Martin Minderlein
Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie
Indusli ieökonomische Ansätze und eine FaIstudie zum Personal Computer-Martd
f[)'fl1:\r7 Springer Fachmedien ~ Wiesbaden GmbH
Martin Minderlein
Markteintrittsbarrierenund Unternehmensstrategie
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Minderlein, Martin: Markteintritlsbarrieren und Unternehmensstrateg ie: Industrieökonomische Ansätze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt / Martin Minderlein. -Wiesbaden: Dt. Univ.-Ver!., 1989
Zug!.: Erlangen, Nürnberg, Univ., Diss., 1988
n2
ISBN 978-3-8244-0014-0 ISBN 978-3-663-14590-5 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-14590-5
© Springer Fachmedien Wiesbaden 1989
Ursprünglich erschienen bei Deutscher Universitäts-Verlag GmbH, Wiesbaden 1989.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzul.9ssi9 und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
v
GELEI1WORT
Die Lehre von der strategischen Unternehmensführung hat in den letzten Jahren in
zunehmendem Maße Anschluß an die Industrial Organization-Forschung der Natio
nalökonomie gefunden. Nicht zuletzt die Lehrbücher von M.E. Porter zur strategieorientierten Analyse von Branchenstrukturen und Wettbewerbsvorteilen haben bereits Anfang der 80er Jahre hier den Weg für eine engere Verzahnung beider Dis
ziplinen geebnet. In dieser Forschungstradition steht die Dissertation von Herrn Dr.
Martin Minderlein über "Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie". Dabei
war es von Anfang an Aufgabe des Verfassers gewesen, nicht bei einer Klärung der
theoretischen Grundlagen stehen zu bleiben, sondern Barrieren und Strategien des
Eintritts in neue Märkte am Beispiel der Personal Computer-Branche zu unter
suchen.
Für die Entwicklung eines strategierelevanten Eintrittsbarrierenbegriffs erwies es
sich als unerläßlich, sich mit dem breiten volkswirtschaftlichen Schrifttum über
Markteintrittsbarrieren auseinanderzusetzen. Die theoretische Leistung der vor
liegenden Untersuchung besteht denn auch darin, die aus unternehmensstrategischer Perspektive relevanten (industriekökonomischen) Fragen aufzuarbeiten, die zu dem
von Porter vorgechlagenen Begriffsverständnis geführt haben. Hier ist zum einen der
Übergang von einem eher strukturalistischen zu einem stärker strategischen Ein
trittsbarrierenansatz durch die neuere spieltheoretische Industrial Organization zu
nennen. Mit dieser Entwicklungslinie ist es erst gelungen, das von Bain bereits in den
50er Jahren entworfene Eintrittsbarrierenkonzept theoretisch stichhaltig zu unter
mauern. Denn dieses war von Kritikern in Frage gestellt worden, die gerade die
Möglichkeit strategischer Verhaltensweisen von Unternehmen negierten. Zum ande
ren wird die Kontroverse zwischen der Harvard und der Chicago School um die
zutreffende Bedeutung des Eintrittsbarrierenbegriffes aufgearbeitet. Hierzu werden
die Wettbewerbsdoktrinen dieser beiden Schulen ("Marktrnacht" und "Effizienz")
sowie das jeweils daraus abgeleitete Eintrittsbarrierenverständnis dargelegt und die
Bedeutung dieses Schulenstreits für ein unternehmensstrategisches Eintrittsbarrie
renkonzept gewürdigt. Mit dem Konzept der strategischen Gruppen und der Mobili
tätsbarrieren wird schließlich die Überbrückung des Spannungsverhältnisses zwischen
der industrieökonomischen Theoriebildung und der betriebswirtschaftlichen Stra
tegielehre thematisiert, die mit den Strukturen ganzer Branchen bzw. den je spezi
fischen Vorteilen einzelner Wettbewerber vormals unterschiedliche Erkenntnisziele
hatten.
VI
Diese theoretischen Grundlagen nehmen einen großen Teil der vorliegenden Schrift
des Verfassers ein und führen im Ergebnis zu einem Vorschlag, wie für Zwecke der
strategischen Unternehmensführung ein Eintrittsbarrierenbegriff normiert werden
sollte. Die große Fülle des Materials und der Literaturbeiträge, die der Verfasser
gesichtet, aufgearbeitet und im Hinblick auf die Tauglichkeit für einen strategierele
vanten Markteintrittsbarrierenbegriff sorgfältig geprüft hat, macht den theoretischen
Teil der Arbeit zu einer ertragreichen Lektüre, nicht zuletzt auch für Studenten.
Der Verfasser begründet, warum er - indem er den Markteintritt eines Newcomers
als Investitionsentscheidung deutet - letztendlich dem breiten Eintrittsbarrieren
begriff der Harvard-Schule folgt, die alle Faktoren als Eintrittsbarrieren wertet, die
den Marktzutritt eines neuen Wettbewerbers verhindern können; das sind sowohl
Marktstruktur- wie auch Marktverhaltensfaktoren. Er analysiert dann in seiner
empirischen Untersuchung die Marktzutrittsbedingungen des Mikrocomputermarktes.
Unter Rückgriff auf das Portersehe Konzept der brancheninternen Strukturanalyse
entwirft Dr. Minderlein zunächst eine strategische Karte der Branche, die von den
zentralen strategischen Dimensionen "Wahl des Vertriebsweges" und "Grad der
Markenidentifikation" aufgespannt wird, und unterscheidet darin dann vier strate
gische Gruppen von Wettbewerbern, die jeweils eine relativ ähnliche Strategie ver
folgen. Im Anschluß hieran werden die strukturellen Eintrittsbarrieren für potentielle
Newcomer - je nach der von ihnen gewählten Strategie - untersucht. Zu diesem
Zweck werden die Wettbewerbsnachteile von in der Vergangenheit eingetretenen
Mikrocomputeranbietern gegenüber dem Branchenführer IBM beleuchtet. Dr. Min
derlein unterscheidet dabei zwischen der Barriere der Produktdifferenzierung, den
Betriebsgrößenersparnissen und absoluten Eintrittsbarrieren. Daneben betrachtet er
die "Reaktionsbarriere", d.h. die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß der zu
erwartenden Vergeltung durch den Branchenführer IBM. Insgesamt kommt der Ver
fasser zu dem Ergebnis, daß die (strukturellen) Eintrittsbarrieren des Personal
Computer-Marktes auf der Basis des gewählten Eintrittsbarrierenbegriffs als eher
hoch gelten müssen. Dieses Ergebnis verlangt dann allerdings noch eine Erklärung,
warum es in dieser Branche mehr als 200 Anbieter gibt - ein Befund, der doch eher
niedrige Eintrittsbarrieren vermuten ließe. Diesen Widerspruch löst der Verfasser
am Ende seiner Untersuchung mit einer Reihe von Erklärungsversuchen auf.
VII
Die Arbeit von Herrn Dr. Minderlein klärt für Theorie und Praxis der strategischen
Unternehmensführung eine Reihe von wichtigen Grundlagenfragen im Zusammen
hang mit dem Eintritt in neue Märkte. Ich wünsche der Untersuchung eine große
Verbreitung - wohlwissend, daß es trotz der mit großer Akribie und analytischer
Schärfe erarbeiteten Ergebnisse nicht leicht ist, in den Markt für die wissenschaft
liche Literatur zur Unternehmensführung erfolgreich "einzutreten".
Nürnberg, im Oktober 1988 Prof. Dr. Horst Steinmann
VIII
VORWORT
Diese Arbeit lag im Juli 1988 der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät
der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als Dissertation vor. Für die
Veröffentlichung wurden noch einige Aktualisierungen vorgenommen, insbesondere im empirischen Teil zu den Eintrittsbarrieren des Personal Computer-Marktes. Die
Befragung von Branchenvertretern, die dieser Fallstudie zugrundeliegt, wurde im
Frühjahr 1987 abgeschlossen - also zum Zeitpunkt der Vorstellung des Personal
System/2 durch IBM. Die danach noch eingearbeiteten Maßnahmen der IBM, mit
denen ein frühzeitiger Nachbau dieser neuen Produktgeneration durch die sog.
Clone-Hersteller verhindert werden soll, wurden vorwiegend der Fachpresse entnommen.
Ich möchte an dieser Stelle all jenen herzlich danken, die zur Entstehung der Arbeit
beigetragen haben. Dies sind zum einen die zahlreichen Interviewpartner aus führen
den Häusern der Personal Computer-Branche, die mir z.T. wiederholt zu mehrstün
digen Gesprächen zur Verfügung standen und durch ihre Auskunftsbereitschaft einen
detaillierten Einblick in die Wettbewerbssituation neueintretender bzw. potentieller
Konkurrenten ermöglichten. Zu Dank verpflichtet bin ich zum anderen meinen
Kollegen am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Unternehmens
führung, insbesondere Herrn Dr. Hans Klaus, inzwischen Professor an der Berufs
akademie Stuttgart, und Herrn Gerhard Heß, die mir durch ihre stete Diskussions
bereitschaft zur Seite standen. In der Anfangsphase des Projektes hat Prof. Dr. Georg
Schreyögg, nunmehr an der FernUniversität Hagen, zum Fokus der Untersuchung
beigetragen. Zahlreiche Einsichten verdanke ich einem interdisziplinären Seminar zu
"Industrieökonomik und Unternehmensstrategie" mit Prof. Dr. Manfred Neumann,
der dankenswerterweise auch das Korreferat übernommen hat. Mein ganz beson
derer Dank gilt jedoch Herrn Prof. Dr. Horst Steinmann, der das Thema angeregt
und mich durch seine konstruktiven Ratschläge stets gefördert hat. Nicht zuletzt
danke ich Frau Liesbeth Schoyerer und Frau Erika Gruß, die - nach einer Ausein
andersetzung mit der "neuen Technologie" - die Texterfassung hervorragend gemeistert haben.
Nürnberg, im Oktober 1988 Martin Minderlein
IX
INHALTSÜBERSICHT
Geleitwort V
Vorwort VIII
Inhaltsverzeichnis X
Abbildungsverzeichnis XV
Vorbemerkung zur Zielsetzung 1
1. Einführung und Gang der Untersuchung 2
2. Die Markteintrittsthematik: Ein inhaltlicher und methodischer Pro-
blemaufriß 22
3. Vom strukturalistischen zum strategischen Eintrittsbarrierenansatz 47
4. Die nationalökonomische Eintrittsbarrierenkontroverse: Zum Stellen
wert rivalisierender Schulen für ein unternehmensstrategisches Ein
trittsbarrierenkonzept
5. Zwischenergebnis: Schlußfolgerungen zum strategierelevanten Eintritts
barrierenbegriffund Vorbemerkung zur empirischen Untersuchung
6. Barrieren und Strategien des Eintritts in den Personal Computer-Markt:
Eine Fallstudie zu den Wettbewerbsnachteilen potentieller und neu ein
getretener Konkurrenten
7. Schlußbemerkung: Zur (scheinbaren) Diskrepanz zwischen einer hohen
Anbieterzahl und hohen Eintrittsbarrieren in der Mikrocomputerbranche
Abkürzungsverzeichnis
Zeitschriftenverzeichnis
Literaturverzeichnis
199
240
250
367
374
375
377
x
INHALTSVERZEICHNIS
Vorbemerkung zur Zielsetzung
1. Einführung und Gang der Untersuchung
2. Die Markteintrittsthematik: Ein inhaltlicher und methodischer Pro
blemaufriß
2.1. Der Fall "U.S. gegen IBM": Divergierende Positionen in der Frage
der Marktzutrittsbedingungen
2.2. Gesamtperspektive: Zum wohlfahrtsökonomischen Stellenwert der
Marktzutrittsmöglichkeit
2.3. Einzelperspektive: Betriebswirtschaftliche Entscheidungsfelder
des Marktzutritts im Spiegel der Managementliteratur
2.4. Zur Verknüpfung von Einzel- und Gesamtperspektive: Unterneh
mensstrategie und Industrieökonomik
2.5. Die Problemfelder einer unternehmensstrategischen Eintritts
barrierenanalyse vor dem Hintergrund der Industrieökonomik
2.5.1. Wohlfahrtsökonomischer versus handlungstheoretischer
Eintrittsbarrierenbegriff
2.5.2. Strukturelle versus strategische Eintrittsbarrieren
konzeption
3. Vom strukturalistischen zum strategischen Eintrittsbarrierenansatz
3.1. Das strukturalistische Eintrittsbarrierenkonzept: Ausgangspunkt
1
2
22
22
24
26
29
41
41
45
47
(handlungs-)theoretischer Überlegungen 48
3.1.1. Strukturelle Markteintrittsbarrieren 49
3.1.1.1. Betriebsgrößenvorteile
3.1.1.2. Absolute Kostenvorteile
3.1.1.3. Produktdifferenzierungsvorteile
3.1.2. Eintrittssperrende Verhaltensweisen
3.1.2.1. Limit Pricing bei absoluten Kostenvorteilen
3.1.2.2. Limit Pricing bei Betriebsgrößenersparnissen
3.1.2.3. Limit Pricing bei Produktdifferenzierungs-
vorteilen
3.1.3. Zusammenfassende Würdigung und strategierelevante
Kritik am strukturalistischen Eintrittsbarrierenansatz
49
55
60 68 70 71
74
76
XI
3.2. Indeterminiertheit der Unternehmensstrategie versus struktureller
Determinismus der Industrieökonomik?
3.2.1. Ist der Eintrittssperrenpreis determiniert?
3.2.2. Exogene Marktstrukturen und determiniertes Marktver-
halten: Zu den Rahmenbedingungen des strukturalistischen
Eintrittsbarrierenkonzeptes und den Konsequenzen des
interdependenten Paradigmas
3.2.2.1. Die Determinismusvorstellung des klassischen
Industrial Organization-Paradigmas
3.2.2.2. Zum Stellenwert struktureller Markteintritts
barrieren im interdependenten Paradigma und im
79
80
94
95
Konzept der Unternehmensstrategie 103
3.2.2.3. Die Unterscheidung natürlicher und strategischer
Eintrittsbarrieren als Folge der Endogenisierung
der Marktstruktur 106
3.2.3. Zwischenbetrachtung zur handlungstheoretischen Formu-
lierung des Eintrittsverhinderungsproblems bei Bain 109 3.3. Strategische Eintrittsbarrieren: Die Gestaltung der Eintrittsbedin-
gungen durch Abschreckungs- und Vergeltungsmaßnahmen 113
3.3.1. Angedrohte Vergeltungsmaßnahmen zur Einflußnahme auf
Reaktionserwartungen 116 3.3.1.1. Zur Glaubwürdigkeit und Wirtschaftlichkeit von
Vergeltungs drohungen: Die theoretische (Un-)
Möglichkeit der Vergeltung 116
3.3.1.1.1. Die Signaling-Konzepte: Kampf- und
Limitpreise als Marktsignale bei
unvollständiger, asymmetrischer
Information 122
3.3.1.1.2. Die Reputation-Modelle: Vergeltungs-
kosten als Investition in einen "Ruf der Härte"
3.3.1.1.3. Der Commitment-Ansatz: Bindende
Verpflichtungen als strategische
129
Asymmetrie in der pre-entry-Phase 136
3.3.1.2. Zur Ausübung von Vergeltungsmaßnahmen
während des Markteintrittsprozesses 150
XII
3.3.1.3. Zur Umsetzung der spieltheoretischen Erklä
rungsansätze in Handlungsempfehlungen bei
Porter
3.3.2. Abschrec~ngsmaßnahmen zur Erhöhung struktureller
Barrieren
3.3.2.1. Das Konzept des Raising rivals' costs
3.3.2.2. Die Handlungsempfehlungen Porters zur
Erhöhung struktureller Barrieren
3.3.3. Die amerikanische Wegwerfwindelbranche im Jahr 1974:
Ein Fallbeispiel Porters zu Abschreckungs- und Vergel
tungsmaßnahmen
3.4. Heterogene Unternehmensstrategien und das Konzept der strate
gischen Gruppen: Gruppenspezifische Mobilitätsbarrieren statt
153
156
157
164
169
branchenweiter Eintrittsbarrieren 179
3.4.1. Die Annäherung der Business Policy und der Industrial
Organization in der Frage der Homogenität bzw. Hete
rogenität der Marktteilnehmer und Unternehmens-
strategien 180
3.4.2. Strategische Gruppen und Mobilitätsbarrieren in der
Theorie der Gewinndeterminanten eines Unternehmens 189
3.4.3. Mobilitätsbarrieren und das Konzept des stufenweisen
Markteintritts
4. Die nationalökonomische Eintrittsbarrierenkontroverse: Zum Stellen
wert rivalisierender Schulen für ein unternehmensstrategisches Ein
trittsbarrierenkonzept
4.1. Das Spektrum konkurrierender Eintrittsbarrierendefinitionen
4.2. Markteintrittsbarrieren in der Kontroverse zwischen der Harvard
195
199
200
und der Chicago School 203
4.2.1. Marktmacht versus Effizienz: Eintrittsbarrieren im Lichte
divergierender Wettbewerbsdoktrinen 204
4.2.2. Die Kritik der Chicago School an den einzelnen "angeb-
lichen" Eintrittsbarrieren 213
4.2.3. Schlußfolgerungen aus der Harvard-Chicago-Kontroverse
für ein unternehmensstrategisches Eintrittsbarrieren-
konzept
4.3. Die Markteintritts- und Wettbewerbsanalyse der ökonomischen
Expertenzeugen im Antitrust-Fall "U.S. vs. IBM": Ein Fall-
beispiel
226
229
XIll
5. Zwischenergebnis: Schlußfolgerungen zum strategierelevanten Ein
trittsbarrierenbegriffund Vorbemerkung zur empirischen Unter
suchung
6. Barrieren und Strategien des Eintritts in den Personal Computer
Markt: Eine Fallstudie zu den Wettbewerbsnachteilen potentieller und
neu eingetretener Konkurrenten
6.1. Strategische Gruppen und Mobilitätsbarrieren des Mikrocom
putermarktes
6.1.1. Heterogene Strategien in der frühen Phase der
Branchenentwicklung
6.1.2. Analyse zentraler Strategieunterschiede anhand der
Porterschen Dimensionen der Wettbewerbsstrategie
6.1.2.1. Wahl des Vertriebsweges
6.1.2.2. Grad der Markenidentifikation
6.1.2.3. Zwischenergebnis: Die strategische Karte für den
240
250
251
251
254 255
259
Kembereich der Personal Computer-Branche 266
6.1.2.4. Spezialisierung, vertikale Integration und
Dienstleistungen 6.1.2.5. Druck versus Sog
6.1.2.6. Kostenposition
6.1.2.7. Produktqualität
6.1.2.8. Beziehungen zum Gesamtunternehmen
6.1.2.9. Beziehungen zu Regierungen
6.1.3. Zusammenfassung der Gruppenprofile, Präzisierung der
strategischen Karte und Bestimmung der Mobilitätsbarrieren
6.2. Art und Ausmaß struktureller Eintrittsbarrieren
6.2.1. Die Produktdifferenzierungsbarriere: Differenzierungsnachteile neuer Wettbewerber
6.2.1.1. Nachteile bei der Hardwaredifferenzierung
6.2.1.2. Nachteile bei der Erfüllung sonstiger Kauf-
kriterien
6.2.1.3. Nachteile bei der Signalisierung eines Kundennutzens
6.2.1.4. Die Kosten der Differenzierung außerhalb des
Industriestandards
268
285
287
289
290 292
293
303
304
304
306
307
311
XIV
6.2.1.5. Differenzierungsnachteile der "Brand Identi
fication-Clones"
6.2.2. Absolute Eintrittsbarrieren
6.2.2.1. Zugang zu Fachhandelskanälen
6.2.2.2. Besitz von Produkttechnologien
314
317 318
329
6.2.2.3. Zugang zu Hardwarekomponenten 337
6.2.2.4. Verfiigbarkeit von Komplementärprodukten 338
6.2.3. Größenabhängige Kostennachteile 342
6.3. Reaktionsbedingte Eintrittsbarrieren: Die Gefahr der Vergeltung
durch bestehende Wettbewerber 344
6.3.1. Das Branchenwachstum als Bestimmungsgröße der
Vergeltungsgefahr 344
6.3.2. Die Höhe der Austrittsbarrieren als Vergeltungsdeter-
minante 346
6.3.3. Die Fähigkeit des Branchenfiihrers zu einer effektiven
Vergeltung 348
6.3.4. Frühere Vergeltungsmaßnahmen als Indikator zu
erwartender Reaktionen 353
6.4. Abschließende Beurteilung der Höhe der Eintrittsbarrieren in den
Mikrocomputermarkt 361
7. Schlußbemerkung: Zur (scheinbaren) Diskrepanz zwischen einer hohen
Anbieterzahl und hohen Eintrittsbarrieren in der Mikrocomputer
branche
Abkürzungsverzeichnis
Zeitschriftenverzeichnis
Literaturverzeichnis
367
374
375
377
xv
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abb. 1: Elemente der Branchenstruktur und Bestimmungsfaktoren der
Wettbewerbsintensität
Abb. 2: Einflußfaktoren und Wirkungszusammenhänge des Unter-
nehmenserfolges
Abb. 3: Das deterministische Industrial Organization-Paradigma
Abb. 4: Das interdependente Industrial Organization-Paradigma
Abb. 5: Die Problemfelder der Diskussion eines unternehmensstrategischen Eintrittsbarrierenbegriffes
Abb. 6: Beispiele für un- oder unvollständig teilbare Kosten bzw. Wertaktivitäten
Abb. 7: Limit Pricing bei absoluten Kostenvorteilen
Abb. 8: Limit Pricing bei Betriebsgrößenersparnissen
Abb. 9: Limit Pricing bei Produktdifferenzierungsvorteilen
Abb. 10: Spielbaum zum Reputation-Beispiel von Roberts
Abb. 11: Spielbaum zum Commitment-Ansatz
Abb. 12: Das Spektrum der Abschreckungsmaßnahmen für P&G im
4
36
37
38
46
56
71
72
75
130
139
amerikanischen Wegwerfwindelmarkt 173
Abb. 13: Der Marktverhaltensansatz der Chicago School 210
Abb. 14: Zusammenstellung der Kostennachteile neuer Wettbewerber
im EDV-Markt 239
Abb. 15: Ergebnisüberblick zu den vier Problemfeldern der Diskussion
eines strategierelevanten Eintrittsbarrierenbegriffes
Abb. 16: Die strategische Karte der Personal Computer-Branche
Abb. 17: Übersicht zu den Strategieunterschieden zwischen den strate
gischen Gruppen der Mikrocomputerbranche
240
267
294
1
VORBEMERKUNG ZUR ZIELSETZUNG
Die vorliegende Untersuchung befaßt sich mit der Frage der Schwierigkeit des Ein
tritts in neue Märkte und mit der Vorbereitung von Eintrittsentscheidungen durch
Newcomer als untemehmensstrategisches Probleml . Sie greift dabei auf die industrie
ökonomische Forschung zurück, die sich - als Teildisziplin der Nationalökonomie -
bereits seit Jahrzehnten empirisch und theoretisch mit den Eintrittsbedingungen bzw.
-schranken von Märkten beschäftigt hat.
Eine Hilfestellung bei Entscheidungsvorbereitung und -findung kann von dort jedoch
nur ausgehen, wenn man sich darüber im klaren ist, was man als Unternehmens
stratege - ob in der Forschung oder Praxis - unter Eintrittsbarrieren zu verstehen hat.
Ein Blick in die volkswirtschaftliche Literatur offenbart nun eine geradezu verwir
rende Vielfalt einander häufig widersprechender Ansichten zum Gebrauch und
Gehalt des Eintrittsbarrierenbegriffes2.
Zielsetzung dieser Untersuchung ist es daher, ein untemehmensstrategisch zweckmäßiges
Eintrittsbarrierenverständnis zu entfalten.
Dies darf sich jedoch nicht in einer reinen Begriffsbildung erschöpfen. Vielmehr ist
das strategieadäquate Eintrittsbarrierenkonzept inhaltlich so weit zu konkretisieren,
daß es als methodische Anleitung zur Analyse von Marktzutrittsschranken dienen
kann. Eine empirische Untersuchung der Eintrittsbarrieren des Mikrocomputermark
tes soll dazu beitragen, die Zweckmäßigkeit des Konzeptes an einem Einzelfall detailliert zu veranschaulichen.
1
2
Da einem Wettbewerbsnachteil neueintretender Unternehmen immer ein Wettbewerbsvorteil he· reits im Markt etablierter Konkurrenten gegenübersteht, kann - unter Umkehrung der "Vor· zeichen" . anstelle der Newcomer·Perspektive auch der Blickwinkel bereits bestehender Anbieter eingenommen werden. In diesem Fall dient die Beurteilung der Schwierigkeit des Marktzutrittes dazu, den Schutz der Etablierten vor bzw. ihre Bedrohung durch potentielle Wettbewerber zu bestimmen.
Für eine erste vorläufige Begriffsbestimmung wollen wir Markteintrittsbarrieren hier sehr weit fassen: Es sollen alle Hindernisse und Schwierigkeiten darunter verstanden werden, die potentielle Newcomer von einem Markteintritt abhalten oder diese - im Falle ihres Eintrittes - in eine nachteilige Position versetzen. Markteintrittsbarrieren sollen in einer ersten Annäherung also definiert werden als die Wettbewerbsnachteile potentieller neuer Konkurrenten gegenüber etablierten Anbietern.
2
1. EINFÜHRUNG UND GANG DER UNTERSUCHUNG
In den 70er und frühen 80er Jahren genossen die Portfolio-Modelle bei Unterneh
mensberatern und deren Klienten, bei Planungsstäben und dem Management selbst
eine von anderen Strategiekonzepten und -instrumenten unerreichte Popularität.
Aber auch in der Wissenschaft, insbesondere in der Strategieforschung, nahm die
Diskussion um das Portfolio-Konzept und seine zahlreichen Varianten breiten Raum
ein. Lange jedoch, ehe die Boston Consulting Group zur Visualisierung eines Klien
tenproblems die 4-Felder-Matrix heranzog und das Konzept der Erfahrungskurve zur
Grundlage strategischer Entscheidungen machte, befaßte sich die Nationalökonomie
- von der Managementlehre weitgehend unbeachtet - mit eng verwandten Themen
steIlungen. So wurde dem Zusammenhang zwischen der Marktkonzentration und der
Profitabilität von Unternehmen besondere Beachtung durch die industrieökonomische
Forschung geschenkt. Je nach der Messung der Marktkonzentration, die als Indikator
für das Ausmaß der Marktmacht steht, wird in diesen Studien ggf. auch der Einfluß
der Marktanteilsverteilung innerhalb einer Branche auf die Rentabilität bzw.
Gewinnhöhe untersucht - vergleichbar also mit dem relativen Marktanteil im Port
folio-Konzept. Bei Shepherd und Gale schließlich erfolgte die Abkehr von der
Marktkonzentration als der unabhängigen Variableni. Statt dessen wird die Profita
bilität als Funktion des Marktanteils eines Unternehmens gesehen. Shepherd konnte
hier einen positiven Zusammenhang nachweisen, der ja letztlich auch für die Konzi
pierung der Normstrategien des Portfolio-Ansatzes von Bedeutung war. Insofern
überrascht es angesichts dieser doch verwandten Fragestellungen nicht, daß nach der
Portfolio-Ära ein oder gar der wesentliche Impuls für die inhaltliche Strategiefor
schung von der nationalökonomischen Industria( Organization2 ausging.
Richtungweisende Arbeiten im Grenzbereich von Industrieökonomik und Unternehmensstrategie wurden von Michael E. Porter vorgelegt3. In dessen Konzept, das
Wettbewerbsstrategien vor dem Hintergrund der Branchenstruktur beleuchtet, ist der
Industrieökonomik der Gedanke einer durchschnittlichen Branchenrentabilität ent-
1
2
3
VgJ. Shepherd (Elements), S. 25 f., und (Treatment), S. 40 ff., sowie Gale (Share). Zu einem Überblick über die Konzentrations-/Profitabilitäts-Empirie vgJ. Kaufer (Industrieökonomik), S. 523 ff., und Weiss (Quantitative).
Synonym: Industrial Economics, Industrieökonomik.
Zunächst 1979 mit dem Aufsatz "How competitive forces shape strategy", später in breiter angelegter Buchform unter dem Titel: "Competitive strategy - Methods for analyzing industries and competitors".
3
liehen, die aus der Intensität des in einer Branche herrschenden Wettbewerbs resul
tiert. Diese Wettbewerbsintensität verdankt sich dem (Zusammen-)Wirken der in Abb. 1 wiedergegebenen strukturellen Kräfte, für deren wettbewerbsmaßgebliche Bedeutung Porter nicht theoretisch argumentiert, sondern die sich empirisch als rele
vant erwiesen haben4•
Das untemehmensstrategische Element geht in dieses aus der Industrieökonomik her
geleitete Branchenstrukturanalysekonzept in Form von Wettbewerbsstrategien und sog. Basisstrategien (generic strategies) ein. Die Wettbewerbsstrategien beziehen· sich unmittelbar auf die strukturellen Wettbewerbskräfte und äußern sich z.B. in Strategien gegenüber Lieferanten, Abnehmern oder potentiellen bzw. neuen Konkurrenten. Durch diesbezügliche Maßnahmen soll sich das Unternehmen in eine vorteilhafte Position gegenüber den fünf Wettbewerbskräften bringen5. Die zweite Möglichkeit, sich eine über den Branchendurchschnitt hinausgehende Rentabilität zu sichern, verbirgt sich in einer geeigneten Basisstrategie. Der Wettbewerbsvorteil, auf
dem eine Basisstrategie aufbaut, kann in einem Differenzierungs- oder Kostenvorteil
bestehen. Ein solcher Wettbewerbsvorteil kann entweder in einem oder in wenigen
Segmenten durch Fokussierung der Aktivitäten erzielt werden oder aber bei Vorlie
gen von "econornies of scope" durch eine viele Segmente umfassende oder branchen
weite Strategie6•
4
5
6
Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 9. Zu einer theoretischen Fundierung der von Porter identifizierten fünf Wettbewerbskräfte kann auf den Workable Competition-Ansatz zurückgegriffen werden, der wiederum zum Gegenstand der Analyse macht, was von der mikroökonomischen Gleichgewichtstheorie qua Prämissen ausgeklammert wurde: Löst man die Homogenitätsprämisse auf, erlangen Substitutionsprodukte eine Bedeutung; stellt man die Prämisse einer (unendlich) großen Anzahl von Anbietem und Nachfragern zur Disposition, so führt dies zu den Strukturmerkmalen Rivalität und Abnehmermacht; verzichtet man schließlich auf die Bedingung einer freien Marktzutrittsmöglichkeit, so folgt hieraus die Bedrohung durch potentielle Konkurrenten. Da das Konzept der Branchenstrukturanalyse also auf die Prämissen der vollständigen Konkurrcnz Bezug nimmt, liegt sein theoretisches Fundament letztlich in der Mikroökonomik.
Porter unterscheidet hinsichtlich der Maßnahmen zum Aufbau einer verteidigungsfähigen Position gegenüber den fünf Wettbewerbskräften die Plazierung, das Ausnutzen dcs Wandels im Zuge der Branchenentwicklung sowie die Einflußnahme auf das Gleichgewicht der Wettbewerbskräftc hzw. auf die Branchenstruktur. Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 57 - 59.
Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 62 ff., und (Wettbewerbsvorteile), S. 31 ff.
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5
Innerhalb dieses Ansatzes bezieht sich die vorliegende Studie vornehmlich auf den
Bereich der Wettbewerbskräfte und Wettbewerbsstrategien7. Sie konzentriert sich
dabei auf die Struktur dimension ''Bedrohung ,durch potentielle Konkurrenten ". Das
Ausmaß der Bedrohung etablierter Anbieter durch Newcomer hängt - nach indu
strieökonomischem Verständnis - von der Höhe der sie schützenden Markteintrittsbarrieren ab. Diese Industrial Organization-Perspektive bildet den Grundstock der
vorliegenden Untersuchung, die das Markteintrittsphänomen jedoch von unterneh
mensstrategischer Warte analysiert.
Bei der Übertragung industrieökonomischer Forschungsergebnisse auf eine Markt
eintrittsanalyse von unternehmensstrategischem Zuschnitt begegnet man zunächst
der grundsätzlichen Problematik, ob denn die theoretische Fragestellung beider Dis
ziplinen einen solchen Erkenntnistransfer überhaupt zuläßt. Dieser methodischen
Grundfrage widmet sich das zweite Kapitel. Den konkreten Ausgangspunkt bildet -
auch bereits im Hinblick auf die in Kapitel 4.3. erfolgende Diskussion der "angeb
lichen" Zutrittsschranken im Antitrust-Fall "U.S. gegen IBM" - die Bewertung der
Zutrittsbedingungen zum EDV-Markt, wie sie von der Verteidigung der IBM Corp.
in diesem Verfahren vorgenommen wurde. Ein konträres Statement eines EDV-Her
stellers gibt Anlaß zur Hinterfragung der wettbewerbstheoretischen bzw. -rechtlichen
Sichtweise gegenüber der individuellen Situationseinschätzung. In diesem Sinne
werden sodann einerseits der wohlfahrtsökonomische Stellenwert, andererseits einige
betriebswirtschaftliehe Aspekte des Markteintrittes herausgestellt. Zur Über
brückung der Kluft zwischen den beiden separaten, nämlich einzel- und gesamtwirt
schaftlichen Perspektiven wird im Anschluß daran auf das Industrial Organization
Paradigma zurückgegriffen, zunächst jedoch nur im Sinne eines ersten Aufrisses
inhaltlicher und methodischer Parallelen zwischen der Industrieökonomik und dem
Konzept der Unternehmensstrategie. Diese einleitende Analyse verfolgt den Zweck,
das aus der Verknüpfung von Industrial Organization und Strategischem Management resultierende Terrain für die Behandlung des Markteintrittsphänomens abzu
stecken und die Problemfelder aufzuzeigen, die im Verlauf der vorliegenden Unter
suchung zu thematisieren sind. Als Rahmen für die Diskussion eines dem Strategie
konzept adäquaten Eintrittsbarrierenbegriffes ergeben sich hier vier Fragestellungen,
die in einer zweidimensionalen Matrix visualisiert werden können8: Auf der einen
Seite ist zu klären, ob der deskriptiv-analytische, handlungstheoretische Eintritts
barrierenansatz der Harvard School oder ob das normativ-analytische bzw. wohl-
7
8
Aus dem Konzept der Basisstrategien ist nachfolgend im wesentlichen nur der (Grund·)Gedanke des Wettbewerbsvorteils von Bedeutung.
Vgl. zu den ausformulierten Fragestellungen Abb. 5, S. 46.
6
fahrtsökonomische Eintrittsbarrierenverständnis der Chicago School für unterneh
mensstrategische Analysezwecke besser geeignet ist. Auf der anderen Seite ist eine
theoretische Entwicklung innerhalb der Industrial Organization zu beleuchten, die
dazu führte, daß sich nach dem anfänglichen Fokus auf die strukturellen Eintritts
barrieren der Schwerpunkt auf die strategischen Verhaltensweisen zur präventiven Ein
trittsverhinderung und reaktiven Eintrittsabwehr verlagerte - womit dieses neuere
Konzept offenbar dem unternehmensstrategischen Moment Rechnung trägt.
Die dieses Raster aufspannenden Dimensionen - nämlich strukturelle/strategische
und handlungstheoretische/wohlfahrtsökonomische Eintrittsbarrieren - werden im
theoretischen Hauptteil dieser Untersuchung analysiert. Da die Schwerpunktverla
gerung innerhalb der theoretischen Eintrittsbarrierenanalyse (von der Marktstruktur zum Marktverhalten) weitgehend unabhängig von der zwischen der Harvard und der
Chicago School geführten Kontroverse um die zutreffende Bedeutung von Eintritts
barrieren ist, widmen wir uns in Kapitel 3 zunächst der Entwicklung des strukturali
stischen zu einem strategischen Eintrittsbarrierenansatz, um in Kapitel 4 die Rele
vanz der Chicago-Kritik an diesem Eintrittsbarrierenverständnis für unsere Fragestellung zu prüfen. Eine Zwischenbetrachtung in Kapitel 5 faßt sodann die Überlegungen zu einem strategierelevanten Eintrittsbarrierenbegriff zusammen und stellt
einige methodische Vorüberlegungen zu der empirischen Studie in Kapitel 6 an, die
die Eintrittsbarrieren des Mikrocomputermarktes untersucht. Einige Deutungsmög
lichkeiten für den scheinbaren Widerspruch zwischen einer hohen Anbieterzahl und
den - gemäß dem zuvor herausgeschälten Eintrittsbarrierenbegriff - hohen Zutritts
schranken dieses Marktes beschließen in Kapitel 7 die vorliegende Untersuchung.
Der detailliertere Gang der Argumentation gestaltet sich wie folgt: Den Hauptteil
eröffnet in Kapitel 3.1. die Darlegung des strukturalistischen Eintrittsbarrierenkon
zeptes, das den Ausgangspunkt für strategierelevante Anschlußfragen bildet. Hier
werden zunächst mit den Betriebsgrößenersparnissen, den absoluten Kostenvorteilen
und den Differenzierungsvorteilen diejenigen Elemente der Marktstruktur herausge
stellt, die seit dem klassischen Ansatz Bains als die Quellen struktureller Eintritts
barrieren gelten. Diese allein reichen jedoch im Regelfall nicht aus, um das Eindrin
gen neuer Wettbewerber in einen Markt zu verhindern. Denn nur in den seltensten
Fällen wird der Wettbewerbsnachteil potentieller Konkurrenten ein solches Ausmaß
annehmen, daß Newcomer selbst bei einem monopolistischen Preisniveau die struk
turellen Eintrittsbarrieren nicht überwinden können, also ihren Kostennachteil nicht
unter dem Preisschirm der Etablierten kompensieren können. Um den strukturellen
Marktschranken überhaupt erst zu einer Wirkung zu verhelfen, die die Bezeichnung
7
von Wettbewerbsnachteilen als "Eintrittsbarrieren" rechtfertigt, müssen bestehende
Anbieter daher eine eintrittssperrende Verhaltensweise bzw. (Preis-)Politik an den
Tag legen.
Dieses komplementäre Marktverhalten etablierter Unternehmen analysiert die
Limitpreis-Theorie. Diese steht bei der Ableitung eines eintrittssperrenden Preises
jedoch vor einem konzeptionellen Problem, das aus der Interdependenz der Ent
scheidungen bereits bestehender und neuer Konkurrenten resultiert. Denn entschei
dungsrelevant für einen potentiellen Newcomer ist allein der nach seinem Eintritt
herrschende Marktpreis. Und der wird ceteris paribus sinken, damit die zusätzliche
Angebotsmenge des Newcomers von der Nachfrage aufgenommen werden kann. Wie
sich das Preisniveau nun aber tatsächlich ändern wird, hängt von der Reaktion der
Etablierten auf den Markteintritt ab: Mit einer Outputreduzierung können diese den
Preisverfall auffangen, durch eine Angebotsausweitung können sie die Situation ver
schärfen. Somit ist es offenkundig, daß ein potentieller Newcomer die von ihm antizi
pierte Reaktionsweise etablierter Konkurrenten in sein Eintrittskalkül einbeziehen
muß. Dies gilt umgekehrt aber auch für die bereits bestehenden Wettbewerber bei
der Kalkulation eines Eintrittssperrenpreises. Denn dieser kann die ihm zugedachte
Funktion nur erfüllen, wenn etwaige Eintrittskandidaten die von den Etablierten
intendierte Reaktionsweise genau so antizipieren, wie sie in die Kalkulation des
Limitpreises eingegangen ist. Im Standard-Konzept des Limit Pricing wird dieses Problem interdependenter Entscheidungen durch das sogenannte Sylos-Postulat behoben. Hiernach unterstellen beide Opponenten den "ceteris paribus-Fall". Damit
wird ein eindeutiger Sperrenpreis ableitbar, die Lösung ist aufgrund sehr restriktiver Prämissen determiniert.
Den "Preismechanismus" dieses Standard-Falles darstellend setzen wir uns freilich
qer berechtigten Kritik aus, den Blickwinkel stark einzuschränken und bedeutende
strategische Handlungsalternativen und -implikationen auszuklammern, d.h. dem
eigentlichen Forschungsinteressse zuwiderzulaufen. Dennoch bietet gerade diese
Perspektive eine geeignete - da wenig komplexe - Ausgangsbasis für die Entfaltung
strategischer Anschlußüberlegungen. So mündet die Darstellung des strukturali
stischen, auf das Sylos-Postulat Bezug nehmenden Limitpreis-Ansatzes zunächst in
die strategierelevante Kritik an diesem Modell, die sich vor allem an dem strnktu
rellen Determinismus und damit zugleich an dem exogenen Charakter von Markteintrittsbarrieren entzündet.
Um die Tragweite und die theoretischen Konsequenzen dieser Kritik beurteilen zu
können, wird in Kapitel 3.2. der Determinismus des Limit Pricing-Konzeptes und
auch des traditionellen Industrial Organization-Paradigmas zu hinterfragen sein, das
8
ja den industrieökonomischen Rahmen des Limitpreis-Ansatzes bildet. Eine nähere
Betrachtung der Theorie des Eintrittssperrenpreises wird hier zeigen, daß das
(statische) Limit Pricing keineswegs schon selbst als die eine gewinnmaximierende
Verhaltensweise determiniert ist, sondern daß mit dem Open Pricing und dem dyna
mischen Limit Pricing durchaus Handlungsalternativen vorliegen. Welche hiervon die
vorteilhafteste ist, bleibt zwar weitgehend durch die Höhe der strukturellen Barrieren
vorbestimmt, jedoch gewinnen auch andere Faktoren, wie etwa die Risikoneigung der
Entscheidungsträger, an Bedeutung, so daß das Limit Pricing nicht mehr als vollstän
dig von der Marktstruktur determiniert angesehen werden kann. Aber selbst wenn
man den Einwand einer situativen Determiniertheit dieser Preispolitik gelten läßt:
Die Ableitung der Höhe des Eintrittssperrenpreises ist dennoch nicht als ein deter
ministisches Verfahren haltbar. Denn hierzu müßte argumentiert werden können,
daß das Sylos-Postulat die einzig gültige Verhaltensprämisse darstellt und daß poten
tielle Newcomer ihrem Eintrittskalkül ausschließlich diese zu erwartende Reaktions
weise der Etablierten zugrunde legen müssen. Ein solches, generell stichhaltiges
Argument ist indes nicht ersichtlich, so daß das Tor zur Diskussion alternativer stra
tegischer Verhaltensweisen bereits im strukturalistischen Eintrittsbarrierenkonzept -
insbesondere bei Bain - nicht verschlossen ist.
Wie vereinbart sich dies nun aber mit dem traditionellen Industrial OrganizationParadigma, das ja das Limitpreis-Konzept "überlagert" und für eine Determiniertheit
des Marktverhaltens durch die Marktstruktur plädiert und überdies das Marktverhalten sogar als bloßen "Transmissionsriemen" zwischen der Marktstruktur und dem
Marktergebnis völlig vernachlässigt? Eine Auseinandersetzung mit dem industrie
ökonomischen Forschungsprogramm, das die empirische Überprüfung (preis-) theoretischer Vorhersagen bezweckt, wird hier ergeben, daß der nur in eine Richtung
verlaufende Ursache-Wirkungs-Pfad lediglich eine - eben zum Zwecke des empirischen Tests von Hypothesen vorgenommene - Vereinfachung des komplexen
realen Zusammenhanges darstellt. Diese Operationalisierung glaubt Bain vornehmen
zu können, da die Marktstruktur im allgemeinen und die (strukturellen) Eintrittsbar
rieren im besonderen seines Erachtens hinreichend stabil sind, so daß sich Unter
nehmen kurzfristig an sie anpassen müssen. Damit behauptet er jedoch keineswegs, daß Marktstrukturen langfristig nicht durch das Marktverhalten bzw. durch Unter
nehmensstrategien beeinflußt werden können - worin eine Übereinstimmung mit dem "concept of strategy" zu sehen ist, das die Umwelt zwar prinzipiell als gestaltbar,
aber auch als "constraints" des Handeins begreift. Auch folgt aus der Behandlung von
hinreichend stabilen Marktstrukturelementen als unabhängigen Variablen (beim
Testen von Hypothesen) nicht zwingend, daß es sich (in der Realität) um exogene Variable handelt. Dies zeigt sich bei Bain an der Tatsache, daß er mit den Ver-
9
drängungs- und Marktausschließungstaktiken Formen des Marktverhaltens thematisiert, denen er einen unmittelbaren Einfluß auf die Marktstruktur zugesteht. Andere
Verhaltensweisen vernachlässigt er "notgedrungen", nämlich mit der Begründung, daß
apriori jede Marktstruktur mit jedem Marktverhalten kombinierbar ist und somit
keine eindeutigen testbaren Hypothesen aufgestellt werden können. Dies besagt in
der Terminologie der Theorie strategischer Unternehmensführung jedoch nichts
anderes, als daß zwischen der Marktstruktur- und der Verhaltenskategorie gerade kein deterministischer Zusammenhang besteht. Damit kann Bains strukturalistischer
Ansatz als ein fruchtbarar theoretischer Ausgangspunkt für die Analyse unterneh
mensstrategischer Fragen des Markteintritts und der Eintrittsverhinderung herange
zogen werden, auch wenn seine Operationalisierung für die empirische industrieöko
nomische Forschung den Strategieaspekten keinen angemessenen Raum läßt.
So fallen denn auch Bains analytische Überlegungen zu den eintrittssperrenden
Verhaltensweisen deutlich differenzierter aus als diejenigen der engen "Lehrbuch
variante der Limitpreis-Theorie" (Dixit): Diese greift mit dem Sylos-Postulat lediglich
eine der von Bain aufgezeigten sechs Reaktionsalternativen heraus und eliminiert
hierbei durch die Einführung restriktiver Prämissen den Handlungsspielraum
etablierter Anbieter. Demgegenüber setzt sich Bain zunächst grundsätzlicher mit der Frage auseinander, ob in den pre-entry-Preisen überhaupt eine Information über das
für Newcomer entscheidungsrelevante post-entry-Preisniveau enthalten ist, d.h. ob in ihnen ein Signal für die Reaktionen der Etablierten gesehen werden kann. Dies ist
nur dann möglich, wenn potentielle Newcomer Limitpreise als eine Erklärung über
zukünftige Handlungsabsichten auffassen und nicht als einen Bluff. Bain geht dies
bezüglich davon aus, daß Eintrittskandidaten in der Höhe des pre-entry-Preises
prinzipiell einen Indikator für die Intensität des Wettbewerbs nach ihrem Markt
eintritt sehen. Trotz dieser Grundannahme bleibt jedoch eine Unsicherheitssituation
bestehen. Denn angesichts der zahlreichen Handlungsalternativen wissen weder potentielle Newcomer, wie hart die Etablierten·zu reagieren gedenken, noch sind sich
bestehende Anbieter bei der Kalkulation des Limitpreises darüber im klaren, ob
etwaige Eintrittsinteressenten auch genau diejenige Reaktionsweise antizipieren werden, die sie selbst planen und dem Sperrenpreis zugrunde legen. Damit ist die
Höhe der Eintrittsbarrieren und des von diesen ausgehenden Schutzes nicht (mehr) allein eine Funktion der strukturellen Wettbewerbsvorteile, sondern zugleich der
Reaktionserwartungen potentieller Newcomer. Und da diese Erwartungen nicht ver
läßlich vorhergesagt werden können, sieht Bain etablierte Anbieter mit einem
unausweichlichen Unsicherheitsproblem konfrontiert. Er behilft sich hier mit der
10
Einführung von sechs alternativen Reaktionshypothesen, die er mit Wahrscheinlich
keiten ihres Zutreffens versieht.
Das von Bain konstatierte Unsicherheitsproblem der Etablierten ist jedoch nur so
lange unvenneidbar, wie man einen Strategiebegriff wählt, der sich auf ein adaptives
Verhalten beschränkt und die Möglichkeit aktiven HandeIns ausklammert: In der traditionellen Oligopoltheorie verhalten sich zwei Wettbewerber bereits dann strategisch,
wenn sie ihre wechselseitige Abhängigkeit erkennen und die erwartete Entscheidung des Kontrahenten als gegeben in ihr Kalkül einbeziehen. In diesem Sinne meint
"strategic behavior" also eine Anpassung unter Unsicherheit, nämlich über die Pläne
des Konkurrenten. Mit diesem Strategiebegriff, der auch dem Limitpreis-Ansatz von
Bain zugrunde liegt, besteht das zentrale Problem der potentiellen Newcomer in der
Prognose des post-entry-Verhaltens der Etablierten, das ja aus der Höhe des Limit
preises allein nicht eindeutig abgelesen werden kann.
Mit einem aktiven, d.h. handlungsorientierten StrategiebegriJf müssen die Etablierten
die Reaktionserwartungen der Newcomer indes nicht mehr als gegeben hinnehmen.
Sie können Maßnahmen ergreifen, um potentiellen Newcomern ihre geplante Reak
tionsweise zu signalisieren. Das heißt, sie können dem Prognoseproblem der New
comer abhelfen, indem sie selbst Gewißheit schaffen und auf die Reaktionserwar
tungen der Newcomer Einfluß nehmen. Ihre Aufgabe besteht also darin, durch strate
gische Maßnahmen jene Verbindlichkeit ihres beabsichtigten post-entry-Verhaltens
herbeizuführen, die im Limitpreis-Konzept (z.B. mit dem Sylos-Postulat) immer
schon vorausgesetzt ist. Dies kann nur gelingen, wenn man Etablierte als strategische
Akteure begreift und sich nicht - wie Bain - mit exogenen Reaktionshypothesen
begnügt, um das Problem der oligopolistischen Interdependenz theoretisch hand
haben zu können. So besteht der Beitrag Bains zu einem unternehmensstrategischen
Eintrittsbarrierenkonzept letztlich im Entwurf eines Szenarios alternativer Reak
tionsmöglichkeiten der Etablierten auf erfolgte Markteintritte, die diese ihrer
Kalkulation des Sperrenpreises zugrunde legen können, und in der von ihm herausge
stellten Bedeutung der zutreffenden Antizipation des geplanten post-entry-Verhaltens (durch potentielle Newcomer) für die Wirksamkeit von Limitpreisen. Offen
bleibt bei Bain aber, wie ein nach seinem Vorschlag ermittelter Eintrittssperrenpreis
auch zur Geltung gebracht werden kann, d.h. wie der festgelegte pre-entry-Preis zu
einem glaubhaften und abschreckenden Signal zukünftiger Handlungsabsichten
gemacht werden kann. Dies hat die neuere Theorie des "strategie behavior" zum Gegenstand, der sich Kapitel 3.3. widmet.
11
Theoriegeschichtlich gesehen wurde die Beschäftigung mit den strategischen Verhal
tensweisen von der Kritik einiger Chicago-Vertreter (insbesondere McGee) an der
Theorie des Verdrängungswettbewerbs angestoßen. Diese Kritik besagt - bezogen auf
die Theorie des Eintrittssperrenpreises -, daß ein Limit Pricing keine rationale Stra
tegie der Eintrittsverhinderung darstellen kann. Denn mit der beispielsweise im Sylos-Postulat zum Ausdruck kommenden Drohung, den Output nach einem Markt
eintritt konstant zu halten, schadet sich ein etabl~erter Anbieter selbst mehr als einem Newcomer: Der Preisverfall auf ein für alle Beteiligten nicht kostendeckendes
Niveau würde ihm wegen seines viel höheren Marktanteils wesentlich stärkere
Umsatz- und Gewinneinbußen zufügen als dem ja deutlich kleineren Herausforderer.
Vergeltungsmaßnahmen gegen neu eingetretene Unternehmen sind daher - und auch
angesichts günstigerer Handlungsalternativen - prinzipiell unwirtschaftlich. Ein etablierter Anbieter, der dennoch damit droht, handelt unglaubwürdig, da die Aus
führung der Drohung nicht in seinem Interesse liegt. Daher wird sich ein potentieller
Newcomer, der sich dessen bewußt ist, nicht durch eine Vergeltungsdrohung in Form
eines Sperrenpreises vom Markteintritt abhalten lassen.
Diese Kritik, die das Limit Pricing als eine irrationale Preispolitik ausweist, legt die
Begründungsdefizite der Limitpreis-Theorie Bains offen. Behoben werden diese Defizite durch neuere spieltheoretische Erklärungsansätze zu den strategischen Ver
haltensweisen von Unternehmen, die - entgegen einer unrealistischen Prämisse bei
McGee - Asymmetrien zwischen bestehenden und potentiellen Wettbewerbern ein
führen. Diese asymmetrischen Modelle können im wesentlichen in zwei Hauptgrup
pen unterteilt werden: Die eine bilden die Konzepte mit asymmetrisch verteilten
Informationen, in denen bereits etablierte Unternehmen besser unterrichtet sind als
potentielle Newcomer. Zur anderen zählen die Theorien mit asymmetrischen Spielzügen, in. denen Etablierte allein aufgrund der Handlungsreihenfolge gegenüber
Newcomern im Vorteil sind.
Die Ansätze der ersten Hauptgruppe, die Signaling- und Reputation-Modelle, haben
gemein, daß sie McGees unrealistische Annahme vollständiger Information auf
geben. Denn nur unter dieser Bedingung sind potentielle Newcomer über die Kosten
und Nachfragebedingungen und somit über die post-entry-Gewinnsituation unterrich
tet, so daß die pre-entry-Preise als Marktsignale für die post-entry-Wettbewerbsver
hältnisse hinfällig werden. Geht man indes davon aus, daß Newcomer vor ihrem Ein
tritt nicht vollständig über ihre relative Kosten- und Wettbewerbsposition in dem
betreffenden Zielmarkt informiert sind, werden sie versuchen (müssen), den Hand
lungsweisen der Etablierten die fehlenden pay~off-relevanten Informationen zu ent-
12
nehmen. Bestehende Anbieter können daher den Preis als ein strategisches Signal für
ihre Kostensituation einsetzen und auf diese Weise den Markt für potentielle New
comer unattraktiv erscheinen lassen. Insofern ist mit den Signaling-Konzepten eine
Begründungsbasis für die bei Bain immer nur unterstellte Relevanz von pre-entry
Preisen für die Eintrittsentscheidung von Newcomern gewonnen. Damit ist zwar die
von McGee vermißte Rationalität des Setzens von Sperrenpreisen hergestellt, jedoch
auf eine andere Weise als in der klassischen Limitpreis-Theorie: Dort versuchen
bestehende Anbieter mittels Sperrenpreisen auf die Reaktionserwartungen etwaiger
Herausforderer einzuwirken, im Signaling-Konzept hingegen streben sie eine Ein
flußnahme auf deren Selbsteinschätzung an. Somit wandelt das Limit Pricing im
Signaling-Ansatz seinen Charakter. Es kommt ohne glaubwürdige Vergeltungs
drohungen aus.
Einen eher konventionellen Weg der theoretischen Begründung von Vergeltungsmaßnahmen gegen Newcomer als einer rationalen Strategie beschreiten - ebenfalls
unter unvollständiger und asymmetrisch verteilter Information - die Reputation
Modelle. Hierin übt ein etablierter Anbieter gegen neu eingetretene Wettbewerber
Vergeltung, und zwar mit dem Ziel, durch das Statuieren eines abschreckenden
Beispiels weitere potentielle Konkurrenten vom Markt fernzuhalten. Die Vergel
tungskosten werden damit zu einer Investition in eine "reputation Jor toughness". Dies hat zur Folge, daß sich eine exemplarische Vergeltungsmaßnahme - um wirtschaftlich
und damit glaubwürdig zu sein - nicht bereits unmittelbar durch die Bekämpfung bzw.
Zurückdrängung eines einzigen Newcomers auszahlen muß. Vielmehr wird sie durch
die zukünftigen Erträge aus unterbleibenden Markteintritten gerechtfertigt. Die
unvollständige Information der Eintrittskandidaten ist in diesen Ansätzen von zen
traler Bedeutung, da potentielle Newcomer überhaupt nur unter dieser Bedingung
die gegenwärtigen und vergangenen (exemplarischen) Vergeltungsmaßnahmen zur
Prognose der Reaktionen von Etablierten auf zukünftige Markteintritte heranziehen
werden. Während es in McGees Welt der vollständigen Information also stets die
etablierten Unternehmen sind, die aus den dann (fast) zwangsläufig fehlschlagenden
Vergeltungsversuchen "ihre Lektion lernen" und derartige Versuche in Zukunft
unterlassen, sind es bei Bestehen eines Informationsgefälles statt dessen die New
comer, die aus den vergangenen Aktionen der Etablierten lernen, d.h. auf deren
zukünftige Maßnahmen schließen müssen.
Anders als die Signaling- und Reputation-Modelle, die eine Informationsasymmetrie
zur unabdingbaren Voraussetzung haben, um Abschreckungsmaßnahmen theoretisch
erklären zu können, kommt der Commitment-Ansatz auch ohne diese Bedingung aus.
13
Hier müssen etablierte Anbieter im Gegenteil bei potentiellen Konkurrenten für eine
Transparenz bzw. Gewißheit über die relative Vorteilhaftigkeit ihrer Handlungs
alternativen sorgen. Denn dieses Konzept baut darauf auf, daß eine Drohung, die
wirkt, niemals ausgeführt werden muß. Damit sie aber wirkt, muß sie erstens glaub
haft sein und zweitens darüber hinaus auch noch (als solche) wahrgenommen werden.
Andernfalls hätte gerade die Herstellung der Glaubwürdigkeit für den Etablierten
gravierende Konsequenzen. Denn nach dem Commitment-Ansatz empfiehlt es sich
für bestehende Unternehmen, noch vor dem Auftreten von Newcomern eine
bindende Verpflichtung einzugehen, die sie zur Verteidigung zwingt: Um die von
McGee - wegen der Existenz günstigerer Handlungsalternativen - angezweifelte
Glaubwürdigkeit angedrohter Vergeltungsmaßnahmen herbeizuführen, muß der
Etablierte seine Auszahlungsstruktur auf irreversible Weise so gestalten, daß die Ver
geltung zur nunmehr vorteilhaftesten und damit ex-post-optimalen Reaktion wird.
Dadurch kommt der Abschreckungseffekt zustande, aufgrund dessen der Etablierte
erst bereit ist, eine für ihn selbst verlustbringende Vergeltung anzudrohen. Denn ein
potentieller Newcomer, der eine bindende Verpflichtung wahrnimmt, besitzt keinen
Grund mehr, an der Ausübung der Vergeitullg zu zweifeln. Damit gelingt es, die
Verpflichtung von der Vergeltung theoretisch zu entkoppeln. Dies hat zur Folge, daß nur noch das Eingehen einer Verpflichtung rentabel sein muß und nicht mehr die (theoretisch niemals erforderliche) Durchführung der Vergeltung.
Folgt man also der Spieltheorie, so ist der mit einern natürlichen "first mover
advantage" ausgestattete etablierte Monopolist stets im Vorteil. Denn er kann in
einem Spiel, in dem die Reihenfolge der Spielzüge von Bedeutung ist, durch das Ein
gehen einer irreversiblen Verpflichtung den Entscheidungsspielraum potentieller
Newcomer so einengen, daß diesen nur eine gangbare Alternative verbleibt, nämlich vom Markteintritt abzusehen. Nun könnte man aber einwenden, daß dieser Erklä
rungsansatz rationaler Vergeltungsdrohungen potentiell scheitert - nämlich dann,
wenn trotz des Vorliegens einer Verpflichtung neue Konkurrenten in den Markt
eintreten, entweder weil sie das Comrnitment nicht wahrgenommen haben, oder weil
sie mit dessen Wesen nicht vertraut sind, also keine rationalen Spieler im Sinne der
Spieltheorie sind. In diesem Fall hat dann ein Newcomer ebenfalls Ressourcen an die
betreffende Branche gebunden, d.h. Austrittsbarrieren errichtet, und kann - spiel
theoretisch gesehen - nicht vorn Markt verdrängt werden. Dieser Einwand ist jedoch
nur dann haltbar, wenn man den Markteintritt als einen "Einschnitt" zwischen dem
Spiel vor und nach dem Zutritt behandelt. Bei realistischer Betrachtung ist indes von
einern allmählichen bzw. sukzessiven Eintrittsprozeß auszugehen. Ein Newcomer kann
daher nicht bereits als etabliert gelten, wenn er diesen Prozeß gerade erst eingeleitet
hat. Denn in diesem Stadium hat er erst einen Teil der erforderlichen Investitionen
14
getätigt und kann durch rechtzeitige Vergeltungsmaßnahmen durchaus noch zum Rückzug bewegt werden. Mit diesem von Porter betonten prozessualen Charakter
von Marktzutritten kann also die Rationalität von Vergeltungsmaßnahmen gegen
bereits eingetretene Newcomer verteidigt werden, wenn die Drohung - entgegen der
theoretischen Aussagen des Commitment-Konzeptes - einmal versagt haben sollte.
Der vorstehende Überblick bzw. Ausblick auf die Konzepte des "strategie behavior"
zeigt bereits, daß der theoretische Druchbruch zur Erklärung eintrittsverhindernder
Maßnahmen als einer rationalen Strategie auf sehr unterschiedliche Weise gelang
und zudem eine Abkehr vom Limit Pricing bewirkte: Entgegen den Signaling-Kon
zepten, in denen pre-entry-Preise eine andere Funktion als die der Einflußnahme auf
die Reaktionserwartungen erfüllen, kommen die Reputation- und Commitment
Ansätze nicht mehr ohne das Element der Drohung aus und ähneln insofern dem
Limit Pricing. Allerdings ist die Drohung hier nicht mehr im (Sperren-)Preis enthal
ten, sondern in der exemplarischen Ausübung von Vergeltung gegen frühere New
comer oder in der Veränderung der pay-off-Struktur der Handlungsalternativen.
Nach diesen beiden Ansätzen können also die Reaktionserwartungen potentieller
Konkurrenten gesteuert werden, ohne daß der pre-entry-Preis auf ein eintrittssper
rendes Niveau abgesenkt werden muß. Insofern beheben die spieltheoretischen Kon
zepte des "strategie behavior" zwar die Begründungsdefizite der traditionellen Theo
rie der Eintrittsverhinderung, bestätigen aber die von Bain unterstellte Relevanz von
pre-entry-Preisen für die Eintrittsentscheidung von Newcomern nicht - jedenfalls
nicht zwingend: Nach den Reputation- und Commitment-Modellen ist ein Limit
Pricing keine notwendige Bedingung für eine Eintrittsverhinderung. Denn wenn Dro
hungen auch auf andere Weise ausgesprochen werden können, muß der pre-entry
Preis nicht mehr als ein Signal für das post-entry-Preisniveau dienen und ein etablier
ter Anbieter kann auch in der pre-entry-Phase den Monopolpreis wählen. Setzt er
dennoch den Bainschen Sperrenpreis, z.B. um die Eintrittsanreize von vornherein zu
reduzieren, können sich potentielle Newcomer, die sich bislang an den Überlegungen
McGees orientierten, nun jedoch nicht (mehr) darauf verlassen, daß der Preis auf
diesem Niveau bleiben wird. Denn grundsätzlich sind Vergeltungsmaßnahmen gegen
neu eingetretene Wettbewerber eine rationale Handlungsweise.
Dies erklärt schließlich auch das Konzept des Raising rivals' costs. Hierin verlagern
etablierte Anbieter ihre Maßnahmen von den Output- auf die Inputmärkte, d.h. von
den Preisen auf die Kostenseite. Damit kehrt sich die relative Benachteiligung zu
ungunsten neu eingetretener Konkurrenten um: Während sich ein marktbeherr
schendes etabliertes Unternehmen - wie von McGee kritisiert - mit Kampfpreisen
15
(kurzfristig) mehr schadet als einem Newcomer, führt eine Kostensteigerung in Fix
kostenbereichen bei kleineren Konkurrenten mit einem wesentlich geringeren
Absatzvolumen zu einem deutlichen Wettbewerbsnachteil. Da nun eine solche Stra
tegie unter bestimmten Bedingungen profitabel ist und keinen kurzfristigen Gewinn
verzicht erfordert, kann sie nicht nur als Reaktion auf Markteintritte, sondern auch
bereits präventiv zur Eintrittsverhinderung durchgeführt werden. In diesem Sinne
wird das Raising rivals' costs in Kapitel 3.3.2. nicht als eine Drohung verstanden, mit
der man wieder die Vergeltungsgefahr in der Wahrnehmung der Newcomer steigern
will, sondern als ein Beispiel für Abschreckungstaktiken, die der Erhöhung struktu
reller Barrieren dienen. Das Wesen dieser Gruppe von Defensivmaßnahmen besteht
darin, erfolgversprechende Eintrittsstrategien oder Angriffsbahnen zu versperren, die
einem Newcomer dazu verhelfen könnten, bestehende Barrieren zu umgehen und
über eine ungeschützte Flanke in den Markt einzudringen.
Die theoretischen Ausführungen zu den neueren industrieökonomischen Konzepten
des "strategie behavior" werden von der praktischen Handlungsanleitung bzw.
-anregung abgerundet, die Porter etablierten Unternehmen zur Anwendung dieser
theoretischen Erkenntnisse erteilt. Und schließlich werden diese konkreten Hand
lungsempfehlungen anband einer Fallstudie Porters veranschaulicht, die die mög
lichen Abschreckungs- und Vergeltungsmaßnahmen für Procter & Gamble im ameri
kanischen Wegwerfwindelmarkt analysiert.
Mit den (spiel-)theoretischen Erklärungsansätzen, welche die von McGee aufgezeig
ten theoretischen Lücken des strukturalistischen Eintrittsbarrienansatzes schließen
und damit zugleich den Übergang zu einem strategischen Konzept vollziehen, ist
bereits ein für die Strategieforschung wesentlicher Aspekt erfüllt: Die neueren
Ansätze sind in dem Sinne strategisch, als sie sowohl die Reaktionserwartungen
potentieller Newcomer als auch die strukturellen Eintrittsbarrieren zu Aktionspara
metern der Etablierten erheben. Damit liegt ihnen ein handlungsorientierter Strategie
begriffzugrunde - entgegen der strukturalistischen Limitpreis-Theorie Bains, die zwar
bereits Handlungsalternativen ausweist, aber dennoch eher von einem adaptiven
(Limitpreis-)Verhalten denn von einem aktiven, d.h. die Konkurrenten beeinflussen
den Handeln geprägt ist.
Aber auch mit der aktiven Gestaltung der strukturellen Barrieren und mit der Ein
flußnahme auf die Reaktionserwartungen trägt das neuere Konzept der eintrittsver
hindernden Strategien dem unternehmensstrategischen Moment noch nicht genügend
Rechnung. Denn nach der klassischen Business Policy-Sichtweise sind bestehende
16
und potentielle Konkurrenten in gewisser Weise einzigartig: Sie besitzen distinktive
Kompetenzen und verfolgen heterogene Strategien, so daß sie bei der Überwindung oder dem Aufbau von Eintrittsbarrieren unterschiedlich erfolgreich sind. Demgegen
über negierte die Industrial Organization derartige Unterschiede früher weitest
gehend und behandelte die Unternehmen einer Branche - Größenunterschiede
ausgenommen - als identisch. Dies ist auf die damals vorherrschende Marktkonzen
trationsdoktrin zurückzuführen, nach der überdurchschnittliche Gewinne aus der
Kollusion bzw. Einigung der Oligopolisten auf eine gemeinsame Gewinnmaximierung
resultieren, die wiederum bei nur wenigen großen Marktteilnehmern einfacher her
beizuführen ist als bei einer Vielzahl kleiner Anbieter. Anfang der 70er Jahre
gelangte die Industrieökonomik dann zu einem differenzierteren Verständnis des
brancheninternen Wettbewerbs und der kollusionsfördernden bzw. -hemmenden
Faktoren: Man erkannte, daß - selbst bei einem hohen Konzentrationsgrad - die Ver
folgung heterogener Strategien das Zustandekommen abgestimmter Verhaltensweisen
erschweren kann. Mit dieser Berücksichtigung von Strategieunterschieden nähert sich
die Industrial Organization dem Business Policy-Konzept an, das in umgekehrter
Richtung von seiner situationsspezifischen und völlig relativistischen Sichtweise z.T.
abgerückt ist und sich der Frage nach den Gemeinsamkeiten von Wettbewerbern
gewidmet hat, die sich nicht mehr nur in der gleichen Branchenzugehörigkeit
erschöpfen, sondern darüber hinaus in der Verfolgung einer ähnlichen Strategie
bestehen können.
Die Anerkennung von Strategieunterschieden innerhalb eines Industriezweiges
(durch die Industrial Organization) hat zur Folge, daß die ehemals homogene Bran
che in eine Reihe strategischer Gruppen "zerfällt", d.h. in Gruppen von Konkurrenten
mit einer ähnlichen Wettbewerbsstrategie. Für das Eintrittsbarrierenkonzept hat dies
zwei Konsequenzen: Zum einen können Marktzutrittsschranken nicht mehr als ein
branchenweit einheitliches Phänomen begriffen werden. Denn die Höhe des Wett
bewerbsnachteils potentieller Newcomer hängt nun von der strategischen Gruppe ab,
der sie sich anschließen wollen. Somit sind die Eintrittsbarrieren gruppenspezifisch
zu definieren. Zum anderen schützen die so verstandenen strukturellen Barrieren die
Mitglieder einer Gruppe nicht mehr nur vor Zutritten von außerhalb der Branche,
sondern sie be- oder verhindern auch den branchenintemen Gruppenwechsel bereits
etablierter Unternehmen, d.h. die Imitation erfolgreicher Strategien durch weniger
erfolgreiche Wettbewerber. Im erstgenannten Fall fungieren sie somit als Eintritts
barrieren, in letzterem als Mobilitätsbarrieren, die Porter aufgrund des größeren Aus
sagegehaltes und ihres zweifachen Schutzes als den allgemeinen Barrierentyp ver
steht: Während Eintrittsbarrieren nur Rentabilitätsunterschiede zwischen verschie-
17
denen Industrien erklären können, liefern Mobilitätsbarrieren zudem eine Begrün
dung für dauerhafte Rentabilitätsunterschiede innerhalb einer Branche. Damit sind
sie ein bedeutender Faktor in Porters Theorie der Gewinndeterminanten eines
Unternehmens, die in Kapitel 3.4. näher ausgeführt werden wird.
Mit dem Konzept der strategischen Gruppen und mit der gruppenspezifischen Defi
nition von Eintritts- bzw. Mobilitätsbarrieren gewinnt man jedoch nicht nur ein diffe
renzierteres Bild vom Wettbewerb innerhalb einer Branche, sondern auch vom
Prozeß des Markteintritts durch branchenfremde Newcomer. Diese müssen die
Barrieren, die eine von ihnen angestrebte Gruppe schützen, nicht unmittelbar über
winden, sondern können dabei stufenweise vorgehen: Sie können zunächst die niedri
geren Barrieren einer eher unattraktiven Gruppe meistern, um von dieser Zwischen
station aus die (risikoreichere) Überwindung der Mobilitätsbarrieren in Angriff zu
nehmen, von denen die eigentliche "Zielgruppe" umgeben ist. Mit diesem ebenfalls in
Kapitel 3.4. thematisierten stufenweisen Markteintritt können das Risiko und u.U. auch
die Gesamtkosten des Marktzutritts verringert werden.
Bis zu diesem Punkt bewegt sich die Argumentation zum Übergang von einem bran
chenweiten zu einem gruppenspezifischen und von einem strukturalistischen zu
einem (unternehmens-)strategischen Konzept innerhalb des von der Harvard Schaol
geprägten deskriptiv-analytischen oder handlungstheoretischen Eintrittsbarrierenver
ständnisses. Die Kritik McGees, der ja zur Chicago School zählt, betraf zwar
"tragende Teile" des Theoriegebäudes von Bain, nicht jedoch dessen "Fundamente".
Der gmndsätzlichen Kritik von seiten der Chicago School wendet sich sodann das
vierte Kapitel zu, das zu klären hat, ob der breitere, nämlich deskriptiv-analytische
Begriff der Harvard School oder das engere wohlfahrtsökonomische und normativ
analytische Konzept der Chicago School für unternehmensstrategische Zwecke vor
zuziehen ist. Die Frage lautet also, ob man - "a la Harvard" - alle den Marktzutritt
erschwerenden Faktoren als Eintrittsbarrieren verstehen soll, oder ob man diesen
Begriff - wie "in Chicago" gefordert - nur für bestimmte, nämlich künstlich geschaf
fene Barrieren reservieren soll und natürliche Eintrittshindernisse davon ausnehmen
soll.
Um die Eintrittsbarrierenkontroverse zwischen der Harvard und der Chicago School
in diesem Sinne auswerten zu können, ist es zunächst erforderlich, den wettbewerbs
theoretischen Hintergrund der beiden Schulen zu beleuchten9. Hier wird sich zeigen,
9 Die Eintrittsbarrierenkonzepte dieser beiden Schulen können als die zentralen Ansätze innerhalb der Nationalökonomie gelten, jedenfalls für diejenigen Ökonomen, die den Wettbewerb mehr als
18
daß die sehr gegensätzlichen Vorstellungen darüber, was eine Eintrittsbarriere dar
stellt, auf sehr unterschiedlichen Auffassungen von Wettbewerb und Wettbewerbs
beschränkungen beruhen: Für die Harvard School sind überhöhte Gewinne und
Wohlfahrtsverluste das Resultat eines kollusionsfördernden Konzentrationsgrades. Funktionsfähiger Wettbewerb ist daher- eine Frage der Marktstmktur: Voraussetzung
für ein gutes Marktergebnis ist eine hohe Anzahl von Konkurrenten, da unter der
artigen Bedingungen wettbewerbsbeschränkende Absprachen unter den Konkurrenten kaum zustandekommen können. Im Lichte dieses Leitbildes wertet die Harvard
School alles, was eine Steigerung der Marktteilnehmerzahl behindert, als Zutritts
schranken: Alle strukturellen Faktoren und alle Verhaltensweisen bestehender
Unternehmen, die potentiellen Newcomern den Eintritt erschweren, werden als Eintrittsbarrieren ausgelegt - gleichgültig, ob von den Etablierten unbeabsichtigt oder
mit dem Ziel der Eintrittsverhinderung hervorgerufen.
Nach dem Wettbewerbsverständnis der Chicago School sind die Marktstrukturen für
das Marktergebnis hingegen weitestgehend irrelevant. Statt dessen ist es das rivalisie
rende Marktverhalten effizienter Unternehmen, die einander im Wettbewerb über
treffen wollen, das zu einer Steigerung der Konsumentenwohlfahrt und zur Erzielung
(temporärer) überdurchschnittlicher Gewinne führt. Sofern Großunternehmen ihre Größe dank einer überlegenen Wettbewerbsfähigkeit und nicht aufgrund von
Marktmacht erlangt haben - wovon die Chicago School grundSätzlich ausgeht -, ist die
Konzentrationsrate einer Branche bedeutungslos. Diesen EjflZienzmaßstab legt die
Chicago School auch bei der Bewertung von Markteintrittshemmnissen an: Sie fragt
danach, ob die am Marktzutritt gehinderten Wettbewerber die Konsumentenwohl
fahrt überhaupt steigern könnten oder ob es nicht ihre Ineffizienz ist, die ihnen den
Marktzugang verwehrt. Im letztgenannten Fall existiert für die Chicago School keine
Eintrittsbarriere: Alles, was man beobachten kann, sind natürliche wettbewerbs
immanente Hindernisse, die von effizienten Newcomern überwunden werden
können. Daß ineffiziente Neuanbieter hierbei scheitern, liegt nach der Chicago
School im Interesse der Konsumentenwohlfahrt.
Mit dem so entfalteten wettbewerbstheoretischen Hintergrund der beiden Schulen
kann sodann (in Abschnitt 4.2.2.) die von Chicago-Vertretern aus der Effizienz-Per
spektive an den einzelnen angeblichen Eintrittsbarrieren geübte Kritik dargelegt
einen statischen Gleichgewichtszustand denn als einen dynamischen Prozeß begreifen. Letztere tendieren in der Eintrittsbarrierenfrage eher zur Position der Chicago School. Vgl. für die Österreichische Schule z.B. Kirzner (Unternehmertum, S. 79 ff. und S. 170), der die von etablierten Anbietern erlangten Vorteile als nur zeitweilig und außerdem als "voll wettbewerblich" erachtet. Zu der Nihilist School und der Evolutionary School, die das Modell der vollkommenen Konkurrenz ebenfalls zurückweisen, aber mit der Chicago School in der Beurteilung von Eintrittsbarrieren übereinstimmen, vgl. Audretsch (Schools), S. 8 ff.
19
werden. Diese Kritik, von der auch die neuere Harvard School bzw. New Industrial Organization beeinflußt wurde, ist nun zweifellos für das wettbewerbspolitisch rele
vante Eintrittsbarrierenverständnis von Bedeutung. Aus einem unternehmensstrategischen und einzelwirtschaftlichen Blickwinkel heraus ist jedoch - wie aus Kapitel 4.2.3. hervorgehen wird - der breiter angelegte Barrierenbegriff der traditio
nellen Harvard School vorzuziehen, der - in Porters Terminologie - nicht nur die offensiven (d.h. effizienzsteigernden), sondern auch die defensiven Maßnahmen
etablierter Anbieter umfaßt.
Den Abschluß des vierten Kapitels bildet schließlich wieder eine Fallstudie, und zwar
aus dem Antitrustverfahren "U.S. gegen IBM", in dem der Beklagten u.a. die Errich
tung von Eintrittsbarrieren vorgeworfen worden war. Die Aussage der ökonomischen
Expertenzeugen der Verteidigung, die schulenmäßig der nun auch stärker auf das Marktverhalten abstellenden neueren Harvard School zuzuzählen sind, kann hier als Beispiel für eine prokompetitive Argumentation bzw. Erwiderung auf die von der Regierung behaupteten antikompetitiven Eintrittsbarrieren dienen. Daneben fördert der dieser Untersuchung zugrundeliegende Barrierenbegriff einen theoretisch bedeutsamen Punkt zutage, nämlich daß Eintrittsentscheidungen von potentiellen Newcomern nicht aufgrund eines zeitpunktbezogenen Kostenvergleiches, sondern auf der Basis einer zeitraumbezogenen Investitionsrechnung getroffen werden. Damit
können - den ökonomischen Expertenzeugen zufolge - Eintrittsbarrieren nicht mehr als die Wettbewerbsnachteile eines Newcomers zu einem bestimmten Zeitpunkt -nämlich dem seines Marktzutrittes - gewertet werden. Denn bereits etablierte Anbie
ter können diese Kosten in der Vergangenheit ebenfalls zu tragen gehabt haben, so
daß sie sich zum Zeitpunkt ihrer Investitionsentscheidung in der gleichen Situation
befanden wie jetzt ein potentieller Newcomer. Folgt man dieser Argumentation, so
können Eintrittsbarrieren nur aus den zusätzlichen Investitionen resultieren, die allein neue Konkurrenten tätigen müssen und nicht auch die bereits etablierten Unterneh
men in der Vergangenheit zu tragen hatten. Nach diesem Verständnis führen also ausschließlich "first mover"-Vorteile zu Eintrittsbarrieren.
Den Aspekt der Investitionsentscheidung aufgreifend wird in Kapitel 5 ein untemeh
mensstrategisch relevanter Eintrittsbarrierenbegriffpräsentiert. Dieser unterscheidet sich
von dem der Expertenzeugen zunächst dadurch, daß nicht nur die höheren kumulier
ten Investitionen - sofern diese zu einer ungenügenden Kapitalverzinsung führen -
Eintrittsbarrieren hervorrufen, sondern auch ein gesunkenes bzw. zu geringes Preis
niveau. Damit folgen wir inhaltlich dem breiten Begriff der Harvard School, die alle (Marktstruktur- und Marktverhaltens-)Faktoren als Eintrittsbarrieren wertet, die den
20
Marktzutritt eines neuen Wettbewerbs verhindern können. Mit der Position der
Sachverständigen hat der gewählte Begriff gemein, daß von der Existenz von Ein
trittsbarrieren dann gesprochen wird, wenn sich die Wettbewerbsnachteile neuer
Konkurrenten (in der Investitionsrechnung potentieller Newcomer) in einer unter
dem Marktzins liegenden Kapitalverzinsung niederschlagen, so daß diese von einem
Marktzutritt absehen. Das heißt, es wird vom Ergebnis her (nämlich vom Stattfinden
oder Ausbleiben von Marktzutritten) beurteilt, ob Eintrittsbarrieren vorliegen oder
nicht. Mit diesem ergebnisorientierten bzw. an der Wirkung ansetzenden Begriff
kann jedoch nur im Einzelfall eine Aussage über die Existenz bzw. Höhe der Ein
trittsbarrieren getroffen werden. Denn um beurteilen zu können, ob die vorhandenen
Wettbewerbsnachteile auch eintrittsverhindernd wirken, muß die je spezifische
Ausgangslage eines Newcomers berücksichtigt werden, also beispielsweise ob Syner
gieeffekte vorliegen oder ob gemeinsame Aktivitäten (und damit Kostenaufteilungs
möglichkeiten) mit anderen Geschäftsfeldern gegeben sind. Hieraus folgt, daß aus
der Tatsache früherer Markteintritte nicht auf die Abwesenheit von Eintrittsbar
rieren geschlossen werden kann. Denn trotz erfolgreicher Eintritte können ja andere
potentielle Newcomer dem Markt ferngeblieben sein. Insofern ist mit einem
ergebnisbezogenen Begriff keine generelle Aussage über die Zugangsbedingungen eines
Marktes möglich. Man kann lediglich aussagen, in wie vielen Fällen die Barrieren überwindbar waren, nicht aber, wie oft das Gegenteil der Fall war.
Für die empirische Untersuchung der Marktzutrittsbedingungen des Mikrocompu
termarktes in KapitelS gebrauchen wir Eintritts- und Mobilitätsbarrieren daher als
analytische Begriffe bzw. als ein Analysekonzept, das der Identifikation von Wett
bewerbsnachteilen potentieller Newcomer gegenüber etablierten Unternehmen
dient. Hierbei ist es nicht unbedingt erforderlich, daß diese Nachteile ein solches
Ausmaß annehmen, das Newcomer dann auch tatsächlich vom Markt fernhält, wie es
der an der Wirkung festgemachte ergebnisorientierte Begriff fordert.
Wegen der heterogenen Strategien, die einzelne Wettbewerber in der Mikrocom
puterbranche verfolgen, kann nicht von branchenweit einheitlichen Zugangsschran
ken zu diesem Markt ausgegangen werden. Aus diesem Grunde werden im Rahmen
der empirischen Studie zunächst die wesentlichen Strategieunterschiede herausgear
beitet, die für den Entwurf einer strategischen Karte der Branche und für die Identi
fikation der Mobilitätsbarrieren benötigt werden. In dieser Karte, die von den zen
tralen strategischen Dimensionen "Wahl des Vertriebsweges" und "Grad der Mar
kenidentifikation" aufgespannt wird, können dann die vier strategischen Gruppen von
Wettbewerbern lokalisiert werden, die eine (relativ) ähnliche Strategie verfolgen. Im
21
Anschluß hieran können die stmkturellen Eintrittsbarrieren für potentielle Newcomer
je nach der von ihnen gewählten Strategie - untersucht werden. Hierzu werden die
Wettbewerbsnachteile von in der Vergangenheit eingetretenen Mikrocomputeranbie
tern gegenüber dem Branchenführer IBM beleuchtet, wobei wir nach dem Konzept
von Bain vorgehen und zwischen der Produktdifferenzierungsbarriere, den Größen
ersparnissen und der absoluten Eintrittsbarriere unterscheiden. Daneben gilt es die
"Reaktionsbarriere" zu taxieren, d.h. Wahrscheinlichkeit und Ausmaß der zu erwar
tenden Vergeltung zu beurteilen. Während hier - abgesehen von einem kontinuier
lichen Preisverfall, der nicht ausschließlich als Reaktion auf den Markteintritt neuer
Konkurrenten gedeutet werden kann - keine Indizien für eine harte Vergeltungs
reaktion durch Etablierte (insbesondere IBM) vorliegen, müssen bzw. mußten neue
Anbieter dennoch aufgrund der strukturellen Barrieren hohe Wettbewerbsnachteile
gegenüber dem Branchenführer in Kauf nehmen. Insgesamt schätzen befragte
Firmenvertreter die von neuen Anbietern in diesem Markt erzielbare Rendite als
relativ gering ein - verglichen mit anderen Segmenten bzw. Teilmärkten des Daten
verarbeitungssektors.
Wenn damit attraktivere Investitionsalternativen bestehen und die Eintrittsbarrieren
des Personal Computer-Marktes auf der Basis eines analytischen Begriffes als eher
hoch gelten müssen, wie vereinbart sich dies dann mit der Tatsache, daß diese
Branche mehr als 200 Anbieter zählt - was doch vom Ergebnis her beurteilt eher auf
niedrige Barrieren hindeutet? Kapitel 7 bietet hierzu - die vorliegende Studie
abschließend - folgende Erklärungsmöglichkeiten für eine hohe Zahl von Branchen
teilnehmern trotz hoher Eintrittsbarrieren: (1) Das Stattfinden von Markteintritten
kann auf eine unzureichende Entscheidungsvorbereitung zurückzuführen sein.
(2) Newcomer können sich an den Gewinnzielen von IBM orientiert und daher den
PC-Markt als attraktiv bewertet haben. (3) Es können nicht abgeschlossene Anpas
sungsprozesse vorliegen. (4) Und schließlich kann eine strategische Notwendigkeit
bestanden haben, selbst in einen weniger attraktiven Markt einzutreten.
Nach diesem Überblick über den Gang der Untersuchung folgt nun die eingehende
Diskussion des vorstehend beschriebenen Programms.
22
2. DIE MARKTEINTRI'ITSTHEMATIK: EIN INHALTLICHER UND METHODISCHER PROBLEMAUFRISS
2.1. Der Fall "U.S. gegen IBM": Divergierende Positionen in der Frage der Marktzutrittsbedingungen
Am 17. Januar 1969 reichten die Vereinigten Staaten von Amerika gegen die Inter
national Business Machines Corporation (IBM) eine Klage wegen eines Verstoßes
gegen Section 2 des Sherman Act (Monopolisierungsverbot) ein. In der Anklage
schrift wurde IBM der nachhaltigen Monopolisierung des Marktes für digitale
Universalrechner bezichtigt. Zur Erreichung und Absicherung der Monopolstellung,
so der Vorwurf der U.S.-Regierung, "verfolgt ,die Beklagte Produktions- und Mar
ketingstrategien, die den konkurrierenden Produzenten von General Purpose Digital
Computern nicht die Chance gaben, auf diesem Markt als Wettbewerber aufzu
treten."l Die der IBM Corp. im einzelnen vorgehaltenen wettbewerbsbeschränkenden
Maßnahmen lauten: Durch einen Gesamtpreis für Hardware, Software und Support
wurde eine Diskriminierung zwischen Kunden sowie eine Behinderung des Marktzu
tritts und Wachstums von Konkurrenten möglich. Zugleich wurde dadurch eine
eigenständige Software- und Support-Industrie unterbunden, was wiederum die Kon
kurrenzmöglichkeit der Wettbewerber erschwerte (a). Software und Support wurden
dazu herangezogen, den Wettbewerb um Kunden zu behindern (b). Tatsächlich oder
vermeintlich erfolgreichen Markteintritten sowie der Behauptung von Wettbewer
bern trat IBM entgegen, indem man in den betreffenden Segmenten Computer mit
ungewöhnlich niedrigen Gewinnerwartungen einführte und eigene neue Modelle
ankündigte, deren rechtzeitige Realisierung jedoch unwahrscheinlich war (c). Ferner
wurde der wegen seines Volumens und seiner Kaufbeeinflußung bedeutende Ausbil
dungsmarkt von IBM durch diskriminierende Rabattgewährung an Universitäten und
andere Ausbildungsinstitutionen dominiert (d)2.
Am 8. Januar 1981 wurde diese Klage von der U.S.-Regierung als gegenstandslos
zurückgezogen.
2
Siehe hierzu und zu den nachfolgend aufgeführten monopolistischen Verhaltensweisen Punkt 20 der Anklageschrift, abgedruckt in Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 347.
In einer späteren Erweiterung der ursprünglichen Klage wurde der oben vorgestellte Punkt 20 um drei weitere Monopolisierungsvorwürfe ergänzt, wobei IBM u.a. noch zur Last gelegt wurde, durch Leasingverträge Marktzutritts- und Expansionsschranken aufgebaut zu haben. V gl. die erweitere Klage, abgedruckt in Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 349 ff., hier insbeson· dere S. 354.
