ihrkönnterkennen,dassmaninseinerBiografiemitdemSelbstbildauchimmereinWeltbildentwirft.
Zeit:90Minuten[nachderFilmsichtung]>DieseMethodestellteineguteErgänzungdarzurAufgabeimMODUL2„WashatMusikmitunseremLebenzutun?“Gruppengröße:Bis25Personen[KleingruppenzueinzelnenBiografienfünfPersonen] Material: Biografien der fünf Protagonisten, Biografie von Esther Bejarano64,DiscografievonMicrophoneMafia [im Anhang] eventuell weitere Informationen aus dem Internet,großeBögenPackpapierund2‐3Stellwände,Pappkarten insiebenverschiedenenFarben[eine für gesellschaftliche Ereignisse, fünf für die Musikerinnen, eine für dieweiterführende Übung], Pinnnadeln, Kreppband, dicker Filzstift, dünne Filzstifte,selbstgemachteKartenzuGesetzenundwichtigenEreignissenimNationalsozialismus.
64EstherBejarano/BirgitGärtner[2004]:Wirlebentrotzdem–EstherBejarano–vomMädchenorchesterinAuschwitzzurKünstlerinfürdenFrieden,Bonn:Pahl‐Rugenstein‐Verlag.
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Durchführung:
Verfasst inderGroßgruppedieKartenfürdieEreignisse inder„großenPolitik“:WelcheEreignisse könntenwichtig sein, um die 85 Jahre, die Esther Bejarano bisher gelebt hat,besserzuverstehen?MalteinenZeitstrahlaufdasPackpapier[mindestenszweiMeterlangmitdemdickenFilzstift],dervon1924 bis heute verläuft.Bildet fünf Gruppen, die je eine Biografie von einem Musiker untersucht. Schreibt zunächst aus den Kurzbiografien allewichtigen Fakten zur Biografie auf die bunten Karten. Dann schaut euch eureAufzeichnungen aus der Filmsichtung an und überlegt gemeinsam, welche persönlichen und politischen Ereignisse für „eure Musikerin/euren Musiker“ wichtig sein könnten.NotiertsiemitdendünnenFilzstiftenebenfallsaufbuntenKarten[Tipp:MancheEreignissedieeinenEinflussaufunserLebenhaben,habenbereitsvorunserGeburtstattgefunden!].Heftet die bunten Karten chronologisch mit den Pinnnadeln an den Zeitstrahl. PinnteventuellnochBilderoderanderesMaterialhinzu.DannfindeteuchinderGroßgruppezurAuswertungzusammen.
Auswertung:
Überlegt zunächst zusammen mit dem Moderator, ob alle Karten chronologischangebracht sind. Stellt dabei gemeinsam eventuelle Fehldeutungen richtig. Durch dieAbfolge der Karten werden nicht nur wichtige Ereignisse der Judenverfolgung imNationalsozialismusdeutlich,sondernauchandereEreignissemitBedeutungfürdasLebenderMusikerinnenundMusiker.
• Z.B.:WelcheKriegefandeninIsraelnachderStaatsgründungstatt?
• Wann kehrte Esther Bejaranomit ihremMann Nissim und ihren beiden KindernnachDeutschlandzurück?
• WannbeganndieAnwerbung von ArbeitsmigranteninderBundesrepublik?
ÜberlegtgemeinsaminwelchenSongsausdemDokumentarfilmdieLebenserfahrungenderMusikerinnenundMusikerverarbeitetseinkönnten.
• WelchesSelbstbildundwelchesWeltbildhabendieMusiker/innen?
• Was meint ihr, warum ist es den Musiker/innen so wichtig, Musik gegen Rechtsextremismus und für Toleranz zumachen?
• Waskönntihrnochausanderen QuellenübersieinErfahrungbringen?
Möglichkeit für die Weiterarbeit:
BetrachtetdenZeitstrahlgenauer.Wannseid ihrgeboren?WelchewichtigenEreignissehaben in eurer Lebenszeit stattgefunden65. Welche Ereignisse aus der Vergangenheitkönnten euer Leben beeinflusst haben? Bildet wieder Kleingruppen und notiert aufPappkartenfüreuchbedeutsameprivateundpolitische/gesellschaftlicheEreignisse.Heftetsie entweder dazu oder tragt sie in der Großgruppe vor. Folgende Fragen können dieAuswertung leiten: Fiel es euch leichtoder schwereuch zudengelesenenBiografien ins
65Wenneuchwenigeinfällt,könntihrauchimInternetzueuremGeburtsjahrgangrecherchieren.
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Verhältnis zu setzen? Was war leichter: die Außensicht auf die Biografien, oder dieSelbstreflexionüber euch?Welche gesellschaftlichenAspekte seht ihr indenBiografien?Wieseht ihrdiePrägungvonMenschenund ihresSelbstverständnissesdurchdassozialeZusammentreffen mit anderen Menschen sowie gesellschaftlichen Normen, Regeln undAbläufen?InwelcherWeiseglaubtihr,istesfürMenschenvonBedeutungMehrheitoderMinderheit zu sein [und von Diskriminierung/Antisemitismus/Rassismus betroffen, nicht‐betroffen]?Biografie Esther Bejarano, geb. Loewy15.12.1924: Esther Loewy wird in Saarlouis im Saarland als jüngstes Kind von
RudolfundMargaretheLoewygeboren.SiehatzweiSchwesternundeinenBruder:Tosca,RuthundGerhard.
1930‐1935: VolksschulbesuchinSaarbrücken.
1935‐1936: Erzwungener Abgang von der allgemeinen Volksschule und BesuchderjüdischenSchuleinSaarbrücken.
1936: UmzugderFamilienachUlmanderDonau,woderVatereineneueStellealsKantorderjüdischenGemeindeinUlmerhielt,weilerseineStelleinSaarbrückenwegenderschrumpfendenjüdischenGemeindeverlor.EstherbesuchtdasjüdischeLandschulheimHerrlingen.
1937: Auswanderung des Bruders Gerhard in die USA und der SchwesterToscanachPalästina.
09./10.11.1938: Pogromnacht in Deutschland. Esthers Vater wird verhaftet, dieSchwesterRuth schwer zusammengeschlagen.DanachmussEsthersLandschulheim in Herrlingen schließen. Von da an besucht sie diejüdischeVolksschuleinUlm.
1939: FluchtderSchwesterRuthnachHolland.
01.09.1939: Beginn des Zweiten Weltkriegs mit dem deutschen Überfall aufPolen.DieElternziehenalleinenachBreslau,woderVatereineneueStelle antritt. Esther wird auf ihre Auswanderung nach Palästinavorbereitet: Zuerst in einer jüdischen Schule in Berlin, dann für einhalbes Jahr auf dem landwirtschaftlichen Gut Winkel, ab Sommer1940imHachschara‐LandwerkAhrensdorfbeiTrebbin.
Juni1941: Esther wird zusammen mit den anderen Jugendlichen von der SSnach Neuendorf gebracht und muss in einem Blumenladen inFürstenwaldeZwangsarbeitleisten.
November1941: Ihre Eltern werden von Breslau nach Kowno [Kaunas] in Litauendeportiert und dort in einem Wald von der SS erschossen. Esthererfährt davon zunächst nichts, muss aber die Wohnung in Breslauauflösen.
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1942: IhreSchwesterRuthwirdaufderFluchtindieSchweizvondeutschenGrenzsoldatenerschossen.
20.04.1943: Estherwird nachAuschwitz‐Birkenau deportiert und bekommt dortdie Häftlingsnummer 41948 eintätowiert. Sie muss auf ihrerSträflingsbekleidungeinenrotgelbenJudensterntragen.
April‐Oktober1943:Esther ist imKonzentrationslagerAuschwitz‐Birkenau interniert undwirddortnacheinemMonatineinemKommando,indemsieSteineschleppen musste, Mitglied im „Mädchenorchester“ unter derLeitungdererstenDirigentinZofiaCzajkowska.