23
Das detaillierte und reichhaltige Antitrust-Material aus Zeugenaussagen und
angeforderten Unterlagen wurde von Franklin M. Fisher, der seit 1970 als ökonomi
scher Berater für IBM in diesem Verfahren tätig war, mit zwei Co-Autoren von
Charles River Associates zu einer ökonomischen Analyse des Wettbewerbs in der
Computerindustrie verarbeitet. Diese Wettbewerbsstudie, die dem Vorwurf der
Monopolisierung durch IBM nachgeht, gelangt nach Prüfung aller von der Regierung
vorgebrachten markteintrittshemmenden Faktoren3 zu folgendem Ergebnis:
"Zusammenfassend kann man aus der Geschichte des Marktzutrittes klar schließen,
daß es in der EDV-Industrie ... keine großen Marktzutrittsschranken gegeben haben
kann. Eine Analyse der angeblich vorhandenen Marktzutrittsschranken verstärkt
diesen Schluß. Die angeblichen Marktzutrittsschranken schränkten den Marktzutritt
in keiner Weise ein.'04
Dieser wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der Marktzutrittsfrage durch die Sachver
ständigen der Verteidigung stehen gleichwohl verschiedene Aussagen von Zeugen
der Regierung gegenüber, welche die Marktzutrittsbedingungen weniger positiv ein
schätzten. So äußerte sich Chairman James Binger rückblickend zum Markteintritt
von Honeywell, der 1955 durch ein Joint Venture mit Raytheon unter nicht ungünsti
gen Startbedingungen erfolgte5: "If we had known how much it was going to cost us to
get into computers, and how long it would take, I wouldn't have thought we would
have had the courage to start. Allegedly, it took HoneyweIl 10 times as long to break
into profit as expected and, at $ 500 million, it cost 10 times the estimate.,,6
Angesichts dieser gegensätzlichen Auffassungen bezüglich der Marktzutrittsmöglich
keit liegt hier der Verdacht nahe, daß Eintrittsbarrieren aus individueller und gesamt
wirtschaftlicher Sichtweise unterschiedlich perzipiert oder interpretiert werden. Ohne
hier sogleich dieser Frage im konkreten Fall nachzugehen, werden diese beiden Per
spektiven zum Markteintrittsproblem nachstehend einander allgemein gegenüber
gestellt.
3
4
5
6
Dies sind: Skalenerträge, Kapitalbedarf, Leasing, Konversionskosten, Bundling und Wartung.
Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 211.
Raytheon brachte in dieses Joint Venture seine 1953/54 begonnenen Entwicklungsarbeiten zum RAYCOM-Computer ein, aus denen später die Datamatic-1000 hervorging. HoneyweIl profitierte jedoch nicht nur vom Computer.Know how Raytheons, sondern die beiden Unternehmen konnten zusammengenommen auch einem Größenvergleich mit IBM und Sperry Rand standhalten. Vgl. Fisher, Manke & McKie (History), S. 68 ff.
Heller (HoneyweIl), S. 72.
24
2.2. Gesamtperspektive: Zum wohlfahrtsökonomischen Stellenwert der Marktzutrittsmöglichkeit
In ihrer Relevanz für den "Wohlstand der Nationen" (Smith) kann die Bedingung
freien Marktzutritts bis in die nationalökonomische Klassik zurückverfolgt werden. In
der dort - als Reaktion auf den Merkantilismus und Feudalismus - geprägten Vor
stellung wurde das Marktgeschehen in die Dichotomie von freiem Wettbewerb und
Monopol eingeteilt. Ein freier Wettbewerb unter den Marktteilnehmern stellt sich
ein, wenn die Möglichkeit freien Marktzutritts gegeben und die Nichtintervention des
Staates gewährleistet ist. Der sich unter diesen Bedingungen vollziehende Wettbe
werbsprozeß, in dem die Wirtschaftssubjekte ein rivalisierendes Verhalten in Form
von Aktion und Reaktion an den Tag legen, bewirkt letztlich eine Egalisierung von
Marktpreis und "natürlichem Preis" (Smith) bzw. Kosten. Dieser langfristige Aus
gleichsprozeß kann kurzfristig durch eine monopolistische Angebotsverknappung und
die damit einhergehenden Monopolgewinne beeinträchtigt werden. Jedoch werden
Monopole als unbedenklich angesehen, solange neue Wettbewerber gerade durch
diese Gewinne angelockt werden und einen ungehinderten Zugang zum Markt
haben, so daß die Monopolrenten eliminiert werden können 7. Insofern ist für die Klassik die Bedingung offener Märkte (d.h. leichten Marktein- und -austrittes) von
zentraler Bedeutung, da hierin die Gewähr für den Obergang von Monopol- zu
Wettbewerbsmärkten gesehen wird8. Die wirtschaftspolitische Konsequenz der klas
sischen Vorstellung von der Wettbewerbsfreiheit bedeutete die Beseitigung merkan
tilistischer Reglementierungen. Im Hinblick auf eine freie Marktzutrittsmöglichkeit
führte dies zur Aufhebung des Zunftzwanges und zur Einführung der Gewerbefreiheit.
Ist es das Verdienst der Klassik, das Prinzip des freien Wettbewerbs für eine wohl
fahrtsmaximierende Selbststeuerung der Wirtschaft herausgestellt zu haben, so wird
die Leistung der Neoklassik darin gesehen, daß sie im einzelnen aufzeigt, unter
welchen Bedingungen der freie Wettbewerb zu der behaupteten Harmonie von
Einzel- und Gesamtinteresse führt, d.h. wann Einzeltransaktionen funktional für die
allgemeine Wohlfahrt sind. Historisch betrachtet setzte diese Entwicklung zum Leitbild der vollständigen Konkurrenz bereits in der Spätklassik ein, als die Voraus
setzungen und staatlichen Rahmenbedingungen für freie Marktprozesse weitgehend
7
8 Vgl. Bartling (Wettbewerbspolitik), S. 10.
Vgl. Heuß (Wettbewerbstheorie), S. 62.
25
realisiert waren9. Mit dem Wunsch einer Präzisierung der Marktpreisbildung ging
eine zunehmende Ausrichtung am statischen Gleichgewichtszustand an Stelle des
dynamischen Wettbewerbsprozesses einher: Unterstellt man die Wirtschaft als in
einem stationären Zustand befindlich, so ist die erste formale Voraussetzung für die
mathematische Ableitung des Preisgleichgewichtes im Monopolfall und im Modell
der vollkommenen Konkurrenz gegeben. Daneben waren - als zweite Voraussetzung
für eine mathematische Gleichgewichtsanalyse - zugleich die Merkmale der vollständigen Konkurrenz zu defirnerenlO. Um nunmehr von konstanten Marktgegebenheiten
ausgehen zu können, "mußte die Zahl der Marktteilnehmer so stark erweitert
werden, daß kein einzelnes Wirtschaftssubjekt mehr einen Einfluß auf die Preisbil
dung hatte; der Preis wurde zum Datum. Die Einführung der Markttransparenz ließ
das Wechselspiel von Vorstoß und Nachahmung verschwinden ... ,,11.
Die in der Klassik betonte Marktzutrittsmöglichkeit trat also - wenngleich auf
rechterhalten - gegenüber den neu hinzugekommenen "Vollkommeriheitsbedin
gungen" der neo klassischen Preistheorie in den Hintergrund. Dieser Prozeß setzte
sich auch unter der Marktformenlehre fort: Zur Klassifikation der Marktformen und
Preisbildungsvorgänge, die zwischen den beiden Grenzfällen Monopol und atomi
stische Konkurrenz anzusiedeln sind, wurden vornehmlich die Marktteilnehmerzahl
und die Homogerntät der Güter herangezogen12.
Verlor die potentielle Konkurrenz damit vorübergehend an Beachtung, so kehrt sie
nicht zuletzt mit der "contestable markets"-Theorie13 in den Mittelpunkt eines Wettbewerbskonzeptes zurück: Mit diesem Ansatz wird der Nachweis geführt, daß sich
allokative Effizienz bereits dann einstellt, wenn nur der Marktzutritt und Marktaus
tritt für potentielle Newcomer im Sinne der Theorie bestreitbarer Märkte14 frei ist,
ohne daß zugleich auch die übrigen Bedingungen vollkommener Konkurrenz erfüllt
sein müssen. Freie Marktzutrittsmöglichkeit im Sinne des Contestability-Konzeptes
besagt, daß der Eintritt zwar rncht frei von Kosten oder einfach zu bewerkstelligen
9 Vgl. Tuchtfeldt (Konzepte), S. 552.
10 Vgl. zu dieser Unterteilung der Annahmen in zwei Gruppen Schmidt (Wettbewerbstheorie), S. 5.
n Tuchtfeldt (Konzepte), S. 553. Zu einer umfassenden Auflistung der Modellprämissen der vollständigen Konkurrenz vgl. Bartling (Wettbewerbspolitik), S.3, und Schmidt (Wettbewerbstheorie), S.5 f.
12 Vgl. Woll (Volkswirtschaftslehre), S. 139.
13 Vgl. Baumol, Panzar & Willig (Contestable markets); Baumol (Contestable). Zu einer Darstellung der Kernaussagen und zu einer kritischen Würdigung des Contestability-Ansatzes vgl. Braulke (Contestable) sowie Spence (Review).
14 Treffender übersetzt von Neumann et al. (Wettbewerbspolitik), S. 7, mit Theorie der "jederzeit angreifbaren Marktpositionen" .
26
ist, daß aber dem Newcomer keine Kostendiskriminierung gegenüber Etablierten
widerfahren darf: Einem neu eintretenden Wettbewerber dürfen keine Nachteile in
bezug auf die Produktionstechnologie oder die perzipierte Produktqualität ent
stehen15. Ist zudem auch die freie Marktaustrittsmöglichkeit gegeben, d.h. kann der
Markt ggf. ohne Liquidationsverluste wieder verlassen werden, so ist der mithin
bestreitbare Markt für kurzlebige Newcomer ("hit-and-run entry") anfällig: Sogar sehr
kurzfristige Gewinnmöglichkeiten können von einem potentiellen Wettbewerber aus
geschöpft werden, " ... for he can go in, and, before prices change, collect his gains and
then depart without cost, should the climate grow hostile.',16
Standen - wie geschildert - mit dem Übergang von der Klassik zur Preistheorie und
auch später - wegen der auftretenden Realisierungsprobleme des neoklassischen
Idealzustandes - in den Theorien unvollkommener Konkurrenz und wirksamen Wett
bewerbs die "Vollkommenheitsprämissen" im Vordergrund, so kehrte sich dies im
"contestable markets"-Konzept also wieder um. Und mit der Hervorherbung der Ein
und Austrittsbedingungen geriet der "perfect competition" nur noch zu einem Spezial
fall der "perfect contestability"17. Angesichts der zwar wechselnden, aber dennoch in
allen theoriegeschichtlichen Epochen und unter allen Paradigmen seit der Klassik
auszumachenden Bedeutung des Marktzutritts potentieller Konkurrenten stellt sich
nun die Frage, wie sich das Markteintrittsproblem aus der Perspektive der Einzel
unternehmung in der betriebswirtschaftlichen Literatur präsentiert.
2.3. Einzelperspektive: Betriebswirtschaftliche Entscheidungsfelder des Marktzutritts im Spiegel der Managementliteratur
Welche Probleme, die von einem potentiellen Newcomer zu bewältigen sind, können
dazu führen, daß der Markteintritt von den Betroffenen als schwierig empfunden
wird, obwohl die Zugangsbedingungen - wie im Fall der Datenverarbeitungsbranche -
von wettbewerbsrechtlicher Seite als unbehindert charakterisiert werden? Einen
ersten Eindruck über die Vielzahl der zu beachtenden Aspekte, der zu treffenden
Entscheidungen und abzuwägenden Möglichkeiten, die mit dem Markteintritt in
Zusammenhang stehen, vermittelt die einschlägige betriebswirtschaftliche Literatur:
15 vgI. Baumol (Contestable), S. 3 f.
16 Baumol (Contestable), S. 4.
17 VgI. Spence (Review), S. 981, und Baumol (Contestable), S. 4.
27
Unter dem Stichwort "Starting a (small) business" liefern insbesondere die Abhand
lungen zur Führung kleinerer und mittlerer Unternehmen18 sowie die allgemeine
Gründungsliteratur19 eintrittsrelevante Hinweise für Fälle, in denen der Markteintritt
mit einer Unternehmensgründung einhergeht. Neben praktischen Ratschlägen zur
Finanzierung sowie zu juristischen, organisatorischen und personellen Fragen wird
auf die strategische Dimension der Markt- und Produktentscheidung verwiesen20, die
gewöhnlich dem Marketingplan zugerechnet wird. Dem Existenzgründer werden Ent
scheidungshilfen geboten, ob er sich durch eine originäre Neugründung oder durch
Akquisition eines bereits bestehenden Unternehmens im Markt engagieren so1l21.
Analog besteht auch für eine bereits existente Unternehmung, die den Eintritt in
einen neuen Markt plant, die Wahl zwischen direktem und indirektem Marktzutritt:
Entscheidet sich das Unternehmen für die direkte Zutrittsform, d.h. für die interne
Ausweitung seiner bisherigen Geschäftstätigkeit, so steht es zunächst vor dem Pro
blem der Produktentwicklung, für dessen physische Dimension insbesondere das
FuE-Management angesprochen ist22. Hinsichtlich des gesamten Prozesses des Neu
produktmanagements liefert die Marketingliteratur Vorschläge zu unterschiedlich
tief gegliederten Phasenschemata, die von der Identifikation von Chancen oder Neu
produktkonzeptionen über verschiedene Realisierungs- und Testschritte bis hin zur
eigentlichen Produkteinführung reichen23. Für den Fall eines Akquisitionseintrittes
ergibt sich die Frage der Unternehmensbewertung und der Integration des Über
nahmekandidaten24. Unternehmensstrategisch bedeutsame Aspekte des direkten
oder indirekten Marktzutrittes berührt das Schrifttum zur Diversifikation25. Zwischen
diesen beiden Extrempunkten der Markteintrittsformen liegen zahlreiche Mischfor-
18 VgI. z. B. Baumback (SmalI business), S. 461 ff., Hailes & Hubbard (Small business), S. 81 ff., und Broom, Longenecker & Moore (Small-business), S. 49 ff. Zu einem Phasenschema von der Produktkonzeption bis zu den Wettbewerberreaktionen vgI. Block & MacMillan (Milestones). Eine empirische Analyse der Probleme kleinerer, neugegründeter Unternehmen sowie in einer Region neu ansässiger Firmen findet sich bei Storey (Problems).
19 VgI. Szyperski & Nathusius (Probleme) und Nathusius (Venture), S. 40 ff.
20 VgI. Vesper (Venture), S.176, Szyperski & Nathusius (Probleme), S. 23 f., und Broom, Longen-ecker & Moore (Small-business), S. 51 f.
21 VgI. hierzu exemplarisch Tate, Megginson, Scott & Trueblood (Successful), S. 84 ff.
22 Siehe hierzu z.B. die Beiträge in Blohm & Danert (Entwicklungsmanagement).
23 Vgl. Booz, Allen & Hamilton (New products), O'Shaughnessy (Competitive), S. 157 ff., Pessemier (Product), Urban & Hauser (Design), sowie den Überblick bei Chaterji, Lonsdale & Stash (Development). Zu einem Beispiel aus der Handelsgastronomie siehe Kuhn (Voraussetzungen).
24 VgI. Mailandt (Bewertung), Yunker (Integrating) und Howell (Integrate).
25 VgI. Wittek (Diversifikation), Bühner (Strategie) und Biggadike (Risky).
28
men wie Joint Ventures, Lizenznahme, Franchising etc.26• Einen weiteren Spezialfall
bildet schließlich die Erschließung internationaler Märkte, die in Publikationen zum
multinationalen Management thematisiert wird27. Wegen des nach wie vor aktuellen
Bezuges mehren sich hierunter die Analysen japanischer Offensivstrategien auf
amerikanischen und europäischen Märkten28, wie auch umgekehrt Veröffentlichungen zum Markteintritt in Japan29, wobei hier häufig die Handelshemmnisse im Vor
dergrund stehen3O• Neben all diesen Problemen hat ein Newcomer ferner über den
geeigneten Eintrittszeitpunkt zu entscheiden: Soll er als erster Anbieter in einen
Markt eintreten oder empfiehlt es sich abzuwarten und die Pionierkosten (aber auch
-erträge) anderen Konkurrenten zu überlass~n? Dieser Fragestellung nach dem
Timing von Markteintritten wenden sich jüngst Beiträge aus dem Bereich des "strate
gischen Marketing" zu31.
Wie dieser keineswegs abschließende Problemaufriß zeigt, widmet sich die betriebs
wirtschaftliche Literatur einerseits operativen Durchführungsfragen, die für sich ge. nommen schon erhebliche Schwierigkeiten beim Markteintritt bereiten können, ohne
daß es der "Fremdeinwirkung" bedarf, d.h. ohne eine Marktzutrittsbehinderung durch
etablierte Konkurrenten. Andererseits werden auch über die rein unternehmens
interne, operative Abwicklung des Markteintritts hinausgehende Aspekte behandelt,
26 Eine Zusammenstellung von in der Literatur unterschiedenen Eintrittsformen mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen findet sich bei Roberts & Berry (Entering), S. 5 ff. Zu einer mit anekdotischen Fallbeispielen belegten Darstellung in der Praxis bedeutsamer Eintrittsformen vgl. Vesper (Venture), S. 176·233.
27 Vgl. hierzu stellvertretend Caves & Mehra (Entry), Root (Foreign), Leontiades (Multinational), S. 109 Cf., und Channon & Jalland (Multinational), S. 175 Cf.
28 Vgl. hierzu neuerdings Kotler, Fahey & Jatusripitak (New competiton, S. 22 ff), die die japanischen Erfolge nicht nur auf kulturelle, organisatorische und institutionelle Besonderheiten zurückführen, sondern für die Umsetzung der Wettbewerbsfähigkeit in eine Marktdominanz insbesondere die Marketingstrategien verantwortlich machen. Zur erfolgreichen Eintrittsstrategie japanischer Unternehmen über ausgewählte Nischen vgl. ebenda, S.86 Cf, sowie Kotler & Fahey (Japanese), S. 442 Cf., und Pfeiffer (FuE-Management), S. 68 f.
29 Vgl. hierzu Simon (Markterfolg), Norbory & Bownas (Japan), Henderson (Foreign) und Abegglen (Strategy), S. 117 Cf.
30 So z. B. bei Müller & Köglmayr (Stolpersteine), die vermeintliche und tatsächliche Hemmnisse des Japangeschäfts einander gegenüberstellen. Zur Überbewertung protektionistischer Handelsbarrieren und zur Behinderung durch kulturell bedingte Schwierigkeiten vgl. o.V. (Kimochi) und Murtha (Kimono).
31 Vgl. Remmerbach (Markteintrittsentscheidungen) und MeCfert & Remmerbach (Marketingstrategien), die stark an das Portersche Strategiekonzept und damit an die industrieökonomische Diskussion um die "first-" und "second-mover advantages" anknüpfen. Zu einem prägnanten Überblicksartikel über bedeutende Industrial Organization-Beiträge zu den Vor- und Nachteilen von Pionierunternehmen vgl. insbesondere Lieberman & Montgomery (First-mover). Mit einem populationsökonomischen Ansatz (anstelle des industrieökonomischen Paradigmas) wendet sich Lambkin (Order) diesem Thema zu.
29
die vornehmlich die Markt- und Konkurrenzseite betreffen und demgegenüber als
untemehmensstrategische Dimension des .Markteintritts bezeichnet werden können.
Die Schwierigkeit des Zutritts zu neuen Märkten bemißt sich demnach sowohl nach
den unternehmensinternen Fähigkeiten zur Bewältigung der operativen Teilpro
bleme als auch nach den marktseitigen Eintrittsrisiken und -problemen (im weitesten
Sinne). Sie kommt letztendlich zum Ausdruck in der internen Verzinsung des zu
investierenden Kapitals, die im Zuge der Vorbereitung der Eintrittsentscheidung
durch eine Investitionsrechnung zu bestimmmen ist.
2.4. Zur Verknüpfung von Einzel- und Gesamtperspektive: Unternehmensstrategie und Industrieökonomik
Wie kann nun eine Verknüpfung zwischen den zwar in beiden Fällen mit dem Markt
eintritt befaßten (und zudem selbst sehr weit verzweigten) Disziplinen erfolgen, die
mit einzel- und gesamtwirtschaftlicher Perspektive jedoch offenbar unterschiedliche
Blickrichtungen verfolgen32 ?
Ein die volkswirtschaftliche und die betriebswirtschaftliche Betrachtungsebene
verbindendes Grenzgebiet der Nationalökonomie stellt - wie einleitend schon erwähnt -
die Industrial Organization oder Industrieökonomik dar, die eine gewisse Affinität zum
Konzept der Unternehmensstrategie aufweist. Diese Ähnlichkeit manifestiert sich in
zwei Aspekten: Zum einen ergeben sich Parallelen in inhaltlicher Hinsicht, was die
Branche als einen, wenn nicht den relevanten Umweltausschnitt anlangt (1); zum
anderen wird in beiden Fällen der Unternehmenserfolg bzw. das Markt- oder Wett
bewerbsergebnis sowohl auf interne unternehmensbezogene Faktoren als auch auf
externe, d.h. umwelt- bzw. marktseitige Dimensionen zurückgeführt (2). Da im Ver
lauf dieser Untersuchung der Verquickung von Industrial Organization und Unter
nehmensstrategie für das Markteintrittsphänomen eine zentrale Bedeutung zu
kommen wird, seien die genannten Berührungspunkte der beiden Teildisziplinen hier
vorab näher beleuchtet.
32 Nämlich: Operatives und strategisches Management des Markteintrittes versus wohlfahrtsökonomische Marktzutrittsbedingungen.
30
Ad (1) Die Branche als inhaltlicher Berührungspunkt von Industrial Organization
und Strategischem Management
Für unternehmensstrategische Entscheidungen gilt im Grunde, daß sie ein Unter
nehmen in eine vorteilhafte Relation zu seiner Umwelt setzen sollen. Hier stellt sich
nun die Frage, wie die Umwelt inhaltlich konkreter gefaßt werden kann. Als strate
gisch relevante Umweltausschnitte werden häufig Bereiche wie die gesamtwirtschaft
liche Entwicklung (einschließlich der Konjunktur), die Branche, die Technologie, die
Konkurrenz, der Absatzmarkt, der Beschaffungsmarkt, der Kapitalmarkt und die
Gesetzgebung gesehen33• Diese Enumeration von Umweltsegmenten entbehrt nun
jedoch einer Systematik und Ordnung, durch welche die weniger bedeutsamen Teile
der Umwelt von den umnittelbar relevanten Teilen unterschieden werden können.
Eine solche Ordnung kann durch die Einteilung in generelle Umwelt und Aufgaben
umwelt hergestellt werden. Diese Umweltgliederung geht zurück auf die (empirische)
Organisationsforschung zum Einfluß der Unternehmensumwelt auf die Organisa
tionsstruktur und das Verhalten der Organisationsmitglieder: Als bedeutendste
Bestandteile der Aufgabenumwelt, d.h. als diejenigen Faktoren, die die Aufgaben
erfüllung bzw. Zielerreichung der untersuchten Unternehmen am stärksten tan
gieren, identifizierte Dill die Kunden, Lieferapten, Konkurrenten sowie regulative
Institutionen34• Ein weniger umnittelbarer Einfluß geht von der Makro-Umwelt aus:
Sie gibt die generellen Bedingungen oder Rahmenbedingungen an, die " ... für die
Leistungserstellung aller oder zumindest einer größeren Zahl von Unternehmungen
in einem geographischen RauI)1 von Bedeutung sind, ohne einen engen Bezug zu der
jeweiligen Unternehmensaufgabe zu besitzen ... ,,35. Als derartige Faktoren von all
gemeiner Bedeutung werden von Hall die technologischen, rechtlichen, ökonomi
schen, demographischen, ökologischen und kulturellen (Umwelt-)Bedingungen genannt36•
33 So z.B. bei GäIweiler (Unternehmensplanung), S. 333 ff.
34 Vgl. Dill (Autonomy), S. 424.
35 Kubicek & Thom (Umsystem), Sp. 3985. Ähnlich auch Osborn & Hunt (Environment) S.231 f.: ''The macro environment is the general cultural context of a specified geographical area and contains those forces recognized to have important influences on organizational charakteristics and outputs". Kubicek und Thom weisen an o.g. Stelle darauf hin, daß das Abgrenzungskriterium der Aufgaben- bzw. Zielorientierung nicht eindeutig zwischen relevanten und nicht relevanten Elementen der Umwelt diskriminiert. Dennoeb geht man bei der Trennung von aufgabenspezifischer (und somit strategiespezifischer) und genereller Umwelt davon aus, daß sich diese beiden Umweltbereiebe in ihrem Relevanzgrad für einzelne Unternehmen unterscheiden, auch wenn die Diebotomie "relevant/niebt relevant" problematisch ist.
36 Vgl. Hall (Organizations), S. 298 ff.
31
Diese Umweltklassifikation bleibt nun nicht auf die Organisationsforschung begrenzt,
sondern wird auch im Rahmen der strategischen Untemehmensplanung für die Syste
matisierung der Umweltanalyse herangezogen. Analog wird hier - z.B. bei Thomas37 -
zwischen genereller Umwelt und "operating (or business) environment" unter
schieden, wobei der generellen Umwelt die überformenden Hintergrundfaktoren im
nationalen oder globalen Kontext zugezählt werden. Als Konsequenz einer Umwelt
analyse, die unternehmensstrategisch und somit an der Heterogenität einzelner
Wettbewerber ausgerichtet ist, beginnt sich jedoch hier der gleiche indirekte Einfluß
der Makro-Umwelt38 auf eine Vielzahl von Unternehmen aufzulösen: "The influence
of these factors is no doubt indirect and abstract, but since there is no homogeneity
among companies, each firm experiences different effects. Thus every firm must
contend with those facets of each influence which are most relevant to it."39 Trotz
dieser einsetzenden Individualisierung der Einflüsse einer gemeinsam geteilten gene
rellen Umwelt bleibt andererseits jedoch die eigentlich spezifische, als "operating
environment" bezeichnete Umwelt bestehen, die sich aus den Interaktionspartnern
eines Unternehmens zusammensetzt und der Branche gleichkommt: "For all practical
purposes, the operating environment of an organization is considered to substantially
correspond to the sector or industry in which it functions.,,40
Sowohl in der Organistationsforschung wie auch in der Planungsliteratur wird somit
die Branche, die sich aus den Interaktions- bzw. Marktteilnehmern im weiteren Sinne
formiert, als der vorrangig bedeutsame Umweltausschnitt gesehen, dem bei der
Organisationsgestaltung bzw. Strategieformulierung Rechnung zu tragen ist41.
Ein Pendant zur betriebswirtschaftlichen aufgabenspezifischen Umwelt findet sich in
der nationalökonomischen und wettbewerbsrechtlichen Diskussion um die Abgren
zung des relevanten Marktes, insbesondere in sachlicher Hinsicht. Obwohl die Preis
theorie und die Wettbewerbstheorie hierzu einige Ansätze bereitstellen42, können
37 Vgl. Thomas (Environment al analysis).
38 Vgl. Hoffmann (Führungsorganisation), S. 99.
39 Thomas (Environmental analysis), S. 28.
40 Ebenda, S. 28.
41 Um auch die von Dill ermittelten Komponenten der Aufgabenumwelt unter der Branche subsumieren ZU können, sind jedoch die regulativen Institutionen dem generellen Umweltbereich zuzuordnen. Vgl. zu dieser Korrektur Hoffmann (Führungsorganisation), S. 100 f.
42 Günther (Relevanter Markt, S. 4 Cf.) teilt diese Ansätze in drei Gruppen ein: Eine Marktabgrenzung nach dem Kriterium der physisch-technischen Ähnlichkeit bzw. nach der Produktionsverwandschaft der Güter führt zur "industry" im Sinne Marshalls. Eine Abgrenzung nach den Substitutionsbeziehungen hingegen - wie Z.B. von Chamberlin und Triffin verfolgt - setzt nicht an der Produk· tionsverwandschaft an, sondern bei der Verwendung der Güter. Die dritte Gruppe - mit den Ver·
32
aufgrund der Individualität der Wettbewerbsprozesse allgemeine per se-Regeln nicht
angeboten werden43• Statt dessen ist die Bestimmung des relevanten Marktes
"speziellen fallbezogenen Marktstrukturuntersuchungen vorbehalten"44. Derartige
Marktstrukturanalysen sind - wenn auch nicht unbedingt vor wettbewerbsrechtlichem
Hintergrund - die Domäne des Industrial Organization, deren Anfänge als ein For
schungsgebiet in seiner heutigen Ausprägung nach Porter eben in der Kontroverse um die ökonomisch bedeutsamste Untersuchungsebene liegen45• In dieser Kontroverse ging
es zunächst um die Streitfrage, wovon das zu erklärende Marktverhalten von Groß
unternehmen, insbesondere deren Preis- und Produktionspolitik, überhaupt abhängt.
Die rein empirisch ausgerichteten Vorläufer der Industrial Organization analysierten
hierzu in ihren deskriptiven Untersuchungen die Geschichte und Entwicklung einzel
ner Firmen und Branchen, wobei praktisch jeder wichtige Aspekt beschrieben werden
konnte46• Damit lag die Betonung auf der Einzigartigkeit der beschriebenen Firmen,
Produkte und Wettbewerbssituationen und auf deren Einflußfaktoren, so daß gene
ralisierbare Schlußfolgerungen aus diesen Studien kaum gezogen werden konnten47•
Edward S. Mason, dem Begründer der Industrial Organization, schwebte hingegen
ein Bezugsrahmen von größerer Allgemeinheit vor, der seines Erachtens die Form einer
Klassifikation von Marktstrukturen annehmen mußte48• Er ging dabei von der Hypo
these aus, daß von Unternehmen unter ähnlichen Marktbedingungen die Verfolgung
ähnlicher Politiken und Praktiken erwartet werden kann und daß die beobachtbaren
Verhaltensunterschiede durch sorgfältige Studien empirisch auszumachender
Marktstrukturunterschiede weitgehend erklärt werden können49• Unter dem Einfluß
tretern Eucken und Schneider - zieht zur Marktabgrenzung nicht mehr die 'objektiven Marktgege· benheiten als solche" (Günther, S.6) heran, sondern die subjektiven Planlegungen bzw. individuellen Wirtschaftspläne und somit das subjektive Verhalten der Unternehmen. Ein Überblick über bestehende Ansätze zur sachlichen Abgrenzung des relevanten Marktes findet sich auch bei Backhaus (Abgrenzung), S. 3 ff. Zu einer Diskussion der subjektiven gegenüber der objektiven Marktabgrenzung vgl. beispielsweise Beckmann (Abgrenzung), S. 116 ff.
43 Vgl. Roppmann (Abgrenzung), S.25, und Aberle (Relevanter Markt), S. 318. Aberle spricht deshalb von einem "Dilemma der Wettbewerbspolitik" (S. 316).
44 So das Ergebnis der Beratungen des Wirtschaftspolitischen Ausschußes des Deutschen Bundestages zur Kartellnovelle von 1%5, zitiert nach Aberle (Relevanter Markt), S. 317; "fallbezogen" im Original fettgedruckt.
45 Vgl. Porter (Interbrand choice), S. 1.
46 Vgl. Ray & Morris (Industrial Economics), die als beispielhafte Faktoren anführen: " ... the lives of the dominant personalities, the organizational structure of the business involved, the history of the [ums' product development, their merger and takeover activity, investment, employment, research and advertising policy, and their financing etc." (Ebenda, S. 7 f.)
47 Vgl. Ray & Morris (Industrial Economics), S. 8.
48 Vgl. Mason (policies), S. 61. 49 Vgl. Mason (Policies), S.69. Als weiteren Einflußfaktor auf die Geschäftspolitik nennt Mason
(Policies, S. 66 f.) neben den Marktzwängen noch unternehmensinterne Gegebenheiten, da Unter-
33
von Chamberlins Theorie der monopolistischen Konkurrenz, welche die Aufmerk
samkeit von der Branche auf die einzelne Firma lenkte50, konzipierte Mason die
Marktstruktur als auf den einzelnen Anbieter oder Nachfrager bezogen und als alle
Elemente umfassend, die bei der Festlegung der Unternehmenspolitik in "Erwägung
gezogen werden. Die Klassifikation von Marktstrukturen führt dann zu einer Gruppierung von Firmen, die - ungeachtet ihrer Branchenzugehörigkeit - unter gleichen
oder ähnlichen Bedingungen operieren. Vergleichbare Marktsituationen werden
dabei im einzelnen spezifiziert durch die Produktmerkmale, Kosten- und Produk
tionsmerkmale von Unternehmen, durch die Anzahl und Größenverhältnisse der
Anbieter und Nachfrager, durch die Schwierigkeit des Marktzutrittes sowie durch die
Nachfragebedingungen und Vertriebskanäle51. Aus einer Reihe von Beispielen leitet
Mason her, daß die Preispolitik von Großunternehmen ferner offenbar von der
Reifephase der jeweiligen Branche und von der Möglichkeit von Marktanteils
gewinnen beeinflußt wird52. Aufgrund der Tatsache, daß diese Liste der Marktstruk
turelemente jedoch keineswegs abgeschlossen ist, zeigt sich Mason selbst skeptisch,
ob die umfangreichen Daten zur Organisation der Wirtschaft durch eine Klassifika
tion von Marktstukturen geordnet reduziert werden können53: "In consequence it
seems doubtful whether any useful generalizations can be made regarding the price
und production policies of large-scale enterprise without further specification as to the market situations which confront such firms.,,54
Diese Problematik aufgreifend wurde der firmenbezogene Marktstrukturansatz unter
Masons Schüler Joe S. Bain schließlich zum industriebezogenen Marktstrukturansatz
weiterentwickelt, um die von Mason aufgestellte Hypothese in branchenübergreifen
den Querschnittsuntersuchungen statistisch testen zu können:
"If, after all, the number of attributes of market structure is very large for any firm, statistical testing goes out the window. Nearly every industry or class of firms is then structurally unique in so me respect ... and cross-sectional testing becomes unproductive. Every individual firm or industry becomes a case automatically selfexplained by its singular total market structure or environment. In this event, the explanation of performances in terms of structures
nehmen seines Erachtens keine undifferenzierten gewinnmaximierenden Einheiten sind, die auf gegebene Marktsituationen ungeachtet ihrer internen Organistation reagieren.
50 Vgl. Hay & Morris (Industrial Economics), S. 9.
51 Vgl. Mason (Policies), S. 69.
52 Vgl. Mason (Policies), S. 70 - 72.
53 Vgl. Mason (Policies), S. 66.
54 Mason (Policies), S. 72.
34
becomes at best an heuristic exercise, industry by industry, with no generalizations really in sight."55
In diesem Marktstrukturkonzept56 bezeichnet ein Industriezweig bzw. eine Branche
eine Untergruppe von Anbietern, die in einer engen Subsitutionsbeziehung stehende
Güter an eine gemeinsame Abnehmergruppe vertreiben57.
Mit dem Übergang vom firmenbezogenen zum industriebezogenen Marktstruktur
ansatz nähert sich die Industrial Organization folglich der im Bereich des Strate
gischen Managements betonten Branche als vordringlich relevantem
Umweltauschnitt an. Diese inhaltliche Gemeinsamkeit der beiden Teildisziplinen hin
sichtlich der zutreffenden Analyseebene läßt sich mit den Gründen resumieren, die
Bain für die Beschäftigung mit der "Industrie" anführt: "The industry is the primary
foeus of competitve forces; it is its structure which primarily conditions enterprise
conduct and performance; it is the logical and convenient unit for study as we con
sider the conduct and performance of enterprise.,,58
Ad (2) Methodische Parallelen: Ein Vergleich des industrieäkonomischen und
unternehmens strategischen Paradigmas
Läßt sich also durchaus eine prinzipielle Übereinstimmung industrieökonomischer
und unternehmensstrategischer Analyseobjekte bzw. Themenbereiche konstatieren,
so setzt eine wechselseitige Befruchtung beider Disziplinen jedoch auch eine ver
gleichbare methodische Perspektive voraus. Die Frage lautet also, ob beide Bereiche
darin übereinstimmen, was durch die Umwelt bzw. durch die Branche erklärt werden
soll. Dieser Fragestellung wird hier durch den Vergleich des industrieökonomischen
und des unternehmensstrategischen Paradigmas nachgegangen. Hierzu werden die
beiden Ansätze an einem umfassenden Modell der Bestimmungs- bzw. Einflußfak
toren des Unternehmenserfolges gemessen. Als Referenzmodell dient uns hierbei das
55 Bain (Stability), S. 40.
56 Bain (Industrial Organization), S. 6, hält auch im industriebezogenen Ansatz an dem Terminus Mcu*tstruktur fest, der - obwohl etwas umfassender ausgelegt - in seiner Bedeutung der Industriestruktur ähnelt.
57 Vgl. Bain (Industrial Organization), S.6. Im Rahmen empirischer industrieökonomischer Untersuchungen wird die Industriedefinition und -abgrenzung in der Regel nach einem KlassifIkationssystem für industriestatistische Zwecke vorgenommen, z.B. nach dem amerikanischen System der Standard Industrial Classiflcation (SIe). Zu einer Darstellung und Diskussion der Probleme von KlassifIkationssystem vgL Needham (Analysis), S.22 - 28, Boyle (Industrial Organization), S. 3 f., Waterson (Theory), S. 2 f., und Kaufer (Industrieökonomik), S. 18 - 24.
58 Bain (Industrial Organization), S. 6 f.
35
in Abb. 2 wiedergegebene Einflußfaktorenkonzept von Bourgeois & Astley, das mit
den Komponenten Umwelt, Organisationsstruktur, Untemehmensstrategie und
Unternehmenserfolg mit den Erklärungsmodellen anderer Autoren weitgehend
übereinstimmt59.
59 Vgl. z.B. Lenz (Determinants) oder White & Hamermesh (Model), welche die genannten Faktoren in ihren Erklärungsansätzen mit Bourgeois & Astley teilen. White & Hamermesh (Model, S. 214 ff.) führen unter Bezugnahme auf das Konzept der strategischen Gruppen innerhalb einer Branche als zusätzliche Einflußgröße die Unternehmensposition in einem Markt ein. Lenz (Determinants, S. 134 ff.) betont in seinem interdisziplinären Literaturüberblick, daß verschiedentlich neben der Organisationsstruktur mit der Qualität des Managements eine weitere unternehmensinterne Größe als erfolgsmaßgeblich herausgestellt wird. Diese Richtung schlägt auch der noch komplexere "7-S framework" der Beratungsgeselleschaft McKinsey & Co .. ein. Im Rückblick auf die Entstehung dieses Ansatzes berichtet Peters (Skills, S. 114 ff.), daß der Anstoß dazu von der Erkenntnis ausging, daß weder die Unternehmensstrategie noch die Organisationssturktur noch beide zusammengenommen ausreichten, um (Erfolgs-)Unterschiede zwischen Unternehmen zu erklären. Ausgehend von diesen beiden "S" ("Strategy", "Structure") wurde über einige Zwischenschritte schließlich das heutige 7-S-Konzept entwickelt. Hierin werden die harten Faktoren "Strategy", "Structure" und "Systems" ergänzt um die sogenannten weichen Erfolgsvariablen: "Style", "Shared values", "Stafr' und "Skills". Entgegen dem klassischen Primat der Unternehmensstrategie rücken dabei insbesondere die "Skills", also die distinktiven Kompetenzen eines Unternehmens, und die "Shared Values" bzw. die Unternehmenskultur in den Vordergrund: "The driving variable in the model, which creates the pre-conditions for effective strategizing is, above all, skills. Strategy is the dependent variable, operable at a lower level in the business." Peters (Skills), S. 121. Für den hier vorzunehmenden Paradigmenvergleich genügt jedoch das enge Referenzmodell mit den klassischen Erfolgsdeterminanten. Denn unser Interesse ist auf die methodische Vergleichbarkeit des industrieökonomischen und des unternehmensstrategischen Konzeptes gerichtet, während der 7-S-Ansatz das Strategiemodell ja überhaupt in Frage stellt - ebenso wie das nur auf die harten Faktoren zurückgreifende Eintrittsbarrierenkonzept: "Die Wirtschaftswissenschaftler sprechen von 'Eintrittsbarrieren', die überwunden werden müssen, um in einer Branche als Wettbewerber auftreten zu können. Wie so häufig, verleitet das rationale Modell auch hier dazu, 'harte' und 'weiche' Elemente zu verwechseln. Die wichtigsten Eintrittsbarrieren stellen wir uns gewöhnlich aus Beton und Metall vor -der Investitionsaufwand für den Bau von Zusatzkapazitäten für das Zukunftsprodukt. Angesichts der Daten über die exzellenten Unternehmen sind wir jedoch zu dem Schluß gelangt, daß diese Vorstellung in der Regel völlig falsch ist. Die wirklichen Eintrittsbanieren silld 75 Jahre Illvestitioll bei IBM, damit Hunderttausende von MelIscI,eIl den S,ervice, die Qualität und die Lösung der Kunde11-probleme zu ihrem persönlicheIl Anliegen macllen, oder auch 150 Jahre Investition in Qualität bei P&G. Das sind die wahrhaft unüberwindlichen 'Eintrittsbarrieren', sie beruhen auf einer Bindung menschlichen Kapitals in unerschütterlichen Traditionen von Service, Zuverlässigkeit und Qualität." Peters & Waterman (Spitzenleistungen), S. 216. Vgl. auch Peters & Austin (Passion), S. 44.
36
~--------------------------------, , , , , , , , I \ r-I strate--'gie 1 '
.----- j" . ---------1111/// Organisations- ~ struktur
1 . / I 1 L ________________________________________ J
= Haupteffekt
= sekundärer Effekt
----------~ = schwächere Rückwirkung
Abb.2,: Einflußfaktoren und Wirkungszusammenhänge des Unternehmenserfolges
Quelle: nach Bourgeois & Astley (Stategic model), S. 44
(a) Einordnung der Industrieäkonomik in das ReJerenzmodell
Industrial Organization bezeichnet " ... die von der Theorie geleitete empirische
Forschung zur Organisation und Struktur der Industrie im weitesten Sinne.,,60 Die mit
diesem Erkenntnisziel vorgenommenen empirischen Untersuchungen unterscheiden
im allgemeinen zwischen Elementen der Marktstruktur, des Marktverhaltens und des
Marktergebnisses. Wie bereits erwähnt, versprach sich Mason von der Durchführung
einer Vielzahl von Fallstudien einzelner Industriezweige, zu einer Klassifikation von
Marktstrukturen und unternehmerischen Verhaltensweisen zu gelangen. Er ging
dabei von der Hypothese aus, daß das Marktergebnis eines Unternehmens weit
gehend durch die Struktur des Marktes, in dem es operiert, erklärt werden kann61.
60 Neumann (Industrial Organization), S. 645,
61 Vgl. Bain (Stability), S. 39.
37
Diese Hypothese, nach der die Marktstruktur das Marktverhalten und dieses
wiederum das Marktergebnis determiniert, ging in die Literatur als das traditionelle
oder deterministische Industrial Organization-Paradigma ein (vgl. Abb. 3). Da demzu
folge das Marktverhalten lediglich die Marktstruktur widerspiegelt, d.h. Unterneh
men ihre Verhaltensweisen bzw. ihre Geschäftspolitik der Marktstruktur anpassen,
wird aufgrund der lediglich prozeßerläuternden Bedeutung des Marktverhaltens
häufig direkt die Relation Marktstruktur-Marktergebnis betrachtet62.
Marktstruktur (strueturel
",.------------ ...... , / ,
I Marktverhalten ~ ----) (conduct bzw. ~
behaviorl
Marktergebnis (performance I
Abb.3: Das deterministische Industrial Organization-Paradigma
Quelle: In Anlehnung an Porter (Contributions), S. 611
Kritik erfuhr das traditionelle Paradigma aufgrund der einseitigen Kausalbeziehung
zwischen den betrachteten Variablenkategorien. So bemängeln die behaviori.stischen Vertreter der Industrieökonomik, daß die Marktstruktur nicht als unabhängige
Variable betrachtet werden kann, die exogen vorgegeben ist, sondern ihrerseits vom
Marktverhalten und Marktergebnis beeinflußt wird63. Es resultierte ein revidiertes
Industrial Organization-Paradigma, das (konzeptionell) entsprechende Interdepen
denzen beinhaltet64 (vgl. Abb. 4).
62 Vgl. Schreyögg (Unternehmensstrategie), S.52. Neben dieser Marktstruktur-Marktergebnis·Scltule macht McKie (Function, S. 3 f.) innerhalb der Industrieökonomik eine andere Strömung aus, die den Zusammenhang von Marktstruktur und Marktverltalten beleuchtet. Für einen Paradigmenvergleich sind jedoch diese Verkürzungen der untersuchten Zusammenhänge nicht von Bedeutung, da ein Paradigmenwechsel auf industrieökonomischer Seite hiermit nicht vorliegt. Hinsichtlich der Priorität, die verschiedene Autoren den Merkmalsgruppen Struktur, Verhalten und Ergebnis einräumen, sei hier nur auf die Zusammenstellung in Poeche (Competition), S. 17 ff., verwiesen.
63 Vgl. Phillips (Structure), S. 26 Cf.
64 Vgl. Scherer (Industrial), S. 1 - 7.
38
,..------ ------ .... / ,
r--------,..: ,,----------,
Marktstruktur ~ Marktverhalten ~ Marktergebnis f-- 'f--
Abb. 4: Das interdependente Industrial Organization-Paradigma
Quelle: In Anlehnung an Porter (Contributions), S. 616
In dieser industrieökonomischen Dreiteilung der Analyse des Marktgeschehens
bezeichnet die Marktstruktur die relativ stabilen Eigenschaften eines Marktes, die das
Marktverhalten von Unternehmen beeinflussen, umgekehrt aber von kurzfristigen
unternehmerischen Entscheidungen und Maßnahmen nicht tangiert werden65. Diese
Elemente der Markt- bzw. Branchenstruktur66 sind - wie bereits oben herausgestellt -
Bestandteil der relevanten Unternehmensumwelt (Aufgabenumwelt).
Das Marktverhalten ganzer Branchen bzw. einzelner darin angesiedelter Unterneh
men beschreibt die Firmenpolitik hinsichtlich zentraler Entscheidungsparameter wie
Preis, Produktionsmenge, Produktcharakteristika, Vertrieb sowie Forschung und
Entwicklung, wobei diese Politiken nicht nur die Kundenseite, sondern auch die
Konkurrenz in Rechnung stellen67• Da überdies insbesondere im neueren interde
pendenten Paradigma das Marktverhalten nicht mehr als bloße Anpassung an vorge
gebeneStrukturen gesehen wird, sondern prinzipiell auch die Möglichkeit der aktiven
Gestaltung und der Einflußnahme auf Marktstrukturen eingeräumt wird, können -
grob gesprochen - Marktverhalten und Unternehmensstrategie synonym verwendet werden68•
Die Marktergebniskategorie des Industrial Organization-Paradigmas stellt zwar letzt
lich auf gesamtwirtschaftliche Wohlfahrts aspekte ab und wird operationalisiert durch die Ergebnisnormen der allokativen und produktiven Effizienz (gemessen durch die
65 Vgl. Caves (Industry), S. 17, und McKie (Compass), S. 2.
66 Als wichtigste Dimensionen der Marktstruktur nennt Bain (Industrial Organization, S. 7), ein Vertreter der Marktstruktur-Marktergebnis-Schule, den Grad der Angebots- und Nachfragekonzentration, den Grad der Produktdifferenzierung sowie die Marktzutrittsbedingungen. Vgl. auch Grether (History), S.85. Während für den Zweck der Beurteilung und Vorhersage des Marktergebnisses anhand der Marktstruktur eine solche, relativ einfache Spezifizierung genügen mag, erfordert die Analyse des Marktverhaltens jedoch eine komplexere Beschreibung der Marktstruktur. Vgl. hierzu McKie (Function), S. 9 ff.
67 Vgl. Caves (Industry), S. 50 f.
68 So auch Porter (Contributions), S. 611.
39
Gewinnrate der Unternehmen), des technischen Fortschritts, der Vollbeschäftigung und der gerechten Einkommensverteilung69; jedoch ist es bezeichnend für die Industrieökonomik, daß das aggregierte Marktergebnis heruntergebrochen wird auf die
einzelne Unternehmung: "Since this economy-wide performance emerges mainly
from the independent actions of many private enterprises, we should also be aware
that how well the economy performs depends strongly on the perfonnance o[ the business finns.,,70
Bezogen auf das gewählte Referenzmodell (Abb. 2) berücksichtigt das Industrial
Organization-Paradigma somit das Beziehungsgefüge zwischen Umwelt, Unterneh
mensstrategie und Unternehmenserfolg. Lediglich Fragen der internen Organisation
eines Unternehmens haben sich darin nicht niedergeschlagen, obwohl von Mason als
für die Analyse der Geschäftspolitik einer Firma als bedeutungsvoll hervorgehoben71.
(b) Einordnung des Strategiekonzeptes in das Re[erenzmodell
Anders als im Falle der Industrieökonornik wird im Rahmen des Strategischen
Managements im allgemeinen nicht von dem herrschenden Paradigma gesprochen.
Es besteht hier deshalb die Notwendigkeit, zunächst eine solche Leitvorstellung zu identifizieren, die bei aller Verschiedenheit einzelner Strategiekonzepte dennoch als
allgemein anerkannt gelten kann. Einen Grundgedanken der Lehre von der Unter
nehmensstrategie, der den Stellenwert eines Paradigmas einzunehmen vermag, bildet
das "concept of fit". Dies zeigt sich an den von Venkatraman & Camillus herausge
schälten Fit-Perspektiven, die sich in den vielfältigen Strategieansätzen der verschie
densten Schulen wiederfinden 72: Nach deren Systematik ist die an den abzustimmen-
69 Vgl. Scherer (Industrial), S. 3 f., und Caves (Industry), S. 66 - 83.
70 Bain (Industrial Organization), S. 1.
71 Vgl. Mason (policies), S.66 f. Auch wenn sich die Qrganisationsstruktur nicht zu einer expliziten und eigenständigen Kategorie im Rahmen des Industrial Organization-Paradigmas herausgebildet hat, sind organisatorische Belange dennoch Gegenstand industrieökonomischer Forschung. Mit der vertikalen Integration und dem Transaktionskostenansatz werden beispielsweise Fragen der Organisationsform von Unternehmen aufgeworfen. Vgl. hierzu Williamson (Hierarchies). Zu einem Überblick über die Diskussion der geeignetsten Organisationsstruktur siehe Jacquemin (Industrieökonomik), S. 116 ff., sowie insbesondere zur Beziehung zwischen Organisationsform und Marktstrategien ebenda, S. 130 ff. Zum Beitrag des Transaktionskostenansatzes zum Strategischen Management siehe auch Teece (Economic analysis), S. 98 ff. Unter den "klassischen" Industrieökonomen befaßt sich Caves (Industrial Organization, S.64) mit der Unternehmensorganisation. Allerdings bezieht er sich in diesem Übersichtsartikel nicht auf die Industrial Organization, sondern berichtet für einen nationalökonomischen Leserkreis über Forschungsergebnisse zur Untern ehmensstrategie und aus dem Bereich der Organisationstheorie.
72 Vgl. Venkatraman & Camillus (Exploring), S. 515 ff.
40
den internen und/oder externen Elementen selbst interessierte inhaltliche Schule von
der prozessualen Schule zu unterscheiden73• Letztere fragt nach Wegen, wie die anzu
strebende Übereinstimmung bzw. der Abgleich interner und externer Elemente
erreicht werden kann (process of fit). Ähnlich sehen Miles & Snow den Fit einerseits
als Zustand, andererseits als Prozeß: "Fit is a process as well as astate - a dynamic search that seeks to align the organization with its environment and to arrange resour
ces internally in support of that alignment. In practical terms, the basic alignment mechanism is strategy, and the internal arrangements are organization structure and management processes."74 Die Inhalte betreffend, die es nach Miles & Snow abzu
stimmen gilt, sind die beiden Autoren der integrierten Formulierungs-/lmplementie
rungsschule zuzurechnen, deren Anliegen sowohl eine umweltadäquate Strategieformulierung wie eine strategiegerechte Organisationsgestaltung ist75. Denn nur wenn
ein minimaler Fit zwischen internen und auch externen Elementen vorliegt, ist das Überleben des Unternehmens gewährleistet. Bei Erzielung eines engen Fit hingegen
kann ein Unternehmen mit einem exzellenten Ergebnis aufwarten76.
Diese integrierte Schule deckt die Einflußfaktoren auf den Unternehmenserfolg, die
das herangezogene Referenzmodell von Bourgeois & Astley (Abb. 2) ausweist, voll
ständig ab und geht damit über die Industrieökonomik hinaus. Ein Erklärungsmuster, das mit dem der Industrial Organization übereinstimmt, ist hingegen im Falle der
StrategieJonnulierungsschule gegeben, nach der es gilt, Unternehmensstrategie und Umweltbedingungen in Einklang zu bringen77.
Bezüglich des methodischen Vergleichs der beiden Paradigmen bleibt festzuhalten,
daß der Fit-Gedanke sowohl in der Industrieökonomik als auch in den Ansätzen zur strategischen Unternehmensführung vorherrscht, wenngleich das "concept of strategy"
in der Ausprägung der integrierten Formulierungs-/lmplementierungsschule mit der
Einbeziehung unternehmensinterner Gestaltungsfragen und Gegebenheiten umfas
sender angelegt ist. In diesem Sinne kann abschließend mit Porter konstatiert wer-
73 Siehe auch den Überblick bei Bourgeois (Strategy), S. 28 ff.
72 Miles & Snow (Fit), S. 11.
75 Vgl. Venkatraman & Camillus (Exploring), S. 518.
76 Vgl. Miles & Snow (Fit), S. 16.
77 Vgl. Venkatraman & Camillus (Exploring), S. 515 ff. Etwas anders gelagert ist schließlich noch der Erklärungsansatz der sog. Strategieimplementienmgsschule, die dem Fit zwischen Strategie und Organisation Priorität in der Frage der Erfolgsbedingungen einräumt. Vgl. ebenda, S. 517 f.
41
den, daß die Industrieökonomik nicht für alle Problemfelder der Unternehmensstra
tegie einen Beitrag zu leisten vermag, " ... but it clearly helps with one.,,78
Ist also für den überlappenden Bereich mikroökonomischer und unternehmensstrate
gischer Themen mit der Industrieökonomik ein beide Disziplinen verbindendes
Paradigma ausgemacht, können nun die konkreten Problem/eIder identifiziert werden, welche die Strategieforschung zu klären hat, wenn sie das industrieökonomische Ein
trittsbarrierenkonzept zur Beurteilung der Marktzutrittsschwierigkeit heranzieht.
Ein erstes Problemfeld bilden die konträren Vorstellungen verschiedener nationalökonomischer Schulen über die Verwendung des Eintrittsbarrierenbegriffes. Im
Rahmen der vorliegenden Untersuchung ist es dabei angebracht, die Vielfalt der vertretenen Positionen auf die beiden zentralen Standpunkte zu reduzieren: Zum einen
werden - aus einer normativen Perspektive - nur bestimmte Eintrittshemmnisse als Eintrittsbarrieren anerkannt, während andere Vertreter - von einem deskriptiven
Standpunkt aus - alle Schwierigkeiten des Markteintrittes als Eintrittsbarrieren werten.
Ein zweites Problemfeld besteht im Zusammenhang mit dem ursprünglichen indu
strieökonomischen Determinismus, der zu einem strukturalistischen Eintrittsbarrie
renkonzept fÜhrte. Erst mit der Eliminierung dieses Strukturdeterminismus konnten strategische Eintrittsbarrierenmodelle entstehen, die nunmehr - auch unter dem Ein
fluß der Kritik an der Limitpreis-Theorie - anstelle der strukturellen Barrieren die
zutrittsbehindernden Verhaltensweisen bzw. Strategien etablierter Wettbewerber in
den Vordergrund rückten.
2.5. Die Problemfelder einer unternehmensstrategischen Eintrittsbarrierenanalyse vor dem Hintergrund der Industrieökonomik
2.5.1. Wohlfahrtsökonomischer versus handlungstheoretischer Eintrittsbarrieren
begriff
Trotz der aufgezeigten inhaltlichen und methodischen Parallelen zwischen der
Industrial Organization und dem Konzept der Unternehmensstrategie verbleiben
dennoch bedeutende Divergenzen, die der Realisation vorhandener Synergien lange
78 Porter (Contributions), S. 611.
42
Zeit entgegenwirkten79. Ein "Dilemma", das uns oben bereits in Form der eher
gegensätzlichen gesamtwirtschaftlichen und individuellen Einschätzung der Marktzu
trittsbedingungen zum EDV-Markt begegnete, besteht in den konträren unterneh
mensstrategischen und national- bzw. industrieökonomischen Zielvorstellungen. In
beiden Fällen betrifft die zentrale Frage zwar die Art und Intensität des Wett
bewerbs. Jedoch divergiert - wie von Jacquemin herausgestellt - die Zielrichtung die
ser Frage je nach Fragesteller: "Aus der Perspektive des Staates geht es darum festzu
stellen, ob die spontanen Wettbewerbskräfte, die den fraglichen Markt kennzeichnen,
zu einer effizienten Ressourcenallokation und zu einer gesellschaftlich akzeptablen
Verteilung führen oder nicht. Aus der Sicht des Unternehmens ist es hingegen wich
tig zu wissen, ob die tatsächliche oder potentielle relative Marktposition hinreichend
differenziert, beschützt, also 'unvollkommen' ist, um daraus einen angemessenen
Gewinn zu schlagen."SO So liegt es auf der einen Seite im Interesse einer einzelnen
Unternehmung, durch geeignete Strategien Markteintrittsbarrieren aufzubauen, um
sich dadurch gegenüber neuen Konkurrenten abzuschirmen, d.h. um letztendlich den
(potentiellen) Wettbewerb zu beschränken. Auf der anderen Seite beurteilt die Indu
strieökonomik das Marktergebnis und die dafür verantwortlichen Elemente der
Marktstruktur im Hinblick auf das gesamtwirtschaftliche Wohljahrtsoptimum81. Damit
besteht zwischen dem einzelwirtschaftlichen bzw. unternehmensstrategischen Stand
punkt und der industrieökonomischen bzw. normativen Perspektive offenbar ein
grundsätzlicher Interessengegensatz. Diese konträren Interessenlagen haben wie
derum Konsequenzen für den Eintrittsbarriereribegriff, was unten am divergierenden
Eintrittsbarrierenverständnis der Harvard und der Chicago School deutlich werden
wird82•
Zunächst ist aber die Gleichsetzung von Industrieökonomik und Wohlfahrtsperspek
tive keineswegs unstrittig. So weist z.B. Kaufer83 auf die Unterscheidung von positiver
79 Vgl. zu dieser Kluft zwischen der Industrieökonomik und dem Strategiekonzept sowie zu deren Überbrückung den programmatischen Aufsatz von Porter (Contributions), der den Beitrag der Industrial Organization zum Strategischen Management untersucht. Ein ähnliches Anliegen verfolgt auch Teece (Economic analysis). Zur Entwicklung und Annäherung der beiden Forschungsrichtungen vgl. ferner Porter (Evolution).
80 Jacquemin (Industrieökonomik), S. 10.
81 In diesem Sinne wirken - der neoklassischen Argumentation folgend - eher niedrige Eintrittsbarrieren wettbewerbs- und wohlfahrtssteigernd, da sie das Auftreten neuer Wettbewerber gestatten und disziplinierende Kräfte hervorrufen, welche bereits von nur drollenden Markteintritten ausgehen.
82 Die Harvard und die Chicago School widmen sich zwar beide der wohlfahrtsökonomischen Frage· stellung, jedoch vertritt die Harvard School hierbei eine Wettbewerbsdoktrin, die zu einem mehr einzelwirtschaftlichen Eintrittsbarrierenbegriff führt. Vgl. hierzu ausführlich Kap. 4, S. 199 ff.
83 Vgl. (Industrieökonomik), S. 8 - 10.
43
und normativer Industrial Organization hin und kritisiert eine unzutreffende Aus
legung von Mason und Bain: Bei diesen stehe " ... die Analyse industrieller Marktpro
zesse, nicht aber deren Charakterisierung in wettbewerblich oder nicht im Vorder
grund."84 Für die Anfänge der Industrieökonomik kann eine solche positive Akzen
tuierung jedenfalls bejaht werden, ging es doch um die Vermehrung des faktischen
WISsens über Branchen und Märkte85. In einer Würdigung des Einflußes von Bain auf
die Industrial Organization-Forschung stellt Shepherd allerdings heraus, daß dieser
neben den positiven Aspekten auch die normative Seite in die Industrieäkonomik
einbrachte86.
Primär untersucht Bain jedoch, wie etablierte Anbieter bestehende strukturelle Ein
trittsbarrieren mittels geeigneter Verhaltensweisen (Limit Pricing) dazu benutzen
können, den Markteintritt von Newcomern zu verhindern. Dies verbindet er nicht
jeweils mit der Frage nach etwaigen Wohlfahrtsverlusten oder Effizienzgewinnen.
Denn hinter seiner Eintrittsbarrierenkonzeption steht ein wohlfahrts- und wettbe
werbstheoretisches Leitbild, das Eintrittsbarrieren grnndsätzlich als antikompetitiv
erachtet87. Diese Sichtweise bringt es mit sich, daß Bain Eintrittsbarrieren nur noch
in deskriptiv-analytischem Sinne gebraucht. Er untersucht aus dem Blickwinkel
gewinrunaximierender Oligopolisten die Bedingungen, unter denen diese einen Preis
über dem Wettbewerbsniveau festsetzen können88 und somit eine über die Normal
verzinsung des investierten Kapitals hinausgehende Monopolrente erzielen können,
ohne dadurch neue Wettbewerber auf den Plan zu rufen. Hierin sehen Vertreter der
Harvard School, der auch Bain zuzuzählen ist, eine Ausübung von Marktmacht.
84 Kaufer (Industrieökonomik), S. 10.
85 Vgl. McKie (Function), S. 3.
86 Vgl. Shepherd (Influence), S. 12 f. Bain (Industrial Organization, S. 4) später selbst zum funktionsfähigen Wettbewerb: "Because of our ultimate interest in public policy this exploration is heavily oriented toward identifying those types of structure and conduct which are and are not likely to be associated with a socially satisfactory business performance. In currently popular terminology, we seek to identify the sorts of structure and conduct which are and are not conducive to workable competition."
87 Dieses Leitbild besteht in der Marktkonzentrationsdoktrin der Harvard School, nach der überdurchschnittliche Unternehmensgewinne auf die Kollusion unter Wettbewerbern zurückgeführt werden, die wiederum durch eine hohe Konzentrationsrate begünstigt wird. Dementsprechend lauten Bains wettbewerbspolitische Schlußfolgerungen: Da - seiner empirischen Untersuchung zufolge - Industriezweige, deren Eintrittsbarrieren als "hoch" klassifiziert wurden, im Durchschnitt signifikant höhere Gewinnraten (excess profit) und eine stärkere monopolistische Outputbegrenzung aufwiesen als Branchen mit mittleren oder niedrigen Eintrittsbarrieren, empfiehlt Bain hier wettbewerbspolitische Maßnahmen zur Reduzierung der Eintrittsbarrieren. Er verspricht sich hiervon eine Verbesserung des Marktergebnisses. Vgl. Bain (Barriers), S. 208 f. Diese Vorstellung, daß die Senkung von Eintrittsbarrieren zu besseren Marktergebnissen führt, ist Ansatzpunkt der weiter unten ausgeführten Kritik seitens der Chicago Schoo!.
88 D.h. über dem Gleichgewichtspreis bei atomistischer Konkurrenz.
44
Ganz anders hingegen die Argumentation der Chicago School, die berücksichtigt, daß
es ja durchaus wünschenswert sein kann, daß keine neuen Marktteilnehmer eintreten,
selbst wenn im Extremfall nur ein monopolistischer Anbieter existiert. Denn sofern
dieser den Markt bereits effizient versorgt, stellt sich die Frage nach dem Eintritt
neuer Wettbewerber und nach den Marktzutrittsbedingungen nicht. Und die Merk
male der Branchenstruktur, die die Harvard-Schule als Eintrittsbarrieren bezeichnet,
interpretiert man "in Chicago" als Kennzeichen ökonomischer Effizienz. Dement
sprechend führt die Chicago School überdurchschnittliche Gewinne nicht auf das
Vorliegen von Marktrnacht und auf eine -Beschränkung der potentiellen Konkurrenz
zurück, sondern auf überlegene Fähigkeiten im Wettbewerb. Für die Existenz von Ein
trittsbarrieren ist daher für Chicago-Vertreter - im Gegensatz zur Harvard-Schule -
nicht allein die Tatsache maßgeblich, daß neue Marktteilnehmer am Marktzugang
gehindert werden. Statt dessen soll und kann ihres Erachtens von Eintrittsbarrieren
nur dann gesprochen werden, wenn ejflZientere Newcomer ferngehalten werden. Inso
fern beurteilen Chicago-Vertreter Eintrittsbarrieren unter Effizienzaspekten aus
einem nonnativen Blickwinkel. Ob ein konkretes Eintrittshemmnis tatsächlich eine
Eintrittsbarriere darstellt, erschließt sich allein aus der Auswirkung auf die Konsu
mentenwohlfahrt. Diese kann sowohl positiv als auch negativ betroffen sein, wobei
Chicago-Vertreter nur im letztgenannten Fall die Existenz einer Marktzutritts
schranke anerkennen.
Bain und die Harvard-Schule nehmen mit der deskriptiven Analyse von Marktzutritts
hemmnissen folglich eher den einzelwirtschaJtlichen untemehmensstrategischen Stand
punkt ein, da die gesamtwirtschaftliche Beurteilung von Eintrittsbarrieren im Grundsatz bereits vorentschieden ist. Die Chicago-Schule gebraucht demgegenüber -
EjflZienz- und Wohlfahrtsaspekte in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen rückend -
einen nonnativen Eintrittsbarrierenbegriff.
Diese knappen Ausführungen zeigen bereits, daß der Beurteilung von Markteintritts
barrieren aus einzel- und gesamtwirtschaftlicher Perspektive unterschiedliche Nonnen
zugrunde liegen können. Damit kann bereits die Aussage getroffen werden, daß die
eingangs gegenübergestellten divergierenden Einschätzungen der Marktzutrittsbe
dingungen zum EDV-Markt89 offenbar auf unterschiedliche Beurteilungsmaßstäbe zurückzuführen sind. Aus diesem Grunde gilt es im weiteren, vor dem Hintergrund
der skizzierten nationalökonomischen Eintrittsbarrierenkontroverse einen strategie
relevanten bzw. -adäquaten Eintrittsbarrierenbegriff zu entfalten.
89 Vgl. oben, S. 22 f.
45
Als Ausblick auf den generellen Weg, der im Zuge der Übertragung industrieökono
mischer Ansätze und Erkenntnisse auf die Strategieforschung beschritten wurde,
kann uns die Darstellung der eingeschlagenen Vorgehensweise durch Teece dienen:
"The trick that has been used to apply this paradigm (gemeint ist das industrieöko
nomische Paradigma) to strategie analysis is to treat the normative theory of industrial
organization as a positive theory of strategie management. The principal focus becomes not one of how to select antitrust and regulatory policies to increase consumer
welfare by enhancing competition but rather how to increase profits (and, if
necessary, reduce consumer welfare) by containing or restrieting competition."9O
2.5.2. Strukturelle versus strategische Eintrittsbarrierenkonzeption
Aus dem vorstehenden Hinweis von Teece geht hervor, daß das größere Potential für
die Strategieforschung bzw. für das Strategiekonzept in der von Bain geprägten
handlungstheoretischen Eintrittsbarrierenkonzeption liegt. Allerdings wirft der auf
Bain zurückgehende Ansatz ein zweites Problemfeld für ein unternehmensstrategi
sches Eintrittsbarrierenverständnis auf. Denn im Sinne des deterministischen tradi
tionellen Industrial Organization-Paradigmas können Markteintrittsbarrieren, die ja
als Strukturelemente begriffen werden, nur als Determinanten des Marktverhaltens
etablierter Anbieter und neuer Wettbewerber gelten. Diese Vorstellung einer von
strukturellen und von exogen vorgegebenen Eintrittsbarrieren determinierten Ver
haltensweise deckt sich nun aber nicht mit dem Grundgedanken des Strategiekon
zeptes, das ja gerade auf der Idee des Handlungsspielraums und damit auf der Inde
terminiertheit von Unternehmensstrategien basiert91.
Wie bereits gezeigt, wich der strukturelle Determinismus im neueren Industrial
Organization-Paradigma einer Interdependenz von Marktstruktur und Marktverhal
ten. Das bedeutete zugleich, daß Marktstrukturen nicht mehr als exogene Größen zu
betrachten sind, sondern dem Einfluß der Wettbewerbsstrategien von Marktteilnehmern unterliegen.
90 Teece (Economic analysis), S.94; hinzugefügte Hervorhebung. Etwas schwächer räumt Porter (Contributions, S.612) ein, daß das Wissen über die Ursachen von Eintrittsbarrieren von Wettbewerbspolitikern dazu genutzt werden kann, um diese zu senken, während es Unternehmensstrategen dazu dienen kann, die Zutrittsschranken im Rahmen des wettbewerbsrechtlich Zulässigen heraufzusetzen.
91 Vgl. hierzu Schreyögg (Unternehmensstrategie), S. 7.
46
Für das Strategiekonzept ist es nun von Bedeutung, wie diese und andere Weiterent
wicklungen im Bereich der Industrieäkonomik das strukturalistische Eintrittsbarrie
renkonzept zu einem strategischen Ansatz erweiterten.
Diese theoretische Entwicklung zu einem strategischen Eintrittsbarrierenkonzept ist
weitgehend unabhängig von rier Kontroverse um den normativen oder deskriptiven
bzw. handlungstheoretischen Gebrauch des Eintrittsbarrierenbegriffes92• Es bietet
sich daher an, ausgehend vom strukturalistischen Konzept über ·die hieran geübte
Kritik zunächst ein (unternehmens-)strategisches Eintrittsbarrierenverständnis zu
entfalten, um dieses dann den "normativen Einwänden" der Chicago School auszu
setzen und deren Relevanz für unsere Fragestellung zu klären.
92
Harktstruktur Harktverha lten
Welche Elemente der Können Markteintritte Marktstruktur bzw. durch Abschreckungs-weiche strukturellen maßnahmen oder durch Wettbewerbsnachteile angedrohte Vergeltungs-potentieller Newcomer maßnahmen verhindert erschweren deren werden? Welche Tak-Markteintritt? tiken können dazu er-
griffen werden?
Sind alle Eintrittshemm- Gibt es überhaupt MaB-nisse, die die Konsumen- nahmen, die Newcomern tenwohlfahrt beeinträch- mehr schaden als dem tigen, auch Eintritts- Etablierten? Und ver-barrieren? Oder stellt schlechtern diese ggf. ein Teil davon nur ··na- zugleich das Markter-tilrliche" Marktschran- gebnis? Oder beeinträch-ken dar, die den Zustrom tigen sie nur die Wett-lediglich weniger effizien- bewerber, nicht aber den ter Newcomer verhindern? Wettbewerb?
Abb. 5: Die Problemf~lder der Diskussion eines unternehmensstrategischen Eintrittsbarrierenbegriffes
Gleichwohl war es die Kritik von Chicago-Vertretern (insbesondere von McGee) an der LimitpreisTheorie von Bain, Sylos-Labini und Modigliani, die den Anstoß zur Beschäftigung mit Abschreckungsmaßnahmen und Vergeltungsdrohungen als eintrittsverhindernde Strategien gab. Diese chronologische Entwicklung spiegelt sich auch bei Williamson wider, der die 60er Jahre als die Ära der Analyse von Konzentration und (strukturellen) Eintrittsbarrieren sieht, die 70er Jahre als die Periode der Effizienzanalyse und die 80er Jahre als die Epoche der Analyse strategischer V erhaltensweisen. Vgl. Williamson (Antitrust), S. 42 ff.
47
3. VOM STRUKTURALISTISCHEN ZUM STRATEGISCHEN EINTRITTSBARRIERENANSATZ
Der grundlegende Problemaufriß des vorstehenden Kapitels akzentuierte die betriebswirtschaftliche und die nationalökonomische Sichtweise des Markteintritts
phänomens allgemein sowie am Beispiel der EDV-Branche und präsentierte mit der
Industrial Organization sodann ein die beiden Disziplinen verbindendes Paradigma.
Die Ausführungen schlossen mit der Identifikation der zentralen Problernfelder, die
bei Integration des industrieökonomischen Eintrittsbarrierenansatzes in das Strate
giekonzept zu klären sind. Die Analyse der ersten beiden Problernfelder macht sich nun eine handlungstheore
tische Sichtweise zu eigen und hat aus diesem Blickwinkel zu präzisieren, wie Ein
trittsbarrieren in untemehmensstrategischem Kontext theoretisch zu handhaben sind.
Die Diskussion dieser theoretischen Fragestellung nimmt ihren Ausgangspunkt beim
strukturalistischen Eintrittsbarrierenkonzept. Hier werden zunächst diejenigen
Marktstrukturelemente beleuchtet, die nach Bain die Ursachen struktureller Ein
trittsbarrieren darstellen, nämlich die Betriebsgrößenersparnisse, die absoluten Kostenvorteile und die Produktdifferenzierungsvorteile etablierter Anbieter gegen
über potentiellen Newcomern. Im Anschluß daran wenden wir uns dem Limit
Pricing-Ansatz zu, der die Preispolitik beschreibt, mittels derer etablierte Unterneh
men ihre Wettbewerbsvorteile eintrittsverhindernd zur Geltung bringen können.
Eine strategierelevante Kritik an diesem Ansatz trägt sodann dazu bei, den weiteren
Gang der Untersuchung zu strukturieren: Als Kritikpunkte am strukturalistischen
Eintrittsbarrierenkonzept sind zum einen der Determinismusvorwurf und zum ande
ren der Einwand einer strategischen Heterogenität der Wettbewerber zu nennen.
Ausgehend von dem sehr engen und detenninistischen Limit Pricing auf der Basis des
Sylos-Postulates widmet sich Kapitel 3.2. dem breiteren und nichtdeterministischen
originären Konzept Bains, um zu prüfen, inwieweit dieses bereits unternehmensstrategische Aspekte berücksichtigt. In Kapitel 3.3. macht eine Kritik an der Limitpreis
Theorie Bains auf einen fehlenden Begründungsschritt aufmerksam. Dieses Defizit
beheben sodann die neueren industrieökonomischen Ansätze zu den strategischen
Verhaltensweisen von Unternehmen. Eine praktische Handlungsanleitung zur Verwer
tung der theoretischen Erkenntnisse und eine beispielhafte Fallstudie beschließen diesen Abschnitt.
48
In Kapitel 3.4. wird den Konsequenzen nachgegangen, welche die strategische Hetero
genität der Unternehmen einer Branche mit sich bringt, nämlich eine Verallgemeine
rung des Eintrittsbarrierenkonzeptes zur Theorie strategischer Gruppen. Hierin gibt
man die Vorstellung branchenweit einheitlicher Marktschranken auf. An deren Stelle
.treten Mobilitätsbarrieren, die nicht mehr eine Branche als ganze, sondern einzelne
strategische Gruppen vor dem Zutritt neuer Wettbewerber und vor dem Übertritt bereits bestehender Konkurrenten schützen.
Mit diesen beiden Entwicklungen - nämlich erstens von einem strukturalistischen zu
einem strategischen und zweitens von einem branchenweiten zu einem gruppenspezi
fischen Konzept - ist dann der Übergang zu einem unternehmensstrategisch zweck
mäßigen Eintrittsbarrierenansatz vollzogen.
3.1. Das strukturalistische Eintrittsbarrierenkonzept: Ausgangspunkt (handlungs-) theoretischer Überlegungen
Historisch gesehen wurde das Konzept der Eintrittsbarrieren von Joe S. Bainmit der
Pionierarbeit "Barriers to new competition" begründetl. Bezeichnend für die
Behandlung der "conditions of entry" bei Bain ist es, daß die Definition von Eintritts
barrieren an deren Wirkung festgemacht wird: Die Eintrittsbedingungen ergeben sich
aus den Vorteilen, die ein bereits etablierter Anbieter gegenüber einem potentiellen
Newcomer genießt und die es ihm gestatten, einen Preis über dem Wettbewerbs
niveau zu realisieren, ohne dadurch zugleich neue Wettbewerber anzuziehen2• Die
Höhe der Eintrittsbarrieren drückt sich also aus in der gerade noch erzielbaren eintrittsverhindernden Preisprämie.
Den eintrittssperrenden Effekt einer derartigen zutrittsbehindernden Preispolitik
erklärt die Limit Price-Theorie. Auch wenn sie aufgrund ihrer z.T. sehr restriktiven
Prämissen Anlaß zu Kritik bietet3, ist es daher unumgänglich, auf dieses Preisbegren-
1
2
3
Einige Vorüberlegungen hierzu finden sich in den früheren Aufsätzen (Conditions) und (Pricing).
VgI. Bain (Barriers), S. 3.
Gemeint ist hier das Limit Pricing auf der Basis des Sylos-Postulates.
49
zungsmodell einzugehen4. Voraussetzung für ein Limit Pricing ist jedoch die Existenz
struktureller Hindernisse für Newcomer. Nur wenn diese vorliegen, können durch eine
adäquate Preiskalkulation Marktzutritte verhindert werden. Wir wenden uns mit den
strukturellen Markteintrittsbarriertn also zunächst den Grundlagen für ein Limit
Pricing zu. Mit Bain können hier grundsätzlich folgende Ursachen von Zutrittsschran
ken unterschieden werden: Betriebsgrößenersparnisse, absolute Kostenvorteile und
Produktdifferenzierungsvorteile5.
3.1.1. Strukturelle Markteintrittsbarrieren
3.1.1.1. Betriebsgrößenvorteile
Betriebsgrößenersparnisse oder Skalenerträge liegen vor, wenn die Kurve der langfri
stigen Stückkosten eine negative Steigung aufweist. Diese langfristige Kostenfunktion
drückt die sukzessive Anpassung der kurzfristigen Stückkosten an ihr langfristiges
Minimum aus, die sich über die Wahl einer wirtschaftlicheren und kostengünstigeren
Produktionstechnologie vollzieht: Bei einer kurzfristigen Beschäftigungsvariation
bewegt sich eine Firma auf einer gegebenen Kostenfunktion, was dazu führen kann,
daß das Optimum verlassen wird und bei einer Ausweitung der Produktion die
Stückkosten steigen. Bei langfristig günstigen Absatzerwartungen kann die Anpas
sung an eine gestiegene Nachfrage durch eine Veränderung der Betriebsgröße an
Stelle einer Beschäftigungs- oder Auslastungsvariation erfolgen. Ist mit der Ausdeh
nung des Produktionsvolumens zugleich eine qualitative Änderung der Produktions
bedingungen verbunden, so operiert die Firma nunmehr auf einer günstigeren kurz
fristigen Stückkostenkurve. So gesehen geht man in der Kostentheorie von einer
4
5
Eine Notwendigkeit hierzu ergibt sich auch deshalb, weil bei der Hinterfragung des strukturali· stischen Eintrittsbarrierenkonzeptes auf die mit dem Sylos-Postulat getroffene Verhaltensannahme zurückzukommen sein wird. Vgl. unten, Kap. 3.2.1., insbesondere S. 85 ff.
Eine Begründung für gerade diese Unterscheidung bzw. Einteilung der strukturellen Quellen von Markteintrittsbarrieren gibt Bain nicht. Jedoch erscheint diese Ausdifferenzierung als hinreichend, da hiermit bereits alle Wettbewerbsnachteile potentieller Newcomer erfaßt werden können: Nachteile auf der Erlässeite gehen in die Produktdifferenzierungsbarriere ein, Nachteile auf der Koste11-seite in die Eintrittsbarriere aufgrund größenabhängiger oder absoluter Kostenvorteile etablierter Anbieter. Mit der letztgenannten Unterscheidung geht Bain bereits über das (mindest-)notwendige Maß an Differenzierung hinaus. Gegenüber den drei Kategorien von Bain unterscheidet Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 29 ff., sieben Quellen von Eintrittsbarrieren. Zusätzlich zu den von Bain genannten Ursachen führt er den Kapitalbedarf, die Umstellungskosten der Abnehmer, den Zugang zu Vertriebskanälen und die staatliche Politik an. Mit Ausnahme der Politik des Staates lassen sich jedoch alle diese Ouellen von Eintrittsbarrieren unter die drei Klassen Bains subsumieren.
50
Abfolge von u-förmigen kurzfristigen Kostenfunktionen aus, deren jeweiliges Mini
mum geringer als das vorausgegangene ausfällt. Diese Abfolge wird visualisiert durch
eine Umhüllungskurve, welche die langfristige Stückkostenfunktion darstellt6•
"Scale" oder Größe bezeichnet somit die Outputrate pro Zeiteinheit, wobei die Ein
satzfaktorenkombination eines Unternehmens als variabel unterstellt wird7. Dies ist
in einer langfristigen Betrachtung möglich8. "Economies of scale" liegen folglich vor,
wenn - in the long run - mit steigender Outputrate pro Zeiteinheit die Stückkosten
sinken9•
Vorteile aufgrund von Größendegressionseffekten ergeben sich für einen etablierten
Anbieter dann, wenn er im Vergleich zu einem Newcomer eine günstigere Position
auf der für beide identischen langfristigen Stückkostenkurve einnehmen kannlO. Dies ist dann der Fall, wenn die auf den Newcomer entfallende Restnachfrage von den
Etablierten so bemessen wird, daß dieser vor dem Dilemma steht, entweder mit einer
suboptimalen Betriebsgröße einzutreten und Kostennachteile in Kauf zu nehmen
oder aber - bei einer Angebotsausweitung um die mindesteffiziente Menge - sich der
6
7
8
9
Vgl. hierzu Viner (Cost curves), S.36, und ders. (Supplementary note), S.79, sowie Gutenberg (Produktion), S. 429 und S. 434.
VgI.Koch (Industrial Organization), S. 89.
Vgl. Gutenberg (produktion), S. 421, und Woll (Volkswirtschaftslehre), S. 128.
Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 29 f. Andere in der Literatur diskutierte Kostenverläufe sind konstante langfristige Stückkosten und "diseconomies of scale". Das Ansteigen der Stückkosten trotz oder gerade wegen zunelunender Größe wird häufig begründet mit der begrenzten Kapazität und Koordinationsfähigkeit des Managements [vgl. Kaldor (Firm), S.67, Robinson (Structure), S. 40 ff., und Needham (Analysis), S.36] und mit steigenden Kapitalkosten [vgl. den Hinweis bei Woll (Volkswirtschaftslehre), S. 129]. Gutenberg (produktion, S. 435 f.) erscheint es nicht gerechtfertigt, Betriebsgroßennachteile auf die Leistungsgrenzen des dispositiven Faktors, also der Geschäfts- und Betriebsleitung zurückzuführen. Größenordnungen, in denen dieser begrenzende Einfluß zur Geltung kommen könnte, erachtet er als praktisch nicht relevant. Ähnlich spricht sich Bain (Barriers, S. 20) ganz generell gegen "diseconomies of scaIe" aus und verweist auf die Möglichkeit, diese durch Duplizierung eines größenoptimalen Betriebs zu vermeiden (vgl. ebenda, S. 61). Nach Greer (Industrial Organization, S. 163) kommt den "diseconomies" weder theoretisch noch empirisch eine den Skalenerträgen vergleichbare Bedeutung zu. In Lehrbüchern wird zwischen dem degressiven und - sofern vorhanden - dem progressiven Stückkostenverlauf meist noch ein Bereich konstanter Betriebsgrößenersparnisse ausgewiesen. Vgl. z.B. Kaufer (Industrieökonomik), S. 68, oder Caves (Industry), S. 25. Diejenige Betriebsgröße, ab der die Skalenerträge nicht mehr weiter steigen, bildet die sogenannte mindesteffiziente Größe.
10 Zum Zweck der Analyse rein größenabhängiger Kostenunterschiede zwischen Etablierten und Newcomern geht man in einer ceteris paribus-Betrachtung davon aus, daß alle Unternehmen, bestehende wie neu auftretende, prinzipiell Zugang zu der jeweils günstigsten kurzfristigen Produktions- bzw. Kostenfunktion haben. Insofern bildet sich mit der Umhüllungskurve für jede Branche nur eine einzige langfristige Kosteukurve heraus, welche die Kostenminima aller aktuellen und potentiellen Anbieter repräsentiert. Diese Prämisse identischer Kostenfunktionen wird unten mit der Berücksichtigung absoluter Kostenunterschiede fallen gelassen.
51
Gefahr einer Vergeltungsmaßnahme durch die Etablierten auszusetzen, die seinen
Markteintritt ggf. unrentabel machtll. Entschließt er sich für die letztgenannte Alter
native, so ist diese Gefahr um so bedeutender, je höher die mindesteffiziente Größe
im Vergleich zum (bisherigen) Gesamtvolumen der Branche ausfällt12. Denn die
Etablierten hätten dann erhebliche Marktanteilseinbußen hinzunehmen, würden sie
den Marktzutritt billigen, um das Preisniveau konstant zu halten. Geben sie hingegen
die Preise frei, indem sie ihr Angebot nicht reduzieren, so wirken sich hohe min
desteffizienzbedingte Angebotsausweitungen durch neue Wettbewerber gravierender
auf das Sinken des Marktpreises aus als ein relativ unbedeutendes Zusatzangebot13.
Zieht ein Newcomer hingegen den Eintritt mit einer suboptimalen Betriebsgröße vor,
bemißt sich die Höhe seines Kostennachteils nach dem Ausmaß der Kostendegres
sion, das sich in der Steigung der Kostenfunktion widerspiege1t14.
Die genaue Wirkungsweise von Skalenerträgen als Eintrittsbarriere ergibt sich aus
der unten behandelten Limitpreis-Theorie. Zunächst stellt sich jedoch die Frage,
welche Faktoren überhaupt Kostendegressionseffekte hervorrufen und warum ein
Newcomer nicht auch bei einer geringeren als .der mindestoptimalen Größe zu kon
kurrenzfähigen Kosten eintreten kann. Für diese Frage sind in der Hauptsache zwei
Aspekte relevant: Nach Bain liegt die Erklärung für die Existenz von Degressions
effekten insbesondere in Spezialisiernngvorteilen, die mit zunehmender Größe reali
siert werden können, und in der unvollständigen Teilbarkeit spezialisierter Produktionsfaktoren 15.
Spezialisiernngseffekte können sich bei steigendem Produktionsvolumen sowohl im
Bereich der menschlichen Arbeit als auch bei Betriebsmitteln ergeben. So gestattet
eine Massenproduktion den Einsatz von Sondermaschinen, die als Einzweck
maschinen ihr Kostenoptimum bei einer höheren Stückzahl pro Zeiteinheit erreichen
als Universalmaschinen und die - im Kapazitätsoptimum betrieben - geringere Stück
kosten aufweisen. Bei Einproduktunternehmen ist folglich die Großbetriebsform
11 Vgl. Clarke (Industrial Economics), S.78, Caves (Industry), S.25, und Hay & Morris (Industrial Economics), S. 184.
12 VgI. Bain (Barriers), S.55, der in diesem Zusammenhang vom "percentage errect of scale economies" spricht.
13 Das Ausmaß des Preisverfalls hängt daneben auch von der Preiselastizität der Nachfrage ab. Eine besonders ungünstige Konstellation liegt somit bei einer hohen mindesteffizienten Betriebsgröße und einer gleichzeitig geringen Nachfrageelastizität vor. Vgl. hierzu ausführlicher Hay & Morris (Industrial Economics), S. 187 f., und Neumann (Volkswirtschaftslehre III), S. 177 f.
14 VgI. z.B. Greer (Industrial Organization), S. 304.
15 VgI. Bain (Barriers), S. 57. Andere Erklärungsmöglichkeiten lassen sich Bain zurnlge unter diese bei den Kategorien subsumieren.
52
wirtschaftlicher, da Kleinbetriebe auf weniger automatisierte bzw. rationelle Produk
tionsanlagen zurückgreifen müssen16 oder aber auf Mehrzweckmaschinen, die nicht
auf einzelne Bearbeitsvorgänge spezialisiert sind und sich ihre höhere produktions
technische Elastizität durch ein ungünstigeres Kostenniveau erkaufen müssen17.
Neben den Spezialisierungsvorteilen großer Betriebsmittel wird eine Reihe technolo
gisch bedingter Größenersparnisse unterschieden, die jedoch nicht mit der Speziali
sierung von Produktionsanlagen selbst einhergehen, sondern z.B. auf eine überlegene
Organisation der Fertigung zurückzuführen sind: Höhere Produktionskapazitäten
erlauben es beispielsweise, den innerbetrieblichen Materialfluß zu automatisieren18.
Ebenfalls unabhängig vom Spezialisierungsgrad der Betriebsmittel sind die "econo
mies of increased dimensions", die allein aus den Material- und Investitionsersparnis
sen bei größeren Produktionsanlagen resultieren: Da bei zylindrischen Behältern wie
Tanks oder Rohren die Kapazität (also das Volumen) im Verhältnis 3:2 schneller
ansteigt als der Umfang, stellen sich in diesen Fällen - relativ gesehen - Ersparnisse
bei den Investitionskosten ein. Diese können durch die sog. "2/3-Regel" abgeschätzt
werden, die für viele Investitionsgüter Gültigkeit besitzt19. Als weiteren Grund für
das Auftreten von Skalenerträgen führt Robinson die Ersparnisse massierter Reser
ven an20, die von Vorteilen größerer Unternehmen in der Ersatzteile- und Halbzeug
bevorratung herrühren: Ein Betrieb mit mehreren identischen Produktions anlagen wird im Verhältnis zur jeweils vorhandenen Kapazität nur weniger Ersatzteile bereit
halten müssen als ein Unternehmen mit nur einer Anlage, da ein bestimmter
Schaden an mehreren Maschinen nach der Wahrscheinlichkeitstheorie nicht gleich
zeitig auftreten wird21• Des weiteren wird ein Produktionsprozeß, der sich aus Teil
prozessen mit unterschiedlichen Kapazitätsoptima zusammensetzt, nur dann mit den geringstmöglichen Stückkosten betrieben, wenn er nach dem Prinzip des kleinsten
gemeinsamen Vielfachen dimensioniert ist22.
Derartige Skalenprinzipien wertet Bain als interessante technologische Details, wäh
rend das Basisprinzip seines Erachtens in der Spezialisierung zu sehen ist23•
16 Vgl. Machlup (Wettbewerb), S. 317.
17 Vgl. Gutenberg (Produktion), S. 83.
18 Vgl. Penrose (Growth), S. 90, und Pratten (Scale), S. 13.
19 Vgl. hierzu Scherer (Industrial), S. 82 f., und Kaufer (Industrieökonomik), S. 66 f.
20 V gl. Robinson (Structure), S. 26 f.
21 Vgl. Greer (Industrial Organization), S. 163, sowie PraUen, Dean & Silberston (Large-scaIe), S. 18. Bei einer Vervielfachung der Produktionsanlagen bleibt zwar der Erwartungswert der Maschinenschäden konstant, jedoch verringert sich die Varianz der Schäden je Kapazitätseinheit. Vgl. hierzu Kaufer (Industrieökonomik), S. 67, und Needham (Analysis), S. 34 f.
22 Vgl. Florence (Logic), S. 61.
23 Vgl. Bain (Barriers), S. 57.
53
Neben der bereits oben diskutierten fertigungstechnischen Spezialisierung der
Betriebsmittel auf einzelne Bearbeitungsfunktionen und Werkstücke können Spezia
lisierungseffekte auch im Bereich menschlicher Arbeit durch Artenteilung verwirklicht
werden. Höhere Produktionsvolumina gestatten eine stärkere artmäßige Auf teilung
einer Gesamtaufgabe, so daß mit zunehmender Aufgabenspezialisierung die Zahl der
pro Person ausgeführten unterschiedlichen Arbeitsgänge sinkt. Diese Zerlegung in weniger komplexe Teilprozesse bedeutet eine Effizienzsteigerung, die u.a. mit Lernkurveneffekten erklärt wird24• Lern- und Übungseffekte werden zwar häufig zu den
Ursachen von Betriebsgrößenersparnissen gezählt25, jedoch geben Porter und auch
Kaufer zu bedenken, daß diese analytisch nicht mit Betriebsgrößenersparnissen
gleichzusetzen sind: Lemeffekte führen zwar zu einer Kostendegression, jedoch hän
gen Ausmaß und Geschwindigkeit des Lernens nicht primär von der Betriebsgröße
ab, d.h. von der Ausbringungsmenge je Zeiteinheit, sondern von dem über die Zeit
kumulierten Gesamtausstoß26. Koch verweist in diesem Zusammenhang darauf, daß
die kumulierte Menge bei der Betrachtung von Kostenverläufen durch ceteris
paribus-Annahmen neutralisiert wird. Denn Kostensenkungen aufgrund von Lern
effekten münden in eine neue langfristige Kostenfunktion anstatt dem Verlauf der
bisherigen Kostenkurve zu folgen27. Insofern entsprechen Übungseffekte einem
technischen Fortschritt, den man bei der Analyse von Skalenerträgen ausklammert, wenn man allein die rein größenbedingten Ersparnisse identifizieren will.
Eine zur Erklärung von Betriebsgrößenersparnissen häufig vorgenommene Eintei
lung trennt "echte" (real economies) von "pekuniären" Größenvorteilen (financial
economies)28. Die aufgrund der Unternehmensgröße realisierbaren Spezialisierungs
effekte werden den echten Ersparnissen zugerechnet, da sie zu einer Effizienzstei
gerung und damit besseren RessourcenalIo1,<:ation beitragen29• Rein pekuniäre
24 Zu weiteren Erklärungsfaktoren für Produktivitätssteigerungen durch Aufgabenspezialisierung bzw. Artenteilung vgI. Pfeiffer, Dörrie & Stoll (Menschliche Arbeit), S. 65 f.
25 So z.B. bei Pratten, Dean & Silberston (Large-scaIe), S. 18, bei Scherer (Industrial), S. 82, und bei Bühner (High-Tech), S. 96.
26 VgI. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 35 f., und Kaufer (Industrieökonomik), S.6O. Spence konstatiert mit Blick auf die Markteintrittsbarrieren: "The learning curve can create substantial barriers to entry, similar in effect to ordinary economies of scale in the static sense." Spence (Learning), S. 62. Zu einem Simulationsmodell für die Höhe der Eintrittsbarrieren in Abhängigkeit vom Ausmaß des Lern- und Erfahrungskurveneffektes sowie dessen Diffusion zwischen Wettbewerbern vgI. Lieberman (Learning), S. 445 ff.
27 VgI. Koch (IndustriaI Organization), S. 96.
28 VgI. z.B. Koutsoyiannis (Microeconomics), S. 126. Zu einem instruktiven KlassifIkationsschema, das auf dieser Unterscheidung aufbaut, vgI. ebenda, Abb. 4.35, S. 127.
29 VgI. Koch (IndustriaI Organization), S. 92 ff.
54
Größenvorteile hängen hingegen nicht mit gesamtwirtschaftlichen Ersparnissen auf
grund von Spezialisierung oder Arbeitsteilung zusammen. Sie basieren auf der
größenbedingten Verhandlungsmacht eines Unternehmens und führen zu einer
Umverteilung der Unternehmensgewinne zwischen den an der Wertschöpfung betei
ligten Firmen3O. Im Hinblick auf die Wirkungsweise von Skalenerträgen als Eintritts
barriere ist es für Bain jedoch unerheblich, zwischen echten und pekuniären Größen
ersparnissen zu differenzieren: " ... from the standpoint of appraising the effect of
scale economies on entry, all economies which result in systematic money savings are
on a single footing."31
Ebenfalls größenabhängige Kostenvorteile, aber nicht "ecomomies of scale" im
eigentlichen Sinn, ergeben sich bei Fixkosten, die auf ein hohes Absatzvolumen
umgelegt werden können und somit zu einer geringeren Stückkostenbelastung führen
als bei kleineren Unternehmen mit einem vergleichbaren Fixkostenblock32. Analy
tisch gesehen liegt der Unterschied darin, daß Ersparnisse aus der Verteilung fixer
Kosten ein kurzfristiges Phänomen darstellen, während Skalenerträge langfristiger
Natur sind und von der Anpassung der Betriebsgröße bzw. Einsatzfaktorenkombina
tion an das langfristige Optimum abhängen33.
Mit der Verteilung vergleichbarer Fixkosten auf eine unterschiedliche Ausbringungs
menge ist ein weiterer zentraler Punkt angesprochen, der erklärt, warum neu eintre
tende Unternehmen nicht von Anfang an - also bereits mit einer geringeren als der
mindesteffizienten Betriebsgröße - zu gleichen Kosten in Konkurrenz zu den
Etablierten treten können: Der Realisierung von Degressionseffekten auch bei
anfänglich geringen Stückzahlen (pro Zeiteinheit) stehen hier Unteilbarkeiten in der
Produktion und in anderen Funktionsbereichen entgegen. Dies meint, daß die
günstigste, eine "Mindesteffizienz" versprechende Produktionstechnologie oder Ein
satzfaktorenkombination nicht in beliebig kleine Teile aufgespalten werden kann, um
so auch in Form relativ geringer Kapazitäten verwirklicht zu werden. Ohne diese
Restriktion einer begrenzten Teilbarkeit wären die Produktionsfaktoren in allen
30 VgI. Koch (Industrial Organization), S. 98 f.
31 Bain (Barriers), S. 57.
32 In diesem Zusammenhang wird auch von "unechten" Betriebsgrößenersparnissen gesprochen.
33 VgI. Viner (Kostenkurven), S. W7, und Machlup (Wettbewerb), S. 318. Jacob (Preisbildung, S.4) beschreibt in diesem Sinne Betriebsgrößenersparnisse treffend als Kostendegression durch Verfahrenswechsel. Porter (Wettbewerbsvorteile), S.103, verdeutlicht das Wesen von Skalenerträgen i.e.S. am Beispiel der Kapazitätsauslastung: "Eine steigende Kapazitätsauslastung verteilt die Fixkosten für bestehende Anlagen und Personal auf ein größeres Volumen, 'während die größenbedingte Kostendegression bedeutet, daß die bei voller Kapazitätsauslastung durchgeführte Aktivität in einem größeren Betrieb (im Original: at large scale) rationeller ist."
55
Größen zu gleichen Kosten im Verhältnis zur Kapazität verfügbar, so daß sich die
langfristigen Stückkosten nicht degressiv entwickelten, sondern konstant verliefen34•
Insofern bilden Unteilbarkeiten die conditio sine qua non für Betriebsgrößen
ersparnisse35.
Beispiele für größenunabhängige Kosten bzw. Wertaktivitäten, die nicht entspre
chend der Betriebsgröße dimensioniert werden können, sondern partiell oder ganz
unteilbar und somit in bezug auf die Ausbringungsmenge fix sind, enthält Abb. 6.36
3.1.1.2. Absolute Kostenvorteile
Im oben dargelegten Fall größenbedingter Kostenunterschiede stand allen, auch den
potentiellen Anbietern, der Zugang zur günstigsten Faktorkombination prinzipiell
offen. Unter dieser Prämisse waren bei rationaler Verfahrensauswahl nur die Mini
malkostenkombinationen relevant, die durch die für alle Anbieter identische langfri
stige Kostenfunktion repräsentiert werden. Restriktionen für das tatsächliche Er
reichen einer kost~noptimalen bzw. mindesteffizienten Betriebsgröße gingen nur von
der Nachfrageseite und nicht von der Angebotsseite aus, wobei jedoch die marktsei
tige Behinderung von den etablierten Konkurrenten durch ihr eigenes Angebotsver
halten (Limit Pricing) gesteuert werden kann.
34
35
36
Vgl. Machlup (Wettbewerb), S. 316.
Vgl. hierzu die Beweisführung bei Neumann (Volkswirtschaftslehre 11), S. 55 ff. Nach Chamberlin (Proportionality, S. 232 ff.) widerspricht jedoch die Bedingung einer begrenzten Teilbarkeit der die Skalenerträge verkörpernden Umhüllungskurve, die sich ergibt, wenn die kurzfristigen Kostenkurven so zahlreich sind und so dicht aufeinander folgen, daß die Faktorkombinationen als kontinuierlich variabel gelten können: "Under the assumption of continuity, even a small movement along the AC curve involves a change in the plant as well as in the variable factors used with it - in other words, all factors, as well as their proportions to each other, are continuously variable." Chamberlin (Proportionality), S. 234. Betriebsgrößenersparnisse würden nach Chamberlin (Proportionality, S.234, Fußnote 6) also nur dann von der perfekten Teilbarkeit eliminiert, wenn die Umhüllungskurve eine horizontale Gerade darstellte, d.h. wenn alle kurzfristigen Kostenfunktionen das gleiche Minimum aufwiesen. Dies wäre eben dann der Fall, wenn die "beste Technologie" in allen Größen erhältlich wäre, wenn also eine Teilbarkeit ohne Effizienzverluste möglich wäre. Diese Argumentation lehnt Chamberlin unter Bezugnahme auf Stigler als tautologisch ab: "It is tautological that economies of scale rest on indivisibilities, for an indivisible productive service is defined as one which is not equally efficient in all sizes (measured in terms of output)." Stigler (Theory), S. 202, zitiert nach Chamberlin (Proportionality), S.237. Gutenberg (Produktion, S. 430 f.) resümiert zu dieser Kontroverse, daß die Unteilbarkeit allein nicht ausreicht, um Größenersparnisse ZU erklären, daß jedoch " ... die Gruppe der Theoretiker, die die 'Unteilbarkeit' der produktiven Faktoren in den Vordergrund rückt, das Schwergewicht mehr auf die Erklärung der Frage (legt), warum die Betriebe nicht von allem Anfang an die günstigsten Produktionsbedingungen realisieren". Gutenberg (Produktion), S. 43l.
Siehe S. 56. Vgl. hierzu auch WeHs (Synergy), S. 176 ff.
56
Type of cost:
Initial development and design costs. First copy costs of books, newspapers etc. Inventing new techniques.
Obtaining tenders and studying sources of .supply. Items of capital equipment e.g. gauges in units of chemical plant, presses used for stampingmetal parts ar.d cranes. Office records for a batch of a product. The senior management personnel at a plant. Calls by salesmen on customers.
Preparation of advertisements.
Issuing a prospectus in connection with raising capital by an issue of shares or debentures.
Partly or wholly indivisible with respect to:
The output of a product. The number of copies produced.
The output produced by using the techniques. The size of orders placed.
The total output for which equipment is required.
The size of the bateh.
The output of the plant.
The number of lines carried by salesmen. The area of the country in which the advertisements are shown. The size of the issue.
Abb. 6: Beispiele für un- oder unvollständig teilbare Kosten bzw. Wertaktivitäten
Quelle: Pratten (Scale ), S. 11
Im Fall absoluter Eintrittsbarrieren ist es nun nicht der Verlauf der Umhüllungskurve
selbst, der den Etablierten gegebenenfalls einen Kostenvorteil gewährt, sondern das
Auftreten größenunabhängiger Kostenunterschiede: Ein absoluter Vorteil liegt vor,
wenn die zu erwartenden Stückkosten eines potentiellen Newcomers generell höher
sind als die eines etablierten Anbieters, d.h. wenn die Kurve der durchschnittlichen
Stückkosten eines neu eintretenden Unternehmens in jedem Punkt bzw. bei jeder
Outputrate über der eines etablierten Herstellers liegt37. Dieses Auseinanderklaffen
der beiden Kostenfunktionen kann im Extremfall dazu führen, daß die auf den New
comer entfallende (Rest-)Nachfragefunktion immer unterhalb seiner Kosten- bzw.
37 Vgl. Bain (Barriers), S. 144. Die Kostenfunktion eines Newcomers mit einem größenunabhängigen Nachteil tangiert also die Umhüllungskurve nicht. Zu einer graphischen Darstellung der Stückkostenkurven bei Vorliegen absoluter Kostenunterschiede vgl. Caves (Industry), S. 27, oder Clarke (Industrial Economics), S. 74.
57
Angebotskurve verläuft38. Ein Newcomer befände sich somit bei jeder von ihm
gewählten Ausbringungsmenge in der Verlustzone.
Die Existenz absoluter Kostendifferenzen wird von Industrieökonomen auf Unter
schiede in den Produktionsverfahren und bei den Faktorpreisen zurückgeführt. Kon
trollieren Etablierte überlegene Produktionstechniken durch Patente und/oder durch
Geheimhaltung von Know how, so sind potentielle Newcomer gezwungen, weniger
kostengünstige Verfahrensweisen einzusetzen oder Lizenzgebühren an die Patent
inhaber zu entrichten. Unvollkommenheiten auf den Faktormärkten können zu
Preisnachteilen für neue Anbieter führen, die dann ihren Personal- und Ressourcen
bedarf nicht zu vergleibar günstigen Konditionen decken können39. Wenn nämlich
angestammte Unternehmen wichtige Einsatzmaterialien oder Rohstoffe besitzen
bzw. kontrollieren, müssen Newcomer ggf. für den Zugang hierzu eine Preisprämie
an die Etablierten bezahlen oder auf geringerwertige Einsatzstoffe zurückgreifen.
Neben den Faktormärkten kann (und wird) auch der Kapitalmarkt so beschaffen
sein, daß Newcomer ihren Kapitalbedarf für die Errichtung einer mindesteffizienten
Betriebseinheit nicht oder nur zu höheren Zinsen decken können4O• Diese Finanzierungskostennachteile neuer bzw. neu in den Markt eintretender Unternehmen wird
z.T. mit Kapitalmarktunvollkommenheiten in Verbindung gebracht. Vollkommene oder perfekte Kapitalmärkte sind durch folgende Eigenschaften
gekennzeichnet41: Informationen sind vollständig, kostenlos und gleichzeitig für alle Marktteilnehmer verfügbar; von diesen ist kein einzelnes Unternehmen groß genug,
um die Preise bzw. Zinssätze beeinflussen zu können. Außerdem sind perfekte
Kapitalmärkte durch ein Fehlen von Friktionen (wie etwa Transaktionskosten und Steuern) geprägt. Wichtigstes Merkmal der Marktvollkommenheit ist jedoch die
Bedingung, daß alle Teilnehmer Kapital zu den gleichen Konditionen anbieten oder
38 vgI. Greer (Industrial Organization), S. 155 f.
39 Vgl. Bain (Barriers), S. 144. Im Gegensatz hierzu führt Porter (Wettbewerbsstrategie, S. 34 f.) Faktorpreisvorteile nicht auf Marktunvollkommenheiten zurück, sondern auf eine flÜhzeitige Bedarfsdeckung bzw. Standortwahl. Diesen Fall eines nachfragebedingten Faktorpreisanstiegs hält Bain (Barriers, S. 144 f., Fußnote 2) für praktisch wenig bedeutsam. Verschiedentlich werden Preisvorteile im Zusammenhang mit absoluten Kostenunterschieden auch mit Mengenrabatten erklärt, so z.B. bei Clarke (Industrial Economics), S.75. Hiermit sind jedoch zugleich (pekuniäre) Betriebsgrößenersparnisse angesprochen.
40 VgI. Bain (Industrial Organization), S. 261. 41 VgI. Haley & Schall (Financial decisions), S. 15, sowie Copeland & Weston (Financial theory),
S.197.
58
nachfragen können42. Dies ist jedoch nur unter vollkommener Voraussicht bzw. unter
Sicherheit der Fall. Nur dann enthält nämlich der Zinssatz keinen Risikozuschlag43.
Andernfalls, d.h. unter Unsicherheit, wird der Newcomer hinsichtlich der Kapital
kosten systematisch im Nachteil sein, da er mit keiner "Geschichte dauerhaften
Erfolgs,,44 aufwarten kann und der Markteintritt von den' Kapitalgebern als ein ver
gleichsweise riskantes Vorhaben interpretiert werden wird. Diese inhärente Benach
teiligung ist jedoch nach Koch nicht die Folge einer Kapitalmarktunvollkommenheit:
"Properly understood, an imperfect capital market means that afully qualijied borrower cannot obtain (or must pay higher prices for) the capital he wants. Capital markets are not called imperfect because they discriminate against unqualified borrowers, who presumably bring with them increased risk of default or failure.,,45
In gleicher Weise wertet auch Greer46 Risikozuschläge für Kleinunternehmen zwar
als Kapitalkostennachteile, nicht jedoch als Zeichen einer Marktunvollkommen
heit47. Diese liegt nach Fisher et al. bei unterschiedlichen Kreditzinsen nur dann vor,
wenn die Kapitalgeber nicht in der Lage sind, das Risiko der Newcomer - relativ zu
dem der Etablierten - richtig einzuschätzen48.
42 Vgl. Haley & Schall (Financial decisions), S. lS. Im Unterschied zur Vollkommenheit des Kapitalmarktes liegt KapitalmarktejJizienz bereits dann vor, wenn die Preise nur alle verfügbaren relevanten Informationen widerspiegeln bzw. beinhalten, so daß sie verläßliche Signale für die Kapitalallokation darstellen. Vgl. hierzu Copeland & Weston (Financial theory), S. 197 f.
43
44
45
46
Vgl. Haley & Schall (Financial decisions), S.lS.
Vgl. Stigler (Price), S. 223.
Koch (Industrial Organization), S. 111. Koch unterstellt hier offenbar, daß nur "unqualifIZierte" Newcomer vom Kapitalmarkt diskriminiert werden. Caves (Industry, S. 28) räumt hingegen ein, daß auch ein bestehendes branchenfremdes Großunternehmen höhere Finanzierungskosten für seine Diversiftkationsprojekte zu tragen haben kann als ein branchenzugehöriges Unternehmen für seine Expansionsvorhaben.
Vgl. Greer (Industrial Organization), S. 170.
47 Als empirisch nachgewiesenen Fall von Kostenachteilen aufgrund von Kapitalmarktunvollkommenheiten führt Greer (Industrial Organization), S. 170 f., vielmehr die Preis- bzw. Zinsdiskriminierung zwischen kleineren regionalen und großen überregionalen Firmen an. So hätten zahlreiche Querschnittsstudien belegt, daß die Kreditzinsen mit der lokalen Konzentrationsrate der Banken steigen. Hiervon seien aber nur die Kredite an kleinere Geschäftskunden betroffen, nicht jedoch größere überregionale Unternehmen, gegenüber denen die Banken ihre lokale Marktmacht nicht ausspielen können. Mit Stigler (Industry), S. 70, könnte hier jedoch eingewandt werden, daß nicht nur Newcomer, sondern auch kleinere etablierte Anbieter von dieser Preisdikriminierung betroffen sind und somit kein systematischer Unterschied zwischen bestehenden und neu eintretenden Unternehmen vorliegt: "Since existing fums also have to meet these requirements, they are not a barrier in our terminology."
48 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 179.
59
Als weitere Erklärungsfaktoren für Kapitalkostennachteile neuer Anbieter werden -
neben Risikozuschlägen und neben der Kapitalmarktunvollkommenheit - relativ
höhere Transaktionskosten bei der Kapitalbeschaffung genannt: Da die Transaktions
kosten nicht von der Höhe des Kapitalbedarfs abhängen, sondern fix sind, fallen die
Kapitalkosten je in Anspruch genommener Geldeinheit mit zunehmenden
Kapitalaufnahmebeträgen49. Unter der Annahme, daß Großunternehmen einen
höheren Kapitalbedarf aufweisen als kleinere Firmen, ergeben sich somit Trans
aktionskostennachteile für kleinere Newcomer50/ 51.
Zusammenfassend können größenunabhängige Kostennachteile neuer Konkurrenten
darauf zurückzuführen sein, daß Etablierte überlegene Produktionstechnologien kon
trollieren (z.B. durch Patente) oder daß sie Vorteile bei den Faktorpreisen genießen,
sei es aufgrund des Besitzes wichtiger knapper Rohstoffquellen, dank einer frühzeiti
gen Bedarfsdeckung oder wegen eines hohen Grades an vertikaler Integration.
Daneben sind bereits bestehende Wettbewerber in der Regel durch geringere Finan
zierungskosten im Vorteil gegenüber neuen Konkurrenten, die auf dem Kapitalmarkt
eine Risikoprämie akzeptieren müssen.
Ein den größenunabhängigen Kostenvorteilen vergleichbares Phänomen bilden schließlich die "sunk costs" etablierter Anbieter, und zwar selbst unter sonst gleichen
Bedingungen, d.h. auch bei gleichen Faktorpreisen und Kapitalkosten. Denn auf
grund der Tatsache, daß ein bereits im Markt etablierter Wettbewerber einen Teil
seiner Kosten bzw. Investitionen irreversibel an die betreffende Branche gebunden
hat, sind für ihn nur noch die vermeidbaren Kosten entscheidungsrelevant. Dies gilt zwar
grundsätzlich auch für einen potentiellen Newcomer, jedoch beträgt dessen vermeid
barer Kostenanteil noch 100 Prozent. Insofern können die versunkenen Kosten als
ein größenunabhängiger (Kosten-) Vorteil interpretiert werden.52
49 Vgl. Greer (Industrial Organization), S. 170.
50 Vgl. Koch (Industrial Organization), S. 139. Die obigen Ausführungen verdeutlichen allerdings unmittelbar, daß Kapitalkostennachteile primär über GrößenlInterschiede erklärt werden und somit in die Nähe von Skalenerträgen reichen. Insofern unterscheiden sie sich von den absoluten Kostennachteilen aufgrund überlegener Produktionstechnologien und günstigerer Faktorpreise, in deren Genuß Etablierte größenllnabllängig gelangen können.
51 Für den Fall, daß potentielle Newcomer überhaupt nicht in der Lage sind, den erforderlichen Kapitalbetrag aufzubringen, will Needham (Analysis, S. 105) die Kapitalbedarfsbarriere als eine separateEintrittsbarrierenkategorie behandelt sehen.
52 Vgl. hierzu Gilbert (Pre·emptive), S. 101, sowie unten, S. 141 f.
60
3.1.1.3. ProduktditTerenzierungsvorteile
Neben den Eintrittshemmnissen aufgrund absoluter sowie größenabhängiger Kosten
unterschiede im Bereich der Produktion und Distribution sehen sich Newcomer
einem Vennarktungsproblem gegenüber: Ist das Angebot differenziert, d.h. ist es den etablierten Wettbewerbern gelungen, nachhaltige Käuferpräferenzen für ihre Produkte
aufzubauen53, so werden Erzeugnisse neuer Wettbewerber von der Nachfrage nicht
als gleichwertige Alternativen wahrgenommen. Technisch gesehen bedeutet dies, daß
durch Produktdifferenzierung die Homogenität des Angebots aufgehoben und durch
eine unvollkommene Substituierbarkeit der Produkte ersetzt wird54.
Das Ausmaß dieser begrenzten Substitutionsfähigkeit zweier Güter kommt in der Kreuzpreiselastizität zum Ausdruck: Bei einer hohen wechselseitigen Preis abhängig
keit liegt eine enge Substitutionsbeziehung vor, die Produkte sind nur gering differenziert. Ist hingegen - trotz gleicher Branchenzugehörigkeit zweier Anbieter - die
Kreuzpreiselastizität der Nachfrage nach deren Produkten eher gering, so stellen
diese lediglich entferntere Substitutionsgüter dar, was auf eine hohe Produktdifferen
zierung schließen läßt. Im Falle einer Preissenkung werden Käufer des Konkurrenz
produktes nur in begrenztem Umfang angelockt, umgekehrt wandern bei einer Preis
erhöhung nicht alle Nachfrager ab. Diese eingeschränkte Mobilität der Nachfrage ist es, die für den Newcomer eine Eintrittsbarriere bedeuten kann: Um Konsumenten bzw.
Abnehmer für sich zu gewinnen, wird ein Neukonkurrent entweder deutliche Preis
zugeständnisse machen müssen, oder aber bestehende Kaufwiderstände durch ent
sprechend höhere Marketingaufwendungen ausräumen müssen. Der Produktdifferen
zierungsnachteil beträgt somit die Summe aus Preisnachlässen und Mehrkosten je
Outputeinheit55•
Wenn also Konsumenten bei gleichen Preisen die Produkte bestehender Anbieter
bevorzugen, wo liegen dann die Gründe für diese Asymmetrie in der Nachfrage nach
Erzeugnissen von Newcomern und Etablierten?
53 Unter Eintrittsbarrierengesichtspunkten wird Produktdifferenzierung hier an ihrer Wirkung festgemacht. Eine allgemeinere Defmition hingegen bezieht sich auf die Unterscheidbarkeit der Produkte verschiedener Wettbewerber [vgl. Chamberlin (Monopolistic), S.56], die auf vielfältigste Weise erzielt werden kann: Abhebung vom Konkurrenzangebot durch Verpackung, durch ergänzenden Service, durch Änderung der Produktmerkmale etc. Für unsere Fragestellung interessiert jedoch, wie diese Unterscheidbarkeit des Abgebots einem Newcomer zum Nachteil gereichen kann.
54 Vgl. Bain (Industrial Organization), S. 223.
55 Vgl. Bain (Barriers), S. 116.
61
Unter Bezugnahme auf die ursprüngliche Konzipierung der Produktdifferenzierungs
barriere bei Bain sind hier drei mögliche Ursachen von eintrittshemmenden Differen
zierungsnachteilen zu nennen:
(1) Generelle oder deutlich überwiegende KäuJerpräJerenzen für etablierte Markennamen oder zugunsten von Herstellern mit guter Reputation. Diese Präferenzen
werden häufig von weit in der Vergangenheit zurückliegender Werbung hervor
gerufen.
(2) Besitz eines patentgeschützten, überlegenen Produktdesigns und
(3) Besitz oder Kontrolle bevorzugter Vertriebskanäle durch Etablierte, wobei
Newcomer - wenn überhaupt - alternative Vertriebswege nur unter Kostennach
teilen einrichten können56.
Die verschlossene Möglichkeit, ein gleichwertiges Produkt anbieten oder einen
adäquaten Vertriebsweg bedienen zu können, erklärt die Bevorzugung etablierter
Anbieter unmittelbar. Unter der Voraussetzung, daß diese Angebotsmerkmale auch
tatsächlich und nachhaltig von einer Mehrzahl der Konsumenten geschätzt werden,
folgt hieraus eine Produktdifferenzierungsbarriere für Newcomer, die zugleich eine
absolute, d.h. größenunabhängige Zugangsbarriere darstellt.
Erläuterungsbedürftig bleibt jedoch, inwiefern die zu Käuferpräferenzen führende
Werbung eine Eintrittsbarriere bedeuten kann. Denn verschiedentlich wird gerade Werbung als geeignete Möglichkeit erachtet, um Zugang zu einem neuen Markt zu
finden, da potentielle Konsumenten schließlich mittels Werbung über neue Produkte
informiert werden57• Außerdem - so Bains Kritiker - steht Newcomern doch die
Möglichkeit offen, der Werbung von Etablierten eigene Werbung entgegen
zusetzen58.
Eine Antwort auf die Frage, warum Werbung als Eintrittsbarriere wirksam werden
kann, worin also der Nachteil eines Newcomers trotz eigener Werbung liegen kann,
56 Vgl. Bain (Conditions), S.226, und (Industrial Organization), S. 260. An anderer Stelle (Barriers, S. 130) unterscheidet Bain vier generelle Typen von eintrittserschwerenden Differenzierungs. ursachen, wobei in dem dort untersuchten Sampie von 20 amerikanischen Industriezweigen die reinen Produktvorteile etablierter Anbieter nicht zum Tragen kommen. Somit ist die obige Liste dort um zwei Punkte erweitert, nämlich (a) um die Trägheit, Gewohnheiten und Loyalität der Konsumenten, sowie (b) um deren Verbundenheit zu etablierten Unternehmen aufgrund angebotener Serviceleistungen.
57 Diese Position der Eintrittserieichterung durch Produktdifferenzierung bzw. Werbung vertritt die Chicago SchooI. Vgl. insbesondere Brozen (Competition), S.9 f., und (Entry), sowie unten, Kap. 4.2.2., S. 217 ff.
58 So z.B. Bork (Paradox), S. 314: "There is no monopoly of access to advertising." Dem widerspricht jedoch teilweise Blair (Concentration), S. 311 ff.
62
bleibt Bain weitgehend schuldig. Er befaßt sich zwar mit Betriebsgrößenersparnissen
bei Verkaufsförderungsmaßnahmen, führt aber zu deren Ursachen nur einen
knappen Hinweis auf den Einsatz landesweiter Werbemedien und Vertriebskanäle
an59. Statt dessen steht bei Bain die Frage im Vordergrund, wie die optimale
Betriebsgröße der Produktion durch Skalenerträge in der Verkaufsförderung tangiert
wird, d.h. welche für den Markteintritt gesamtoptimale Betriebsgröße sich aus den
beiden unterschiedlichen Skaleneffekten ergibt60•
Den eintrittshemmenden Charakter der Werbung präzisieren indes Comanor &
Wilson, die in ihrer klassischen Untersuchung zu Marktstruktur, Werbeaufwand und
Marktergebnis - analog zum Produktionsbereich - einen dreifachen Nachteil von
Newcomern herausstellen61:
(1) Die in einer Branche vorherrschende intensive Werbung bedingt zusätzliche
. Kosten für Newcomer, die von der gewählten Eintrittsgröße unabhängig sind.
(2) Das Auftreten von Skaleneffekten im Bereich der Werbung bedeutet für
Newcomer einengrößenabhängigen Nachteil und
(3) erhöht zugleich deren Kapitalbedarf.
Ad (1) Absoluter Kostennachteil bei Werbung
Den größenunabhängig bzw. absolut höheren Werbeaufwand neuer Wettbewerber
führen Comanor & Wilson darauf zurück, daß Newcomer im allgemeinen einen
Markt durchdringen müssen, der sich aus Kunden bereits eingeführter Hersteller
zusammensetzt. Um diese Abnehmer zu Wiederholungskäufen zu veranlassen, bedarf
es seitens der Etablierten lediglich einer Erinnerungswerbung. Demgegenüber müs
sen Newcomer eine größere Anzahl von Werbebotschaften je potentiellem Abneh
mer aussenden, um bei diesem einen Markenwechsel zu bewirken. Diese intensiver
zu betreibende Werbung führt dann bei Newcomern zu höheren Werbekosten je
anzusprechendem Abnehmer. Umgekehrt besitzen Etablierte den Vorteil, daß sie zur
Verteidigung der von ihnen gehaltenen Marktposition keine Durchdringungskosten für Werbung eingehen müssen62.
59 Vgl. Bain (Barriers), S. 119 und S. 141, Fußnote 7, sowie (Advantages), S. 138.
60 Vgl. Bain (Barriers), S. 118 Cf. und S. 133 Cf., sowie (Industrial Organization), S. 203.
61 V g1. Comanor & Wilson (Advertising), S. 425 f. 62
Prinzipiell treten derartige Marktdurchdringungskosten für Newcomer bei jeder Betriebsgröße auf. Dennoch kann zu der absoluten auch eine größenabhängige Komponente hinzutreten: Da mit steigender Outputrate auch Abnehmer mit einer höheren Käuferloyalität gewonnen werden müssen,
63
Darf sich ein Newcomer schon aus diesem Grund nicht mit dem von Etablierten auf
gewandten Umsatzanteil für Werbung begnügen, so verschlechtert sich seine
Situation noch durch einen Time-lag zwischen Werbemaßnahme und Umsatzerfolg63:
Da häufig eine ganze Reihe von Werbemaßnahmen zur Überwindung von Kauf
widerständen beiträgt oder aber bei langlebigen Gebrauchsgütern eine Nachfrage
überhaupt nur in größeren Zeitintervallen stattfindet, ist der Werbeerfolg nicht nur
der letzten Maßnahme oder Kampagne zuzurechnen. Statt dessen führen auch
Werbeausgaben vergangener Perioden noch in der Gegenwart zu Umsätzen. Infolge
dessen genügt es für einen Newcomer nicht, sein Werbebudget an dem der Etablier
ten auszurichten, um in seinem ersten Geschäftsjahr den gleichen Umsatz wie diese
zu erzielen. Er wird vielmehr den kumulierten Carry-over-Effekt der Etablierten aus'
vergangener Werbung durch einen entsprechenden Mehraufwand kompensieren
müssen64/ 65. Diese Mehrkosten fallen unabhängig von der Betriebsgröße an und bilden somit einen absoluten Kostennachteil. Ein größenabhängiger Nachteil ergibt
sich nicht, da man unterstellt, daß aufgrund der Kompensation des kumulierten
Goodwills durch ein entsprechend höheres Werbebudget die Absatzmenge eines
Newcomers der von Etablierten entspricht66.
63
64
65
66
werden die Durchdringungskosten mit zunehmender Größe steigen. Vgl. Comanor & Wilson (Advertising), S. 425.
Vgl. zu diesem "Lag-Effekt" Comanor & Wilson (Advertising), S.425, insbesondere aber Palda (Advertising), S. 9, und auch Greer (Industrial Organization), S. 172 f.
Der Carry-over-Effekt, der die Nachhaltigkeit von Werbernaßnahmen ausdrückt, ergibt sich durch Subtraktion der Abschreibungsrate von Eins. Bei einem Vorjahresbudget von 10 Mio $ und einem Carry-over-Effekt von 0,4 können Etablierte in der "laufenden Periode mit Umsätzen rechen, die sich bei aktuellen Werbeausgaben von 4 Mio $ ergäben. Bei einer Abschreibungsdauer von 4 Jahren hätten Newcomer dem 10 Mio $ - Budget von Etablierten 16,5 Mio $ entgegenzuhalten. Vgl. zu diesem Rechenbeispiel Greer (Industrial Organization), S. 172 f.
Hinter dem Carry-over-Effekt verbirgt sich die Behandlung von Werbung als Investition in den Firmen-Goodwill anstelle der aufwandsmäßigen Zurechnung von Werbeausgaben nur zur laufenden Periode. Vgl. zur diesbezüglichen Advertising Capital-Kontroverse und zu deren Bedeutung in der Diskussion um die durch Werbung hervorgerufene Marktzutrittsschranke unten, Kap. 4.2.2., S. 219 ff.
Der Fall "unechter Größenersparnisse" (vgl. oben, S.54, Fußnote 32) liegt dann vor, wenn fixe Aufwendungen zweier Anbieter zwar gleich hoch sind, sich aber auf eine unterschiedliche Ausbringungsmenge verteilen, so daß trotz gleicher Fixkosten die Stückkosten differieren. Dieser Fall ist hier nicht gegeben, da die Werbeaufwendungen eines Newcomers absolut höher sind. Bei Verteilung der Mehrkosten (in unserem Beispiel 6,5 Mio $) auf die (bei beiden identische) Ausbringungsmenge ergibt sich dann zwar das gleiche Resultat, nämlich eine ungleiche Stückbelastung, die sich jedoch nicht auf grund von Größenunterschieden einstellt und somit analytisch gesehen keine Größenerspamisse darstellt. In der Terminologie des vorstehenden Kapitels ausgedrückt hat ein Newcomer mit einem Differenzierungsnachteil bei jeder VOll ihm gewählten OUlpUlrate höhere (Werbe-)Stückkosten als ein etablierter Anbieter mit einem Differenzierungsvorteil. Denn verzichtet er auf die Kompensation seines Nachteils, hat er bei gleichen Werbeaufwendungen eine geringere Absatzmenge und folglich eine höhere Stückbelastung zu erwarten. Genauso verhält es sich, wenn er dank höherer Werbeaufwendungen einen identischen Absatzerfolg erzielt.
64
Ad (2) Größenersparnisse in der Werbung
Zur Analyse der Skaleneffekte im Bereich der Werbung werden häufig - in (angeb
licher) Analogie zum Produktionsbereich - pekuniäre und technische Betriebsgrößen
ersparnisse unterschieden67.
Technische oder technologische Größenvorteile beziehen sich auf die Effektivität bzw.
Umsatzwirkung höherer Werbeaufwendungen. Sie sind gegeben, wenn bei Verdop
pelung der Zahl der Werbebotschaften der Umsatz um mehr als 100 Prozent
zunimmt68. Die größere Effektivität bzw. der höhere Einfluß auf potentielle Kunden
bei einer großen Anzahl von Werbebotschaften wird folgenden Ursachen zuge
schrieben:
(a) Eine erfolgversprechende Werbung ist überhaupt nur jenseits eines bestimm
ten Mindestaufwandes möglich. Unterhalb dieser Schwelle (threshold level) bewirkt
Werbung keine Nachfrage. Dies kann zum einen daran liegen, daß potentielle Käufer
das beworbene Produkt nicht registrieren, solange sie nicht eine bestimmte Menge an
Werbebotschaften wahrgenommen haben69. Werden Werbeaussagen auch durch
Mundpropaganda weiterverbreitet, so verebbt diese Kettemeaktion bei einem zu schwachen Impuls 70. Auch der Handel wird ein bestimmtes Minimum an Konsumen
tenwerbung erwarten, ehe er Bereitschaft zur Aufnahme eines neuen Produktes
zeigt71. Dieser Mindestaufwand, der nicht unterschritten werden darf, bildet einen
Fixkostensockel, der bei Verteilung auf eine höhere Absatzmenge zu einer gerin
geren Stückbelastung führt72.
67 Vgl. z.B. Comanor & Wilson (Effect), S. 467 f., oder Waterson (Theory), S. 134.
68 Vgl. Waterson (Theory), S. 134.
69 Vgl. z.B. Boyer & Lancaster (Sca1e economies), S.512. Unter Bezugnahme auf Buzzel, Nourse, Matthews & Levitt (Marketing, S. 533 f.) spricht Greer in diesem Zusammenhang von einem "psychological threshold". Vgl. Greer (Industrial Organization), S. 175.
70 Vgl. statt anderer Scherer (Industrial), S. 109.
71 Vgl. Greer (Industrial Organization), S. 175, und Boyer & Lancaster (Scale economies), S. 512.
72 Dieser "unechte" Größenvorteil wird auch von Comanor & Wilson (Advertising), S. 426, als technischer Skaleneffekt interpretiert. An anderer Stelle (Effect, S. 468) heben die Autoren jedoch die analytischen Schwierigkeiten hervor, die technologische Größenersparnisse aufwerfen, und revidieren damit ihre frühere Einschätzung: "What is required is the impact of advertising be determined by the total volume of messages, or the number per prospective buyers in the marketplace, rather than by the number of messages per unit of output." Aus pragmatischeren Gründen wendet sich auch Berg (Werbung), S. 235, gegen eine Behandlung von auf große Absatzmengen verteilten Fixkosten als Betriebsgrößenersparnisse: "Es ist indes nicht sinnvoll, diese Art der Kostendegression als Ausdruck des Bestehens von 'economies of scale' zu interpretieren, da dieser Effekt immer auftritt, wenn es Fixkosten gibt, so daß in diesem Sinne also auch sehr kleine Unternehmen 'Skalenerträge' nutzen können."
65
(b) Betrachtet man den Umsatz als Funktion des Werbeaufwandes, so müßte bei
Existenz technischer Größenersparnisse die Erlöskurve jenseits des Schwellenwer
tes 73 konkav verlaufen, also zunehmende Grenzerträge aufweisen. Für einen solchen
Kurvenverlauf spricht, daß bei "Iarge scale advertising" effizienzsteigernde Speziali
sierungsvorteile genutzt werden können oder zwar teurere, aber leistungsfähigere
Werbemittel eingesetzt werden können74. Für einen abnehmenden Grenzertrag
spricht hingegen, daß die Beachtung einer Werbebotschaft mit deren zunehmender
Wiederholung sinkt, daß in zunehmendem Maße Konsumenten mit höherer Käufer
loyalität angesprochen werden müssen und daß schließlich auf weniger geeignete
Medien für Anzeigenwerbung zurückgegriffen werden muß, wenn die zielgruppen
gerechten Zeitschriften bereits abgedeckt sind75.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß Vertreter, die für die Existenz von
technischen Größenvorteilen im Bereich der Werbung argumentieren, davon aus
gehen, daß ein Mehr an Werbebotschaften - zumindest in einer bestimmten Band
breite - eine überproportional größere Wirkung auf potentielle Konsumenten entfal
tet. Für die Bedeutung technologischer Werbe-Größenersparnisse als Eintrittsbar
riere ist dabei ausschlaggebend, wie hoch der "threshold level" ist und bis in welchen
Bereich sich die steigenden Grenzerträge fortsetzen: " ... if these effects do not extend
into very large levels of absolute outlay, then all economies could be easily exploited by rather small firms and new entrants."76
Während mit technischen Größenersparnissen bei konstanten Kosten pro Werbebot
schaft die positive Umsatzauswirkung und Effektivitätssteigerung der Werbung
untersucht wird, haben pekuniäre Skalenerträge die Abnahme der Stückkosten je
Werbebotschaft bei steigender Anzahl zum Gegenstand. Damit berühren die peku
niären Größenvorteile in der Werbung den für Skalenerträge typischen Zusammenhang zwischen Stückkosten und Ausbringungsmenge. Das Sinken der Durchschnitts
kosten wird für den Bereich der Werbung primär auf Mengenrabatte zurückgeführt,
die von den Medien bei Fernseh- und Anzeigenwerbung eingeräumt werden.
73 Anders als die meisten Industrieökonomen argumentiert Scherer, daß die Zahl der notwendigen Werbebotschaften von Konsument zu Konsument schwankt und daher kein Punkt existiert, der den "threshold level" markiert. Statt dessen werde dieses Niveau bis zum Wendepunkt der Umsatzfunktion hin erreicht und schließlich überschritten, so daß der durchschnittliche Umsatz aus einer zusätzlichen Werbebotschaft steigt. Vgl. Scherer (Industrial), S. 109.
74 Vgl. Greer (Industrial Organization), S. 175, und Berg (Werbung), S. 236.
75 Vgl. Hay & Morris (Industrial Economies), S. 436 f., und Berg (Werbung), S. 236.
76 Greer (Industrial Organization), S. 175. Je nach Werbemedium können jedoch auch bereits von Anfang an "diseconomies of scale" einsetzen. Vgl. hierzu Scherer (lndustrial), S. 109.
66
Klassisch bzw. im Sinne des traditionellen Größenersparniskonzeptes begründet
Doyle diese Kostenvorteile dann auch mit Unteilbarkeiten bei den effizienteren
Werbemedien: ''1be swing to television advertising ... suggests this is a potent medium
for many products but its expense makes it uneconomic for advertisers appealing only to a limited market.'077 Ein Newcomer, der zunächst über einen regional begrenzten
Markt in eine Branche eintritt, wird deshalb auf örtliche TV-Sender für seine Fern
sehwerbung zurückgreifen. Damit entsteht ihm jedoch je nach Tageszeit der Werbe
sendung ein Kostennachteil zwischen 15 und 30 Prozent gegenüber einem landeswei
ten Wettbewerber, der den betreffenden Regionalmarkt über nationale Fernseh
anstalten mit abdeckt78• Zu den Mengenrabatten bei Presse- und Funkmedien bleibt
jedoch einschränkend anzumerken, daß empirische Untersuchungen sehr konträre
Ergebnisse liefern79• Auch wird dem Kostennachteil lokaler Fernsehwerbung eine
höhere Effektivität entgegengehalten, da dieses Medium flexibler und den Verhält
nissen der Regionalmärkte entsprechend einsetzbar istso.
Ad (3) Erhöhter Kapitalbedarf
Wenn in einer Branche Größenersparnisse in der Werbung vorliegen und sich diese
in einer hohen Werbeintensität niederschlagen, resultiert hieraus ein hoher Kapital
bedarf für einen Newcomer. In der gleichen Weise wirkt sich ein absoluter Nachteil
aus, der durch ein über dem Branchendurchschnitt liegendes Werbebudget kompen
siert werden muß. Da Werbeinvestitionen überdies keine Aktiva schaffen, die im Fall
77 Doyle (Advertising expenditure), S. 406.
78 Vgl. Scherer (Industrial), S. 111. Porter (Interbrand choice), S. 403, beziffert die Größenersparnisse durch Einsatz nationaler Medien mit 30 bis 90 Prozent, was Scherer jedoch für zu hoch gegriffen hält.
79 Vgl. z.B. Ferguson (Advertising), S.78, und die dort angegebene Literatur, sowie Arndt & Simon (Advertising), S. '237.
SO Bei der vorstehend dargelegten Unterscheidung von technologischen und pekuniären Größenersparnissen wird häufig betont [so z.B. durch Comanor & Wilson (Effect), S. 467], daß sie in Analogie zum ·Produk,tionsbereich erfolgt. Dort :werden "echte" von "pekuniären Skalenerträgen" getrennt (siehe hierzu oben, S. 53), wobei das Kriterium in der gesamtwirtschaftlichen EffIzienzsteigerung liegt. In beiden Fällen stellt man mit Betriebsgrößenersparnissen im Produktionsbereich jedoch auf eine Kostenreduzierung ab. Da das Ziel der Werbung aber darin besteht, die Nachfrage und die Preise zu beeinflussen, können Größenvorteile in der Werbung nicht allein auf die Kostenseite beschränkt bleiben, sondern müssen auch die Umsatzseite in Betracht ziehen. Insofern ist die Analogie zwischen Betriebsgrößenersparnissen in Produktion und Werbung nur schwer ersichtlich. Diese atypische Bedeutung, die den "economies of scale" zugewiesen wird, stellt insbesondere Spence (Notes), S. 494, heraus: "But demand and prices are affected by advertising so that the relevant measure of scale economies is to be found in the relation between the firm's revenues and its cost per dollar ofrevenue, rather than in the relation between costs and output in physical units."
67
des Scheiterns wieder veräußert werden können81 und somit besonders riskante Inve
stitionen darstellen, muß ein Newcomer auf dem Kapitalmarkt einen Risikozuschlag in Kauf nehmen, der ihm gegenüber Etablierten (mit bereits vorhandenem "stock of
goodwill") einen Kapitalkostennachteil einbringt.
Zusammenfassend kann zu den strukturellen Eintrittsbarrieren festgehalten werden,
daß sich die Vorteile von Etablierten gegenüber Newcomern der Existenz von
Betriebsgrößenersparnissen und absoluten Kostenunterschieden sowie der Pro
duktdifferenzierung verdanken. Diese Vorteilsdimensionen werden in der Industrie
ökonomik als Bestandteile der Marktstruktur angesehen.
Die nachfolgenden Ausführungen betreffen nun das Zusammenwirken von
Marktstruktur und Marktverhalten, insbesondere von strukturellen Eintrittsbarrieren
und eintrittsverhindernden Verhaltensweisen. Ist nämlich der Markteintritt nicht von
staatlicher Seite unumgäglich blockiert (z.B. durch behördliche Genehmigungen) und
nicht gesetzlich (z.B. durch einen bestehenden Patentschutz) oder durch natürliche
Engpäße (z.B. wegen fehlenden Zugangs zu Rohstoffen) ausgeschlossen, sondern
wird ein Newcomer durch die oben dargelegten strukturellen Markteintrittsbarrieren
lediglich in eine ungünstigere Kosten- oder Differenzierungsposition versetzt, so
genügen diese Marktschranken allein noch nicht, um neue Wettbewerber tatsächlich
auszuschließen. Reicht nämlich die Höhe des Marktpreises für einen Newcomer aus,
trotz seines Kostennachteils gegenüber den Etablierten kostendeckend anbieten zu
können, so ist eine Abschottung des Marktes gegenüber neuen Konkurrenten noch
nicht gewährleistet. Für eine wirksame Zutrittsbehinderung bedarf es daher in der
Regel zusätzlich komplementärer Verhaltensweisen von Etablierten, die erst die struk
turell angelegten Wettbewerbsnachteile der Newcomer eintrittsverhindernd zum
Tragen bringen.
81 VgI. Comanor & Wilson (Advertising), S. 426.
68
3.1.2. Eintrittssperrende Verhaltensweisen
Nach industrie ökonomischem Verständnis gehen prinzipiell strukturelle Zutritts
schranken mit eintrittssperrenden Verhaltensweisen der Etablierten (meist preis
licher Natur) einher, wenn es potentielle Newcomer abzuwehren gilt. Die Bedeutung
des Preisverhaltens - relativ zur strukturellen Seite - für die Eintrittsverhinderung
variiert hierbei je nach der Höhe der strukturellen Barrieren. Bain unterscheidet fol
gende vier Konstellationen82; Bei fehlenden Eintrittsbarrieren ist der Marktzutritt
einfach (easy entry). Die Preise können daher nicht langfristig über dem Wett
bewerbsniveau bzw. über dem Kostenniveau der Etablierten liegen, ohne Marktein
tritte hervorzurufen. Das andere Extrem bildet der blockierte Marktzutritt
(blockaded entry). Hier sind die strukturellen Eintrittsbarrieren bzw. die daraus
resultierenden Kostenvorteile gegenüber Newcomern so hoch, daß auch bei einer
Preisbildung nach monopolistischem Kalkül keine Gefahr von potentiellen Konkurrenten ausgeht. In diesen Fällen, in denen die strukturellen Eintrittsbarrieren nicht
ausgeprägt oder übermächtig sind, erweisen sich eintrittssperrende Verhaltensweisen
als undurchführbar oder aber überflüssig. Zentrale Bedeutung kommt dem Markt
verhalten hingegen in den verbleibenden beiden Fällen zu83; Sind die strukturellen
Barrieren mittelhoch bis hoch, können Markteintritte effektiv behindert werden
(effectively impeded entry), und zwar durch eine Preispolitik, die Newcomern gerade
noch den Marktzugang verwehrt und somit den langfristigen Gewinn der Etablierten maximiert. Bei einer Preisfestsetzung oberhalb dieses effektiv eintrittsverhindernden
Preises, die bei mittleren bis niedrigen Eintrittsbarrieren vorgenommen wird und
daher dem Marktzutritt von Newcomern in bestimmtem Ausmaß statt gibt, aber den
noch langfristig gewinnrnaximal ist, spricht Bain von einem "ineffectively impeded
entry".
Im folgenden interessieren also die Fälle des "effectively impeded" sowie "ineffecti
vely impeded entry". Denn nur bei geringen bis mittleren und bei mittelhohen bis
hohen Eintrittsbarrieren besteht für Etablierte überhaupt erst eine Handlungsmög
lichkeit sowie eine Handlungsnotwendigkeit zur Eintrittsverhinderung. Die hierfür zu
82 Vgl. Bain (Barriers), S. 21 f., und (Industrial Organization), S. 274 f.
83 Pauschal, d.h. ungeachtet dieser Ausdifferenzierung nach der Höhe der Eintrittsbarrieren, ließe sich jedoch einwenden, daß der strukturellen Seite gnmdsätzlich ein Primat zuerkannt wird, da gemäß dem traditionellen Industrial Organization-Paradigma das (Preis-)Verhalten der Etablierten durch die Marktstruktur bzw. Höhe der Eintrittsbarrieren determiniert ist.
69
ergreifenden langfristig gewinnrnaximalen Verhaltensweisen bzw. Preispolitiken
beschreiben das "limit pricing"-Modell sowie das "dynamic limit pricing"-Konzept84.
Im Limitpreis-Modell bezeichnet der Eintrittssperren- oder Limitpreis85 diejenige
Höhe des Marktpreises, die eine Monopolunternehmung bzw. eine Gruppe von
Oligopolisten durch Bestimmung der entsprechenden Angebotsmenge wählen muß,
um den Eintritt für potentielle Wettbewerber unattraktiv bzw. unrentabel zu machen.
Entscheidungsrelevant für einen Newcomer ist jedoch nicht der vor seinem Eintritt
anzutreffende Marktpreis (pre-entry price), sondern der nach dem Vollzug dieses
Schrittes herrschende Preis. Dieser dann tatsächlich erzielbare Preis (post-entry
price) hängt außer von den Aktionen der Newcomer - d.h. deren Eintrittsgröße - auch
von den Reaktionen der Etablierten auf den Markteintritt ab. Hiermit wird das Pro
blem der oligopolistischen Interdependenz zwischen Newcomern und Etablierten offenkundig. Theoretisch bedeutet dies, daß der "dem" klassischen Industrial Orga
nization-Paradigma inhärente Determinismus in Frage gestellt wird durch eine Viel
zahl alternativer, indeterminierter Verhaltensweisen86.
Um zunächst jedoch den Mechanismus des Limit Pricing darzulegen, setzen wir das
Verhalten von Newcomern und Etablierten als konstant und gegeben an. Dies erfolgt
meist in Form des sogenannten Sylos-Postulates87. Demzufolge nehmen die etablier
ten Anbieter bei der Kalkulation des Eintrittssperrenpreises an, daß Newcomer damit rechnen, daß die Ausbringungsmenge der Etablierten nach einem Marktein
tritt unverändert bleibt. Mit dieser Verhaltensannahme wird es möglich, die Unter
schiede in der Limitpreisbildung bei absoluten und größenabhängigen sowie bei
Differenzierungsvorteilen zu beleuchten. Das Hauptaugenmerk gilt jedoch nicht
diesem Preismechanismus, sondern - im Anschluß daran - der diesem Limit Pricing
Ansatz zugrundeliegenden Verhaltensannahme, die erst die Möglichkeit der Determinierung des Eintrittssperrenpreises eröffnet.
84 Bain selbst konzentriert sich auf das Modell der statischen Limitpreisbildung zur effektiven Markteintrittsbehinderung. Vgl. ders. (Industrial Organization), S. 255 ff. Die modellhafte Abbildung des "ineffectively impeded entry"-Falles im "dynamic limit pricing"-Konzept erfolgte vor allem durch Gaskins (Dynamic) und Kamien & Schwartz (Limit), obwohl Bain selbst diese Verhaltensweise für die wahrscheinlichste hielt. Vgl. Bain (Barriers), S.98. Wir verfolgen hier zunächst die statische Limitpreisbildung. Die dynamischen Konzepte werden weiter unten zur Kritik der statischen Modelle und Modellannahmen herangezogen.
85 Im folgenden auch synonym verwandt: Der für den Eintritt kritische Preis (critical price).
86 Weiter unten wird sich jedoch zeigen, daß nicht pauschal von dem klassischen Industrial Organization-Paradigma gesprochen werden kann. Denn insbesondere Bain zeichnet sich durch eine differenziertere Betrachtung des Problems der Eintrittsverhinderung aus.
87 Vgl. zur Einführung dieses Begriffes den Besprechungsaufsatz von Modigliani (Developments, S. 217) zu den den Werken von Sylos-Labini (Oligopoly) und Bain (Barriers).
70
3.1.2.1. Limit Pricing bei absoluten Kostenvorteilen88
Neben dem bereits erwähnten Sylos-Postulat basiert das Limitpreis-Modell auf der
Bedingung, daß sich die etablierten Wettbewerber auf die Festsetzung eines gemein
samen Eintrittssperrenpreises einigen können89. Da dies im Monopolfall immer
gegeben ist, geht man vereinfachend häufig von nur einem aktuellen Anbieter aus9O.
Außerdem baut das Limit Pricing auf der Gewinnmaximierungsprämisse für beste
hende und zukünftige Anbieter auf. Aus dieser Annahme eines langfristigen
Gewinnstrebens folgt, daß Newcomer nicht in einen Markt eintreten werden, wenn dauerhaft mit einem Preisniveau zu rechnen ist, das nicht zur Deckung ihrer durch
schnittlichen Stückkosten ausreicht bzw. die Erzielung eines Gewinnes verhindert,
der über die Normalverzinsung des investierten Kapitals hinausgeht. Und anhand des
Sylos-Postulates, dem zufolge Etablierte ihre Ausbringungsmenge nach einem erfolg
ten Markteintritt beibehalten, kann schließlich aus der gesamten Branchennachfrage
funktion die für einen Newcomer verbleibende individuelle Restnachfrage abgeleitet
werden. Dieser auf potentielle Konkurrenten entfallende Anteil der Gesamtnach
frage liegt rechts von der Preis-Absatz-Menge des etablierten monopolistischen
Anbieters91. Durch Linksverschiebung dieses Abschnittes der Preis-Absatz-Funktion
an die Ordinate erhält man die individuelle Nachfragefunktion des Newcomers
(NNew)'
Bei Existenz von absoluten Kostenunterschieden ist nun zur Eintrittsverhinderung die
Ausbringungsmenge von den Etablierten so zu bemessen, daß die Durchschnitts
kostenkurve potentieller Konkurrenten (IDKNew) immer oberhalb der auf diese
entfallenden Nachfrage (NNew) gelegen ist92. Diese Outputmenge liegt in Abb. 7 bei
XI.; der zugehörige Limitpreis beträgt Pv Auch wenn dieser Eintrittssperrenpreis
unterhalb des kurzfristig gewinnmaximalen Preises (PMax) liegt, kann dauerhaft eine Monopolrente von YZ je Ausbringungseinheit erzielt werden, die der Höhe des
88 Die. nachfolgenden Ausführungen orientieren sich primär an Greer (Industrial Organization), S. 155 f. und S. 301 ff., und an Needham (Analysis), S. 100 ff.
89 Vgl. Osborne (RationaJity), S. 71.
90 Vgl. z.B. Maurice & Smithson (Managerial economics), S. 397.
91 Siehe zur Veranschaulichung Abb. 7: Dort kann ein Newcomer denjenigen Bereich der Branchennachfrage N für sich beanspruchen, der rechts bzw. unterhalb von Y gelegen ist, wenn der etablierte Monopolist die Menge XL zum Preis PL anbietet.
92 Dazu ist es erforderlich, daß Etablierten die Höhe ihres Kostenvorteils bekannt ist, d.h. daß absolute Markteintrittsbarrieren eine objektiv wahrnehmbare Strukturdimension darstelJen. Insofern unterstellt die Limitpreis-Theorie den Fall vollkommener Information.
71
absoluten Kostenunterschiedes entspricht und den Gewinn des etablierten Monopo
listen langfristig maximiert.
P
Pmax
\
\ , \
GU' , ----\- ---
\ \
Abb. 7: Limit Pricing bei absoluten Kostenvorteilen
Quelle: nach Greer (Industrial Organization), S. 303
3.1.2.2. Limit Pricing bei Betriebsgrößenerspamissen
x
Auch bei größenabhängigen Kostenvorteilen kalkulieren etablierte Anbieter zur Ein
trittsverhinderung " ... diejenige Menge, welche, abgezogen von der Gesamtnachfrage
funktion, dem potentiellen Anbieter eine Restnachfrage überläßt, die - wenn er in
den Markt einträte - gerade nicht mehr ausreichte, seine Kosten zu decken, welche
der für ihn möglichen Kapazitäten und Ausbringungsmengen er beim Eintritt auch wählen mag.,,93
93 Gutowski (Bemerkungen), S. 822.
72
P
N
P L - - - - - - - - - -
Abb. 8: Limit Pricing bei Betriebsgrößenersparnissen Quelle: nach Clarke (Industrial Economis), S. 84
x
Diese Vorgehensweise ist in Abb.8 graphisch visualisiert94• N bezeichnet die
Gesamtnachfrage nach einem homogenen Gut, IDK die für alle Anbieter identische
Kurve der gesamten Durchschnittskosten, die bis zum Erreichen einer mindesteffi
zienten Produktionsmenge Xm zunehmende Skalenerträge aufweist und danach hori
zontal verläuft. Bei diesem Kostenverlauf kann der pre-entry-Preis durch die zusätz
liche Angebotsmenge eines neuen Wettbewerbers maximal auf den Preis bei voll
kommener· Konkurrenz (P0 gesenkt werden. Die maximale eintrittsverhindemde
Produktionsmenge XL mit dem zugehörigen Limitpreis PL erhält man durch Linksverschiebung der Nachfragefunktion, so daß diese die Durchschnittskostenkurve des
Newcomers gerade rioch tangiert. Die so gefundene Restnachfragefunktion NNew schneidet die Preisachse im Limitpreis95. Wählen die Etablierten diesen als pre
entry-Preis, so kann ein Newcomer auch im günstigsten Fall mit der Angebotsmenge
94 Die nachfolgenden Ausführungen orientieren sich primär an Neumann (Volkswirtschaftslehre III), S. 176 ff. Vgl. aber auch Clarke (Industrial Economics), S. 82 ff.
95 Vgl. Clarke (Industrial Economics), S.84. Alternativ könnte man auch die Durchschnittskostenkurve des Newcomers einschließlich der Ordinate soweit nach rechts verschieben (TDK'), bis sich Nachfrage- und Kostenfunktion tangieren. Der neue Ursprung läge dann in Xv Vgl. ebenda, S. 84.
73
XNew über die Normalverzinsung hinaus keinen Gewinn erzielen. Senken sie ihn
auch nur geringfügig ab, so befindet sich ein potentieller Wettbewerber nach dem Markteintritt immer in der Verlustzone96• .
Obwohl also potentielle Wettbewerber auf der gleichen langfristigen Stückkostenkurve operieren wie bestehende Unternehmen, d.h. bei gleicher Größe genauso effi
zient zu produzieren in der Lage sind, kann ihnen dennoch die erforderliche Ein
trittsgröße den Marktzugang verwehren: Nämlich dann, wenn die pre-entry-Markt
versorgung (bei einem von den Etablierten entsprechend festgesetzten pre-entry
Preis) bereits so hoch ist, daß ein weiteres Angebot vom Umfang der mindesteffizien
ten Menge zu wirtschaftlichen Preisen nicht mehr von der Nachfrage aufgenommen
wird97. Für die Wahl der eintrittssperrenden Menge bzw. des pre-entry-Limitpreises
ist daher die absolute Marktgröße sowie das Ausmaß der mindesteffizienten Ange
botsmenge relativ zum Marktvolumen von Bedeutung. Außerdem bemißt sich die
Höhe des Eintrittssperrenpreises nach der Preiselastizität und den Skalenerträgen
unterhalb der mindesteffizienten Größe: Die Preisprämie der Etablierten kann umso
höher ausfallen, je größer der Stückkostennachteil des Newcomers und je geringer
die Preiselastizität der Nachfrage ist98/ 99.
96
97
98
In diesem Fall berührt die Nachfragekurve die Stückkostenkurve des Newcomers gerade nicht mehr. In der Limitpreis-Theorie geht man aber davon aus, daß potentielle Konkurrenten nicht als neue Anbieter in den Markt eindringen, wenn sie ihre Kosten einschließlich der Normalverzinsung des investierten Kapitals zwar decken, darüber hinaus aber keinen Gewinn erzielen können. Vgl. Rühmann (Latente Konkurrenz), S. 292. Unter dieser Annahme kann der kritische Preis - wie oben beschrieben - graphisch bestimmt werden, indem man die Nachfragekurve so weit verschiebt, bis sie die Stückkostenkurve des Newcomers tangiert (oder umgekehrt).
Mit genau diesem Argument spricht sich jedoch Stigler (Industry),. S. 67, dagegen aus, das Ausbleiben weiterer Markteintritte aufgrund von Betriebsgrößenersparnissen mit Eintrittsbarrieren zu erklären: "It would be equally possible to say that inadequate demand is a barrier to entry."
Vgl. Greer (Industrial Organization), S. 303 f., und Scherer (Industrial), S. 246. Damit erweist sich das Limit Pricing bei Skalenerträgen als der komplexere Fall gegenüber der Bestimmung des kritischen Preises bei größenunabhängigen Kostenvorteilen, bei der die Höhe der Preisprämie unmittelbar dem absoluten Kostenunterschied entspricht.
99 Auch ein "Erfahrungskurven-Pricing" stellt eine Limitpreispolitik dar, bei der allerdings auf eine anfängliche (hohe) Preisprämie zugunsten einer marktbeherrschenden Stellung verzichtet wird. Der dadurch erreichte Volumenzuwachs führt bei Gültigkeit der Erfahrungskurve zu einer raschen Kostenreduktion, die von potentiellen Konkurrenten - unter ganz bestimmten Voraussetzungen -nicht mehr eingeholt werden kann. Senkt das etablierte Unternehmen nach Erreichen der Gewinnschwelle die Preise entsprechend dem erfahrungsbedingten Kostenrückgang, so können neue Wettbewerber vom Markt ferngehalten werden, da diese dann nicht mehr in die Gewinnzone gelangen können. Vgl zu der an der Erfahrungskurve orientierten Preispolitik Henderson (Erfahrungskurve) sowie Pfeiffer et al. (Technologie-Portfolio), S. 46 ff. Bei dieser eintrittssperrenden Preisgestaltung handelt es sich im Gegensatz zu dem oben beschriebenen statischen Limit Pricing bei Betriebsgrößenersparnissen um eine dynamische Preispolitik der Eintrittsverhinderung. Diese unterscheidet sich von den dynamischen Limitpreiskonzepten der Industrial Organization durch die Höhe des anfänglichen Preisniveaus. Vgl. hierzu unten, S. 82, Fußnote 14.
74
3.1.2.3. Limit Pricing bei ProduktditTerenzierungsvorteilen
Die für die Markteintrittsentscheidung bedeutsame Gewinnerwartung eines New
comers ergibt sich aus den Kosten- und Nachfragebedingungen des betreffenden
Zielmarktes. Herrscht dort eine hohe Produktdifferenzierung vor, z.B. in Form einer hohen Werbeintensität, so kann dies für einen Newcomer Betriebsgrößennachteile sowie absolute Kostennachteile im Bereich der Werbung bedeuten. Der Produkt
differenzierungsnachteil nimmt damit bei einheitlichen Marktpreisen die Form eines
Kostennachteils an. Die Ableitung des Eintrittssperrenpreises kann demnach so erfol
gen, wie in den beiden vorstehenden Punkten beschrieben.
Die Besonderheit des Limit Pricing bei Produktdifferenzierung liegt nicht auf der Kostenseite, sondern auf der Erlösseite: Um seinen Differenzierungsnachteil aus
zugleichen, kann sich ein Newcomer zu deutlichen Preiszugeständnissen veranlaßt sehen. Damit kann die Situation eintreten, daß der von ihm erzielbare Preis unterhalb der langfristigen Stückkosten liegt, während Etablierte eine Monopolrente erwirtschaften. Eine solche Situation, in der allein der Preisunterschied eintrittsverhindernd wirkt, analysiert Bain in einem Modell des "reinen" Differenzierungsvorteils1()(), in dem größenabhängige und absolute Kostenunterschiede zunächst ausgeklammert sind. Dadurch weisen alle aktuellen und potentiellen Wettbewerber eine identische langfristige Stückkostenkurve TDK auf, die horizontal verläuft (siehe Abb. 9). Uneinheitlich jedoch ist die Steigung der individuellen Preis-Absatz-Funk
tionen: NEt bezeichnet die Nachfragefunktion eines etablierten Anbieters, der einen
Differenzierungsvorteil genießt. Dieser erlaubt es ihm, auf grund bestehender Käuferpräferenzen einen Preis über dem seiner Konkurrenten festzusetzen, ohne
dabei eine völlige Abwanderung der Nachfrage befürchten zu müssen. Dies ist gleichbedeutend mit einer geringeren Elastizität der Nachfrage relativ zu einem undifferenzierten potentiellen Konkurrenten101• Je nach der Höhe des Differenzie
rungsnachteils wird also die Preis-Absatz-Funktion des Newcomers (NNew) elastischer sein und dementsprechend flacher verlaufen. In einer derartigen Konstellation der firmenspezifischen Preis-Absatz-Funktionen wird nun ein etablierter Anbieter
zur Eintrittsverhinderung die Nachfrage des Newcomers wieder auf eine solche
Menge begrenzen, die zur Deckung dessen langfristiger Stückkosten gerade nicht mehr ausreicht. Technisch geschieht dies, indem der eigene Preis so gewählt wird,
daß die Nachfragekurve des Newcomers (NNew) immer unterhalb der TDK-Kurve
100 Vgl. Bain (IndustriaI Organization), S. 256 Cf.
101 Vgl. Boyle (Industrial Organization), S. 59, und Caves (Industry), S. 20 f.
75
verläuft. Der so gefundene höchstmögliche und damit langfristig gewinnmaximale
Eintrittssperrenpreis P2läßt nur zu, daß sich TDK und NNew2 bei einem Output von
Null schneiden102.
p
TDK
x
Abb. 9: Limit Pricing bei Produktdifferenzierungsvorteilen
Quelle: nach Bain (Industrial Organization), S. 257
Da mit zunehmender Marktpräsenz die bestehenden Kaufwiderstände einer Akzep
tanz des neuen Produktes bzw. Wettbewerbers weichen werden, reduziert sich der
Differenzierungsnachteil sukzessive im Zeitablauf. Zur Berücksichtigung dieser zeit
lichen Beschränkung des Differenzierungsnachteils schlägt Bain vor, diesen in einen
durchschnittlichen Nettonachteil für alle zukünftigen Absatzeinheiten umzurechnen.
Legen Etablierte ihren Preis um diesen Betrag über den langfristigen Stückkosten
fest, so antizipieren potentielle Newcomer eine dauerhafte Gewinnlosigkeit. Die
102 Hat der Newcomer statt des 'reinen' Differenzierungsnachteils zusätzlich noch einen Betriebsgrößennachteil, so wird der kritische Preis noch höher ausfallen, da der Tangentialpunkt der beiden Kurven - analog zu Abb. 8 - bei einer Menge größer Null liegt. Vgl. hierzu Bain (Industrial Organization), S. 258 ff., insbes. Abb. 7.
76
Produktdifferenzierungsbarriere beträgt damit anstelle des anfänglichen Preisunter
schiedes nur die Höhe des durchschnittlichen Nettonachteils103.
3.1.3. Zusammenfassende Würdigung und strategierelevante Kritik am struktura
listischen Eintrittsbarrierenansatz
Bei der vorstehenden Darlegung des Umit Pricing als eintrittsbegrenzender Verhal
tensweise wurde mittels des Sylos-Postulates unterstellt, daß Etablierte im Falle eines
Markteintrittes ihren Output beibehalten und damit - infolge der zusätzlichen
Angebotsmenge - ein Absinken des (einheitlichen) Marktpreises zulassen bzw.
bewirken. Mit dieser Verhaltensannahme kann aus dem pre-entry-Preis genau
bestimmt werden, wie weit der Marktpreis - in Abhängigkeit von der jeweiligen Ein
trittsgröße - sinken wird und ein potentieller Newcomer kann den so antizipierten
Preis seinen Stückkosten gegenüberstellen. In differenzierten Märkten muß sich zwar
kein einheitlicher Marktpreis herausbilden, denn hier ermöglicht die Existenz von
Preissetzungsspielräumen Preisunterschiede104. Dennoch besteht auch hier keine
völlige Unabhängigkeit der individuellen Preis-Ab satz-Funktionen, so daß wiederum
der post-entry-Preis des Newcomers von der Preis-Absatz-Entscheidung des etablierten Anbieters beeinflußt wirdlOS. Durch das Sylos-Postulat wird die Situation für den
potentiellen Newcomer daher wieder in eindeutiger Weise kalkulierbar106.
Das Sylos-Postulat wurde also eingeführt, um die Umitpreispolitik in einem formalen
Modell abbilden zu können. Hierzu wurde insbesondere das post-entry-Verhalten der Etablierten neutralisiert, so daß der Limitpreis vollständig determiniert ist und nur noch
die Höhe der strukturellen Eintrittsbarrieren widerspiegelt. Der Vorzug dieser Vorgehensweise liegt darin, den Effekt unterschiedlicher Eintrittsbarrieren für die Preis-
103 Vgl. hierzu Bain (Barriers), S. 131 f., und (Industrial Organization), S. 256.
104 Vgl .. Boyle (Industrial Organization), S.59. Der Spielraum für eine unabhängigere Preispolitik resultiert gerade aus der Produktdifferenzierung als einer Form des Nicht-Preiswettbewerbs.
105 Vgl. die Verschiebung der Preis-Absatz-Funktion des Newcomers bei alternativen Preisen des etablierten Konkurrenten in Abb. 9.
106 Damit potentielle Konkurrenten auch Grund ZU einer derartigen Verhaltensannahme haben und das Sylos-Postulat in differenzierten Märkten als zutreffende Reaktionsannahme gelten kann, führt Bain als ergänzende Prämisse ein, daß Newcomer eine hinreichend kleine Eintrittsgröße wählen, so daß Etablierte sich nicht ZU einer Preis-(Mengen-)Reaktion veranlaßt sehen. Vgl. Bain (Industrial Organization), S.258; siehe auch Boyle (Industrial Organization), S.6O. Damit wechselt Bain gegenüber dem Limit Pricing bei Kostenunterschieden hier zum "dominant firm"-Fall über. Dieser zeichnet sich dadurch aus, daß für die etablierten Anbieter statt konstanter Mengen konstante Preise angenommen werden. Eine entsprechende Analyse des Limit Pricing von dominanten Unternehmen bei Kostenvorteilen findet sich bei Scherer (Industrial), S. 232 - 234.
77
bildung verdeutlichen zu können. So ergab die isolierte Betrachtung107 des Limit
Pricing bei den einzelnen Zutrittsbarrieren, daß im Falle absoluter Kostenvorteile die "Barrierenprämie" der Etablierten unmittelbar der Höhe des Kostenunterschiedes
entspricht, während bei Betriebsgrößenersparnissen eine Aussage darüber nur unter
Berücksichtigung von Marktvolumen und Nachfrageelastizität, Ausmaß der min
desteffizienten Größe und Grad der Zunahme von Skalenerträgen möglich war.
Allerdings wird mit dieser Vorgehensweise gerade dem industrieäkonomischen Struktura
lismus Vorschub geleistet, der sich nicht mit der Idee strategischer Untemehmensführung
vereinbaren läßt. Denn in der Tat kann das Marktverhalten (bzw. die Limitpreis
bildung) nur noch als Reflex der Marktstruktur gewertet werden und daher im Indu
strial Organization-Paradigma als bloße Transmissionskategorie geringen Stellenwer
tes betrachtet werden108, wenn man zentrale Teile des Marktverhaltens erst einmal
in Verhaltensannahmen abgedrängt und exogenisiert hat.
Damit erscheint das strukturalistische Eintrittsbarrierenkonzept prima facie als eine "naive Theorie"109, die für strategisches Handeln keinen Raum läßt und daher der
Grundidee des "concept of strategy" widerspricht. Um dieses Urteil zu erhärten oder
zu korrigieren, ist der strategierelevanten Kritik am strukturalistischen Ansatz im
einzelnen nachzugehen. Diese setzt an folgenden zentralen Diskrepanzen zwischen
der traditionellen Industrieökonomik und dem Konzept der Unternehmensstrategie
an, die z.T. unmittelbar aus der Art der Behandlung von Markteintrittsbarrieren im
Limit Pricing-Konzept ersichtlich sind:
(1) Insbesondere nach der vom Sylos-Postulat geprägten Limitpreis-Theorie werden
sowohl die Verhaltensweisen der etablierten Anbieter als auch jene der poten
tiellen Newcomer durch die strukturellen Marktzutrittsschranken detenniniert.
Im Gegensatz dazu ist mit dem Strategiekonzept der Gedanke des Handlungs
spielraums und damit die Indetenniniertheit von Unternehmensstrategien untrennbar verbunden 110.
(2) Wie bereits oben aufgezeigt, liegt sowohl der Industrieökonomik als auch dem Strategiekonzept ein Fit-Gedanke zugrunde. Während die Abstimmung von
107 Zu einer Darstellung der Limitpreisbildung bei gleichzeitigem Vorliegen von Produktdifferen· zierungsvorteilen sowie größenabhängigen und absoluten Kostenvorteilen vgl. Berg (Marktein· trittsbarrieren), S. 284.
108 Vgl. hierzu oben, S. 49.
109 Vgl. Scherer (pricing, S. 101), der das Eintrittssperrenmodell, dem die Bain-Sylos-Politik der Beibehaltung der pre-entry· Produktionsmenge zugrunde liegt, als eine "naive theory of limit pricing" bezeichnet.
110 Vgl. Schreyögg (Untemehmensstrategie), S. 7, und Bourgeois (Determinism), S. 589.
78
Unternehmensstrategie und relevanter Unternehmensumwelt im "concept of
strategy" auch durch Einflußnahme auf die vorgefundenen externen Bedingungen
möglich ist, bringt es der strukturelle Determinismus der Industrieökonomik mit
sich, daß der Fit nur auf dem Wege der Anpassung an vorgegebene Marktstruk
turen vollzogen werden kann. Während also strukturelle Eintrittsbarrieren von
der klassischen Industrial Organization als exogen gegeben betrachtet werden, sind sie im Strategiekontext Ergebnis unternehmerischer Handlungen, d.h.
endogene Strukturmerkmale und damit Aktions parameter.
(3) Eine dritte bedeutende Diskrepanz besteht zwischen der jirmenspeziflSchen Perspektive des Strategischen Management-Konzeptes, das der je spezifischen
Situation eines Unternehmens Rechnung tragen will, und den branchenweit
einheitlichen Marktzutrittsbedingungen industrieökonomischer Provenienz111.
Diese Unverträglichkeiten zwischen dem Konzept der Unternehmensstrategie und
der strukturalistischen Industrieökonomik im allgemeinen sowie der Limitpreis
Theorie im besonderen sind Gegenstand des nachfolgenden Kapitels. Erst wenn über
deren Stellenwert und auch über die Tragfähigkeit des strukturalistischen Eintritts
barrierenansatzes für eine strategische Neuorientierung entschieden ist, können ggf.
die positiven Ansatzpunkte aufgenommen und die unternehmensstrategischen Elemente weiter verfolgt werden.
111 Vgl. hierzu ausführlicher Kap. 3.4.1., S. 180 ff.
79
3.2. Indeterminiertheit der Unternehmens strategie versus struktureller Determinismus der Industrieökonomik?
Angesichts des augenscheinlichen Widerspruchs zwischen der Indeterminiertheit der
Unternehmensstrategie und dem Determinismus, der in der Industrial Organization
von der Marktstruktur auf das Marktverhalten ausgeht, stellt sich die Frage, ob die
strengen Vorstellungen der Limitpreis-Theorie bzw. der traditionellen Industrieöko
nomik soweit gelockert werden können, daß das oben vorgestellte Eintrittsbarrieren
konzept für unternehmensstrategische Belange fruchtbar werden kann. Hierbei wird
sich zeigen, daß das Limit Pricing in der ursprünglichen Konzeptionalisierung Bains
durchaus bereits in differenzierterer Weise der' oligopolistischen Interdependenz der
Entscheidungen von bestehenden und potentiellen Wettbewerbern Rechnung trägt.
Denn indem Bain deren mögliche alternative Verhaltensweisen und Reaktionserwartungen diskutiert, gelangt er genau genommen gerade nicht zu dem einen, wohl defi
nierten Eintrittssperrenpreis. Erst in der Folge vollzog sich dann eine preistheoretische
Verengung des ursprünglich breiter angelegten Limit Pricing-Ansatzes zu dem im vor
stehenden Kapitel dargelegten detenninistischen Konzept. Diese Entwicklung erfolgte
unter dem Einfluß der Monographie von Sylos-Labini1 und insbesondere des Bespre
chungsaufsatzes von Modigliani2 zu den Arbeiten von Bain und Sylos-Labini.
Damit zielt die wesentliche Kritik am Limit Pricing eigentlich "ins Leere" - nämlich
auf die zunächst gar nicht darin enthaltene Beschränkung auf das Sylos-Postulat bzw.
auf die damit unterstellte einzige Verhaltensweise etablierter und neuer Wettbewer
ber. Dennoch bleibt aber die Bedeutung der Determiniertheit des Marktverhaltens
durch die Marktstruktur zu prüfen, die Bain im Anschluß an das deterministische
Industrial Organization-Paradigma implementierte. Da sich auch dieses Problem mit
dem revidierten Paradigma als überwindbar erweist3 und bei Bain selbst gar nicht in
der von Porter konstatierten Schärfe auftritt4, können schließlich neuere Entwicklun-
1
2
3
4
Vgl. Sylos-Labini (Oligopoly).
vgl. Modigliani (Developments).
vgl, zu dieser Neufassung des ursprünglichen Paradigmas oben, S. 37 f. Der dort getätigte Vorgriff erwies sich als notwendig, da ohne ihn die Heranziehung der Industrieökonomik zu Fragen der Strategieforschung nicht einsichtig gemacht werden kann.
Porter - etwas überzeichnend - zu Bains Position: "Bain, representing the structuralist view, responds to the conduct hypothesis that although the form of conduct can indeed differ among industries in ways that reflect the frrm's discretion, the substance (or effect on performance) of these differences in conduct is largely if not totally determined by each industry's structure; therefore conduct is irrelevant. Even though firms think they have a choice, they really do not." Porter (Interbrand choice), S. 74. Bain selbst allerdings etwas differenzierter: "Market structure ...
80
gen aufgezeigt werden, die das indeterminierte strategische Wettbewerbsverhalten etablierter Anbieter gegenüber potentiellen Konkurrenten zum Gegenstand haben.
3.2.1. Ist der Eintrittssperrenpreis determiniert?
Die beiden wesentlichen Kritikpunkte an der Theorie des eintrittsverhindernden Preises lauten, daß das limit Pricing selbst nicht als die langfristig gewinnmaximale
Handlungsweise determiniert ist und daß - sollte es sich unter bestimmten Bedingungen dennoch empfehlen - auch der Eintrittssperrenpreis keine eindeutig determinier
bare Lösung darstellt.
Die erste Kritiklinie, die das limit Pricing als langfristig gewinnmaximale Politik überhaupt in Frage stellt, hält dem Eintrittssperrenpreis die Alternative des Open Pricing entgegen5. Sie setzt dabei an dem Grundgedanken des Umit Pricing an. Dieser besagt, daß es für etablierte Anbieter langfristig vorteilhaft ist, zur Verhinderung von Markteintritten auf kurzfristige Gewinnmöglichkeiten zu verzichten und dafür die Erzielung dauerhaft überdurchschnittlicher Gewinne in Aussicht zu haben. Demgegenüber propagiert das Open Pricing eine unmittelbare Gewinnmitnahme durch eine monopolistische bzw. oligopolistische Preisfestsetzung, und zwar ungeachtet der dadurch stattgegebenen Markteintritte, die zu Marktanteilsverlusten und zukünftig geringeren Gewinnen führen werden6•
Da nun sowohl das limit Pricing- als auch das Open Pricing-Konzept eine langfristige Gewinnmaximierung behaupten7/ 8, ist die Eintrittsverhinderung offenkundig nicht
5
6
7
8
is to some extent created by conduct, a1though the conduct in question generally is feasible because of certain basic environmental or structural characteristics of industries that various seilers can exploit to their advantage." Bain (Industrial Organization), S. 364 f.
Diese Preisstrategie geht auf Stiglers Modell "offener Oligopole" zurück. Hierunter versteht Stigler Oligopolmärkte, in die der Eintritt neuer Konkurrenten relativ einfach möglich ist. Vgl. Stigler (Theory), S. 231 ff. Zum Open Pricing vgl. nachfolgend insbesondere Greer (Industrial Organization), S. 307 ff., und Koch (Industrial Organization), S. 283 ff.
Clarke (Industrial Economics), S. 86, bringt das Entscheidungsproblem "Open oder Limit Pricing?" auf den Nenner eines Trade off zwischen gegenwärtigen Gewinnen und zukünftigen Marktanteilen.
Allerdings stellt Koch (Industrial Organization), S. 284, heraus, daß dies unter z.T. uneinheitlichen Annahmen erfolgt: "Where entry-limit theories predict collusion in order to prevent entry, the open-oligopoly model predicts an absence of collusion and the existence of substantially independent behavior on the part of each firm in the market." Zum Stellenwert der Einigung der etablierten Oligopolisten auf einen Sperrenpreis meint Osborne (Entry), S. 400: "The point is important because the absence of dose co-operation can send price below the entry-barring level."
Zum Versuch einer empirischen Klärung der Frage, ob in oligopolistischen Märkten ein Limit oder ein Open Pricing vorherrscht, vgl. Kamerschen (Test). Diese Untersuchung ist so angelegt, daß aus
81
die einzige bzw. nicht in jedem Falle die gewinnmaximale Strategie. Vielmehr haben
die etablierten Oligopolisten bei gleicher Zielsetzung die Wahlmöglichkeit zwischen
eintrittssperrenden Preisen und solchen ohne diese Obergrenze. Dabei ist - wegen
der unterschiedlichen Struktur der Gewinnströme dieser beiden Alternativen9 - für
die Wahl der Preispolitik letztlich die Summe aller abgezinsten zukünftigen Gewinne
maßgeblich.
Welche Preisgestaltung maximiert nun den Barwert der zu erwartenden Gewinne? Ist
es langfristig vorteilhafter, Markteintritte zu verhindern oder Eintrittsversuchen statt
zugeben? Nach Scherer richtet sich die Antwort hierauf nach dem zugrunde gelegten
Abzinsungsfaktor, nach der Höhe der Eintrittsbarrieren sowie nach dem Ausmaß und
dem zeitlichen Verlauf von Marktzutritten und Gewinnrückgang im Falle einer Open
Pricing-PolitiklO• Ein größerer Time-lag bis zum Stattfinden von Markteintritten
spricht beispielsweise für eine Anhebung der Preise über das eintrittssperrende
Niveau, " ... for the sum of high short-run profits and lower discounted post-entry
profits will be greater the longer the lags and may exceed present and discounted
future entry-barring profits."n Auch fehlende oder lediglich geringe Kosten- und
Differenzierungsvorteile gegenüber Newcomern favorisieren die Realisation anfäng
lich hoher Gewinne. Denn ohne den Schutz deutlicher struktureller Eintrittsbarrieren
müßte der Limitpreis zur Verhinderung von· Marktzutritten so niedrig angesetzt
werden, daß er überhaupt bzw. fast keine überdurchschnittlichen Gewinne mehr
zuläßt12. Ebenso begünstigen hohe Abzinsungsraten eine Open Pricing-Politik, da bei
dieser weiter in der Zukunft liegenden Gewinnen eine geringere Bedeutung beige
messen wird als den stärker gewichteten kurzfristigen Gewinnen13•
9
einer im Zeitablauf abnehmenden Konzentrationsrate auf ein Open Pricing geschlossen wird. Zu einer Darstellung vgl. auch Koch (Industrial Organization), S. 285 f.
Dem Open Pricing mit anfänglich hohen und im Zeitablauf sinkenden Gewinnen stehen beim Limit Pricing zunächst geringe, aber steigende Gewinne gegenüber. Zu einer graphischen Veranschaulichung vgl. Greer (Industrial Organization), S. 308, und Scherer (Industrial), S. 236.
10 Vgl. Scherer (Industrial), S. 235. n Osborne (Entry), S, 399.
12 Vgl. Scherer (Industrial), S. 235 f.
13 Eine generelle Empfehlung für ein Open Pricing oder ein Limit Pricing kann hier wegen der stark subjektiven Wahl des Abzinsungsfaktors nicht mehr gegeben werden. Zu einer kurzen Diskussion dieses Sachverhaltes vgl. Scherer (IndustriaI), S.235. Unter Bezugnahme auf Dean (Managerial, S. 568) weist Scherer darauf hin, daß in den Standardwerken der Managerial Economics bei hoher Unsicherheit hohe Abzinsungsraten als angebracht gelten. Ein solches Unsicherheitsniveau hält Scherer bei der Planung der langfristigen Preispolitik für gegeben. Allerdings räumt er mit Harrod (Essays) ein, daß einer hohen Unsicherheit auch gerade entgegengesetzt begegnet werden kann: "The best method of insuring against them (the vast uncertainties of a relatively distant future, Anm. d. Verf.) is to attach to oneself by ties of goodwill as large a market as possible as quickly as possible. If one can get a substantially larger market by earning no more than a normal profit than
82
Als Zwischenergebnis kann nun festgehalten werden: Aus der Existenz (mindestens)
zweier Handlungsalternativen14 zur langfristigen Gewinnmaximierung geht hervor,
daß eine eintrittsverhindernde Preispolitik bei Vorliegen struktureller Markteintritts
barrieren nicht von vornherein angezeigt, d.h. nicht schon selbst detenniniert ist. Und die
Frage nach der im Einzelfall gewinnmaximalen Preispolitik kann nur unter Würdi
gung marktstruktureller und unternehmensspezifischer, ja sogar subjektiver bzw.
intrapersoneller Faktoren beantwortet werden. Insofern scheint das Limit Pricing
Konzept ein gravierendes Defizit aufzuweisen. Denn es kennt ja zunächst überhaupt
nur die Eintrittsverhinderung als gewinnmaximale Handlungsweise. Und aufgrund
fehlender Handlungsalternativen müssen auch nicht die Voraussetzungen konkreter
analysiert werden, unter denen sich die Festsetzung des Limitpreises als optimale
Strategie empfiehlt.