Oktober 1943‐April 1945: Esther wird aufgrund einer Aktion des Internationalen RotenKreuzes in das KZ Ravensbrück verlegt, weil dieses nicht alsVernichtungslager gilt. Sie leistet dort Zwangsarbeit für die FirmaSIEMENS und beteiligt sich zusammen mit russischenZwangsarbeiterinnenanSabotageversuchen.
April1945: DieFrontrücktnäher,unddieGefangenenausRavensbrückwerdenaufdensogenanntenTodesmarschgeschickt.EstherundsechsihrerFreundinnengelingtdieFlucht.
08.05.1945: Esther feiert gemeinsam mit US‐amerikanischen und russischenSoldatendieBefreiunginLübzinMecklenburg.
August1945: EstherwandertnachPalästina[ab1948Israel]aus.SiereistmitdemSchiff„Mataroa“vonMarseilleausunduntereinemfalschenNamenein.
AbHerbst1945: AusbildungalsSopranistin.
1947: Mit dem Ron‐Chor reist sie nach Prag und Paris, später nachBudapest.
1950: HochzeitmitNissimBejarano,späterGeburtenderKinderEdnaundJoram.
1959: EstherarbeitetalsDozentinamKonservatoriumBeer‐Sheva.
1960: UmzugnachHamburg.
1978: NPD‐StandvorEsthersBoutiqueinHamburg.
AmnächstenTag: EintrittindieVVN–VereinigungderVerfolgtendesNaziregimes.
SiegibtKonzerteinderjüdischenGemeinde,beginnteinProgrammmitisraelischerundjiddischerFolklore,wendetsichdannmehrpolitischenSongszu.BeidenFestivals"KünstlerfürdenFrieden"inHamburg[1981‐1983]trittsieu.a.mitHarryBelafonteauf,ab1989mitderGruppe"Esther&EdnaBejaranoundCoincidence".1989erhältsiedieEinladungzum"No Nukes Festival" in Vancouver/Kanada und zu weiteren Auftritten in Winnipeg undToronto,indenUSAinColoradoSpringsundDenver.Seit1989hatsiezahlreicheAuftritteinderBundesrepublik,denNiederlanden,Italien,SchwedenundderSchweiz.
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Esther Bejarano tritt als Zeitzeugin auf und nimmt an Demonstrationen gegenNeofaschismusundRassismusteil.SieistMitbegründerinundVorsitzendedesAuschwitz‐Komitees und Ehrenvorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bundder Antifaschisten [VVN‐BdA]. Sie erhielt 2004 die Carl‐von‐Ossietzky‐Medaille und 2008dasBundesverdienstkreuz.Biografie Edna BejaranoEdnawirdalsTochtervonEstherundNissimBejaranoinTelAvivgeboren.1960: EdnagehtmitElternundBruderJoramnachHamburg1961: ErsteAuftrittezusammenmitderMutterinderjüdischenGemeinde.1965: Rolf Rosemeyer entdeckt Edna in der jüdischen Gemeinde als
Sängerin. Nach dem Schulabschluss macht sie eineSchauspielausbildung und Bühnenreifeprüfung für Theater undMusical.DasDiplomwirdihrausgehändigtvonIdaEhre[1970].
1969‐1973: Leadsängerin der Rattles, die 1970 mit Edna als Leadsängerin unddemSong„TheWitch“in23LändernindenChartswaren,inderBRDauf Platz 4 und in England sogar auf Platz 2. Goldene Schallplatte1971, zahlreiche Europatourneen. Danach als Studio‐ undBühneninterpretin in allen Musikbereichen tätig, diversePlatteneditionenalsSolistin.
1988: GründerinderGruppeCoincidence[zunächstmitfünfMusikerinnen]mit internationalen antifaschistischen und Friedensliedern sowieLiedern,dieimjüdischenGhettoentstandensind.
Biografie Joram Bejarano1952: JoramwirdalszweitesKindvonEstherundNissimBejaranoinIsrael
geboren1960: ÜbersiedelungnachHamburgAb1970: Als Bassist und Komponist in diversen Rock‐, Blues‐ und Jazzbands
tätig: Massada, Carsten Bohn´s Bandstand, Rainer Baumann Band,Wilde9,LondonParisNewYork[Schlagzeug],LolaVenske,KarlAllautBand,JoyRiderBand,Interzoneetc.
Ab1972: ArbeitalsStudiobassistAb1985: DiverseGastspielealsTheatermusiker
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Ab1990bisheute: AuftragskompositionenfürFernsehwerbungundInternetAb1992bisheute: MitgliedvonCoincidenceBiografie Rosario Pennino Nehmt für die Arbeit mit den Biografien von Rossi, Kutlu und Önder auch die Discographie von Microphone Mafia [im Anhang] zur Hilfe 01.03.1972: InKölnimSeverinsviertelgeboren,hateinenälterenBruderundeine
jüngereSchwester,VaterkamausNeapelnachKöln1989: MitbegründerderMicrophoneMafia
KochvonBeruf
Biografie Kutlu Yurtseven26.04.1973: InKölnalszweitesKindgeboren,derVaterkamausderTürkeinach
DeutschlandundarbeitetebeiFord1989: MitbegründerderMicrophoneMafia
ArbeitalsLehrerundSozialarbeiter
Biografie Önder Bardakci 1989: MitbegründerderMicrophoneMafia
Einzelhandelskaufmann
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ANHANG
Die Originalversionen der Lieder finden sich auf dem Album „Lider fars lebn – Lieder für das Leben“ von Coincidence
SONGS AUS DEM ALBUM „PER LA VITA“ Adama, admati – Oh meine Erde
DerDichterundSchriftstellerAlexanderPen [1906–1972]erlebte inseiner Jugenddierussische Revolution in Moskau und gesellte sich als Student zu dem revolutionärenSchriftstellerkreis um Alexander Blok und Vladimir Majakowski. 1927 kam er in dasdamaligePalästina,woerbaldzueinemderbedeutendstenSchriftstellerwurde.Adama,admati verfasste er 1941. Pen veröffentlichte hunderte von Gedichten, Romanzen,BalladenundandereliterarischeundpolitischeSchriften.SeinWerkistgeprägtvomKampfumsozialeGerechtigkeitundFrieden,vonderLiebezurisraelischenHeimataberauchvomRufnacharabisch‐israelischerFreundschaft.
Strophe 1 – Rossi Pennino Ichweißichleb,meineErdelebtundwenndieErdebebtichüberdieErdeschwebundsicheinDonnerwettererhebtweißichesistsoweit,dassistjetztmeineZeitmeinLeidgehtvorüber,bringeszuEndeohneFeigheitwennmeineHeimatwüsstewieoftichsiegernküssteimKampfgegendasBöseichdafürÄrgerauslösteegalwoichbegrabenbin,gelagertbindieWeltliebtmichweilicheinTeilihrerGeschichtebinwogeheichhin,wokommeichherverzeihtmirmeineSündenWoliegtdasParadies,istdasderNordenoderSüdenWerdeichgetragenodergetreten,liebenoderleidenWerdeichgezwungenodergebeten,siegenoderscheiternStrophe 2 – Kutlu Yurtseven IchschaueindenHimmelichträumevomLebenVonFreundschaftundFriedeninderWeltzuerlebenZuvielBlutwirdvergossenzuvieleTränenSpüremeineVerzweiflungwiemeineAugentränenIchhabeAngstdiesenRissinmeinerSeeleWarumkönnenwirdieWeltnichtneubeseelenManführtlieberKriegeträumtvonglorreichenSiegenMerktIhrnichtwieWutundZornwiedermalsiegenIsteswahrliegtderHassmitinunsererWiegeKönnenwirdenWerteinesMenschenanderHerkunftabwiegenIchschließemeineAugenspüredassichschwebeDieZukunftbleibtungewissallesinderSchwebe?