Diese Kritik betrifft nun zwar zu Recht die Theorie des Eintrittssperrenpreises nach
Sylos-Labini und Modigliani, richtet sich aber nicht gegen das strukturalistische Ein
trittsbarrierenkonzept und das Limit Pricingper se. Denn bereits Bain berücksichtigte
- zumindest ansatzweise - die oben mit Scherer herausgestellte Bedeutung des Entry
lags für das Marktverhalten etablierter Anbieter bzw. für deren Bedrohung durch
potentielle Konkurrenten: ''The longer the lag period in question, the less influence
any given threat of entry will be likely to have on established sellers.,,15 Jedoch fand
Bain zunächst keinen Weg, den "entry-deterring price gap" und den "entry lag" zu
einem Maß zusammenzufassen und definierte die Marktzutrittsbedingungen daher
allein über die Höhe der größtmöglichen eintrittsverhindernden Preis-Kasten-Diffe
renz. Gleichwohl bezog er aber die Zeitspanne bis zum Erfolgen von Markteintritten
one could get by earning a surplus profit ... one may weil choose to do the former, as an insurance against future uncertainties." Damit kann nur noch ausgesagt werden, daß der Abzinsungsfaktor von der Perzeption der Umweltunsicherheit und letztlich von der subjektiven Risikoneigung bzw. -aversion der Entscheidungsträger abhängt.
14 In einer statischen Betrachtung werden der Monopolpreis und der Limitpreis als nachhaltig fest· gelegte, d.h. konstante Preise unterstellt. Da aber die Preisgestaltung im Zeitablauf geändert werden kann, beschreiben der Monopol- und Eintrittssperrenpreis nur die Ober- und Untergrenze aller Preisalternativen. Dazwischen liegt der Lösungsraum der dynamischen Limitpreiskalkulation. [Greer (Industrial Organization), S. 309, spricht daher von "intermediate pricing".] Die dynamischen Ansätze basieren auf der Grundvorstellung, daß es unter Gewinnmaximierungsaspekten vorteilhafter ist, Markteintritten kontrolliert stattzugeben als diese völlig zu verhindern oder uneingeschränkt zuzulassen. Sie fragen daher nach dem optimalen Zeitpunkt für die Absenkung des (Monopol-)Preises zur Verzögerung weiterer Marktzutritte oder nach optimalen Preispfaden. Zu einem Hinweis auf wichtige Arbeiten in diesem Bereich vgl. unten, S. 83, Fußnote 18.
15 Bain (Barriers), S. 11. Unter der "lag period" bzw. dem "entry lag" versteht Bain die Zeitspanne zwischen der Initiierung erster, mehr oder weniger unwiderruflicher Schritte des Kapazitätsaulbaus und der Bereitstellung aller Ressourcen für den routinemäßigen Betrieb bei geplantem Produktionsausstoß. Vgl. ebenda, S. 10 f.
83
als ergänzenden Faktor in seine analytischen Überlegungen ein16. Im Gegensatz dazu traten im Limit Pricing-Modell von Sylos-Labini die zeitlichen Aspekte dann vollends
in den Hintergrund17, bis sie schließlich mit den dynamischen Limitpreis-Ansätzen in
den Mittelpunkt des Interesses rückten18.
Aber nicht nur der Entry-Iag fand Eingang in Bains theoretische Vorüberlegungen
zur Limitpreisbildung, die er zur Generierung von Hypothesen für seine empirische
Studie anstellte. Er gelangte darin sehr wohl auch zu dem Ergebnis, daß unter
bestimmten (marktstrukturellen) Konstellationen bei etablierten Anbietern eher ein
Open Pricing als ein Limit Pricing zu beobachten sein wird. Als Bestimmungsfak
toren der zu erwartenden Verhaltensweise berücksichtigte er bereits - wie auch
später Scherer19 - die Höhe der Eintrittsbarrieren und die Bedeutung, die der
Unsicherheit über die zukünftigen Marktverhältnisse beigemessen wird. Mit Blick auf
diese Unsicherheit unterschied Bain bei der Modellbildung folgende zwei Möglich
keiten20: Zum einen den Fall, daß sich etablierte Anbieter im unklaren sind, ob mit
neuen Wettbewerbern nach deren Markteintritt eine Kollusion, d.h. eine Verständi
gung über die für beide Seiten günstigste gemeinsame Vorgehensweise im Markt
gelingt. Angesichts dieser Ungewißheit ist es nach Bain sicherer, einen Markt zu kon
trollieren als Markteintritte zuzulassen, was mit Unwägbarkeiten über die zukünftige
Verteilung des Branchenabsatzes auf die einzelnen Anbieter verbunden ist. Bain hält
es daher für wahrscheinlich, daß etablierte Anbieter ein Limit Pricing bevorzugen
werden, " ... wherever the relatively certain profits offered by those courses (gemeint
ist die Zutrittsverhinderung, Annl. d. Verf.) exceed the heavily risk-discounted gain
attainable if entry is attracted via higher prices."21 Zum anderen analysiert Bain den
16 Vgl. Bain (Barriers), S. 11.
17 Vgl. z.B. den Annahmenkatalog des Limit Pricing bei Rühmann (Latente Konkurrenz), S. 3Ol.
18 Vgl. hierzu insbesondere die Arbeiten von Gaskins (Dynamic), Wenders (Entry), Kamien & Schwartz (Limit) sowie Pashigian (Limit). Siehe auch die Darstellung bei Jacquemin & Thisse (Strategy) und Neumann (Volkswirtschaftslehre III), S. 178 ff., sowie durch Feichtinger (Dynami. sche Preispolitik). Osborne (Rationality, S.71) kommentiert die Dynamisierung statischer Limit Pricing-Konzepte als eine natürliche Weiterentwicklung, da Markteintritte und diesbezüglich zu ergreifende Maßnahmen "inhärent dynamisch" sind. Denn, so Osborne (ebenda, S. 71) kurz und treffend: "Entry takes time."
19 Vgl. dazu oben, S. 8l.
20 Vgl. nachfolgend Bain (Pricing), S. 227 - 234.
21 Bain (Pricing), S. 229. Zur Einbeziehung der Unsicherheit in Limit Pricing-Modelle siehe auch Baron (Limit), S. 672: "Since limit pricing decision involves uncertain profits, it seems natural to ask how risk preferences affect the limit price." Baron zeigt in seinem Beitrag, daß eine Risikoaversion zu einer Senkung des Limitpreises führen kann und daher ähnlich wie eine Eintrittsbarriere wirkt _ nämlich insofern, als sie Markteintritte ebenfalls weniger wahrscheinlich macht. Allerdings gebraucht Baron einen anderen Risikobegriff als Bain. Für ihn besteht das Risiko etablierter
84
Fall, in dem etablierte Anbieter vom Gelingen einer Interessenkoordination mit
Newcomern ausgehen. Hier gelangt er zu dem Ergebnis, daß der Gewinn etablierter
Unternehmen ebenfalls durch das Setzen eines Limitpreises maximiert wird22.
Breiten Raum widmete Bain auch bereits dem später wiederum von Scherer hervor
gehobenen Einfluß der Eintrittsbarrierenhähe auf die Wahl der Preispolitik. Seine Hypothesen23 besagen diesbezüglich24:
(1) Eine dauerhaft monolpolistische Preisgestaltung sollte in Branchen zu erwarten
sein, in denen sehr hohe Eintrittsbarrieren den Marktzutritt neuer Anbieter
blockieren ("blockaded entry").
(2) Bei hohen bis mittelhohen Eintrittsbarrieren dürfte eine nachhaltige Limitpreis
politik anzutreffen sein, mit Preisen deutlich unterhalb des monopolistischen
Niveaus, aber spürbar über dem Wettbewerbsniveau; Markteintritte sollten aber
nicht stattfinden ("effectively impeded entry").
(3) Bei mäßigen bis geringen und bei fehlenden Eintrittsbarrieren ist mit hohen
temporären Preisen und Gewinnen zu rechnen, die aber Markteintritte nach sich
ziehen ("ineffectively impeded entry" und "easy entry").
Bains apriori-Überlegungen zu Marktstrukturen und eintrittsverhindernden Preis
strategien decken also sowohl das Open Pricing (nämlich im "blockaded entry"-Fall)
als auch das Limit Pricing (im "effectively impeded entry"-Fall) und selbst das
Dynamic Limit Pricing (im Falle eines "ineffectively impeded entry") ab. Damit wird
offensichtlich, daß das strukturalistische Eintrittsbarrierenkonzept nicht in dem Sinne
deterministisch ist, daß es überhaupt nur eintrittssperrende Verhaltensweisen analy
siert und vorschreibt, sondern auch andere gewinnmaximierende Alternativen und
deren strukturelle Kontextbedingungen beleuchtet.
Anbieter darin, daß potentielle Konkurrenten tatsächlich in den Markt eintreten werden (vgl. ebenda, s. 670). Für Bain liegt es hingegen im Scheitern einer Kollusion nach einem Markteintritt.
22 Vgl. Bain (Pricing), S.231 - 234. Allerdings hierzu einschränkend (ebenda, S.234): "It may be objected, of course, that if established seilers assume collusion after entry, and potential entrants assume it too, then these potential entrants should not be much influenced by the current prices of established seilers, and that a Iimit-price analysis is thus implausible. It becomes plausible evidently only if potential entrants are quite uncertain about industry demand and about how they will be welcomed by established seilers. But such an incongruity of attitudes is itself not implausible, and the model just developed may thus constitute a realistic variant of our first model."
23 Bain spricht auch von "theoretical" oder "a priori predictions".
24 Vgl. Bain (Industrial Organization), S. 272 ff., insbesondere S. 275, sowie (Barriers), S. 34 - 41.
85
Hiergegen mag man jedoch berechtigterweise einwenden, daß der strenge Deter
minismus (wie im Modell der vollkommenen Konkurrenz) lediglich einem situativen
Determinismus gewichen ist25• Denn schließlich ist in Abhängigkeit von der Höhe der
Eintrittsbarrieren immer noch eine bestimmte Verhaltensweise angezeigt: Präskriptiv
gewendet besagt Bains "effectively impeded entry"-Hypothese doch, daß ein etablier
tes Unternehmen in einer Branche mit mittelhohen Eintrittsbarrieren seinen Gewinn
nur durch die Festsetzung des Eintrittssperrenpreises maximiert.
Folgt man nun diesem Einwand und hinterfragt den FaJl, in dem ein Limit Pricing
kontextabhängig, d.h. durch die spezifische Ausprägung der Marktstruktur vorbe
stimmt ist, so stellt sich heraus, daß auch für diesen Ausschnitt bzw. Teilbereich des
strukturalistischen Eintrittsbarrierenansatzes der Limitpreis keineswegs so eindeutig
determiniert ist, wie es die Theorie des eintrittsverhindernden Preises nach Sylos
Labini nahelegt. Denn dies würde voraussetzen, daß entweder keine Interdependenz
zwischen den Entscheidungen etablierter und potentieller Anbieter besteht, oder daß
- sollte eine wechselseitige Entscheidungsabhängigkeit doch gegeben sein - das SylosPostulat als realistische Annahme für die beiderseits gehegten Verhaltenserwar
tungen gelten kann. Nur wenn es nämlich gelingt, die Unsicherheit der Etablierten
über die Handlungspläne und -prämissen potentieller Konkurrenten mittels stich
haltiger Annahmen zu beseitigen26, kann eine wohl definierte und damit deter
minierte Lösung gefunden werden. Andernfalls steht den etablierten Anbietern - je
nach dem Spektrum der von ihnen erwogenen Annahmen über neue Wettbewerber -eine Reihe alternativer, d.h. indeterminierter Optimallösungen offen27.
Keine Schwierigkeiten bereitet die Deduktion eines allein gültigen Limitpreises
zunächst in Branchen mit atomistischer Marktstruktur und in Oligopolmärkten mit
einem dominanten Branchenführer. Denn in atomistischen Märkten ist nach Voraus
setzung kein Handlungsspielraum für einzelne Firmen gegeben. Kein Anbieter geht
also davon aus, daß er mit seiner Preispolitik die Marktstruktur oder das Marktver
halten seiner (potentiellen) Mitbewerber beeinflussen kann. Dies bedeutet, daß ein
einzelnes Unternehmen durch seine Preisgestaltung weder Marktzutritte verhindern
25 Zur kontingenztheoretischen Perspektive und den situativen Ansätzen vgl. Schreyögg (Umwelt) und (Contingency).
26 Dies gilt natürlich auch für die Unsicherheit der Newcomer über die voraussichtlichen Reaktionen etablierter Wettbewerber auf ihren Markteintritt.
27 Zu einer Diskussion des Verhältnisses von oligopolistischer Interdependenz, HandlungsspieIraum und Determinismus vgl. Schreyögg (Unternehmensstrategie), S. 12 - 17.
86
noch herbeiführen kann28• Ein anderes Bild zeigt sich in Oligopolmärkten. Hier
besitzen die einzelnen Marktteilnehmer grundsätzlich einen hinreichenden Freiheits
grad für strategisches Handeln. Ein eindeutig determinierter Limitpreis ergibt sich
hier aber nur dann, wenn die Freiheitsgrade asymmetrisch verteilt sind, wie in Oligo
polen mit einer dominanten Finna. Bei dieser Marktform29 verfügt nur der marktbeherrschende Branchenführer über einen Handlungsspielraum3O. Die restliche
Branche ist hingegen so stark fragmentiert, daß sich die zahlreichen kleineren
nachrangigen Anbieter wie atomistische Preisnehmer verhalten31. Sie betrachten den
Preis des dominanten Unternehmens als gegeben und bestimmen ihre Angebots
menge nach dem Cournot-Kriterium. Für den Marktführer bedeutet dies eine kalku
lierbare Situation. Er kann seine eigene Nachfragekurve ermitteln, indem er von der
Marktnachfrage das sich bei alternativen Preisen ergebende Angebot der kleineren
(aktuellen und potentiellen) Konkurrenten subtrahiert32. Und in Kenntnis dieser
individuellen Nachfragefunktion kann er die exakt bestimmbare Restnachfrage potentieller Wettberwerber auf Null beschränken33.
Trotz einer oligopolistischen Interdependenz zwischen etablierten und neuen Wett
bewerbern besteht also in Märkten mit einem dominanten Anbieter ein exakt defi
nierter Limitpreis. Denn nach Voraussetzung weiß das marktbeherrschende Unternehmen in einer derartigen Branche, daß Newcomer als Preisnehmer und Mengen-
28 Vgl. Bain (Barriers), S.3O. Bain hierzu in (Industrial Organization), S. 272: "Therefore, their independent competitive policies result in the emergence of a market-determined price that either does not attract entry ... or does attract it until price is brougth down to the level of the minimal average costs of the most-disadvantaged or marginal entrant. It follows that in atomistic industries the condition of entry is simply one of the market forces that 'automatically' determine longrun equilibrium market prices."
29 Die Untergrenze des Marktanteils für eine Preisführerschaft bzw. Marktdominanz wird von Scherer (IndustriaI), S. 232, und von Stigler (Industry), S. 228, mit 40 Prozent beziffert.
30 Dieser äußert sich darin, daß der Marktführer im Gegensatz zu den Randwettbewerbern ("fringe rivals") alternative Preise festsetzen kann. Unter der Voraussetzung einer angestrebten langfristigen Bestandssicherung ist aber seine Wahlmöglichkeit eingeschränkt, da bei Preisen über dem eintrittssperrenden Niveau sein Marktanteil auf lange Sicht gegen Null gehen würde. Vgl. Neumann (Volkswirtschaftslehre III), S. 173, und Scherer (Industrial), S.234; siehe auch die Diskussion zum Niedergang marktbeherrschender Unternehmen, Z.B. in Weiss & Pascoe (Dominance) und Geroski (Decline). Insofern existiert nicht nur - wie nachfolgend gezeigt - eine wohl definierte Lösung für den Eintrittssperrenpreis, sondern dieser muß von marktbeherrschenden Unternehmen aus Gründen der Bestandserhaltung auch realisiert werden. So gesehen besteht kein echter Handlungsspielraum.
31 Nach Neumann (Volkswirtschaftslehre III), S.l72, ist eine derartige Marktstruktur vielfach dadurch begründet, daß die dominante Firma mit vergleichsweise niedrigen Kosten produziert, die Z.B. aus absoluten Kostenvorteilen resultieren.
32 Vgl. Neumann (Volkswirtschaftslehre III), S. 172.
33 Vgl. dazu im einzelnen Scherer (Industrial), S. 233 f.
87
anpasser agieren und kann dies in sein Kalkül einbeziehen. Wie verhält es sich aber,
wenn es keinen dominanten Marktführer gibt, dessen Preis die potentiellen New
comer als gegeben akzeptieren?
In diesem Fall müssen sowohl die etablierten Anbieter bei der Festsetzung des Sper
renpreises als auch die potentiellen Newcomer bei ihrer Eintrittsentscheidung
Annahmen über die Reaktionsweise und Entscheidungsprämissen ihrer Kontrahen
ten treffen. Denn maßgeblich für einen potentiellen Wettbewerber ist grundsätzlich
nicht der augenblicklich herrschende Marktpreis, sondern der post-entry-Preis, der
sich nach seinem Marktzutritt einstellen wird. Dieses zukünftige Preisniveau, das er
seinen Stückkosten gegenüberzustellen hat, hängt nun sowohl von seiner eigenen
(geplanten) Angebotsmenge ab, aber auch von derjenigen der bereits bestehenden
Unternehmen. Um deren zukünftige Absatzmenge in sein Kalkül einbeziehen zu
können, müßte der Newcomer die (Preis-/Mengen-)Reaktion bestehender Wett
bewerber auf seinen Markteintritt zutreffend vorhersagen können. Umgekehrt ent
faltet der von den Etablierten festgesetzte pre-entry-Preis nur dann eine eintrittssper
rende Wirkung, wenn potentielle Newcomer im Zuge ihrer Entscheidungsfindung genau diejenige Reaktion bestehender Anbieter antizipieren, die diese selbst der
Kalkulation des Limitpreises zugrunde gelegt haben.
Wie bereits erwähnt, wird dieses Problem der oligopolistischen Reaktionsverbunden
heit zwischen Newcomern und Etablierten in der Theorie des eintrittsverhindernden Preises meist mittels des Sylos-Postulates gelöst34• Danach ist die Beibehaltung der
Angebotsmenge der Etablierten im Falle von Marktzutritten als eine denknotwen
dige Annahme zu unterstellen. Mit der Kennzeichnung dieser Annahme als ein
Postulat verbindet sich der Anspruch, daß deren Gültigkeit zwar nicht beweisbar,
aber durchaus glaubhaft und einsichtig ist.
Wie lautet also die Begründung dafür, daß Newcomer realistischerweise annehmen
müssen, daß Etablierte ihren Output zukünftig nicht verändern werden? Modigliani,
der ja den Begriff des Sylos-Postulates prägte, bleibt eine stichhaltige Antwort schul
dig. Er stellt in seinem Besprechungsaufsatz zu Bain und Sylos-Labini zunächst ledig
lich fest, daß beide Autoren nicht vor dem Problem der oligopolistischen Interdepen
denz haltmachen, sondern mit der Outputbeibehaltung den aus der Sicht der New-
34 So z.B. auch Needham (Barriers), S.3O: "Much of the existing theory of entry barriers is based explicitly or implicitly on the assumption, usually referred to as the Sylos Postulate, that entrants expect established rums to maintain their output at an unchanged level in the face of entry."
88
corner ungünstigsten Fall systematisch analysieren35. Etwas weiter unten konstatiert
er zu Bains "halbherzigen Versuchen", die Konsequenzen der Abkehr vom Sylos
Postulat zu erforschen36: "Certainly, the diametrically opposite assumption that
existing firms will adopt a policy of maintaining price, by contracting their output,
would generally be a rather foolish one far the entrant to make.,,37 Denn diese
Annahme impliziere, daß etablierte Unternehmen den Newcomern großzügig Markt
anteile überlassen und die damit verbundenen Umsatzeinbußen und möglicherweise
höheren Durchschnittskosten bereitwillig in Kauf nehmen38•
Genau hierin sehen nun aber einige Kritiker die günstigere Verhaltensweise beste
hender Wettbewerber nach dem Stattfinden von Markteintritten. So zeigt z.B.
Bhagwati, daß bei identischen Kostenfunktionen39 sowohl die neu hinzugekommenen Wettbewerber als auch die etablierten Unternehmen in die Verlustzone geraten,
wenn ein Markteintritt stattfindet und letztere ihre Angebotsmenge beibehalten. Damit ist es nach Bhagwati in homogenen Märkten zunächst eine Frage des Zufalls,
welche Firma ausscheiden wird. Wenn aber die mindesteffiziente Eintrittsgröße der
Newcomer geringer ist als die Angebotsmenge der Etablierten, ist der Verlust der
bestehenden Anbieter größer als jener der neuen Wettbewerber. Damit verschieben sich - ceteris paribus - die Überlebenschancen zugunsten der Newcomer40• Vor dem
Hintergrund dieser Überlegungen wäre es also für bereits bestehende Unternehmen
vorteilhaft, ein zu starkes Absinken des Marktpreises durch Rücknahme der eigenen
Absatzmenge zu verhindern. Ähnlich argumentiert Scherer, daß eine unveränderte
Angebotsmenge im Regelfall nicht die profitabelste Strategie für die betroffenen
Unternehmen ist. Früher oder später werden sie auf erfolgte Markteintritte mit einer
Angebotsreduzierung und Preiserhöhung - entweder bis auf das kurzfristig gewinn-
35 Vgl. ModigIiani (Developments), S. 217.
36 So sinngemäß Modigliani (Developments), S. 230.
37 Modigliani (Developments), S. 230.
38 Vgl. Modigliani (Developments), S. 230.
39 Sylos-Labini konzentriert sich hauptsächlich auf den Fall, in dem bestehende und neue Konkurrenten Zugang zur gleichen langfristigen Kostenfunktion besitzen. Vgl. Modigliani (Developments), S. 215. Auch Bain bezieht sich bei seinen Überlegungen zum Limitpreis unter dem Sylos-Postulat nur auf größenabhängige Eintrittsbarrieren. Kostenunterschiede können daher nur aus Größenunterschieden resultieren. Die Kurve der langfristigen Stückkosten ist also für alle Marktteilnehmer
40
identisch. V gl. hierzu oben, S. 49 fr. und S. 55.
Vgl. Bhagwati (Entry-prevention), S. 307 f. Das Argument des relativ größeren Nachteils etablierter Unternehmen wurde zuerst von McGee (Predatory) im Zusammenhang mit dem Verdrängungswettbewerb gebraucht. Siehe hierzu· unten, S. 118.
89
maximale Niveau oder erneut auf die eintrittsverhindernde Höhe - reagieren41. Und
wenn potentielle Newcomer erkennen, daß es für Etablierte keinen ökonomischen
Grund gibt, eine nichtkooperative Preispolitik zu ergreifen und aufrechtzuerhalten,
werden sie nicht von der Einschätzung am Marktzutritt gehindert, daß durch ihr
zusätzliches Angebot der Preis drastisch sinkt: "The threat of output maintenance and
price cutting by established firms lacks credibility, and threats that are not credible do not deter.,,42/43
Das Sylos-Postulat ist demnach (vorerst) mangels Glaubwürdigkeit keine tragfähige,
allein gültige Reaktionsprämisse für eine Limitpreis-Theorie. Und selbst wenn sich -
wie bereits mit der vorstehenden Fußnote angedeutet und wie weiter unten ausführ
lich thematisiert - die Glaubwiirdigkeit der "Sylos-Drohung" herstellen läßt, kann diese Annahme zum post-entry-Verhalten nicht als die "realistischte" oder gar
"pessimistischte" Prämisse ausgezeichnet werden. Denn dem Argument von
Modigliani, daß ein konstantes Absatzvolumen die ungünstigste der zu erwartenden
Reaktionen darstellt, mit der ein Newcomer rechnen muß, kann dann unschwer ent
gegengehalten werden, daß Etablierte mit der Ausdehnung des eingenen Angebots noch härtere Gegenmaßnahmen ergreifen oder androhen können44• Diese Einwände
gegen die Begründung Modiglianis machen deutlich, daß das Sylos-Postulat als
generelle Reaktionsprämisse nicht haltbar ist45. Es führt zwar zu einem wohl definier
ten Limitpreis, der jedoch mangels Eindeutigkeit und Stichhaltigkeit der zugrunde
liegenden Verhaltens annahme die ihm zugedachte Wirkung nicht entfalten kann. Damit ist es einerseits nicht sinnvoll, überhaupt von einem wohl definierten bzw.
determinierten Limitpreis zu sprechen; andererseits bietet diese Theorie des eintritts
verhindernden Preises gerade keinen Ansatzpunkt für strategische Überlegungen, da
41 Vgl. Scherer (Industrial), S.246. Bei der neuerlichen Festsetzung des Limitpreises wird gegebenenfalls eine Korrektur vorgenommen werden, die der vorausgegangenen Erfahrung Rechnung trägt. Vgl. ebenda, S. 246.
42 Scherer (Industrial), S. 246. Scherer argumentiert hier freilich aus dem Modell selbst heraus, das ja vollständige Information auf beiden Seiten voraussetzt. Wenn diese Prämisse jedoch aufgegeben wird oder wenn auch nur die Möglichkeit der Selbstverpflichtung eingeräumt wird, werden Verge\tungsmaßnahmen bzw. Preissenkungen glaubhaft, die sogar über das zur Absorbierung der zusätzlichen Angebotsmenge erforderliche Ausmaß hinausgehen können. Vgl. dazu unten, Kap. 3.3.1., S. 116 ff.
43 Zu einem ähnlich vernichtenden Ergebnis wie vorstehend Scherer gelangt Wenders (Entry), S. 1277: "In no case does the output maintenance assumption make sense in terms of immediate profit or present value maximization."
44 Vgl. z.B. Needham (Analysis), S. 104.
45 So sehen auch Hay & Morris (Industrial Economics), S. 185, das Sylos-Postulat nur als gerechtfertigt an, wenn etablierte Unternehmen nahe der Kapazitätsgrenze und mit hohen Fixkosten fertigen, so daß sie eine Drosselung ihrer Produktion als sehr unwirtschaftlich empfinden; zugleich muß eine signifikante Kapazitätserweiterung für einen beträchtlichen Zeitraum undurchführbar sein.
90
das Bestreben des Sylos-Postulates dahin geht, Handlungsalternativen auszuklam
mern und den Entscheidungsspielraum zu eliminieren.
Wie schon oben, als das Open Pricing gegen den Limitpreis-Ansatz als alternative
Gewinnmaximierungsmöglichkeit in Stellung gebracht wurde, führt auch hier der
Rückgriff auf die weitaus differenzierteren originären Überlegungen Bains weiter.
Diese nehmen ihren Ausgangspunkt bei der Diskussion des Aussagegehalts von pre
entry-Preisen für das zukünftige Preisniveau, das ja für Newcomer entscheidungsre
levant ist; und sie münden in eine Reihe alternativer Reaktionsmöglichkeiten für
bestehende Wettbewerber. Potentielle Newcomer sieht Bain diesbezüglich mit einem
immanenten Unsicherheitsproblem konfrontiert. Insofern kann der auf Bain zurück
zuführende Limitpreis-Ansatz als ein nicht detenninistisches Konzept gewertet werden.
Denn anders als Modigliani ist Bain letztlich nicht bestrebt, die Unsicherheits
situation zu beseitigen und den strategischen Handlungsspielraum künstlich zu
schließen.
Dies wird bereits an Bains Problematisierung des Zusammenhangs zwischen dem pre
entry- und dem post-entry-Preis deutlich. Zu diesem Punkt räumt Bain ein, daß dem
augenblicklichen Gewinn- oder Preisniveau einer Branche nicht notwendigerweise
eine direkte Bedeutung zukommt, " ... since the anticipated industry price after entry and the entrant's anticipated market share are the strategie considerations.,,46
Gleichwohl erachtet es Bain als überzogen, eine völlige Unabhängigkeit zwischen der
gegenwärtigen Preis- und Gewinnsituation und der zukünftigen Rivalität zu unter
stellen. Denn auch wenn ein Newcomer davon ausgeht, daß er selbst nicht den pre
entry-Preis realisieren können wird, kann er in diesem dennoch einen Indikator für
die späteren Wettbewerbsverhältnisse sehen. In diesem Fall kann es einen kritischen
pre-entry-Preis geben, unterhalb dessen ein potentieller Wettbewerber vor einem
Markteintritt zurückschreckt. Dies gilt zumindest solange, wie ein potentieller New
comer die zu beobachtende Preispolitik der Etablierten eher als eine Erklärung über
zukünftige Absichten ("statement of intentions") denn als einen BluJfbewertet47•
Inwieweit der pre-entry-Preis eine prognostische Kraft für das spätere Preisniveau besitzt, hängt damit ganz wesentlich von den (subjektiven) Deutungen neuer Konkur
renten ab. Und umgekehrt basiert auch die Festlegung des Eintrittssperrenpreises auf subjektiven Schätzungen der bereits bestehenden Wettbewerber48• Damit macht Bain
zwei bedeutende Einschränkungen zur (objektiven) Determiniertheit des eintritts-
46 Bain (Pricing), S. 224.
47 Vgl. Bain (Pricing), S. 225.
48 Vgl. Bain (Pricing), S. 226.
91
verhindernden Preises: "Since the limit price must be defined in terms of the guess of
the established firm(s) concerning the anticipations of the potential rivals, it is
especially subject to error as an ex ante magnitude, and it may be invalid if potential
entrants read it as a bluff.,,49
Ebenso differenziert wie den Zusammenhang von pre-entry- und post-entry-Preisen
behandelt Bain dann auch das Problem der Interdependenz zwischen bestehenden und
neuen Wettbewerbern. Denn im Gegensatz zu Sylos-Labini und Modigliani legt er sich
nicht von vornherein auf eine einzige Annahme fest. Er diskutiert vielmehr ein
umfassenderes Spektrum von Reaktionsweisen etablierter Anbieter, die ein New
comer abzuwägen und in sein Eintrittskalkül einzubeziehen hat. Dieses Szenario der
von potentiellen Wettbewerbern antizipierten Reaktionen kann nach Bain folgende
Bandbreite annehmen50:
(1) Bei einer unbedeutenden Eintrittsgröße werden etablierte Unternehmen das
zusätzliche Angebot eines neuen Wettbewerbers nicht wahrnehmen. Auch der
Markt wird davon nicht spürbar beeinflußt. Potentielle Newcomer können in
diesem Fall unterstellen, daß sich der Marktpreis nicht ändern wird.
(2) Auch wenn ein Newcomer mit einer beträchtlichen Kapazität einzutreten plant,
mag er davon ausgehen, daß ihm bei konstanten Preisen ein entsprechender
Marktanteil eingeräumt werden wird.
(3) Alternativ dazu ist es denkbar, daß etablierte Wettbewerber ihre Ausbringungs
menge konstant halten, so daß der Marktpreis in dem Maße sinkt, in dem der
Newcomer das Gesamtangebot vermehrt.
(4) Newcomer können aber auch die Vermutung hegen, daß die bisherigen Anbieter
ihre Absatzmenge zwar reduzieren werden, jedoch nicht so stark, daß trotz des
zusätzlichen Angebots neuer Wettbewerber der pre-entry-Preis erhalten bleibt.
Der post-entry-Preis fällt dadurch geringer aus als der augenblickliche Markt
preis. Allerdings liegt er über dem Preisniveau, das sich bei einer unveränderten
Ausbringungsmenge etablierter Wettbewerber ergeben würde.
(5) Möglicherweise rechnen potentielle Newcomer aber auch mit Vergeltungsmaß
nahmen. Sie erwarten vielleicht, daß die bereits bestehenden Anbieter ihren
Output steigern und dadurch eine noch stärkere Preissenkung bewirken werden
als im Fall der Beibehaltung ihres Angebots.
49 Bain (Pricing), S. 226. Etwas überraschend fährt Bain allerdings fort: "But it is nethertheless potentially valid and determinate."
50 Vgl. Bain (Barriers), S. 97.
92
(6) Schließlich mögen Newcomer auch eine Anhebung der Preise über das augen
blickliche pre-entry-Niveau antizipieren.
Angesichts dieser Fülle möglicher Verhaltensweisen spricht Bain von einer unaus
weichlichen Unsicherheit darüber, ob bestehende Anbieter auf den Eintritt neuer
Wettbewerber wie von diesen antizipiert reagieren werden51. Diese der oligopolisti
sehen Interdependenz immanente Unsicherheit löst er nun im Gegensatz zu Modi
gliani nicht mittels eines einzigen. Postulates auf. Statt dessen trifft er stochastische Aussagen über die einzelnen Alternativen. Die geringste Wahrscheinlichkeit ordnet
er den letzten bei den der vorstehend genannten Erwartungen zu, die er auch keiner
näheren Analyse unterzieht. Als wahrscheinlichste und am ehesten realistische Annahme erachtet er den oben unter Punkt 4 beschriebenen Fall, daß sich ein
Marktpreis zwischen dem augenblicklichen Niveau und dem eintrittsverhindernden
Preis gemäß dem Sylos-Postulat einstellen wird. Da es sich hierbei um einen Preisbereich handelt, nähert sich Bain diesem Lösungsraum von oben und von unten über
die ihn begrenzenden Alternativen an52. Im Mittelpunkt seiner Überlegungen stehen
daher die Annahme eines konstanten Marktpreises (Punkt 2) und das Postulat einer
unveränderten Angebotsmenge bestehender Wettbewerber (Punkt 3).
Aus der Perspektive der Strategieforschung kann nunmehr die Arbeiten Bains würdi
gend festgehalten werden: (1) Die prinzipielle Unsicherheit darüber, ob überhaupt
ein systematischer Zusammenhang zwischen pre-entry- und post-entry-Preisen besteht, wird nicht negiert. Denn nur wenn die Möglichkeit des Bluffs ausgeschlossen
wird, kann ein solcher Zusammenhang gedacht werden. (2) Geht man trotzdem - wie
Bain selbst sagt: provisorisch53 - davon aus, daß ein derartiger Zusammenhang
besteht, so handelt es sich dennoch nicht um einen eindeutigen, sondern um einen
sehr vielschichtigen Konnex - bedingt durch die oligopolistische Reaktionsverbun
denheit zwischen bestehenden und neuen Marktteilnehmern. Und da es für Bain
keine Möglichkeit gibt, die Erwartungen vorherzusagen, die potentielle Wettbewer
ber über die Reaktionen der Etablierten (und damit über das zukünftige Preisniveau)
hegen54, existiert letztlich eine Vielzahl alternativer, indeterminierter Limitpreise.
Dies mag vom neoklassischen Standpunkt aus betrachtet ein Defizit gegenüber der
"Vollkommenheit" preistheoretischer Ansätze darstellen. Auch mag die von Bain
bezweckte Generierung theoriegestützter Hypothesen zum Limit Pricing dadurch
51 Vgl. Bain (Barriers), S. 97.
52 Vgl. Bain (Barriers), S. 98.
53 Vgl. Bain (Pricing), S. 225.
54 Vgl. Bain (Industrial Organization), S. 269.
93
erschwert werden55. Aus dem Blickwinkel des Strategiekonzeptes ist es hingegen zu
begrüßen, daß das Handeln der potentiellen und etablierten Anbieter nicht in Form
einer allgemeingültigen Reaktionsprämisse vollständig aus dem Eintrittsbarrieren
konzept eliminiert wurde, wie es später mittels des Sylos-Postulates geschah.
Zusammenfassend kann daher dem Einwand einer Determiniertheit der Limitpreisund Marktzutrittsentscheidungen im strukturalistischen Eintrittsbarrierenansatz bis
lang entgegengehalten werden, daß Bain selbst die Bedingungen nicht so eng faßte,
daß nur ein wohl definierter Eintrittssperrenpreis ableitbar ist. Statt dessen wird dem
strategischen Handeln von Unternehmen im strukturalistischen Eintrittsbarrieren
konzept von Bain durchaus Beachtung geschenkt. Die zumindest ansatzweise vor
handenen unternehmensstrategischen Elemente gingen erst verloren, als sich das
Limit Pricing auf der Grundlage des Postulates von Sylos-Labini zu einem strikt
deterministischen Ansatz neoklassischer bzw. preistheoretischer Prägung ent
wickelte56• Diese "preistheoretische Verengung" brachte es auch erst mit sich, daß das
Limit Pricing zur scheinbar einzig gewinnmaximalen Handlungsweise avancierte. Auch hier zeigt ein Blick auf Bains ursprüngliche Konzeption, daß je nach der Höhe
der Eintrittsbarrieren zwischen einem Limit Pricing und einem Open Pricing zu diffe
renzieren ist. Damit ist weder die Limitpreisbildung selbst noch ein bestimmter Eintrittssperrenpreis determiniert bzw. als "deterministisch" haltbar. Und dies bedeutet,
daß zumindest implizit ein strategischer Handlungsspielraum auch im strukturali
stischen Eintrittsbarrierenkonzept enthalten ist, womit dieser Ansatz der zentralen
Voraussetzung des "concept of strategy" genügt. Allerdings bleibt an dieser Stelle
noch zu prüfen, inwieweit der industrieökonomische Determinismus des klassischen
Paradigmas zum Zusammenhang von Marktstruktur und Marktverhalten dem Spiel
raumgedanken zuwiderläuft.
55 Denn eigentlich müßten die den Hypothesen über ein Limit Pricing zugrunde gelegten Reaktionsannahmen erst selbst zum Gegenstand empirischer Forschung erhoben werden, ehe mit deren Hilfe prüfbare "theoretical predictions" gewonnen werden können. Vgl. hierzu auch Needham (Analysis), S.105.
56 Ähnlich auch Clarke (Industrial Economics), S.85, der die auf dem Sylos-Postulat basierende Theorie des eintrittsverhindernden Preises als logisch konsistente und deterministische Preistheorie bezeichnet.
94
3.2.2. Exogene Marktstrukturen und determiniertes Marktverhalten: Zu den
Rahmenbedingungen des strukturalistischen Eintrittsbarrierenkonzeptes
und den Konsequenzen des interdependenten Paradigmas
Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, daß der Eintrittssperrenpreis nicht
als determiniert gelten kann, auch wenn eine Vielzahl der Darstellungen zur Theorie
des eintrittsverhindernden Preises diesen Eindruck erweckt. Denn dazu müßte mit
guten Gründen belegt werden können, daß das mit dem Limit Pricing-Konzept häufig
assoziierte Sylos-Postulat eine zwingende Verhaltensweise etablierter Anbieter
beschreibt, die - und nur die - Newcomer auch realistischerweise zu erwarten haben.
Diesbezüglich hat sich gezeigt, daß es keine stichhaltigen Argumente gibt, die diese
Annahme generell favorisieren. Denn in vielen Fällen ist es für einen Etablierten von
Nachteil oder gar umnöglich, seine Angebotsmenge nach erfolgten Eintritten beizu
behalten. Potentielle Newcomer, die dies erkennen, lassen sich nicht durch einen
"Sylos-Preis" abschrecken. Und unter anderen Bedingungen stehen einem Etablierten
Mittel und Möglichkeiten zur Verfügung, der "Sylos-Drohung" Glaubwürdigkeit zu
verleihen. Diese können dann jedoch ebenso zur Drohung mit aggressiveren Reak
tionen als der Outputbeibehaltung eingesetzt werden57. Aber selbst wenn sich das
Sylos-Postulat im Einzelfall begründet heranziehen lassen sollte, kann es für
etablierte Unternehmen unter Gewinnmaximierungsaspekten dennoch vorteilhafter sein, dem Markteintritt neuer Wettbewerber allmählich und kontrolliert stattzugeben
als ihn auf Dauer vollständig zu verhindern.
Wenn also weder ein determinierter Eintrittssperrenpreis existiert noch das
(statische) Limit Pricing selbst die unbedingt gewinnmaximierende Handlungsweise
etablierter Anbieter darstellt, worin liegt dann der Determinismus des strukturali
stischen Eintrittsbarrierenansatzes, der einen Widerspruch zum Strategiekonzept
bedeuten kann?
Ein Problem könnte - aus dem Blickwinkel der Strategieforschung - in dem industrie
ökonomischen Determinismus zu sehen sein, der dem traditionellen Struktur
Verhaltens-Ergebnis-Paradigma insgesamt zugrunde liegt. Daher ist im folgenden zu
prüfen, inwieweit erstens die deterministische Leitvorstellung des klassischen Para
digmas das strukturalistische Eintrittsbarrienkonzept überhaupt prägte58; und wenn
57 Vgl. vorstehend Dixit (Developments), S. 12.
58 Die Beschäftigung mit den Problemen, die der Determinismus volkswirtschaftlicher bzw. industrieökonomischer Ansätze für die Strategieforschung aufwirft, mag dem betriebswirtschaftlich orientierten Leser als bloße 'theoretische Übung" und vielleicht gar als überflüssig erscheinen. Denn in
95
sich die theoretische Reichweite des industrie ökonomischen Determinismus nicht als
unüberwindbar herausstellt, bleibt zweitens zu zeigen, zu welchen Konsequenzen das
revidierte Paradigma für den Eintrittsbarrierenansatz führt.
Als wesentliche theoretische Neuerung wird hier die Unterscheidung natürlicher und
strategischer Eintrittsbarrieren zu nennen sein. Denn diese Differenzierung trägt
gerade der Endogenisierung der Marktstruktur Rechnung, die (spätestens) mit dem
interdependenten Paradigma vollzogenen wurde: Strategische Eintrittsbarrieren
stellen - im Gegensatz zu den natürlichen Zugangsschranken - bewußt geschaffene
Eintrittshemmnisse oder -erschwernisse dar. Mit anderen Worten: Sie sind das
Ergebnis einer aktiven, zielgerichteten Gestaltung der strukturellen Marktzugangs
bedingungen.
3.2.2.1. Die Determinismusvorstellung des klassischen Industrial Organization
Paradigmas
Das positive Erkenntnisinteresse der Industrial Organization, wie es von Joe S. Bain
geprägt wurde59, ist auf das Marktergebnis ganzer Industriezweige und einzelner darin angesiedelter Unternehmen gerichtet. Es soll das Zustandekomrnen sowohl des
Marktergebnisses als auch der Ergebnisunterschiede einzelner Firmen erklärt
werden. Hierzu sieht es das industrieökonomische Forschungsprogramrn vor, die
jeweiligen Determinanten des Markterfolges zU identifizieren und zum Marktergeb
nis in Beziehung zu setzen.
Als die beiden hauptsächlichen Bestimrnungsfaktoren des Marktergebnisses erachtet
man - wie bereits ausgeführt - die Marktstruktur und das Marktverhalten6O/ 61:
der Betriebswirtschaftslehre wird ja allein mit der Thematisierung unternehmensstrategischer Fra· gen immer schon vorausgesetzt, daß es Handlungsspielräume und strategische Gestaltungsmöglichkeiten gibt. Dies ist inzwischen auch in der neueren Industrieökonomik unstrittig. Daß aber die Determinismusfrage nach wie vor aktuell ist, belegt die Tatsache, daß kaum ein Beitrag zur industrieökonomischen Standortbestimmung diesen Punkt nicht tangiert - so z.B. auch jüngst Shepherds Bestandsaufnahme zu den zentralen Konzepten der Industrial Economics. Hierin stellt Shepherd (Core concepts, S. 26) fest, daß gerade im Oligopolfall - in dem ja die Determiniertheit des Marktverhaltens vor allen anderen Marktformen in Frage gestellt ist - das Bestreben nach deterministischen Lösungen neu erwacht. Insofern sind unsere methodischen Überlegungen keineswegs nur "historisch", sondern offenbar "zeitlos" relevant.
59 Vgl. hierzu Bain (Industrial Organization), S. 1 - 4.
60 Hierfür sprechen nach Bain (Industrial Organization, S. 3) sowohl empirische Beobachtungen und der Common Sense als auch die ökonomische Theorie.
96
Zunächst übt die Organisation bzw. Struktur einer "Industrie" einen starken Einfluß
auf deren Ergebnis aus. Dies meint - mit den Worten Bains -: " ... market structure constrains and canalizes enterprise activities and their results."62 Daneben unterliegt
das Marktergebnis aber auch dem Einfluß des Marktverhaltens, worunter Bain die
Maßnahmen und Politiken von Unternehmen zur Anpassung an die Marktgegeben
heiten versteht63. Erklärtes Ziel des industrieökonomischen Forschungsansatzes ist
es, zwischen diesen drei Beschreibungskategorien empirische Kausalzusammenhänge
("causal links") bzw. Ursache-Wirkungs-Relationen ("cause-and-effect relations")
festzustellen64. Denn damit wäre man in der Lage - und dies ist die normative Ziel
setzung der Industrial Organization -, aufgrund der Marktstruktur Aussagen über das
Marktverhalten und das Marktergebnis zu treffen. Hierbei hegt man die Vorstellung,
daß wettbewerbliche Marktstrukturen zu einem wettbewerblichen, d.h. nichtkoopera
tiven Marktverhalten und zu einem wünschenswerten Marktergebnis führen. Diese
Vorstellung entspricht dem bereits dargelegten traditionellen bzw. deterministischen
Industrial Organization-Paradigma, das eine Kausalkette behauptet, die von der
Marktstruktur über das Marktverhalten zum Marktergebnis reicht.
Welchen Stellenwert besitzt nun der hierin postulierte deterministische Zusammen
hang für das strukturalistische Eintrittsbarrierenkonzept? Wenn strategische
Elemente aus dem Limit Pricing-Ansatz - wie gezeigt - nicht wegzudenken sind,
werden diese dann dennoch durch einen "übergeordneten" Determinismus des tradi
tionellen Industrial Organization-Paradigmas eliminiert? Und sind strukturelle Ein
trittsbarrieren nur als strikt exogene Elemente der Marktstruktur zu begreifen und
nicht als "strategische Aktionsparameter" etablierter Wettbewerber? Zur Beantwor
tung dieser Fragen ist es zunächst erforderlich, die industrieökonomische For
schungsmethode zu beleuchten. Hieraus wird dann die Bedeutung ersichtlich, die
dem traditionellen Paradigma für die Industrial Organization zukommt: Es handelt
sich weniger um eine theoretisch begründete Leitvorstellung, sondern um eine zum
Zwecke der empirischen Überprüfung von Hypothesen vorgenommene Verein
fachung realer Zusammenhänge, die gleichwohl nicht willkürlich erfolgte.
61 Bain behauptet damit aber keineswegs, daß diese beiden Kategorien einen Anspruch auf Aus· schließlichkeit erheben: " ... , we cannot mean that structure and conduct are the sole, sufficient, and complete determinants of the way in which enterprises perform. Any complex aspect of human behavior has many determinants, and this is true in the fullest sense of the market performance of enterprises. Market structure and conduct c1early represent only a small fraction of the total determinants of market performance." Bain (Industrial Organization), S. 41.
62 Bain (Industrial Organization), S. 3.
63 Vgl. Bain (Industrial Organization), S. 3.
64 Vgl. Bain (Industrial Organization), S. 3.
97
Die frühe industrieökonomische Forschung basiert auf dem Fallstudienansatz und
orientiert sich am induktiven Empirismus. Diese Methodenwahl wurde z.T. damit
begründet, daß es schlicht unmöglich ist, gehaltvolle generelle Aussagen zum Markt
verhalten zu machen. Teilweise wurde aber auch argumentiert, daß Generalisierungen erst nach Abschluß detaillierter empirischer Studien vorgenommen werden
können. Kritisiert wurde diese induktive Vorgehensweise im Hinblick auf die Daten
sammlung: Ohne eine klare Leitlinie in Fonn von Hypothesen besteht die Gefahr, daß
mit großem Aufwand eine Fülle an Daten erhoben wird, ohne zu brauchbaren
Ergebnissen zu führen. Außerdem ist nicht auszuschließen, daß bei der Datensamm
lung selektiv vorgegangen wird, um die vorgefaßte Meinung bzw. die impliziten
Hypothesen des jeweiligen Forschers zu bestätigen65.
Die von Bain beeinflußte Industrieökonomik hat demgegenüber eine deduktive Vor
gehensweise eingeschlagen66: Aus der neoklassichen Preis theorie werden Hypothesen
über die Beziehung zwischen konkreten Verhaltens- und Ergebnisvariablen sowie
über den Zusammenhang von bestimmten Marktstrukturmerkmalen und Verhal
tensweisen abgeleitet, z.B. über die Höhe der Eintrittsbarrieren und die in Abhängig
keit davon zu erwartende Preispolitik67. Diese "a priori-predictions" werden dann
einer empirischen Überprüfung unterzogen68• Zu diesem Zweck, aber auch wegen
des preistheoretischen Ursprungs der deduzierten Hypothesen, wird prinzipiell unter
stellt, daß das Marktergebnis aus dem Marktverhalten und dieses wiederum aus der
Marktstruktur folgt69: "In apriori theory ... we may envisage a three-stage sequence of
causation running from market structure to market conduct to market performance.
That is, structure is systematically associated with or determines conduct; and
conduct, as determined by structure, determines performance."70 Da aber die Indu
strial Organization gerade die "Price and Production Policies of Large-Scale
65 Vgl. zur induktiven Methode der frühen Industrial Organization und zu deren Kritik Devine, Lee, Jones & Tyson (Industrial Economics), S. 14 f.
66 Vgl. Bain (Industrial Organization), S. 21.
67 Vgl. hierzu im einzelnen oben, S. 84.
68 Der Rückgriff auf ein preistheoretisches Fundament brachte der Industrieökonomik den Ruf einer angewandten Preistheorie ein. Hiergegen verwehrt sich jedoch Bain (Industrial Organization), S. VIII: "Although I have depended strongly upon received economic theory for concepts and hypotheses - and in fact deal with a range of issues roughly comparable to that encompassed by contemporary price and market theory - the present work is definitely not one in a priO/i pricc theory .... Theoretical predictions are viewed only as hypotheses subject to critical testing .. :'.
69 Zur Bedeutung der Preistheorie für die Ableitung von Hypothesen vgl. Bain (Industrial Organi. zation), S. 25 f.
70 Bain (Industrial Organization), S. 329.
98
Enterprise"71 zum Gegenstand hat, stellt sich die Frage, ob ein Struktur-Verhaltens
Ergebnis-Paradigma mit einer derartigen Kausalkette überhaupt zweckmäßig ist.
Denn wenn diversifizierte Großunternehmen nicht der strengen Disziplinierung
durch die Marktkräfte unterliegen, ist es unangebracht bzw. unnütz, ihr Marktver
halten und -ergebnis in einem strukturalistischen Bezugsrahmen zu analysieren 72. Mit
einigen Einschränkungen bzw. unter bestimmten Voraussetzungen hält aber Grether
das traditionelle Paradigma in derartigen Fällen dennoch für anwendbar: " ... if there
is a significant amount of market determinism and constraint, even if only for a
period of time under given structural characteristics, it would seem reasonable to use
the market structure framework of analysis:073 Mit anderen Worten: Wenn (1)
Marktstrukturen nur hinreichend stabil sind, kann das Marktverhalten zum Zwecke
des empirischen Tests von Hypothesen durchaus als von der Marktstruktur abhängig
betrachtet werden - wohl wissend, daß es (2) langfristig gesehen Veränderungen der
Marktstruktur bewirken kann.
Im folgenden wird nun gezeigt, daß Bains strukturalistische Konzeption der Industrial
Organization und auch des Eintrittsbarrierenansatzes diesen beiden Aspekten
Rechnung trägt.
Ad (1) Die relative Stabilität der Marktstruktur
Das Vorliegen einer strukturellen Stabilität ist für Bain74 Grundvoraussetzung für
eine sinnvolle Überprüfung der Mason-Hypothese. Denn diese behauptet, daß unab
hängige Marktstrukturvariable als vergleichsweise unveränderliche Merkmale lang
fristig die abhängigen Marktergebnisvariablen determinieren. Sollten sich die
Marktstrukturelemente aber als "flüchtige Irrlichter" (Bain) erweisen, wird die stati
stische Untersuchung eines langfristigen Struktur-Ergebnis-Zusammenhanges hin
fällig: "If we are really going to test this hypnthesis, the market-structure variables
ought to 'hold still', or pretty still, for at least medium terms of time.,,75
71 So der Titel eines grundlegenden Aufsatzes von Edward S. Mason, der als Begründer dieser Forschungsrichtung gilt.
72 Vgl. Grether (History), S. 85.
73 Grether (History), S. 85.
74 Vgl. nachfolgend Bain (Stability), S. 43 ff.
75 Bain (Stability), S. 45.
99
Dies sieht Bain als hinreichend gegeben76. Seiner tentativen Einschätzung nach ist
die Anbieterkonzentration eine ziemlich stabile Strukturvariable. Allerdings ist sie
bei weitem nicht so stabil, wie es für ein klares Testergebnis zur Mason-Hypothese
wünschenswert wäre. Die Marktzutrittsbedingungen bezeichnet er als annähernd sta
bil, die Produktdifferenzierung hingegen - insbesondere im Konsumgüterbereich - als
das am wenigsten stabile Marktstrukturelement. Daraus resultieren - so Bain - stati
stische Probleme bei Querschnittsuntersuchungen zur Mason-Hypothese, "- problems
that are not destructive but disturbing.'m
Analog der Basishypothese zum langfristigen Struktur-Ergebnis-Zusammenhang
stellt sich auch für den Eintrittsbarrierenansatz die Frage nach der Strukturstabi
lität78. Denn nur wenn die Marktzutrittsbedingungen im Zeitablauf hinreichend sta
bil sind, können sie als quasi-unabhängige langfristige Determinanten des Marktver
haltens gelten: "If the condition of entry and its determinants change slowly through
time and are not easily subject to deliberate alteration by the action of potential
entrants, and if they thus represent primarily a structural framework for market behavior rather than a result of this behavior, this is a legitimate view.',79
Zum Zwecke seiner Untersuchung geht Bain - aufgrund umfangreicher empirischer
Beobachtungen - definitiv davon aus, daß Eintrittsbarrieren relativ stabil sind und im
allgemeinen von potentiellen Newcomern nicht beeinflußt werden können. Allerdings läßt er zu dieser generellen Aussage einige Ausnahmen zu. So können Ein
trittsbarrieren aufgrund absoluter Kostenvorteile durch die Entdeckung neuer Roh
stoffvorkommen oder bei einem auslaufenden Patentschutz unterminiert werden; die
Wirkung größenabhängiger Kostendegressionsvorteile als Eintrittsbarriere kann
durch technischen Fortschritt oder durch Marktwachstum geschmälert werden; und
Produktinnovationen können Käuferpräferenzen brechen und somit die Produkt
differenzierungsbarriere untergraben80. Aber auch wenn sich die Marktzutrittsbedin
gungen in einigen Branchen relativ schnell gewandelt haben und in einigen Fällen
Newcomer die bestehenden Eintrittsbarrieren zu ihrem Vorteil verändern konnten,
sind dies für Bain so seltene und unübliche Ausnahmen, daß ihm die Annahme lang
fristig stabiler Markteintrittsbedingungen gerechtfertigt zu sein scheint81.
76 Vgl. hierzu Bain (Stability), S. 44 f.
77 Bain (Stability), S. 45.
78 Vgl. nachstehend Bain (Barriers), S. 17 - 19.
79 Bain (Barriers), S. 18.
80 Vgl. zu diesen Beispielen Bain (Barriers), S. 17 f., und ders. (Stability), S. 44 f.
81 Vgl. Bain (Barriers), S. 18.
100
Zusammenfassend kann also festgehalten werden: Bain erachtet die Marktstruktur im
allgemeinen und die Eintrittsbarrieren im besonderen als hinreichend stabil82 für den
statistischen Test von Hypothesen, die das Marktverhalten und -ergebnis in Abhän
gigkeit von der Marktstruktur beleuchten. Dies besagt aber nicht, daß die Marktzu
trittsbedingungen notwendigerweise dauerhaft und unveränderlich sind83. Auch ist
die Stabilität von Marktstrukturen bzw. Eintrittsbarrieren nicht gleichbedeutend mit
exogen vorgegebenen Marktstrukturen. Dies wird nachfolgend näher erläutert.
Ad (2) Die Beziehung des Marktverhaltens zur Marktstruktur und zum Markt
ergebnis
Bain operationalisiert das Struktur-Verhaltens-Ergebnis-Paradigma zur Ableitung
theoretischer "predictions" und zu deren empirischer Überprüfung, indem er das
Marktverhalten von Unternehmen als bloßes Bindeglied zwischen Marktstruktur und
-ergebnis ausklammert und unmittelbar die Struktur-Ergebnis-Relation zum Gegen
stand seiner Betrachtung nimmt. Zum einen führt er als Grund für die Vernachlässi
gung der Verhaltenskategorie deren ungenügende Meßbarkeit an. Zum anderen
begründet er diesen Schritt damit, daß bereits die verschiedenen Hauptformen des
Firmenverhaltens84 in nicht atomistischen Märkten apriori mit jeder beliebigen strukturellen Konfiguration einhergehen können; d.h., eine bestimmte Struk
turausprägung kann theoretisch unterschiedliche Verhaltensweisen zur Folge haben85.
82 In diesem Punkt begegnen sich sogar das (traditionelle) Industrial Organization-Paradigma und das Konzept strategischer Unternehmensführung: Auch wenn ein Unternehmen nach der Strategielehre prinzipiell Einfluß auf seine Umweltbedingungen nehmen kann, müssen diese dennoch ein gewisses Maß an Stabilität bzw. Konstanz aufweisen. Andernfalls ist die Idee der Aufgabenumwelt hinfällig: "Dort, wo mit großer Wahrscheinlichkeit 'morgen' alles anders ist und wo über die Entwicklung der Zukunft so gut wie keine Aussagen gemacht werden können, gibt eine strategische Analyse zum Zwecke der Bestimmung des langfristigen Aktionsrahmens keinen Sinn." Schreyögg (Unternehmensstrategie), S.72 f.; zu einer Kritik der sog. Umweltturbulenz-These vgl. ebenda, S.72-76. Das Konzept der strategischen Unternehmensführung steht damit vor einem vergleichbaren methodischen Problem wie die Industrieökonomik: Zwar muß eine Einflußnahme auf die Umwelt gedacht werden können, jedoch muß diese noch so beständig sein, daß sie ihre handlungsleitende Wirkung für aktuelle und potentielle Wettbewerber nicht vollends verliert.
83 Vgl. Bain (Barriers), S. 17.
84 Bain (Industrial Organization), S. 330, nennt hier folgende Alternativen: Vollkommene Kollusion, unvollkommene Kollusion unterschiedlichen Ausmaßes und interdependente Handlungen ohne Kollusion.
85 Dies ist vom Standpunkt der Strategieforschung aus bemerkenswert. Denn der Verzicht auf die Einbeziehung von Verhaltensvariablen resultiert u.a. gerade aus der strukturellen Unbestimmtheit bzw. Indeterminiertheit des Marktverhaltens!
101
Eindeutige Struktur-Verhaltens-Hypothesen können daher nicht aufgestellt werden -
ebenso wenig wie Hypothesen zum Verhaltens-Ergebnis-Zusammenhang86.
Diese strukturalistische Variante des traditionellen Industrial Organization-Paradig
mas eliminiert also das Marktverhalten aus der Kausal- bzw. Ursache-Wirkungs
Kette87. Aus diesem verkürzten Paradigma heraus kann das Zustandekommen spezi
fischer Marktstrukturen daher nicht mehr endogen erklärt werden88. Auch die für
empirische Tests als himeichend erachtete Stabilität der Marktstruktur bringt es mit
sich, daß die Strukturelemente als unabhängige Variable behandelt werden können.
Und als solche werden sie häufig mit exogenen bzw. "naturgegebenen" Struktunnerk
malen gleichgesetzt89. Diese Eigenheiten des strukturalistischen Konzepts bedeuten -
dies sei an dieser Stelle verteidigend angemerkt - aber lediglich eine Operationali
sierung des traditionellen industrieökonomischen Paradigmas. Denn die genannten
Vereinfachungen wurden vorgenommen, um die "a priori-predictions" der Preis
theorie empirisch überprüfen zu können.
Daß eine relative Stabilität der Marktstruktur indes nicht eine Dauerhaftigkeit und
Unveränderlichkeit meint, wurde bereits oben dargelegt. Und daß Bain dem Markt
verhalten doch eine gewichtigere Rolle beimißt, als es vorstehend zunächst den
Anschein hatte, verdeutlichen die von ihm thematisierten Verdrängungs- und Aus
schließungstaktiken90. Hierbei handelt es sich seines Erachtens um die einzigen Ver
haltensweisen, die himeichend genau beobachtet und daher zur Marktstruktur und
zum Marktergebnis empirisch in Beziehung gesetzt werden können.
86 vgl. Bain (Industrial Organization), S. 329 f. und S. 430 f., sowie kritisch hierzu Scherer (IndustriaI), S. 6, der sich als "behavioristischer" Industrieökonom von dieser strukturalistischen Perspektive distanziert.
87 Zu einer Warnung vor der Interpretation von Struktur·Ergebnis·Korrelationen als Kausalität vgl. Geroski (Interpreting).
88 Bestrebungen, die Industriestruktur endogen zu erklären, unternimmt auch die "contestable markets"·Theorie und die neuere Theorie zu den Determinanten der Marktstruktur. "Endogenität" meint aber dort eine Erklärung "aus dem Modell heraus", was nicht gleichbedeutend ist mit "aus dem Firmenverhalten heraus". Denn die Marktstruktur wird nicht als Ergebnis des Marktverhaltens von Unternehmen aufgefaßt. Vielmehr fragt man nach Technologie- und Nachfragekriterien, die als exogene Variable wiederum die Struktur einer Branche determinieren. Vgl. Stiglitz (Intro· duction), S. IX. Die Marktstruktur selbst kann damit zwar als endogen gelten (vgl. ebenda, S. IX), allerdings nur dank neuer vorgelagerter Determinanten, die als exogene Größen in das Modell ein· geführt werden. Ein in diesem Sinne "endogener" Erklärungsansatz genügt aber nicht der Intention des Strategiekonzeptes, da er nicht an der Gestaltung des strukturellen Kontextes durch die Unternehmen ansetzt. Zu einer diesbezüglichen Kritik vgl. Porter (Interbrand choice), S. 74.
89 Zu einer diesbezüglichen Kritik am traditionellen Industrial Organization-Paradigma vgl. Phillips (Structure), S. 28.
90 Vgl. hierzu Bain (Industrial Organization), S. 462 f. Zu den einzelnen Formen des "predatory and exclusionary conduct" vgl. ebenda, S. 358 - 364.
102
Diese beiden Maßnahmen sind nach Bain geeignet und wirkungsvoll, um Konkurren
ten zu schwächen, zu kontrollieren oder auzuschalten, sowie um Newcomer zu ent
mutigen und Markteintritten entgegenzuwirken. Sie dienen daher typischerweise der
Gewinnung und Verteidigung von Marktanteilen bzw. der Herbeiführung und Siche
rung einer bestimmten Konzentrationsrate sowie der Prägung der dafür erforder
lichen Marktzugangsbedingungen91• Insofern sieht Bain doch einen klaren und identi
fizierbaren, direkten Einfluß des Marktverhaltens auf die Marktstruktur92; und als
Konsequenz hiervon einen indirekten Einfluß auf das Marktergebnis: "By influencing
market structures directly (that is, by developing higher seller concentration and
more difficult entry), predatory and exclusionary conduct may of course influence
market performance indirectly, since higher concentration and more strongly
impeded entry are conducive to a more monopolistic performance:093
Dennoch gilt Bain hauptsächlich als ein Strukturalist94; und zwar, weil er den
Schwerpunkt seiner Betrachtungen auf die Marktstruktur legt und die Strategien von
Unternehmen eher am Rande behandelt. Er kann damit zu denjenigen Vertretern
der Industrial Organization gezählt werden, die viele Details des Marktverhaltens als
unwichtig erachten, aber einigen Verhaltensweisen besondere Aufmerksamkeit
zukommen lassen, da diese eine Veränderung der Marktstruktur bewirken können95.
Auch wenn - wegen Meßproblemen - nur bestimmten derartigen Formen des Markt
verhaltens Beachtung geschenkt wird, heißt dies aber, daß die Gestaltbarkeit von
Marktstrukturen durch Unternehmensstrategien bei Bain bereits konzeptionell
berücksichtigt ist%. Und mit den "predatory und exclusionary tactics" sind zudem die
für das Eintrittsbarrierenkonzept relevanten Conduct-Formen auch inhaltlich thema
tisiert.
91 Vgl. Bain (Industrial Organization), S. 357 f.
92 Vgl. Bain (Industrial Organization), S. 463.
93 Bain (Industrial Organization), S. 463. Mit dieser Konzipierung des Struktur-Verhaltens-ErgebnisZusammenhangs stimmt Bain letztlich sogar mit Porter überein, der seine Sichtweise wie folgt beschreibt: "My position on the analyticaI significance of conduct is that conduct is important insofar as it affects structure. Much conduct involves alternative ways of reaching the same structural result and is thereby unimportant for industry performance." Porter (Interbrand choice), S. 74.
94 Z.B. nach Scherer (Industrial), S. 6, und Shepherd (Influence), S. 3.
95 Vgl. zu einem Überblick über die verschiedenen industrieökonomischen Grundpositionen Caves (Industry), S. 14 f., hier insbesondere S. 15.
% Insofern überzeichnen Caves & Porter (MobiIity), S.245, mit der Aussage: " ... the structural sources of entry-barriers, advanced by Bain as purely erogenuous stockages around going firms ... " (hinzugefügte Hervorhebung).
103
Damit ist für unsere Fragestellung ein gravierender Unterschied in der theoretischen
Konstruktion des Bainschen Ansatzes und des revidierten Paradigmas nicht ersichtlich. Denn die Interdependenz zwischen Marktstruktur und Marktverhalten ist auch
bereits bei Bain berücksichtigt, zumindest soweit sie die Marktzutrittsbedingungen
betrifft97. Allerdings wurde zum Zwecke der empirischen Forschung ein Wirkungspfad
unterstellt, der von der Marktstruktur zum Marktergebnis führt. Das Bainsche Paradigma (bzw. den strukturalistischen Eintrittsbarrierenansatz) aber allein wegen dieser
"deterministischen Operationalisierung" abzulehnen hieße zugleich, auch das revi
dierte Paradigma zu verwerfen, dessen umgekehrte Wirkungs richtung sich in der
empirischen Industrial Organization-Forschung noch nicht durchgesetzt hat98; mit
anderen Worten: Es ist ebenfalls auf der konzeptionellen Stufe stehen geblieben.
3.2.2.2. Zum Stellenwert struktureller Markteintrittsbarrieren im interdependen
ten Paradigma und im Konzept der Unternehmensstrategie
Die vorstehenden Ausführungen zur Determinismusvorstellung in der traditionellen
Industrial Organization haben ergeben, daß Bain dem Eintrittsbarrierenkonzept ein
Paradigma zugrunde legte, das bereits eine Interdependenz zwischen Marktstruktur
und Marktverhalten vorsieht. Welchen Stellenwert oder Aussagegehalt besitzen nun
aber strukturelle Markteintrittsbarrieren für das Marktverhalten bestehender und
neuer Wettbewerber, wenn sie von diesen selbst beeinflußt werden können und daher
dem Wandel unterliegen? Haben Marktstrukturen bzw. Zutrittsschranken noch eine
handlungsleitende Wirkung, wenn sie selbst Gestaltungsobjekte unternehmerischen
Handeins sind?
Mit Blick auf das Konzept der Unternehmensstrategie wurde schon darauf hingewie
sen, daß für die Formulierung von Zukunftsstrategien ein gewisses Maß an Umweltkontinuität gegeben sein muß und daß die NotWendigkeit der Strategieformulierung
jedenfalls nicht mit der "Turbulenz" der Umwelt begründet werden kann99• Nur wenn ein solches Maß an Kontinuität nicht vorliegt, wird die Idee der Aufgabenumwelt als
97 So auch Clarke in seiner Abwägung des Beitrages von Bain. Clarke (Industrial Economics, S. 73) sieht Bains Eintrittsbarrierenkonzept zunächst als eher problematisch an - verglichen mit den Ansätzen von Stigler und Demsetz -, da es zugleich Struktur- und Verhaltenselemente beinhaltet. Dann aber fortfahrend: "On the other hand ... Bain's defmition raises important issues of interde· pendence between structure and conduct which have proved to be the source of much productive research on entry barriers." Ebenda, S. 73.
98 Vgl. Shepherd (Core concepts), S. 24.
99 Vgl. oben, S. 99, Fußnote 82.
104
Orientierungsrahmen hinfällig und die Vorstellung von Leitlinien in der Unterneh
mensumwelt gegenstandslos.
Und für die Industrial Organization wurde bereits gezeigt, daß die Strukturmerkmale
eines Marktes dann Umweltzwänge für das Verhalten bzw. die Strategien von Unter
nehmen darstellen, wenn die Marktstruktur als hinreichend stabil betrachtet werden kann. In diesem Fall passen sich Unternehmen kurzfristig an die Marktstruktur an
bzw. ziehen die von ihrer Aufgabenumwelt ausgehenden Beschränkungen ihres
Handlungsspielraums als gegeben in Betracht, die sie langfristig zu ihrem Vorteil zu
beeinflussen versuchen werden. Demnach wären Marktstrukturen kurzfristig
"constraints" des Marktverhaltens, auf lange Sicht aber Aktionsparameter.
Die mit dieser Konzeptionalisierung des Struktur-Verhaltens-Zusammenhangs verbundene - bzw. die dafür vorauszusetzende - relative Stabilität der Marktstruktur
ist nach Bains tentativer Einschätzung empirisch gegeben1OO• Diese Beobachtung kann jedoch nur für reife Branchen gelten, deren Entwicklung weitgehend zum Still
stand gekommen ist, d.h. die ihre endgültige Struktur bereits eingenommen haben.
Denn in einer jungen Branche wirken noch evolutionäre Prozesse bzw. Kräfte, die die
Initialstruktur eines solchen Industriezweiges in Richtung seiner potentiellen Struktur
vorantreiben101• Solange dieser Prozeß der Branchenentwicklung nicht an Dynamik
verliert, werden stabile Marktstrukturen nicht zu beobachten sein. Frühe Eintritts
oder Mobilitätsbarrieren eines jungen Industriezweiges, wie z.B. unternehmenseigene
Technologien, Lerneffekte, der Zugang zu Vertriebskanälen oder die risikobedingt
hohen Opportunitätskosten des Kapitals, werden mitunter schnell abgebaut und
durch andere Barrieren ersetzt, die dann eher aus Betriebsgrößenersparnissen oder
aus Produktdifferenzierungsvorteilen und einer Markenidentifikation resultieren102.
In jungen Branchen mit zu erwartenden Strukturveränderungen und einem sich
abzeichnenden Wandel der Eintrittsbarrieren - sowohl ihrer Ursachen als auch der
Höhe nach - stellt die kurzfristige Anpassung an vorgefundene Marktbedingungen
nun aber keine sinnvolle Strategie zur Sicherung des langfristigen Erfolgspotentials
dar. Denn in diesem Stadium der Branchenentwicklung sind die Spielregeln des
100 Einen formalen Ansatz für die Darstellung der relativen Stabilität von Industriezweigen bietet Caves (Design) mit einem Modell, das den intertemporalen Zusammenhang von Marktstruktur und MarktverhaIten beleuchtet. Eine rasche Änderung von Marktstrukturen wird hierin durch die geringe strategische Flexibilität der Unternehmen behindert, die noch teilweise an ihr vergangenes Verhalten und insofern an die frühere Struktur gebunden sind. Deren relative Stabilität resultiert also aus einer Trägheit bei der Anpassung an veränderte strukturelle Bedingungen.
101 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 215 f. Zu den "evolutionären Prozessen" vgl. ebenda, S. 216-241.
102 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 278 f. und S. 292.
105
Wettbewerbs noch ungeklärt. Der bestehende große strategische Freiraum kann
daher genutzt werden, um die Spielregeln der Branche zum eigenen, langfristigen
Vorteil zu gestalten103. Dies meint, daß Marktstrukturen nicht als gegeben hinge
nommen werden, weil es für Unternehmen profitabel ist, sie zu verändern104. Erst die
sinkende Zuwachsrate der Nachfrage signalisiert, daß zur Beeinflussung der
Marktstruktur weniger Ressourcen bereitzustellen sind. Die Marktstruktur wandelt in
dieser Branchenentwicklungsphase ihren Charakter: Unternehmen verlieren das
Interesse an deren Mitgestaltung, weil sich die .Mitwirkung nicht mehr lohnt. In die
sem Sinne wird die Marktstruktur mit dem Übergang einer Branche zur Reife
zunehmend zu einem Datum für das Marktverhalten.
Nicht allein der Zeithorizont der Wirksamkeit einer Maßnahme - wie in der sta
tischen Industrieökonomik unterstellt -, sondern insbesondere das Stadium der Bran
chenentwicklung ist also nach der Marktphasentheorie ausschlaggebend dafür, ob
Marktstrukturen "constraints" oder ein Gestaltungsobjekt darstellen: "Je weiter die
Marktentwicklung fortschreitet, umso mehr verlagert sich der Einsatz der Aktions
parameter von der Gestaltung auf die Hinnahme der Marktstruktur.,,105
Wegen abnehmender Gewinnanreize zur Veränderung von Marktstrukturen wird in
reifen Branchen auch die Höhe der Eintrittsbarrieren als gegeben akzeptiert - sie ist
bzw. wird handlungsleitend für bestehende (und neue) Wettbewerber. Bedeutet dies
aber nun, daß in jungen, sich verändernden Branchen keine derartige Wirkung von
Eintrittsbarrieren ausgeht? Verlieren sie ihre Bedeutung als Bestimmungs- oder Ein
flußfaktoren unternehmerischer Entscheidungen?
Auch wenn Eintrittsbarrieren im Laufe der Branchenentwicklung einer Veränderung
unterliegen, die von den Marktteilnehmern selbst herbeigeführt wird, sind sie den
noch handlungsleitend und entscheidungsrelevant. Allerdings ist dann weniger ihre
gegenwärtige Ausprägung maßgeblich als ihre für die Zukunft erwartete Form und
Höhe. Denn der Markteintritt in eine junge Branche ist dann attraktiv, wenn deren
spätere Struktur - nicht ihre anfängliche Struktur - überdurchschnittliche Erträge
gestattet und wenn das Unternehmen langfristig eine verteidungsfähige Position in
ihr aufbauen kann106. Daher sind es u.a. die Erwartungen über die zukünftigen Ein-
103 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 290.
104 Vgl. nachfolgend Kaufer (Wettbewerbstheorie), S. 209 - 219.
105 Kaufer (Wettbewerbstheori€;), S. 213. 106 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S.297. Als Instrument zur Prognose bzw. Abschätzung der
zukünftigen Branchenstruktur empfiehlt Porter (ebenda, S.295 ff.) die Szenariotechnik. Zu einer Anleitung für das Schreiben von Branchenszenarien vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), Kap. 13, S. 559 ff.
106
trittsbarrieren, die Unternehmen zum Eintritt in noch nicht strukturell verfestigte
Branchen veranlassen und die ihrem Handeln einen "strategischen Sinn" verleihen.
Zusammenfassend zum Stellenwert struktureller, endogener Marktzugangsschranken
kann nunmehr festgehalten werden: Das deterministische Eintrittsbarrierenkonzept
in der engen Fassung des Sylos-Postulates gewinnt durch die Endogenisierung von
Markteintrittsbarrieren - als Ergebnis des Marktverhaltens - an Realitätsnähe, büßt
dafür aber seine analytische Klarheit und Eindeutigkeit ein. Trotz der Einführung
eines strategischen Handlungsspielraumes und der Interdependenz von Markt
struktur und -verhalten lösen sich Eintrittsbarrieren, die im ursprünglichen Para
digma als Handlungsdeterminanten begriffen wurden, 'aber nicht in einer totalen
Relativität auf. In der Industrieökonomik begründet man dies empirisch, und zwar
mit einer hinreichenden Stabilität der Marktstrukturelemente, die auf die Existenz
kurz- bis mittelfristiger Grenzen des Handlungsspielraums von Unternehmen
schließen läßt. Im Konzept der Unternehmensstrategie - und in der Marktphasentheorie - geht man indes davon aus, daß sich Eintrittsbarrieren im Zuge der Bran
chenentwicklung verändern und sich erst mit dem Übergang der Branche zur Reife
stabilisieren. Vor diesem Zeitpunkt besteht ein bedeutender Freiheitsgrad für strategisches Handeln, der in der Ausreifungsphase aus Wirtschaftlichkeitsgründen
abnimmt. Aber auch als sich wandelnde Gestaltungsobjekte in jungen Branchen sind
Eintrittsbarrieren handlungsrelevante Strukturelemente - dann allerdings nicht in
Form von gegenwärtigen "constraints" des eigenen Handeins, sondern im Sinne zukünftiger Zwänge für Wettbewerber und potentielle Newcomer. Die Planung und
Verwirklichung solcher Zwänge leitet das strategische Handeln langfristig denkender
früher Marktteilnehmer.
3.2.2.3. Die Unterscheidung natürlicher und strategischer Eintrittsbarrieren als Folge der Endogenisierung der Marktstruktur
Begreift man Eintrittsbarrieren als von den Marktteilnehmern selbst geschaffene
Merkmale der Marktstruktur, die trotz ihres endogenen Charakters eine handlungs
leitende Funktion besitzen, so kann nunmehr das Zustandekommen von Marktzu
trittsschranken selbst näher beleuchtet werden. Dazu ist nach den Intentionen zu
fragen, auf welche die Errichtung von Eintrittsbarrieren durch die Unternehmen
einer Branchen zurückzuführen ist. Dies führt uns zur Unterscheidung zwischen
107
"unschuldigen" bzw. unbeabsichtigten oder auch natürlichen Barrieren (innocent
barriers) und strategischen Zutrittschranken107•
Eine "unschuldige" oder natürliche Eintrittsbarriere wird von den Marktteilnehmern
nicht bewußt geschaffen108. Sie resultiert statt dessen aus der bloßen Gewinnmaxi
mierung eines Unternehmens (innocent profit maximization) - gewissermaßen als
zwangsläufiger Nebeneffekt normaler Geschäftsaktivitäten (wie Z.B. Werbung,
Außendienst, Produktion etc.). Ein Unternehmen, das beispielsweise eine Kostenfüh
rerschaftsstrategie verfolgt und in diesem Zusammenhang Betriebsgrößenersparnisse
realisiert, erzeugt damit zugleich strukturelle Eintrittsbarrieren für potentielle
Newcomer und erhöht deren größenabhängigen Kostennachteil. Sofern aber allein
das Streben nach einem Wettbewerbsvorteil zur Verwirklichung von Größenerspar
nissen führt, ist dies mit einer natürlichen Eintrittsbarriere verbunden, die aus dem
"unschuldigen" Gewinnmaximierungsstreben als eine unbeabsichtigte Begleiterschei
nung folgt. Wenn aber der erlangte Wettbewerbs- bzw. Kostenvorteil auf eine andere
Weise dauerhaft zu machen versucht wird als in einem permanenten Prozeß des Vor
stoßens und Nachziehens durch ständige Positionsverbesserungen immer das vor
auseilende Unternehmen zu sein109, dann werden gezielt künstliche oder strategische
Barrieren errichtet. Hier steht nicht die Erlangung oder der Ausbau, sondern die Verteidigung von Wettbewerbsvorteilen im Vordergrund110.
Die praktische Schwierigkeit einer derartigen Unterscheidung zwischen unbeabsichtig
ten und strategischen Eintrittsbarrieren zeigen die Durchführungsprobleme der
Gerichte, die zwischen normalem Geschäftsgebaren und wettbewerbsfeindlichem
Verhalten zu differenzieren haben. Aber auch in theoretischer Hinsicht bereitet diese Unterscheidung Schwierigkeiten, was unten an der Kontroverse um die natürlichen
107 Vgl. hierzu insbesondere Salop (Strategie).
108 Vgl. Salop (Strategie), S. 335.
109 Vgl. hierzu Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 43.
110 Blicken wir mit der Unterscheidung natürlicher und künstlicher Eintrittsbarrieren auf das interdependente Industrial Organization-Paradigma und dessen endogene Marktstlukturen zurück, die hierin zwischen den Basisbedingungen einer Branche und dem Marktverhalten der Wettbewerber eingebettet sind [vgl. Z.B. die Darstellung bei Scherer (IndustriaI), S.4), so läßt sich folgender Zusammenhang herstellen: Natürliche Eintrittsbarrieren als endogene Strukturelemente resultieren aus der normalen Geschäftstätigkeit - ohne eine gezielte Beeinträchtigung der Konkurrenz - und somit aus den der betreffenden Branche inhärenten "basic conditions". Künstliche Eintrittsbarrieren wären endogen eher aus den autonomen Strategien der Marktteilnehmer zu erklären als aus einem die Basisbedingungen reflektierenden "unschuldigen" Verhalten. Allerdings sind die betreffenden Praktiken der Eintrittsbehinderung - wie Bain (Industrial Organization, S. 364 f.) betont - wiederum nur durchführbar, wenn bestimmte Umwelt- oder Strukturbedingungen vorliegen, die ein Unternehmen zu seinem Vorteil ausnutzen kann. Vgl. zu den Bedingungen, die Vergeltungs- und Ausschließungs taktiken begünstigen, ebenda, S. 463.
108
und künstlichen Eintrittsbarrieren deutlich werden wird111. Zunächst gebrauchen wir
dieses Begriffspaar aber wieder rein analytisch zur Beschreibung der Möglichkeiten
der Eintrittsverhinderung112.
In diesem Sinne kann die eher wettbewerbspolitisch relevante Unterscheidung natür
licher und künstlicher Eintrittsbarrieren mit Porter wie folgt handlungs theoretisch
gewendet werden:
Ein etablierter Anbieter kann sich der Angriffe potentieller Newcomer zum einen
erwehren, indem er kein feststehendes Ziel bietet, sondern offensive Maßnahmen zur
permanenten Positionsverbesserung ergreift. Denn ein Unternehmen, das konti
nuierlich in die Erlangung eines Kosten- oder Differenzierungsvorsprungs investiert,
läßt sich nur schwer mit Erfolg herausfordern113• Und als Nebenwirkung erhöhen
offensive Maßnahmen zum Ausbau von Wettbewerbsvorteilen häufig die strukturel
len, natürlichen Eintrittsbarrieren114.
Zum anderen können Defensivstrategien zur Verringerung der Markteintrittsgefahr
ergriffen werden. Diese stellen darauf ab, Entscheidungsprozesse potentieller New
comer so zu beeinflussen, daß aus deren Sicht der Markteintritt bzw. die Herausfor
derung eines etablierten Anbieters weniger erstrebenswert wird115. Die mit dieser
Absicht gewählten defensiven Maßnahmen kÖnnen den Marktzutritt neuer Wett
bewerber auf zwei Arten abwehren oder erschweren: Entweder indem sie dazu bei
tragen, die strukturbedingten Barrieren defensiv - und somit künstlich - zu erhöhen116, oder indem sie in der Wahrnehmung potentieller Newcomer die Vergeltungsgefahr steigern117 /118.
111 Vgl. hierzu Kap. 4.2., S. 203 ff.
112 In dieser Weise verfährt auch Bain. Vgl. ders. (Industrial Organization), S. 358.
113 Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 603.
114 Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 611.
115 Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 603. 116 Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 60 f. Um das oben bei der offellsivell Realisation von Wett
bewerbsvorteilen gebrauchte Beispiel fortzuführen: Größenbedingte Kostendegressionen kann ein Unternehmen defensiv am wirksamsten bei denjenigen Wertaktivitäten steigern, deren Mindestgröße eher durch das wettbewerbsbestimmte Ausgabenruveau als durch die Technologie bestimmt wird, also z.B. im Bereich der Werbung. Auf diese Weise zwingt ein etablierter Anbieter einem potentiellen Herausforderer so lange höhere Marketing- oder Werbekosten je Absatzeinheit auf, bis dieser einen annähernd gleichen Marktanteil erreicht hat. Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 614 und S. 609.
117 Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 618.
118 Eine weitere Möglichkeit, das Kalkül potentieller Newcomer zu beeinflussen, sieht Porter in der Rücknahme der eigenen GewinnzieIe, um von vornherein weniger Eintrittsanreize zu bieten, d.h.
109
Diesen beiden defensiven Taktiken zur Reduzierung der Gefahr von Markteintritten
widmet sich nachstehend Kapitel 3.3. Ehe wir dazu übergehen, soll aber ein
Zwischenresümee den Beitrag Bains zu einem handlungstheoretischen Eintrittsbar
rierenbegriff zusammenfassen.
3.2.3. Zwischenbetrachtung zur handlungstheoretischen Formulierung des Ein
trittsverhinderungsproblems bei Bain
Die bisher geführte Argumentation nahm ihren Ausgangspunkt bei den drei Katego
rien struktureller Wettbewerbsnachteile potentieller Newcomer, die durch eine
adäquate Preispolitik zu Eintrittsbarrieren werden können. Dazu bedarf es der Fest
setzung eines Eintrittssperrenpreises. In ihrer einfachsten Form wird diese Preispoli
tik repräsentiert durch das Limit Pricing auf der Basis des Sylos-Postulates. Damit
gelingt es zwar, einen wohl definierten Sperrenpreis zu bestimmen, jedoch eliminiert
der hierzu in Kauf genommene Strukturdeterminismus jeglichen strategischen
Handlungsspielraum aus dem Modell119• Dieser kann durch den Rückgriff auf die
umfassendere Konzeption Bains "re-implantiert" werden. Damit gerät die Limitpreisbildung wieder zu einem echten Entscheidungsproblem unter Unsicherheit - nämlich
angesichts der unbestimmten Verhaltensweisen und -erwartungen potentieller Kon
kurrenten. Außerdem wird die Verhinderung von Marktzutritten überhaupt nur als
eine unter mehreren Gewinnrnaxirnierungsmöglichkeiten behandelt, unter denen
situationsspezifisch auszuwählen ist. Als ein weiterer Vorzug erweist sich die Tat
sache, daß Marktstrukturen und Eintrittsbarrieren bei Bain konzeptionell bereits als
endogene Größen angelegt sind. Hierin kann eine Parallele zu der für das Strategie
konzept so bedeutenden Einflußnahmemöglichkeit auf die Unternehmensumwelt gesehen werden. Aufgrund von Umsetzungsproblemen in eine praktisch operationale
Methode dominiert in der empirischen industrieökonomischen Forschungsarbeit aber die Bedingtheit des Marktverhaltens durch die Marktstruktur. Nur in Ausnahme
fällen, nämlich bei Verdrängungs- und Abwehrmaßnahmen, gilt die umgekehrte Wir
kungsrichtung als empirisch hinreichend konkret beobachtbar.
119
um die Aufmerksamkeit potentieller Newcomer erst gar nicht ZU wecken. VgI. Porter (Wettbewerbsvorteile ), S. 623 f.
Caves & Porter (Mobility), S. 242, erachten den hiermit bezahlten Preis als zu hoch: " ... a modicum of determinacy has been bought at an exorbitant price in foregone understanding of influences on the newcomer's decision to enter and of the selection and use by going firms of devices to discourage entry."
110
Bains Eintrittsbarrierenkonzeption bietet damit insgesamt einen fruchtbaren theore
tischen Ausgangspunkt für eine unternehmensstrategische und handlungstheoretische
Analyse des Problems der Eintrittsverhinderung. Allerdings erfahren die struktur
bedingten Barrieren eine stärkere Gewichtung.
Wie kann nun dieser schwerpunktmäßig strukturalistische Eintrittsbarrierenansatz
einem etablierten Unternehmen dazu dienen, angesichts drohender Markteintritte
gewinnmaximale Preisentscheidungen zu fällen? Bains Anleitung zu einer sys.temati
schen Entscheidungsfindung lautet - seine analytischen Überlegungen zusammen
fassend - wie folgt12O:
Der erste Schritt der Preisbildung besteht darin, den maximalen eintrittsverhindern
den Preis abzuschätzen. Ein etablierter Anbieter muß sich also fragen, wie weit er
den Preis anheben kann, ohne daß dies Markteintritte neuer Wettbewerber nach sich
zieht. Hierzu ist es hilfreich bzw. erforderlich, die Höhe des Wettbewerbsvorteils
anhand der drei Kategorien struktureller Eintrittsbarrieren zu analysieren.