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Bridge – Edna Bejarano Übersetzung aus dem Hebräischen: AufdenHügelnvonShech‐AbrekundChartijatanzenwir...Oh...“
Text:AlexanderPen,R.PenninoundK.Yurtseven,Musik:MordechaiSeyra,R.Pennino,D.Stammel,K.Yurtseven,Gesang:EdnaBejaranoKarli Kayin Ormani – Verschneiter Buchenwald DertürkischeDichterNazimHikmet[1902‐1963]wurdeschonmit19JahrenalsDichterder nationalen Erneuerung gefeiert. Enttäuscht von den Folgen der Revolution in derTürkei, sagte er sich von den folgenden konservativen Tendenzen der Führung seinesLandeslos.SeinegeistigeHeimatwardasavantgardistischeMoskauder1920erJahre,dererinseinemkritischenEngagementfüreinenmarxistischenHumanismustreublieb.Einesseiner Gedichte führte 1937 zu seiner Verurteilung zu 28 Jahren Haft. Gefangen inanatolischen Gefängnissen, verfolgte er die historischen Ereignisse um den ZweitenWeltkrieg, die er in seinen Werken verarbeitete. Nach zwölf Jahren Haft konnte eineinternationale Kampagne seiner Schriftstellerkollegen seine Freilassung bewirken. 1951mussteNazimHikmet ins Exil nachRussland flüchten.DieVerbundenheitundSehnsuchtnachseinerHeimatkommtauchimhierwiedergegebenenLiedzumAusdruck.
Strophe 1 – Kutlu Yurtseven Esfälltmirschwerzugehen,DichhintermirzulassenHördenKlangderBlätter,dieeinAbschiedsliedverfassenDerWindwehteineMelodiederEinsamkeitSchrittfürSchrittziehichindieDunkelheitGeliebteHeimatverlassDichumderWahrheitwillenDerGedankeanDichwirdmeineSehnsuchtstillenIchhattedieWahldochichkonntenichtschweigenIchzogesvorzukämpfenalsbeiDirzubleibenSiesolltensichschämen,dieunsgetrennthabenMeinegeliebteStadt,DubisttiefinmirbegrabenÜbersetzung des türkischen Textes: NichtskannanDeineStelletretenDichzuverlassenistmitkeinemSchmerzzuvergleichenHabenmeinenRückengewandt,TränenindenAugenmeineSeeleglühtGlaubemir,DichzuverlassenfälltmirschwerGeliebteHeimatdieAngsttrenntmichvonDirIchkommezurück,dennderTodvereintdieLiebendenRefrain – Edna Bejarano und Kutlu Yurtseven Übersetzung aus dem Türkischen: IchgehenachtsdurchdenverschneitenBuchenwaldIchgehenachtsdurchdenverschneitenBuchenwald
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Strophe 2 –Rossi Pennino Ichfühlemichsicher,weilichmeinenBlicknachvorngerichtethabSehewasichangerichtethab,einMannimGrabgerichtetlagFlieheüberSteineundTäler,überMinenundFelderÜberBergeundFelder,überLeichenundWälderErreichemeinZielimmerdenSternennachÜbersiebenHügelundhöreausderFerneKrachIstdasdieHeimat,dasgelobteLand?EsbrenntnochLichtimHaus,wovorherMilitärstandAllesistverschneitundallesistsowarmEsgibtkeineIndustrieundallesindsoarmDocheinesistklar,einshabenwirgemeinsamDasistdieMenschlichkeitundkeinerstirbteinsamDerGeruchimHimmelallesriechtnachFreiheitKeineFesselnmehrundkeinermehrLeidhatEineneueÄradieZeitderVersöhnungEsbeginntdieVerschwörunggegendieZerstörungRefrain – Edna Bejarano und Kutlu Yurtseven Übersetzung aus dem Türkischen: IchgehenachtsdurchdenverschneitenBuchenwaldIchgehenachtsdurchdenverschneitenBuchenwald
Text: Nazim Hikmet, R. Pennino und K. Yurtseven, Musik: R. Pennino, D. Stammel, K.Yurtseven,Gesang:EdnaBejarano,K.YurtsevenSchir la Schalom – Das Lied für den Frieden Dieses Lied gehörte zu dem Musical‐Programm „Jambo“ des israelischen NachalEnsembles,das sichauseinerEinheit jungerSoldatenundSoldatinnenum1968gebildethatte, ein Jahr nach dem sogenannten „Sechs‐Tage‐Krieg“ zwischen Israel und Ägypten.Während die israelische Regierung und die überwiegende Öffentlichkeit die militantenAuseinandersetzungenmit denAnrainerstaaten unterstützte, stand dieses Programm fürfriedliche Lösungen imNahost Konflikt. Der damals noch ausschließlich staatliche Radio‐undFernsehsenderIsraelszensierteeineAusstrahlunginTeilendesProgramms.Später,alsdieFriedensbewegungerstarkte–insbesonderenachderisraelischenInvasionimLibanonEnde der 1970er Jahre – wurde „Shir la Schalom“ zu einer Art Hymne derFriedensbewegunginIsraelundistesbiszumheutigenTagegeblieben.Kurznachdemderisraelische Premierminister Jitzchak Rabin 1995 während einer Demonstration für denFrieden in Tel Aviv 1995 dieses Lied gesungen hatte, wurde er von einemRechtsextremistenerschossen.
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Strophe 1 –Rossi Pennino IchsingSchalomichwilldenWeltfriedenichwilldieWeltsiegensehnDamitsienichtimBuchmitsiebenSiegelnstehtIchfragemichwiesolldasallesnursoweitergehenWennMilitärkonflikteaufderTagesordnungstehenIchsehejungeSoldaten,diekönneneskaumerwartenStehenindenStartlöchernumUnheilzustartenDochihreAugenverraten,wowerdenwirbegrabenseinMedaillenohneBrustundeineWitwedieweintRefrain – Edna Bejarano Übersetzung aus dem Hebräischen:„SingtdasLieddesFriedensmiteinemgroßenSchrei!FlüstertkeinefrommenGebeteSingtnurdasLieddesFriedensmiteinemgroßenSchrei...“Strophe 2 – Kutlu Yurtseven IchziehedurchdieWeltichbineinsamundalleinIchklopftanvielenTürendochsieließenmichnichtreinSieriefenmichzusichnunstoßensiemichzurückMeinHauptistgesenktzuvieleTränenverdrücktSorgenbedrücktschauichummichsehewaspassiertBinichnichtihrLeitmotiv,dasihrLebengrundiertGewalt,Hass,TodweilzuvieleMenschenschwiegenIhrfragtnachmeinemNamen,sienennenmichFriedenRefrain – Edna Bejarano Übersetzung aus dem Hebräischen:„SingtdasLieddesFriedensmiteinemgroßenSchrei!FlüstertkeinefrommenGebeteSingtnurdasLieddesFriedensmiteinemgroßenSchrei...“Strophe 3 –Rossi Pennino, Kutlu Yurtseven – italienisch und türkisch Übersetzung des italienischen Textes:Eslebe,eslebedieFreiheitEsgibtkeinendersiemirnehmenkann,weilwirhierstehenUndüberdieWahrheitsprechen,wieistdieseNachtschönOhneKrieg,ohneBombenundohnePanzerÜbersetzung des türkischen Textes: Ihrseidesdiemichrufen,ihrstoßtmichzurückSchautmirindieAugen,dochihrsehtmichnichtIhrwisstesnicht,derZweckheiligtnichtdieMittelImNamendesFriedensdarfmankeineMenschenopfern
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Refrain – Edna Bejarano Übersetzung aus dem Hebräischen:„SingtdasLieddesFriedensmiteinemgroßenSchrei!FlüstertkeinefrommenGebeteSingtnurdasLieddesFriedensmiteinemgroßenSchrei...“
Text:YaacobRotblit,R.PenninoundK.Yurtseven,Musik:YairRosenblum,R.Pennino,D.Stammel,K.Yurtseven,Gesang:EdnaBejarano
To Sfaijo – Der Schlachthof
Der griechische Liedermacher Mikis Theodorakis wurde während der MilitärdiktaturseinesLandesEndedersechzigerJahreinhaftiertundwievielepolitischeGegnerseinerzeitaufderInselJarosgefangengehaltenundgefoltert.InseinemLiedvon1968verarbeiteterdie qualvolle Erfahrung der Einzelhaft, die er mit seinem Freund und MitgefangenenAndreas teilt.KlopfzeichensinddieeinzigeMöglichkeitder Isolationzuentkommen, sichMutundHoffnungmitzuteilen:Wirhaltendurch!