In einem zweiten Schritt ist dann zu beurteilen, ob es langfristig günstiger ist, einen
Limitpreis festzusetzen, der Markteintritte ausschließt und damit den gesamten
Branchengewinn im eigenen Unternehmen beläßt, oder ob ein höherer Preis erfolg
versprechender ist, der zu Markteintritten und einer Gewinnaufteilung mit den neuen
Branchenteilnehmern führt. Bei der Abwägung dieser beiden Alternativen sind
folgende Punkte zu beachten:
(a) Die Höhe bzw. der Schutz der Eintrittsbarrieren, d.h. die Differenz zwischen
dem maximalen Limitpreis und den Durchschnittskosten;
(b) die Zahl der zu erwartenden Newcomer und der voraussichtliche Marktanteils
verlust im Falle einer Preispolitik, die Markteintritte herbeiführt;
(c) die sich für diesen Fall ergebende Verschärfung des Wettbewerbs und das pro
gnostizierte Ausmaß des Preisverfalls in der Branche; und schließlich
(d) die Zeitdauer bis zur Etablierung von Newcomern, während der das bestehende
Unternehmen den Branchengewinn alleine' abschöpfen kann.
Das Durchlaufen der vorgeschlagenen Entscheidungsschritte führt unter Berücksich
tigung der genannten Einflußfaktoren dazu, daß entweder ein Eintrittssperrenpreis oder ein über diesem Niveau liegender Preis gewählt wird.
120 VgJ. nachstehend Bain (Industrial Organization), S. 272 f.
111
Offen ist nach diesem Phasenschema aber noch, wie im ersten Entscheidungsschritt
ein nicht nur venneintlich, sondern tatsächlich eintrittsverhindernder Sperrenpreis
abgeschätzt werden kann. Denn der von etablierten Unternehmen festgelegte Preis
ist ein pre-entry-Preis. Entscheidungsrelevant für potentielle Newcomer ist aber - wie
bereits dargelegt - allein das nach ihrem Eintritt herrschende zukünftige Preisniveau. Und dieses hängt ganz wesentlich von den Reaktionen bestehender Anbieter auf
erfolgte Markteintritte ab. Daher wirkt der von Etablierten mit der Intention der Ein
trittsverhinderung festgelegte Preis nur dann als Sperrenpreis, wenn er eine Informa
tion über das post-entry-Preisniveau bzw. über die zu erwartenden Reaktionen beste
hender Anbieter enthält. Dies wiederum setzt voraus, daß der Limitpreis von den
Adressaten als ein Signal über die zukünftigen Handlungsabsichten etablierter
Anbieter und nicht als ein Bluff gelesen wird.
Bain selbst geht davon aus, daß Newcomer in der Höhe des pre-entry-Preises prinzi
piell einen Indikator für die Wettbewerbssituation nach ihrem Markteintritt sehen.
Dennoch liegt eine Unsicherheitssituation vor, und zwar auf beiden Seiten: Poten
tielle Newcomer müssen sich angesichts der zahlreichen Alternativen bei ihrer Ein
trittsentscheidung fragen, wie (hart) Etablierte auf den von ihnen erwogenen Schritt
reagieren werden. Und für bestehende Unternehmen stellt sich bei der Limitpreis
kalkulation die Frage, ob potentielle Neueintretende die - wie auch immer geplanten
- Reaktionen richtig antizipieren. Insofern ist die Höhe der Eintrittsbarrieren nicht
allein ein Ausdmck stmktureller Wettbewerbsvorteile, sondern ebenso eine Funktion der
Reaktionserwartungen potentieller Newcomer121• Und da diese Erwartungen nicht
korrekt vorhergesagt werden können, sieht Bain etablierte Anbieter mit einem
unausweichlichen Unsicherheitsproblem konfrontiert122. Er behilft sich hier mit der
exogenen Einführung wahrscheinlicher Reaktionshypothesen.
Nun ist aber diese Form der oligopolistischen Interdependenz zwischen bestehenden
und neuen Anbietern nicht vollständig auf ein wechselseitiges Wahmehmungs- oder
Prognose problem reduzierbar. Denn ohne die Erwartungen potentieller Newcomer zu
kennen, ja ohne sie kennen zu müssen, kann ein etabliertes Unternehmen versuchen,
sie zu steuern. Das heißt, es begegnet dem "unlösbaren" Problem der Prognose mit
der Einflußnahme auf die Reaktionserwartungen. Denn wenn es ihm gelingt, seine
zukünftigen Verhaltensweisen in verbindlicher Weise anzukündigen, prägt es die Reak-
121 Vgl. Bain (Industrial Organization), S.268. Bain stellt bei dieser Aussage auf den Fall von ausschließlich größenabhängigen Eintrittsbarrieren ab.
122 Vgl. Bain (Industrial Organization), S.268. In (Barriers), S.97, spricht Bain von einem " ... ines. capable range of uncertainty concerning the potential entrants' anticipations of established firms' reactions to entry."
112
tionserwartungen seiner Gegenspieler selbst und führt auf diese Weise eine für beide
Seiten kalkulierbare Situation herbei.
Vor diesem Hintergrund kann der Beitrag Bains zu einem unternehmensstrategi
schen und handlungstheoretischen Eintrittsbarrierenkonzept wie folgt zusammen
gefaßt werden: Bain legt mit seinem analytisch hergeleiteten Vorschlag zu den Ent
scheidungsschritten und Einflußfaktoren der Preisbildung dar, wie der Limitpreis zu
kalkulieren ist. Er untersucht in diesem Zusammenhang auch, welche Bedeutung der
oligopolistischen Interdependenz zwischen bestehenden und neuen Marktteil
nehmern zukommt und welche Reaktionsannahmen aufgestellt und der Preiskalkula
tion zugrunde gelegt werden können. Ausgespart bleibt aber die Frage, wie der so
ermittelte Eintrittssperrenpreis auch zur Geltung gebracht werden kann, d.h. wie der
festgelegte pre-entry-Preis zu einem glaubhaften und abschreckenden Signal zukünftiger
Handlungsabsichten gemacht werden kann. Dies hat die neuere Theorie des "strategie
behavior" zum Gegenstand, der wir uns nunmehr zuwenden.
113
3.3. Strategische Eintrittsbarrieren: Die Gestaltung der Eintrittsbedingungen durch Abschreckungs- und Vergeltungsmaßnahmen
Die Existenz struktureller Markteintrittsbarrieren bzw. Wettbewerbsvorteile allein
reicht in den meisten Fällen nicht aus, um das Stattfinden von Marktzutritten auszu
schließen!. Denn wie soeben gezeigt, ist die Wirksamkeit der Eintrittsbarrieren und
des in Abhängigkeit hiervon festgelegten Sperrenpreises nicht nur eine Funktion der
Marktstruktur, sondern auch der Verhaltenserwartungen potentiell neueintretender
Unternehmen.
Eine Eintrittsbarrieren- und Limitpreis-Theorie, die dieser Tatsache Rechnung trägt
und die Interdependenz der Entscheidungen bestehender und potentieller Wett
bewerber abbildet, ist nun bereits implizit mit einem Handlungsspielraum ausgestat
tet2. Aber damit ist sie noch keine unternehmens strategische Handlungstheorie.
Denn solange das simultane Entscheidungsproblem zweier Oligopolisten in zwei Ein
zelentscheidungen zerlegt wird, bei denen jeder Entscheidungsträger die erwartete
Entscheidung seines Kontrahenten als gegeben einkalkuliert, wird der Handlungs
spielraum von den Marktteilnehmern gewissermaßen "verspielt". Sie legen nur ein
Anpassungsverhalten unter Unsicherheit an den Tag. Demgegenüber beginnt strategi
sches Handeln bei der aktiven Beeinflussung von Konkurrenten, also mit der Wahr
nehmung der Handlungsmöglichkeit3/ 4•
1
2
3
4
Die einzige Ausnahme liegt hier in einer "blockaded entry"-Situation vor. Diese ist durch sehr hohe Eintrittsbarrieren gekennzeichnet, so daß potentielle Newcomer selbst bei einem monopolistischen Preisniveau ihren Wettbewerbsnachteil nicht ausgleichen können. Vgl. Bain (Industrial Organization), S. 274.
Dies ist insofern der Fall, als ein etabliertes Unternehmen eine Preis-(Mengen-)Politik betreiben kann, dabei aber von den Reaktionen und Handlungsplänen potentieller Konkurrenten abhängig ist. Und diese sind ihrerseits nicht durch die Marktsituation oder die Gewinnmaximierungsprämisse determiniert. Vgl. Schreyögg (Unternehmensstrategie), S. 13.
In der Oligopoltheorie gilt hingegen bereits die Berücksichtigung der Entscheidungen von Wettbewerbern, d.h. schon die Wahrnehmung der oligopolistischen Interdependenz, als "strategie behavior". Comanor & Frech (Behavior, S. 372) stellen daneben noch ein strategisches Verhalten von einer ganz anderen Qualität heraus: "But strategie behavior has another facet as weil. Not only does it suggest that the ftrm accounts for the reactions of its rivals, but it also encompasses conduct specitically designed to influence a rival." Dieser engere mikroökonomische Begriff strategischen Verhaltens entspricht damit der Vorstellung aktiven unternehmensstrategischen Handeins, die im Mittelpunkt der nachfolgenden Ausführungen steht. .
Der Aspekt der aktiven Einflußnahme auf die Erwartungen und Interpretationen des "eigenen Verhaltens" durch Wettbewerber fehlt häuftg in Modellen der Konkurrenzanalyse - so z.B. bei Amit, Domowitz & Fershtman (Conjectures), die sich auf die bloße Abschätzung der Annahmen beschränken, die Konkurrenten über das betreffende Unternehmen haben.
114
Ein etabliertes Unternehmen, das Marktzutritte zu verhindern beabsichtigt, steht vor
einer derartigen Handlungsnotwendigkeit. Denn die Festsetzung eines Sperren
preises allein ist noch kein Garant für das Ausbleiben von Markteintritten. Vielmehr
müssen bestehende Wettbewerber erst einmal mittels strategischer Maßnahmen jene
Verbindlichkeit ihres beabsichtigten post-entry-Verhaltens herbeiführen, die z.B. mit
dem Sylos-Postulat immer schon vorausgesetzt ist. Das heißt, sie müssen potentiellen
Newcomern ihre geplanten defensiven Maßnahmen signalisieren. Außerdem müssen
sie Schritte unternehmen, um diesen Verteidigungsstrategien eine Glaubwürdigkeit
zu verleihen. Sie müssen also auf die Perzeption ihrer zukünftigen Handlungsabsich
ten durch potentielle Neueintretende Einfluß nehmen, indem sie glaubhaft mit Ver
geltungsmaßnahmen drohen. Andernfalls hätte die Festsetzung eines Limitpreises
keine unmittelbare praktische Bedeutung für potentielle Newcomer, da diese nicht
mit zwangsläufig verschärften Wettbewerbsbedingungen nach ihrem Eintritt rechnen müßten.
Dies genau behauptet nun die sogenannte McGee-Telser-Bork-Theorie des Verdrän
gungswettbewerbs5 auch für den Fall der Androhung von Vergeltungsschritten durch
bestehende gegen potentielle neue Wettbewerber. Denn dieser Theorie zufolge sind
Vergeltungsmaßnahmen - eine solche stellt auch die durch das Sylos-Postulat
beschriebene Reaktionsweise dar - für das sie ausführende Unternehmen prinzipiell
unwirtschaftlicher als für den betroffenen Newcomer. Eine Vergeltungsdrohung ist
daher von vornherein unglaubwürdig.
Dies würde bedeuten, daß strategische Verhaltensweisen, die auf die Reaktionserwar
tungen von potentiellen Neueintretenden Einfluß nehmen wollen, insgesamt hinfällig
sind. Denn ein angehender neuer Wettbewerber, der sich dessen bewußt ist, daß ein
"predatory pricing" für bestehende Anbieter zu größeren Verlusten führt und daher
allenfalls - wenn überhaupt - eine temporäre Erscheinung sein kann, wird sich
dadurch nicht vom Markteintritt abhalten lassen.
An diese Kritik knüpft nachstehend die Darstellung des Vergeltungsproblems an, dessen Grundzüge in drei Schritten entwickelt werden:
(1) Sind angedrohte Vergeltungsmaßnahmen - entsprechend der vorstehenden
Argumentation - prinzipiell unglaubhaft oder kann die in der Praxis zweifelsfrei
vorfindbare Glaubwürdigkeit derartiger Drohungen auch theoretisch hergestellt
werden? Hier wird sich zeigen, daß Vergeltungsdrohungen durch zwei neuere
Argumentationslinien auch "theoretisch machbar" werden: Zum einen durch
5 So bezeichnet von Salop (Predation) nach deren wichtigsten Vertretern.
115
Erklärungsansätze, welche die realitätsfremde Prämisse der vollständigen Infor
mation aufgeben, zum anderen durch spieltheoretische Konzepte, die (etablier
ten) Unternehmen die Möglichkeit der Verpflichtung einräumen.
(2) In engem Zusammenhang mit der Frage der Glaubwürdigkeit steht die der Wirt
schaftlichkeit des Androhens von Vergeltungsmaßnahmen. Nachdem sich mit
den spieltheoretischen Modellen der Eintrittsverhinderung bzw.-abschreckung
der Schwerpunkt von der Vergeltung zur Verpflichtung verlagert hat, lautet die
Rentabilitätsbedingung nur mehr, daß die Kosten der Verpflichtung, nicht aber die
Kosten der Vergeltung geringer sein müssen als der entgehende Gewinn bzw. als
die Kosten des Marktanteilsverlustes.
(3) Sollten aber die ausgesprochenen Drohungen einmal versagt und Markteintritte
stattgefunden haben, stellt sich die Frage, ob auch die Ausübung von Vergel
tungsmaßnahmen für etablierte Unternehmen sinnvoll ist, die z.B. ihre Ver
pflichtung nur vorgetäuscht haben und daher eine Rückzugsmöglichkeit besitzen.
Dies wird sich danach bemessen, ob der Etablierte einen "Ruf der Härte" (repu
tation for toughness) zu verteidigen hat und wie weit der Markteintritt des New
comers schon fortgeschritten ist, d.h. welche Verpflichtungen dieser selbst
bereits eingegangen ist.
Nachdem dann Vergeltungsmaßnahmen und -drohungen gegen potentielle Konkur
renten als eine rationale Strategie erklärbar geworden sind, folgen einige praktische
Handlungsempfehlungen Porters zur Umsetzung der theoretischen Erkenntnisse in
konkrete Taktiken der Abschreckung neuer Wettbewerber.
Hierauf wenden wir uns dann mit den Maßnahmen zur Erhöhung struktureller Barrie
ren der zweiten Gruppe von Defensivstrategien zu. Diese bezwecken ebenfalls,
potentiellen Newcomern den Markteintritt unattraktiv erscheinen zu lassen, aller
dings nun nicht mittels drohender reaktiver Schritte, sondern durch präventiv ausge
führte Abschreckungstaktiken. Eine solche beschreibt das Konzept des Raising rivals'
costs. Hierin wählen etablierte Anbieter nicht den Preis, sondern die Kosten als
Aktionsparameter. Dies hat zur Folge, daß potentielle Konkurrenten aufgrund ihrer
geringeren Größe relativ stärker benachteiligt werden, also genau entgegengesetzt
dem Fall des "predatory pricing", in dem eine (reaktive) Preissenkung dem Etablier
ten kurzfristig einen höheren Schaden zufügt.
Auch hier folgen auf das theoretische Modell wieder die daraus abgeleiteten Hand
lungsanregungen Porters zur Erhöhung struktureller Barrieren. Abgerundet werden
die Ausführungen zu den präventiven und reaktiven Abschreckungs- und Vergel-
116
tungsmaßnahmen schließlich durch ein Fallbeispiel Porters zu den Handlungsalterna
tiven von·Procter & Gamble im amerikanischen Wegwerfwindelmarkt, wo der Markt
führer 1974 durch eine Reihe ernst zu nehmender Herausforderer bedroht wurde.
3.3.1. Angedrohte Vergeltungsmaßnahmen zur Einflußnahme auf Reaktions
erwartungen
Die nachstehenden Ausführungen legen zunächst den McGee-Telser-Bork-Einwand
der prinzipiellen Unglaubwürdigkeit von Vergeltungsdrohungen dar und zeigen
sodann, wie diese Kritik in der neueren Theorie des "strategic behavior" entkräftet
wird. Dabei wird jeweils auf die theoretischen Konsequenzen für eine limitpreispoli
tik und die damit ausgesprochene Drohung zurückzukommen sein. Ein weiteres
Thema bildet die tatsächliche Einleitung von Vergeltungsmaßnahmen gegen eintre
tende Newcomer. Dieser Schritt kann einmal - bei Vorliegen einer irreversiblen
Verpflichtung - als unausweichliche Reaktion auf das Stattfinden von Markteintritten
gewertet werden, daneben aber auch als Investition in eine Vergeltungsreputation,
von der man sich weniger einen unmittelbaren denn einen längerfristigen Vorteil
verspricht.
3.3.1.1. Zur Glaubwürdigkeit und Wirtschaftlichkeit von Vergeltungsdrohungen:
Die theoretische (Un-)Möglichkeit von Vergeltung
Die lirnitpreis-Theorie beruht - wie gezeigt - grundlegend auf der Annahme, daß
zwischen der Höhe des post-entry- und des pre-entry-Preises ein Zusammenhang be
steht und daß in letzterem die zukünftigen Handlungsabsichten bestehender Anbieter
zum Ausdruck kommen6• Ein potentieller Newcomer, für den ja der post-entry-Preis
entscheidungsrelevant ist, wird - so die Vorstellung des limit Pricing-Ansatzes - aus
der Tatsache eines Gewinnverzichts der Etablierten noch vor dem Stattfinden von
Markteintritten auf deren Verteidigungsentschlossenheit und Vergeltungsbereitschaft
schließen. Denn wollten etablierte Unternehmen Markteintritte tatenlos hin
nehmen7, würden sie in der pre-entry-Periode den Monopolpreis wählen. Insofern
6
7 Vgl. Bain (Pricing), S. 224 ff. Siehe auch oben, S. 90.
Eine "Untätigkeit" bestehender Anbieter liegt eigentlich vor, wenn sie sich gemäß des Sylos-Postu· lates verhalten, also gerade nicht mit einer Outputreduzierung reagieren, sondern den Status quo beibehalten. Damit induzieren sie aber eine Preissenkung, weshalb sie dennoch nicht "tatenlos" sind.
117
sprechen sie bereits mit dem bloßen Setzen eines Sperrenpreises eine Drohung gegen
potentielle Neueintretende aus. Eine solche Drohung läuft aber Gefahr, unverbind
lich und damit gegenstandslos zu sein: Wenn es nämlich im Interesse und auch im
Bereich der Möglichkeiten bestehender Unternehmen liegt, von der ausgesprochenen
Drohung im Falle ihres Versagens zurückzutreten, werden sich weitsichtige poten
tielle Newcomer von einer derartigen Drohung nicht beeindrucken lassen.
Die Preise und Produktionsmengen, die etablierte Anbieter mit dem Ziel der Ein
trittsverhinderung festgelegt haben, sind nun zum einen grundsätzlich Aktionspara
meter, die sich unter der Kontrolle der betreffenden Unternehmen befinden. Diese
haben daher prinzipiell die Möglichkeit, ihre Preis-/Mengen-Entscheidung nach erfolg
ten Markteintritten zu revidieren und an die veränderte Situation anzupassen. Ein
Zwang zur Realisation der Drohung aufgrund von Gegebenheiten, die außerhalb
ihres Einflußbereiches liegen, existiert also im vorliegenden Fall nicht - zumindest
nicht generell8.
Und daß zum anderen die Ausübung von Vergeltungsmaßnahmen gegen etwaige
Neueintretende (oder auch gegen kleinere Konkurrenten9) nicht im Interesse eines etablierten Monopolisten liegen kann, ist die Kernaussage der McGee-Telser-BorkTheorie (bzw. -Kritik) zum "predatory pricing"lO. Begründet wird diese Auffassung mit
(1) der ungleichen Kostenwirkung für die Beteiligten,
(2) mit der Existenz günstigerer Alternativen und
(3) mit dem Fehlen eines dauerhaften Schutzes vor Wiedereintritten.
8
9
Eine Notwendigkeit zur Beibehaltung der Produktionsmenge - und damit zur (Hinnahme einer) Preissenkung - besteht möglicherweise dann, wenn die unausgelasteten Kapazitäten nicht anderweitig genutzt und nicht ohne nennenswerte Liquidationsverluste abgebaut werden können. In diesem Fall sind die Kosten der Unterauslastung bzw. des Abbaus von Überkapazitäten den zu erwartenden Umsatzeinbußen bzw. Kosten der Vergeltung gegenüberzustellen.
Die nachfolgenden Ausführungen gelten für kleinere etablierte Anbieter ebenso wie für neueintretende Unternehmen. Da uns aber lediglich die Vergeltung gegen Newcomer interessiert, wird die Verdrängung bestehender Anbieter nachfolgend nicht mehr explizit erwähnt. [Neben diesen beiden Absichten können Vergeltungsmaßnahmen auch mit dem Ziel der Disziplinienmg nicht kooperierender Wettbewerber ausgeführt werden. Vgl. Z.B. Greer (IndustriaI Organization), S. 317.]
10 Vgl. McGee (predatory) und (Revisited), Telser (Cutthroat competition) und Bork (Paradox), S. 144 ff. Zu einer Besprechung der McGee/Telser-Position vgl. Yamey (Predatory). Wichtige empirische (Re-) Unter-suchungen "predatorischer" Taktiken wurden z.B. von McGee (Predatory) für den Standard Oil-Fall und von Elzinga (Predatory) für den Gunpowder Trust-Fall durchgeführt. Eine breitere Durchsicht von Antitrust-Fallunterlagen hat Koller (Myth) vorgenommen. Zu einer Kritik der theoretischen und empirischen Bestrebungen, "predatory pricing" als unwirksam und selten auszuweisen, vgl. Scherer (Industrial), S. 335 - 340.
118
Ad (1) Ungleiche Kostenkonsequenzen11
Im Falle gleichermaßen effizienter Newcomer12 fügt sich der Aggressor mit nicht
kostendeckenden Preisen selbst einen größeren Schaden zu als seinem Opfer. Denn
aufgrund des deutlich höheren Marktanteils, den er in der Anfangsphase gegenüber
einem neuen Konkurrenten aufweist, ist er selbst von seiner Maßnahme ungleich
schwerer betroffen13• Auch wenn er die ihm entstehenden Verluste in anderen
Produkt- oder Regionalmärkten ausgleichen kann, ist er dennoch schlechter gestellt
als es sein müßte: "it could have been earning at least competitive returns and is not."14
Ad (2) Existenz günstigerer Alternativen
Anstelle eines Preiskampfes haben Etablierte immer die wesentlich billigere Alternative der Beseitigung von Newcomern auf dem Wege der Akquisition. Hierzu können
sie ein Angebot unterbreiten, das maximal dem Barwert der zukünftigen Monopol
gewinne aus der Expansion entsprechen kann. Jeder Preis oberhalb des Marktwertes
(competitive value) sollte aber schon die Übernahme ermöglichen15. Diese Alterna
tive ist in jedem Fall günstiger als ein Preiskampf. Denn die Umsätze werden während der Austragung des Konfliktes immer geringer sein als diejenigen nach einer
Fusion. Und da auch nach der Beilegung der Konfrontation, d.h. nach dem Rückzug
des Newcomers, die Preise nicht dauerhaft angehoben werden können16, ist der
Barwert der Alternative "Akquisition" immer der größere17.
11 Wenn hier von asymmetrischen Kostenauswirkungen gesprochen wird, so sind im Falle von Preiskämpfen immer die höheren Umsatzverluste des Etablierten gegenüber einem Newcomer gemeint. Die eigentlichen Kostenasymmetrien werden unten bei der Abkehr von Preiskämpfen und Zuwendung ZU nichtpreislichen Aktionsparametern in den Vordergrund treten. Siehe hierzu das Konzept des Raising rivals' costs, S. 157 Cf.
12 Größenbedingte Kostenvorteile des etablierten Monopolisten schließt McGee bei seiner Analyse des "predatory pricing" aus, da diese sonst zu einer Analyse des natürlichen Monopolfalles gerät. VgI. McGee (predatory), S. 382, Fußnote 4.
13 Im Standard Oil-Fall aus dem Jahr 1911, anhand dessen McGee seine Hypothesen empirisch überprüft, hatte der Marktführer in einzelnen Regionalmärkten einen Marktanteil von bis ZU 75 Prozent inne. Er würde daher bei einer wettbewerbsfeindlichen Preisdiskriminierung ca. dreimal soviel verlieren wie alle seine Konkurrenten zusammen. VgI. McGee (Predatory), S. 382.
14 McGee (predatory), S. 382.
15 VgI. McGee (Predatory), S. 382.
16 VgI. dazu nachstehend Punkt (3).
17 VgI. McGee (Predatory), S. 382.
119
Ad (3) Kein Schutz vor Wiedereintritten
Ein Newcomer wird sich nur dann dauerhaft aU1i einem Markt zurückziehen, wenn er
nachhaltig mit Preisen auf dem gegenwärtig niedrigen Niveau rechnet. Da aber ein
Verdrängungswettbewerb mit dem Ziel geführt wird, die Preise später wieder anzu
heben, wird ein neu eingetretener Konkurrent seine Kapazitäten nur vorübergehend stillegen. Auf diese Weise überläßt er dem Marktführer temporär die gesamte Nach
frage, aber auch die gesamten Verluste, um dann bei steigenden Preisen seine
Geschäftstätigkeit wieder aufzunehmen18.
Diese drei Aspekte lassen Vergeltungs- bzw. Verdrängungsmaßnahmen gegen neu
eingetretene Konkurrenten als eine fragwürdige und nicht als eine rationale Strategie
erscheinen. Ein potentieller Newcomer, der mit diesen Argumenten vertraut ist, wird
sich deshalb durch einen angedrohten Preiskampf nicht von seinen Plänen abbringen
lassen. Einmal eingetreten, kann er davon ausgehen, daß der bisherige Monopolist
"das Beste aus der unerwünschten Situation macht"19. Denn es liegt nicht im Interesse
eines rationalen Etablierten, eine Drohung zu realisieren, mit der er sich selbst mehr
schadet als einem Opponenten und die sich niemals auszahlen wird. Derartige Dro
hungen sind - "in the real world" (McGee) - unglaubwürdig20.
Dies gilt nach McGee auch für die implizite Drohung, die sich hinter dem Limit
Pricing verbirgt, nämlich die Angebotsmenge im Falle von Markteintritterr nicht zu
reduzieren: Eine solche Drohung ist ebenfalls unglaubwürdig, da es sich nicht
rentiert, sie auszuführen21.
Diese Theorie, die McGee noch 1980 zum Maßstab glaubwürdiger Vergeltungsdro
hungen in der realen Welt machte und die das "predatory pricing" zu einem seltenen
und wettbewerbspolitisch unbedeutenden Phänomen erklärte, basiert jedoch auf der
unrealistischen Annahme vollständiger Infonnation. Unter dieser Prämisse sind die
post-entry-Gewinne tatsächlich unabhängig von den pre-entry-Preisen. Denn wenn
bestehende wie potentielle Anbieter vollständig über die Kosten- und Nachfrage
bedingungen und damit über die Gewinnfunktion nach dem Erfolgen von Marktein-
18 Vgl. McGee (Predatory), S. 382, und (Revisited), S. 2%.
19 McGee (Revisited), S. 299.
20 Vgl. McGee (Revisited), S. 299.
21 Dazu McGee (Revisited), S. 311 f.: "Indeed, the monopoly would lose much more than the entrant. Holding its output constant ... would hurt the monopoly more than it hurts the entrant, and the exmonopoly has more attractive alternatives if entry actually does occur. As a result, the entrant should assume that the monopoly will not act like that."
120
tritten unterrichtet sind, ist die Relevanz von pre-entry-Preisen für die Planung eines Newcomers in der Tat schwer ersichtlich22• Indem aber Bain seinen Überlegungen einen Zusammenhang zwischen der Höhe des pre-entry- und des post-entry-Preises zugrunde legt, geht er offenbar von einer strategischen Einflußnahmemöglichkeit auf
die Planungen potentieller Newcomer aus, ohne jedoch die Bedingungen hierfür präzise zu fassen. Insofern ist es - wie Milgrom & Roberts prägnant bemerken - eine Schwäche der Limitpreis-Theorie geblieben, weder Etablierte noch Newcomer als strategische Akteure abgebildet zu haben23• De~ obwohl man schon immer erkannt hatte, daß die Profitabilität eines Markteintrittes ganz wesentlich von den post-entryAktionen der Etablierten abhängt, hat man sich lange Zeit auf exogen eingeführte
Reaktionsannahmen beschränkt24• Erst in den letzten Jahren ist es dann gelungen, die Argumente von Managern, Richtern und auch der Forschung zu den Geschäftspraktiken formal zu begründen, die diese schon früher zum Thema "predatory behavior" vorgebracht hatten, die aber vor der McGee-Telser-Bork-Theorie als unhaltbar erschienen25• Damit konnten strategische Aktionen bestehender und potentieller Marktteilnehmer in die Umitpreis-Theorie integriert und die Lücke des Eintrittsbarrierenansatzes geschlossen werden.
Die Erklärungsansätze, mit denen man Vergeltungsmaßnahmen bzw. -drohungen als Gleichgewichtsstrategie auszeichnen konnte26, sind überwiegend spieltheoretischer
Natur. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den asymmetrischen Modellen zu. Diese können im wesentlichen in zwei (Haupt-)Gruppen unterteilt werden: Die eine bilden die Konzepte mit asymmetrisch verteilten Informationen, in denen bestehende
22 vgl. Friedman (preventing), S. 237.
23 Vgl. Milgrom & Roberts (Incomplete information), S. 457.
24 Vgl. Dixit (Developments), S.12. 25 Vgl. Roberts (Battles), S.157. Einen ersten wichtigen Meilenstein dieser neueren Entwicklung der
Industrial Organization setzte Steven Salop auf der Jahrestagung der American Economic Association von 1978 mit seinem Beitrag "Strategie Entry Deterrence".
26 Vergeltungsmaßnahmen gegen Newcomer sind dann Gleichgewichtsstrategien, wenn es mit ihnen nicht nur gelingt, neue Wettbewerber fernzuhalten, sondern wenn die Verfolgung einer derartigen Strategie aoch im Interesse bestehender Unternehmen liegt. Nur dann werden eintrittsverhindernde Maßnahmen im Gleichgewicht zu beobachten sein. Vgl. Stiglitz (Introduction), S. IX, und Jacquemin (Industrieökonomik), S.97. Den spieltheoretischen Gleichgewichtsbegriff erläutert Gutenberg (Absatz), S. 313: "Nach den Regeln der Spieltheorie kommt es dadurch zu einem Gleichgewicht, also zu einem Ausgleich der entgegengesetzten Interessen beider Spieler bzw. Unternehmen, daß ein Spieler bzw. Unternehmen, wenn es von seiner Gleichgewichtsstrategie abweicht, seinen Gewinn nur verringern, aber niemals vergrößern kann, sofern sein Gegner seine Gleichgewichtsstrategie beibehält." Die Erforschung von Gleichgewichtsstrategien wird von Spieltheoretikern damit begründet, daß nur so den Spielc;rn eindeutige und vollständige Empfehlungen für das rationale Verhalten in nichtkooperativen Spielen gegeben werden können~ Eine Empfehlung ohne Gleichgewichtseigenschaft wäre hingegen eine selbstzerstörerische Prophetie, da sie einen Anreiz zur Nichtbefolgung erzeugt. V gl. hierzu Selten (Spiele), S. 96 f.
121
Unternehmen besser unterrichtet sind als potentielle Newcomer. Zur anderen zählen
die Theorien asymmetrischer Spielzüge, in denen die Reihenfolge der Handlungen den
Etablierten zum Vorteil gereicht.
Der zentrale Unterschied dieser beiden Modellgruppen läßt sich - einer detaillier
teren Darstellung vorgreifend - wie folgt zusammenfassen:
Im Falle asymmetrischer Spiele kommt ein etablierter Anbieter als erster zum Zuge.
Er genießt daher einen "first mover advantage", der darin besteht, daß er noch vor
dem Markteintritt potentieller Newcomer seine Gewinnfunktion bzw. Auszahlungs
matrix so ändern kann, daß Vergeltungsmaßnahmen für ihn zu einer ex-post-opti
malen und damit rationalen Strategie werden. Auf diese Weise werden angedrohte
Vergeltungsschritte zu einer glaubhaften Gefahr für· potentielle Neueintretende. Im Falle unvollständiger, asymmetrisch verteilter Information ist es hingegen nicht
erforderlich, die pay-off-Matrix derart zu ändern. Denn da sich ein potentieller Newcomer vor seinem Markteintritt nicht über die Kosten- und Nachfragebedingungen
im klaren ist, wird er versuchen, den Handlungsweisen der Etablierten die fehlenden
pay-off-relevanten Informationen zu entnehmen. Bestehende Anbieter können daher
den Preis als ein strategisches Signal für ihre Kostensituation benutzen und auf diese
Weise den Markt für potentielle Newcomer unattraktiv erscheinen lassen. Dies ist die Kernaussage der Signaling-Modelle unter den Ansätzen mit unvollständiger und ungleich verteilter Information.
Zwei weitere Untergruppen der Informationsasymmetrie-Konzepte bilden die "deep
pocket"-Theorien und die Reputation-Modelle27: Die "deep pocket"- oder "long purse"
Ansätze basieren neben dem Informationsgefälle auf einer weiteren, hier nicht
behandelten Asymmetrie, nämlich auf der ungleichen Ausstattung mit finanziellen
Ressourcen28. In den Reputation-Modellen sprechen Etablierte eine Drohung aus,
indem sie diese wahr machen, d.h. indem sie ein Exempel statuieren, um weitere Newcomer abzuschrecken. Hierbei spielt die unvollständige Information insofern
eine bedeutende Rolle, als potentielle Neueintretende nur unter dieser Bedingung
die gegenwärtigen und vergangenen Vergeltungsmaßnahmen bestehender Anbieter
als einen Indikator für deren zukünftige, mögliche Reaktionen betrachten.
Diese Argumentationslinien werden nachstehend wie folgt genauer dargelegt:
Zunächst befassen wir uns mit den Informationsasymmetrie-Konzepten - unter Punkt
3.3.1.1.1. zuerst mit den Signaling-Modellen, in Abschnitt 3.3.1.1.2. sodann mit den
27 Vgl. zu dieser Einteilung Saloner (Predation), S. 170.
28 Siehe hierzu insbesondere Benoit (FinanciaIly) und Fudenberg & Tirole (Jamming), S. 373 ff. Vgl. auch Albach (Finanzkraft), S. 81 ff.
122
Reputation-Modellen. Kapitel 3.3.1.1.3. ist schließlich den Ansätzen mit asymmetri
schen Verpflichtungen bei sequentieller Handlungsabfolge gewidmet (CommitmentAnsätze )29.
3.3.1.1.1. Die Signaling-Konzepte: Kampf- und Limitpreise als Marktsignale bei
unvollständiger, asymmetrischer Information
In einer (Modell-)Welt mit vollkommener Information (und ohne anfängliche Asymmetrien, d.h. ohne "first mover"-Vorteile aufgrund irreversibler Investitionen)
kann ein etablierter Anbieter einen genauso effizienten, weitsichtigen und hart
näckigen potentiellen Newcomer nicht durch seine pre-entry-Verhaltensweise vom
Markt fernhalten3O• Denn dies würde voraussetzen, daß er diesem glaubhaft mit Vergeltungsmaßnahmen drohen kann. Wegen seines größeren Marktanteils kann er
einen sonst ebenbürtigen Newcomer nach dessen Markteintritt aber nicht dauerhaft
und gewinnbringend mit nichtkostendeckenden Preisen bekämpfen. Unternimmt er
dennoch einen derartigen Versuch, kann der neu eingetretene Konkurrent seine
geringeren Verluste mit Hilfe eines gleichfalls weitsichtigen und hartnäckigen Kapi
talgebers finanzieren, bis der Etablierte einlenkt und nachgibt. Aufgrund der gemach
ten Erfahrung wird weder dieser noch ein anderer etablierter Marktteilnehmer in
Zukunft nochmals einen Vergeltungsversuch wagen. Insofern sind Kampfpreise nicht
eintrittsverhindernd, sondern "sich selbst verhindernd" (Salop). Die intuitive Vor
stellung der klassischen Limitpreis-Theorie, daß potentielle Newcomer in den pre
entry-Preisen ein Signal für die Wettbewerbsbedingungen nach ihrem Eintritt sehen,
entbehrt unter den geschilderten Bedingungen jeglicher Grundlage31.
Dies ändert sich jedoch, sobald man die Prämisse vollkommener Information fallen
läßt und entgegen der McGee-Telser-Bork-Theorie Infonnationsdefizite als typisch
für einen Newcomer in der Entscheidungsvorbereitungs- und post-entry-Phase
29 Eine weitere Möglichkeit, auf rationale Weise Vergeltung zu üben, beschreibt das Konzept des Raising rivals' costs. Hierin reagiert das etablierte Unternehmen nicht mit einer Preissenkung, son· dem mit einer Ausgabensteigerung bei mengenunabhängigen Wertaktivitäten, d.h. in Bereichen mit Fixkostencharakter. Auf diese Weise kehrt sich der bei Preisreaktionen nachteilige hohe Marktanteil in einen Vorteil um. Da aber eine reaktive Kostensteigerung zwar plausibel, jedoch ex ante nur schwer kommunizierbar ist, muß sie zur Mitteilung an potentielle Konkurrenten gewissermaßen antizipativ vorgenommen werden. Damit fallen Maßnahmen des Raising rivals' costs eher in die Kategorie der Abschreckungstaktiken zur Erhöhung struktureller Eintrittsbarrieren, die Gegenstand von Kapitel 3.3.2., S. 156 ff., sind.
30 Vgl. hierzu und nachfolgend Salop (Predation), S. 11 f.
31 Vgl. Milgrom & Roberts (Incomplete information), S. 444.
123
begreift: Wie nachfolgend mit Salop gezeigt, ist die streng logische Schlußfolgerung der Unglaubwürdigkeit von Vergeltungsdrohungen nicht mehr aufrecht zu halten,
wenn potentielle Newcomer nur noch unvollkommen über ihre relative Wett
bewerbsposition informiert sind32.
Einen solchen, beträchtlichen Grad an Unsicherheit bzw. unvollkommener Infor
mation konstatiert Salop33 für potentielle Neueintretende in mehrerer Hinsicht: Die
Akzeptanz ihrer Produkte durch den Handel und die Konsumenten ist ungewiß,
ebenso die Höhe ihrer Produktions- und Vertriebskosten sowie die Elastizität ihrer
Nachfrage. Außerdem kennen Newcomer die Kosten ihrer etablierten Konkurrenten
und deren Reaktionen auf das Stattfinden von Markteintritten nicht genau. Sie sind also über ihre relative Kosten- und Wettbewerbsposition häufig nur unvollkommen
informiert. Es besteht deshalb ein Risiko bzw. die Gefahr, nur einen unterdurch
schnittlichen Return on (sunk) Investment zu erzielen. Dieses Risiko kann zwar
durch Marktforschung und durch Hinausschieben umfangreicher und irreversibler
Ressourcenallokationen bis zum Vorliegen weiterer Informationen reduziert werden.
Dennoch bleibt immer eine (Rest-)Unsicherheit bestehen.
In einer solchen Situation wird ein neu eingetretenes Unternehmen - "as a matter of
logic" (Salop) - die Reaktionen der Etablierten auf seinen Markteintritt für die
Bestimmung seiner relativen Kosten- bzw. Wettbewerbs position heranziehen. Reagiert ein bestehendes Unternehmen beispielsweise mit einer Preissenkung, wird der Newcomer dahinter niedrige Kosten vermuten34. Vergleicht er diese mit seinen eigenen
Stückkosten, kann er zu dem Schluß gelangen, einen Kostennachteil zu besitzen.
Dieser perzipierte Nachteil kann ihn zum Rückzug veranlassen, anstatt mit der Aussicht auf eine unterdurchschnittliche zukünftige Rendite weitere irreversible Eintrittskosten einzugehen.
Neben der Unsicherheit über ihre relative Kostenposition sind neu eingetretene
Unternehmen auch einer Nachfrageunsicherheit ausgesetzt. Diese werden sie mittels Markttests abzubauen versuchen. Als Erfolgsindikator dient ihnen hierbei der
erreichte Marktanteil. Diesen Informationsgewinnungsprozeß können etablierte
Konkurrenten nun jedoch stören, indem sie während der Testphase des Newcomers
ihre Werbe- oder Promotion-Konzeption ändern oder die bisherige Werbung intensi-
32 So Salop programmatisch zu seiner Argumentation in (Predation), S. 15.
33 Nachstehende Ausführungen orientieren sich eng an Salop (Predation), S. 14 - 19. Quellenangaben beziehen sich im weiteren nur noch auf zusätzlich herangezogene Beiträge.
34 Salop (Predation, S. 15) begründet dies damit, daß Kosteuführer im allgemeinen niedrigere Preise setzen.
124
vieren. Ein neuer Anbieter mag dann einen geringen Marktanteilsgewinn im Test
markt als ein negatives Signal für seine langfristigen Absatzchancen deuten, anstatt
das ungünstige Testergebnis auf die geänderte oder intensivierte Werbung seiner
Konkurrenten zurückzuführen35•
Ein weniger effizienter Etablierter, der die Implikationen unvollkommener Infor
mation für einen Newcomer kennt, besitzt nun einen Anreiz, mit Preissenkungen
oder anderen Maßnahmen zu bluffen36• Ein Newcomer, der aber seinerseits weiß,
daß Bluffen eine rationale Strategie darstellt, wird den Informationsgehalt niedriger
Preise gering(er) einschätzen. Jedoch wird er Niedrigpreise nicht völlig ignorieren, da
ein kostenführendes etabliertes Unternehmen solche Preise auch ohne Vergeltungs
absicht setzen würde. Solange Newcomer aber nicht in der Lage sind, zutreffend zwischen einem Bluff und hartem Wettbewerb mit effizienten Etablierten zu unterschei
den, können sie manchmal durch Bluffs zum Rückzug oder zum Aufschieben weiterer
Investitionen bewegt werden. In diesem Sinne faßt Salop seine Argumentation -
etwas genereller - wie folgt zusammen: Solange ein Newcomer glaubt, daß Etablierte
einen Vorteil besitzen könnten, kann ein Vergeltungsversuch eine erfolgreiche Stra
tegie für einen bestehenden Anbieter darstellen. Nur ein zuversichtlicher Newcomer
wird sich dadurch nicht beirren lassen37•
Nun wird aber nicht in jedem Falle ein nur einseitiges Infonnationsdefizit vorliegen.
Denn auch der Etablierte kann sich über die relative Wettbewerbsposition eines
Herausforderers im unklaren sein. Dies würde Newcomern das gleiche Spektrum an (Gegen-)Strategien eröffnen. Jedoch geht man im allgemeinen davon aus, daß bei
einer beiderseitigen Unsicherheit der Etablierte einen Infonnationsvorteil bzw.
-vorsprung besitzt38.
Mit der Einführung einer derartigen Informationsasymmetrie in die Theorie des
Verdrängungswettbewerbs gelingt es Salop, die von McGee vermißte Logik des
35 Vgl. hierzu auch das Modell zur "test-market 'bluffing' predation" von Scharfstein (Test-market), S. 231 ff.
36 Hierzu führt Salop in (Strategie), S. 337, aus, daß der Kostenflihrer in einem solchen Fall bestrebt sein wird, Klarheit zu schaffen. Er wird daher den Preis abermals (geringfügig) senken, um das Signal wiederherzustellen. Demgegenüber werden Unternehmen mit höheren Kosten ihre Situation eher verschleiern wollen und preislich gleichziehen. Siehe auch Milgrom & Roberts (Ineomplete information), S. 449 f., und Roberts (Batties), S. 166.
37 Vgl. Salop (predation), S.17.
38 Vgl. hierzu Salop (predation), S.18 f. Den Unterschied zwischen einer symmetrischen Unsicherheit und InformatiollSll.lJ'l1lmetrien stellen explizit auch Milgrom & Roberts (Asymmetries), S. 184 f., heraus.
125
"predatory pricing" wiederherzustellen39• Kampfpreise oder andere Reaktionen
werden demnach im Sinne eines "predatory signaling" gebraucht. Sie dienen der
Einflußnahme auf die Selbsteinschätzung eines unvollkommen informierten Newcomers.
Ihr Wesen besteht darin, neu eingetretenen Konkurrenten Wettbewerbsnachteile zu
signalisieren, um sie zum Rückzug zu veranlassen. Mit dieser neuen Sinngebung
werden Vergeltungsmaßnahmen in einer Welt unvollständiger, asymmetrischer
Information zu einer rationalen Strategie4O• Dazu bedarf es nur perzipierter und nicht tatsächlicher Wettbewerbsnachteile. Insofern ist ein "predatory signaling" selbst gegen
gleichermaßen effiziente oder gar effizientere Newcomer anwendbar, die sich ihres
Vorteils aber nicht sicher sind.
In Salops Erklärungsansatz kann ein Newcomer Preissenkungen oder andere, Wett
bewerbsvorteile signalisierende Reaktionen erst nach seinem Markteintritt feststel
len. Denn dieses Signaling-Konzept beschränkt sich auf eine reaktive Verdrängung
neu eingetretener Konkurrenten41 und ist nicht für eine antizipative Eintrittsverhin
derung ausgelegt. Ein solches spieltheoretisches Modell für die pre-entry-Phase des
Wettbewerbs haben Milgrom & Roberts formuliert42.
Hierin stehen sich ein Monopolist und ein einziger potentieller Newcomer gegen
über. Der Monopolist ist zunächst besser informiert: Er kennt seine (konstanten)
Stückkosten KEt, die dem potentiellen Wettbewerber im Zeitpunkt seiner Entschei
dungsfindung noch unbekannt sind. Erst nach seinem Markteintritt erlangt dieser
Gewißheit über die Kosten des etablierten Monopolisten. Wären diese ex ante all
gemein bekannt, läge eine vollständig beschriebene Spielsituation mit einer einzig
39 Vgl. Salop (Predatory), S. 15.
40 Zugleich scheitert die McGee-Telser-Bork-Theorie unter den genannten Bedingungen an einem "inneren Widerspruch" (Salop): Ein Newcomer, der den Argumenten McGees vertraut bzw. sich in einer Welt vollkommener Information wähnt, schließt die Möglichkeit des Bluffs aus. Dadurch kann er aber gerade erfolgreich von einem strategisch denkenden Konkurrenten geblufft werden. Vgl. Salop (Predation), S. 16. Dies gilt gleichfalls für Vergeltungsmaßnahmen, die ein solcher Newcomer ebenfalls für unmöglich hält: "(T)he expectation that predation will never occur makes it quite profitable." Easley, Masson & Reynolds (Preying), S. 446.
41 Ein anderes "exit inducing predatory signaling"-Modell beschreibt Roberts (Signaling). Hierin besteht die Unsicherheit nicht hinsichtlich der relativen Kostenposition, sondern hinsichtlich der Nachfrage. Die tatsächliche Marktnachfrage kennt nur der Etablierte. Eine zweite Informationsasymmetrie betrifft die Angebotsmenge des Etablierten, die der Newcomer nicht beobachten kann. Er ist hier auf Vermutungen angewiesen. Als Signal bzw. Indikator für das unbekannte Nachfragevolumen dient ihm wiederum der Marktpreis. In diesem Beitrag nimmt Roberts auch einen Vergleich zu den verwandten Ansätzen von Easley, Masson & Reynolds (Preying), Fudenberg & Tirole (Jamming) und Benoit (Financially) vor. Ein Überblick über diese und weitere Modelle der Vergeltung, die zur Marktaustritten führt, fmdet sich ferner in Roberts (Battles), S. 175 - 181.
42 Vgl. Milgrom & Roberts (Incomplete information).
126
möglichen Lösung vor. So aber existiert eine Vielzahl von Spielen, nämlich für jeden
möglichen Wert von KEt. Da der Newcomer die Höhe der Stückkosten KEt nicht kennt, weiß er nicht, welches der möglichen Spiele nun tatsächlich gespielt wird, und
er kann daher seine optimale Strategie nicht bestimmen43. Er ist deshalb darauf
angewiesen, die fehlende Information über die Art des Spieles den beobachtbaren
Handlungen des Monopolisten zu entnehmen. Das heißt, er muß seine Entrittsentscheidung auf den pre-entry-Preis stützen, da er die tatsächlichen Stückkosten seines
Gegenspielers nicht kennt. Und da er somit seine eigenen Aktionen vom vorgefun
denen Preisniveau abhängig macht, eröffnet sich dem Monopolisten die Möglichkeit
des Umit Pricing44•
Solange nun der pre-entry-Preis des Monopolisten ein korrektes Signal für dessen
Kosten darstellt und sofern der potentielle Newcomer zutreffend vom beobachteten
Preis auf die unbeobachtbaren Stückkosten KEt schließen kann45, behindert ein
Umit Pricing Markteintritte nicht mehr als unter Sicherheit - wo es ja nicht zu einer
derartigen Preisbildung kommt, da eine Einflußnahmemöglichkeit auf Markteintritts
entscheidungen dann nicht besteht46• Denn wenn ein potentieller Newcomer die
Signale des Monopolisten zutreffend deuten kann, handelt er so, als ob er Zugang zur
privaten Information des Etablierten hätte47; d.h. er tritt dann ein, und nur dann,
43
44
45
46
47
Diese Problemstruktur ist für eine spieltheoretische Darstellung nicht geeignet. Denn eine Grund· voraussetzung der Spieltheorie besagt, daß den Beteiligten das jeweilige Spiel bekannt sein muß. Eine Spielsituation mit unvollständiger Information, die im oben beschriebenen Fall vorliegt, wird jedoch dadurch in eine spieltheoretisch handhabbare Form gebracht, daß man sie in ein Spiel mit unvollkommener, aber vollständiger Information transformiert. In einem solchen Spiel ist einem Beteiligten zwar der Pay-off einer jeden Entscheidung bekannt (Aspekt der vollständigen Information), aber er muß einen Spielzug ohne Kenntnis aller früheren Züge seiner Gegenspieler unternehmen (Aspekt der unvollkommenen Information). Man erreicht diese Form mittels der Einführung eines Dummy- oder Hilfsspielers ("Nature"), der eine Technologie mit den Kosten KEt wählt. Diese kann der Monopolist in Erfahrung bringen, nicht aber der potentielle Newcomer. Letzterer ist somit zwar vollständig, aber nur unvollkommen informiert: Er kennt den Spielzug bzw. die Preisentscheidung des Monopolisten, aber nicht den Zug des Hilfsspielers. Auf diesen muß er anband des Zuges des Monopolisten schließen. Vgl. hierzu Roberts (Battles), S. 161, und Milgrom & Roberts (Imcomplete information), S. 446.
Vgl. vorstehend Roberts (Battles), S. 160 ff. Daß diese Möglichkeit eine Gleichgewichtsstrategie darstellt, zeigen Milgrom & Roberts (Incomplete information), S. 445 ff.
Siehe zu diesen beiden Voraussetzungen Roberts (Battles), S. 162.
Vgl. Milgrom & Rol1erts (Incomplete information), S. 448. Würden Etablierte bei unvollkommener Information jedoch einen höheren Preis verlangen als den eintrittssperrenden Gleichgewichtspreis, bestünde eine größere Markteintrittsgefahr. Denn potentielle Newcomer, die davon ausgehen, daß der Monopolist seine Gleichgewichtsstrategie verfolgt, würden dann die Stückkosten KEt höher einschätzen als sie tatsächlich sind. Damit erschiene ihnen der Markteintritt attraktiver. Vgl. ebenda, S. 449, und Roberts (Battles), S. 164 f.
VgI. Milgrom & Roberts (Asymmetries), S. 186.
127
wenn es für ihn objektiv profitabel wäre48. Allerdings ist es zu erwarten, daß solch
exakte Rückschlüsse auf die Kostenposition des Etablierten unmöglich sind und daß
eine Restunsicherheit über die Höhe von KEt zum Zeitpunkt der Eintrittsentschei
dung besteht49. Der Monopolist besitzt damit die Möglichkeit, einen Preis unterhalb
des Gleichgewichtsniveaus anzusetzen, um so den potentiellen Newcomer zu
täuschen - in der Hoffnung, dessen Eintritt zu verhindern50. Andererseits kennt der
Newcomer diesen Anreiz und wird sich daher nicht völlig kalkulierbar beeinflussen
lassen51.
Wie das vorstehend dargelegte spieltheoretische Modell zum Problem des Marktein
tritts und der Eintrittsverhinderung zeigt, kann bei Vorliegen unvollständiger, asym
metrischer Information der Preis als ein Kostensignal eingesetzt und gedeutet wer
den. Damit ist eine Begründungsbasis für die früher immer nur unterstellte Relevanz
von pre-entry-Preisen für die Eintrittsentscheidung gewonnen52.
Blickt man nun mit den eintrittsverhindernden Signaling-Konzepten auf den klassi
schen Limitpreis-Ansatz zurück, so bleibt festzuhalten, daß eine gewisse Akzentver
schiebung stattgefunden hat: Die Signaling-Ansätze lösen zwar die Grundvorstellung
des Limit Pricing ein, daß es etablierten Anbietern möglich ist, mit ihrer gegenwärti
gen Preispolitik die Wahrnehmung potentieller Newcomer hinsichtlich der Rentabili
tät des Markteintrittes zu beeinflussen. Sie leisten dies aber - anders als die klassische
Limitpreis-Theorie mit dem Sylos-Postulat und anderen Reaktionsprämissen - ohne
den Rückgriff auf angedrohte Vergeltungsmaßnahmen. Der pre-entry-Preis dient beste
henden und neuen Unternehmen zwar weiterhin als ein Signal, nun aber für die
relative Wettbewerbs position. Im Modell Bains teilen etablierte Anbieter durch das
Setzen von Eintrittssperrenpreisen potentiellen Newcomern hingegen ihre zukünftige
Handlungsabsicht mit: Sie sprechen damit die Drohung aus, den gegenwärtigen
Marktpreis nicht zu stützen, sondern statt dessen Vergeltung zu üben.
Der zentrale Unterschied zwischen den klassischen und den Signaling-Theorien des
Limit Pricing besteht also darin, daß neuerdings Eintrittssperrenpreise als Kosten~
signale einer Einflußnahme auf die Selbsteinschätzung potentieller Wettbewerber
dienen, während sie früher als "Drohgebaren" eine Einflußnahme auf die Reaktions-
48 vgl. Roberts (Battles), S. 161.
49 VgI. Milgrom & Roberts (Incomplete information), S. 456.
50 VgI. Roberts (Battles), S. 160.
51 Vgl. Milgrom & Roberts (Incomplete information), S. 457, und (Asymmetries), S. 186.
52 Vgl. Roberts (BaUles), S. 160.
128
erwartungen bezweckten. In den Signaling-Ansätzen kommt das Limit Pricing nun
gänzlich ohne Vergeltungsdrohungen und ohne das post-entry-Verhalten der
Etablierten aus. Insofern ist zwar die Rationalität des Setzens von Sperrenpreisen
hergestellt, aber auf eine andere Weise als über die Herbeiführung der Glaubwür
digkeit angedrohter Vergeltung, die seit der von McGee geübten Kritik angezweifelt
wird. Und damit wandelt das Limit Pricing seinen Charakter, von einem Indikator für
Vergeltungsdrohungen zu einem Kostensignal53.
Einen anderen - eher konventionellen - Weg der theoretischen Begründung von Ver
geltungsmaßnahmen schlagen indes die nachstehend thematisierten Reputation
Ansätze ein: Bei wiederum asymmetrisch verteilten Informationen wird ein "Ruf der
Härte" durch die Ausübung von Vergeltung aufgebaut. Ein Etablierter, der einen
solchen Ruf zu verteidigen hat, ist auch bei zukünftigen Markteintritten wieder zu
einer Vergeltungsstrategie gezwungen, da eine Kooperation sein Image außer Kraft
setzen würde. Insofern sind Drohungen solcher Etablierter glaubwürdig.
Wie bereits dieser kurze Ausblick deutlich macht, bewegen sich die Reputation
Ansätze im Vergleich zu den Signaling-Konzepten eher auf der klassischen Argumen
tationslinie. Denn statt eine Neuinterpretation zu bieten, beheben sie ein von McGee konstatiertes Defizit der Vergeltungstheorie54/ 55•
53 Diese neue Qualität des Limit Pricing spiegelt sich auch in der Würdigung der eintrittsverhindernden Signaling-Modelle durch Stiglitz wider: In dem "Strategie Entry Deterring"-Beitrag von Salop sieht Stiglitz nicht etwa eine Vervollkommnung der klassischen Theorie, sondern eine Neuinterpretation des Limit Pricing. Denn während bisher (Eintrittssperren-)Preise als Kontrollvariable erachtet wurden, die sich im Einflußbereich der etablierten Unternehmen befinden und daher als revidierbar gelten mußten, werden sie im Falle asymmetrischer Information gewissermaßen zu Zustandsvariablen, die nicht sofort geändert werden können: Sie gelten dann nämlich als Indikator für die Kostenposition bzw. Technologie, die ja eine "state variable" darstellt. Vgl. Stiglitz (Introduction), S. XI f.
54 Hierbei stehen allerdings die post-entry-Reaktionen im Mittelpunkt und nicht wie in der Limitpreis-Theorie die pre-entry-Maßnahmen etablierter Anbieter. Vgl. hierzu unten, S. 135.
55 McGee selbst zeigt sich von den strategischen Konzepten unbeeindruckt. Er räumt sogar selbst ein, daß ihm seine von den neueren Ansätzen unberührt gebliebene Haltung zum "predatory pricing" zu einem "diehard Chicagoan" qualifiziere, also zu einem verbissenen oder unnachgiebigen Chicagoer. Vgl. McGee (Revisited), S.292, Fußnote 15. Mit dieser Namengebung bedachte ursprünglich Posner - selbst ein Vertreter der Chicago School - beispielsweise Bork wegen dessen Unaufgeschlossenheit für jedwede theoretische Neuerung. VgI. Posner (Chicago), S. 932.
129
3.3.1.1.2. Die Reputation-Modelle: Vergeltungskosten als Investition in einen "Ruf
der Härte"
Einer der Kritikpunkte McGees an der Theorie des Verdrängungswettbewerbs lautet,
daß sich Kampfpreise nur auszahlen, wenn die Verluste der Vergeltungsphase nach
der Eliminierung des unerwünschten Konkurrenten durch entsprechende Preisan
hebungen kompensiert werden können. Bei Abwesenheit von Wiedereintrittsbar
rieren ist diese Möglichkeit nach McGee nicht gegeben. Denn durch ein attraktives
Preisniveau würden erneut Newcomer in den Markt gelockt bzw. zur Wiederauf
nahme der stillgelegten Produktion bewogen.
Dieses Argument bildet nun den Ansatzpunkt der Reputation-Modelle. Entgegen der
Vorstellung McGees, nach der nur der Etablierte seine Lehren aus den grundsätzlich
umentablen Vergeltungsversuchen zieht, gehen diese Konzepte von einem Lern
prozeß auch bei potentiellen Newcomern aus. Das heißt, die gegen einen neu einge
tretenen Herausforderer geübte (und nach McGee irrationale) Vergeltung wirkt sich
auf die Reaktionserwartung weiterer, zukünftiger Markteintrittskandidaten aus.
Diese hält dann nicht die Erwartung einer rationalen Preispolitik, sondern die Furcht
vor irrationalen Reaktionen möglicherweise vom Markteintritt ab56.
Eine Vergeltungsmaßnahme wird nun aber deshalb als irrational kritisiert, weil sie
isoliert betrachtet für den sie ausübenden Etablierten ein Verlustgeschäft bedeutet.
Denn die aus einem Preiskampf entstandenen Einbußen können ja nach McGee in
dem betreffenden Markt nicht wieder ausgeglichen werden. Wenn aber zukünftige
Neueintretende damit rechnen müssen, daß sich der Etablierte erneut "irrational"
verhält, wird dieses Reaktionsmuster zu einer rationalen Strategie. Denn dann muß
sich eine Vergeltungsmaßnahme, um wirtschaftlich und damit glaubwürdig zu sein,
nicht bereits unmittelbar durch die Verdrängung bzw. Bekämpfung eines konkreten
neu eingetretenen Herausforderers bezahlt machen. Vielmehr kann angesichts
weiterer, für die Zukunft zu erwartender potentieller Newcomer eine "reputation for
toughness" aufgebaut werden, indem man konsequent Vergeltung übt. Die Kosten
dieser exemplarischen Vergeltungsmaßnahme(n) stellen dann eine Investition in eine
längerlebige Vergeltungsreputation dar, d.h. sie lassen sich ökonomisch durch die
zukünftigen Erträge aus unterbleibenden Markteintritten rechtfertigen57•
56 Diesen Effekt bezeichnet Scherer als "rationality of irrationality". Vgl. ders. (Industrial), S. 246 f.
57 Vgl. Milgrom & Roberts (Reputation), S. 282.
130
Die formale Präzisierung dieser "Rationalisierung der Irrationalität" von Vergel
tungsmaßnahmen erfolgte durch Milgrom & Roberts sowie Kreps & Wilson mittels spieltheoretischer Reputation-Modelle58. Die Kernaussagen dieser Modelle werden
hier anhand eines einfacheren Beispiels von Roberts dargelegt59.
Gegeben sei ein Etablierter E (eine Warenhauskette), der in einer endlichen Zahl
von M (Regional-)Märkten operiert. In jedem dieser Märkte steht ihm ein potentiel
ler Newcomer N gegenüber, der zu entscheiden hat, ob er eintritt oder nicht60. Wählt
er die Alternative "Eintritt", kann der Etablierte aggressiv oder kooperativ reagieren.
Die Auszahlungen der beiden Spieler in jedem der M Märkte sind dem Spielbaum in
Abb. 10 zu entnehmen. Der gesamte Pay-off des Etablierten soll der Summe der Auszahlungen aller Märkte entsprechen.
Potentieller Newc:omer
Etablierter Anbieter
kein Eintritt
Kooperation
Vergeltung
(2; 0)
(0; +0,5)
<-1; -0,51
Abb. 10: Spielbaum zum Reputation-Beispiel von Roberts (Battles, S. 182)
Angabe der Auszahlungen: (Et;New)
In einem Spiel mit nur einem Markt, d.h. mit nur einem potentiellen Newcomer,
lautet die Gleichgewichtslösung: Es findet ein Markteintritt statt, der von E mit einer Kooperation beantwortet wird61.
58 Vgl. Milgrom & Roberts (Reputation) und Kreps & Wilson (Reputation).
59 Vgl. Roberts (Battles), S. 182 - 185.
60 An die Stelle der M Märkte können auch M Perioden eines Spieles treten. In diesem Fall wird der Etablierte in nur einem Markt von M potentiellen Newcomern in einer zeitlichen Sequenz bedroht.
61 Die günstigste Situation für E wäre indes: kein Eintritt von N. Hierbei handelt es sich jedoch um ein unvollkommenes Gleichgewicht. Denn N wird dem Markt nur fernbleiben, wenn er mit einer Vergeltung rechnet. E wiederum wird nur mit einer Vergeltung drohen, wenn er mit dem Fernhlei· ben von N rechnen kann, so daß er niemals eine Auszahlung von -1 in Kauf nehmen muß. Es wird folglich zum Markteintritt von N kommen, da diese Drohung von E wegen der Vorteilhaftigkeit der Alternative "Kooperation" unglaubwürdig ist. Vgl. Roberts (Battles), S. 182.
131
Aber auch in einem Spiel mit einer beliebig hohen, aber endlichen Zahl von Märkten
kann der Etablierte nicht - jedenfalls (spiel-)theoretisch nicht - mittels gezielter Ver
geltungsmaßnahmen in einem Markt einen Ruf aufbauen, von dem er bei weiteren
drohenden Eintritten in anderen Märkten profitiert. Dies erklärt das Warenhaus
ketten-Paradoxon (chain store paradox): Im letzten der bedrohten Märkte wird das
einer Kette angehörende Warenhaus eine kooperative Strategie wählen. Denn da es
keine weiteren Märkte zu verteidigen gibt, ist die Strategie "Kooperation bei Eintritt"
- wie in einem Spiel mit nur einem Markt - die günstigste Alternative. Dies gilt unab
hängig von früheren Spielzügen in anderen Märkten. Im vorletzten der bedrohten
Märkte könnte hingegen die Konfliktstrategie gewählt werden, um einen Eintritt in
den letzten Markt zu verhindern. Da aber dort die Spielsituation ja vollkommen
determiniert ist und die Gleichgewichtsstrategie "Kooperation bei Eintritt" lautet, können Newcomer vom letzten Markt nicht ferngehalten werden - und zwar unab
hängig von der im vorletzten Markt gewählten Strategie. Insofern stellt auch dort die
kooperative Antwort auf einen erfolgten Markteintritt die günstigste, gleichgewich
tige Strategie dar. Damit wird deutlich, daß es mit Gleichgewichtsstrategien bei einer
endlichen Zahl von Märkten bzw. bei einem endlichen Zeithorizont (theoretisch)
niemals zur Vergeltung kommt und eine "reputation for toughness" nicht aufgebaut
werden kann62.
Diesem Paradoxon kann man auf zwei verschiedene Weisen entgehen. Zum einen
kann das theoretische Erklärungsproblem mittels einer unendlichen Zahl von Märkten
bzw. mittels eines unendlichen Zeithorizontes gelöst werden, so daß ein Startpunkt für
die rückwärtsgerichtete Induktion fehlt. Für diesen Fall existieren mehrere Gleich
gewichte: Die Empfehlung für einen Etablierten in einer bestimmten Spielperiode
lautet, einen Markteintritt mit Vergeltung zu beantworten, sofern nicht bereits früher
kooperativ reagiert wurde. Für einen Newcomer empfiehlt es sich umgekehrt nur
dann einzutreten, wenn früher bereits Eintritte stattgefunden haben und diese nicht
bekämpft wurden. Es ergeben sich somit bei einem unendlichen Zeithorizont zwei
grundverschiedene sequentielle Gleichgewichte: (1) Es wird immer Vergeltung geübt,
Markteintritte bleiben daher aus. (2) Es kommt zur Kooperation und zum Eintritt
aller potentiellen Newcomer63•
62 VgL Milgrom & Roberts (Reputation), S.283. Begründet wurde das "chain store paradox" durch Selten (Paradox). Selten weist darauf hin, daß es sich bei dem Warenhausketten·Paradoxon nicht um ein Modell handelt, das einen Anspruch auf Realitätsnähe erhebt, sondern daß daran gerade das Abweichen des tatsächlichen HandeIns gut informierter Spieler von den spieltheorelischen Lösungen gezeigt werden kann. VgL ebenda, S. 127.
63 VgL Encaoua, Geroski & Jacquemin (Strategic competition), S. 71.
132
Zum anderen versagt die Logik der Rückwärtsinduktion des "chain store paradox",
wenn die· Annahme vollständiger und vollkommener Information gelockert wird. Denn
dem Paradoxon der Warenhauskette liegt die Prämisse zugrunde, daß es allgemein
bekannt ist, daß "Kooperation" die beste Antwort auf einen Eintritt und "Eintritt" die
beste Antwort auf eine frühere Kooperation ist64• Ein derartiges "Allgemeinwissen"
kann aber nur in einer Spielsituation mit vollständiger und vollkommener Infor
mation entstehen, in der alle Firmen über die Baumstruktur des Spiels, über die Aus
zahlungen aller Spieler und über die vergangenen Spielzüge der Kontrahenten unter
richtet sind65•
Eine solche Informationsvollkommenheit ist in den Reputation-Ansätzen von Kreps
& Wilson und Milgrom & Roberts nun in unterschiedlicher Hinsicht nicht mehr gege
ben. Dem letztgenannten Modell liegt eine pay-off-Struktur wie im Spielbaum von
Abb. 10 zugrunde, d.h. eine Vergeltung zahlt sich für Etablierte kurzfristig nicht aus.
Dies ist allen Beteiligten noch bekannt. Unsicher sind sich potentielle Newcomer
indes über die Ziele, Motivation und Verhaltensregeln der Etablierten66. Bereits bei
einer geringen derartigen Unsicherheit kann es nicht mehr ausgeschlossen werden,
daß gegen den letzten der M Newcomer keine Vergeltung mehr geübt wird, so daß
das Verfahren der Rückwärtsinduktion des Warenhausketten-Paradoxons scheitert.
Potentielle Neueintretende müssen sich daher an den beobachtbaren vergangenen
Handlungen der Etablierten orientieren, um auf den jeweils vorliegenden Typ von
Wettbewerber zu schließen67• Gerade dies ermöglicht etablierten Anbietern den
Aufbau einer Vergeltungsreputation. Denn weil das zukünftige Verhalten eines
64 Der hiermit angesprochene spieltheoretische Begriff des "common knowledge" besagt, daß jeder Beteiligte weiß, daß der andere Spieler weiß, worin die Gieichgewichtsstrategie besteht. Vgl. Milgrom (Common), S.219. Zum Konstrukt des "common knowledge", mit dem der infinite Regreß - d.h. die unendliche Kette der Erwartungen der Spieler über die Erwartungen ihrer Gegenspieler - abgebrochen wird, vgl. auch Weigelt & MacMillan (Interactive), S. 31.
65 Vgl. Milgrom & Roberts (Reputation), S. 283.
66 Im Modell von Milgrom & Roberts wird diese Unsicherheit folgendermaßen in Ansatz gebracht: Neueintretende erwarten mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit p, daß eine aggressive (bzw. eine friedliche) Antwort in einer bestimmten Periode Bestandteil einer generellen Vergeltungs(bzw. Kooperations-)Strategie ist. Dies sind die beiden Verhaltensregeln, die Newcomer bei Etablierten vermuten, von denen sie aber nicht wissen, ob sie zutreffend sind. Der Grad ihrer Unsicherheit darüber, inwieweit Etablierte eine Entscheidungsregel befolgen, d.h. inwieweit sie sich unter ähnlich wiederkehrenden Bedingungen genauso verhalten wie in der Vergangenheit, kommt in der Höhe der Wahrscheinlichkeit p zum Ausdruck. Nur bei einer Wahrscheinlichkeit von Null wäre das beobachtbare vergangene Verhalten für die Prognose zukünftiger Reaktionen irrelevant. VgI. Milgrom & Roberts (Reputation), S. 285 und S. 287.
67 VgI. Roberts (BaUles), S. 183. Roberts unterscheidet hier zwischen einem "normal type", der eine Kooperationsstrategie befolgt, und einem "crazy type", der Vergeltung übt. Unter dem "Typ von Spieler" versteht man in der Spiel theorie die Menge der privaten Informationen eines Spielers, die für dessen Pay-off von Bedeutung ist. VgI. Weigelt & Camerer (Reputation), S. 443 f., und Weigelt & MacMillan (Interactive), S. 29 f.
133
Etablierten möglicherweise von seinem Typ abhängt, den potentielle Newcomer nur anhand seiner bisherigen Reaktion in Erfahrung bringen können, kann ein
"normaler" Konkurrent Vergeltungsmaßnahmen ergreifen, um den Eindruck des
"Verrücktseins" zu wecken68•
Auf einer anderen Art von asymmetrischer Information basiert das Modell von Kreps
& Wilson. Entgegen dem Ansatz von Milgrom & Roberts ist hier die kooperative
Antwort auf Markteintritte nicht prinzipiell die kurzfristig günstigere Handlungs
alternative. Denn es kann auch der Fall vorliegen, daß ein Etablierter seine Auszah
lungsstruktur so geändert hat, daß eine Vergeltung die für ihn ex-post-optimale Stra
tegie darstellt69. Ein potentieller Newcomer weiß nun angesichts dieser beiden Mög
lichkeiten nicht, mit welchem Konkurrenten er es zu tun hat: Steht ihm ein "starker"
Typ von Wettbewerber mit einem aggressiven Reaktionsprofil gegenüber, oder ein
"schwacher" Typ, dessen optimale Strategie "Kooperation bei Eintritt" lautet?70
Aufgrund dieser Unkenntnis über die zutreffende Auszahlungsstruktur bereits beste
hender Anbieter kann es kein "Allgemeinwissen" sein, daß "Kooperation" für einen
Etablierten in jeder Runde die günstigere Alternative ist; d.h. die Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit des Warenhausketten-Paradoxons in einem endlichen
Spiel ist auch hier nicht gegeben. Daher ist es etablierten Unternehmen auch in der
(Spiel-)Theorie wiederum möglich, eine "reputation for toughness" zu erwerben71•
Hierzu können bzw. müssen sie - je nach vorliegendem Typ - folgende (Gleich-
68
69
70
71
Vgl. Roberts (BattIes), S. 183 f., zu einem Beispiel des Pay-offs dieser Strategie in einem Spiel mit drei Märkten bzw. über drei Perioden: Verzichtet der "normale" Etablierte in jeder Runde auf eine Vergeltung, beträgt sein Pay-off gemäß der Auszahlungsstruktur in Abb. 10 null. Reagiert er jedoch gegen den ersten Newcomer aggressiv, führt dies zwar zunächst zu einer negativen Auszahlung von -1. Da ihn aber die beiden anderen potentiellen Newcomer für "verrückt" halten werden und (mit der Wahrscheinlichkeit p) eine Vergeltung erwarten und daher vor einem Eintritt zurückschrecken werden, beträgt der gesamte Pay-off -1 +2 +2.
Dies kann er durch eine bindende Verpflichtung erreichen, die den Rücktritt von seiner Vergeltungsdrohung - und damit die Kooperation - teurer macht als das Ausführen der Vergeltungsstrategie. Vgl. dazu unten, S. 136 ff., unter Punkt 3.3.1.1.3. die sog. Commitment-Modelle.
Der formale Ansatz von Kreps & Wilson bildet dieses Informationsdefizit folgendermaßen ab: Ein potentieller Newcomer erwartet zunächst mit der Wahrscheinlichkeit p, daß ein "starker" Monopolist vorliegt, der aggressiv auf Eintritte reagiert. Im Verlauf des Spieles beobachten alle potentiellen Newcomer die jeweils gewählten Spielzüge des Monopolisten. Zu einem bestimmten Betrachtungszeitpunkt kann ein potentieller Neueintretender seine ursprüngliche Vermutung über den Typus des Monopolisten korrigieren, wenn aus der Geschichte früherer Züge Informationen über die relative Wahrscheinlichkeit des Vorherrschens einer der beiden pay-off-Strukturen zu entnehmen sind [vgl. Kreps & Wilson (Reputation), S. 256]. Um dies festzustellen, vergleicht er die beobachteten tatsächlichen Handlungsweisen mit den erwarteten, gleichgewichtigen Reaktionen, die nachfolgend im Text aufgeführt sind.
Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei daran erinnert, daß es hier um die theoretische Erklärnng von Vergeltung als eine ökonomisch rationale Handlungsweise geht, nachdem dies von der McGee-Telser-Bork-Theorie in Frage gestellt wurde, und nicht um reale Vorgänge in der Praxis, die das Warenhausketten-Paradoxon nicht anzuzweifeln gedenkt.
134
gewichts-)Strategien ergreifen 72: Ein "starker", d.h. zur Vergeltung verpflichteter
Wettbewerber reagiert grundsätzlich aggressiv, da schon eine einzige Episode der
Kooperation auf das Fehlen einer Verpflichtung hinweist. Ein nicht verpflichteter
"schwacher" Monopolist kann darauf hoffen, daß man ihn für einen "starken" Konkur
renten hält, wenn er wie dieser mit Vergeltung antwortet; dies empfiehlt sich für die
frühe Spielphase. In der mittleren Phase sollte er eine Zufallsstrategie wählen, d.h.
nur noch gelegentlich mit einer Konfrontation reagieren, und gegen Ende des Spieles
zur Kooperation übergehen73.
Nach der Vorstellung der beiden zentralen Beiträge kann den theoretischen Erkennt
niswert der Reputation-Modelle zusammenfassend nunmehr festgehalten werden: Mit
den spieltheoretischen Ansätzen dieser Modellgruppe können Vergeltungsmaß
nahmen als eine rationale, rentable und glaubwürdige Strategie zur Abwehr oder
Abschreckung neuer Konkurrenten ausgewiesen werden. Der dafür maßgebliche
Reputation-Effekt wurde in einem Spiel mit endlichem Horizont durch die Einführung einer Unsicherheit bzw. Informationsasymmetrie ermöglicht. Diese betraf zum
einen (bei Milgrom & Roberts) die Entscheidungsregeln, zum anderen (bei Kreps &
Wilson) die pay-off-Struktur des etablierten Monopolisten. In beiden Fällen führte
die Unvollständigkeit der Information dazu, daß potentielle Newcomer den vergan
genen Spielzügen der Etablierten Beachtung schenken müssen, um daraus Schlüsse
über deren zukünftige wahrscheinliche Handlungsweise zu ziehen. Und wenn das vergangene Handeln insofern über die jeweilige Runde des Spiels hinaus von Bedeu
tung ist, muß sich eine Vergeltungsmaßnahme - um wirtschaftlich und damit glaub
würdig zu sein - nicht bereits kurzfristig, d.h. in der jeweiligen Spielperiode selbst
auszahlen. Statt dessen nimmt sie aufgrund einer mehrperiodischen Wirkung einen
Investitionscharakter an. Dieser in der McGee-Telser-Bork-Theorie ausgeschlossene
Aspekt trägt zusammen mit der Informationsunvollkommenheit entscheidend zur
Rationalisierung von Vergeltungsmaßnahmen bei:
72 Vgl. nachfolgend Dixit (Developments), S. 15, bzw. zu einer formalen Darstellung Kreps & Wilson (Reputation), S. 258 f.
73 Diese spieltheoretischen Strategieempfehlungen gelten für den Fall einer einseitigen Unsicherheit, d.h. wenn der Newcomer die pay-off-Struktur des Etablierten nicht kennt. Statt dessen kann aber auch ein symmetrisches InformationsdefIzit vorliegen, bei dem weder der Etablierte noch der potentielle Newcomer weiß, ob er einem "schwachen" oder "starken" Kontrahenten gegenübersteht. Wenn nun ein Monopolist wiederholt auf einen bestimmten Newcomer trifft, haben beide die Möglichkeit, einen Ruf der Härte bzw. Stärke aufzubauen. Vgl. zu einer Analyse dieses Falles und zu den Strategieempfehlungen in einem Spiel mit beiderseitiger Unsicherheit Kreps & Wilson (Reputation), S. 266 ff.
135
Auf die Limitpreis-Theorie angewandt besagt der Reputation-Gedanke, daß nach der
einmaligen oder ggf. wiederholten Beibehaltung der Angebotsmenge 74 weitere
potentielle Newcomer der in Sperrenpreisen enthaltenen Drohung möglicherweise
Glauben schenken werden. Es ist damit theoretisch denkbar, daß sie - aufgrund der
negativen Erfahrungen anderer - vor Markteintritten zurückschrecken. Hierbei
unterstreichen l1mitpreise - wegen des ex-ante-Gewinnverzichts - zwar tendenziell
den "Ruf der Härte", theoretisch erforderlich sind sie aber nicht. Denn die Drohung
verbirgt sich nicht in den pre-entry-Preisen, sondern in der exemplarisch wahrge
machten Vergeltung, also in früheren post-entry-Reaktionen. Insofern stellen die
Reputation-Modelle zwar die vermeintlich fehlende Glaubwürdigkeit von Vergel
tungsdrohungen her, jedoch - entgegen der l1mitpreis-Theorie - fast gänzlich ohne
den Rückgriff auf das pre-entry-Verhalten etablierter Wettbewerber. Denn auch bei Kreps & Wilson spielt dieses lediglich eine indirekte Rolle, nämlich um die im Zen
trum der Argumentation stehende Unsicherheit potentieller Newcomer über die Aus
zahlungsstruktur der Etablierten zu ermöglichen. Das pre-entry-Verhalten bleibt dort
also auf eine denknotwendige Voraussetzung beschränkt. Insofern ist es nur von
untergeordneter Bedeutung75•
Das von Kreps & Wilson allenfalls implizit angesprochene, nicht näher ausgeführte pre-entry-Verhalten, das Vergeltungsmaßnahmen zu einer ex-post-optimalen Strategie macht, steht im Mittelpunkt der nachfolgend thematisierten Commitment-Ansätze.
Deren Kerngedanke lautet, daß Etablierte noch vor dem Auftreten von Newcomern eine bindende Verpflichtung eingehen können, die sie zur Verteidigung zwingt. Denn
eine geeignete Verpflichtung bewirkt, daß die Vergeltung wirtschaftlicher wird als die
Kooperation. Potentielle Newcomer, die ein solches "pre-commitment" wahrnehmen,
besitzen folglich keinen Grund mehr, an der Ausübung von Vergeltung zu zweifeln.
Das heißt, Vergeltungsdrohungen erlangen durch das Eingehen einer Verpflichtung
die ihnen von McGee und anderen Kritikern abgesprochene Glaubwürdigkeit.
Hierzu bedarf es in diesen Erklärungsansätzen lediglich einer anfänglichen Asymme
trie hinsichtlich der Verpflichtung. Eine Informationsasymmetrie, wie sie die
Signaling-Konzepte und das am ehesten verwandte Reputation-Modell von Kreps &
Wilson voraussetzen, ist hier hingegen nicht mehr erforderlich. Im Gegenteil, eine
74 Diese Reaktion entspricht dem Sylos-Postulat. Etablierte Unternehmen, die Bains wahrscheinlichste Reaktionshypothese wahr machen, würden eine für ein stabiles Preisniveau ungenügende Outputreduzierung vornehmen.
75 Kreps & Wilson selbst schenken dem pre-entry-Verhalten überhaupt keine Beachtung. Denn sie befassen sich in ihrem formalen spiel theoretischen Beitrag nicht mit der Frage, wie die von ihnen angenommene Auszahlungsstruktur "starker" Wettbewerber zustande kommen kann. Die Brücke zum pre-entry-Verhalten schlägt hier erst Dixit (Developments, S. 15) mit dem Aspekt der Verpflichtung, die Monopolisten zu einer "Stärke" im Sinne von Kreps & Wilson verhelfen kann.
136
Unsicherheit potentieller Newcomer bezüglich des Vorliegens einer Verpflichtung ist - wie sich nachstehend zeigen wird - im sog. "committed competition"76 eher hinder
lich denn nützlich.
3.3.1.1.3. Der Commitment-Ansatz: Bindende Verpflichtungen als strategische
Asymmetrie in der pre-entry-Phase
Die McGee-Telser-Bork-Kritik an der Theorie der Vergeltung betrifft u.a. die
ungleiche Kostenwirkung von Vergeltungsmaßnahmen: Da Preissenkungen dem Eta
blierten wegen seines höheren Marktanteils mehr schaden als einem kleineren New
comer, der unter sonst gleichen Bedingungen seine geringeren Verluste eher finan
zieren kann, verbieten sich vergeltende Preiskämpfe gewissermaßen von selbst.
Etablierte, die dennoch mit Vergeltung drohen, handeln nach McGee et al. unglaub
würdig. Denn sie besitzen nach erfolgten Markteintritten angesichts günstigerer Handlungsalternativen keinen Anreiz, Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen. Ein
potentieller Newcomer, der sich dessen bewußt ist, wird sich daher durch Vergeltungsdrohungen nicht von seinem Vorhaben abbringen lassen 77.
In den vorstehend erörterten Reputation-Modellen wurde der von McGee vermißte ökonomische Anreiz zur Ausübung von Vergeltung mit dem Investitionscharakter derartiger Maßnahmen begründet: Auch wenn jede einzelne Vergeltungsaktion
isoliert betrachtet unrentabel sein sollte, können sich die Einzelaktionen insgesamt
(als Bestandteile einer Reputation-Strategie) dennoch längerfristig auszahlen, da den
gegenwärtigen Vergeltungskosten die erwarteten Erträge aus zukünftig unterbleiben
den Eintritten gegenübergestellt werden können. Einen anderen, direkteren Weg
beschreitet demgegenüber der Commitment-Ansatz. Dieser zieht seine Begründungskraft für angedrohte Vergeltungs maß nahmen aus der unmittelbaren bzw. kurzfri
stigen Anreizstruktur, die Etablierte in der pre-entry-Phase des Wettbewerbs gezielt zu ihren eigenen Gunsten gestalten können78.
76 Caves (Quest), S. 127.
77 Es handelt sich in spieltheoretischer Terminologie um eine leere Drohung, da die angedrohte Reaktion keine Gleichgewichtsstrategie darstellt.
78 An dieser Stelle sei noch angemerkt, daß auch ohne den Rückgriff auf das Konzept der Verpflichtung McGees Einwand einer asymmetrischen Kostenwirkung (mit der Spieltheorie) entgegengehalten werden kann, daß der Etablierte zur Übernahme größerer Kosten bereit sein wird. Denn nach Gilbert kann ein Monopolist mehr verlieren, als ein Newcomer nach einern erfolgreichen Markteintritt in dem entstandenen Duopol überhaupt gewinnen kann. Daher wird dem Etablierten die Verteidigung seiner Monopolposition mehr wert sein als einem gleichermaßen effIzienten Neu-
137
Die für den Commitment-Ansatz zentrale Erkenntnis der Spieltheorie liegt darin,
daß die Wirksamkeit von Drohungen nicht davon abhängt, ob der sie Aussprechende
einen geringeren Schaden nimmt als der Adressat der Drohung, wenn diese im
Bedarfsfalle realisiert werden muß. Denn entscheidungsrelevant ist grundsätzlich
nicht die relative Kostenwirkung einer Maßnahme für alle Beteiligten, sondern allein
die relative Vorteilhaftigkeit der Vergeltung gegenüber anderen Handlungsaltemativen,
die dem Etablierten offenstehen. Nach McGee existieren hier zwar solange günsti
gere Alternativen, wie dem Newcomer aus der Vergeltung ein geringerer Schaden
entsteht und er daher - in Kenntnis der Konsequenzen dieses Sachverhalts für den
Etablierten - nicht nachhaltig zur Aufgabe bewogen werden kann: Unter dem Aspekt
der Beseitigung von Newcomern ist die Fusion vorzugswürdig, mit dem Ziel der
ebenfalls vorteilhafteren friedlichen Koexistenz die Kooperation, d.h. die gemein
same Gewinnmaximierung. Hiermit erfaßt McGee jedoch nur diejenigen Handlungs
alternativen, die sich bei einem "unschuldigen" Marktverhalten des Etablierten ergeben ("innocent behavior"). Ein strategisch handelnder Wettbewerber hat indes die
Möglichkeit, seine pay-off-Struktur so zu verändern, daß die Vergeltung - trotz der
absoluten finanziellen Einbußen - zur relativ günstigsten Alternative wird. Wegen des
damit verbundenen Verlustrisikos ist jedoch zunächst die Bereitschaft zu einem
solchen paradox erscheinenden Verhalten zu ergründen.
Der spezifische Charakter einer Drohung besteht nach Schelling darin, für das Ein
treten bestimmter Bedingungen eine Maßnahme in Aussicht zu stellen, die man dann
vorzugsweise doch nicht ergreifen würde, wenn die betreffende Bedingungskonstel
lation durch das Verhalten des Kontrahenten 'herbeigeführt worden ist. Denn eine
Drohung, die versagt hat, stellt ihren Initiator schlechter als es sein müßte, nämlich wenn er die verbindliche Drohung nicht ausgesprochen hätte 79.
Ein Etablierter besitzt jedoch dann einen Anreiz, sich an die Erfüllung einer für ihn selbst nachteiligen Drohung zu binden, wenn er glaubt, daß diese ,erfolgreich ist.
Denn schließlich ist es die Drohung, nicht deren Ausführung, die zum Ziel führen sollSO. Und wenn eine Drohung wirkt, ist ihre Erfüllung nicht erforderlich. Allerdings
ist eine Drohung aber umso wirksamer, je wahrscheinlicher ihre Erfüllung ist. Mit
anderen Worten: Die Effizienz einer Drohung setzt voraus, daß sie glaubwürdig ist.
Und dies wiederum verlangt, daß sich ein bestehender Anbieter zur Ausführung einer
eintretenden deren Beseitigung. Vgl. Salop (Predation), S. 20 f., und Gilbert (Patents), S. 212 ff., insbesondere S. 215 und S. 220.
79 VgI. ScheIIing (ConfIict), S. 123.
80 Dies besagt auf unsere ProblemsteIIung übertragen: Die MonopolsteIIung eines etablierten Unternehmens soII durch Abschreckung potentieIIer Newcomer und nicht durch Vergeltungsmaßnahmen gegen neu eingetretene Konkurrenten sichergesteIIt werden.
138
ihn schädigenden Maßnahme zwingt81. Dies kann er durch das Eingehen einer
bindenden Verpflichtung erreichen, die seine Auszahlungsstruktur unwiderruflich und
in einer für potentielle Newcomer transparenten Weise derart modifiziert, daß nun
mehr ein größerer ökonomischer Anreiz zum Ergreifen von Vergeltungsmaßnahmen
denn zur Kooperation bzw. Marktaufteilung besteht.