Strophe 1 – Rossi Pennino IchhöredieWändesprechenklopfbismeineHändebrechenDasistallesgarnichtwarichglaubdiewollenmichjetztnurtestenDochmeinWillesagt,morgenisteinneuerTagSolangeichmeinenBruderklopfenhöre,brauchichkeinenSargWirpuschenunsgegenseitighörenMorsezeichengegendieZeitDiebekanntlichalleWundenundSeelenschmerzenheiltIchhörseinHerzklopfen,spürewieseinBlutfließtSpürewieeineTräneausseinemAugekriechtGedankenanschönereTagejadiewerdenzerschlagenIchfragemichwielangewerdeichdieseQualenertragenRefrain – Edna Bejarano Übersetzung aus dem Griechischen: MittagsschlagensieimBüro,ichzähledieSchlägeichermessedenSchmerz,IchbineinStückMastviehsiehabenmichimSchlachthofeingeschlossen.Heutedu–morgenich.Strophe 2 – Kutlu Yurtseven IchweißnichtwerDubistkennkeinenNamenhabDichniegesehenDochtrotzdembistDubeimirumdieseHölledurchzustehenUmunsdasGrauendochDuspendestmirLichtDeinKlopfenisteinSonnenstrahlderdieFinsternisbrichtAndiesemOrtvollerSchreckenhilfstmirHoffnungzuweckenBegrenztdurchMauernundGitterdochsiewerdenzerbrechenEinGeräuschdasmehrsagtalsalleWärterderErdeEsnimmtmirdieFurcht,meineAngstdasichsterbe
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SchöpfeKraftzuträumenSchulteranSchulterwirzweiVoneinerbesserenZukunftimKlopfenvereintRefrain – Edna Bejarano Übersetzung aus dem Griechischen:MittagsschlagensieimBüro,ichzähledieSchlägeichermessedenSchmerz,IchbineinStückMastviehsiehabenmichimSchlachthofeingeschlossen.Heutedu–morgenich.Bridge – Edna Bejarano Tak,takdu–taktakichDasheißtindieserstummenSprache:„Ichbleibefest,ichhaltedurch!“
Text:MikisTheodorakis,R.PenninoundK.Yurtseven,Musik:MikisTheodorakis,R.Pennino,D.Stammel,K.Yurtseven,Gesang:EdnaBejaranoBella Ciao
Gesungen wurde die Melodie bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts vonReispflückerinnen in der Provinz Terre d’Acqua nahe der italienischen Stadt Bologna. EswareinProtestliedgegendieArbeitsbedingungenaufdenFeldern,abererstnachdemdieitalienischeWiderstandbewegunggegendenFaschismuswährenddesZweitenWeltkriegsdasLiedadaptierte,wurdeesweltbekannt.EsisteineHommageandenFreiheitskampfderPartisanenundderenHeldentod.2003hatdieMicrophoneMafiaihreeigeneVersionvondemLiedkreiertundproduzierthierbeieineHommageandieFreiheit.
Refrain – Maria Pennino, Salvatore Pennino EinesMorgenswachteich,bellaciao,bellaciao,bellaciaociaociaoEinesMorgenswachteichauf,denichträumtevonderFreiheitEinesMorgenswachteichauf,denichträumtevonderFreiheitStrophe 1 – Esther Bejarano, Edna Bejarano EinesMorgensinallerFrühe,bellaciao,bellaciao,bellaciaociaociaoEinesMorgensinallerFrühetrafenwiraufunserenFeindEinesMorgensinallerFrühetrafenwiraufunserenFeind Refrain – Maria Pennino, Salvatore Pennino TextwieobenStrophe 2 – Esther Bejarano, Edna Bejarano OhPartisanen,kommtnehmtmichmitEuch,Ohbellaciao,bellaciao,bellaciaociaociaoOhPartisanen,kommtnehmtmichmitEuch,dennichfühlderTodistnahOhPartisanen,kommtnehmtmichmitEuch,dennichfühlderTodistnah
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Refrain – Maria Pennino, Salvatore Pennino TextwieobenStrophe 3 –Rossi Pennino, Kutlu Yurtseven Lassmich,bittekommlassmichdurchLassmichbittedennichhabeDurstIchwardieNachtunterwegsbinmüdeundhungrigDieStraßensteinig,hart,glattundrutschigLaufesolangemeineBeinemichtragenBoxmichdurchsLebenohneAngstzuhabenStellemichalleinegegenEureInfanterieBinguterHoffnung,KraftundvollerEuphorieIchseheDichinmeinerHoffnunginmeinenTräumenIchkannnichtaufhörenvonDeinerMagiezuträumenSeheDichunverhülltohnedenSchleierDensieumDichlegenumdieWahrheitzuverschleiernUminDeinemNamenihreSpielchenzutreibenDuschaustihnenzu,beiihremschamlosenTreibenIgnorantenverlassenDichfürBrotundSpieleWeilsielieberdenBauernimSchachspielspielenWeinenicht,esgibtvielediesicheinsetzenWeinenicht,dennsiewerdensichdurchsetzenWissenDichzuschätzenundihreUnabhängigkeitOpfernsichfürDichRefrain – Maria Pennino, Salvatore Pennino Textwieoben
Text: K.Yurtseven,R.Pennino,M.Pennino,Musik:K.Yurtseven,Ö.Bardakci,R.Pennino,Gesang:EstherBejarano,EdnaBejarano,MariaPennino,SalvatorePennino
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Biografie Microphone Mafia Kontakt/Booking:Rock‐Links,DirkSeifert0175‐5609762 Köln Flittard 1989 Im Schatten der Bayer‐Türme im äußersten Nordosten von Köln liegt Flittard. KeinGhetto,ehereinaltesArbeiterviertel,indassichnormalerweisekaumeinKölnerverirrt.ImJugendzentrum, der Pauline, hat alles angefangen. Da haben wir uns immer getroffen.Damals waren wir 16 oder 17 alt. Irgendwann haben wir dann beschlossen, nicht nurPlatten aufzulegen für Parties.WirwolltenHiphopmachen.Dennis und Kutluwaren dieRapper,RossiundÖnderdieBeatboxer,ArniwarderDJundPierrounserProduzent,derdie Beats produziert hat. Die Gruppe hieß dann TCA, Abkürzung für Therapy AgainstAnimosity.DerNamestammtevonDennis,dergeradeausAmerikazurückgekommenwar.AbkürzungenwieNWAwarendamals richtig cool.AmAnfangwarennochalleTexteaufEnglisch.WirhabenPartiesorganisiert,dieimmersupergutbesuchtwaren.Dahabenwirso viel Kohlemit gemacht, daßwir uns davon unser ganzes Equipment kaufen konnten:unsereerstenMikrophone,unserenerstenSampler.Köln. Stadtgarten 1991 Pierro und Arni sind inzwischen nicht mehr dabei, und Rossi ist vom Beatboxer zumRapper aufgestiegen.Rossi rappt auf Italienischundneapolitanisch. Englischwar einfachnicht sein Ding ‐muß ja auch nicht jeder Rapper aufs Gymnasium gegangen sein. KutlurapptjetztaufTürkisch.UnserlegendärenDreisprachenmixwaralsoamAnfangeherZufallstatteinesausgefeiltenKonzepts.Aberesklapptprima.DannunsererstergroßerAuftritt:WeareFamily‐Jam,präsentiertvomKölnerStadtmagazinStadt‐Revue.MitdabeiwarendieRude Poets, aus Heidelberg kamen Advanced Chemistry, DCS waren mit dabei [damalsnochals CologneRapAssociation].Daswar 'neRiesen‐Jam–natürlich gegenRassismus,der Anfang unserer Karriere als multikulturelle Vorzeigekids – beliebt bei allenSozialarbeitern und immer wieder eingeladen, umsonst aufzutreten, wenn es umantirassistischeFestivalsging.Unddavongabsdamals'neMenge.Köln. 1993. Hip‐Hop Hurrah! 1993. Ein ereignisreiches Jahr. Zum erstenMal gibts Stücke von uns auf Tonträger. ImSommer erscheint das Doppelalbum "Hip‐Hop Hurrah", zusammengestellt vomStadtmagazin PRINZ. Untertitel "Rap gegen Rechts". Das war zwar nicht geplant, aberdurchaus konsequent in einer Zeit der ersten rechtsradikalen Krawalle. Wir sind mit"International"aufdemSampler.WenigspätererscheintderSampler"SOS Deutschland! Stop Faschismus! StopRassismus" bei DAY‐GLO Records.Wir sindmit "Insanlar" dabei,eineKooperationmitdemtürkischenSängerBülentEskimez.UndbeidemAnti‐Rassismus‐Stück "Sieh hin schau nicht weg!", einer Kooperation Kölner Rapper unter dem Namen"Rheinreime".UnddannerscheintEndedesJahresnochunsereersteeigeneSingle:"No!",B‐Seite "WannaBe". B‐Seite stimmt in diesem Fall sogar,weil es eine 7‐inch‐Singlewar."No!"habenwirheutenochimLive‐Programm.Esgehtvoran!
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Köln‐Frankfurt. 1994. HarteZeiten‐immermehrNazi‐Anschläge.DieInitiative"MediengegenRassismus"fragtan,obwireinenantirassistischenFernseh‐Clipaufnehmenwollen.Wirmachenmit:"HandinHand"heißtdasStück.HandinHand,wirlebenHandinHand‐alsvereinteNationeninDeutschland.DerClip istungefähr30SekundenlangundläuftaufallenFernsehkanälen‐beiVIVAmittenindenWerbeblöckenimmerwieder.Frankfurt. 1995. Hand in Hand DieKampagnederInitiative"MediengegenRassismus"nimmtihrenLauf.PlötzlichdrehtfastjedereinenantirassitischenClip,weiljajedereinanständigerMenschseinwill.SONYbringt in Zusammenarbeitmitder InitiativeeineCompilationheraus, Titel ‐wie sollteesanderssein‐"HandinHand".MitvonderPartieu.a.FettesBrot,AdvancedChemistryundDie Fantastischen 4. Und natürlich TCAMicrophoneMafia. SONY bringt "Hand in Hand"noch mal als Single heraus und läßt uns einen aufwendigen Drei‐Minuten‐Video‐Clipdrehen [mehr unter VIDEOS].Die Enttäuschung ist groß, als VIVAdenClip nicht aufHotRotationsetzt.OverkillinSachenAntirassismus.Danach beginnen harte Zeiten.Wir produzieren neue Demos für die nächste Single undunser erstes Album. Wir schreiben jetzt auch deutsche Texte. Schließlich verläßt unserA&R‐ManagerbeiSONYdieFirma,undwirmüssengleichmitgehen.Byebyemajordeal.Köln. 1996. Vendetta TCAMicrophoneMafiagoesindependent.VENDETTA erscheintbeiDAY‐GLORecords,woauchunsereersteVinyl‐Singleherauskam.DieResonanz: tonnenweiseReviewsundnichteinVerriß!BeispielINFULLEFFECT:"ReimflußundProduktionfließenüberlangeStreckensoperfekt zusammen,daßTCAdieVisioneines europäischenHiphopdamit einen gutenSchrittvorangetriebenhabenunddieseVisionmitspielerischerLockerheitrealisieren."Istandbul. 1996. Istanbul ‐dieMetropoleamBosporus.Cartel ‐dietürkischenRapperausDeutschland‐sind inderTürkeigeradezuMegastarsgeworden.Hiphop isthiernochwasvölligNeues.Neufüruns:wirverhandelnmittürkischenPlattenfirmen,einenmajordealbekommenwirnicht.VENDETTAerscheintschließlichaufCassette[!]undCDbeiADAMüzik,einerkleinenFirma in Istanbul ‐ und zwar in einer anderen Fassung als in Deutschland. Immer nochviersprachig,abermitdeutlichmehrtürkischenrhymes.September 96: Video‐Dreh in Istanbul. Das ist wie ein Traum.Wir haben praktisch keinBudget, und trotzdem sind wir hier. Gut, daß wir kein deutsches Team dabei haben,sondern einen türkischen Kameramann aus Istanbul. Der kennt die Stadt undweiß,wasman machen kann. Wir drehen ohne offizielle Genehmigung! In Deutschland fastunvorstellbar.AmEndehabenwirgleichzweiClipsgedreht:einenfür"SayWhat"‐unsereSingle‐AuskopplungausVENDETTA‐undeinenfür"Insanlar".MehrunterVIDEOS.Köln. 1999. Irgendwann DreiJahrenachVENDETTAerscheintunsereerste,neueSingle[sehenwirmalvon"CiaoRagazzi" ab, das wir lieber mit demMantel des Schweigens belegen]. Wir haben sogarwieder einen major deal beim BMG/Chlodwig. Und wir haben gerlernt. Schluß mitMultikulti. Als Multikulti‐Vorzeigekids waren wir immer willkommen, solange es umirgendwelcheAntirassismus‐Aktionenging.Bloßalsesdaranging,unserAlbumimRadiozuspielen,unsereSinglesaufirgendeinePlaylistirgendeinesSenderzusetzen,unsereVideos
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auf Hot Rotation im Fernsehen zu zeigen, da warMulitkulti plötzlich ein Hindernis. Dasversteht ja keiner, was Ihr da von Euch gebt, hieß es nur allzu oft hinter vorgehaltenerHand.DeshalbabsofortkeinWortTürkischmehr,keinWortNeapolitanisch,keinEnglisch,eineeinzigeTextzeileitalienisch‐ansonstensindalleRhymesaufdeutsch!"Irgendwann ist alles zu spät" heißt unsere Single. Es gibt auch keine türkischen oderitalienischenSamplesmehrinderMusik,stattdessenOrchester.MehrunterSINGLES.Köln. 1999. Microphonia ImOktobererscheintunserzweitesAlbum,TitelMICROPHONIA.ProduzierthatesMickiMeuser, der uns ein Jahr zuvor für eine Filmmusik haben wollte. Das Projekt verlief imSande,aberMickibliebunserProduzent.ErhatseinenAnteilanderMusik,vorallemanden Orchesterarrangements. MICROPHONIA hat wenig gemeinsam mit VENDETTA. Wirwollten etwas völlig Neues ausprobieren, Hiphop mit orchestralen Arrangementsverbinden. Das Ergebnis ist eine Art Soundtrack, zu dem der Film noch gedrehtwerdenmuß. Typische Journalistenfrage: Ihr habt die härtesten Texte im deutschen Hiphop.Warum?Wennes so ist, okay. Eswar keineAbsicht, keine Strategie.Wir kommenebenweder aus der Einfamilienhaus‐Siedlung noch aus demVillenviertel. Auch nicht aus demGhetto,eherausderproletarischenVorstadt.Undda redetmanvielleichtetwasanders.FürunswarHiphopnieeineMode,fürunswarHiphopauchnienureinSpielmitWortenund Klamotten, für uns hatte Hiphop immer mit dem wirklichen Leben zu tun. UnsereeigeneSichtzujedemeinzelnenSongfindetIhrunterMicrophonia.Köln. 2000. Die Farbe des Geldes ImFebruarkommtunsereersteSingle‐AuskoppelungausMICROPHONIA:"Die Farbe des Geldes". Wie es der Zufall so will, ist der Song plötzlich hochaktuell. Und brisant. WirbefindenunsaufdemHöhepunktderCDU‐Spendenaffäre.DeutschePolitikstinkt offenbargenausonachGeldwieüberall sonst.Sollnocheinersagen, Italienunddie