Die asymmetrische Kostenintensität von Vergeltungsaktionen zuungunsten von Eta
blierten, an der McGee mit seiner Kritik Anstoß nimmt, besteht im Comrnitment
Ansatz also unverändert weiter. Trotzdem sind Vergeltungsmaßnahmen glaubwürdig
geworden. Denn durch das Eingehen einer Verpflichtung stellen sie die vorteilhaf
testen unter den sämtlich unwirtschaftlichen Handlungsalternativen etablierter
Anbieter dar. Mit der so erreichten Glaubwürdigkeit gelingt es, die Drohung von der
Vergeltung zu entkoppeln - eine glaubhafte Drohung wird theoretisch niemals ausge
führt werden müssen. Dies hat zur Folge, daß die asymmetrische Kostenwirkung von
Vergeltungsmaßnahmen theoretisch irrelevant wird82. Es muß daher nicht mehr das -
gar nicht beabsichtigte - Ausführen von Vergeltungsmaßnahmen, sondern nur noch
das Eingehen einer Verpflichtung wirtschaftlich sein, d.h. vorteilhafter sein als die
Alternative "Kooperation" bzw. "Stattgabe von Markteintritten".
Dies kann anhand des Spielbaumes in Abb. 11 demonstriert werden83. Hierin
bezeichnen PM den Pay-off des Monopolisten, PD die Auszahlung der beiden Duo
polisten, wenn es zur friedlichen Marktaufteilung kommt, und Pw die negativen Aus
zahlungen bzw. Verluste im Falle eines Wettbewerbskrieges. Ein Konflikt sei für
beide Parteien defizitär, ein Duopol für alle Beteiligten rentabel, aber für den
Etablierten weniger günstig als ein Monopol, so daß: PM > PD > 0 > PW' Der
bestehende Anbieter hat nun die Möglichkeit, eine Verpflichtung einzugehen, die
81 Vgl. vorstehend Schelling (Conflict), S. 36.
82 Praktisch wird man aber bestrebt sein, sich zu solchen Vergeltungsmaßnahmen zu verpflichten, die im (realiter nicht auszuschließenden) Konfliktfall nicht selbstzerstörend wirken, sondern nur für den neu eingedrungenen Konkurrenten destruktiv sind. Vgl. Spence (Competition), S.53 f. Auch Salop (Predation), S. 37, merkt an, daß Etablierte in den meisten Fällen gar nicht zu Maßnahmen greifen müssen, die sie selbst mit ebenso hohen oder sogar mit höheren Kosten belasten als den Newcomer: 'Through strategie planning analysis, the incumbent can often invent tactics that will disadvantage the entrant more." Diesen Aspekt vertieft das weiter unten behandelte Konzept des Raising rivals' costs. Zur praktischen Umsetzung dieser Erkenntnis vgl. auch die Bewertungskriterien für Abwehrtaktiken bei Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 625 f. Hier empfiehlt Porter Unternehmen die Wahl solcher Maßnahmen, die potentiellen Herausforderern den größten relativen Kostennachteil zuweisen. Zu einer Fallstudie, die alternative Präventiv- und Vergeltungstaktiken unter diesem Aspekt beleuchtet, vgl. unten, S. 169 ff., insbesondere Abb. 12.
83 Diese spieltheoretische Analyse des Commitment-Problems geht zurück auf Salop (Strategie, S. 336 f.), der jedoch die Matrixschreibweise für die Auszahlungsstruktu~ wählt. Die nachstehenden Ausführungen orientieren sich an Dixit (Developments), S. 12 ff., der statt dessen die Darstellungsform eines Spielbaumes gebraucht. Eine (deutschsprachige) Rezeption von Dixit findet sich bei Jacquemin (Industrieökonomik), S. 98 ff.
139
kein Eintritt
Kooperation
Vergeltung
r-____________ ~k~e~in~E=in~t~r~it~t (PM-V; 0)
Kooperation (P ) O-V;PO
Vergeltung
Abb. 11: Spielbaum zum Commitment-Ansatz Quelle: nach Dixit (Developments), S. 14
Legende: PM Pay-offMonopolist
PD Pay-offDuopolist
Pw Pay-offWettbewerbskrieg V Verpflichtungskosten
ihm Kosten in Höhe von V verursacht. Diese Kosten seien Bereitschaftskosten für
einen Preiskampf. Sie entfallen daher im Konfliktfall, reduzieren aber in den anderen
beiden Situationen die Auszahlungen PM bzw. PD um den Betrag V 84. Die Verpflichtung muß nun einerseits so beschaffen sein, daß sie die Kooperation bzw. deren
Auszahlung (PD - V) ungünstiger macht als den Pay-off des Wettbewerbskrieges, d.h. es muß gelten: PW > PD - V. Denn nur dann ist eine Vergeltung bzw. ein Wett
bewerbskrieg die ex-post-optimale Alternative. Andererseits darf die Verpflichtung
aber nicht so teuer sein, daß sie den Pay-off des Monopolisten (PM - V) derart
schmälert, daß die "unschuldige" oder "unverpflichtete" Marktaufteilung die günsti
gere Alternative wäre. Das heißt, nur bei PM - V > PD ist das Eingehen einer Verpflichtung vorteilhaft. Eine geeignete Verpflichtung, die Vergeltungsdrohungen
84 Diese Bereitschaftskosten können beispielsweise auf das Bereithalten von Überkapazitäten zurückzuführen sein. Wenn nun im Konfliktfall die Kapazitäten voll ausgelastet werden, um durch die Angebotsausweitung eine Preissenkung zu induzieren, entfallen die Kosten der Unterauslastung.
140
zugleich glaubhaft und wirtschaftlich macht, muß somit folgender Bedingung ge
nügen85: PM - PD > V > PD - PW·
Daneben muß eine effiziente Verpflichtung folgende Eigenschaften besitzen: Sie
sollte (a) vor der Entscheidung des potentiellen Newcomers eingegangen und (b)
diesem bekannt gegeben werden. Außerdem muß sie (c) irreversibel sein und (d) dauer
haft bzw. nachhaltig wirken86.
Ad (a) Pre-commitment
Mit einer Verpflichtung nimmt der Etablierte in einem Spiel, in dem Entscheidungen
sequentiell getroffen werden und in dem die Reihenfolge der Vorgehensweise von
Bedeutung ist, seinen natürlichen Vorteil des ersten Spielzuges in der pre-entry-Periode des Wettbewerbs wahr. Denn in einer Situation, in der das "pre-commitment" eines
etablierten Monopolisten geeignet ist, die gangbaren Handlungsalternativen seiner
Herausforderer den eigenen Interessen zu unterwerfen, und in der den potentiellen
Newcomern - mangels Marktpräsenz - die Möglichkeit einer frühzeitigen Verpflich
tung vorenthalten ist, besteht für den Etablierten ein "differential movement
advantage"87. Der Sieger ist in einem solchen Spiel mit asymmetrischen Zügen immer derjenige, der sich zuerst zur Vergeltung verpflichten kann88.
Ad (b) Signalisieren einer Verpflichtung
Eine Verpflichtung ist wertlos, wenn der Adressat einer Drohung die Verpflichtung
nicht wahrnehmen kann89. Da in einer Welt mit unvollkommener Information bzw. Intransparenz nicht davon ausgegangen werden kann, daß alle potentiellen New
comer Kenntnis von einer eingegangenen Verpflichtung erlangen, muß der Etablierte
85 Vgl. Dixit (Developments), S. 13.
86 Vgl. Dixit (Developments), S. 13.
87 Vgl. Geroski & Jacquemin (Dominant), S.3, und Jacquemin (Industrieökonomik), S.108. Salop (Strategie, S. 335) spricht von einem "preentry asymmetry advantage" und von einem "natural strategie advantage" (Predation, S. 19).
88 Vgl. Schelling (Conflict), S. 122. Ein "fIrst mover advantage" stellt sich allerdings nur ein, wenn der erste Spielzug ein strategischer Schritt ist, d.h. ein Zug, der den Gegenspieler veranlaßt, im eigenen Interesse zu wählen - was im Falle eines (Pre-)Commitments gegeben ist. [Vgl. hierzu Schelling (Confliet), S. 122, und zur DefInition von "strategie moves" ebenda, S. 160.] Denn wenn die Wahlmöglichkeit des Followers durch den ersten Zug nicht eingeschränkt, sondern erweitert wird, liegt ein Spiel mit einem "second mover advantage" vor. Vgl. Geroski & Jacquemin (Dominant), S. 3.
89 Vgl. Sehelling (Conflict), S. 146.
141
Maßnahmen zu deren Mitteilung ergreifen. Dies kann sich jedoch nicht in der Über
mittlung einer Botschaft erschöpfen, sondern der Kontrahent muß von der Existenz
einer Verpflichtung überzeugt werden9O• Dies wird durch die Auswahl überprüfbarer
Comrnitments erleichtert91.
Ad (e) Irreversibilität von Verpflichtungen
Eine Grundvoraussetzung für die Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit einer Drohung
ist die Irreversibilität der ihr zugrundeliegenden Verpflichtung. Denn man muß damit
drohen, daß man mit Sieherheit und nicht nur möglicherweise reagieren wird, wenn
die Drohung versagt: 'To say that one may act is to say that one may not, and to say
this is to confess that one has kept the power of decision - that one is not comrnitted. ,,92
Um also die vergeltende Reaktion in den Augen potentieller Newcomer sicherzu
stellen, muß ein etabliertes Unternehmen strategische Maßnahmen ("strategie
moves") ergreifen, die seinen Handlungsspielraum so einengen, daß keine Rück
zugsmöglichkeit von der Verpflichtung mehr besteht. Denn nur indem es unwiderruf
lich eigene Freiheitsgrade opfert, kann es die Wahlmöglichkeit eventueller Heraus
forderer seinem eigenen Interesse entsprechend beschränken93•
Diese Aufgabe von Freiheitsgraden kann auf zweierlei Weise erfolgen: Zum einen,
indem man die Kontrolle über die Verpflichtung institutionell bzw. vertraglich aus der
Hand gibt, d.h. die Wahrnehmung einer bestimmten Zusage durch Dritte erzwingt,
die ein Interesse daran besitzen. So können z.B. Kunden oder Lieferanten als Ver
tragspartner mit Hilfe von Gerichten auf die Einhaltung von Vereinbarungen drin
gen94. Zum anderen können irreversible Verpflichtungen durch Investitionen herbei
geführt werden, die keine alternative Verwendungsmöglichkeit besitzen. Diese
Eigenschaft weisen hochgradig produktspezi[lSche Investitionen auf. Als Beispiele
können hier exzessive Werbekampagnen angeführt werden, die dem Aufbau eines
Markenimages oder der Produktinformation der Konsumenten dienen. Derartige
Investitionen stellen für ein etabliertes Unternehmen "sunk costs" dar, für einen
90 vgl. Schelling (Conflict), S. 147.
91 Zu einigen Beispielen gut sichtbarer Aktiva vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 144.
92 Schelling (Conflict), S. 187.
93 Vgl. Schelling (conflict), S. 160 und S. 22.
94 Die vertragliche Verpflichtung zur Ausführung von Vergeltungsmaßnahmen als Möglichkeit der Eintriusabschreckung wird weiter unten näher ausgeführt.
142
potentiellen Newcomer hingegen noch vermeidbare Kosten95• Das heißt, sie sind für
den Herausforderer noch in vollem Umfang entscheidungsrelevant, während ein
Etablierter nach dem Marktzutritt eines neuen Konkurrenten nur auf der Basis
seiner kurzfristigen Durchschnitts- bzw. Grenzkosten kalkulieren muß%. Eine solche
Teilkostenkalkulation kann er durchführen, da er keine Opportunitätskosten für ent
gangene Gewinne ansetzen muß; denn sein Kapital ist ja irreversibel gebunden. Jeder
Deckungsbeitrag, der die kurzfristigen Kosten übersteigt, ist daher akzeptabel. Dem
gegenüber bilden die langfristigen Durchschnittskosten die Preisuntergrenze für
einen Newcomer, der seine liquiden Mittel noch nicht in eine feste Bindung über
führt hat. Für ihn besteht die Gefahr, seine Eintrittskosten nicht verdienen zu
können97• Diese Gefahr ist glaubhaft, weil eine Teilkostenkalkulation für den
Etablierten nach dem Prinzip der entscheidungsorientierten Kostenrechnung renta
bel ist und dem Schutz der Rückflüsse auf seine irreversiblen Investitionen dient98.
Ad (d) Dauerhaftigkeit der Verpflichtung
Die eingegangene Verpflichtung muß jedoch nicht nur irreversibel und daher bin
dend sein, sondern sie muß auch nachhaltig wirken. Im Falle einer institutionellen
Verpflichtung müssen also langfristige Verträge abgeschlossen werden, bei irrever
siblen Investitionen ist auf eine hohe Lebensdauer zu achten. Insofern sind die oben
beispielhaft genannten Werbekampagnen einerseits zwar hochgradig produktspezi
fisch und damit irreversibel, andererseits jedoch eher kurzlebige Investitionen mit
einer geringen Abschreibungsdauer. Wird keine entsprechende Ersatzinvestition vor
genommen, noch ehe die irreversiblen Investitionen abgeschrieben sind, ist der
Etablierte zu einem bestimmten Zeitpunkt dem potentiellen Newcomer hinsichtlich
der Höhe der "sunk costs" gleichgestellt99.
95 Vgl. Eaton & Lipsey (Commitment), S. 594.
96 Vgl. Gilbert (Pre-emptive), S.101. Insofern hat ein etabliertes Unternehmen einen absoluten Kostenvorteil in Höhe der "sunk costs", d.h. in Höhe der Differenz zwischen den kurz- und langfristigen Grenzkosten. VgI. ebenda, S. 10I.
97 Vgl. Easterbrook (Counterstrategies), S. 294.
98 Vgl. zu letztgenanntem Aspekt Salop (Predation), S. 20. Zur Wirkungsweise von "sunk costs" als Eintrittsbarriere vgI. auch Baumol & Willig (Fixed), S. 418 f. Zur Abgrenzung gegenüber den Fixkosten, die nach der Theorie bestreitbarer Märkte keine Zugangsschranken darstellen, vgl. ebenda, S. 416 ff.
99 Den Aspekt der Dauerhaftigkeit und der Erneuerung von Verpflichtungen beleuchten insbesondere Eaton & Lipsey (Durability).
143
Glaubwürdige Verpflichtungen, die den vorstehenden Anforderungen weitgehend
genügen, verursachen Austritts- bzw. Schrumpfungsbarrieren und -kosten auf der
Seite des Etablierten, die diesem die Möglichkeit der Kooperation und der Stattgabe
von Markteintritten nehmen. Insofern bedeuten Schrumpfungsbarrieren bestehender
Anbieter Eintrittsbarrieren für neue Konkurrenten100.
Welche Möglichkeiten bieten sich nun einem Monopolisten, sich glaubhaft zur
Vergeltung zu verpflichten? Aus der Vielzahl der in der Literatur diskutierten
Commitment-Modelle101 wird nachfolgend das Bereithalten von Überkapazitäten
exemplarisch vorgestellt. Dieser auf Spence zurückgehende Ansatz befaßt sich
unmittelbar mit der Frage der Outputbeibehaltung, die für das Limit Pricing-Konzept von Bedeutung ist, dort aber nicht einsichtig gemacht werden konnte. Im Anschluß
daran werden die vertraglichen Möglichkeiten der Verpflichtung zu Vergeltungsreak
tionen diskutiert. Diese stellen eine Alternative mit geringen Verpflichtungskosten und mit gravierenden Konsequenzen für die Auszahlungsstruktur dar (z.B. durch ver
einbarte Vertragsstrafen), so daß sie offenbar dem theoretischen Ideal einer Ver
pflichtung sehr nahe kommen.
Bereits oben - im Zusammenhang mit den Signaling-Konzepten - ist zum Ausdruck
gekommen, daß der (Eintrittssperren-)Preis nur dann eine strategische Bedeutung erlangt, wenn er als glaubwürdiges Signal für einen weniger leicht korrigierbaren
Aktionsparameter dienen kann102. Das heißt, hinter dem Kontrollparameter "Preis"
muß eine Zustandsvariable stehen, um als kurzfristig nicht veränderlich gelten zu
können. Einen solchen nichtpreislichen, aber mit Preis-/Mengen-Entscheidungen
verbundenen Faktor stellen Produktionskapazitäten dar. Durch den präventiven
Aufbau von Überkapazitäten in der pre-entry-Phase kann ein etabliertes Unterneh
men in einer für Newcomer wahrnehmbaren Weise die Voraussetzung für eine
prompte Vergeltungsreaktion schaffen. Die Kapazitätsgrenze bzw. das Kapazitäts
optimum sollte dabei so ausgelegt sein, daß einem potentiellen Newcomer bestenfalls
eine suboptimale Restnachfrage verbleibt, die ihm den Markteintritt unattraktiv
erscheinen läßt. Mit einer derartigen Kapazität in der Hinterhand kann das etablierte
Unternehmen nun seinen optimalen Auslastungsgrad bestimmen. Das heißt, die vor
handenen Kapazitäten müssen nicht bereits vor einer Herausforderung durch neue
100 VgI. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 606.
101 Zu einem Kurzüberblick mit entsprechenden Quellenverweisen vgl. Geroski & Jacquemin (Dominant), S. 7 ff., oder Geroski, Philips & Ulph (Oligopoly), S. 382 ff.
102 "Strategische Bedeutung" meint hier - im Sinne des oben (S. 113) erläuterten Strategiebegriffs - eine Einflußnahme auf die Reaktionserwartungen und Entscheidungsprozesse potentieller Newcomer.
144
Konkurrenten auf dem eintrittssperrenden Preis-Mengen-Niveau betrieben werden.
Vielmehr kann ein Preis oberhalb des Limitpreises realisiert werden, da die Reserve
kapazität jederzeit zur Angebotsausdehnung und damit zu einer vergeltenden Preis
senkung eingesetzt werden kann. Eine solche Unterauslastung empfiehlt sich, wenn
die Durchschnittskosten mit abnehmender Ausstoßmenge weniger stark ansteigen als
der Marktpreis bei einer entsprechend geringeren Angebotsmengel03.
Damit die angedrohte Nutzung der Reservekapazität für einen potentiellen New
comer nun glaubhaft ist, muß es sich dabei um die ex-post-optimale Alternative des
Etablierten handeln. Das heißt, die Auszahlung der Vergeltung bzw. Vollauslastung
(Pw) muß den Pay-off der Kooperation bzw. Outputbegrenzung (PD - V) überstei
gen: Im Falle der Vergeltung entfallen einerseits die Bereitstellungskosten der unge
nutzten Kapazität, andererseits wird durch den heraufbeschworenen Preisverfall aber
auch die "Rendite" der Unterauslastung eIiminiert. Dem Nettoeffekt hieraus sind die
Einbußen aus der Unterauslastung gegenüberzustellen, die eine Kooperation nach
erfolgten Markteintritten mit sich bringt104. Hier führt ein Marktanteilsverlust, der zur Stützung des Preisniveaus in Kauf genommen wird, wegen der weiteren
Outputreduzierung zu höheren Durchschnittskosten. Aber auch bei einer unver
änderten eigenen Produktionsmenge führt das Zusatzangebot des Newcomers wegen
der hervorgerufenen Preissenkung zu geringeren Deckungsbeiträgen105. Aus dem
Vergleich dieser Kosten der post-entry-Unterauslastung mit dem Nettoeffekt der
post-entry-Nutzung der Reservekapazität ergibt sich die relative Vor- oder Nachteilhaftigkeit der Vergeltung. Diese Frage nach der Glaubwürdigkeit einer angedrohten
Ausdehnung der Produktionsmenge stellt sich jedoch überhaupt nur, wenn zunächst
ein Anreiz zum Aufbau von Überkapazitäten, d.h. zum Eingehen einer Verpflichtung
zur Outputsteigerung bestand. Ein solcher Anreiz ist gegeben, wenn der Gewinnver
zicht durch das Bereithalten der Reservekapazität den Gewinnrückgang bei "unver
pflichteter" Marktaufteilung unterschreitet106/ 107.
103 Vgl. z.B. die graphische Darstellung bei darke (Industrial Economics), S.89, Abb.4.7. Hierin steigen die Durchschnittskosten mit sinkendem Produktionsvolumen entlang einer Kurve AC, da die irreversiblen F'lXkosten (die Kapitalkosten der nur teilweise genutzten Gesamtkapazität) von einer geringeren Stückzahl getragen werden müssen. Zu einer ähnlichen Darstellung vgl. auch Wenders (Capacity), S. 16.
104 Die post:entry-Unterauslastung entspricht dem Rückzug von der irreversiblen Verpflichtung zur vollen Nutzung der Kapazität für den Fall von Markteintritten.
105
106
Dies gilt freilich nur in stagnierenden Branchen, in denen das Zusatzangebot nicht vom Marktwachstum aufgenommen wird.
Dies besagt die oben erläuterte (relative) Rentabilitätsbedingung für das Eingehen einer Verpflichtung: PM - V > PD'
107 -Der Aufbau irreversibler Uberkapazitäten als Verpflichtung zu einer vergeltenden Outputexpan-sion wurde hier lediglich auf den Nenner des oben dargestellten Spielbaumes gebracht. Daß es sich dabei um eine rationale Abschreckungsstrategie handelt, zeigt insbesondere Spence (Capacity);
145
Eine - gemessen an den Verpflichtungskosten - günstigere Lösung als der Aufbau von
Überkapazitäten bilden Verträge, deren Abschluß keine nennenswerten Kosten ver
ursacht. Denn auf vertraglichem Wege kann sich ein Etablierter zu Vergeltungsmaß
nahmen verpflichten, ohne dabei bereits präventiv "sunk costs" für Reservekapazi
täten eingehen oder ein Übermaß an irreversiblen Marketinginvestitionen etc. täti
gen zu müssen. Aber auch die Auszahlungsstruktur kann auf Vertragsbasis gravierend
verändert werden, etwa durch vereinbarte Konventionalstrafen. So könnte sich ein
Etablierter gegenüber einem Dritten (vorzugsweise einem Kunden) für den Fall, daß
er Markteintritte nicht mit einem Preiswettbewerb beantwortet, vertraglich auf die
Zahlung eines hohen Betrages festlegen. Dadurch wird die Vergeltung zur ex-post
optimalen Reaktion, was besagt, daß sie - theoretisch - niemals praktiziert werden
muß. Allerdings kann diese Abschreckungsstrategie möglicherweise durch Gegen
maßnahmen des Newcomers unwirksam gemacht werden. Denn wenn es diesem
gelingt, die dritte Partei ausfindig zu machen, kann er bereits durch ein sehr geringes
Zahlungs angebot die Auflösung dieses Vertrages bewirken: Schließlich braucht er
nur zu argumentieren, daß der Dritte ohne seinen Markteintritt, der unter den herr
schenden Bedingungen nicht stattfinden wird, in keinem Fall von dem Vertrag profi
tieren kann108. Wenn ein etablierter Anbieter dennoch Konventionalstrafen verein
bart, hegt er die Hoffnung, daß durch die räumliche Verlagerung und personelle Erweiterung des Kreises der Beteiligten dem potentiellen Newcomer der Zugang zu
den Verhandlungspartnem erschwert ist109.
Die konkrete Vertragsgestaltung, mittels derer ein Etablierter einen Preiskampf mit
einem eventuellen Herausforderer erzwingen kann, auch bzw. gerade wenn ein
Preiswettbewerb nicht in seinem post-entry-Interesse liegt, vollzieht sich über Ver
tragsklauseln. Den größten Abschreckungseffekt bewirkt dabei die Aufnahme einer
kombinierten Meistbegünstigungs- und Konkurrenzpreisklausel in die Kaufverträge110•
108
skeptisch indes Dixit (Role), (Model). Zu einer empirischen Überprüfung der ÜberkapazitätsThese siehe z.B. Lieberman (Excess capacity). Vgl. ferner Eaton & Lipsey (Pre-emption), die herausarbeiten, daß es sich für Etablierte in wachsenden Branchen immer auszahlt, in Antizipation der Nachfrage neue Kapazitäten zu errichten, noch bevor neue Konkurrenten dazu in der Lage sind. Einen mustergültigen Praxisfall einer solchen präventiven Kapazitätserweiterung (zur Verhinderung des Eintritts neuer und der Expansion bestehender Anbieter) durch DuPont in der amerikanischen Titandioxidindustrie beschreiben Ghemawat (Capacity) und Schwalbach (Titandioxid), S. 393 ff. Zu den Erfolgsvoraussetzungen einer Präventivstrategie mittels Überkapazitäten vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 418 ff., und Lieberman (Capacity), S. 22 f.
Vgl. Dixit (Developments), S. 14, und Schelling (Conflict), S. 25.
109 Vgl. Schelling (Conflict), S. 25.
110 Eine entsprechende Zusage kann jedoch auch in Form von Werbeaussagen oder in Verkaufsanzeigen gemacht werden. Vgl. Salop (Practices), S. 287, Fußnote 36.
146
Hierbei kann die Konkurrenzpreisklausel ("meeting competition clause") unter
schiedliche Formen annehmen: Mit einer "meet or release"-Klausel steht es dem
etablierten Anbieter frei, gegebenenfalls mit den Konditionen, die ein Herausfor
derer bietet, gleichzuziehen oder aber diese Option nicht wahrzunehmen und vom
Vertrag zurückzutreten111. Das heißt, er kann einem Kunden, der innerhalb einer
bestimmten Frist nach Abschluß des Kaufvertrages ein günstigeres Konkurrenzan
gebot ausfindig macht, den Differenzbetrag zurückerstatten oder aber die Ware
zurücknehmen, wenn dies für ihn vorteilhafter ist. Damit ist seine Drohung, Preis
unterbietungen immer mit einer Egalisierung zu kontern, allerdings nicht glaubhaft.
Um dieser Drohung eine Glaubwürdigkeit zu verleihen, muß sich der Etablierte
durch eine "no release"-Klausel die Rücktrittsoption versperren. Damit bietet er
seinen bisherigen Kunden keinen Anlaß, zu einem neuen Anbieter überzuwech
seln112. Außerdem signalisiert er potentiellen Konkurrenten, daß kein Grund zu der
Hoffnung besteht, Kunden abwerben zu können.
Mittels einer "no release"-Klausel verpflichtet sich der Etablierte also zur punktuellen
Bekämpfung eines neu eingetretenen Konkurrenten, nämlich gerade bei denjenigen
Kunden, denen günstigere Preise offeriert wurden. Wenn es dem bestehenden Anbie
ter nun aber nur gelingt, die Tatsache der Preisunterbietung in Erfahrung zu bringen,
nicht aber die betroffenen bzw. dadurch begünstigten Abnehmer113, könnte er nur
mit einer flächendeckenden Preissenkung reagieren. Eine solche generelle Preisredu
zierung ist aber solange nicht erstrebenswert und glaubhaft, wie der daraus resultie
rende Gewinnrückgang bei einer begrenzten Aktion des Herausforderers die Ein
bußen durch den Kundenverlust übersteigt. Gegen einen solchen zwar feststellbaren,
aber nicht genau lokalisierbaren Angriff kann sich ein etabliertes Unternehmen
"versichern", indem es zusätzlich zur Konkurrenzpreis- eine Meistbegünstigungsklau
sel zum Vertragsbestandteil macht114. Dies garantiert jedem einzelnen Abnehmer,
daß keinem seiner Konkurrenten, d.h. keinem anderen Abnehmer, ein günstigerer
111 Vgl. zu dieser Variante der "meeting competition"-Klausel Salop (Practices), S.280. Siehe auch Holt & Scheffman (Best-price), S. 187.
112
113
Vgl. zu einer Erläuterung der "no release"-Klausel Salop (Practices), S. 280 f., und zu deren Abschreckungseffekt ebenda, S. 282 f. Sollten indes trotz gleicher Preise einige Abnehmer die Produkte des Newcomers bevorzugen, kann der Etablierte seiner Drohung durch eine "beating competition"- statt einer "meeting competition"-Klausel Nachdruck verleihen. Vgl. ebenda, S. 288, Fußnote 50.
Vgl. hierzu SaIop (Practices), S. 276. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn einige der Kunden, denen ein günstigeres Angebot unterbreitet wurde, dies nicht ihren bisherigen Lieferanten mitteilen, um einen Ausgleich zu beanspruchen, sondern zu der neuen Bezugsquelle überwechseln, weil sie sieb beispielsweise von dem bisherigen Monopolisten ausgebeutet fühlen.
114 Eine Meistbegünstigungsklausel allein würde diesen Zweck nicht erfüllen. Sie zieht im Gegenteil Newcomer an und verhindert zugleich reaktive Preissenkungen. V gl. Cooper (Most -favored), S.386f.
147
Preis geboten wird115• Auf diese Weise werden selektive Preisnachlässe bzw. eine
Preisdiskriminierung unterbunden. Denn wenn derartige Versuche mit entsprechend hohen Sanktionen belegt werden, wird die generelle Preisreduzierung zur relativ
vorteilhafteren Alternative116. Für einen potentiellen Newcomer besteht nunmehr
die glaubhafte Gefahr eines generellen Preiskrieges117•
Neben der veränderten Auszahlungsstruktur tragen zwei weitere Aspekte zur Glaub
würdigkeit von Preiskämpfen und zur wirksamen Abschreckung neuer Konkurrenten
bei118: Zum einen stellen Vertragsklauseln zweifellos bindende Verpflichtungen dar.
Denn wenn nötig sorgen Gerichte für deren Einhaltung. Zum anderen wird es einem
potentiellen Newcomer durch Konkurrenzpreisklauseln erschwert, sich unbemerkt
durch strikt selektive Preissenkungen in einen Markt einzuschleichen119• Denn eine
"meet or release"- oder eine "no release"-Klausel führt fast zwangsläufig zu einer
Preistransparenz in dem betreffenden Markt: Um in den Genuß der Rückerstattung
eines Teils des Kaufpreises zu gelangen, muß der Kunde seinem Lieferanten die
Preisunterbietung durch einen Konkurrenten anzeigen. Auf diese Weise werden
Preissenkungen aufgedeckt (und sanktioniert), die sonst möglicherweise unbemerkt
geblieben wären. Sofern die Abnehmer also besser in der Lage sind, Preisnachlässe
(neuer Anbieter) wahrzunehmen, ist eine kostengünstige und wirksame Überwachung
gegeben, welche die Erfolgsaussichten des "Mogelns" schmälert. Dies steigert eben
falls die Vergeltungsgefahr für potentielle Newcomer.
Nun werfen aber Easterbrook und Salop die berechtigte theoretische Frage auf,
warum sich Abnehmer zu Verbündeten eines Etablierten machen sollten, der Markt
eintritte unterbinden und damit die Möglichkeit eines Preiswettbewerbs ausschließen
will. Die in dieser Frage vertretenen Positionen unterscheiden sich grundsätzlich120:
Easterbrook betont, daß nicht der potentielle Newcomer, sondern letztendlich die
Kunden selbst die Leidtragenden zukünftiger Monopolpreise sind. Rationale
Abnehmer werden folglich nicht in Verträge einwilligen, mit denen sie sich selbst
115 Vgl. SaJop (Practices), S. 273.
116 Vgl. Salop (Practices), S. 275 f. 117
118
119
120
Den gleichen Effekt wie eine Meistbegünstigungsklausel hat die Publikation der Preise getätigter Geschäftsabschlüsse durch das bestehende Unternehmen. Denn damit liefert es seinen Kunden ein Druckmittel für zukünftige Preisverhandlungen. Vgl. hierzu Salop (Practices), S. 279.
Vgl. SaJop (Practices), S. 272 f.
Vgl. hierzu Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 146: Ein potentieller Wettbewerber, der " ... glaubt, er könne 'mogeln' ohne erwischt zu werden, kann zu einem solchen Versuch neigen."
Vgl. Easterbrook (Counterstrategies), S. 270 f., und Salop (Practices), S.273. Siehe auch Posner (Antitrust), S. 184 f.
148
einen Schaden zufügen. Die für sie günstigste Alternative besteht vielmehr darin,
einen neuen Herausforderer durch die Aushandlung höherer, überlebensfähiger
Preise zu unterstützen121. Da aber hierbei zunächst solche Abnehmer besser gestellt
sind, die diese Absicht unterlaufen und zu günstigeren Preisen bei dem bisherigen
Monopolisten kaufen, entsteht ein "free rider"-Problem. Zu dessen (theoretischer)
Lösung schlägt Easterbrook vor, der potentielle Newcomer solle langfristige Verträge offerieren, die allen Unterzeichnenden einen dauerhaft niedrigeren Preis als den
Monopolpreis und ihm selbst den Fortbestand garantieren122• Ein rationaler Eta
blierter, der nun von der grundsätzlichen Existenz solcher Gegenmaßnahmen weiß,
die für rationale und langfristig denkende Abnehmer attraktiver sind als sein tem
porärer Kampfpreis und der nachfolgende Monopolpreis, wird - so Easterbrook -
keine Vergeltungsdrohung aussprechen, d.h. auch von den dargestellten Vertrags
klausein absehen. Demgegenüber vertritt Salop die Position, daß die Abnehmer nicht immer so rational
handeln wie von Easterbrook unterstellt. Denn sie bewerten Vertragsklauseln indivi
duell, auch wenn durch die kollektive Akzeptanz der Klausel der individuelle Vorteil
eliminiert wird und die Gesamtheit der Abnehmer schlechter gestellt werden kann.
Das heißt, der einzelne Vertragspartner sieht eher seinen individuellen Nutzen denn
den kollektiven Schaden123.
Zusammenfassung zum Commitment-Ansatz:
Als Kerngedanke des Commitment-Ansatzes kann festgehalten werden, daß eine
Drohung, deren Ausführung sehr bzw. zu kostspielig ist, durch eine vorherige Ver
pflichtung glaubwürdig gemacht werden kann. Diese bewirkt eine Änderung der pay
off-Matrix, so daß eine Vergeltungsmaßnahme zur nunmehr ex-post-optimalen
Handlungsalternative wird. Auf diese Weise kommt der Abschreckungseffekt zu
stande, aufgrund dessen der Etablierte erst bereit ist, eine für ihn selbst verlustbrin
gende Vergeltung anzudrohen. Denn es ist die Drohung, nicht deren Ausführung, die
zum Ziel führen soll.
121 Als Beispiel hierfür führt Easterbrook den Fall "Pacific Engineering & Production Co. v. KerrMcGee Corp." an, in dem die Kunden den angegriffenen Anbieter mit "stay alive"-Aufträgen zu Preisen oberhalb derer des Aggressors am Leben hielten. Vgl. Easterbrook (Comments), S.419, Fußnote 5.
122 Diese Gegenstrategie entspricht genau dem bereits oben, S. 145, mit Dixit und Schelling angeführten Argument der eventuellen Unwirksamkeit vertraglicher Verpflichtungen.
123 Salop (Practices), S. 278, verdeutlicht dies anband der Meistbegünstigungsklausel. Zu einer Analyse der Kooperationsbereitschaft von Abnehmern mit dem Monopolisten vgl. auch Aghion & Bolton (Contracts), S. 398 f.
149
Als wesentliche Voraussetzung dafür, daß eine Drohung die ihr zugedachte Wirkung
entfalten kann, erwies sich die Irreversibilität des ihr zugrundeliegenden Commit
ments: Um sich unwiderruflich an eine Verpflichtung zu binden, muß der Etablierte
Freiheitsgrade opfern. Er kann dies erreichen, indem er sich vertraglich auf das
Ergreifen von Vergeltungsmaßnahmen festlegt, oder indem er durch irreversibile
Schritte "sunk costs" produziert. In beiden Fällen ist die Verpflichtung durch ihn nicht
revidierbar und damit die Vergeltung außerhalb seiner Kontrolle.
Damit ist deutlich geworden, daß die Erklärung einer Vergeltungsdrohung als einer
rationalen Handlungsweise hier einen anderen Weg beschreitet als in den zuvor analysierten Reputation-Modellen: Dort bildet die post-entry-Reaktion des voraus
gegangenen Spieles gewissermaßen die pre-entry-Verhaltensweise des darauffolgen
den Spieles, mit der man auf die Reaktionserwartung des nächsten Herausforderers einwirken will. Im Commitment-Ansatz kommt das pre-entry-Verhalten hingegen be
reits in einem zweistufigen Spiel zum Tragen. In der ersten, der pre-entry-Phase han
delt der Etablierte strategisch, um die Spielsituation in der zweiten, der post-entry
Phase zu determinieren124• Das heißt, er nutzt seinen "first mover"-Vorteil so aus, daß
er für den Newcomer nur die eine Entscheidungsalternative offen läßt, die für ihn
selbst zum Optimum führt. Diese Alternative lautet "kein Eintritt".
Die spieltheoretisch wesentliche Eigenschaft einer Verpflichtung besteht also darin, daß es sich um eine strategische Maßnahme in einem Spiel mit asymmetrischen Spiel
zügen handelt. Zu dem Zeitpunkt, zu dem der Newcomer "ins Spiel kommt", ist das
Commitment bereits ein Datum, das seinen Entscheidungsspielraum einengt und
seine Wahl determiniert. Diese Situation ist - wie gesagt - das Ergebnis strategischer
pre-entry-Maßnahmen des Etablierten.
Folgt man also der Spieltheorie, tritt immer der für den etablierten Monopolisten
günstigste Fall ein - nämlich das Ausbleiben von Markteintritten, ohne daß die ver
lustbringende Drohung jemals wahr gemacht werden müßte. Denn die potentiellen
Herausforderer gelten als rationale Spieler, die mit den Konsequenzen einer Ver
pflichtung vertraut sind. Auf diese Weise ist das Androhen von Vergeltung als eine
rationale Handlung begründbar, ohne auf die Vergeltung selbst zurückgreifen zu
müssen. Insofern ist es auch zu erklären, daß die strategischen Überlegungen im
Commitment-Ansatz auf die pre-entry-Phase beschränkt bleiben.
124 Vgl. Schelling (Conflict), S. U2, der betont, daß es sich trotz des deterministischen post-entrySpieles insgesamt um ein strategisches Spiel handelt. .
150
Wenn nun aber in der Realität die Vergeltungsdrohung versagt hat und ein Heraus
forderer den Markteintritt trotz des Bestehens einer Verpflichtung gewagt hat, sei es,
weil er diese schlicht nicht wahrgenommen hat oder weil die hohe Rationalitätsforde
rung des Modells in der Praxis unerfüllbar istl25, liefert der Commitment-Ansatz
keine brauchbaren Handlungsempfehlungen - er besagt lediglich, daß die Vergeltung
der automatische zweite Schritt ist. Sollte nun - nach dem Versagen einer Drohung -
die Vergeltung nach Möglichkeit abgeschwächt oder vermieden werden, wenn der
nicht mitgedachte Fall eines Marktzutritts eingetreten ist, oder sollte man wie geplant
zu der doch selbstschädigenden Vergeltung greifen?
3.3.1.2. Zur Ausübung von VergeItungsmaßnahmen während des Markteintritts
prozesses
Im vorstehend analysierten Commitment-Ansatz ist der etablierte Monopolist mit
einem natürlichen "first mover advantage" ausgestattet. Er kann als erster "sunk costs"
eingehen und ist daher in einem Spiel, in dem die Reihenfolge der Spielzüge von
Bedeutung ist, stets der Sieger - vorausgesetzt die Abschreckung wirkt. Tut sie dies nicht, kommt den "sunk costs" eine Doppelrolle zu: Ein aggressiver Newcomer kann
selbst "sunk costs" eingehenl26 und diese dazu benutzen, die Reaktionsbarriere zu
überwinden127• Denn auf diese Weise schafft er für sich selbst Austrittsbarrieren128
und hat weniger zu verlieren, wenn er im Markt verbleibt, als wenn er sich zurück
zieht. Der etablierte Anbieter wird nun erkennen müssen, daß für den Newcomer
ebenfalls nur noch die variablen Kosten entscheidungsrelevant sind und er seinen
natürlichen Vorteil eingebüßt hat. Das heißt, es empfiehlt sich - sofern möglich - der
Übergang zur Kooperation129.
125 Den Aspekt eines übertrieben hohen Maßes an Rationalität hinterfragen Jacquemin (Industrieökonomik), S. 110 ff., und Milgrom & Roberts (Asymmetries), S. 188 f. Jacquemin (ebenda, S. 111) sieht hier die Gefahr, "daß das Problem der Unternehmensstrategien - genau wie andere ökonomische Probleme - zum Vorwand für überaus subtile, aber sinnlose 'Schulübungen' wird."
126 Hierzu Easterbrook (Counterstrategies), S. 294: "Once two firms are producing in the market, both have sunk their start-up costs; both have plants, outlets, knowhow, customer lists, and so on."
127 Vgl. Baumol & Willig (Fixed), S.419, Fußnote 10. Mit der Reaktionsbarriere ist nachfolgend die Eintrittsbarriere aufgrund zu erwartender Vergeltungsreaktionen gemeint.
128 Baumol & Willig (ebenda), sprechen plastisch von einer "bridge-burning strategy".
129 Ob ein Newcomer tatsächlich die Brücken hinter sich zum Einsturz bringt, hängt u.a. davon ab, ob er erwartet, daß der Etablierte so reagieren wird. Vgl. Baumol & Willig (Fixed), S.419, Fußnote 10.
151
Damit wären - angesichts eines "irrevocable fact of entry,,130 - die "sunk costs" des
Etablierten eigentlich wertlos. Sie haben ihren Zweck verfehlt und es macht keinen
Sinn mehr, die Drohung wahr zu machen. Gegen diese Auffassung wenden sich
jedoch Jacquemin und insbesondere Porter. Beide betonen den prozessualen Charak
ter von Markteintritten, der in spieltheoretischen Modellen fehlt: Ein Marktzutritt
vollzieht sich nicht in einem Zeitpunkt, sondern in einer Reihe aufeinanderfolgender
Schritte. Folglich kann das Phänomen des Markteintritts nicht (mehr) wie ein drasti
scher Einschnitt zwischen dem Spiel vor und nach dem Zutritt behandelt werden,
sondern nur als ein allmählicher Prozeß, der das sukzessive Eindringen eines New
comers in die Domäne des etablierten Anbieters beinhaltet131•
Dies ist insofern von Bedeutung, als der Grad der Festlegung und die Rückzugsmög
lichkeit eines Herausforderers von dessen Stadium im Eintrittsprozeß abhängen. Porter
unterteilt diesen Prozeß in vier Phasen132:
In der Voreintrittsphase prüft der potentielle Newcomer die Branche als Eintrittsziel.
Die Investitionen beschränken sich in diesem schwer zu beobachtenden Projektab
schnitt in der Regel auf Marktuntersuchungen, auf die Entwicklung der Produkt- und
Verfahrenstechnologie etc.
In der darauffolgenden Eintrittsphase investiert ein neuer Anbieter in den Aufbau
seiner Ausgangsposition. Hierzu zählen Aktivitäten wie die Weiterentwicklung der Produkt- und Verfahrenstechnologie, die Durchführung von Markttests, die landesweite Produktvorstellung, der Aufbau eines Außendienstes und die Errichtung von
Werksanlagen.
In der Abstufungsphase erfolgt dann ggf. der Übergang von der Eintritts- zur Lang
friststrategie: In Branchen, in denen ein stufenweiser Markteintritt möglich ist, kann
ein Newcomer zunächst in eine solche strategische Gruppe eintreten, die nur durch
relativ niedrige Barrieren geschützt ist133. Von dort aus kann der Wechsel in die letztendlich angestrebte strategische Gruppe vorbereitet und ausgeführt werden. Auf
diese Weise können die Gesamtkosten aufgeteilt und das Eintrittsrisiko gegenüber
der unmittelbaren Einnahme der endgültigen Position vermindert werden. Ein New
comer könnte z.B. zunächst nur die Herstellung von Handelsware aufnehmen. Die
hierfür erforderlichen Investitionen in Produktionskapazitäten sind vergleichsweise
130 Dixit (Role), S. 95.
131 Vgl. Jacquemin (Industrieökonomik), S. 106. Zu einem Modell des Prozesses der Marktbeherrschung siehe auch Geroski & Jacquemin (Dominant), S. 9 ff., und Jacquemin (Industrieökonomik), S. 107 ff.
132 Vgl. nachfolgend Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 604 f.
133 Das Konzept der strategischen Gruppen und der Mobilitätsbarrieren wird unten in Kapitel 3.4. im einzelnen erläutert. Zum stufenweisen Markteintritt siehe insbesondere S. 195 ff.
152
reversibel. Von dort aus kann er die Überwindung der Mobilitätsbarrieren in das
Markenwaresegment in Angriff nehmen, wozu Investitionen in nur schwer bzw. nicht
wiederverkäufliche Aktivitäten wie Werbung, FuE etc. notwendig sind134• Andere
Möglichkeiten des stufenweisen Markteintritts sind die nachfolgende Ausdehnung
des Produktprogramms oder Absatzgebietes sowie die vertikale Integration.
In der Nacheintrittsphase schließlich verlagern sich die Investitionen eines Newcomers
in diejenigen Bereiche, die zur Erhaltung und Verteidigung der Position innerhalb
der Branche nötig sind.
Erst in diesem Stadium nimmt der neue Konkurrent eine Position ein, in der er dem
etablierten Anbieter in punkto Unverwundbarkeit ebenbürtig ist. In den voraus
gehenden Projektabschnitten hat er hingegen noch nicht alle erforderlichen Ressour
cen an die Branche gebunden. Dies ist darauf zurückzuführen, daß das Risiko, das
mit steigenden Austrittsbarrieren verbunden ist, durch eine stufenweise Eintrittsstra
tegie mitunter bis weit in den Eintrittsprozeß hinein verzögert wird. Gegen einen
Newcomer, der seine Investitionsentscheidungen aus diesem Grunde schrittweise
trifft und von der Erreichung bestimmter Meilensteine abhängig macht, können Ver
geltungsmaßnahmen während der Eintritts- oder Abstufungsphase durchaus noch
erfolgreich sein135. Denn ein Preiskrieg in diesem Stadium kann ihn zu dem Schluß
veranlassen, daß er das angestrebte Ziel nicht zu annehmbaren Kosten erreichen
kann, so daß er daher möglicherweise aufgibt oder seine Ziele revidiertl36• Porter
bezeichnet diese Strategie als die Verweigerung einer Basis, von der aus ein New
comer den Ausbau und die Festigung seiner Position in Angriff nehmen könnte. Eine
Taktik zur Verweigerung einer Basis besteht beispielsweise darin, den Markttest des
neuen Anbieters zu stören: Sonderangebote oder Großpackungen können dazu
herangezogen werden, den Bedarf der Abnehmer zu decken und somit den Test
markt für das betreffende Produkt zu sättigen, so daß die kurzfristigen Eintrittskosten
des Herausforderers steigen137.
Die Tatsache, daß ein Herausforderer seinen Markteintritt gestartet hat, besagt also
keineswegs, daß es sich um einen irreversiblen Schritt handelt. Denn es liegt damit
noch kein symmetrisches post-entry-Spiel vor, in dem die Chancen bestehender und
134 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 442 f. 135
136
Den Aspekt der Risikovenninderung berührt auch Williamson (Predatory), S. 295, Fußnote 36: "The incentives for the dominant fIrm to engage in short-run predatory behavior are especially strong where entry is plainly tentative." Unter "tentative entry" versteht Williarnson beispielsweise das Leasing von Mehrzweckmaschinen anstelle des Kaufs spezialisierter Betriebsmittel.
Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 606 f.
137 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 140.
153
neuer Wettbewerber gleichverteilt sind. Ein bereits etablierter Anbieter kann sich
dieses Ungleichgewicht insbesondere in der Anfangsphase zunutze machen: "Ein
geschickter Verteidiger versucht zu verhindern, daß ein Herausforderer seine
anfänglichen Ziele erreicht, und bemüht sich, den Wettbewerb in der Branche so zu verändern, daß der Herausforderer sich veranlaßt sieht, seine ursprünglichen Hypo
thesen in bezug auf die Branchenattraktivität oder eine bestimmte Position in Frage zu stellen.',138
Als wesentliche Konsequenz des prozessualen Charakters von Marktzutritten kann
zusammenfassend festgehalten werden, daß das Ausmaß irreversibler Investitionen
und damit die Höhe der Austrittsbarrieren typischerweise erst im Verlauf des Markt
eintrittes allmählich ansteigen; ferner, daß wegen sukzessive gefällter Teilentschei
dungen die Hypothesen und Erwartungen bereits eingetretener Newcomer auch in
der post-entry-Phase noch beeinflußt werden können. Diese beiden Aspekte liefern
eine Erklärung dafür, daß die Vergeltung bereits erfolgter Markteintritte durchaus
eine sinnvolle Reaktion darstellen kann.
3.3.1.3. Zur Umsetzung der spieltheoretischen Erklärungsansätze in Handlungsempfehlungen bei Porter
Die bisherigen Ausführungen zur Errichtung strategischer Eintrittsbarrieren durch
die Einflußnahme auf die Reaktionserwartungen potentieller Konkurrenten haben
gezeigt, daß es mittels der Spieltheorie gelungen ist, die in der Limitpreis-Theorie
bislang offen gebliebene Frage der Glaubwürdigkeit angedrohter Vergeltung positiv
zu beantworten: Sowohl Vergeltungsdrohungen - einschließlich der zugehörigen
Verpflichtungen - als auch Vergeltungsreaktionen konnten als rationale pre- bzw. post-entry-Strategien theoretisch erklärt werden.
138 Porter (Wettbewerbsvorteile), S.608; hinzugefügte Hervorhebung. Hierin stimmt die sog. "infant frrm theory" überein, deren Kernaussage lautet: Bestehende und neu hinzugetretene Unternehmen können ceteris paribus in einem vergleichbaren Punkt ihres Lebenszyklus identische Kosten aufweisen. Jedoch, " ... according to the 'infant fIrm' theory, actions by the dominant fIrm during a competitor's entry may shift the market environment so that the entrant's cost trajectory is changed." Hilke & Nelson (Noisy advertising), S. 368; ergänzte Hervorhebung. Auch in dieser Theorie ist die Anfälligkeit neuer Konkurrenten für Vergeltungsmaßnahmen im frühen Stadium am größten. Hilke & Nelson verdeutlichen dies anhand zweier Beispiele: Der Handel dimensioniert seine Folgebestellungen nach dem anfänglichen Absatzerfolg eines neuen Artikels. Außerdem ist die Bereitschaft der Konsumenten zum Ausprobieren neuer Produkte in der Einführungsphase am größten. Ein Newcomer kann daher nachhaltig geschädigt werden, wenn der etablierte Anbieter frühzeitig mit Gegenmaßnahmen reagiert. V gl. ebenda, S. 368.
154
Im folgenden soll - den Komplex der Vergeltung abschließend - die von Porter gelei
stete Umsetzung der Erkenntnisse spieltheoreiischer Erklärungsansätze in konkrete
Handlungsempfehlungen für etablierte Unternehmen dargelegt werden.
Als Anleitung dafür, wie bestehende Anbieter präventiv auf die Entscheidungspro
zesse potentieller Newcomer Einfluß nehmen und die Vergeltungsgefahr in deren
Wahrnehmung steigern können, nennt Porter folgende Punkte139:
Signalisieren der Vergeltungsentschlossenheit; z.B. durch die Bekanntgabe der
Absicht, den Marktanteil zu verteidigen, durch die Erläuterung der Bedeutung
eines Geschäftsbereiches für das Gesamtunternehmen oder durch die Äußerung
der Absicht, Kapazitäten in Antizipation der Nachfrage auszubauen.
Signalisieren entstehender Barrieren: Durch die Vorankündigung einer neuen
Produktgeneration oder Verfahrenstechnologie kann bei potentiellen Newcomern
der Eindruck verstärkt werden, daß der betreffende Schritt tatsächlich bevorsteht.
Errichten von Riegelstellungen in Bereichen, die für die Rentabilitätssituation des
Herausforderers von Bedeutung sind und in denen ihm mit einer Querparade140
großer Schaden zugefügt werden kann.
Eingehen einer Verpflichtung, den von Konkurrenten gebotenen Konditionen
stets gleichzuziehen oder diese zu übertreffen.
Erhöhen der eigenen Austritts- oder Schrumpfungsbarrieren durch eine antizipa
tive Kapazitätsexpansion, durch den Abschluß langfristiger Beschaffungsverträge
mit festen Bezugsmengen, durch eine erhöhte vertikale Integration, durch Investi
tionen in Spezialanlagen und durch Verflechtungen mit anderen Geschäftsberei
chen, so daß eine Verteidigung im gesamten Unternehmensinteresse liegt.
Akkumulieren von Vergeltungsmitteln für eine prompte Reaktion, z.B. in Form
überschüssiger Liquidität und bereitgehaltener neuer Modelle oder Produktgenerationen, über deren Existenz man Andeutungen macht.
Fördern guter Wettbewerber - als eine ersteVerteidigungslinie.
139 Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 618 - 621. 140 Unter einer Querparade versteht man die auf einen anderen (gemeinsamen) Produkt- oder Regio
nalmarkt verlagerte Antwort auf den Markteintritt eines Herausforderers. Zu einigen Beispielen des Konkurrierens auf multiplen Wettbewerbsplätzen - etwa zum (Gegen-)Eintritt von Goodyear in Europa nach dem Eintritt von Michelin in den nordamerikanischen Markt im Jahr 1969 - vgl. Karnani & Wernerfelt (Multiple point), S. 89 - 91.
155
Statuieren eines Exempels, vorzugsweise an einem ungefährlichen Herausforde
rer, um damit die Härte der Reaktion im Falle einer wirklichen, d.h. ernstzuneh
men Bedrohung zu demonstrieren.
Bilden von Verteidigungskoalitionen (z.B. innerhalb einer strategischen Gruppe),
um Vergeltungsmaßnahmen wahrscheinlich zu machen, die ein Unternehmen
allein nicht ausführen könnte.
Zur Vergeltung während des Eintrittsprozesses eines Newcomers empfiehlt Porter
generell eine schnelle und nachdrückliche Reaktion, um dem Angriff Grenzen zu
setzen. Hierzu bieten sich folgende Taktiken an, die auf den nunmehr bekannten
Herausforderer zugeschnitten werden können:
Stören der Test- oder Einführungsmärkte, z.B. durch Intensivierung der Werbung,
der Warenproben- und Gutscheinaktionen, sowie durch preisgünstigeren Kundendienst, bessere Garantiekonditionen oder Inzahlungnahmen141•
Überschlagender Einsatz bzw. "Bockspringen" (leapfrogging), d.h. Einführen einer
neuen Produktgeneration oder Verfahrenstechnologie in einem möglichst frühen
Stadium des Eintrittsprozesses, um den Herausforderer zu weiteren Investitionen
zu zwingen, nachdem er gerade erst erhebliche Mittel ausgegeben hat.
Initiieren von Rechtsstreitigkeiten (z.B. Patentprozesse, kartellrechtliche Verfah
ren oder Anfechtungsklagen), die den Angriff bzw. Markteintritt verzögern und
die für den Herausforderer ein erhöhtes Risiko und die Gefahr weiterer Investi
tionen bzw. Kosten bedeuten142.
141 Zu einigen Praxisbeispielen der Verfälschung von Testmarktbedingungen vgl. Niles & Siegel (Test market), S. 70.
142 Vgl. hierzu auch Meyerowitz (Non·price predation), sowie Bork (Paradox), S. 159 f.
156
3.3.2. Abschreckungsmaßnahmen zur Erhöhung struktureller Barrieren
Die vorstehend analysierten Konzepte der Eintrittsverhinderung basieren auf dem
Abschreckungseffekt angedrohter und exemplarisch ausgeübter Vergeltungsmaß
nahmen. Das Ziel einer solchen Handlungsweise ist es, auf die Reaktionserwartungen
potentieller Newcomer Einfluß zu nehmen, um in deren Wahrnehmung die Eintritts
kosten auf grund zu erwartender Vergeltung zu steigern.
Eine weitere Abschreckungstaktik bildet die Erhöhung struktureller Markteintrittsbar
rieren. Deren Intention ist es, erfolgversprechende Eintrittsstrategien bzw. Angriffs
bahnen zu versperren, die einem Newcomer dazu verhelfen könnten, bestehende
Eintrittsbarrieren zu umgehen und über eine ungeschützte Flanke im Markt Fuß zu fassenI. Präventive Maßnahmen etablierter Anbieter, die dies verhindern, können
Markteintritte unattraktiv machen. Denn indem bestehende Unternehmen nahelie
gende Angriffsbahnen selbst besetzen und mittels struktureller Barrieren abschirmen,
haben potentielle Newcomer wieder Kosten für deren Überwindung zu tragen und
daher Wettbewerbsnachteile in Kauf zu nehmen.
Präventivstrategien zur Eintrittsabschreckung werden in der industrieökonomischen literatur u.a. in Modellen der Standortwahl2, der Angebotsvielfalt3 und der präven
tiven Patentierung4 diskutiert. Einen neueren Ansatz zur Benachteiligung bestehen-
1
2
3
4
Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 611.
Hierin geht es darum, den geographischen Raum durch dezentrale Produktionsstätten so abzudecken, daß mögliche Transportkostenvorteile eventueller Herausforderer eliminiert werden. V g1. hierzu den Überblick bei Scherer (IndustriaI), S. 252 Cf.
Ähnlich dem Fall der räumlichen Marktnischen geht es hier darum, mittels einer erhöhten Variantenvielfalt etwaige Produktnischen zu besetzen, über die ein Newcomer in den Markt eindringen könnte. Vgl. hierzu Schmalensee (Breakfast), Scherer (IndustriaI), S. 258 Cf., Clarke (Industrial Economics), S. 91 Cf.
In den Ansätzen der präventiven FuE und Patentierung geht es um die Frage, ob es für einen Etablierten vorteilhaft ist, die Entwicklung enger Substitutionsprodukte durch einen Newcomer zu verhindern. Vgl. hierzu z.B. Gilbert (Patents), Gilbert & Newberry (Patenting), Dasgupta (Technological) und Lipscomb (patents). Zu der spieltheoretischen Modellbildung für ein "Patentrennen" vgl. Selten (Spiele), S. 100 Cf. Ein Praxisbeispiel der präventiven Patentierung, gekoppelt mit einer Lizenzvergabe für die alternative Produkttechnologie zur Kanalisierung der Herausforderer, beschreibt Kaufer (Industrieökonomik), S.176, anhand des elektrostatischen Kopierverfahrens: Der Physiker und Patentanwalt Carlson, Erfmder des Xerokopierverfahrens, bot seine umsichtig definierten Patente ftir dieses Verfahren dem Battelle Institut zur Weiterentwicklung an. Dort wurde dann u.a. eine zweite Variante des elektrostatischen Kopierens gefunden, das Elektrofaxverfahren. Von Battelle erwarb die später in Xerox Corp. umbenannte Haloid Corp. die Patente für beide Verfahren. Haloid konzentrierte sich auf die Entwicklung des Xerokopierverfahrens, das sich später als das lukrativere herausstellte. Um die FuE-Anstrengungen der (potentiellen) Konkurrenten in einen anderen Bereich zu kanalisieren, lizenzierte Xerox das für den niedrigeren Mengenbereich günstigere Elektrofaxverfahren zu attraktiven Bedingungen. Zusammen mit dem ständigen
157
der und neuer Konkurrenten bildet das Konzept des Raising rivals' costs, das nach
stehend vorgestellt wird. Im Anschluß daran werden wieder Porters Handlungs
empfehlungen angeführt, die an die industrieökonomischen theoretischen Modelle
anknüpfen und einem etablierten Anbieter Hinweise bieten, wie er sich durch die
Erhöhung struktureller Barrieren vor etwaigen Newcomern schützen kann.
3.3.2.1. Das Konzept des Raising rivals' costs
Neben den drei oben diskutierten theoretischen Erklärungsansätzen für ein "preda
tory behavior" - dies waren die Signaling-, Reputation- und Commitment-Modelle -
stellt auch das Konzept des Raising rivals' costs die von der McGee-Telser-Bork
Kritik angezweifelte Rationalität von Vergeltungsmaßnahmen wieder her. Es genügt
dabei Borks Kritik in folgendem Punkt: "The sine qua non of predation ... is the
ability to impose greater costs upon one's victim than upon oneself .. .'05. Denn mit
dem Ergreifen nichtpreislicher Reaktionen, die von den Output- auf die Inputmärkte
verlagert werden können, kehrt sich die relative Kostenintensität von post-entry
Maßnahmen um. Da derartige (Re-)Aktionen im Gegensatz zu einem Preiskampf in
Produktmärkten aber keinen kurzfristigen Gewinnverzicht erfordern, der zugunsten
langfristiger Gewinnziele in Kauf genommen wird, ergibt sich folgender Unterschied
zu den oben behandelten Ansätzen: Die abschreckende Wirkung basiert nicht auf
einer Drohung, mittels derer auf die Verhaltenserwartungen etwaiger Herausforderer
eingewirkt werden soll. Denn wegen des fehlenden kurzfristigen Gewinnverzichts hat
das Vergeltung übende Unternehmen einen unmittelbaren Anreiz, eine die Kosten
seiner Konkurrenten steigernde Maßnahme zu ergreifen: "Since the proposed actions
are narrowly rational, they are directly carried out, and there is no element of threat conveyed."6
Richten sich derartige kostensteigernde Maßnahmen gegen bestehende Anbieter,
können sie unschwer den Vergeltungsmaßnahmen zugezählt werden, da sie Wett
bewerbern einen Schaden zuzufügen beabsichtigen7. Betreffen sie aber potentielle
Newcomer, handelt es sich zwar um strategische Maßnahmen der Eintrittsverhin-
5
6
7
Ausbau ihrer Patentposition sicherte sich Xerox so eine Monopolstellung in dem von ihr favorisierten Marktsegment des mittleren Mengenbereichs.
Bork (Paradox), S. 334. Siehe auch den Hinweis bei Salop (Predation), S. 36.
Comanor & Frech (Behavior), S. 373.
Diese Zurechnung setzt allerdings voraus, daß man nicht wie beispielsweise Ordover & Willig [vgl. (Predation), S. 9 f., (Defmition), S. 302 und S. 305] den kurzfristigen Gewinnverzicht zum zentralen Wesensmerkmal von Vergeltungsmaßnahmen macht, worauf dieses Konzept u.a. gerade hinweisen will.
158
derung, die das Handeln etwaiger Herausforderer zu beeinflussen suchen8, jedoch
nicht notwendigerweise um vergeltende Schritte9: Sie können zwar während des
Markteintrittsprozesses als Antwort auf einen Vorstoß vorgenommen werden; eben
sogut können sie aber auch antizipativ erfolgen, um einen Markt von vornherein
unattraktiv zu machen. In diesem Fall, der durch den unmittelbaren ökonomischen
Anreiz ermöglicht wird, sind kostensteigernde Taktiken Ausdruck einer eintrittsab
schreckenden Präventivstrategie, die der Erhöhung struktureller Banieren dientlO•
Im weiteren werden nun - nach einer Skizze des gesamten Konzeptes - die für die
Abschreckung neuer Konkurrenten bedeutsamen Elemente des Raising rivals' costs
herausgestellt. Dies sind die Umkehrung der relativen Benachteiligung unter den
betroffenen Akteuren und - damit zusammenhängend - die Profitabilität kostenstei
gernder Maßnahmen für einen Etablierten sowie der Schaden, der einem Newcomer
durch eine solche Handlungsweise entsteht. Sodann werden einige Möglichkeiten zur
Steigerung der Inputkosten von Konkurrenten vorgestellt, die im wesentlichen auf
den Erwerb von Exklusivrechten hinauslaufen. Schließlich ist zu thematisieren, ob
potentiellen Newcomern nicht wirksame Gegenstrategien zur Verfügung stehen und
ob ein etabliertes Unternehmen überhaupt auf die Bereitschaft von Zulieferern zur
Mitwirkung an einer Strategie der "input market predation" stoßen wird.
Das Konzept des Raising rivals' costs baut auf der Grundüberlegung auf, daß poten
tielle Newcomer oder bereits neu eingetretene Konkurrenten nicht nur auf den
Produktmärkten über den Preis, sondern häufig wirksamer durch Maßnahmen auf
gemeinsamen Inputmärkten in Bedrängnis gebracht werden können11• Denn Strate-
8
9
So auch Salop & Scheffman (Raising), S. 269, zum Raising rivals' costs: "Thus, the concept of strategically erected entry barriers can be captured in this framework." Den Gedanken, Eintrittsbarrieren durch eine Veränderung der Kostenstruktur zuungunsten von Newcomern zu steigern, formulierten vor Salop & Scheffman bereits Caves & Porter (Mobility), S. 246.
Vgl. Comanor & Frech (Behavior), S. 373.
10 Jedoch könnte man auch entgegengesetzt argumentieren, nämlich daß gerade in dem unmittelbaren Anreiz zur Steigerung der Kosten von Konkurrenten immer eine Drohung enthalten ist, und Comanor & Frech entgegenhalten, daß diese gar nicht ausgesprochen werden muß, da Newcomer immer mit dieser Möglichkeit rechnen müssen. Wir folgen hier jedoch Porter (Wettbewerbsvorteile ), S. 616, der in der Kostensteigerung eine Taktik zur Erhöhung struktureller Barrieren und nicht eine allgegenwärtige Vergeltungsdrohung sieht. Wenn Salop selbst von "input market predation" spricht, hat er offenbar stärker den Fall des Verdrängungswettbewerbs unter bestehenden Anbietern als den der Eintrittsverhinderung im Blickfeld.
11 Der Begriff des Inputmarktes ist dabei sehr weit gefaßt und umschließt neben den Zulieferern von Einsatzstoffen auch den Handel, die Werbemedien, Spediteure, Hersteller von Komplementärprodukten und sogar die Testmärkte neuer Anbieter: " ... testing is a necessary input into the effident distribution and promotion of a new product .. .". Salop (Predation), S.31. Insofern sind unter "Inputmärkten" letztendlich alle primären und sekundären Wertaktivitäten eines Unternehmens zu verstehen. Denn diese bilden gewissermaßen den Input der Leistungserstellung, auch wenn
159
gien der "input market predation", welche die Kosten von Rivalen steigern, können
für das sie ergreifende etablierte Unternehmen mit weniger Kosten verbunden sein
als für das betroffene Opfer. Im Gegensatz hierzu ist eine Vergeltung über den Preis
für einen marktbeherrschenden Etablierten kurzfristig gesehen teurer als für den jeweiligen Herausforderer, der wegen seines geringeren Marktanteils weniger hohe
Umsatzeinbußen zu verzeichnen hat12. Weitere, hier nur kurz angeschnittene Unterschiede zwischen dem Konzept des Preiskampfes in Produktmärkten und des Stei
gerns der Inputkosten von Konkurrenten sind:
Die Taktik des Raising rivals' costs kann selbst dann profitabel sein, wenn der
Konkurrent nicht aus dem Markt ausscheidet. Denn wenn eine Kostensteigerung
die Preis-Grenzkosten-Marge eines Konkurrenten stärker schmälert als die des
Etablierten, wird der Rivale bei einem unveränderten Preisniveau seine Produk
tionsmenge reduzieren. Dies eröffnet dem Etablierten die Möglichkeit der
Absatzsteigerung. Alternativ dazu kann er auch eine ebenfalls gewinnbringende
Preiserhöhung vornehmen.13
Wie bereits erwähnt erfordert eine Inputmarkt-Strategie keinen kurzfristigen
Gewinnverzicht bzw. keine temporären Verluste zugunsten langfristiger Gewinnziele. Denn wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, führen kostensteigernde
Maßnahmen zu einem unmittelbaren Ertrag14.
Das Konzept des Raising rivals' costs kann - wegen der Umkehrung der relativen
Benachteiligung - auf das "deep pocket"-Argument verzichten: Es verlangt ent-
sie - im Sinne Porters - Bestandteile der Wertkette sind, d.h. in das Produkt- und Leistungsangebot eines Unternehmens auf seinen OuqJUtmärkten eingehen. So ist beispielsweise die Werbung ein Input für den Produktabsatz, da sie den erforderlichen Bekanntheitsgrad bewirken soll. Zugleich ist sie aber ein Output, soweit sie nämlich dem Kunden Wertsignale (z.B. Nutzungskriterien) übermittelt und insofern selbst einen Wert für den Abnehmer enthält. Vgl. hierzu Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 187 ff.
12 Vgl. Salop (Predation), S. 27. Aber selbst wenn die Kosten des Etablierten bei einem Raising rivals' costs ebensosehr oder stärker steigen sollten als die eines Newcomers, kann diese Strategie dennoch erfolgreich sein: Nämlich dann, wenn dieser (im Vergleich zu einem potentiellen Newcomer höhere) Kostenanstieg geringer ausfällt als die andernfalls durch einen Markteintritt entstehenden Einbußen, die sich aus dem Marktanteilsverlust und dem eintrittsbedingten Preisrückgang zusammensetzen. Vgl. Salop (Predation), S. 35. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um ein für das Konzept des Raising rivals' costs allein gültiges Argnment. Denn mittels dieses Alternativenvergleiches wurde oben auch das "predatory pricing", d.h. die Vergeltung über den Preis, als rationale Strategie begründet.
13 Vgl. Salop (Predation), S. 37 f.
14 Vgl. Salop (Predation), S. 38 f. Salop & Scheffman (Raising), S. 2fJ7, gehen von einer kurzen Reaktionszeit aus: "A higher-cost rival quickly reduces output, allowing the predator to immediate/y raise price or market share." (Ergänzte Hervorhebungen.)
160
gegen dem "predatory pricing" keinen besseren Zugang des Aggressors zu finan
ziellen Ressourcen15.
Während ein Preiskampf zwischen etablierten Anbietern und neu eingetretenen
Konkurrenten den Abnehmern günstigenfalls nachhaltig16, andernfalls immerhin
kurzfristig17 zum Vorteil gereicht, besteht der direkte Effekt einer Kostensteige
rung in einem Wohlfahrtsverlust18.
Im Zusammenhang mit der Frage der Eignung kostensteigemder Inputmarkt-Stra
tegien ist nun - nach der Kurzdarstellung dieses Ansatzes - der marktschließende
Effekt derartiger Präventivmaßnahmen zu beleuchten: Es sei angenommen, der
Marktzutritt ist für einen Eintrittskandidaten zunächst gerade noch attraktiv. In
diesem Fall wirkt schon eine geringe Kostensteigerung abschreckend, sofern der
potentielle Newcomer nicht erwartet, daß der post-entry-Preis in Folge der Kosten
steigerung, die ja auch den Etablierten betrifft, ausreichend angehoben wird19. Hier
sind nun zwei Fälle zu unterscheiden: Nimmt der Etablierte eine Kostensteigerung in
einem Fixkostenbereich vor und bleiben die Grenzkosten konstant, wird er keine
Preiserhöhung durchführen20. Das heißt, die gestiegenen Kosten werden nicht über
den Preis weitergegeben. Der Marktzutritt ist daher für den oben betrachteten New
comer unattraktiv. Betrifft die Kostensteigerung hingegen einen Inputfaktor, dessen
Kosten variabel sind, steigen die Grenzkosten des Etablierten. Dieser wird folglich
den Preis anheben21. Hier sind dann zwei entgegengesetzt wirkende Effekte
abzuwägen - eine Kostensteigerung senkt die Gewinnerwartung eines Newcomers,
eine Preissteigerung erhöht sie. Für den sich ergebenen Nettoeffekt der Kostenstei
gerung gilt dann: "If competitors' profits are not reduced, the strategy will obviously fail to achieve an exclusionary goal."22
Mit welchen Mitteln kann nun eine asymmetrische Zunahme der Inputkosten bei
Wettbewerbern bewirkt werden? Ist das etablierte Unternehmen rückwärts integriert
15 vgl. Salop & Scheffman (Raising), S. 267.
16 Nämlich dann, wenn er nicht zum Ziel führt.
17 Nämlich für die Dauer des Konfliktes.
18 Diesem ist jedoch der Nutzen gegenüberzustellen, den Kunden möglicherweise aus Inputmarkt -Strategien ziehen. Vgl. hierzu Salop (Predation), S. 39 ff.
19 Vgl. Salop (Predation), S. 34 f.
20 Vgl. Salop (Predation), S. 35, Fußnote 57.
21 Vgl. Salop (Predation), S. 29, Fußnote 40. 22
Salop & Scheffman (Raising), S. 270. Zu einer genaueren Analyse der Profitabilität eines Raising rivals' costs für den Etablierten und der Benachteiligung von Newcomern vgl. ebenda, S. 268 - 270.
161
und verfügt es auf dem gemeinsamen Inputmarkt über Marktrnacht, kann es von
potentiellen Konkurrenten höhere Preise verlangen oder ihnen den Zugang zu knap
pen Vormaterialien überhaupt verwehren23• Aber auch ein nicht vertikal integriertes
Unternehmen kann die Inputkosten seiner (potentiellen) Konkurrenten steigern,
indem es mit einem oder mehreren Zulieferern Verträge eingeht und eine Aus
schließlichkeitsbindung erzeugt. Auf diese Weise können etwaige Newcomer wie
derum entweder ganz vom Zugang zu Inputmärkten ausgeschlossen werden oder
dabei durch eine Preisdiskriminierung benachteiligt werden24. Verträge, die solche
Vereinbarungen enthalten, dienen dem etablierten Unternehmen zum Erwerb von
Exklusivrechten25. Diese können zum einen zusammen mit den jeweiligen Input
materialien bzw. -leistungen von einem Lieferanten bezogen werden. Handelt es sich
bei diesem um den effizientesten und kosten- bzw. preisgünstigsten Anbieter, können
eventuelle Newcomer ihren Bedarf nur unter Inkaufnahme von Beschaffungsnachteilen bei nachrangigen Zulieferern decken. In besonderen Fällen kann ein marktbe
herrschendes Unternehmen zum anderen aber auch bloße Exklusivrechte von sol
chen Vorlieferanten kaufen, von denen es selbst keinen Input bezieht26.
Eine solche, die Kosten potentieller Konkurrenten steigernde Präventivstrategie
kann jedoch nur dann erfolgreich sein, wenn es keine wirksamen Gegenstrategien
gegen eine Raising rivals' costs-Taktik gibt und wenn es für Zulieferer überhaupt
attraktiv ist, Exklusivrechte zu verkaufen.
Auf den von ihnen selbst antizipierten Einwand möglicher Gegenstrategien räumen
Krattenmaker & Salop27 ein, daß kostensteigernde Abschreckungsstrategien dann
scheitern, wenn die betroffenen neuen oder bestehenden Wettbewerber den frag
lichen Input selbst herstellen können oder ihn problemlos durch einen gleichwertigen
und ebenso kostengünstigen Input substituieren können. Wenn aber der Inputmarkt
selbst durch Eintrittsbarrieren geschützt ist und die nächstbeste Bezugsquelle oder
der als Ersatzprodukt in Frage kommende Input einen Kostennachteil auf der
Beschaffungsseite bedeutet, kann sich dann der "Rivale" mittels Gegenstrategien der
Ausschießlichkeitsbindung erwehren? Hierzu müßte er in der Lage sein, der Zulie-
23 vgl. Salop (Predation), S. 30. Siehe auch Neumann (Volkswirtschaftslehre 111), S. 260.
24 Vgl. Krattenmaker & Salop (Exclusionary rights), S. 109.
25 Vgl. nachstehend Krattenmaker & Salop (Exclusionary rights), S. 109.
26 Als Beispiel für einen derartigen FaD führen Krattenmaker & Salop (Exc1usionary rights), S. 109, die Aluminium Company of Ameriea (Alcoa) an: Alcoa kaufte zeitweise Exklusivrechte von Kraftwerken, von denen sie keine Elektrizität bezog. Die Verträge beinhalteten nur die Zusage der Versorgungsunternehmen, keine anderen Aluminiumhersteller mit Elektrizität zu beliefern.
27 Vgl. nachfolgend Krattenmaker & Salop (Exclusionary rights), S. 109 ff.
162
ferindustrie mehr dafür zu bieten, nicht ausgeschlossen zu werden, als der Etablierte
für den Erwerb der Exklusivrechte aufzuwenden bereit ist28. Nun verspricht sich aber
der Käufer von Exklusivrechten einen Zuwachs an Marktrnacht und kann daher
einen Betrag bieten, der die erhöhten Gewinne bereits einkalkuliert. Ein (potentiel
ler) Konkurrent, der Gefahr läuft ausgeschlossen zu werden, kann jedoch nur mit
einem geringeren, wettbewerblichen Preis- und Gewinniveau rechnen, wenn es ihm
gelingen sollte, den Marktausschluß abzuwenden. Daher gilt für einen von der Aus
schließung bedrohten potentiellen Newcomer, daß er weniger zu gewinnen als der
Etablierte zu verlieren hat29• Und für einen von der gleichen Gefahr betroffenen
bereits bestehenden Rivalen gilt im allgemeinen, daß er weniger zu verlieren als der
Käufer von Exklusivrechten zu gewinnen hat. Denn wenn sich der benachteiligte
Wettbewerber nicht aus dem Markt zurückzieht, sondern lediglich schrumpft, kommt
er mit seiner reduzierten Angebotsmenge immerhin noch in den Genuß höherer
Preise30• Es kann daher festgehalten werden, daß einem (potentiellen) Rivalen die
Abwendung der Gefahr des Ausschlusses von -einem Inputmarkt weniger wert sein
wird bzw. kann als dem Etablierten der Erwerb von Exklusivrechten.
Die ungleich stärkere Steigerung der Inputkosten von potentiellen Konkurrenten, für
die es - fallweise - keine gangbaren Gegenmaßnahmen gibt, stellt damit eine
geeignete Präventivstrategie dar. Voraussetzung ist allerdings, daß die betreffenden
Zulieferer zu einer derartigen Kooperation bereit sind. Hier ließe sich - wie
Krattenmaker & Salop antizipieren - einwenden, daß ein Lieferant kein Interesse
daran hat, seinen Umsatz durch den Ausschluß einiger Kunden zu reduzieren31. Um
ihn zur Zusammenarbeit zu bewegen, muß der Etablierte daher die Opportunitäts
kosten des Zulieferers übernehmen. Dies kann die Profitabilität einer "input market
predation" zwar schmälern, jedoch sehen Krattenmaker & Salop die Rentabilität
dieser Taktik in den meisten Fällen nicht gefährdet. Denn häufig haben Zulieferer
28 Zu diesem Punkt merken Krattenmaker & Salop (Exclusionary rights, S. 110) an, daß die Bestechung vertraglich gebundener Lieferanten keine effiziente Gegenstrategie ist: "If rivals must pay the additional cost of admission to avoid cost increases from exclusion, then the admission fees themselves will serve as the cost-increasing devices."
29 Vgl. hierzu oben, S. 159, Fußnote 12.
30 Vgl. Krattenmaker & Salop (Exclusionary rights), S. 111. Krattenmaker & Salop weisen darauf hin, daß eine (Input-)Marktausschließung zwar häufig profitabel sein kann, daß aber der Nutzen, den der Etablierte aus dem Erwerb von Exklusivrechten ziehen kann, die Verluste des Rivalen nicht in jedem Falle übersteigt. Zu den einschränkenden Bedingungen vgl. eben da, S. 111.
31 Vgl. Krattenmaker & Salop (Exclusionary rights), S. 109.
163
bei nur geringen Umsatzeinbußen alternative, branchenfremde Abnehmergruppen,
die nicht unter den Exklusivvertrag fallen32.
Zusammenfassung zum Konzept des Raising rivals' costs:
Inputmarkt-Strategien, welche die Kosten von Konkurrenten steigern, werden von
Salop & Scheffman der Kategorie nichtpreislicher Ve'Xeltungsmaßnahmen zugezählt.
Da sie aber wegen des kurzfristigen Anreizes auch unmittelbar, d.h. noch vor dem
Erfolgen von Marktzutritten ausführbar sind, werden sie hier als Präventivstrategien
begriffen, die der Erhöhung struktureller Barrieren dienen.
Als Erfolgsvoraussetzungen haben sich folgende Bedingungen ergeben: Der betref
fende Inputmarkt sollte von hohen Eintrittsbarrieren umgeben sein. Ferner sollten
keine gleichwertigen und -günstigen Substitutionsmöglichkeiten bestehen. Und da
eine geeignete kostensteigernde Maßnahme den Herausforderer zwar stärker
benachteiligt, aber auch den Etablierten mit zusätzlichen Kosten belastet, sollte die
Wettbewerbsintensität des betreffenden Outputmarktes nicht so hoch sein, daß die
Zusatzkosten des Etablierten nicht über den Preis weitergegeben werden können33•
Jedoch sollte diese Preiserhöhung für einen potentiellen Newcomer aber nicht aus
reichen, um seine stärker gestiegenen Kosten kompensieren zu können. Unter diesen
Bedingungen ist die Benachteiligung potentieller Konkurrenten in Inputmärkten eine
profitable Strategie. Sie empfiehlt sich insbesondere für marktbeherrschende
Etablierte, d.h. für Unternehmen mit einem sehr großen Marktanteil, die ein Preis
kampf in Outputmärkten wesentlich stärker trifft als einen kleinen Herausfordere~.
32 Das Alcoa·Beispiel wieder aufgreifend führen Krattenmaker & Salop (Exclusionary rights, S. 111) an, daß die vertraglich gebundenen Kraftwerke die nicht an Aluminiumhersteller vertriebene Elek· trizität in anderen Industriezweigen absetzen können. Die Autoren weisen aber auch darauf hin, daß ein "hold·out"-Problem den Erwerb von Exklusivrechten verteuern kann: Wenn nämlich der Etablierte Ausschließlichkeitsbindungen bei einer ganzen Reihe von Lieferanten erwirken muß, besteht für einige von diesen ein Anreiz, den Preis des Exklusivrechts durch dessen Zurückhaltung nach oben zu treiben. Vgl. ebenda, S. 111 f.
33 Vgl. Krattenmaker & Salop (Exclusionary rights), S. 109 f. Denn dann bestünde kein kurzfristiger bzw. unmittelbarer Anreiz zum Ergreifen kostensteigernder Maßnahmen. Diese wären statt dessen mit temporären Verlusten verbunden, die wieder nur mit langfristigen Erträgen zu rechtfertigen wären.
34 Vgl. Krattenmaker & Salop (Exclusionary rights), S. 111.
164
3.3.2.2. Die Handlungsempfehlungen Porters zur Erhöhung struktureller
Barrieren
Zur strategischen Gestaltung der strukturellen Marktzugangsbedingungen werden in
der Industrieökonomik u.a. die oben nur kurz genannten Modelle der präventiven
Angebotsausdehnung, der antizipativen Eliminierung von Standort- bzw. Transport
kostenvorteilen und der präventiven FuE und Patentierung diskutiert; ferner das vor
stehend exemplarisch dargestellte Raising rivals' costs-Konzept, das die relative
Kostenintensität einer Präventiv- oder auch Vergeltungsmaßnahme zugunsten des
etablierten und damit in der Regel größeren Unternehmens umkehrt. Im weiteren
folgt nun wieder die Umsetzung dieser und anderer Industrial Organization-Ansätze
in konkrete Handlungsempfehlungen für das strategische Management eines etablier
ten Unternehmens, das sich durch potentielle Newcomer herausgefordert sieht.
Dabei werden zunächst (1) die von Porter aufgestellten Prinzipien der Ab
schreckungsstrategie präsentiert und im Anschluß daran (2) die einzelnen sich an
bietenden Abschreckungstaktiken.
Ad (1) Prinzipien der Abschreckungsstrategie35
Die Entwicklung einer Abschreckungsstrategie setzt zunächst die genaue Kenntnis der
bestehenden Barrieren voraus, die ein Unternehmen schützen. Denn von deren Höhe
hängt es ab, inwieweit die Position eines Unternehmens bedroht ist. Ferner geben die
vorhandenen Barrieren Aufschluß darüber, welche Strategien ein Herausforderer
anwenden könnte, um sie zu umgehen, und in welchen Bereichen sich Abwehrtaktiken als besonders wirksam erweisen können.
Um defensive Investitionen gezielt vornehmen zu können ist es sodann erforderlich,
wahrscheinliche Herausforderer und wahrscheinliche Angriffsbahnen im voraus zu erkennen.
Unter bereits bestehenden Konkurrenten können wahrscheinliche Herausforderer aus
gemacht werden, indem man die Wettbewerber auf ihre Zufriedenheit mit der
augenblicklichen Situation und auf den Grad ihrer Zielerreichung hin untersucht36•
Um die wahrscheinlichsten neuen Konkurrenten zu identifizieren, empfiehlt Porter
35 VgI. nachfolgend Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 629 - 634. Die Quellen und Erfolgsvoraussetzungen von Präventivstrategien beschreibt auch MacMillan. Siehe ders. (Initiative) und (Preemptive) oder (Strategies).
36 Die Analysemethode hierzu beschreibt Porter in (Wettbewerbsstrategie), Kapitel 3: Ein System zur Konkurrentenanalyse, S. 78 - 109.
165
diejenigen Unternehmen zu betrachten, für die der Markteintritt eine logische Erwei
terung ihrer augenblicklichen Aktivitäten darstellen würde. Hierzu zählen regionale
Konkurrenten in anderen Regionalmärkten; ausländische Unternehmen; Firmen in
vor- oder nachgelagerten Branchen und Unternehmen, die durch den Eintritt in die
Branche Verflechtungen mit anderen Geschäftsbereichen herstellen oder Riegelstellungen errichten könnten; und schließlich Konkurrenten aus benachbarten Bran
chen, von denen eine Substitutionsgefahr ausgeht. Wahrscheinliche Angriffsbahnen kann ein Unternehmen bestimmen, indem es sich
fragt, auf welche Art es am besten angegriffen werden kann. Grundsätzlich sind hier
drei Angriffsbahnen denkbar: Eine Neubestimmung des Wettbewerbsfeldes, d.h. der
Eintritt erfolgt z.B. über ein anderes regionales, Produkt- oder Abnehmersegment;
eine Neustrukturierung des Geschäftes, wobei ein Herausforderer entweder die
ganze Wertkette oder aber nur einzelne Wertaktivitäten im Vergleich zu dem
etablierten Anbieter neu gestalten kann; und schließlich eine direkte Konfrontation
durch eine reine Ausgabenstrategie ("pure spending"), bei der sich der Newcomer
nicht um eine Neubestimmung des Wettbewerbsfeldes oder Neustrukturierung der
Wertkette bemüht, sondern den Frontalangriffwählt37.
Hat ein etabliertes Unternehmen die naheliegenden Angriffsbahnen wahrschein
licher Herausforderer identifiziert, muß es diese abriegeln, um potentielle neue Kon
kurrenten vom Beschreiten eines der erfolgversprechenden Wege abzuschrecken.
Hierzu sollte es unter den nachfolgend aufgeführten Taktiken zur Erhöhung struktu
reller Barrieren diejenigen wählen, die in verschiedener Hinsicht am wirksamsten
sind, nämlich: die den potentiellen Herausforderer mit dem größten relativen
Kostennachteil belasten; die von diesem klar erkannt und verstanden werden
können; die sich zielgenau einsetzen lassen, um einen ungewollten Wettbewerbskrieg
mit anderen Konkurrenten zu vermeiden; die dauerhaft wirken und die positive
Nebeneffekte für den Etablierten besitzen, wi.e z.B. erhöhte Werbeaufwendungen,
die möglicherweise einen Umsatzzuwachs nach sich ziehen38.
37 Vgl. zu den Angriffsbahnen im einzelnen Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 647 - 660.
38 Vgl. zu den Bewertungskriterien für Abwehrtaktiken Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 624 ff. Zur Intensivierung der Werbung als Abschreckungsmaßnahme weist Porter darauf hin, daß diese Taktik ihren Verteidigungszweck nur erfüllt, wenn ihr die Abnehmer einen Wert beimessen. Führt sie hingegen nicht zu einer höheren Käuferloyalität, dann hat der gestiegene Werbeaufwand keinen Verteidigungswert, weil ein Herausforderer nicht nachzuziehen braucht. Vgl. ebenda, S. 624 f.
166
Ad (2) Abschreckungstaktiken
Für den Aufbau oder die Erhöhung struktureller Barrieren, die dazu dienen, die
naheliegenden Angriffsbahnen potentieller Herausforderer zu versperren, empfiehlt
Porter folgende präventive Abschreckungstaktiken39:
Das Schließen von Lücken im Produktprogramm, um einem Herausforderer die
Möglichkeit zu nehmen, einen Brückenkopf zu errichten oder einen Differenzierungsvorteil zu erlangen. Hierzu können u.a. mögliche Marktnischen durch ein
erweitertes Produktangebot besetzt werden und alternative Marketingthemen
erschlossen werden. Auch können neue Marken oder Kampfmarken eingeführt
werden, die die Position der Hauptmarke nicht untergraben, wenn es beispiels
weise für einen hochpreisigen Differenzierer das Segment der Billigprodukte
abzuriegeln gilt.
Das Erschweren des Zugangs zu Vertriebskanälen, z.B. durch Exklusivverträge;
durch das Schließen von Lücken im Produktprogramm, um dem Handel ein voll
ständiges Sortiment bieten zu können; durch Angebotserweiterungen, um den
Regal- oder Lagerraum des Handels zu verknappen; durch aggressive (Mengen-)
Rabatte auf Gesamtbestellungen, um die Vertriebswege an Probebestellungen bei
neuen Lieferanten zu hindern, etc.
Das Erhöhen der Umstellungskosten für die Abnehmer, z.B. durch produktbezo
gene Anwendungs- oder Wartungsschulung des Kunden sowie durch gemeinsame Produktentwicklung, um das eigene Produkt in das des Abnehmers zu integrieren.
Die Verteuerung des Zugangs zu Probekäufen, um einem potentiellen Konkur
renten die Basis zu entziehen, etwa durch selektive Preissenkungen bei denjeni
gen Produktvarianten, die als erste gekauft werden; durch eine intensivierte Gut
scheinwerbung und verstärkte Verteilung von Gratisproben an experimentier
freudige Abnehmergruppen, die am ehesten zu Probekäufen neigen; durch Men
gemabatte und Sonderangebote, um die Bevorratung der Abnehmer zu erhöhen
und deren Einkaufs- bzw. Bestellhäufigkeit zu verringern; und durch die Vorankündigung von Preissenkungen oder neuen Produkten, um Abnehmer zu veran
lassen, ihre Käufe zurückzustellen.