Türkeiwärenkorrupt!Deutschlandistoffenbargenausokorrupt.UndanobersterStelle DonKohleone,derEx‐Kanzler,dersogernalsVaterderdeutschenEinheitindie Gechischte[wieerimmersoschönsagte]eingehenwollte.ImVideoclipsindalldie dubiosenGestaltenzusehen,vonKohlüberKantherbisSchreiber.Brisant.Zubrisantfür deutsche[Musik‐]Fernsehstationen,zu brisant für deutsche Radio‐Stationen. Man könnte meinen, Kohl habe überall seineFingerdrin.AmEndederGeschichtesindwirunseren MajorDealwiederlos. WirmachenunsselbständigundgründenunsereigenesLabel:Al Dente Recordz. DieersteVeröffentlichungsolleinekleineCompilationmitFreundensein,zuderwirselbstnureinenTitelbesteuern."BuonAppetito"heißtdieCD.Köln, 2001. Al dente recordz "BuonAppetito"erscheintimFrühjahr.MitvonderPartiesindProfilistix,MC*M,LyricalMalariaundPowPowMovement.DerTitelsongisteinAllStarTrackmitvielenFreunden.DaseinzigeMafia‐Stückheißt "ZeichenanderWand" ‐unsereHommageandieGraffiti‐Writer. Für 'nen Appel und ein Ei drehen wir sogar ein Video. Mehr unter Singles undVideos. Ansonsten arbeiten wir heftig an unserem neuen Album, das im Septembererscheinen soll. Aber daraus wird nichts. Irgendein schlauer Rockmusiker ‐ es soll PeteTownshendgewesensein ‐hatmalgesagt:90%deinerKarrierebestehtausWarten.Wirwarten also. Auf einenDealmit irgendeiner größeren Firma.Und siehe da ‐wirwagtenschon nicht mehr dran zu glauben ‐ der Deal kommt. Al dente recordz schließt einenExklusivvertrag mit Pirate Records, einer neuen Firma in Köln, die wiederum einen
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Vertriebsdeal mit SONY Music hat. Alles bestens: der Deal sichert uns unsereUnabhängigkeit.Wir können rausbringen,wenundwaswirwollen;wirpromoten selbst,wirmachen unsere Cover selbst und unsere Videos. Das erste Album ist natürlich unsereigenes:"Infernalia".Discografie Microphone Mafia 1993 "International"‐SamplerHiphopHurra[RoughTrade]
"Insanlar"‐auf"SOSDeutschland!StopRassismus!StopFaschismus![DAY‐GLORecords]"No!/WannaBe"‐7‐inch‐Single[DAY‐GLORecords]
1994 "NO!"‐4‐Track‐EP[SONY]1995 "HandinHand"‐TiteltrackderCompilation"HandinHand"[SONY]
"HandinHand"‐4‐Track‐EP[SONY]"KauftmehrPlatten"aufdemSampler"SchütztdieRille"[KölnMassive]"HandinHand"aufdemHiphop‐Sampler"Freistil"[Edel]
1996 "HandinHand"aufdemHiphop‐Sampler"DasGelbevomEi"[Eastwest]"Vendetta"‐LP/CD[DAY‐GLORecords]"SayWhat"4‐Track‐Single[DAY‐GLORecords]"Vendetta"‐türkischeAusgabeCassette/CD[AdaMüzik‐Türkei]
1997 "SayWhat"aufderEuro‐Hiphop‐Compilation"BabylonBeats"[DAY‐GLORecords]"CiaoRagazzi"4‐Track‐Single[BMGChlodwig]"KingoftheRing"‐SignoreRossiGastaufCapuccino'sCD"Lautsprecher"[Mercury]
1998 "Krankenhaus"‐SignoreRossiGastbeiJazzkantine‐CD"Geheimrezept"[BMGAriolaHH]"Krankenhaus"‐"Jazzkantine"‐SinglemitSignoreRossi[BMGAriolaHH]
1999 "IneinemLandvorunsererZeit"auf"Vorwärtsundnichtvergessen"[DAY‐GLORecords]"Irgendwannistalleszuspät"4‐Track‐CD‐Single[BMGChlodwig]"Microphonia"‐CD[BMGChlodwig]"Irgendwannistalleszuspät"‐auf"FetterRespekt"[DanceNetwork/ZYX]
2000 "DieFarbedesGeldes"‐3‐Track‐CD‐Single[BMGChlodwig]2001 "ZeichenanderWand"‐auf"BuonAppettito"‐EP
[Aldenterecordz/DAYGLORecords]
2002 "Infernalia"‐CD/LP[Aldenterecordz/PirateRecords]"No!"auf"20JahreHiphopinDeutschland"[KochRecords]
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Das Album „PER LA VITA“ als Projekt gegen rechte Musik Links zu pädagogischen Handreichungen zur NPD‐Schulhof‐CD auf der CD „Musik als Sprachrohr“ Musikalische Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus“ FürdieKampagne „schlauer statt rechts“der vierArbeiterjugendverbändeDGB‐JugendNRW,SJD–DieFalkenNRW,LandesjugendwerkderAWONRWundNaturfreundejugendNRWwurdeeineMultimedia‐CDmitdemTitel„MusikalsSprachrohr“produziert.Darauffindet ihrnichtnurdieerstengemeinsamenStückedesBandprojektesderBejaranosundderMicrophoneMafia,sondernauchvieleinteressanteHintergrundinfosundTippsfürdiepädagogische Arbeit gegen rechtsextreme Musik. Ihr könnt sie bestellen unter: Mail:info@schlauer‐statt‐rechts.de
EinDownloadistmöglichunter:http://www.osz‐gegen‐rechts.de/index.php?id=85
Ein Übersichtsartikel von Henning Flad über die aktuelle Ausdifferenzierung rechterJugendkulturundMusikfindetsichunterfolgenderAdresse:http://www.theeuropean.de/1418‐henning‐flad/1417‐rechtextreme‐alltagskultur.
Ergänzungen zu den Modulen
MODUL1:GlossarKamera‐Einstellungsgrößen
MODUL4:Hintergrundtextzu„NS‐ÜberlebendenalsZeitzeugeninderhistorisch‐politischenBildungsarbeit“
MODUL1&4:SchaubildzurThemenfindungfürdie5.Prüfungskomponente:„HistorischesLernenamBeispielvonBiografien“
LiteraturempfehlungenzurpädagogischenArbeitgegenAntisemitismusvonArbeitundLebenHamburg
Die Web‐Broschüre „NPD‐Schulhof CD 2009 – Ein Argumentationsleitfaden für Demokratie und Vielfalt“von Jan Buschbom liefert Argumente gegen die NPD‐Schulhof‐CD2009undbietetdieMöglichkeit,sichauchintensiv mit den Texten der CD auseinanderzusetzen.Der Argumentationsleitfaden wurde von der von RAABerlin, Violence Prevention Network und Exit‐Deutschlanderstellt.