Die defensive Steigerung von Größenersparnissen, insbesondere durch ein
erhöhtes Ausgabenniveau bei Aktivitäten mit Fixkostencharakter, bei denen der
Newcomer gleichziehen muß, die gestiegenen Kosten aber nur über eine gerin-
39 Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 610 - 617. Zu einem Beitrag mit zahlreichen Praxisbeispielen gelungener Präventivstrategien siehe auch James (Deterrence).
167
gere Absatzmenge amortisieren kann. Hier kommen z.B. höhere Werbeaufwen
dungen, höhere FuE-Aufwendungen oder eine Verkürzung des Modellebens
zyklus (bei Produkten mit fixen Entwicklungskosten) in Betracht.
Die defensive Steigerung des Kapitalbedarfs, z.B. durch erhöhte Finanzierungs
leistungen für Händler und Abnehmer; durch verbesserte Garantiebedingungen
oder Rückgaberechte; und durch verkürzte Lieferzeiten, welche die Kapitalbindung im Lager erhöhen oder Überkapazitäten erforderlich machen.
Die Verhinderung alternativer Technologien, mit denen sich ein Newcomer einen
Vorteil verschaffen könnte, z.B. durch deren präventive Patentierung; durch Aus
senden von Marktsignalen, die alternative Technologien in Mißkredit bringen;
und durch eine Vorbereitung auf Alternativtechnologien, um etwaigen Heraus
forderern zu demonstrieren, daß sie sich keinen Wettbewerbsvorteil erhoffen
können, da man jederzeit selbst auf die neue Technologie übergehen könnte.
Den Schutz des unternehmenseigenen Know how vor Verbreitung, etwa durch
EigenersteIlung oder Modifikation von Produktionsanlagen; durch vertikale Inte
gration in Schlüsselkomponenten, um die Weitergabe von Know how an Lieferan
ten zu vermeiden; sowie durch striktes Patentieren von Erfindungen und durch
Prozesse gegen alle Patentverletzungen.
Den Zugang zu den besten Inputquellen versperren, z.B. durch Exklusivverträge
mit Lieferanten, durch Rückwärtsintegration sowie durch eine teilweise oder voll
ständige Übernahme von Zulieferern; durch den präventiven Kauf wichtiger Roh
stoffstandorte; durch den Aufbau von Umstellungskosten bei Lieferanten und
durch Abschließen langfristiger Beschaffungsverträge, um die Kapazitäten der
Lieferanten zu binden.
Die Steigerung der Inputkosten von Wettbewerbern durch Vermeiden solcher
Lieferanten, die bereit sind, auch potentielle Konkurrenten zu bedienen, um die
Weitergabe von Betriebsgrößenersparnissen über Zulieferer an neue, kleine
Anbieter zu verhindern; ferner durch ein "Preistreiben" bei Rohstoff- und Lohn
kosten, wenn diese bei den Konkurrenten einen höheren Prozentsatz ausmachen4O•
Das Vorantreiben defensiver Verflechtungen mit verwandten Unternehmens
bereichen, um den Wettbewerbsvorteil eines wahrscheinlichen Herausforderers
40 Das Beispiel der Lohnkostensteigerung durch den Abschluß branchenweiter Tarifverträge führen auch Salop & Scheffman (Raising, S.267) unter Verweis auf Williamson (Wage) an: Eine al1gemeine Lohnerhöhung bedeutet für arbeitsintensive Unternehmen einen höheren Kostenanstieg als für stärker automatisierte kapitalintensive Firmen.
168
zu kompensieren, der beim Markteintritt eine Verflechtung nutzen könnte41•
Darüber hinaus kann die Realisierung einer Verflechtung, der ein potentieller
Konkurrent nichts entgegenzusetzen hat, den Kosten- oder Differenzierungs
vorteil ausbauen.
Das Fördern jeder staatlichen Politik, die durch Vorschriften zu Umweltschutz,
Produktsicherheit und Arbeitsschutzmaßnahmen etc. die größenabhängigen
Zutrittsschranken sowie die Kapitalbedarfsbarrlere steigert.
Und schließlich die Bildung von Koalitionen mit anderen Anbietern, um gemein
sam z.B. alternative Technologien zu verhindern oder Marktnischen abzudecken.
Zusammenfassung zur strategischen Gestaltung der Marktzutrittsbedingungen einer
Branche:
Den Ausgangspunkt für die Diskussion theoretischer Modelle zur Abschreckungs
und Vergeltungsstrategie bildete die intuitive Vorstellung Bains, daß ein Zusammen
hang zwischen dem Limitpreis und dem post-entry-Preis besteht, oder allgemeiner,
daß das pre-entry-Verhalten etablierter Unternehmen für die Bestimmung ihrer
Eintrittsreaktionen aufschlußreich ist. Den konkreten Anlaß gab dann die Kritik von
McGee, die das Androhen von Vergeltungsmaßnahmen - also auch die Festsetzung
von Sperrenpreisen - als ein irrationales Unterfangen herausstellt und damit auf die
Begründungsdefizite der Limitpreis-Theorie hinweist. Diese Defizite werden - wie
gezeigt - durch folgende Erklärungsansätze behoben: durch die Signaling-Konzepte,
die Reputation-Modelle und den Commitment-Ansatz. Hiermit ist es schließlich
gelungen, Vergeltungsmaßnahmen und -drohungen als rationale und glaubwürdige
strategische Spielzüge etablierter Anbieter zu begründen, mittels derer die Reak
tionserwartungen potentieller Newcomer beeinflußt werden können. Sodann wurde
mit Porter die "Übersetzung" dieser industrieökonomischen und spieltheoretischen
Konzepte in konkrete Handlungsempfehlungen für das strategische Management
eines etablierten Unternehmens präsentiert. Diese Vorgehensweise wiederholte sich
anschließend bei den präventiven Abschreckungsmaßnahmen zur Erhöhung struktu
reller Eintrittsbarrieren: Zunächst wurde mit dem Raising rivals' costs-Konzept
exemplarisch ein neuerer Ansatz dieser Gruppe vorgestellt. Dem folgte wieder
Porters Umsetzung der industrie ökonomischen Modelle zu den Präventivmaßnah
men in eine praktische Handlungsanleitung.
41 Hierzu kann auch der Eintritt in neue Geschäftsfelder erforderlich sein.
169
Die Ausführungen zur strategischen Gestaltung der Marktzutrittsbedingungen
beschließt nun nachstehend ein Fallbeispiel Porters zu den Abschreckungs- und Ver
geltungsmaßnahmen gegen neue Wettbewerber. Diese Fallstudie zur amerikanischen
Wegwerfwindelbranche im Jahr 1974 veranschaulicht eine Vielzahl der oben genann
ten Taktiken der Eintrittsabwehr. Sie wird angeführt, weil in der weiter unten folgen
den eigenen Untersuchung zu den Eintrittsbarrieren des Mikrocomputermarktes die
Vergeltung und Abschreckung kein herausragendes Problem für neue Konkurrenten
darstellt. Dies liegt an den besonderen Bedingungen der Branche und des Marktfüh
rers IBM, die den befragten Newcomern die Vergeltungsgefahr als gering erscheinen
ließen. Des weiteren betrifft Porters Fallstudie eine Konsum- und Verbrauchsgüter
industrie, in der sich ein reichhaltigeres Spektrum an Aktionsparametern für Abwehr
taktiken bietet, als dies in einer (konsumnahen) Gebrauchsgüterindustrie wie der
Mikrocomputerbranche der Fall ist: Dort ist beispielsweise die Möglichkeit der Behinderung von Konkurrenten in Testmärkten nicht gegeben. Ebenso nicht die
eines weitreichenden "leapfrogging", das sich mit Rücksicht auf die Software-Investi
tionen der Anwender verbietet42.
3.3.3. Die amerikanische Wegwerfwindelbranche im Jahr 1974: Eine Fallstudie
Porters zu Abschreckungs- und Vergeltungsmaßnahmen43
Als Procter & Gamble (P&G) im Jahr 1966 im mittleren Westen der USA mit dem
Aufbau eines nationalen Vertriebsnetzes begann, war der spätere Marktführer nicht
der einzige Anbieter von Wegwerfwindeln. Firmen wie Chicopee Mills (ein Unternehmen von Johnson & Johnson), Kendall und Parke-Davis waren bereits im Markt
vertreten. Allerdings setzten sie Wegwerfwindeln als ein teures Spezialprodukt -hauptsächlich zur Verwendung auf Reisen - über Drogerien an Käufer mit hohem
Einkommen ab und erreichten so nur eine minimale Marktdurchdringung. Procter &
Gamble erkannte nach einem ersten Markttest im Jahr 1962 die Chance, Wegwerf-
42 Eine instruktive empirische Untersuchung zu den defensiven (und offensiven) Maßnahmen der Eastman Kodak Co., die die Entscheidungsprozesse von DuPont als pntentiellem Newcomer im Markt für Farbumkehrfilme so beeinflußten, daß der Herausforderer auf den geplanten Markteintritt verzichtete, enthält Levin (Entrant), S.35 - 92. Levin analysiert die Eintrittsbarrieren dieses Marktes, beschreibt DuPonts Ausgangsposition sowie Eintrittspläne und -motive, stellt die Reaktionen von Kodak nach der Ankündigung des Markteintrittes dar und beleuchtet die Gründe, die DuPont zur Aufgabe des Projektes bewogen haben. Eine umfassende Untersuchung der Strategien zur Eintrittsabschreckung in drei anderen Industriezweigen (der Zitronengetränke-, Titandioxidsowie Aluminiumindustrie ) findet sich bei Rosenbaum (Study).
43 Vgl. hierzu Porter (Cases), Kap. 9: The disposable diaper industry in 1974, S. 143 - 167, sowie die Falldiskussion bei Porter (Strategie interaction), S. 463 ff.
170
windeln als ein billiges Massenprodukt zu vermarkten und entwickelte ein Massenfer
tigungsverfahren, das einen Ausstoß von bis zu 400 Windeln pro Minute bei entspre
chend verringerten Kosten ermöglichte.
Etwa zur gleichen Zeit wie Procter & Gamble erkannten Unternehmen wie Borden,
Scott Paper und International Paper die Marktchancen preiswerterer Wegwerfwin
deIn. Jedoch setzten sie auf die falsche Produkttechnologie, nämlich auf die damals in
Europa gebräuchliche zweiteilige Ausführung, bestehend aus einer wiederverwend
baren Plastikhose und einer Wegwerfeinlage. Dieses Prinzip konnte sich in den USA
gegenüber der einteiligen Windel von Procter & Gamble nicht durchsetzen und alle
drei Wettbewerber zogen sich Anfang der 70er Jahre damit aus dem Markt zurück.
Bis dahin konnte Procter & Gamble seinen Marktanteil von 50 % im Jahr 1967 suk
zessive auf den Höchstwert von 92 % im Jahr 1970 steigern und sein Vertriebsnetz
landesweit ausbauen.
Aufgrund des schnellen Anfangserfolges und des Scheiterns der Konkurrenten war es
Procter & Gamble in diesen vier Jahren möglich, die Marktstruktur nachhaltig zu
prägen, insbesondere durch den Aufbau von Eintritts- und Mobilitätsbarrieren44• Der
auf 15 % geschätzte Kostenvorteil von Procter & Gamble gegenüber einem Heraus
forderer, der seine langfristige Marktposition bereits eingenommen hat, und der noch
wesentlich höhere Vorteil gegenüber einem Newcomer, der sich noch auf dem Weg
dorthin befindet, resultiert aus folgenden Punkten45:
Aus einer steilen unternehmens eigenen Lernkurve in der Fertigung und Pro
duktentwicklung.
Aus größenbedingten Kostenvorteilen in Bereichen wie Forschung, Vertrieb,
Werbung und Transport. So verlief z.B. die technologische Weiterentwicklung
nach dem Durchbruch zur einteiligen Windel nur noch inkremental und war mehr
eine Funktion des FuE-Aufwandes denn der Kreativität oder des Zufalls. Daher
bildeten die FuE-Aufwendungen für Produkt- und Prozeßverbesserungen (bei
P&G ca. 10 Mio. Dollar p.a.) einen fixen Kostenbestandteil, der unabhängig von
der Unternehmensgröße erforderlich war, um in der Branche schritthalten zu
können. Dies gereichte dem Marktführer zu einem größenbedingten Vorteil, da
dieser seine Fixkosten auf ein hohes Absatzvolumen umlegen konnte46• Wesent
liche größenabhängige Kostenvorteile konnte Procter & Gamble auch im Ver-
44 VgI. Porter (Strategie interaetion), S. 487 f.
45 VgI. Porter (Strategie interaetion), S. 464.
46 VgI. Porter (Strategie interaction), S. 487, Fußnote 35.
171
sand durch eine volle Kapazitätsausnutzung erzielen: 1974 war der Branchen
führer als einziges Unternehmen in der Lage, an einen Vertriebskanal eine volle
Lkw- oder Güterwaggonladung zu verfrachten - entweder nur aus Windeln beste
hend oder aber in Kombination mit anderen Konsumgütern für denselben Händ
ler. Bei der Fernsehwerbung konnte sich Procter & Gamble aufgrund der landes
weiten Verbreitung nationaler Sendeanstalten bedienen. Gegenüber lokalen
Fernsehsendern, auf die die noch regional beschränkten Newcomer zurückgreifen
mußten, lagen die Kosten je erreichbarem Haushalt um 20 bis 40 Prozent
niedriger.
Aus absoluten Kostenvorteilen, z.B. beim Zugang zu knappen Rohstoffen oder
bei der Verteilung von Warenproben in Krankenhäusern durch die Zusammen
arbeit mit dem Marktführer Gift Pax:.
Durch diese größenbedingten und absoluten Kostenvorteile sowie durch andere "first
mover"-Vorteile (wie Produktdifferenzierung) geschützt befand sich Procter &
Gamble in einer günstigen Position gegenüber potentiellen Newcomern. Trotz der
hohen strukturellen Barrieren erwogen aber einige Unternehmen aus defensiven und
offensiven Gründen den (Wieder-)Eintritt in den Wegwerfwindelmarkt. So konkur
rierten Kimberly-Clark und Scott Paper mit Procter & Gamble auf dem Markt für
Gesichtstücher und Papierhandtücher, wo Procter & Gamble auf eine Marktanteils
steigerung aus war. Um ebenfalls die Möglichkeit der Kostenaufteilung in den Berei
chen Transport, Vertrieb und Einkauf zu besitzen, mußten diese beiden in ihren
angestammten Märkten von P&G hart bedrängten Firmen aus defensiven Gründen
im Wegwerfwindelmarkt präsent sein. Und für Johnson & Johnson - der Name dieses
Unternehmens galt als Synonym für Baby - stellten Wegwerfwindeln ein interessantes Diversifikationsfeld dar, auf das man den Markennamen übertragen konnte und in
dem sich Synergien im Vertrieb etc. nutzen ließen. Außerdem stellten Wegwerfwindeln den einzigen schnell wachsenden Markt im Bereich der Babypflegeartikel dar
und Johnson & Johnson mußte ferner mit der Möglichkeit rechnen, daß Windelhersteller umgekehrt in die eigenen Märkte eindringen könnten47.
Bis 1974 hatte sich die Wegwerfwindelbranche zu einer der größten Konsumgüter
branchen in den USA entwickelt: Bei einem Umsatzwachstum von über 25 % p.a.
betrug das Marktvolumen 1973 370 Mio. Dollar. Zu diesem Zeitpunkt wurde die
Branche von Procter & Gamble mit einem Marktanteil von 69 % beherrscht. Der
Branchenführer, der 1966 mit der Einführung seiner Windeln der Marke "Pampers"
47 Vgl. Porter (Strategie interaetion), S. 469 f.
172
begonnen hatte und nach drei Jahren einen landesweiten Vertrieb aufgebaut hatte,
war 1974 als einziges Unternehmen national vertreten. Kimberly-Clark (Marke: "Kimbies") näherte sich 1974, sechs Jahre nach dem Markteintritt, einer landesweiten
Verbreitung an und verfügte über einen Marktanteil von ca. 15 %. Johnson & Johnson
- außer bei Wegwerfwindeln der führende Hersteller von Nonfood-Babypflege
artikeln - hatte sich 1971 auf die Errichtung eines großen Werkes für die Windelpro
duktion festgelegt, das 1973 in Betrieb genommen wurde. Ein zweites Werk war
angekündigt, in dem 1975 mit der Produktion begonnen werden sollte. Seit Mitte 1972 war die qualitativ sehr hochwertige Markenwindei "Johnson's" auf dem Markt
mit beachtlichem Erfolg getestet worden - hauptsächlich zu Lasten der "Pampers".
Der Marktanteil von Johnson & Johnson betrug 1973, im Jahr der Produktions auf
nahrne, zwei Prozent. Kendall, ein langjähriger Anbieter von Stoff- und Wegwerfwin
deIn, der 1972 vom führenden Konsumgüterhersteller Colgate-Palmolive übernom
men worden war, hatte 1971 eine zweite, verbesserte Wegwerfwindel unter einem
neuen Markennamen ("Curity") in sein Sortiment aufgenommen. Nach erfolgreichen
Jahren zwischen 1969 und 1972 stagnierte der Umsatz jedoch 1973. Im Markttest
befanden sich 1974 Union Carbide und Scott Paper. Union Carbide, ein großer
Chemiekonzern, leitete 1974 ein Diversifikationsprogramm in den Konsumgüter
bereich ein. Im gleichen Jahr wurde die innovative Markenwindel "Drydees", die den
"Pampers" qualitativ überlegen war, einem Markttest unterzogen. Union Carbide
erreichte damit einen hohen Marktanteil im Testmarkt und schien für den Aufbau
eines landesweiten Produktions- und Vertriebsnetzes bereit. Scott Paper, ein führen
der integrierter Hersteller von Papierprodukten, war mit seiner "Baby Scott"-Linie
frühzeitig in den Wegwerfwindelmarkt eingetreten. Diese Produktlinie mußte 1971
eingestellt werden, ebenso wie das Nachfolgeprodukt "Raggedy Ann/Andy", das nach
einem erfolglosen Markttest im Jahr 1972 zurückgezogen wurde. 1974 testete Scott
Paper eine weitere Wegwerfwindel namens "Scott Tots". Neben diesen Herstellern
von Markenwindein produzierte eine Reihe von Firmen, darunter Weyerhaeuser und
Georgia-Pacific, für Handelsmarken. Dieses Segment hielt 1973 einen Anteil von 9 % am gesamten Branchenvolumen.
Als mögliche Abschreckungs- und Vergeltungsschritte, die Procter & Gamble gegen die erst kürzlich eingetretenen und noch nicht landesweit vertretenen Konkurrenten oder
gegen die noch im Markttest befindlichen Herausforderer unternehmen könnte, dis
kutiert Porter die in Abb. 12 zusammengestellten Maßnahmen, die er auf ihre relative Kostenwirkung für P&G und für einen Newcomer hin untersucht48.
48 Vgl. Porter (Strategie interaetion), S. 499 - 502 und S. 479 f.
Maßnahme
MARKTSIGNALE:
1. Signalisieren einer Verpflichtung, die eigene Position zu verteidigen
2 _ Patentklage
3 . Ankündigung einer geplanten Kapazitätserweiterung
4. Ankündigung einer neuen Produktgeneration, die in Zukunft eingeführt wird
173
Kosten für P8.G
keine
Prozeßkosten
keine
keine
Kosten für einen Newcomer
Wahrscheinlichkeit und Ausmaß einer Vergeltung werden höher erwartet und die Eintrittskosten höher perzipiert.
Prozeßkosten plus Folgekosten, wenn P&G gewinnt.
Erhöht das Risiko einer Preissenkung und die Wahrscheinlichkeit einer Vergeltung.
Die zu erwartenden Eintrittskosten steigen durch erneute Kosten für Produktentwicklung und Produktionsumstellung.
I---------------------~~-------------------~-------------------
KAPAZITÄT:
5. Aufbau von Überkapazitäten On Antizipation der Nachfrage)
6. Schnelle Errichtung eines Werkes an der Westküste
Barwert der Investition in Überkapazitäten
Barwert der Investition in den schnellen Bau und in Über kapazitäten
Das Risiko einer Preissenkung und Vergeltung steigt.
Wirkt einer guten Eintrittsstrategie in eine Region entgegen, in der P&G nicht vertreten war - keine Minimierung des Kostennachteils möglich.
Abb.12: Das Spektrum der Abschreckungsmaßnahmen für P&G im amerikanischen Wegwerfwindelmarkt
Quelle: Nach Porter (Strategie interaction), S. 499 - 502
Maßnahme
7. Preissenkung
8. Preissenkung bei der "Newborn"-Windel
g. Forcierung der Rabattgutscheine oder Warenproben in T estmärkten
10. "Überschwemmen" der Konsumenten mit großen EconomyPackungen in den Einführungsmärkten neuer Wettbewerber ( - hohe 8evorratung)
174
Kosten für P8.G
allgemeine Umsatze inbußen
Die Maßnahme konzentriert sich auf die erste Windel - die Kosten der Preissenkung fallen gegenüber (7.) geringer aus.
Die Preissenkung bleibt auf Testmärkte der Newcomer .beschränkt; dort aber Umsatzeinbußen (größer als der Durchdringungseffekt) .
Einbußen bei einem Teil der Umsätze - wahrscheinlich bei preissensiblen Kunden, die ein Ans atzpunkt für die Konkurrenz wären.
Kosten für einen Newcomer
Gleicher proportionaler Umsatzrückgang, die absoluten Einbußen sind jedoch geringer.
Die Kosten der Gewinnung einer wichtigen Zielgruppe steigen.
Das Risiko des Markttests steigt, aber Umsatzzuwachs durch neue Erstkäufer (im Gegensatz zu P&G).
Das Ausprobieren des neuen Produktes wird behindert- die Kosten für die Schaffung von Anreizen steigen stark.
~----------------~------------------~--------------------
WERBUNG:
11. Nationale Intensivierung der Fernsehwerbung
12. Intensivierung der regionalen/lokalen Werbung in Testmärkten
Die Kosten für zusätzliche Werbung verteilen sich auf ein hohes Absatzvolumen.
wie oben, jedoch auf Testmärkte begrenzt
- Kostennachteile, wenn keine nationale TVWerbung möglich;
- Der Werbeetat ist in gleichem Umfang aufzustocken, um die relative Position zu sichern; jedoch Umlage auf ein kleineres Absatzvolumen;
wie oben, jedoch keine Nachteile aufgrund fehlenden Zugangs zu nationalem TV
Abb. 12 (b): Das Spektrum der Abschreckungsmaßnahmen für P&G im amerikanischen Wegwerfwindelmarkt
175
Maßnahme Kosten für P8.G Kosten für einen Newcomer
PRODUKT:
13. Blockieren des Test- Kosten der Produktent- - glaubhafte Gefahr, daß marktes durch den wicklung und des Markt- die neue Windel lan-Test eines Neupro- tests desweit ausgeliefert duktes (1. Priorität: wird, wenn ein Ein-Premium-Windel; tritt erfolgt; 2. Priorität: Billig- - ··Premium"-Eintritts-Windel) strategie wird er-
schwert;
14. Einführung dieser Markteinführungskosten - Produktdifferenzie-Windel rungskosten steigen;
- Möglichkeit einer di-rekten Vergelung;
15. Einführung einer Die Fixkosten der Pro- - höherer Fixkostenan-neuen Produktgene- duktentwicklung und teil je Stück; ration der bisherigen Fertigungsumstellung - Risiko, daß zukünftige Windel verteilen sich auf ein Produktgener ationen
großes Volumen. die getätigten Inve-stitionen obsolet machen;
AUSTRITTSBARRIEREN:
16. Erhöhung der Aus- Die eigenen Kosten für Glaubhafte Drohung, daß trittsbarrieren durch den Fall des Scheiterns der Marktführer seine Investitionen in Spe- steigen. Position verteidigen wird. zialanlagen, langfri-stige Beschaffungs-kontrakte etc.
MULTIPLE WETTBEWERBSPLÄ1ZE:
17. Querparaden auf ge- ? ? meinsamen Märkten
Abb. 12 (c): Das Spektrum der Abschreckungsmaßnahmen für P&G im amerikanischen Wegwerfwindelmarkt
176
Aktionsparameter Marktsignale: Zur Verhinderung eines Markteintrittes oder einer
Positionsverbesserung könnte P&G zunächst Marktsignale aussenden, z.B. indem
man eine Patentverletzungsklage anstrebt. Dies ist für P&G lediglich mit den
Prozeßkosten verbunden, für den Herausforderer hingegen zusätzlich mit den Folge
kosten, die anfallen, wenn P&G mit der Klage erfolgreich sein sollte49. Werden die
Signale hingegen in Form öffentlicher Ankündigungen verbreitet, ist dies für P&G
nicht mit Kosten verbunden. Für einen Newcomer steigt indes das Risiko, daß die
signalisierte Maßnahme - z.B. eine geplante Kapazitätserweiterung oder Neupro
dukteinführung - tatsächlich ausgeführt wird. Aufgrund dieser Gefahr werden mög
licherweise die Eintrittskosten höher perzipiert.
Aktionsparameter Kapazität: Macht P&G seine Ankündigung der Kapazitätsausdeh
nung in Antizipation der Nachfrage wahr, hat das Unternehmen als Kosten dieser
Abschreckungsmaßnahme den Barwert der Investitionen in Oberkapazitäten zu ver
anschlagen. Für einen Newcomer bedeutet dieser Schritt ein gestiegenes Risiko der
Preissenkung und Vergeltung. Errichtet P&G die neuen Kapazitäten an der West
küste und forciert sie den Aufbau dieses Werkes, fallen zusätzlich die Kosten für die
beschleunigte Abwicklung an. Damit riegelt P&G aber eine Angriffsbahn ab, nämlich
den Markteintritt über eine Region, in der man bisher nicht mit einer Produktions
stätte vertreten ist50. Dem Newcomer ist es daher nicht mehr möglich, gegenüber P&G einen Standort- und Transportkostenvorteil zu erlangen, um auf diese Weise seinen gesamten Kostennachteil zu verringern.
Aktionsparameter Produkt: Auf der Produktseite könnte die Ankündigung einer Neu
einführung ebenfalls in die Tat umgesetzt werden. Auf diese Weise könnte zunächst
der Testmarkt eines Herausforderers blockiert werden. Hierfür eignet sich vorzugs
weise eine hochqualitative Premium-Windel, die P&G noch zu entwickeln hätte.
Damit könnte wieder eine Angriffsbahn versperrt werden, über die Union Carbide
und Johnson & Johnson in ihren Testmärkten bereits Erfolge erzielen. Außerdem
bestünde für diese Unternehmen dann die glaubhafte Gefahr, daß die neue Windel
landesweit ausgeliefert wird, wenn ein Markteintritt erfolgt. Dies hätte für die New
comer zur Folge, daß ihre Differenzierungskosten steigen und nunmehr auch eine direktere Vergeltung möglich ist.
49 Procter & Gamble wurde 1%1 das Patent erteilt. In den späten 60er Jahren drohte P&G mit einer Patentklage gegen die geplante Markteinführung der "J ohnson's" -Windel, wodurch der Markteintritt von Johnson & Johnson einige Jahre hinausgezögert wurde. Auch gegen Weyerhaeuser, einen Handelsware-Hersteller, wurde ein Verfahren wegen Patentverletzung eingeleitet. Vgl. Porter (Cases), S. 152.
50 Procter & Gamble produzierte die "Pampers" 1974 in vier Werken. Ein fünftes war bereits für Kalifornien geplant. Vgl. Porter (Cases), S. 152.
177
Aktionsparameter Preis: Durch eine generelle Preissenkung hätte P&G hohe
Umsatzeinbußen zu verzeichnen, die bei einem Newcomer - trotz eines gleichen
proportionalen Rückgangs - absolut gesehen geringer ausfallen. Durch eine Preis
reduzierung nur bei der "Newborn"-Windel fallen die Einbußen für P&G geringer
aus. Da es sich bei dieser Windel um diejenige Variante handelt, in die neugeborene
Babies gewickelt werden und mit der eine Mutter daher zuerst in Kontakt kommt,
steigen für einen Newcomer die Kosten der Gewinnung einer wichtigen Zielgruppe.
Auch durch eine Forderung von Rabattgutscheinen oder Warenproben kann einer
seits das Ausmaß der Umsatzeinbußen beschränkt, andererseits potentiellen New
comern die Basis entzogen werden. Dies bewirkt auch ein "Überschwemmen" der
Konsumenten mit günstigen Großpackungen: Für diesen Fall entstehen Einbußen
nur bei einem Teil der Umsätze - wahrscheinlich bei preissensiblen Abnehmern, die
einen Ansatzpunkt für potentielle Konkurrenten darstellen könnten. Deren Kosten
zur Schaffung von Anreizen für Probekäufe steigen damit stark an.
Aktionsparameter Werbung: Schließlich könnte P&G in Testmärkten die Fernseh
werbung über regionale oder lokale Sender intensivieren. Für Newcomer, die zur
Sicherung ihrer relativen Position ihr Werbebudget in gleichem Umfang aufstocken
müssen, führt dies zu einem größenbedingten Kostennachteil, denn die zusätzlichen
Aufwendungen verteilen sich auf ein geringeres Absatzvolumen. Einen noch größe
ren Vorteil erlangt P&G durch verstärkte nationale Werbekampagnen, wenn New
comer mangels landesweiter Marktpräsenz nur über regionale Medien antworten können51.
Schlußbemerkung zur Fallstudie über die amerikanisehe Wegwerfwindelindustrie im Jahr
1974:
Das vorgestellte Fallbeispiel Porters zu den möglichen Abschreckungs- und Vergel
tungsstrategien, die Procter & Gamble ergreifen könnte, verdeutlicht nochmals zwei
bereits vorgetragene, theoretisch bedeutsame Aspekte:
Zum einen die Tatsache, daß - entgegen der Behauptung McGees - Vergeltungsmaß
nahmen den Marktführer nicht grundSätzlich mehr schädigen als den Herausforderer.
Denn durch nichtpreisliche Reaktionen oder Präventivstrategien kann insbesondere
der größenabhängige Kostennachteil eines Newcomers gesteigert werden. Aber auch
beim Einsatz des Aktionsparameters Preis kann durch eine gezielte Preissenkung der
51 Ein anderes instruktives Beispiel bildet die Verteidigung der General Foods Corporation (Marke: Maxwell House) gegen ihren Herausforderer auf dem amerikanischen Kaffeemarkt, nämlich die Folger Coffee Co., eine Division von Procter & Gamble. Zu einer Darstellung der von Maxwell House ergriffenen Maßnahmen vgl Hilke & Nelson (Noisy advertising), S. 368 - 370.
178
Umsatzrückgang begrenzt werden, z.B. wenn diese Maßnahme auf bestimmte regio
nale Märkte, Produktsegmente und Abnehmergruppen beschränkt werden kann. So
könnte sich P&G beispielsweise in den Test- oder Einführungsmärkten eines Heraus
forderers auf eine Preisreduzierung bei der "Newborn"-Windel konzentrieren, die in
Form von großen Sparpackungen vorgenommen wird, so daß insbesondere die preis
sensible Käuferschicht abgeriegelt wird. Zum anderen zeigt die Fallstudie deutlich, daß ein Markteintritt einen Prozeß über
einen längeren Zeitraum darstellt und nicht unwiderruflich in einem Zeitpunkt
erfolgt. Denn alle Hersteller von Wegwerfwindeln führten bei Neueinführungen oder
gravierenden Produktveränderungen umfangreiche Markttests durch, die in der
Regel zwischen 6 und 12 Monate dauern. Außerdem betrug die Vorlaufzeit für
Bestellung, Installation und Modifikation einer Windelproduktionsstraße 12 bis 18
Monate52• Und da zur Reduzierung der Transportkosten fünf dezentrale Werke
erforderlich waren, wurde der landesweite Vertrieb erst nach ca. sechs Jahren
erreicht53•
52 Denn um mit den zugekauften Spezialmaschinen wirtschaftliche Produktionsgeschwindigkeiten zu erreichen und um die Anlagen auf die produktspezifIschen Besonderheiten abzustimmen, mußten von den Windelherstellern selbst noch wesentliche Änderungen vorgenommen werden. Die Produktion von Windeln war so schwierig, daß eigentlich alle Hersteller Probleme bei der Bewältigung des Fertigungsprozesses hatten. Vgl. Porter (Cases), S. 149. Während dieser Lernphase sind neue Konkurrenten daher besonders anfällig für Vergeltungsmaßnahmen, z.B. für ein "leapfrogging", das sie gleich wieder zu einer Prozeßumstellung zwingt.
53 Vgl. Porter (Strategie interaction), S. 487, Fußnote 34.
179
3.4. Heterogene Unternehmens strategien und das Konzept strategischer Gruppen: Gruppenspezifische MobiIitätsbarrieren statt branchenweiter Eintrittsbarrieren
Mit den theoretischen Erklärungsansätzen der neueren Industrial Organization, die -
zusammen mit einer Transformation in Handlungsanleitungen - im vorstehenden Kapitel 3.3. dargelegt wurden, ist ein zentraler Schritt beim Übergang von einem
strukturalistischen zu einem strategischen Eintrittsbarrierenkonzept bereits bewältigt.
Allerdings wird damit dem unternehmensstrategischen Moment noch nicht hinrei
chend Rechnung getragen, weshalb eine Verfeinerung des branchenweiten Ansatzes
erforderlich wird. Denn durch die Einbeziehung von Etablierten und Newcomern als
strategische Akteure in die bei Bain noch von Verhaltensannahmen geprägte Theorie
der Eintrittsverhinderung sind strategische Handlungsweisen, die entweder der
Erhöhung struktureller Barrieren oder der Einflußnahme auf die Reaktionserwar
tungen potentieller Newcomer dienen können, zwar grundsätzlich berücksichtigt.
Jedoch wird der im Business Policy-Konzept betonte Aspekt der Heterogenität der
einer Branche angehörenden Firmen, d.h. die je spezifische Situation einzelner Unter
nehmen vernachlässigt. Dies wirft erneut die bereits in den Anfängen der Industrial
Organization kontrovers diskutierte Frage nach der geeigneten Untersuchungsebene
auf54: Nach dem Übergang vom firmenbezogenen zum industriebezogenen Ansatz
der Marktstrukturanalyse in den 30er und 40er Jahren verlagerte sich ab den 70er
Jahren mit der Analyse strategischer Gruppen55 die Betrachtungsebene zurück in
Richtung einzelner Firmen, ohne dadurch die Branche in ihrer Bedeutung für strate
gische Entscheidungen völlig zurückzudrängen: Das Konzept der strategischen Grup
pen besagt für die inhaltliche Theoriebildung lediglich, daß für die zwar einem Indu
striezweig angehörenden, aber heterogenen Unternehmen die Branche nicht den
"kleinsten gemeinsamen Nenner" darstellt. Vielmehr existiert darunter noch eine
weitere Ebene für die inhaltliche Konkretisierung einer generellen Theorie der
Unternehmensstrategie, die oberhalb von Einzelfallanalysen angesiedelt ist.
Im folgenden wird nun der Heterogenitätsaspekt von Unternehmensstrategien in der
Business Policy und Industrial Organization beleuchtet, der zur Herausbildung des
Konzeptes strategischer Gruppen führte. Dieses besagt für das gesamtwirtschaftliche
Marktergebnis, daß nicht allein die Zahl der Marktteilnehmer bzw. der Konzentra-
54 VgI. hierzu oben, S. 32 ff.
55 Eine strategische Gruppe bilden diejenigen Unternehmen einer Branche, die - gemessen an den zentralen strategischen Dimensionen - die gleiche oder eine ähnliche Strategie verfolgen. Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 177.
180
tionsgrad einer Branche für das Ausmaß der Wettbewerbsintensität von Bedeutung
ist, sondern auch die Verschiedenartigkeit der Wettbewerbsstrategien, die sich auf
die Kollusionsmöglichkeit innerhalb der Branche auswirkt. Auf das einzelne Unter
nehmen bezogen wurde dieser Ansatz von Porter zur Theorie der Gewinndeterminanten einer Firma ("theory of firm profit determination") weiterentwickelt, die
sodann präsentiert wird. Schließlich werden die Konsequenzen der Unterteilung
einer Branche in von Mobilitätsbarrieren umgebene strategische Gruppen für die
Theorie der Eintrittsverhinderung dargelegt, die bereits oben - im Zusammenhang mit dem prozessualen Charakter von Marktzutritten (stufenweiser Eintritt) -
angesprochen wurden.
3.4.1. Die Annäherung der Business Policy und der Industrial Organization in der
Frage der Homogenität bzw. Heterogenität der Marktteilnehmer und Unter
nehmensstrategien
Das Konzept der Business Policy, das den atheoretischen Ursprung der Lehre von
der Unternehmensstrategie darstellt, geht von einzigartigen Unternehmen aus und
sieht in der Strategieformulierung eine stark situationsspezifische Aufgabe. Dem
gegenüber negierte die Industrial Organization die Unterschiede zwischen einzelnen
Unternehmen weitgehend und betrachtete die Branche als eine Gesamtheit homo
gener Firmen. Im folgenden wird nun dargestellt, wie sich diese beiden extremen Posi
tionen einander annähern konnten. Dies führt uns - mit Hatten & Hatten - zu folgen
dem (konzeptionellen) Ergebnis: "Occupying the imagined conceptual space between
firm and industry, groups offer a flexible meeting ground for strategie management and industrial organization ... ".56
Als Ausgangspunkte und zugleich als Weichenstellung in der Entwicklung des Strate
giekonzeptes können die Arbeiten von Ansoff und Andrews gesehen werden57.
Ansoff ist der Ansicht,' daß sich das Konzept der Unternehmensstrategie in mehrere
zentrale Komponenten unterteilen läßt, die einem Unternehmen bei der Suche nach
neuen Betätigungsfeldern hilfreich sein können: die Produkt-Markt-Kombination,
56 Hatten & Hatten (Groups), S. 329.
57 Vgl. Ansoff (Corporate) und Andrews (Concept). Diese Einschätzung orientiert sich an Bracker (Historical) und Hofer & SchendeI (Formulation), S. 16. Als noch frühere Vorläufer werden dort Drucker (Practise) und Chandler (Strategy) genannt, die sich jedoch noch nicht primär und explizit mit dem Strategiekonzept befassen.
181
der Wachstumspfad, der Wettbewerbsvorteil und das Synergiekonzept58. Demgegen
über steht der Ansatz von Andrews in der Tradition der Business Policy-Kurse an der
Harvard Business School, an der eine gewisse "Skepsis gegenüber der Verwendbarkeit theoretischer Erkenntnisse bei der Untemehmensführung"59 vorherrscht und
statt dessen anhand von Fallstudien Probleme und Aufgaben des General Manage
ments behandelt werden. Die primäre Funktion der Unternehmensführung, zu deren
Bewältigung das Konzept der Unternehmensstrategie vorgeschlagen wird, liegt nach Andrews in der Überwachung des kontinuierlichen Prozesses, der der Bestimmung
der Grundausrichtung des Unternehmens sowie der Zielformulierung, Zielrevision
und Zielerreichung dient6O• In Übereinstimmung hiermit wird die Unternehmensstra
tegie dann auch nur relativ formal definiert ais " ... the pattern of major objectives,
purposes, or goals and essential policies and plans for achieving those goals, stated in such a way as to define what business the company is in or is to be in and the kind of company it is or is to be."61
Dieses Konzept, das nicht den Anspruch einer Theorie im herkömmlichen Sinne
erhebt, sondern als "simple practioner's theory'062 verstanden sein will, verzichtet auf
die Perfektionierung dieser Definition63 und stellt vielmehr auf einen Beitrag zur
praktischen Lösung von komplexen Problemen (in Fallstudien oder im Geschäftsleben)
ab. Das hierfür in Harvard entwickelte konzeptionelle Hilfsmittel ist ein Prozeßschema, welches das Gesamtproblem, das sich dem General Manager stellt, in hand
habbare Teile zerlegt und diese in eine sinnvolle Bearbeitungsreihenfolge bringt: Der
Prozeß der Formulierung einer Gesamtstrategie ("overall strategy") beginnt mit einer
Analyse der Unternehmensumwelt, d.h. mit der Identifikation unternehmensexterner
Chancen und Risiken. Hieraus resultiert die Menge der umweltkompatiblen Strate
gien. Die Ermittlung der Stärken und Schwächen der Unternehmung im Zuge der
Ressourcenanalyse reduziert dieses Spektrum dann auf die ressourcenkompatiblen
Strategien. Unter Einbeziehung der persönlichen Wertvorstellungen und Ziele der Entscheidungsträger sowie der gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmung
ergeben sich schließlich die sowohl praktikablen als auch akzeptablen Unterneh
mensstrategien64. Weitergehende inhaltliche Konkretisierungen, die besagen, wie
innerhalb der einzelnen Analyseschritte vorzugehen ist, stellt das Harvard-Schema
58 Vgl. Ansoff (Corporate), S. 103 ff.
59 Rühli (Harvard Ansatz), S. 98.
60 Vgl. Andrews (Concept), S. 23.
61 Andrews (Coneept), S. 28; im Original kursiv.
62 Andrews (Coneept), S. 22.
63 Vgl. Learned, Christensen, Andrews & Guth (Business Poliey), S. 12.
64 Vgl. zum sogenannten Harvard- bzw. LCAG-Sehema Andrews (Coneept), S. 37 - 41.
182
nur in begrenztem Umfang bereit. Die ständige Vergegenwärtigung einiger einfacher
Fragen - wie etwa: "Worin liegen die zentralen ökonomischen und technischen Bran
chencharakteristika?" - sollen z.B. die Identifikation von Chancen und Risiken in der
Unternehmensumwelt erleichtern helfen65.
Das Fehlen einer stärkeren Operationalisierung des Strategiekonzeptes ist einerseits
Ausdruck der Skepsis darüber, alle möglichen Situationen und Problemkonstellatio
nen in Unternehmen und Umwelt ex ante inhaltlich beschreiben und schließlich kon
tinuierlich auf mögliche Veränderungen hin überwachen zu können66:
"Given the unruly variety of business activity, the instability of chosen courses of action resulting from competitive moves and countermoves, and the need for flexibility, we encounter at once the staggering improbability of being able to specify a complete theory of general management appropriate to all industry and commerce. We know we cannot expect aseries of formulas to regulate the long-term conduct over time of a dynamic enterprise.,,67
Andererseits wird auf eine situationsspezifische Theorie der Unternehmensstrategie -wie sie beispielsweise die Kontingenzansätze des Strategischen Managements zu ver
wirklichen suchen68 - auch deshalb verzichtet, weil nach dem Business Policy-Ansatz
jedes Unternehmen einzigartig ist bzw. sein sollte, d.h. nach Einzigartigkeit streben
sollte. Jedem Unternehmen innerhalb einer Branche, das als ein ''bundle of unique resources and relationships,.(i9 angesehen wird, werden distinktive Kompetenzen zuge
schrieben, d.h. Fähigkeiten, über die Konkurrenten nicht verfügen. Diese distinktive
Kompetenz eines Unternehmens, die ihm die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen
65 Vgl. Andrews (Concept), S.77 - SO, sowie Learned, Christensen, Andrews & Guth (Business Policy), S. 172 - 174.
66 Vgl. Andrews (Concept), S.77. Dieser Gedanke hat neuerdings dazu geführt, dem Konzept der strategischen Planung die strategische Kontrolle beizuordnen. V gI. hierzu Schreyögg & Steinmann (Kontrolle) sowie (Strategie control) und Steinmann & Schreyögg (Umsetzung).
67 Andrews (Concept), S. 22.
68 Vgl. hierzu programmatisch Hofer (Contingency). Ginsberg & Venkatraman (Contingency), S. 425 f., warnen indes vor einer Überbetonung der Suche nach Gemeinsamkeiten und einer Vernachlässigung wesentlicher Unterschiede, wegen der die organisations theoretischen Kontingenzansätze häufig kritisiert werden. Sehr skeptisch auch Rumelt (Evaluation), S.206, zur prognostischen Kraft unternehmensstrategischer Kontingenztheorien im Hinblick auf die Vorhersage von "winning strategies": "The predictive approach, if successful, amounts to describing the common characteristics of a11 surviving rivals." Präskriptive Aussagen zur Strategieformullerung, die auf eine Vielzahl von Unternehmen zutreffen, können nur zur Vermeidung von Fehlern, nicht aber zur Erreichung von Wettbewerbsvorteilen beitragen. Vgl. Rumelt (Strategie), S. 569.
69 Rumelt (Strategie), S. 557.
183
ermöglicht, resultiert aus zahlreichen spezifischen Aktivitäten, die es besser wahrzu
nehmen vermag als andere Organisationen in einer ähnlichen Umweltkonstellation70.
Die Vorstellung der Business Policy zu den einzigartigen Situations- und Kontext
bedingungen zusammenfassend kann also mit Hatten festgehalten werden: "Policy
has been buHt on the premise that each industry has unique characteristics and that
effective strategies for any firm in any industry should be based on that firm's distinc
tive competence or competitive advantages, Le., on the firm's uniqueness. Policy can
be viewed as the study of the singular, unique competitive finn in achanging
environment ... 71
Aus der Perspektive heraus, daß konkrete Entscheidungssituationen einer Verall
gemeinerung nicht zugänglich sind, daß also Situationen einzigartig sind72, blieb das
LCAG-Konzept der Unternehmensstrategie, das der Vielzahl der unterschiedlichen
Situationen Rechnung tragen will, zunächst auf ein formales Prozeßschema der Stra
tegieformulierung und -implementierung beschränkt73• Auf eine inhaltliche Konkre
tisierung der Leitfragen zur Identifikation von Stärken und Schwächen oder Chancen
und Risiken, z.B. auf eine Spezifikation der oben angesprochenen ökonomischen und
technischen Branchencharakteristika, auf die das Management sein Augenmerk
richten soll, wurde also bewußt verzichtet. Diese Sichtweise wurde dann jedoch mit einer Öffnung des LCAG-Ansatzes zur Industrial Organization hin relativiert: Wenn
gleich der Anspekt der Heterogenität einzelner Unternehmen beibehalten wurde, räumte man mit der Branchenanalyse die Existenz eines gemeinsamen strategierele
vanten Kontextes ein, der sich durchaus in einen inhaltlich konkreteren Bezugsrahmen
fassen und systematisch untersuchen läßt74. Zwischen das formale LCAG-Prozeß-
70 VgI. Snow & Hrebiniak (Distinctive), S.317, sowie Hitt & Ireland (Distinctive), S. 402 f., (Com-petence), S. 273 f., und auch Andrews (Concept), S. 97 ff.
71 Hatten (Research), S. 454; Hervorhebung im Original.
72 VgI. Christensen & Zaleznik (Case method), S. 215.
73 Zur Einzigartigkeit der Unternehmensstrategie und den Konsequenzen für das Business Policy· Konzept merkt Andrews an: "In each company, the way in which distinctive competence, organizational resources, and organizational values are combined is unique. Differences among companies are as numerous as differences among individuals. The combinations of opportunity to which distinctive competencies, resources, and values may be applied are equally extensive. Generalizing about how to make an effective match is less rewarding than working at it. The effort is a highly stimulating and challenging exercise. The outcome will be unique for each case an each situation." Andrews (Concept), S. 101, mit hinzugefügter Hervorhebung.
74 Diese stärker inhaltliche Orientierung äußert sich in der Co-Autorschaft von Porter in der fünften Auflage des klassischen Business Policy-Lehrbuches, in das zur Analyse der Branchenstruktur das Konzept der fünf Wettbewerbskräfte und auch Porters System der Koukurrentenanalyse aufgenommen wurde. VgI. Christensen, Andrews, Bower, Hamermesh & Porter (Policy), S. 167 ff.
184
schema der Umwelt-, Ressourcen- und Wertsystemanalyse, das situations- und
kontextunabhängig gültig ist, und den situationsspezifischen Einzelfall, der sich der Präzisierung in einer generellen Theorie der Unternehmensstrategie am stärksten
entzieht 75, wurde also die Branchenstrukturanalyse eingefügt, um den gemeinsamen
Umweltausschnitt individueller Branchenteilnehmer systematisch beschreiben zu
können.
Bereits oben, im einleitenden Problemaufriß von Kapitel 2.4., wurde die Branche als
der Berührungspunkt von Industrial Organization und Business Policy bzw. Strate
gischem Management herausgestellt76• Hierin erschöpfte sich aber auch schon die
Gemeinsamkeit der industrieökonomischen Gesamtperspektive und der betriebswirt
schaftlichen Einzelperspektive. Denn die Business Policy fokussiert - wie soeben
gezeigt - vorwiegend darauf, wie im jeweils unterschiedlich gelagerten Einzelfall
mittels heterogener Strategien ein Wettbewerbsvorteil und eine Differenzierung
gegenüber der Konkurrenz erlangt werden kann, während in der Industrieökonomik -
wie auch in der Neoklassik - Branchen als homogene Gebilde gelten77• Unterschiede
zwischen einzelnen Wettbewerbern werden dort als vorübergehende Phänomene
oder als eine unwichtige Erscheinung angenommen - sofern sie nicht auf Betriebs
größenersparnissen basieren, die jedoch im allgemeinen als unbedeutend erachtet
werden78•
Für die Neoklassik führt Rumelt diese Homogenitätsannahme darauf zurück, daß es
sich hier eigentlich nicht um eine Theorie der Firma handelt, sondern um eine Theorie des Preissystems: "What the (neoclassical) theory actually deals with is the
workings of the price system in a setting in which nothing but prices need be known.,,79
75 Diese Lücke wurde von Porter zwischenzeitlich mit dem Instrument der Wertketten- und Wertaktivitätenanalyse geschlossen. Vgl. hierzu Porter (Wettbewerbsvorteile), Kap. 2: Wertkette und Wettbewerbsvorteile, S. 59 ff.
76 Siehe oben, S. 30 ff.
77 Barney (Types), S. 793 f., zieht hier eine interessante Parallele zwischen dem Business Policy-Konzept und der monopolistischen Konkurrenz Chamberlins, die seines Erachtens der Vorstellung des Wettbewerbs zwischen heterogenen FIrmen besser gerecht wird als die Industrial Organization, wenngleich er zwischen Chamberlin und der Industrieökonomik keinen Widerspruch sieht. Diese Parallele entwickelt er mit Blick auf das Konzept strategischer Gruppen fort: " ... although Chamberlin begins with the assumption that fums control unique bundles of assets, capabilities, and resources, he does observe that these bundles may overlap, and that certain fll'ms may pursue similar strategies. Firms with such overlapping capabilities and similar strategies can be thought of as strategie groups .. ." (ebenda, S. 794 f.).
78 Vgl. Schmalensee (Differ), S. 342.
79 Rumelt (Strategie), S. 559; ergänzte erläuternde Einfügung.
185
Nur unwesentlich günstiger beurteilt Rumelt in dieser Hinsicht die Industrieöko
nomik. Denn obwohl es dort eine Strömung gab, die ein breites Spektrum des
tatsächlichen Wettbewerbsverhaltens von Unternehmen erhob und kommentierte,
hat sich diese Reichhaltigkeit nicht in den theoretischen Ansätzen der Industrial
Organization niedergeschlagen. Vielmehr entspringt die traditionelle industrieökonomische Leitlinie der OligopoltheorieSO und bleibt damit der Vorstellung von iden
tischen oder mit Ausnahme der Größe homogenen Firmen verhaftet. Als Konse
quenz dieser Modellbildungsannahme wurde die Wettbewerbsanalyse auf die Analyse von Größenunterschieden reduziert und alle anderen Unterschiede wurden
vernachlässigt. Das Ausmaß der Produktdifferenzierung beispielsweise galt als ein
Element der Marktstruktur, diesbezügliche Unterschiede innerhalb einer Branche
wurden weitestgehend ignoriert81.
Ein differenzierteres Verständnis des brancheninternen Wettbewerbs bildete sich in
der Industrieökonomik zu Beginn der 70er Jahre heraus. Zu dieser Zeit wurde die bis
dahin gehegte Vorstellung aufgegeben, daß sich Branchen aus homogenen Unter
nehmen zusammensetzen, die alle das Ziel der gemeinsamen Gewinnmaximierung
verfolgen und dieses Ziel übereinstimmend befürworten, selbst wenn es mit individu
ellen Zielsetzungen konfligieren sollte82. Außerdem ging man davon ab, das Erkennen der wechselseitigen Abhängigkeit der Marktteilnehmer und die Möglichkeit still
schweigenden Parallelverhaltens in einer Branche allein auf deren Konzentrations
grad zurückzuführen. Denn selbst wenn nur wenige Unternehmen in einer Branche
anzutreffen sind, diese aber heterogene Strategien verfolgen, kann dies die Einigung
so Rumelt weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Oligopoltheorie eben weit davon entfernt ist, ein realistisches Modell des Marktverhaltens abzugeben, sondern denjenigen "Grenzfall" der Nationalökonomie abdeckt, in dem die Gewinnmaximierungsprämisse das Marktverhalten nicht definiert: "Oligopoly models are constructed by first assuming a pattern of behavior and then deducing the form of the resultant equilibrium, if one exists." Rumelt (Strategie), S. 559, Fußnote 7.
81 Vgl. vorstehend Rumelt (Strategie), S. 559. Diese Position vertreten wiederholt und sehr nachdrücklich auch Caves & Porter (Mobility), S. 250: "The conventional approach takes fums within an industry as identica1 in all economically important respects except for their size." Demgegenüber weist Bamey darauf hin, daß auch von Vertretern der Industrial Organization erkannt wurde, daß Unternehmen in ihren strategisch relevanten Fähigkeiten und Ressourcen differieren und daß diese Unterschiede für ihr Marktverhalten bedeutsam sein können. Der Hinweis auf diese weitere Lesart ist insofern erwähnenswert, als Barney mit Bain gerade den zentralen Vertreter der Industrieökonomik von dem Vorwurf Porters ausnimmt: 'However, this is a broader reading of 10 economists than most previous efforts to translate the 10 model into a normative theory of strategy would suggest. Porter (1981), for example, argued that 10 economics can ouly help fums describe the structure of their industry. This view fails to recognize those parts of 10 economics which focus on the idiosyncratic attributes of different organizations (Bain, 1968) which can be used by fums to describe their unique strengths and capabilities." Barney (Types), S. 794. Angesichts dieses Einwandes scheint Porter - ähulich wie oben (S. 79, Fußnote 4) beim strukturellen Determinismus des Bain-/Mason-Paradigmas - pauschalisierend oder pointierend zu überzeichnen.
82 Vgl. Newman (Groups), S. 418, McGee (Bridge), S. 308.
186
der Oligopolisten auf gemeinsame Ziele und das Zustandekommen abgestimmter
Verhaltensweisen erschweren - ebenso wie eine große Anzahl homogener Konkur
renten83.
Dieser Einfluß der Strategieunterschiede auf den Grad der oligopolistischen Rivalität wurde erstmals von Hunt in einer Untersuchung zur Haushaltsgroßgeräteindustrie
gezeigt. Hunt beobachtete drei Quellen strategischer Asymmetrien bei den Wettbewerbern dieses Industriezweiges: den Grad der vertikalen Integration, das Ausmaß
der Produktdiversifikation und Unterschiede in der Produktdifferenzierung. Anhand
dieser strategischen Dimensionen teilte er die Branchenteilnehmer in vier Gruppen
ein: nationale Markenartikelhersteller mit Vollsortiment (1) bzw. Teilsortiment (2),
Hersteller von Handelsware (3) und nationale Wiederverkäufer (4). Diese Gruppen
bildung begründete er damit, daß sie die ökonomische Asymmetrie der jeweils zusammengefaßten Konkurrenten minimiert84. Für die gesamte Branche legte Hunt
dar, daß die Verfolgung asymmetrischer Strategien die Fähigkeit der Oligopolisten
vermindert, ein stillschweigendes Einvernehmen bei der Festlegung von Preisen,
Werbeaufwand, FuE-Aufwendungen etc. zu erreichen. Die Quintessenz seiner
Argumentation lautet dementsprechend, daß Unternehmen verschiedener strate
gischer Gruppen Schwierigkeiten haben werden, sich auf ein gemeinsames Handeln
zu einigen. Dies wirkt sich destabilisierend auf das angestrebte Preisniveau und auf
die Zeitpläne für Neuprodukteinführungen etc. aus, so daß die Gewinnaussichten der
gesamten Branche geschmälert werden85.
Mit dieser Untersuchung Hunts wurde in der Industrial Organization in der Frage
der adäquaten Untersuchungsebene eine Rückbesinnung eingeleitet86 und eine
Annäherung an die Business Policy bewirkt: "With the concept of strategie groups ...
we have come an additional degree back to the business school position that the firm is the dominant unit of analysis rather than the industry."87 Das Konzept der strate-
83 Vgl. Newman (Groups), S. 420 und 425.
84 Diese Darstellung von Hunts unveröffentlichter Dissertation (Competition) folgt McGee & Thomas (Groups), S. 142.
85 So die Rezeption von Hunt bei Porter (Interbrand choice), S. 83.
86 Diese Neuorientierung stellt jedoch das Industriekonzept nicht völlig in Frage. Denn U ntemehmen, die mit unterschiedlichen Strategien untereinander konkurrieren und daher verschiedenen strategischen Gruppen angehören, operieren dennoch in einem gemeinsamen Wettbewerbsfeld: ..... although we suppose that oligopolistic interdependence is recognized more fully within groups than between them, we also suppose that it is recognized more fully by firms in the same industry than by fums in different industries. The industry becomes segmented but does not disappear." Caves & Porter (Mobility), S. 251.
87 Porter (Interbrand choice), S. 88.
187
gischen Gruppen kann also zwischen der traditionellen Industrieökonomik mit ihrem
Schwerpunkt bei der Analyse ganzer Branchen und der Business Policy mit ihrer
Einzelfallperspektive vermitteln.
Vom entgegengesetzten Startpunkt - dem Einzelfall - ausgehend erfolgte im Bereich
des Strategischen Managements eine Abkehr von der "atomistischen Sichtweise zur
Unternehmensstrategie,,88, die jedes Unternehinen in allen Aspekten als einzigartig
erachtet, und eine Zuwendung zu den Gemeinsamkeiten, die zwischen einzelnen
Unternehmen bestehen89. Diesen Weg zu einem Konzept der strategischen Gruppen hat eine Forschungsgruppe um Kenneth Hatten eingeschlagen, die als Schule der
Purdue University zugezählt wird90. Von der Business Policy herkommend betont
diese Schule gegenüber dem industrieökonomisch geprägten Harvard-Konzept nun
aber stärker den Aspekt der Unterschiede denn den der Gemeinsamkeiten. In diesem Sinne grenzt sich dann die Purdue von der Harvard School auch selbst ab: Da
der Unternehmensstratege darauf abzielt, sein Unternehmen von der Konkurrenz
abzuheben, besteht die für ihn relevante Information nicht in den Ähnlichkeiten,
sondern in den Unterschieden. Gerade diese gehen aber nach Meinung der Purdue
Vertreter91 in einer zweidimensionalen strategischen Karte verloren, die Porter zur
Darstellung der brancheninternen Struktur empfiehlt92. Um das Blickfeld nicht in
dieser Weise vorschnell und unnötig einzuengen, verwendet die Purdue-Schule statt
des bivariaten einen multivariaten Ansatz93. Sie verfolgt damit nicht den Zweck, eine
strategische Karte der untersuchten Branche zu entwerfen, sondern die Strategie
unterschiede von Unternehmen zu Unternehmen zu identifizieren94, um diese in
Beziehung zum jeweiligen Unternehmens erfolg zu setzen. Hierzu werden strategische
88 Dess & Davis (Group), S. 468.
89 Vgl. Dess & Davis (Group), S. 468.
90 Vgl. Rumelt (Evaluation), S.208, der angesichts divergierender Konzeptionen die Purdue-Schule um Hatten von der Harvard-Schule um Hunt, Newman und Porter unterscheidet.
91 Hier: Hatten & Hatten (Groups), S. 332.
92 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 178 f. und S. 204 ff. Zu einer beispielhaften strategischen Karte vgl. unten, S. 2fj7, Abb. 16.
93 Vgl. Hatten & Hatten (Groups), S. 332. Hier ist Hatten aber selbst ein enger Blickwinkel und eine allzu wörtliche Auslegung des konkurrierenden Harvard-Konzeptes zu bescheinigen. Denn als Begründung für die Beschränkung auf zwei Dimensionen führt Porter an: "Die Zahl der Achsen ist durch den zweidimensionalen Charakter einer gedruckten Seite natürlich begrenzt, so daß der Analytiker zwei besonders wichtige strategische Dimensionen auswählen muß, anband derer er die Karte konstruiert." Sollte es im Einzelfall indes nicht möglich sein, die Komplexität der in einer Branche verfolgten Wettbewerbsstrategien ohne einen zu großen Verlust an Aussagegehalt auf zwei Dimensionen zu reduzieren, kann die Zahl der strategisch relevanten Achsen durch den Entwurf mehrerer strategischer Karten ohne weiteres erhöht werden.
94 Vgl. Hatten & Hatten (Groups), S. 332, sowie Hatten & Schendei (Heterogeneity), S. 99.
188
Gruppen gebildet: "Separate groups were formed to facilitate the analysis of stra
tegies which were unalike because of size or strategie choice - quite different from Hunt, who sought minimum internal asymmetry among group members.,,95 In den
strategischen Gruppen sieht man dann auch lediglich ein analytisches Konstrukt und
nicht etwa - wie in Harvard - ein reales Element der Branchenstruktur. Das heißt,
strategische Gruppen sind "für Purdue" nur ein Instrument der empirischen For
schung zur Profitabilität einzelner Unternehmensstrategien, nicht aber reale Phäno
mene. Die untersuchten Unternehmen stehen daher nach Hatten & Hatten ihrer von
der Wissenschaft vorgenommenen Zuordnung zu Gruppen sicherlich gleichgültig
gegenüber96. Denn bei der Formulierung von Geschäftsfeldstrategien, d.h. bei der
Festlegung des "how to compete", ist es für sie lediglich von Bedeutung zu wissen, wie
andere Unternehmen verfahren, die eine ähnliche Strategie verfolgen, ohne deshalb
notwendigerweise zum Kreis ihrer engeren bzw. direkten Konkurrenten zu zählen:
"Each firm needs to compete on its own terms, with its own resources in its own markets. Each has to learn its own competitive strengths and weaknesses, and those of its competitors, and then be prepared to act on that knowledge. It can do this by learning from the actions of those who compete like it (and not necessarily with it) as well as by assessing the strengths and weaknesses of the companies with which it competes.'097
Diese für die Strategieforschung wie für die praktische Strategieformulierung wert
volle Erkenntnis bringen Hatten & Hatten nun jedoch gegen das Harvard-Konzept
der strategischen Gruppen in Stellung: Sie sehen darin lediglich einen Ansatz, der
sich für die Analyse spezieller und restriktiver Fälle nationalen Wettbewerbs eignet,
in dem jedes Unternehmen mit jedem konkurriert. Dem halten sie ihre "generell
anwendbare Technik" entgegen98, die auch den Fall berücksichtigt, daß kleine regionale Anbieter als Angehörige einer strategischen Gruppe nicht untereinander konkur-
95 Hatten & Hatten (Groups), S.333. Hierzu merken Hatten & Hatten noch an: "Note frrms were grouped not because they were the same but because they were comparable but different" (ebenda, Hervorhebung im Original). Dem widerspricht jedoch Porter (Wettbewerbsstrategie, S. 178 f.) keineswegs: "Kein Unternehmen gleicht völlig einem anderen, und deshalb muß bei der Einteilung in strategische Gruppen unweigerlich entschieden werden, wo der zentrale strategische Unterschied liegt."
96 Vgl. Hatten & Hatten (Groups), S. 334.
97 Hatten, SchendeI & Cooper (Model), S.608; ergänzte Hervorhebung. Vgl. in diesem Sinne auch Hatten (Research), S. 457, sowie Hatten & Hatten (Insights), S. 291.
98 Diese wurde allerdings bislang überhaupt nur an einer einzigen Branche, der Brauereündustrie, demonstriert.
189
rieren, sondern eine Koalition gegen nationale Brauereien bilden99. Wie jedoch im
nachstehenden Abschnitt deutlich werden wird, berücksichtigt Porter als Deter
minante des brancheninternen Wettbewerbs explizit die Marktinterdependenz der
Anbieter bzw. strategischen Gruppen, d.h. das Ausmaß, in dem sich deren Zielkun
densegmente überschneiden1OO. Außerdem ist die Zugehörigkeit zu einer strate
gischen Gruppe nicht in jedem Fall mit "Konkurrenz" bzw. mit einer hohen gruppen
internen Rivalität gleichzusetzen, da ja das Verfolgen ähnlicher Strategien gerade
eine abgestimmte Reaktion auf eine Herausforderung durch andere Gruppen
erleichtert.
Insgesamt sind also die Positionen der Harvard- und der Purdue-Schule nicht so
konträr, wie dies nach Hatten & Hatten den Anschein hat, obwohl sie mit der Indu
strieökonomik und der Business Policy entgegengesetzte Ausgangspunkte aufweisen.
So gelangen Vertreter heider Schulen zu dem Schluß, daß mit dem Konzept strategischer Gruppen eine Brücke zwischen dem einzelnen Unternehmen und der
gesamten Branche101 sowie zwischen Industrial Organization und Strategischem Management102 geschlagen wurde. .
3.4.2. Strategische Gruppen und Mobilitätsbarrieren in der Theorie der Gewinn
determinanten eines Unternehmens
Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, daß nach der traditionellen Business
Policy-Perspektive nicht die Umwelt (bzw. die Branche) für den Unternehmenserfolg
maßgeblich ist, sondern die individuelle Art und Weise, in der einzelne Firmen einen
Fit zwischen ihren spezifischen Ressourcen und den Umweltbedingungen herstellen:
"It is the differences in strategy that will lead to the success of Timex or Texas
Instruments in the wristwatch industry, not the environment in which they compete.,,103 Hier dominieren also die Finneneffekte in der Frage nach den Einfluß
faktoren des Unternehmenserfolges. Demgegenüber analysiert die konventionelle
99 VgI. vorstehend Hatten & Hatten (Groups), S. 333 f.
100 VgI. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 190 f. Wie dort aus der schematischen Darstellung in Abb. 7·2 hervorgeht, können sich Unternehmen mit einer ähnlichen Strategie durchaus an verschiedene Zielkundensegmente richten, d.h. keine unmittelbaren Konkurrenten sein.
101 In diesem Sinne Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 178: "Die strategische Gruppe ... ist ein Bezugs. rahmen, der zwischen die Analyse der Gesamtbranche und die Berücksichtigung jedes einzelnen Unternehmens geschaltet ist."
102 Siehe hierzu das bereits oben, S. 180, angeführte Zitat von Hatten & Hatten (Groups).
103 Hatten, SchendeI & Cooper (Model), S. 597.
190
Industrial Organization das Marktergebnis ganzer Branchen, die sich annahmegemäß
aus homogenen Firmen zusammensetzen. Die Unternehmensrentabilität wird also
weitgehend durch die Branchenzugehörigkeit bestimmt (Brancheneffekt). Die einzig
mögliche Vorteilsdimension besteht in der Unternehmensgröße. Das Ausmaß des
rivalisierenden Marktverhaltens innerhalb einer Branche wird daher nur auf die
Anzahl und die Gräßenunterschiede der Marktteilnehmer zurückgeführt. Zu einem
realistischen und differenzierteren Verständnis führte hier das Konzept der strate
gischen Gruppen, das die Heterogenität der Wettbewerber und der Wettbewerbsstra
tegien thematisiert. Die seitdem gültige zentrale Hypothese lautet, daß die intra
industrielle Verschiedenheit der Oligopolisten zu einem stärker rivalisierenden
Wettbewerbsverhalten und damit zu einem besseren Marktergebnis führt104. Denn
Unterschiede in den Wettbewerbsstrategien vermindern die Fähigkeit der Konkur
renten, ihre Handlungen zu koordinieren. Hierin sieht Porter den direkten Effekt der
strategischen Heterogenität auf das Marktergebnis bzw. die Unternehmensrentabi
lität105• Daneben erkannte Hunt in seiner Pionieruntersuchung, daß die Eintrittsbar
rieren heterogen zusammengesetzter Industriezweige nicht mehr auf die ganze
Branche bezogen werden können, sondern gruppenspezifisch zu bestimmen sind106.
Denn die Schwierigkeit des Markteintritts bemißt sich nach der angestrebten Position
innerhalb der Branche, also nach der anvisierten strategischen Gruppe. Aus diesem
Grunde analysierte Hunt die Eintrittsbarrieren der Haushaltsgroßgeräteindustrie
nach Gruppen getrennt107. Die Erkenntnis Hunts, daß strategische Gruppen durch
unterschiedliche und auch verschieden hohe Barrieren geschützt sind, verall
gemeinerte Porter dann zu der Aussage, daß strukturelle Unterschiede zwischen den
Firmen eines Industriezweiges auftreten können. Denn Unterschiede in den Wett
bewerbsstrategien schaffen uneinheitliche brancheninterne Marktstrukturen, die wie
derum zu einem unterschiedlichen Gewinnpotential innerhalb einer Branche führen.
Diesen gruppenspezifischen, strukturellen Einfluß auf die Gewinnhöhe bezeichnet
Porter als den indirekten Effekt der strategischen Heterogenität auf die Unternehmens
rentabilität108. Die vorgenannten Bausteine - den Brancheneffekt, den direkten und
indirekten Gruppeneffekt sowie den Firmeneffekt - verbindet und erweitert Porter in
der nachstehend dargelegten "Theorie der Gewinndeterminanten eines Unterneh-
104 Vgl. Newrnan (Groups), S. 419, Caves (IndustriaI Organization), S. 89, Greening (Groups), S. 475.
105 Vgl. Porter (Interbrand choice), S. 87. 106
Vgl. das wörtliche Zitat aus der unveröffentlichten Dissertation von Hunt (Competition), S. 57, bei Hatten & Hatten (Groups), S. 330.
107 Nach McGee & Thomas (Groups), S. 142.
108 Vgl. Porter (Interbrand choice), S. 77.
191
mens,,109. Hierin schreitet er von den allgemeinen zu den speziellen erfolgsrelevanten
Merkmalen fort - ausgehend von den Einflußfaktoren der durchschnittlichen poten
tiellen Branchenrentabilität (1) über die Determinanten des Rentabilitätspotentials
von strategischen Gruppen (2) bis hin zu den Bestimmungsgrößen der tatsächlichen
Unternehmensrentabilität (3).
Ad (1) Branchenweite Einflußgrößen auf den Unternehmenserfolg
Anders als in "monostrategischen Industriezweigen"110, deren durchschnittliches
Rentabilitätspotential über die fünf strukturellen Kräfte des Wettbewerbs ermittelt
werden kann, trägt eine allgemeine Branchenstrukturanalyse in "heterostrategischen
Industrien" nicht zur Bestimmung des Gewinnpotentials aller Unternehmen bei.
Denn wegen des Vorliegens strategischer Gruppen existiert kein allgemeiner
Struktur-Ergebnis-Zusammenhang. Unter die branchenweiten Erfolgsdetenninanten
fallen daher nur diejenigen Elemente, die die Stärke der fünf Wettbewerbskräfte
bestimmen und gleichermaßen auf alle Unternehmen zutreffen. Hierzu zählen z.B.
die Marktwachstumsrate, das Produktdifferenzierungspotential und die Struktur der
Zulieferbranchen etc.lll
Ad (2) Einflußfaktoren des Rentabilitätspotentials strategischer Gruppen
Die strategischen Gruppen einer Branche bergen im allgemeinen nicht das gleiche
Gewinnpotential, da die fünf Wettbewerbskräfte einen ungleichmäßigen Einfluß auf
die einzelnen Gruppen ausüben112. Ein Unternehmen bzw. eine Gruppe mit einer
ausgeprägten Produktdifferenzierung oder Angebotsbreite ist beispielsweise eher in
der Lage als ein undifferenzierter Konkurrent, diejenigen Abnehmer auszuwählen,
die weniger preissensibel sind und über eine geringere Verhandlungsstärke verfü
gen113. In gleicher Weise können Unternehmen entsprechend ihrer Wettbewerbsstra
tegien mit verschiedenen Zulieferern zusammenarbeiten, die ein unterschiedliches
Ausmaß an Lieferantenmacht aufweisen. Aber auch bei gemeinsamen Lieferanten
oder Abnehmern kann sich eine Gruppe strategiebedingt in einer günstigeren Ver-
109 Porter (Companies' performance), S. 218.
110 Thomas (Economics), S. 25.
111 VgI. Porter (Wettbewerbsstrategie), S.l92. Diese Faktoren werden im Industrial Organization· Paradigma als die Basisbedingungen bezeichnet, die der Marktstruktur zugrunde liegen. Vgl. z.B. Scherer (IndustriaI), S. 4.
112 VgI. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 180.
113 VgI. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 164.
192
handlungsposition befinden114, z.B. wenn sie einen höheren Grad an partieller Vor
oder Rückwärtsintegration besitzt. Die Bedrohung, die von Substitutionsprodukten ausgeht, kann einzelne Gruppen
ebenfalls stärker betreffen als andere, obwohl diese derselben Branche angehören115.
Rennräder als hochwertige und teure Sportgeräte werden beispielsweise von anderen
Trendänderungen bedroht als billigere und schwere Fahrräder, die dem Fortbewe
gungszweck dienen.
Ein besonderer Stellenwert für das Rentabilitätspotential einer strategischen Gruppe
kommt den strukturellen (Eintritts-)Barrieren zu. Diese erfüllen in der Theorie strate
gischer Gruppen eine doppelte Funktion: Zum einen schützen sie etablierte Unter
nehmen vor Marktzutritten von außerhalb der Branche. Entgegen der konventio
nellen Sichtweise, die alle Unternehmen als homogen ansieht und daher Eintrittsbar
rieren als ein branchenweites Phänomen begreift, hängt die Höhe des Wettbewerbs
nachteils potentieller Newcomer nun jedoch von der jeweiligen strategischen Gruppe
ab, der sich diese anschließen wollen. Denn häufig variiert beispielsweise das
Ausmaß der Produktdifferenzierung innerhalb einer Branche - und mit ihm die Höhe
der Produktdifferenzierungsbarriere116• Zum anderen be- oder verhindern dieselben
strukturellen Barrieren, welche die Mitglieder einer Gruppe vor dem Eintritt
branchenfremder Newcomer schützen, auch den Wechsel brancheninterner Konkur
renten von einer strategischen Gruppe in eine andere. Das heißt, nicht nur neue
Konkurrenten, sondern auch Wettbewerber aus benachbarten Gruppen müssen
Kosten für die Überwindung struktureller Barrieren, der sog. Mobilitätsbarrieren, in
Kauf nehmen. Damit kann erklärt werden, warum erfolgreiche Strategien nicht
jeweils von anderen Marktteilnehmern nachgeahmt werden und warum einige
Unternehmen dauerhafte Rentabilitätsvorteile gegenüber anderen aufweisen
können. Während Eintrittsbarrieren also nur eine Begründung für die Rentabilitäts
unterschiede zwischen verschiedenen Industriezweigen liefern, erklären Mobilitäts
barrieren zusätzlich auch Rentabilitätsunterschiede innerhalb einer Branche. Wegen
dieses umfassenderen Aussagegehaltes sieht Porter Mobilitätsbarrieren, die einen
zweifachen Schutz bieten, als den allgemeinen Barrierentyp an. Markteintrittsbarrie
ren hingegen bezieht er auf den speziellen oder eingeschränkteren Fall, in dem ein
114 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 186.
115 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 186 f.
116 Vgl. Caves & Porter (Mobility), S. 250 und S. 253.
193
Newcomer von außerhalb der Branche in 'eine strategische Gruppe eindringen
will117•
Das Rentabilitätspotential einer strategischen Gruppe richtet sich schließlich noch nach dem Grad der Rivalität, die zwischen den Gruppen herrscht. Grundsätzlich gilt hier, daß Gruppen von Unternehmen, die stark divergierende Strategien verfolgen, sich nur schwer auf eine gemeinsame Vorgehensweise im Markt verständigen können und daß daher die Rivalität innerhalb der Branche steigt. Diese Grunderkenntnis Hunts verfeinert Porter wie folgt zu einem Modell des Kundenwettbewerbs unter den strategischen Gruppen118: Von zentraler Bedeutung für die Rivalität zwischen strategischen Gruppen ist zunächst der Grad ihrer Marktinterdependenz, also das Ausmaß,
in dem sie um die gleichen Kunden konkurrieren. Denn wenn zwei oder mehr Gruppen von Anbietern innerhalb eines Marktsegmentes aufeinandertreffen, d.h. sich mit sehr unterschiedlichen Strategien um eine Käuferschicht oder Abnehmergruppe bemühen, führt dies zu einem scharfen Wettbewerb. Dessen Intensität verringert sich
jedoch tendenziell, wenn die Wettbewerbsstrategien der einzelnen Gruppen zu einer Produktdifferenzierung führen und bei den Abnehmern sehr unterschiedliche Präfe
renzen bewirken, so daß die Produktangebote nicht als austauschbar angesehen
werden. Und je größer die Anzahl der strategischen Gruppen und je geringer ihre Größenunterschiede, desto stärker wirkt sich die strategische Asymmetrie - ceteris paribus - auf die Rivalität zwischen den Gruppen aus. Denn mit der Gruppenzahl steigt die Wahrscheinlichkeit, daß eine der Gruppen einen Wettbewerbskrieg initiiert, da die wechselseitige Abhängigkeit als gering wahrgenommen wird und da
die Hoffnung bestehen kann, von anderen Gruppen unbemerkt Maßnahmen zur
Positionsverbesserung ergreifen zu können. Eine relativ ausgeglichene Größe führt
ebenfalls zu einer instabilen Situation, da die Kampfbereitschaft in einem solchen
Fall höher ist als bei Vorliegen sehr starker Größenunterschiede, die das relative Macht- bzw. Einflußpotential innerhalb der Branche repräsentieren. Und schließlich
ist das Ausmaß der strategischen Heterogenität, die ja das Konzept der strategischen
Gruppen konstituiert, selbst für die Inter-Gruppen-Rivalität von Bedeutung. Denn je größer die strategische Distanz zwischen den Gruppen, desto schwerer fällt es diesen,
117 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 180 ff., und (Companies' performance), S.216. Inhaltlich gesehen stimmen die ökonomischen Faktoren, die zur Bildung von Eintritts- und Mobilitätsharrieren führen, überein. Das heißt, die Generalisierung bzw. Erweiterung des Eintrittsbarricrenzum Mobilitätsbarrierenkonzept bezieht sich auf die Art des Herausforderers (branchencxtcrn versus branchenintem und -extern) und nicht auf die Art der strukturellen Barrieren.
118 Vgl. nachfolgend Porter (Companies' performance), S. 217 f., (Wettbewerbsstrategie), S. IR7 rr., (Interbrand choice), S. 83 ff.
194
ihre Verhaltensweisen gegenseitig zu verstehen und falsche Reaktionen sowie das
Ausbrechen von Wettbewerbskriegen zu vermeiden.
Die Einflußfaktoren auf Gruppenebene zusammenfassend ist das Rentabilitätspotential also relativ günstig, wenn die Verhandlungsstärke der Lieferanten und Abnehmer
sowie die Substitutionsgefahr schwach ausgeprägt sind und wenn die betreffende
Gruppe hohe Mobilitätsbarrieren aufweist, die sie vor Marktzutritten von außerhalb der Branche oder vor Übertritten aus anderen Gruppen schützen. Ferner sind die
Gewinnaussichten günstig, wenn die Rivalität· mit anderen strategischen Gruppen
gering ist, also bei einer geringen Marktinterdependenz bzw. Überschneidung der
Zielkundensegmente mit anderen Gruppen; bei einer überschaubaren Zahl von stra
tegischen Gruppen mit zugleich ausgewogener Größe; bei einer mäßigen strate
gischen Distanz bzw. Heterogenität, die noch keine gravierenden Deutungs- oder
Koordinationsprobleme zwischen den Gruppen schafft; und bei einer deutlich unter
schiedlichen Produktdifferenzierung, die zu einer Käuferloyalität führt und so die
Kunden einzelner strategischer Gruppen voneinander isoliert.
Ad (3) Bestimmungsfaktoren der tatsächlichen Unternehmensrentabilität119
Für die tatsächliche Rentabilität eines Unternehmens ist es u.a. maßgeblich, wie stark
der Intra-Gruppen-Wettbewerb ist, wieviele Anbieter also beispielsweise innerhalb
der betreffenden Gruppe um ein (begrenztes) Absatzpotential konkurrieren. Außer
dem ist für die gruppeninterne Position eines Unternehmens dessen Größe bzw. rela
tiver Marktanteil von Bedeutung, sofern sich Betriebsgrößenersparnisse bis in hohe
Mengenbereiche fortsetzen. Tatsächliche Rentabilitätsunterschiede innerhalb einer
Gruppe können weiterhin auf die Fähigkeiten und Ressourcen zurückzuführen sein,
die den Unternehmen beim Eintritt in die Gruppe zur Verfügung standen, z.B. auf
grund von Synergien mit anderen Tätigkeitsbereichen oder auf grund von Fähigkei
ten, die man in einer benachbarten Gruppe derselben Branche erworben hat. Außer
dem kann die Wahl des Eintrittszeitpunktes ausschlaggebend für einen Wettbewerbs
vorteil gegenüber anderen Gruppenangehörigen sein, wenn "first" oder "late mover
advantages" zu verzeichnen sind. Einen letzten firmenspezifischen Einflußfaktor auf
den Unternehmenserfolg bildet schließlich die Fähigkeit der Gruppenmitglieder, die
von ihnen gewählte ähnliche oder übereinstimmende Strategie zu implementieren.
Da nicht alle Vertreter einer Gruppe die gleiche Eignung zur Umsetzung der Strate
gie in einen konkreten Handlungsvollzug aufweisen werden, lassen sich auch mit der
119 Vgl. nachstehend Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 192 CC.
195
Implementationsfähigkeit tatsächliche Rentabilitätsunterschiede von Firmen erklä
ren, die als Mitglieder einer strategischen Gruppe dasselbe Rentabilitätspotential
aufweisen120.
Zusammenfassung zur Theorie der Gewinndeterminanten eines Unternehmens:
Nach Porters "theory of firm profit determination" wird letztlich dasjenige Unter
nehmen am rentabelsten sein, das sich in einer günstigen Branche befindet, in einer
günstigen Gruppe innerhalb dieser Branche plaziert ist und eine starke Position in
seiner Gruppe innehat121. Den Stellenwert, der dem Konzept strategischer Gruppen
im Rahmen dieser Theorie zukommt, würdigt Porter wie folgt: ''The concept of stra
tegie groups allows us to systematically integrate differences in the skills and resour
ces of an industry's member firms and their consequent strategie choices into a theory
of profit determination.,,122 Und als wesentliches Element, das die auf Strategieunter
schiede zurückzuführenden dauerhaften Rentabilitätsunterschiede von Wettbewer
bern einer Branche erklärt, sind die grnppenspezijischen Mobilitätsbarrieren festzuhal
ten. Mit ihnen ist es gelungen, nicht nur die unterschiedlichen Gewinnraten einzelner
Industriezweige, sondern auch einzelner Konkurrenten innerhalb einer Branche zu
begründen.
3.4.3. Mobilitätsbarrieren und das Konzept des stufenweisen Markteintritts
Die Existenz strategischer Gruppen und der gruppenspezifische Charakter von Ein
trittsbarrieren haben wichtige Implikationen für den Marktzutritt von außerhalb der
Branche: Die Eintrittsentscheidung kann nicht länger als eine einfache Ja/Nein-Ent
scheidung aufgefaßt werden. Ein potentieller Newcomer muß vielmehr eine
bestimmte strategische Gruppe auswählen, in die er einzutreten gedenkt, oder gar
mit den Entwurf einer völlig neuen Wettbewerbsstrategie die Schaffung einer neuen
Gruppe in Erwägung ziehenl23. Eine zweite bedeutende Implikation besteht darin,
120
121
Als einen weiteren Erklärungsfaktor für Rentabilitätsunterschiede zwischen Angehörigen einer strategischen Gruppe führen Cool & Schende! (Performance differences) neuerdings die Risikoprofile einzelner Unternehmen an. Denn wenn es zutrifft, daß die Mitglieder einer strategischen Gruppe unterschiedliche Risikoprofile aufweisen und daß es einen "risk-return"-Zusammcnhang gibt, dann sind Ergebnisunterschiede illllerhalb einer Gruppe zu erwarten. Vgl. ebenda, S. 209.
Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S.195.
122 Porter (Companies' performance), S. 216.
123 Vgl. Caves & Porter (Mobility), S. 254.
196
daß er den Eintritt in diese angezielte Gruppe nicht unmittelbar oder direkt in
Angriff nehmen muß, sondern auch einen "Umweg" über weniger gut geschützte stra
tegische Gruppen als Zwischenstationen einschlagen kann124• Auf diese Art kann ein
branchenfremder Newcomer die Eintrittsbarrieren schrittweise nehmen, d.h. zunächst
die Zutrittsschranken der weniger geschützten, aber auch weniger lukrativen
Gruppen "überspringen". Von dort aus kann er die Überwindung der Mobilitätsbar
rieren angehen, um schließlich die langfristig angestrebte Position innerhalb der
Branche einnehmen zu können, die hohe Erträge verspricht, aber eben auch von
Barrieren bedeutenden Ausmaßes umgeben ist.
Ein solches stufenweises Vorgehen beim Markteintritt kann aus zwei Gründen vorteil
haft sein: Zum einen ist es geeignet, das Eintrittsrisiko zu vermindern, indem es die
Konsequenzen des Scheiterns begrenzt. So kann ein risikofeindlicher Newcomer die
Gesamtinvestitionen in die Überwindung der Mobilitätsbarrieren der letztendlich
angestrebten Gruppe auf mehrere Projektabschnitt aufteilen und sequentiell über die Realisation weiterer Teilpläne entscheiden. Hierbei kommt es ihm zugute, daß die
Überwindung der einzelnen Barrieren mit unterschiedlichen Risiken verbunden ist:
So sind beispielsweise Aufwendungen für Produktionsmittel und andere Posten des
Sachanlagevermögens weitgehend reversibel, während immaterielle Aktivitäten wie
Werbung oder Forschung und Entwicklung "sunk costs" verursachen. Ein Eintrittspfad, der die Verluste für den Fall des Scheiterns minimiert, führt daher zunächst
über strategische Gruppen mit nur geringen irreversiblen produktspezifischen Investi
tionen. Eine solche "Einstiegsgruppe" bildet beispielsweise die Herstellung von
Generics oder Handelsmarkenartikeln, von der aus ggf. der Gruppenwechsel in das
Markenproduktsegment eingeleitet wird.
Zum anderen ist durch einen stufenweisen Eintritt eine Verringerung der Gesamtkosten für die Überwindung der Mobilitätsbarrieren denkbar - relativ zur direkten
Einnahme der endgültigen strategischen Position. Denn ein stufenweise vorgehender Newcomer kann durch ein "learning by doing" oder durch einen günstigeren Zugang
zu Informationen gegenüber einem Unternehmen im Vorteil sein, das unmittelbar in
die letztendliehe Zielgruppe eintritt. Oder er kann besser gestellt sein, wenn durch
den Eintritt in die anfängliche Gruppe Wissen und Markenidentifikation günstiger
erworben und später beim Wechsel in die eigentlich angestrebte Gruppe kostenlos transferiert werden können125•
124
125
Dieser Aspekt, der stufenweise Markteintritt, wurde bereits oben im Zusammenhang mit dem pro-zessualen Charakter von Marktzutritten gebraucht, als es darum ging, vergeltende Reaktionen als eine rationale Handlungsweise zu begründen. Vgl. oben, S. 151 ff.
Vgl. vorstehend Caves & Porter (Mobility), S. 255 ff., und Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 442 f.
197
Unter umgekehrten Vorzeichen haben die Existenz strategischer Gruppen und die
Möglichkeit eines stufenweisen Markteintritts auch Implikationen für etablierte
Anbieter: Wenn es besonders erfolgversprechende und risikoarme Strategien des stufenweisen Eintritts gibt, lohnen sich Investitionen in Mobilitätsbarrieren, um
Übertritte aus der "Einstiegsgruppe" zu blockieren126.
Eine dritte Implikation der Existenz strategischer Gruppen und Mobilitätsbarrieren
betrifft weniger die Art des Markteintrittsprozesses als vielmehr die Art der Heraus
forderer, der sich einzelne Gruppen gegenübersehen. Denn das Konzept strate
gischer Gruppen spiegelt ja gerade die strategische Heterogenität individueller
Unternehmen wider, die auf deren unterschiedliche distinktive Kompetenz zurückzu
führen ist. Diese Kompetenzunterschiede gelten nun nicht mehr nur für die bereits
etablierten Gruppenmitglieder, sondern sie erstrecken sich auch auf die Schar der
potentiellen Newcomer. Denn diese besitzen ihrerseits unterschiedliche Fähigkeiten
und Ressourcen zur Überwindung von Eintritts- und Mobilitätsbarrieren127.