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HINTERGRUNDTEXT ZU MODUL 4 NS‐Überlebende als Zeitzeugen in der historisch‐politischen Bildungsarbeit
Esther Bejarano geht seit vielen Jahren als Zeitzeugin in Schulklassen und erzähltJugendlichen heute über ihre Erfahrungen, die sie als Jüdin während der Zeit desNationalsozialismuserleidenmusste.AuchwenndasEndedes„DrittenReiches“bereits65Jahreher ist, soarbeitenwie sie immernochvieleÜberlebendenderNS‐VerbrechenalsZeitzeugen.DieGeschichtsdidaktikerinWaltraudSchreiberbezeichnetsieals „LeitfigurenderGeschichtskultur“66.Daswar aber nicht immer so: Ehemalige KZ‐Häftlinge,DisplacedPersons und Widerstandskämpfer galten über viele Jahre in der Wahrnehmung derDeutschenals„Verbrecher“undzurückkehrendeExilantenals„Vaterlandsverräter“67.ErsteImpulse für die Zeitzeugenarbeit in der Bundesrepublik Deutschland gingen Ende der1970er Jahre daher auch von den Verfolgtenverbänden aus. Sie prägten den Begriff„Zeitzeuge“ auch gegen ihre anhaltende gesellschaftliche Diskriminierung als ehemaligeVerfolgtemit.AlsheterogeneGruppierungenverbandensiedamitnichtselteneineKritikan aktuellen politischen Entwicklungen oder nicht aufgearbeiteten Folgen desNationalsozialismus.NachjahrzehntelangemSchweigen„boomte“seitden1980erJahrender Erinnerungs‐Diskurs. Die Entdeckung von Alltagsgeschichte, „Geschichte von unten“undlokalerSpurensucheerlangtenBedeutung.ZeugenschaftistfolglicheinesozialePraxis.Sie findet zwischen Überlebendem und Zuhörern statt und impliziert eine moralischeAnerkennung.DieÜberlebendengaltenabernichtimmeralsglaubwürdig,siemusstensichihre gesellschaftliche Akzeptanz vielmehr hart erarbeiten. Zeitzeugenbesuche inbundesdeutschenSchulenwarenauchausdiesemGrundniemalsdieRegel.AndersinderehemaligenDDR.Dortwurdenu.a.KZ‐GedenkstättenführungenzumeistvonehemaligenHäftlingen durchgeführt. Seit Beginn des nun auch schon langwährendenDiskurses überdas Endeder Zeitzeugenschaft – des vielbeschworenenÜbergangs vomkommunikativenzum kollektiven Gedächtnis – erfährt das Zeitzeugengespräch eine weitere Aufwertung.HeutekönnenaberleidernichtmehrvieleZeitzeugendieseaufreibendeArbeitleisten.DieZeitzeugenversuchen ihrMenschenmöglichstes, zuerzählen, zumahnenundzuwarnen,um die Erinnerung an die ermordeten Verwandten und Freunde, an verschwundenekulturelle Welten hochzuhalten und die Erinnerungen an die Opfer im kollektivenGedächtnis zu verankern. Emotional bedeutet der Akt des Zeugnis‐Ablegens für dieÜberlebenden die Erinnerung an einen Lebensabschnitt, der von Leid, Trauer, Verlustenund Demütigungen geprägt war. In Einzelfällen kann eine intensive Erinnerung Re‐Traumatisierungen zur Folgehaben,es ist aber zumindest voneiner starkenpsychischenBelastungfürdieZeugenauszugehen.
66Vg.Schreiber2009.67ZurRezeptionsgeschichtederÜberlebenden‐BerichteundGeschichteihrerOrganisationenvgl.u.a.ArbeitsgemeinschaftNeuengammee.V.[Hg.][2008]:„…daswarkeinSpaziergangimSommer“–DieGeschichteeinesÜberlebendenverbandes,Hamburg:Konkret‐Literatur‐Verlag.Esseihierzudemdaranerinnert,dasseinederbedeutendstenVerfolgtenorganisationenderBRD,dieVereinigungderVerfolgtendesNaziregimes[VVN,heuteVVN‐BdA]weiterhinineinigenBundesländernindenBerichtendesVerfassungsschutzesaufgeführtwird.
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EsistdieRollederZeitzeugeninderGeschichtskultur,andie„DaueraufgabeVergangen‐heitsaufarbeitung“zuerinnern. IndiesemSinnekonfrontierensieselbstverständlichauchSchüler, wenn sie – allein durch ihre Anwesenheit – dazu auffordern, sich mit [Täter‐]Geschichteauseinanderzusetzen.GeschichtsdidaktikerundPraktiker68gehendavonaus,dass prinzipiell alle für das historische Lernen bedeutsamen Kompetenzen imZeitzeugengespräch gestärkt werden können. Ziel ist es, die Reflexivität desGeschichtsbewusstseins zu fördern. Dabei kann nicht nur die historische Sachkompetenzgestärktwerden[durchdieDarstellungderAuswirkungen„großerPolitik“aufIndividuen],sondern durch das Erstellen von Fragenkatalogen an die Zeitzeugen kann auch dieFragekompetenz aufgebaut werden. Durch das Auswerten der Gespräche [De‐ undRekonstruktion der Zeitzeugentexte] werden die Methodenkompetenz und durch dasErkennen der auch heute noch aktuellen Auswirkungen der Vergangenheit auf dieZeitzeugendiehistorischeOrientierungskompetenzunterstützt.
Für die Zukunft der historisch‐politischenBildungüberdenNationalsozialismus ist eineentscheidendeFrage,aufwelchemWegedieZeugnissederÜberlebendenindieschulischeundaußerschulischeBildungsarbeiteinbezogenwerden.EineBegegnungmitZeugnissenistkein Ersatz für die Begegnung mit realen Menschen. Denn für die Jugendlichen ist dasinteraktiveMomentderwichtigsteAnteilanderMethode.SiekönnenihreFragenstellenundGeschichte[n]entsprechendihrerInteressenerarbeiten.
68Vgl.Schreiber2009.
Ideen zur Weiterarbeit
LadenSieeineNS‐Überlebende/einenNS‐Überlebenden in IhreLerngruppeein.BereitenSiediesesZusammentreffenabergründlichvor und nach! SiekönnensichauchanverschiedeneTrägerinderBildungsarbeitwenden,diedieseTreffenprofessionellorganisieren,oderbeispielsweiseMedienprojektemitNS‐Überlebendenrealisieren.AnregungenundLiteraturdazufindenSieunten.
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Weiterführende Literatur zu Zeitzeugengesprächen
Kößler, Gottfried [2007]: Gespaltenes Lauschen. Lehrkräfte und Zeitzeugen inSchulklassen.In:FritzBauerInstitut/MichaelElm/GottfriedKößler[Hg.]:ZeugenschaftdesHolocaust. Zwischen Trauma, Tradierung und Ermittlung, Jahrbuch zur Geschichte undWirkungdesHolocaust,Frankfurta.M.:Campus,S.176‐191.
Kößler, Gottfried [2000]: Perspektivenwechsel. Vorschläge für die Unterrichtspraxis zurGeschichte undWirkung des Holocaust. In: Bernd Fechler/Gottfried Kößler/Till Liebertz‐Groß [Hg.]: 'ErziehungnachAuschwitz' indermultikulturellenGesellschaft.PädagogischeundsoziologischeAnnäherungen,Weinheim/München:Juventus,S.193‐206.
Michelsen, Jens/Heinker, André [2006]: Fragestellung zur De‐Konstruktion vonZeitzeugennarrationen als Aufgabe und Beitrag zum historischen Lernen. In: AndreasKörber/OliverBaeck[Hg.]:DerUmgangmitGeschichteanGedenkstätten.AnregungenzurDe‐Konstruktion,Neuried:arsuna,S.62‐79.
Schreiber, Waltraud [2009], Zeitzeugengespräche führen und auswerten. In: WaltraudSchreiber/Katalin Àrkossy [Hg.]: Zeitzeugengespräche führen und auswerten. HistorischeKompetenzenschulen.In:ThemenheftGeschichte4,Neuried:arsuna,S.21‐28.Auswahlbibliographie zur Methode „Zeitzeugengespräch“ Henke‐Bockschatz, Gerhard [2004]: Zeitzeugenbefragung. In: Ulrich Mayer u.a. [Hg.]:HandbuchMethodenimGeschichtsunterricht,Schwalbach/Taunus,S.254‐369.Imhof,Werner[2009]:Oral HistoryinderBildungsarbeitzurNS‐Zeit–Chancen,Grenzen,Praxis. In: Bundeszentrale für politische Bildung [Hg.]: Lernen aus der Geschichte.ProjektarbeitzumNationalsozialismus.Bonn.URL:http://www.bpb.de/methodik/01V8O0,0,0,Spurensuche.htmlJugendbegegnungsstätteAnneFrank[Hg.],[2006]:ZeitzeugengesprächemitMigrantinnenundMigranten,Frankfurta.M.:Brandes&Apsel.http://www.zeitzeugengeschichte.de/
http://www.zeitzeugen‐dialog.de/
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Literaturliste zur pädagogischen Arbeit gegen Antisemitismus69 •BildungsteamBerlin‐Brandenburge.V./Tachelesreden!e.V.[Hg.],[2007]:WoherkommtderJudenhass?Waskannmandagegentun?EinBildungsprogramm,MülheimanderRuhr.[Diese umfassende Broschüre versucht viele Aspekte des modernen Antisemitismus,Antizionismus usw. durch entsprechende Workshop‐Module abzudecken. Die Broschüreliefert neben den Modulanleitungen auch das nötige weitere Material auf einerbeiliegendenCD‐Rom.ZurDiskussionumdieBroschüresiehe:http://www.bildungsbausteine.de/index.php?id=97undhttp://www.bildungsbausteine.de/index.php?id=108[Oktober2009]• Ehricht, Franziska/Gryklewski, Elke [2009]: Geschichten teilen. Dokumentenkoffer füreineinterkulturellePädagogikzumNationalsozialismus,Berlin.
[ProfessionellaufbereitetesMaterial inkl.vielerQuellentexte.WiederTitelsagt,eher fürdie Arbeit zum Nationalsozialismus als für die Arbeit gegen Antisemitismus geeignet.Bezieht sich vor allemaufdie Situation von Jüdinnenund Juden imNahenOstenund inarabischen Staaten während des Zweiten Weltkriegs. Enthält verschiedene Mappen zuThemenwiedieRettungtürkischerJudenaufRhodos,inTunesien,muslimischeHelferderNationalsozialistenaufdemBalkanusw.]
•Kreuzberger InitiativegegenAntisemitismus [KIgA] [Nov.2009]: „Wasnun?“.EinBrett‐undRollenspiel fürdieoffene Jugendarbeit zu individuellenPerspektivenundkollektivenZwängen,unter:http://www.kiga‐berlin.org/uploads/Material/Entimon.pdf
[Das Material liegt dieser Broschüre nur als Kopiervorlage vor. Auf jeden Fall sindTischaufsteller nötig, damit die Mitspielerinnen und Mitspieler ihre Identitätskarten vorsich für alle jederzeit lesbar hinstellen können. Es empfiehlt sich außerdem, dieIdentitätskartenzulaminieren.Ambestenistes,dasSpielbrettmehrfachzufotokopierenundeinenWürfelvorzubereiten,dernurdieAugenzahl1‐3trägt.]
•MarcusMeier[Hg.],[2009]:AntisemitismusalsProbleminderpolitischenBildungsarbeit.Pädagogischeund didaktische Handreichungen für Multiplikatoren und MultiplikatorIinnen, Köln: NS‐Dok.[Diese Broschüre liefert dasMaterial als Kopiervorlage.Neben einigen eigenenModulenfindensichhiervorallemteilweise leichtveränderteModulederBildungsBausteineodervonKIgA.]
69Wirdanken„ArbeitundLeben“HamburgfürdaszurVerfügungstellendieserLiteraturliste.
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Pädagogische Literatur
• Adorno, Theodor W. [1964]: Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute, in: DasArgument.BerlinerHeftfürProblemederGesellschaft28‐31[1964],S.93‐94.Projekt„WastungegenAntisemitismus?!“
• Amadeu Antonio Stiftung [2008], „Die Juden sind schuld“. Antisemitismus in derEinwanderungsgesellschaft am Beispiel muslimisch sozialisierter Milieus. Beispiele,Erfahrungen und Handlungsoptionen aus der pädagogischen und kommunalen Arbeit,Berlin.
• Fritz Bauer Institut/Jugendbegegnungsstätte Anne Frank [Hg.], [2006]: NeueJudenfeindschaft? Perspektiven für den pädagogischen Umgang mit dem globalisiertenAntisemitismus,Frankfurta.M.
• Hormel, Ulrike/Scherr, Albert [2005]: Bildung für die Einwanderungsgesellschaft.PerspektivenderAuseinandersetzungmitstruktureller,institutionellerundinteraktionellerDiskriminierung,Bonn.
•Mecheril,Paul[2004]:EinführungindieMigrationspädagogik,WeinheimundBasel.
•Messerschmidt,Astrid[2009]:WeltbilderundSelbstbilder.BildungsprozesseimUmgangmitGlobalisierung,MigrationundZeitgeschichte,Frankfurta.M.
• Scherr, Albert/Schäuble, Barbara [2007]: „Ich habe nichts gegen Juden, aber…“.Ausgangsbedingungen und Perspektivengesellschaftspolitischer Bildungsarbeit gegenAntisemitismus,Berlin:Amadeu‐Antonio‐Stiftung.
• Verein für Demokratische Kultur in Berlin e.V. [VDK] und Amira – Antisemitismus imKontext von Migration und Rassismus [Hg.], [2008]: »Du Opfer!« – »Du Jude!«AntisemitismusundJugendarbeitinKreuzberg,Berlin.
•WastungegenAntisemitismus?ErfahrungenausderProjektarbeitderAmadeu‐Antonio‐Stiftung,Berlin:Amadeu‐Antonio‐Stiftung[ohneJahr].
Materialien online und weitere Links
•AmadeuAntonioStiftung,unter:http://www.amadeu‐antonio‐stiftung.de/die‐stiftung‐aktiv/gegen‐as/links‐undmaterial/materialien‐antisemitismus/•Amira.AntisemitismusimKontextvonMigrationundRassismus,unter:http://www.amira‐berlin.de/
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Material
•AnneFrankZentrum,unter:http://www.annefrank.de/paedagogik‐innovation/fortbildungen‐lehrkraefte/
•Bausteinzurnicht‐rassistischenBildungsarbeit.DGB‐BildungswerkThüringene.V.:„C.ZugangüberThemen2.Antisemitismusentgegentreten“,unter:http://baustein.dgb‐bwt.de/C2/index.html
•BildungsBausteinegegenAntisemitismus,unter:http://www.bildungsbausteine.de/index.php?id=35oder:http://www.bildungsteam.de/bbb_bausteine.html
•BundeszentralefürpolitischeBildung,unter:http://www2.bpb.de/publikationen/WMD5UT,0,Eine_P%e4dagogik_gegen_Antisemitismus.html
•KreuzbergerInitiativegegenAntisemitismus,unter:http://www.kiga‐berlin.org/index.php?Downloads
•Spurensuchen.Geschichte–Kultur–Kommunikation,unter:www.spurensuchen.de
•Ufuq.de,Jugendkultur,Medien&politischeBildunginderEinwanderungsgesellschaft,unter:http://www.ufuq.de/newsblog/260‐antisemitismus‐hinweise‐und‐materialien‐fie‐pgogische‐arbeit
•„WaskanngetanwerdengegenAntisemitismus:EineHandreichungfürPädagoginnen“,unter:http://www.antisemitismus.net/theorie/bildung.htm
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