Wegen der brancheninternen Unterschiede in der Barrierenhöhe sowie der unein
heitlichen anfänglichen Ressourcen und Fähigkeiten potentieller Newcomer
schließen Caves & Porter - auf Hines zurückgreifend - auf die Identität der wahr
scheinlichen Herausforderer für einzelne strategische Gruppen128: Bereits beste
hende Unternehmen, die in anderen Branchen eine gute Marktposition innehaben,
verfügen häufig über Kompetenzen, die ihnen den Eintritt in eine Gruppe mit hohen
Barrieren erleichtern. Ihr angestammtes Geschäft, aus dem heraus sie diversifizieren,
kann ihnen als "strategische Plattform" dienen129• Zugleich haben diese Firmen häu
fig hohe Opportunitätskosten, d.h. günstige alternative Investitionsmöglichkeiten. Sie zählen daher zu den wahrscheinlichen Herausforderern, die sich für den Eintritt in
126 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 443. 127 Aufgrund dieser Tatsache kann die Höhe der Barrieren, die eine Gruppe schützt, nicht "anonym",
d.h. ohne Bezugnahme auf wahrscheinliche Herausforderer bestimmt werden. Dieser Aspekt ging freilich nicht erst mit dem Konzept strategischer Gruppen in die Industrial Organization ein: Er kommt bereits bei Bain in der Vorstellung von einer Reihe bzw. Rangordnung unter den potentiellen Newcomern und in der Unterscheidung von "immediate" und "general conditions of entry" zum Ausdruck. Unter den unmittelbaren Marktzutrittsbedingungen versteht Bain diejenige Preis-KostenDifferenz, die gerade noch ausreicht, um den am meisten begünstigten potentiellen Newcomer am Markteintritt zu hindern. Die generellen Marktzutrittsbedingungen gelten für die nachrangigen potentiellen Konkurrenten in der Reihe. Wenn unter diesen ein "differential advantage" besteht, spricht Bain von progressiven, andernfalls von konstanten generellen Eintrittsbarrieren. Auf seiten der ebenfalls heterogenen Etablierten dient ihm die "most favored established ftrm" als Bezugspunkt, d.h. das Unternehmen mit dem höchsten Differenzierungs- und Kostenvorteil. Vgl. Bain (Barriers), S. 7 ff.
128 Vgl. Caves & Porter (Mobility), S.255 und S. 257 ff., sowie Hines (Effectiveness), insbesondere S.140.
129 Vgl. Yip (Barriers), S. 25 f., und (Vorstoß), S. 48.
198
die besser geschützten strategischen Gruppen einer Branche interessieren, die wegen
ihrer hohen Mobilitätsbarrieren - ceteris paribus - ein hohes Gewinnpotential aufwei
sen. Demgegenüber betreten neugegründete Unternehmen den Markt typischerweise über weniger geschützte strategische Gruppenn<J.
Caves & Porter resümieren folglich zu dieser Implikation unterschiedlich hoher
Mobilitätsbarrieren und divergierender Eignungen zu deren Überwindung, daß
" ... going firms should be the chief entrants to oligopolistic cores of dominant firms
surrounded by product-differentiation and absolute-cost entry barriers, whereas new firms sprout in the competitve fringe ... ".131
130 Dies muß indes nicht so sein, denn häufig verfügen gerade diese Firmen über ein hohes Maß an Fähigkeiten und Ressourcen, weil sie von Managern geleitet werden, die von einer alteingesessenen Firma kommen. Vgl. Yip (Vorstoß), S. 47.
131 Caves & Porter (Mobility), S. 259.
199
4. DIE NATIONALÖKONOMISCHE EINTRITI'SBARRIEREN-KONTROVERSE: ZUM STELLENWERT RIVALISIERENDER SCHULEN FÜR EIN UNTERNEHMENS STRATEGISCHES EINTRITTSBARRIERENKONZEPT
Mit dem Übergang von einem strukturalistischen zu einem strategischen und von
einem branchenweiten zu einem gruppenspezifischen Eintrittsbarrierenkonzept genügt die Industrial Organization den beiden zentralen Bedingungen, die aus
betriebswirtschaftlicher bzw. unternehmensstrategischer Perspektive für einen Rück
griff auf die Theorie der Eintrittsbarrieren an die industrieökonomische Nachbardis
ziplin zu richten sind. Innerhalb der Nationalökonomie jedoch sind die Industrial
Organization im allgemeinen1 und insbesondere das Konzept der strukturellen Ein
trittsbarrieren und der strategischen wettbewerbsfeindlichen Verhaltensweisen bzw.
Vergeltungsreaktionen einer heftigen Kritik ausgesetzt, vorwiegend von Vertretern
der Chicago School. Diese stimmen zwar mit der oben thematisierten Position der
Harvard School darin überein, daß Markteintritte häufig schwierig zu bewerkstelligen
sind, führen dies aber auf andere Ursachen zurück: Nicht die Ausübung von Markt
rnacht durch etablierte Anbieter erschwert potentiellen Newcomern den Marktzugang, sondern die Tatsache, daß der Markteintritt in vielen Industriezweigen eine
sehr komplexe Aufgabe darstellt und es überdies schwierig ist, gegen effiziente etablierte Anbieter zu konkurrieren. Diese "natürlichen" Schwierigkeiten (Bork)
wollen Chicago School-Vertreter nicht unter dem ihrer Meinung nach negativ vorbe
setzten Begriff "Eintrittsbarriere" subsumiert sehen2• Außerdem bestreiten sie einen
wettbewerbspolitischen Handlungsbedarf zum Abbau der angeblichen Zutritts
hemmnisse bzw. zur Erleichterung von Markteintritten - nämlich aufgrund der' Auf
fassung, daß sich bestehende Strukturen nicht staatlich regulierter Märkte als effi
zient erwiesen haben und die Konsumentenwohlfahrt durch staatliche Eingriffe in die
Marktkräfte nicht gesteigert werden kann. Demgegenüber fördern nach Ansicht der
Harvard School hohe Eintrittsbarrieren die Monopolisierung einer Branche. Die
damit einhergehende Machtkonzentration verursacht ihres Erachtens Wohlfahrtsverluste.
Der nationalökonomischen Kontroverse um einen wettbewerbspolitisch adäquaten
Eintrittsbarrierenbegriff liegen also grundsätzliche Divergenzen hinsichtlich des Wett-
1
2 So Stigler (Industry), S. 1: "there is no such subject as industrial organization."
Vgl. Demsetz (Belief), S. 173, PeppereIl & Turner (Barriers), S.3O, und Waterson (Definition), S. 537 f.
200
bewerbsverständnisses und bezüglich der Wohlfahrtsimplikationen des Ausbleibens
von Marktzutritten zugrunde, aber auch Meinungsverschiedenheiten zu den außer
ökononllschen Zielvorstellungen der Antitrustpolitik. Damit berührt die Harvard
Chicago-Kontroverse nicht die einzelwirtschaftliche Seite des Marktzutrittsproblems,
sondern ausschließlich die wettbewerbspolitisch bzw. wohlfahrtsökonomisch relevan
ten Aspekte. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung, die sich dem Eintrittsbar
rierenkonzept aus unternehmensstrategischer Perspektive widment, nimmt die Kon
troverse zwischen diesen beiden Schulen daher den Charakter eines Exkurses an.
Dieser gestaltet sich wie folgt: Zunächst wird unter Punkt 4.1. anhand einiger ausge
wählter Eintrittsbarrierendefinitionen die Bandbreite der verschiedenen Barrieren
begriffe vorgestellt, die als Reaktion auf das ursprüngliche Konzept von Bain ent
standen sind. Im Anschluß daran (Abschnitt 4.2.) werden mit der Marktkonzentra
tionsdoktrin und dem sog. New Learning die Grundpositionen der Harvard und der
Chicago School beleuchtet und daran anknüpfend die von Chicago-Vertretern an
einzelnen strukturellen und strategischen Eintrittsbarrieren geäußerte Kritik präsen
tiert. Den Abschluß bildet in Kapitel 4.3. die als Beispiel für eine "prokompetitive
Argumentation" dienende Eintrittsbarrierenanalyse bzw. -kritik der ökonomischen
Expertenzeugen der IBM Corp. im Antitrustverfahren "U.S. vs. IBM", in dem der
Beklagten u.a. die Behinderung des Marktzutritts neuer Konkurrenten vorgeworfen worden war.
4.1. Das Spektrum konkurrierender Eintrittsbarrierendefinitionen
Joe Bain, der "Vater" des Eintrittsbarrierenkonzeptes, definiert bei der Nennung der einzelnen Marktstrukturelemente die Bedingungen für den Markteintritt neuer Wettbewerber folgendermaßen: "Die Marktzutrittsbedingungen verweisen auf die
relative Einfachheit oder Schwierigkeit des Markteintritts für neue Anbieter; sie sind
generell durch die Vorteile bestimmt, die bestehende Wettbewerber gegenüber potentiellen Newcomern besitzen."3
Zum Stellenwert der so definierten Eintrittsbedingungen bzw. -barrieren fährt Bain
fort: "Sie kennzeichnen somit den relativen Druck, der von der potentiellen Konkurrenz als ein regulierender Einfluß auf das Marktverhalten und -ergebnis bereits bestehender Anbieter ausgeht."4
3
4
Bain (Industrial Organization), S. 7; Inhaltlich sind dies - wie bereits in Abschnitt 3.1.1. ausgeführt -Betriebsgrößenersparnisse, Produktdifferenzierungsvorteile und absolute Kostenvorteile.
Bain (Industrial Organization), S. 8.
201
Mit einem inhaltlich ebenso breiten Begriff wartet William Shepherd auf: "Potentielle
Wettbewerber sind diejenigen Firmen außerhalb des Marktes, die wahrscheinlich ein
treten werden und die zu aktuellen Konkurrenten werden können. Alles, was die
Wahrscheinlichkeit, das Ausmaß (scope) oder die Geschwindigkeit ihres Auftretens
herabsetzt, stellt eine Eintrittsbarriere dar.,,5
Und zur Rolle der potentiellen Konkurrenz als Garant für den Wettbewerb: "Einige
Ökonomen sehen sie als zentral an. Überwiegend gelten Eintrittsbarrieren und
Marktzutritte aber nur als das zweitwichtigste Thema, das die bedeutenderen Marktanteils- und Konzentrationseffekte modifizieren kann. Nur in seltenen Fällen wird
die potentielle Konkurrenz den aktuellen Wettbewerb dominieren.,,6
Dagegen konstatiert George Stigler, inhaltlich bedeutend enger, nämlich vornehmlich
auf Kostenasymmetrien abstellend: "Eintrittsbarrieren können definiert werden als
die Produktionskosten (bei einer bestimmten oder beliebigen Ausbringungsmenge),
die ein Unternehmen zu tragen hat, das in die Branche eintreten will, nicht aber ein
bereits etabliertes Unternehmen."7
Und dann konkret zu den Economies of Scale: "Einige Ökonomen sagen, Größen
degressionsvorteile stellen eine Eintrittsbarriere dar; sie meinen damit, daß derartige
Vorteile erklären, warum keine weiteren Firmen eintreten. Genauso könnte man
aber behaupten, eine nicht ausreichende Nachfrage sei eine Eintrittsbarriere. Wenn
wir Barrieren als die zusätzlichen Kosten neuer Anbieter definieren, gibt es keine
(solche) Eintrittsbarriere; die Unternehmensgröße wird von den Economies of Scale
und den Nachfragebedingungen regiert."8
An Stigler knüpft William Baumol bei der Beschreibung freier Marktzugangsbedin
gungen im Sinne der "contestable markets"-Theorie an: "Wir gebrauchen 'freien
Marktzutritt' im Sinne Stiglers und meinen damit nicht, daß der Eintritt frei von
Kosten oder einfach zu bewältigen ist, sondern daß dem Newcomer kein Nachteil im
Hinblick auf die Produktionstechnik oder die perzipierte Produktqualität entstehen darf ... ".9
5
6
7
8
9
Shepherd (Economics), S. 54.
Shepherd (Economics), S. 54.
StigIer (Industry), S. 67.
StigIer (Industry), S.67. Hierzu merkt Brozen (Competition, S. 9, Fußnote 12) an: "He (Stigler) should add that the view economies of scale are a barrier to entry would also mean that it is equally possible to say that an equilibrium amoun! of capacity in industry in purely competitive, long run equilibrium is a barrier to entry."
Baumol (Contestable), S. 3.
202
Im Hinblick auf die Kostenasymmetrien folgen Fisher, McGowan & Greenwood
Stigler und Baumol. Zu den Vergeltungsmaßnahmen gegen Newcomer ergänzen sie:
"Man muß verstehen, daß eine Marktzutrittsschranke nur dann existiert, wenn der
Altanbieter Marktzutritte verhindern kann, ohne sich konkurrenzmäßig zu verhalten.
Die Tatsache, daß Firmen, die schon auf dem Markt sind, energisch miteinander konkurrieren und man erwarten kann, daß sie auch mit Neuanbietern konkurrieren
werden, stellt keine Marktzutrittsschranke dar; sie ist ein Symptom des Wettbewerbs."l0
e.e. von Weizsäcker rückt die Wohlfahrtsaspekte schließlich gänzlich in den Mittel
punkt: "Eintrittsbarrieren in einen Markt können somit definiert werden als gesell
schaftlich nicht wünschenswerte Beschränkungen des Zustroms von Ressourcen, die
dem Schutze etablierter Ressourcen(besitzer) im Markt dienen."u
Sofern eine Behinderung des Markteintritts neuer Wettbewerber erwünscht ist, wie
z.B. im Falle des Patentschutzes, spricht von Weizsäcker nicht von Zutrittsschranken.
Patente sind seines Erachtens erst dann Eintrittsbarrieren, wenn sie Imitatoren in
nicht wünschenswerter Weise zu restriktiv ausschließen12.
Dazu wiederum konträr Yale Brozen, der fast ausschließlich in solchen staatlichen
Interventionen Eintrittsbarrieren erblickt: "Wir müssen uns vor Augen führen, daß
Dinge wie Werbung und Produktdifferenzierung nicht zu Eintrittsbarrieren werden,
indem wir sie so nennen. Die hauptsächlichen Eintrittsbarrieren sind diejenigen, die
durch regulierende Tarife, Quoten und Lizenzbestimmungen auferlegt werden, sowie einige Maßnahmen der Antitrustbehörden.',13
10 Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 159; Hervorhebung im Original.
U Von Weizsäcker (Barriers), S. 13.
12 Vgl. von Weizsäcker (Barriers), S. 13, und (Theory), S. 15. Ähnlich der Position von Weizsäckers auch Demsetz, der das Problem einer Wettbewerbspolitik gegenüber Eintrittsbarrieren darin sieht, definieren zu müssen, welche Kosten (für bestimmte Aktivitäten) als sozial wünschenswert gelten und welche nicht. Vgl. Demsetz (Barriers), S. 56.
13 Brozen (Competition), S. 14.
203
Diese exemplarischen Eintrittsbarrierendefinitionen zusammenfassend ergibt sich
folgendes Spektrum sehr unterschiedlicher Begriffe von Marktzutrittsschranken:
Eintrittsbarrieren sind:
Eintrittsbarrieren sind nicht:
Eintrittsbarrieren sind nur:
Eintrittsbarrieren sind primär:
alle Hindernisse (Shepherd)
Marktstrukturelemente (Bain)
Kostenasymmetrien (Stigler, Baumol);
intensiver Wettbewerb (Fisher et al.); "Wohlfahrts-Barrieren" (v. Weizsäcker);
interventionistische Eingriffe (Brozen).
4.2. Markteintrittsbarrieren in der Kontroverse zwischen der Harvard und der Chicago School
Von den vorstehend aufgelisteten Positionen zur Eintrittsbarrierenthematik zählen
diejenigen von Bain und Shepherd zur Harvard School. Die übrigen Vertreter lassen
sich der Chicago School zurechnen bzw. können als dieser nahestehend angesehen
werden. Um nun die unterschiedlichen Eintrittsbarrierenkonzepte hinterfragen zu
können, ist es zunächst erforderlich, die wettbewerbstheoretischen l..eitvorstellungen der bei den Schulen zu analysieren. Diese äußern sich am deutlichsten in der Grund
haltung gegenüber der Unternehmensgröße und der Konzentration: Die Harvard
School vertritt die These, daß Größe und Konzentration die Absprachemöglichkeit
unter den Konkurrenten begünstigen und somit das Marktergebnis beeinträchtigen.
Als Beleg für diese These führt sie die positive Korrelation zwischen der Konzentra
tion und Profitabilität an. Diesen Zusammenhang - sofern er überhaupt anerkannt
wird - interpretiert die Chicago School in anderer Weise: " ... even if it could be
demonstrated (and probably it has not been) that there is a persistent correlation
between industry concentration and profitability, that fact would be utterly
ambiguous. High rates of return are consistent with other factors besides restriction of output, primarily superior efficiency .. .',14. Aufgrund der Tatsache, daß Unterneh
mensgewinne nicht nur auf die kollusionsfördernde Branchenkonzentration, sondern
auch - bzw. vor allem - auf die Effizienz bestehender Firmen zurückzuführen sind,
kann eine hohe Konzentrationsrate bzw. Unternehmensgröße nach der Chicago
Doktrin nicht per se als antikompetitiv und wohlfahrtsmindernd eingestuft werden.
Konzentrierte oligopolistische Marktstrukturen sind daher für Chicago-Vertreter
weitgehend unbedenklich. Hinter dieser Sichtweise steht folgendes Wettbewerbsver-
14 Bork (paradox), S. 181.
204
ständnis: Sofern bestimmte Unternehmens größen und Marktstrukturen über einen
längeren Zeitraum Bestand hatten, haben sie sich als überlebensfähig und damit effi
zient erwiesen. Denn andernfalls wären diese Strukturen - funktionsfähige Märkte
vorausgesetzt - vom Wettbewerb eliminiert worden.
An dieser Stelle tritt nun die Kontroverse um ein wettbewerbstheoretisch und -poli
tisch adäquates Eintrittsbarrierenverständis zutage. Denn um ein "Status quo
Konzept" effizienten Wettbewerbs verfechten zu können, muß die Chicago School
begründen, daß Markteintritte ggf. nur deshalb nicht stattfinden, weil der Markt
bereits effIzient bedient wird. Das heißt, die angeblichen strukturellen und strate
gischen Zutrittsschranken müssen als Ausdruck oder Merkmal effizienten Wett
bewerbsverhaltens enttarnt werden können15.
Mit dieser wettbewerbstheoretischen, effizienzorientierten Beurteilungsbasis für Eintrittsbarrieren, die in Abschnitt 4.2.1. noch genauer entfaltet wird, können dann
unter Punkt 4.2.2. die von der Harvard School als eintrittshemmend - und damit
wettbewerbsbegrenzend - eingestuften Faktoren aus der Sicht der Chicago School
analysiert werden. Das Ergebnis der Diskussion einzelner "angeblicher Barrieren"
vorwegnehmend kann hier bereits ausgesagt werden, daß bei "sorgfältiger Unter
scheidung effizienzbedingter natürlicher und künstlicher Eintrittsbarrieren" (Bork)
die letztgenannte Kategorie - nach Ansicht der Chicago-Vertreter - eine nahezu leere
Menge darstellt, illegale Verhaltensweisen einmal ausgenommen. Eine Würdigung
der Chicago-Sichtweise zu Markteintrittsbarrieren für die Belange eines unterneh
mensstrategischen Eintrittsbarrierenbegriffes beschließt sodann unter Punkt 4.2.3 den theoretischen Teil dieses Exkurses.
4.2.1. Marktmacht versus EßIzienz: Eintrittsbarrieren im Lichte divergierender Wettbewerbs doktrinen
Die nachstehenden Ausführungen hinterfragen das Eintrittsbarrierenverständnis der
Harvard und der Chicago Schoo!. Hierbei wird sich zeigen, daß die unterschiedliche
Ausgestaltung des Barrierenbegriffes auf unterschiedliche Wettbewerbsdoktrinen
zurückzuführen ist: Die Harvard School konstituiert sich um die Kollusionshypothese,
15 Bork (Paradox), S. 195, entwickelt diesen programmatischen Gedanken vom entgegengesetzten Standpunkt aus, nämlich anhand dessen, was man unternehmen müßte, um die Existenz von Eintrittsbarrieren belegen zu können: 'What must be proved to exist, therefore, is a dass of barriers that do not reflect superior efficiency and can be erected by firms to inhibit rivals." Bekenntnishaft fährt Bork fort: 'I think it dear that no such dass of artificial barriers exists."
205
nach der explizite Absprachen und stillschweigendes Parallelverhalten durch eine
geringe Zahl von Marktteilnehmern begünstigt werden. Eine derartige Verhal
tenskoordination führt dann zu dauerhaft überdurchschnittlichen Preisen und
Gewinnen, sofern keine neuen Wettbewerber eintreten, welche die Kollusion gefähr
den und die dadurch entstandenen Gewinne erodieren können. Vor dem Hinter
grund dieser sog. Marktkonzentrationsdoktrin erklärt es sich, warum Eintrittsbarrie
ren von der Harvard School als alle eintrittshemmenden Faktoren umfassend konzi
piert wurden und nicht nur als die nicht effizienzbedingten Eintrittshemmnisse, die die
Chicago School im Lichte ihrer bereits kurz skizzierten Effizienz- oder Wettbewerbs
überlegenheits-Hypothese ausschließlich als (künstliche) Eintrittsbarrieren anerkennt.
Denn das wie auch immer begründete Ausbleiben neuer Konkurrenten verhindert
nach Ansicht von Harvard-Vertretern den Abbau marktmacht- und kollusionsbeding
ter Wohlfahrtsverluste, während aus Chicago-Sichtweise eine herrschende, stabile
Marktstruktur prinzipiell als die bestmögliche und die Konsumentenwohlfahrt maxi
mierende Konstellation gilt und in langfristigen Gewinnen lediglich die überlegene
Effizienz eines Wettbewerbers zum Ausdruck kommt.
Als Marktkonzentrationsdoktrin bezeichnen Chicago-Repräsentanten wie Demsetz die in Harvard vertretene Auffassung, daß hohe und stabile Konzentrationsraten mit
wohlfahrtsmindernder Marktmacht in Verbindung zu bringen sind16. Der Begriff
Marktmacht meint in diesem Zusammenhang die Fähigkeit, den Output zu begren
zen und die Preise dauerhaft über die langfristigen Durchschnittskosten anzuheben.
Diese Fähigkeit variiert mit der Zahl und relativen Größe der Marktteilnehmer und
folglich mit der Branchenkonzentration: Je höher der Konzentrationsgrad, desto
höher ist auch die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen stillschweigenden oder
expliziten Kollusion. Diese wiederum führt dann zu suprakompetitiven Gewinnen.
Insofern liegen der Marktkonzentrationsdoktrin zwei zusammenwirkende Hypothe
sen zugrunde: Nämlich erstens, daß ein hohes Ausmaß an Kollusion zu (im Bran
chenvergleich) hohen Gewinnraten führt; und zweitens, daß eine wirksame Kollusion
in hoch konzentrierten Märkten wahrscheinlicher und leichter zu erreichen ist als in
fragmentierten Branchen17. Die zusammengefaßte Hypothese, daß eine hohe
Konzentration - über die Kollusionsmöglichkeit - hohe Gewinne hervorruft, wurde in
16 VgI. Demsetz (Leitfaden), S. 336 ff., und (Belief), S. 165 ff.
17 VgI. vorstehend LiebeIer (Superiority), S. 1235 - 1239. Zur Konzentrations-Gewinn.Hypothese vgI. Bain (Relation), S. 294 ff.
206
zahlreichen empirischen Studien zum Konzentrations-Gewinn-Zusammenhang ge
testet und bestätigt18•
Nun kann aber die Kollusion allein dauerhaft überdurchschnittliche Gewinne nicht
erklären. Dazu bedarf es ferner der Markteintrittsbarrieren19. Ohne diese kann der
Preis nicht langfristig über dem Wettbewerbsniveau gehalten werden. Denn sonst
könnten neue Anbieter die kollusionsbedingt hohen Gewinnraten beseitigen und die
mit der Outputbegrenzung einhergehenden Wohlfahrtsverluste abbauen. Hierin sieht
die Harvard School die Funktion der potentiellen Konkurrenz.
Nach der Marktkonzentrationsdoktrin ist es also nicht die überragende Effizienz der
einzelnen Wettbewerber, sondern die Absprache unter den Marktteilnehmern, die zu
überhöhten Gewinnen führt. Und weil die Kollusionswahrscheinlichkeit bzw. -gefahr
mit abnehmender Anbieterzahl steigt, mißt die Harvard School einer ausreichenden
Zahl von Wettbewerbern die vordringliche Bedeutung für ein gutes Marktergebnis
bei. Daher gilt auch alles, was potentielle neue Konkurrenten vom Markt fernhält, als
eine wohlfahrts- und wettbewerbsbegrenzende Eintrittsbarriere. Denn der Marktzu
tritt neuer Wettbewerber könnte ja die kollusionsfreundliche Struktur beseitigen und
überhöhte Gewinne eliminieren. Die Gefahr, daß die damit einhergehende Dekon
zentration zu einem übermäßigen Verlust an produktiver Effizienz führt, wertet die
Harvard School als gering. Denn in der deutlich überwiegenden Zahl der Fälle sei
die tatsächliche Konzentration wesentlich höher als sie es sein müßte, nämlich wenn
jeder führende Anbieter die rnindesteffiziente Größe nicht überschreiten würde20.
Aber selbst wenn die Beseitigung oder Unterbindung allokativer Ineffizienz21 die
18 Vgl. den Überblick bei Böbel (Wettbewerb), sowie bei Weiss (Quantitative) und insbesondere (Relationship ), Tabelle 11, S.204 - 220. Demsetz (Leitfaden), S.337, geht so weit zu behaupten, daß die Marktkonzentrationsdoktrin in erster Linie auf der statistischen Korrelation zwischen Konzentration und Gewinnraten aufbaut. Dem entgegnet Rosenbluth (Anmerkung), S. 357, daß sie sich auf theoretische Überlegungen stützt, "besonders solche Überlegungen, die sich auf die Wahrscheinlichkeit erfolgreicher Kollusion beziehen." In diesem Punkt ist die Chicago School der Ansicht, daß eine generelle Theorie der Kollusion noch fehlt, insbesondere eine solche, auf deren Grundlage sich ein Zusammenhang zwischen dem beobachtbaren Konzentrationsgrad einer bestimmten Branche und einer erfolgreichen Kollusion herstellen ließe. Vgl. Demsetz (Regulate), S.18.
19 Vgl. hierzu auch Dirrheimer (Marktkonzentration), S. 167 ff.
20 Vgl. Scherer (Economics), S.28. Dieses Ergebnis bestätigt auch Stigler (Price), S.223: "In the manufacturing sector there are few industries in which the minimum effident size of the firm is as much as 5 p.~r cent of the industry's output and concentration must be explained on other grounds." Zu einem Uberblicksbeitrag vgl. auch Greer (Industrial Organization), S. 164 - 169, der die zu erwartenden und tatsächlichen Konzentrationsraten verschiedener Branchen einander gegenüberstellt.
21 Diese entsteht durch die marktrnachtbedingte Möglichkeit der Outputbegrenzung.
207
produktive Effizienz beeinträchtigen und zu einer Kostensteigerung führen sollte,
steht dies nach Meinung der Harvard School im Einklang mit den pluralistischen
Zielen der Wettbewerbspolitik. Denn die Schutzzwecke des amerikanischen Anti
trustrechts umfassen sowohl wohlfahrtsökonomische Effizienzüberlegungen als auch
die Sicherung der wirtschaftlichen Handlungs- und Entschließungsfreiheit sowie die Kontrolle wirtschaftlicher Macht, wobei der zweite Zielkomplex ursprünglich im
Vordergrund stand22• Die Gerichte hatten es unter der Harvard-Doktrin daher aus
nahmslos abgelehnt, Effizienzsteigerungen als Ausgleich für eine potentielle Verrin
gerung des Wettbewerbs zu berücksichtigen23.
In den 70er und 80er Jahren wandten sich die Gerichte und Antitrustbehörden dann jedoch immer stärker den ökonomischen Effizienzgesichtspunkten zu24. Diese Ent
wicklung wurde von der Chicago School getragen, die das alleinige Ziel der Wettbe
werbspolitik in der Konsumentenwohlfahrt und damit in der effizienten Produktion
von Gütern und Dienstleistungen nach den Wünschen der Verbraucher sieht25• Die
Chicago School konzentriert sich bei der Beurteilung von Marktstrukturen und
-verhaltensweisen daher ganz auf den Trade off zwischen allokativer Ineffizienz und
produktiver Effizienz, wobei ihres Erachtens - beispielsweise im Falle einer Fusion -
der Gewinn an produktiver Effizienz die Konsumentenwohlfahrt mehr steigert als
diese durch die allokative Ineffizienz aufgrund von Marktmacht geschmälert wird26.
Diese Vorstellung einer effizienzbedingten Wohlfahrtssteigerung ist im Lichte des
New Leaming, d.h. der neuen Lehre zur Konzentration zu sehen. Diese bildet den Kern
der Chicago-Doktrin und liefert eine neue Erklärung für überdurchschnittliche
Gewinnraten bei Konzentration - und zwar durch die Umkehrung des Kausalzusammenhangs zwischen (produktiver) Effizienz und Unternehmensgröße gegenüber
22 vgl. Schmidt & Rittaler (Chicago), S. 41 ff.
23 Vgl. hierzu mit einigen Belegstellen Mueller (Antitrustrecht), S. 537.
24 Diesen Prozeß beschreibt Mueller (Antitrustrecht), S. 533 - 538.
25 Vgl. KalIfass (Chicago), S.597. Diese Haltung wird auf unterschiedliche Weise begründet: Bork konstatiert - im Widerspruch zu vielen anderen Lehrmeinungen -, "daß die Väter des amerikanischen Antitrustrechts einzig und allein dieses Ziel verfolgt hätten." Schmidt & Rittaler (Chicago), S. 13. Daneben begründet Bork die Überlegenheit des ausschließlichen Ziels der Konsumentenwohlfahrt gegenüber einem pluralistischen Zielsystem u.a. mit der dadurch geschaffenen Rechtssicherheit, mit der Beschneidung der Entscheidungsspielräume der Rechtsprechung und - damit zusammenhängend - mit der Stärkung der Legislative, sowie mit der Vermeidung von willkürlichen oder gegen die Konsumenten gerichteten Regeln. Vgl. Bork (Paradox), S. 81 ff., oder zu einer Kurzdarstellung Schmidt & Rittaler (Chicago), S. 38 f. Andere Chicago-Vertreter argumentieren, daß sich außerökonomische Ziele besser mit anderen Methoden (z.B. der Steuerpolitik) verfolgen lassen als mit dem wettbewerbspolitischen Instrumentarium. Vgl. Bittlingmayer (Chicago), S. 716 f.
26 Vgl. hierzu - einschließlich einer Kritik - Schmidt & Rittaler (Chicago), S. 50 - 53.
208
der konventionellen mikroökonomischen Theorie. Dort ging man üblicherweise
davon aus, daß alle Unternehmen Zugang zur gleichen Produktionstechnologie
haben und daher auf einer gemeinsamen langfristigen Durchschnittskostenkurve
operieren. Weist diese Kurve eine negative Steigung und damit Skalenerträge auf, so
hat das größte Unternehmen die geringsten Kosten27. Größe bewirkt demnach Effi
zienz bzw. niedrigere Kosten28.
Anders sehen dies hingegen die Vertreter der Chicago School: Sie bemängeln, daß
die Kollusionshypothese nur beschreiben kann, was nach erfolgter Konzentration
eintreten könnte, nicht aber, wie konzentrierte Marktstrukturen überhaupt zustande
kommen können29. Diese Lücke füllt nun die auf Demsetz und Brozen zurück
gehende Effizienzhypothese auf30, die besagt, daß leistungsfähigere Unternehmen ein
schnelleres Wachstum aufweisen als ihre Konkurrenten. Damit kehrt die "neue
Lehre" den Kausalzusammenhang zwischen Effizienz und Größe um: Nicht die
Größe bewirkt Effizienz, sondern Effizienz führt zu Größe31• Und sofern dies von
überdurchschnittlichen Gewinnen begleitet wird, kommt hierin folglich nicht bzw.
weniger die Marktmacht als vielmehr die überlegene Wettbewerbsfähigkeit erfolg
reicher Unternehmen zum Ausdruck. Denn wenn die Marktmacht- bzw. Kollusions
hypothese zutreffend wäre, müßten nach Demsetz alle Unternehmen einer hoch kon
zentrierten Branche suprakompetitive Gewinne erzielen32. Wenn jedoch nur die
größten Unternehmen eines solchen Industriezweiges höhere Gewinne aufweisen, was
die Untersuchung von Demsetz bestätigt, so folgt daraus, daß " ... large firms have
become large because they are more efficient than other firms and are able to earn a higher rate of return than other firms."33
27 Mit dieser Begründung wurden z.B. die zwischen 1895 und 1910 in den USA gebildeten Trusts verteidigt. Vgl. Shepherd (Scale), S. 165.
28 Vgl. Mueller (Antitrustrecht), S.538. Diese These wurde nach Mueller (ebenda, S. 538 f.) jedoch durch die oben dargelegte Kollusionshypothese ersetzt (also: Größe/Konzentration begünstigt Kollusion), nachdem empirische Untersuchungen ergeben hatten, daß der Stand der Konzentration im allgemeinen höher ist als es für die Realisation von Größenersparnissen nötig wäre.
29 . Vgl. LiebeIer (Superiority), S. 1248.
30 Vgl. Demsetz (Industry) und (Belief), sowie Brozen (Concentration).
31 Vgl. Mueller (Antitrustrecht), S. 539. Die überragende EffIzienz eines Unternehmens kann daher nicht mehr bzw. nicht mehr nur auf Betriebsgrößenersparnisse zurückgeführt werden, die wegen ihres meist zu geringen Ausmaßes die Wettbewerbsüberlegenheit ohnehin nicht allein erklären können. Deren Ursachen sieht die Chicago School vielmehr in "superior skill, foresight and management". Audretsch (SchooIs), S. 13. Zur Bedeutung der unterschiedlichen Qualität des Managements für die UnternehmenseffIzienz siehe insbesondere Bork (Paradox), S. 194 f.
32 Vgl. Demsetz (Industry), S. 266.
33 Demsetz (Industry), S.267. Porter (Companies' performance), S. 226 f., sowie Caves & Pugel (Differences), S. 14, bieten jedoch mit dem Konzept strategischer Gruppen eine alternative Deutungsmöglichkeit für Gewinnunterschiede innerhalb konzentrierter Branchen und üben zugleich Kritik an der Verwerfung der Marktmachthypothese: Die Effizienz im Sinne von Demsetz
209
Aus dieser neuen Erkenntnis heraus ist die Marktstruktur bzw. der Konzentrations
grad für die Chicago School kein wettbewerbspolitisches Thema: "Wenn uns die
Wettbewerbstheorie überhaupt irgend etwas über die Marktstruktur einer Branche
zu sagen hat, ist es dies: Die Organisation einer Industrie, die für einen längeren
Zeitraum nicht gesetzlichen Zulassungsbeschränkungen unterlegen hat und dabei
unverändert geblieben ist, spiegelt die zugrunde liegende Kostensituation wider.,,34
Sind jedoch in einer Branche Veränderungen der Marktstruktur zu beobachten, so
bewertet die Chicago School diese gerade konträr zur Harvard School: Ein abnehmender Konzentrationsgrad wird als Indiz für eine monopolistische Preispolitik mit
überhöhten Gewinnen gewertet, die neue Konkurrenten zum Markteintritt veranlaßt
haben. Eine zunehmende Konzentration deutet hingegen auf ein aggressives Wett
bewerbsverhalten mit Preisen nahe dem langfristigen Kostenniveau hin35•
An dieser Argumentation wird nochmals deutlich, daß man in Chicago Marktstruk
turen keine (große) Bedeutung beimißt und statt dessen das Marktverhalten als wich
tiger einschätzt: Geleitet von der Vorstellung, daß man "vernünftigerweise annehmen
(kann), daß eine Firma versuchen wird, ihre Konkurrenten dadurch auszustechen,
daß sie effizienter als diese arbeiten wird"36, verfolgt die Chicago School einen
Verhaltensansatz37• Trotz eines sehr langfristigen Zeithorizontes bei der Beurteilung
wettbewerbspolitischer Fragen38 dominiert dabei der kurzfristige Aspekt der Reali
sierung von Effizienz39. Die langfristigen Wirkungen des "Ausstechens von Konkur
renten" auf die Marktstruktur sind für die Chicago School unproblematisch, da man
hat ihren Platz in der Theorie der Gewinndeterminanten eines Unternehmens. Denn diese besagt, daß sich Unternehmen in ihrer Fähigkeit zur Strategierealisation unterscheiden, was auch Porters Theorie explizit berücksichtigt. Letztere zeigt jedoch ein Defizit der EfflZienzhypothese auf: Nämlich nicht nur eine überlegene Implementationsfähigkeit, sondern auch die Strategie selbst trägt ZU einem überragenden Unternehmenserfolg bei. Und ohne Mobilitätsbarrieren - ein Erklärungsansatz der Marktmachtdoktrin - ist der auf die Gruppen- bzw. Strategiewahl entfallende Erfolgsanteil nicht als dauerhaft erklärbar. Vgl. hierzu Porter (Companies' performance), S. 226 f.
34 Demsetz (Leitfaden), S. 336 f. In diesem Sinne auch McGee (Efftciency), S. 93: " ... in the absence of artificial strictures there is a strong presumption that the existing structure of industry is the efficient structure." Mueller (Antitrustrecht), S. 548, rezipiert diese Position mit den Worten: "Die Größten haben sich als die Besten erwiesen, und die Gesellschaft muß zwangsläufig davon profitieren, wenn sich die Produktion auf diese Unternehmen konzentriert." (Hinzugefügte Hervorhebung.) So hegt beispielsweise Bork (Paradox, S.178) Zweifel, ob es überhaupt ein signifikantes Outputbegrenzungsproblem gibt, das aus der Konzentration irgenddnes Industriezweiges resultiert.
35 Vgl. Brozen (Doctrine), S. 829 ff., sowie den Hinweis bei KalIfass (Chicago), S. 597.
36 Demsetz (Leitfaden), S. 344.
37 Vgl. Schmidt & Rittaler (Chicago), S. 30.
38 Vgl. KalIfass (Chicago), S. 597.
39 Vgl. Schmidt & Rittaler (Chicago), S. 69.
210
allenfalls gegenüber absoluten Monopolen Bedenken hegt4O, eine Kollusion erst bei
sehr hohem Konzentrationsniveau für profitabel und dauerhaft durchführbar hält41
und im übrigen - wie gesagt - zuversichtlich ist, daß die sich selbst überlassenen
Wettbewerbskräfte bzw. Unternehmen die Konsumentenwohlfahrt maximieren und
die hierfür effizienteste Marktstruktur herbeiführen42•
Damit ist nun einsichtig geworden, warum die Chicago School den im Industrial
Organization-Paradigma postulierten Struktur~ Verhaltens-Ergebnis-Zusammenhang bzw. die Industrieökonomik überhaupt ablehnt. Wollte man - als Gegenüberstellung
hierzu - das Wettbewerbsparadigma der Chicago School mittels der industrieökonomischen Dreiteilung des Marktgeschehens darstellen, würde dies zu der in Abb. 13
ausgewiesenen Anordnung führen43: In dem Bestreben, einander beim Konkurrieren
um die Nachfrage zu übertreffen, maximieren die Wettbewerber die Konsumenten
wohlfahrt. Mit anderen Worten: Das Wettbewerbsverhalten der auf Effizienz abstel
lenden Marktteilnehmer führt zum bestmöglichen Marktergebnis. In diesem Wettbewerbsprozeß setzen sich die effizientesten Anbieter durch. Dies bewirkt letztend
lich diejenige Marktstruktur, die der Effizienz bzw. dem Marktergebnis dienlich ist.
(effizientes) Marktverhalten
Marktergebnis - (Konsumenten
wohlfahrt) - (günstigste) Marktstruktur
Abb. 13: Der Marktverhaltensansatz der Chicago School
Quelle: in Anlehnung an Phillips (Commentary), S. 411
Mit den nunmehr hinreichend analysierten Divergenzen in den Grundpositionen der
Harvard und der Chicago School kann deren unterschiedliche Haltung gegenüber
den natürlichen Eintrittsbarrieren aus der jeweiligen Wettbewerbsdoktrin heraus
begründet werden: Für die Harvard School sind suprakompetitive Gewinne und
40 vgI. Bittlingmayer (Chicago), S. 715. 41
VgI. Audretsch (Schools), S.6, in einer Würdigung der Bedeutung der Kollusionstheorie Stiglers
42 für die Chicago Schoo!. Siehe auch Posner (Chicago), S. 933.
Kritiker sehen hierin ein tautologisches Argument. So z.B. Rosenbluth (Anmerkung), S. 358: "Wenn wirksamer Wettbewerb vorliegt, dann ist er so wirksam wie er sein muß, soll dies ökonomisch sein."
43 VgI. hierzu Phillips (Commentary), S. 410 f.
211
Wohlfahrtsverluste das Resultat eines kollusionsfördernden Konzentrationsgrades.
Funktionsfähiger Wettbewerb ist daher eine Frage der Marktstruktur: Für ein gutes
Marktergebnis ist nach der Harvard-Doktrin eine eher hohe Anzahl annähernd gleich
großer Konkurrenten von Nutzen. Konsistenterweise sieht man die Funktion der
potentiellen Konkurrenz darin, Druck auf etablierte Wettbewerber auszuüben -
entweder, indem neue Anbieter in konzentrierte Branchen eintreten, dort kollusive
Strukturen beseitigen und Monopolmacht erodieren, oder indem sie allein durch
ihren drohenden Marktzutritt die bestehenden Wettbewerber disziplinieren und eine
koordinierte Outputbegrenzung verhindern. Dies setzt voraus, daß potentielle New
comer gegebenenfalls tatsächlich in einen Markt mit suprakompetitiven Gewinnen
eintreten können, d.h. daß die Marktzugangsbedingungen günstig bzw. die Barrieren
gering sind. Alle strukturellen Faktoren und Verhaltensweisen, die etwaigen Heraus
forderern den Eintritt erschweren, legt die Harvard School im Lichte ihrer Markt
konzentrationsdoktrin bzw. Kollusionshypothese daher als Eintrittsbarrieren aus -
gleichgültig, ob von Etablierten unbeabsichtigt oder mit dem Ziel der Eintrittsver
hinderung hervorgerufen.
Zu einer anderen Bewertung insbesondere der natürlichen wettbewerbsimmanenten
Eintrittsbarrieren gelangt die Chicago School. Dies hängt mit deren konträrem Wett
bewerbsverständnis zusammen, demzufolge Marktstrukturen weitestgehend irre
levant sind und statt derer die (effIzienten) Verhaltensweisen rivalisierender Konkur
renten das bewirken, was der Wettbewerb bewirken soll, nämlich eine Steigerung der
Konsumentenwohlfahrt. Die Funktion des Wettbewerbs besteht aus Chicago-Sicht
weise bzw. nach der Wettbewerbsüberlegenheits-Doktrin folglich darin, das Streben
nach wohlfahrtssteigernder Effizienz zu belohnen: "Man kann es als vorteilhaft
ansehen, Firmen zu ermutigen, ihre Konkurrenten zu überflügeln, und deshalb soll
ten wir zögern, Erfolg nur aus dem Grunde zu sanktionieren, weil er zu einer Steige
rung der Marktkonzentration führt."44 Effizienzbedingte Konzentration ist für die
Chicago School daher - im Gegensatz zur Harvard-Doktrin - unproblematisch. Sie
sieht keine Notwendigkeit, die Anzahl gleichermaßen effIzienter oder gar unterle
gener Wettbewerber zu erhöhen45•
44 Demsetz (Leitfaden), S.347. Zu den Sanktionen gegen erfolgreiche Unternehmen äußert sich Brozen (Concentration), S. 7: .... the law as presently interpreted seems to say that firms should compete but shouId not win:
45 Einem ineffIZiente Newcomer ausschließenden Limit Pricing, das mit der Begründung befürwortet wird, 'that the limit price gives the consumer aIl he could ever hope to gain from competition .. ." [Ray (Predatory), S. 177], hält Hay (ebenda, S.I77) in einer dynamischen Betrachtung entgegen: •... tbe argument overlooks (or dismisses) tbe possibility that a1lowing inefficient competitors to entcr in the short run may produce long-run benefits if those firms move down the learning curvc ovcr time."
212
Den Maßstab der Effizienz legt die Chicago School auch bei der Beurteilung von
Eintrittsbarrieren an: Wenn neue, weniger effiziente Anbieter nicht im Markt Fuß
fassen können, ist es nicht angebracht, von Eintrittsbarrieren zu sprechen. Denn bei
eventuell auftretenden Marktzutrittsschwierigkeiten handelt es sich meist um natürliche Eintrittshemmnisse, die allein daher rühren, daß überlegene etablierte Anbieter
ihrer Aufgabe nachkommen und die Wünsche der Konsumenten effizient erfüllen.
Würde man hingegen - wie in Harvard - alles, was den Marktzutritt schwierig gestal
tet, als Eintrittsbarriere bezeichnen und würde man Eintrittsbarrieren schlecht
heißen, dann wäre Effizienz nach Bork ein Übel. Diese Sichtweise verträgt sich seines
Erachtens nicht mit der Idee der Konsumentenwohlfahrt46• Wettbewerbspolitisch
relevante Eintrittsbarrieren sind für die Chicago School daher nur künstlich geschaf
fene Barrieren, d.h. nur solche Hindernisse, die nicht auf die überlegene Effizienz
bestehender Anbieter zurückzuführen sind. Hierzu zählen nicht die von der Harvard
School genannten Eintrittsbarrieren: "Angebliche Marktzutrittsschranken wie
Werbung, vertikale Integration und Mindestkapitalausstattung fallen allesamt in die
Kategorie von wettbewerblichen Verhaltensweisen, die man eher in Zusammenhang
mit produktivem Wettbewerbsverhalten bringen sollte, als mit unproduktiver Monopolisierung. ,,47
Für beide Schulen haben Eintrittsbarrieren also einen hohen theoretischen Stellenwert: Für die Harvard School sind sie als zusätzliche Erklärungsfaktoren wichtig, die
erst die Dauerhaftigkeit kollusionsbedingter Monopolrenten begründen können. Die
Chicago School muß sich aus einem anderen Grund mit der Bedeutung von Markt
eintrittsbarrieren auseinandersetzen: Damit bestehende, stabile Strukturen als effi
zient ausgewiesen werden können, muß auch das, was ihre Veränderung (durch neue
Wettbewerber) verhindert, als effiziente Erscheinungsform begründet werden
können. Wegen der unterschiedlichen wettbewerbstheoretischen Leitbilder - nämlich
zum einen der durch Konzentration und Marktrnacht verursachten Wohlfahrtsver
luste, zum anderen der durch Konzentration und Größe bzw. Effizienz gewährleiste
ten Konsumentenwohlfahrt - gelangen beide Schulen zu einer diametral entgegenge
setzten Begrifflichkeit und auch Einschätzung einzelner ("angeblicher") Eintrittsbar
rieren, wie die nachfolgende Analyse zeigen wird.
46 vgl. Bork (Paradox), S. 195.
47 Demsetz (Leitfaden), S. 346.
213
4.2.2. Die Kritik der Chicago School an den einzelnen "angeblichen" Eintritts
barrieren
Nach der Vermittlung des wettbewerbstheoretischen Hintergrundes der Eintrittsbar
rierenkontroverse zwischen der Harvard und der Chicago School kann nun die von
Chicago-Vertretem aus der Effizienz-Perspektive an den einzelnen "angeblichen
Marktzutrittsschranken" (Dernsetz) geübte Kritik vorgestellt werden. Die Argumen
tationslinie und das Ergebnis sind aus den Vorüberlegungen bereits bekannt -
nämlich daß strukturelle Marktschranken mit wettbewerblichem Marktverhalten
verwechselt werden. Hinsichtlich der stmkturellen Barrieren bleibt somit nur noch der
genaue Gang der Argumentation zu präsentieren. Zu den wettbewerbsfeindlichen
Verhaltensweisen vertritt die Chicago School die Position, daß Marktrnacht nicht
durch einseitige, d.h. nichtabgestimmte Verhaltensweisen erlangt werden kann und
daher eintrittsbehindernde Strategien wiederum nur als effizientes Marktverhalten
interpretiert werden können.
Zur angeblichen Betriebsgrößenersparnisbarriere
Die Industrial Organization-Argumentation zur größenabhängigen Eintrittsbarriere
lautet, daß die Existenz signifikanter Größenersparnisse den Markteintritt schwierig
gestalten kann, da ein Newcomer einen großen Marktanteil erreichen muß, um in gleichem Ausmaß wie Etablierte in den Genuß von Skalenerträgen zu gelangen. Die
Schwierigkeit resultiert dabei aus der Tatsache, daß seine zusätzliche Angebotsmenge
den Marktpreis unter sein Kostenniveau absenken kann, so daß sich der Markteintritt
möglicherweise als unrentabel herausstellt. Dieser Argumentation widerspricht die
Chicago School nicht, wohl aber der Schlußfolgerung, daß es sich bei Größenersparnissen um eine (künstliche) Eintrittsbarriere handelt48• Denn erstens operieren
bestehende und potentielle Anbieter (nach Voraussetzung) auf der gleichen langfri
stigen Durchschnittskostenkurve, d.h. sie konkurrieren zu den gleichen Bedingungen.
Somit entsteht einem Newcomer - bei gleicher Größe - kein Kostennachteil, so daß
im Sinne der Definition Stiglers49 nicht von einer Eintrittsbarriere gesprochen
werden kann, auch wenn sich nur wenige Konkurrenten (oder gar nur ein Unter
nehmen) im Markt behaupten können50. Und zweitens legt die Existenz von
48 Vgl. PeppereIl & Turner (Barriers), S. 33.
49 Vgl. oben, S. 201.
50 Vgl. Demsetz (Barriers), S. 50. Den letztgenannten Fall des natürlichen Monopols behandelt Demsetz in (Regulate); vgl. hierzu auch McGee (Competition), S. 38, und zu einer Kritik Waterson (Definition), S. 527 ff.
214
Betriebsgrößenersparnissen die mindesteffiziente Produktionsmenge fest5!, so daß: " ... the underlying nature of this barrier to entry is efficiency."52 Aus diesem Grunde
handelt es sich für die Chicago School bei Skalenerträgen um ein natürliches wettbe
werbsimmanentes Zutrittshemmnis, das keine staatlichen Eingriffe in die Markt
struktur rechtfertigt53.
Zur angeblichen Kapitalbedarfsbarriere
Nach der klassischen Harvard-Argumentation liegt eine Kapitalbedarfsbarriere vor,
wenn ein potentieller Newcomer das für den Markteintritt erforderliche Kapital
entweder überhaupt nicht oder nur zu höheren Kosten als ein etablierter Anbieter aufbringen kann. Bis zu einem bestimmten Grad stimmen Chicago-Vertreter wie
Bork mit der Harvard-Position überein, nämlich darin, daß häufig massive Mittel für
den Markteintritt erforderlich sind und daß dies Eintritte mit Sicherheit auch verhin
dert54. Allerdings teilen sie nicht die Auffassung, daß es sich hierbei um eine wettbe
werbspolitisch relevante (künstliche) Eintrittsbarriere handelt. Denn damit ein
Handlungsbedarf für die Antitrustpolitik besteht, müßte nach Bork ein etablierter
Monopolist entweder in der Lage sein, den Kapitalbedarf potentieller Newcomer
übermäßig zu steigern, um dadurch deren Eintritt zu verhindern; oder aber der
"normale" Kapitalbedarf selbst müßte als Eintrittsbarriere gedeutet werden können55.
Im letztgenannten Fall ist es nach Bork56 selbsterläuternd, daß keine künstliche
Barriere vorliegt: Es ist die Betriebsgröße, die einen hohen Kapitaleinsatz erforder
lich macht. Daher ist es nicht angebracht, den "natürlichen" Kapitalbedarf durch
wettbewerbspolitische Maßnahmen zu senken. Denn dies ginge zu Lasten der Konsumentenwohlfahrt und würde dazu führen, ökonomische Effizienz der Erleichterung des Marktzutrittes zu opfern.
Aber auch die "predatorische" Steigerung des Kapitalbedarfs bildet für Bork keine
realistische Strategie der Eintrittsverhinderung. Denn ein Unternehmen kann Ein
trittsbarrieren nicht erhöhen, indern es seine horizontale Größe über das optimale
. Maß hinaus steigert. Dies würde im Gegenteil einem Newcomer die Gelegenheit bie
ten, mit einer effizienteren Größe und daher mit einern Kostenvorteil erfolgreich im
51 Vgl. Posner (Antitrust), S.92, der aus diesem Grunde verneint, daß Skalenerträge eine Eintritts-barriere darstellen.
52 Liebeier (Superiority), S. 1243.
53 Vgl. PeppereIl & Turner (Barriers), S. 33. 54 Vgl. Bork (Paradox), S. 320. 55 Vgl. Bork (Paradox), S. 320.
56 Vgl. Bork (Paradox), S. 323.
215
Markt Fuß zu fassen. Auch eine Möglichkeit, durch vertikale Integration einen poten
tiellen Newcomer zum gleichzeitigen Markteintritt auf mehreren Stufen zu zwingen,
um dessen Kapitalbedarf prohibitiv zu steigern, sieht Bork nicht. Er kritisiert diese
Vorstellung zunächst dahingehend, daß sie überhaupt nur für diejenigen extremen und seltenen Fälle zutreffend ist, in denen vor- bzw. nachgelagerte Stufen vollständig
unter der Kontrolle vertikal integrierter Firmen sind und es keine unabhängigen Lieferanten oder Abnehmer gibt. Selbst in solchen extremen Fällen vertikaler Inte
gration liegen nach Bork aber keine wirksamen künstlichen Barrieren vor. Denn
wenn die vertikale Ausweitung der Geschäftstätigkeit der Effizienz dient, dann ist der
daraus resultierende erhöhte Kapitalbedarf funktional für das Marktergebnis bzw.
die Konsumentenwohlfahrt. Außerdem sollte es einem Newcomer nicht schwer
fallen, einen Partner für den Markteintritt in die zweite Stufe zu finden und so den
zusätzlichen Kapitalbedarf zu umgehen, wenn die betreffende Branche ein attraktives
Eintrittsziel darstellt. Aber selbst wenn sich der Newcomer - um des Argumentes
willen - entscheiden sollte, auf beiden Stufen zugleich einzutreten, wird er nach Bork
in der Lage sein, bei Kapitalgebern Unterstützung zu finden: "Capital suppliers, like
all other suppliers, are interested in maximizing their returns, and an industry where
greater-than-competitive returns are available should be particularly attractive.,,57
Dem zweiten Aspekt des Harvard-Arguments zur Kapitalbedarfsbarriere, nämlich
daß nicht nur die absolute Höhe des Kapitaleinsatzes, sondern auch der Kapital
kostennachteil potentielle Newcomer vom Markteintritt abhalten kann, begegnet die
Chicago School wie folgt: Die höheren Finanzierungskosten neuer Anbieter resultie
ren im allgemeinen daraus, daß ihr Markteintritt ein höheres Risiko darstellt als
andere Anlagealternativen und das erforderliche Kapital daher nur gegen eine
Risikoprämie aufgenommen werden kann. Daß das Risiko neuer Wettbewerber vom
Kapitalmarkt höher eingestuft wird als das etablierter Unternehmen führt Demsetz
u.a. darauf zurück, daß letztere den Informationsbedürfnissen der Kapitalgeber
besser gerecht werden: "A large firm and a long history convey information about a
firms ability to weather unforseen risks and about its willingness to accept high risks.,,58 Auch wenn die Kreditvergabe nicht allein nach solchen vergangenheitsorien
tierten Daten entschieden werde, seien diese nicht völlig irrelevant für die Bestim
mung des Zinssatzes für das Kapitalangebot. Denn in einer Welt, in der die Informa
tionsbeschaffung Kosten verursacht, liefert eine "Geschichte vergangener Erfolge"
57 Bork (Paradox), S. 322.
58 Demsetz (Barriers), S. 50.
216
eine Begründung für Zinsdifferenzen zwischen etablierten und potentiellen Wett
bewerbern59•
Die risikobedingt höheren Finanzierungskosten von Newcomern bilden also eine
Kostenasymmetrie zwischen bestehenden und neuen Wettbewerbern, so daß im
Sinne Stiglers von einer Eintrittsbarriere gesprochen werden kann. Dies erkennt beispielsweise Posner an6O• Dennoch ist er der Meinung, daß dieser Kostennachteil
kein solches Ausmaß annimmt, das einen potentiellen Newcomer von einem Markt
fernhalten könnte, in dem überdurchschnittliche Gewinne erzielt werden. Denn
selbst wenn ein neuer Anbieter um zehn Prozent höhere Zinsen und Dividenden bieten muß, damit er das notwendige Kapital aufbringen kann, bedeutet dies für ihn
einen Gesamtkostennachteil von nur ca. einem Prozent gegenüber bereits bestehen
den Anbietern61.
Außerdem führt Posner an, daß Newcomer ja nicht unbedingt neugegründete Unter
nehmen mit einem ungünstigen Risiko sein müssen, sondern durchaus bereits in anderen Märkten etabliert sein können. Ein solcher diversifizierender Newcomer
kann das erforderliche Kapital tendenziell zu den gleichen Bedingungen aufnehmen
wie die Unternehmen desjenigen Marktes, in den er einzutreten plant62. Oder aber er
hat die Möglichkeit der Innenfinanzierung seines Diversifikationseintrittes.
Hierzu argumentiert Bork, daß einen Newcomer keineswegs eine künstliche Barriere
behindert, wenn er anders als ein finanzstarkes etabliertes Unternehmen zur Außen
finanzierung greifen muß. Denn die Kapitalverfügbarkeit ist eine bedeutende Effi
zienzursache, die es dem Unternehmen erspart, Kapitalgeber mit Informationen zu versorgen63•
Mit Bork kann nunmehr die Position der Chicago School zur Kapitalbedarfsbarriere
resümiert werden: "In sum, capital does not constitute an artificial barrier to entry,
capital requirements cannot be arbitrarily imposed upon potential entrants, and the possession of capital is merely a socially valuable efficiency.'064
59 VgI. Demsetz (Barriers), S. 50.
60 VgI. Posner (Chicago), S. 945. Anders jedoch Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 178, die darauf verweisen, daß beim Vergleich unterschiedlicher Situationen die Zinssätze um Risikounterschiede ZU korrigieren sind. V gI. hierzu unten, S. 233 f.
61 VgI. Posner (Chicago), S. 945.
62 VgI. Posner (Antitrust), S. 93.
63 Vgl. Bork (Paradox), S. 323.
64 Bork (Paradox), S. 324.
217
Zur angeblichen ProduktdifTerenzierungsbarriere
Bei der Stellungnahme zur angeblichen Produktdifferenzierungsbarriere unterschei
det die Chicago School zwischen der physischen Produktdifferenzierung und der
Werbung.
Die physische ProduktdifJerenzierung erschwert nach Ansicht der Harvard School den
Markteintritt neuer Konkurrenten dann, wenn diesen die Möglichkeit der Spezialisierung auf bestimmte Produktsegmente vorenthalten ist. Denn um Newcomern den
Zutritt über eine Nischenstrategie zu verwehren, können etablierte Anbieter den
"Raum der Produktcharakteristika" (Scherer) hinreichend dicht besetzen, so daß der Markt nicht über profitable neue Produktvarianten erschlossen werden kann65• Dies
stellt die Chicago School, insbesondere Bork, nicht in Frage.
Jedoch kann Bork nach eigenem Bekunden aus den Beiträgen der Harvard-Vertreter
nicht erkennen, warum es sich bei der physischen Produktdifferenzierung um eine
Eintrittsbarriere und nicht um eine Form der Effizienz handeln sollte66. Denn grund
sätzlich steht es doch jedem Newcomer frei, sein Produkt nach seinen eigenen Vor
stellungen zu konzipieren. Die Produktgestaltung bzw. Differenzierung etablierter
Konkurrenten erschwert einen Eintritt daher nur insoweit, als Konsumenten mög
licherweise die Produktvariante bestehender Anbieter bevorzugen67.
Der Konsumentenwohlfahrt als einziger Zielvorstellung folgend stellt Bark bei seiner
Argumentation zur physischen Produktdifferenzierung also die Nachfrager und nicht
die potentiellen Konkurrenten in den Mittelpunkt. Er geht davon aus, daß etablierte
Unternehmen ihre Produkte funktional oder "dekorativ" (Bork) differenzieren, um
den Bedürfnissen der Abnehmer besser gerecht zu werden und nicht etwa um mög
liche Eintrittspfade potentieller Newcomer zu blockieren. Denn eine erhöhte Ange
botsvielfalt ist nur dann profitabel, wenn sie die Konsumenten anspricht. Ist dies der
Fall, so muß die physische Produktdifferenzierung als eine Form von Effizienz einge
stuft werden68• Denn nach Bork resultiert Effizienz nicht nur aus Kostensenkungs
maßnahmen. Sie liegt auch dann vor, wenn den Konsumenten Produkte angeboten
werden, die diese präferieren, selbst wenn solche Produkte höhere Kosten verursachen69.
65 VgI. Scherer (IndustriaI), S. 258.
66 VgI. Bork (Paradox), S. 312.
67 VgI. Bork (Paradox), S. 312.
68 VgI. Bork (Paradox), S. 312.
69 VgI. Bork (Paradox), S. 318.
218
Die physische Produktdifferenzierung kann also - von Chicago-Vertretern unbe
stritten - etablierte Unternehmen vor dem Marktzutritt neuer Konkurrenten bewah
ren, aber nur, indem Etablierte den Konsumenten das anbieten, was ihnen poten
tielle Newcomer offerieren könnten. Nimmt die Nachfrage das differenzierte Pro
duktangebot an, dient dieses der Effizienz70• Aus diesem Grunde sieht die Chicago
School in der physischen Produktdifferenzierung keine wettbewerbspolitisch rele
vante Eintrittsbarriere. Sie kehrt die Harvard-Argumentation vielmehr in das Gegen
teil um, nämlich daß sich potentielle Newcomer der unmittelbaren Konkurrenz be
stehender Anbieter entziehen können, indem sie ein nichtidentisches Produkt offerie
ren71. Die physische Produktdifferenzierung ist in diesem Sinne keine Eintrittsbar
riere, sondern eine Eintrittsstrategie 72.
An der Werbung als angeblicher Eintrittsbarriere übt die Chicago School eine mehr
fache Kritik: Zum einen setzt sie an der Vorstellung an, daß Newcomer relativ höhere Werbeaufwendungen zu tätigen haben als bereits bestehende Anbieter. In
diesem Zusammenhang knüpft sie an die Advertising Capital-Kontroverse um die
Beziehung zwischen der Werbeintensität und der Gewinnrate an. Zum anderen stellt sie mit der Informationsfunktion den prokompetitiven Charakter der Werbung
heraus, aufgrund deren Chicago-Vertreter - ähnlich wie bei der physischen
Produktdifferenzierung - in der Werbung eher einen eintrittsfördernden Faktor denn
eine Eintrittsbarriere sehen. Und schließlich wendet sie sich gegen den Einsatz der
Werbung als ein sinnvolles Mittel zur Abschreckung bevorstehender Markteintritte
und zur Ausübung von Vergeltung gegen neu eingetretene Wettbewerber73.
70 Von der Identität des jeweiligen Anbieters (d.h. von der Tatsache, ob es sich um einen neuen oder bereits bestehenden Wettbewerber handelt) bleibt die Konsumentenwohlfahrt nach der ChicagoDoktrin unberührt, da die Zahl der Marktteilnehmer als für das Marktergebnis irrelevant bzw. unproblematisch erachtet wird.
71 VgI. Brozen (Competiton), S. 9.
72 VgI. Bork (Paradox), S. 312. Dies bestreitet Scherer (vgl. oben, S. 217, Fußnote 65) keineswegs. Er bezieht sich lediglich auf diejenigen Fälle, in denen Newcomern die Differenzierung als Eintrittsstrategie verwehrt ist, weil die erfolgversprechenden DifferenzierungsmögIichkeiten schon erschöpft sind. Wie bereits gezeigt besagt dies für die Chicago School aber nur, daß die Bedürfnisse der Konsumenten bereits voH erfüHt werden, die Nachfrage also effIzient bedient wird und weitere Marktzutritte für die Konsumentenwohlfahrt nicht erforderlich sind.
73 Auf die Größenerspamisse in der Werbung, welche die Harvard School als Eintrittsbarriere betrachtet, muß hier nicht mehr gesondert eingegangen werden. Denn diese Sichtweise setzt voraus, daß man Skalenerträge überhaupt als Eintrittsbarriere anerkennt, was die Chicago School unter Verweis auf deren EffIzienzwirkung ablehnt. So merkt beispielsweise Demsetz (Belief, S.173) an, daß etablierten Unternehmen, die effizienter werben, Applaus und nicht Entflechtung gebührt.
219
Einen Vorteil bestehender Anbieter gegenüber neuen Konkurrenten sieht die Harvard School darin, daß letztere zur Überwindung von Konsumentenpräferenzen
relativ höhere Werbeaujwendungen zu tragen haben und damit einen möglicherweise
eintrittsverhindernden Kostennachteil in Kauf nehmen müssen. Zu diesem Punkt ist
innerhalb der Chicago School keine völlige Übereinstimmung festzustellen: Durchaus
im Sinne der Harvard-Position konstatiert Demsetz, daß neue Wettbewerber wegen
bestehender Markenloyalitäten möglicherweise mehr werben müssen oder einen
anderen kompensatorischen Vorteil bieten müssen, wenn sie genausoviel absetzen
wollen wie ihre bereits etablierten Konkurrenten74. Posner hingegen erscheint es
unplausibel, daß durch hohe Werbeaufwendungen geschaffene Markenpräferenzen
nur durch eine noch umfangreichere Werbung zu überwinden sein sollen. Denn eine
massive Werbung für bestehende Marken erhöht die Kosten und Preise der betref
fenden Produkte, so daß die weniger oder überhaupt nicht beworbenen Erzeugnisse
neuer Konkurrenten über einen Preisvorteil abgesetzt werden können75. Bork
wiederum ist der Meinung, daß Etablierte und Newcomer in jeder Zeitperiode hin
sichtlich der Werbeaufwendungen gleichgestellt sind. Zu dem behaupteten langfri
stigen Effekt vergangener Werbung, sofern er überhaupt besteht, merkt Bork an, daß
darin keine künstliche Barriere gesehen werden kann. Denn der Spill-over-Effekt
vergangener Werbung bedeutet lediglich, daß die Werbung und die von ihr bewirkte
Reputation einen (immateriellen) Bestandteil des Anlagevermögens bilden. Ein
bereits etabliertes Unternehmen hat nach Bork daher nur den Vorteil, für diesen
Vermögenswert - genauso wie für seine Fabriken - bereits bezahlt zu haben. Auch ein Newcomer wird für beides zu zahlen bereit sein, wenn sich überdurchschnittliche Gewinne erzielen lassen. Daher ist es für Bork nicht ersichtlich, wie Werbung neue
Anbieter künstlich von lukrativen Märkten fernhalten sollte76.
Außer in dieser theoretischen Argumentation Borks spielt der von Harvard-Vertre
tern angeführte Aspekt der Langlebigkeit vergangener Werbung, die von neu eingetretenen Wettbewerbern durch höhere Werbebudgets kompensiert werden muß, in
der Kontroverse um den empirischen Zusammenhang zwischen der Werbeintensität
und der Unternehmensrentabilität eine Rolle. Diese empirisch festgestellte Relation
wiederum ist für die Diskussion um die durch Werbung verursachten Eintrittsbarrie
ren von Bedeutung. Denn die zuerst von Comanor & Wilson beobachtete positive
Beziehung zwischen der Werbeintensität und der Gewinnrate77 wird gewöhnlich als
ein Beleg dafür interpretiert, daß Werbung Eintrittsbarrieren erzeugt, die eine
74 VgI. Demsetz (Barriers), S. 50.
75 Vgl. Posner (Antitrust), S. 92 f.
76 Vgl. Bork (Paradox), S. 314 f.
77 VgI. Comanor & Wilson (Advertising).
220
Erosion eben dieser hohen Gewinne verhindern78• Dieser Deutung hält die Chicago
School die "accounting bias"-Hypothese entgegen, nach der die hohen Gewinne
werbeintensiver Unternehmen nicht auf (werbebedingte) Eintrittsbarrieren, sondern
auf ein "accounting artifact" zurückzuführen sind79• Denn trotz des von der Harvard
School mit der nachhaltigen Werbewirksamkeit selbst eingeräumten Investitions
charakters der Werbung wurde diese von Comanor & Wilson zunächst als eine
laufende Aufwendung behandelt. Diese in der Praxis des betrieblichen Rechnungs
wesens übliche und für diesen Zweck von Demsetz80 als korrekt verteidigte abrech
nungstechnische Handhabung führt in der empirischen Forschung möglicherweise zu
verfälschten Ergebnissen. Denn die Summe des investierten Kapitals derjenigen
Firmen, die Werbung als einen Aufwand behandeln, ist unterbewertet. Infolgedessen
ist die Rentabilität werbeintensiver Unternehmen zu hoch ausgewiesen - sie über
steigt den tatsächlichen Return on Investment81. Dies kann zur Folge haben, daß die
überdurchschnittlichen Gewinnraten, die für Harvard-Vertreter auf die Existenz
werbebedingter Eintrittsbarrieren hindeuten, bei Berücksichtigung des Investitions
aspektes keine Bestätigung mehr erfahren. Zur Klärung dieser Frage unternahm
Weiss eine Re-Untersuchung zu Comanor & Wilson82. Er behebt deren metho
disches Defizit, indem er für dieselbe Stichprobe die Werbeaufwendungen bzw.
-investitionen über einen Zeitraum von sechs Jahren abschreibt. Trotz dieser Korrek
tur bleibt ein positiver Zusammenhang zwischen der Werbeintensität und der Renta
bilität bestehen, so daß die Re-Untersuchung von Weiss die Eintrittsbarrieren-Hypo
these unterstützt. Zu konträren Ergebnissen gelangen indes Bloch83 und Ayanian84,
die die "accounting bias"-Hypothese bestätigen. Daß in diesen Untersuchungen kein
signifikanter Zusammenhang zwischen Werbeintensität und (tatsächlicher) Rentabilität gefunden wird, ist bei der Bloch-Studie auf deutlich geringere Abschreibungs
raten, bei der Ayanian-Untersuchung auf die Verwendung uneinheitlicher Abschrei-
78 Vgl. Ayanian (Advertising), S.479, der in diesem Zusammenhang von der EintrittsbarrierenHypothese spricht. Auch Comanor & Wilson (Advertising), S. 437, äußern sich beispielsweise in diesem Sinne: "11 is likely ... that much of tbis profit rate differential is accounted for by the entry barriers created by advertising expenditures and by the resulting achievement of market power."
79 Vgl. Ayanian (Controversy), S. 349.
80 Vgl. Demsetz (Accounting), S. 346 f.
81 Vgl. Brozen (Entry), S. 123 f., und (Barriers), S. 853, sowie Telser (Discussion), S. 122 f.
82 Vgl. Weiss (Advertising). Zu einer Stellungnahme hierzu vgl. Comanor & Wilson (Power), S. 170 ff.
83 Vgl. Bloch (Advertising).
84 Vgl. Ayanian (Advertising).
221
bungszeiträume zurückzuführen85• Außerdem basieren diese beiden Studien auf
Untemehmensdaten, die Untersuchungen von Comanor & Wilson sowie Weiss hin
gegen auf Branchendaten86•
Die Harvard und die Chicago School gelangen damit in der sogenannten Advertising
Capital-Kontroverse nicht zu einer übereinstimmenden Bewertung. Comanor &
Wilson konstatieren auf der einen Seite, daß Branchenanalysen zum Zusammenhang
von Werbung und Profitabilität nicht besonders sensitiv für die Wahl der Abschrei
bungsrate sind, sofern diese nicht extrem gering ausfällt. Der Investitionscharakter
der Werbung ist daher nicht kritisch für einen signifikanten positiven Zusammen
hant7. Auf der anderen Seite macht beispielsweise Ayanian die Nichtberücksich
tigung der durch Werbung geschaffenen (immateriellen) Vermögenswerte im
Anlagekapital für die hohe buchhalterische Rentabilität werbeintensiver Unterneh
men verantwortlich und nicht eine durch Werbung bewirkte Eintrittsbarriere. Seine
Schlußfolgerung lautet daher: "The theory that heavy advertising expenditures create entry barriers is without foundation in fact."ss
Gegenüber der traditionellen Sichtweise, die Werbung als verschwenderisch, mani
pulativ und antikompetitiv erachtet89, folgt die Chicago School der modemen Sicht
Telsers, der in der Werbung ein begrüßenswertes Mittel zur Infonnation der
Konsumenten sieht und diese daher als dem Wettbewerb dienend einschätzt9O• Aus
dieser prokompetitiven Grundhaltung zur Werbung heraus kann diese nur noch als
eine natürliche, nicht aber als eine künstliche Barriere interpretiert werden. So
85 Vgl. den Überblick bei Brozen (Entry), S. 125 f., Demsetz (Belief), S. 173 f., sowie Comanor & Wilson (Effect), S. 464 ff. Ayanian behebt damit eine unrealistische Annahme von Weiss, der für alle Branchen eine einheitliche Abschreibungsrate unterstellt. Vgl. kritisch zu dieser Prämisse Schmalensee (Economics), S. 221, Fußnote 13, sowie Brozen (Entry), S. 125.
86 Vgl. Bloch (Comments), S. 1063, der hierin die Ursache dafür sieht, daß er selbst bei einer mit Weiss übereinstimmenden Abschreibungsrate von 33 Prozent zu einem abweichenden Ergebnis gelangt, nämlich zu einem nicht signifikanten Zusammenhang. Comanor & Wilson erwidern hierauf, daß die Eintrittsbarrieren-Hypothese deshalb nicht zu verwerfen sei, da " ... tbis issue is appropriately studied at the industry level." Commanor & Wilson (Reply), S. 1076.
87 Vgl. Comanor & Wilson (Reply), S. 1076. SS Ayanian (Controversy), S.363. Ein weiterer Streitpunkt im Zusammenhang mit der Relation
zwischen Werbung und Gewinn, der hier nicht näher ausgeführt werden soll, betrifft die Kausalitätsrichtung. Hier sind mehrere Wirkungsketten in der Diskussion: Eine Hypothese besagt, daß die Konzentration zu einer hohen Profitabilität und diese wiederum zu einer hohen Werbeintensität führt. Eine andere Hypothese lautet, daß in der Werbeintensität die Ursache der Konzentration zu sehen ist, die dann zu einer hohen Rentabilität führt. Vgl. hierzu den Überblick bei Mann (Advertising), S. 149 ff., sowie Ferguson (Advertising), S. 7 f.
89 Vgl. Schmalensee (Advertising), S.374, Simon (Comment), S. 1066, und insbesondere Kaldor (Advertising).
90 Vgl. Telser (Advertising), S. 537.
222
gelangt dann auch Demsetz, der ja zunächst noch einräumt, daß ein Newcomer zur
Überwindung bestehender MarkenpräferenzeJ.1 möglicherweise höhere Werbeauf
wendungen tätigen muß, dennoch zu dem Ergebnis, daß Werbung per se keine Ein
trittsbarriere darstellt. Statt dessen ist es die Notwendigkeit, potentielle Abnehmer
über das neu angebotene Produkt zu informieren, die Newcomern den Marktzutritt
erschwert. Würde man nun die Werbung untersagen, so würde dies den Eintritt neuer
Konkurrenten noch mehr erschweren91•
Insofern stimmt Demsetz doch mit der primär von Brozen geprägten Chicago
Position überein, nach der Werbung eher als ein Mittel zur Überwindung informa
tionsbedingter Zutrittshemmnisse denn als Eintrittsbarriere zu sehen ist: " ... adver
tising is much more a means of entry than a barrier to entry.'092 Diese Sichtweise wird
von Chicago-Vertretern mit Effizienzaspekten begründet: Eine Einschränkung der
Werbemöglichkeit würde nach Brozen eher eine neue Barriere errichten als eine
bestehende zerstören. Denn Newcomer müßten dann verstärkt in andere, teurere
Alternativen zur Information der Abnehmer investieren, beispielsweise in ihr Händ
lernetz oder Vertriebssystem. Dieses Ausweichen auf teurere Substitute für Werbung
hätte Effizienzverluste zur Folge93.
Diese "means of entry"-Argumentation baut auf der prokompetitiven Informations
funktion der Werbung auf. Sie unterstellt, daß Werbung effizient ist, da Konsumen
ten die Werbung eines Anbieters - in Form höherer Preise für das beworbene
Produkt - nur in dem Ausmaß honorieren, in dem Werbung ihre Suchkosten redu
ziert94• Ein solches Handeln erfordert völlig rationale Konsumenten, die qua
Annahme vorausgesetzt werden. Die Vorstellung manipulierbarer und irrationaler
Nachfrager wird von der Chicago School als mit den Prämissen der Preistheorie
unverträglich abgelehnt95. Damit leugnen Chicago-Vertreter aber nicht einen gewis
sen Anteil an suggestiver Werbung%. Man behauptet lediglich, daß der Hauptzweck
der Werbung in der Information der Konsumenten liegt. Dieser Zweck wird auch
noch von der am wenigsten informativen Werbung erfüllt, die potentiellen Nachfra-
91 vgl. Demsetz (Barriers), S.50. Als Beleg für diese Aussage führen Chicago-Vertreter häufig das Verbot von Femsehwerbung für Zigaretten aus dem Jahr 1970 an, das trotz einer unveränderten Anzahl von Produkteinführungsversuchen die Zahl der erfolgreichen neuen Marken drastisch reduzierte. Vgl. Z.B. Brozen (Entry), S. 127, und Bork (Paradox), S. 317.
92 Brozen (Entry), S. 115.
93 Vgl. Brozen (Competition), S. 9.
94 Vgl. Posner (Chicago), S. 930. Bei vollständiger Information der Konsumenten wären Markenpräferenzen daher auch gegenstandslos. Vgl. Demsetz (Barriers), S. 50.
95 Vgl. Posner (Chicago), S. 930 f., der in der Rationalitätsannahme eine "powerful simplification of economic theory" sieht.
96 Vgl. Telser (Advertising), S. 537.
223
gern immerhin die Existenz des Produktes, seine Funktion etc. mitteilt97. Auch die
oftmals relativ einfach gehaltene Werbebotschaft und deren häufige Wiederholung
zielen nach Bork nicht auf die irrationale Seite der Konsumenten ab, sondern dienen
dazu, die Hürde der selektiven Wahrnehmung zu überwinden, um eine informative
Werbung zu ermöglichen98.
Die These, daß Werbung ein Mittel zum Markteintritt und nicht eine Barriere darstellt, sieht Brozen durch eine Reihe empirischer Beobachtungen zum Werbeverhal
ten von Unternehmen bestätigt: Wenn Werbung etablierten Anbietern als Barriere
dienen würde, müßte erstens für alte Produkte mehr geworben werden als für neue
Modelle. Da aber genau das Gegenteil feststellbar ist, kann Werbung nur als "me ans
of entry" gedeutet werden99. Zweitens wäre zu erwarten, daß die großen Unterneh
men einer Branche je Absatzeinheit genausoviel in Werbung investieren wie ihre
kleineren Konkurrenten, wenn Werbung eine Konsumentenloyalität erzeugen und
Eintritte verhindern soll. Empirische Untersuchungen haben aber ergeben, daß viele
kleine Unternehmen intensiver werben als der betreffende Marktführer, so daß Wer
bung offenbar mehr als ein Mittel zur Zerstörung denn zur Erhaltung von Marken
präferenzen eingesetzt wird 100. Drittens hat sich die Markenloyalität in werbeinten
siven Branchen als geringer erwiesen als in weniger werbeintensiven Industriezwei
gen. Hieraus folgern Chicago-Vertreter, daß hohe Werbe aufwendungen nicht die von
der Harvard School behauptete Präferenz einer Marke erzeugen, sondern daß sie
einen häufigen Markenwechsel induzieren101 bzw. das Ergebnis instabiler Präfe
renzen sind102. Viertens legt die Tatsache, daß intensiv beworbene Produkte zugleich
eine hohe Qualität aufweisen, für Brozen den Schluß nahe, daß nicht die Werbung,
sondern die Produkteigenschaften eine Käuferloyalität und Präferenzen herbeifüh-
97 Vgl. Bork (Paradox), S. 317. Da detaillierte Informationen über Medienwerbung nur kostspielig zu übermitteln sind, ist nach Bork eine zunächst allgemein gehaltene Werbebotschaft effIZient. Denn diese führt den potentiellen Käufer zum Fachhandel, wo er gezielt beraten werden kann.
98 Vgl. Bork (paradox), S.317, und Schmidt & Rittaler (Chicago), S. 19, die dieses Argument kritisieren als " ... eine einzelwirtschaftliche Betrachtungsweise zur Funktion der Werbung im Rahmen des Marketinginstrumentariums, die jedoch nicht dazu geeignet ist, die gesamtwirtschaftIichen Bedenken gegen die Einschränkung der Konsumentensouveränität in einem marktwirtschaftlichen System auszuräumen."
99 Vgl. Brozen (Entry), S. 116 und S. 128, sowie die dort in den Fußnoten 1 und 57 angegebene Literatur.
100 Vgl. Brozen (Entry), S. 116 und S. 128 ff., einschließlich der entsprechenden Quellenverweise.
101 Vgl. Posner (Antitrust), S. 93.
102 So z.B. Telser (Aspects), S. 169: "Far from creating brand loyality the high advertising outlays are the result of brand disloyality".
224
ren103. Und fünftens deutet die stärkere Werbung für Erfahrungsgüter im Vergleich
zu Suchgütem104 darauf hin, daß Werbung nicht zur Schaffung von Markenloyalität
eingesetzt wird. Denn die relative Werbeintensität dieser beiden Produktgruppen
entspricht den Informationsbedürfnissen der KonsumentenlOS.
Durch diese fünf empirischen Erkenntnisse sieht Brozen seine These der Werbung
als ein Mittel des Markteintritts bestätigt: "None of these data fits the view that adver
tising is a barrier to entry or is used to create a barrier to entry."l06
Eine exzessive Werbung als "predatorische" Taktik gegen potentielle Newcomer
schließlich ist nach Bork107 eine undurchführbare Maßnahme. Denn präventiv einge
setzt würde eine übermäßige Werbung die Monopolrente eliminieren, die der Mono
polist ja eigentlich schützen will. Und als drohende Reaktion auf Markteintrittsver
suche hält sie potentielle Newcomer nicht von ihrem Vorhaben ab. Denn die Andro
hung einer vergeltenden Werbeschlacht ist - ähnlich wie im nachstehend thematisier
ten Fall der Karnpfpreisunterbietung bzw. des Verdrängungswettbewerbs - nicht
glaubwürdig.
Zu den angeblich wettbewerbsCeindlichen Verhaltensweisen
Nach der Limitpreis-Theorie der Harvard School reichen strukturelle Eintrittsbar
rieren allein in den meisten Fällen nicht aus, um den Zutritt neuer Wettbewerber zu
verhindern. Zu diesem Zweck müssen etablierte Unternehmen zusätzlich ein solches
(Limit-)Preisniveau wählen, das neue Anbieter für den Fall ihres Markteintrittes in
die Verlustzone bringt. Setzt man nun wie die Harvard School das Auftreten neuer
Konkurrenten mit Wettbewerb bzw. mit wettbewerblichen Marktstrukturen gleich, so
sind eintrittsverhindernde Preisstrategien den wettbewerbsbeeinträchtigenden Ver
haltensweisen zuzurechnen. Außerdem fällt ein Limit Pricing deshalb in die Katego
rie wettbewerbsfeindlicher Maßnahmen, weil es auf der Drohung etablierter Anbie
ter basiert, für den Fall von Marktzutritten gegebenenfalls selbst Verluste in Kauf zu nehmen.
103 Vgl. Brozen (Entry), S. 13I.
104 Suchgüter sind solche Produkte, deren wesentliche Eigenschaften beobachtet werden können. Die Charakteristika von Erfahrungsgütern können hingegen nur durch deren Gebrauch festgestellt werden. Vgl. Brozen (Entry), S. 116.
105 Vgl. Brozen (Entry), S. 131 f.
106 Brozen (Entry), S. 116. Zu einer Kurzkritik vgl. z.B. Koutsoyiannis (Decisions), S. 127 f. 107 Vgl. Bork (Paradox), S. 315.
225
Genau aus diesem Grunde hält die Chicago School eine Limitpreispolitik für
unglaubwürdig und damit unwirksam. Denn nach der bereits dargelegten McGee
Telser-Bork-Theorie zum VerdrängungswettbewerblO8, die von der Chicago School
vertreten wird, führt die Hinnahme einer Preissenkung für einen Etablierten auf
grund seines in der Regel wesentlich höheren Marktanteils zu deutlich höheren Ein
bußen. Ein Limit Pricing ist daher - genauso wie eine Kampfpreisunterbietung - eine irrationale Taktik, von der sich potentielle Newcomer nicht abschrecken lassen
werden.
Wenn nun das vermeintliche Limit Pricing aus theoretischen Gründen kein solches
sein kann, aber dennoch praktiziert wird, so liegt der Schluß nahe, daß hier wieder
von Harvard-Vertretern ein beobachtbares wettbewerbliches Verhalten mit Monopoli
sierung verwechselt wird - genauso wie oben Effizienz als eine strukturelle Eintritts
barriere verkannt wurde. Diese Verwechslung ist für die Chicago School ganz augen
scheinlich. Denn Monopolmacht kann nach Posner niemals durch einseitige, d.h.
durch nicht mit Konkurrenten abgesprochene Verhaltensweisen erlangt werdenHl9•
Daher bleibt für solche einseitige Maßnahmen nur eine Interpretation übrig -
nämlich daß es sich um ein wettbewerbliches Verhalten effizienter Unternehmen
handeln muß. Ein derartiges Verhalten kann zwar - das bestreiten Chicago-Vertreter
nicht - potentiellen, weniger effizienten Newcomern den Marktzutritt verwehren110,
jedoch entsprechen effizienzbedingt niedrige Preise genau dem, was man sich von einem funktionsfähigen Wettbewerb versprichtl11. Aus dieser (Marktverhaltens-)
Perspektive heraus überrascht es dann auch nicht, daß die Chicago School gegenüber
der primär an Marktstrukturen ausgerichteten Harvard School zu einem konträren
Urteil gelangt: "Being a low cost producer and not using such efficiency to pre-empt
the market would seem to me to be more akin to undesirable monopolistic behavior
than pre-empting the market by maintaining prices at levels such that no inefficient
producer would find the market an attractive one in which to remain resident or to enter. Efficiency is hardly an arbitrary or artificial barrier to entry.,,112
108 VgI. oben, Kap. 3.3.1.1., S. 117 ff.
109 VgI. Posner (Chicago), S. 928. 110
111
112
Diesen FaIl klammert z.B. Posner (Antitrust), S. 188, aus seiner Definition des "predatory pricing" aus. Hierunter versteht er ein " ... pricing at a level caIculated to exclude from the market an cqually or more effident competitor." (Im Original kursiv.)
Vgl. Demsetz (Barriers), S. 52.
Brozen (Competition), S. 10. Diese unterschiedlichen Positionen sind jedoch nicht, wie Demsetz (Barriers, S. 52) meint, auf eine ebenso oberflächliche Analyse des "predatory pricing" (durch Harvard-Vertreter) zurückzuführen wie auch im Falle anderer Barrieren, sondern auf unterschied· liehe Wettbewerbsdoktrinen.
226
4.2.3. Schlußfolgerungen aus der Harvard-Chicago-Kontroverse mr ein unter
nehmensstrategisches Eintrittsbarrierenkonzept
Um nun auf die einzelwirtschaftliche und unternehmensstrategische Ebene zurück
zukommen wird nachstehend zunächst die Affinität der Harvard- und der Chicago
Doktrin zum Konzept der Unternehmensstrategie beleuchtet. Im Anschluß daran
kann eine Würdigung der Harvard-Chicago-Kontroverse zum Eintrittsbarrierenver
ständnis aus unternehmensstrategischer Perspektive vorgenommen werden. Hierbei
wird sich zeigen, daß der breitere Barrierenbegriff der Harvard School für unterneh
mensstrategische Belange als fruchtbarer anzusehen ist, wenngleich auch die Chicago
School mit der Betonung staatlich auferlegter Zutrittshemmnisse einen wichtigen
Beitrag leistet.
Die Marktkonzentrationsdoktrin der Harvard School hat für das Konzept der Unter
nehmensstrategie folgende Implikationen: Eine überdurchschnittliche Unter
nehmensrentabilität resultiert nach der Kollusionshypothese der Harvard School aus
dem hohen Konzentrationsgrad einer Branche, der es den Marktteilnehmern erleich
tert, ihre Handlungen durch explizite Absprachen zu koordinieren oder ein implizites
Parallelverhalten an den Tag zu ,legen. In der Terminologie des (klassischen)
Industrial Organization-Paradigmas ausgedrückt besagt die Harvard-Doktrin also,
daß die Marktstruktur für die Verhaltensweise der Wettbewerber, insbesondere für die Möglichkeit kollusiven Verhaltens maßgeblich ist, wovon dann wieder das
Marktergebnis bzw. die Höhe der Unternehmensgewinne abhängt. Im Mittelpunkt
eines Strategiekonzeptes, das auf der Harvard-Doktrin basiert, steht folglich die
Marktstruktur. Auf deren günstige Gestaltung müssen die Branchenteilnehmer hin
wirken. Ihr Ziel muß es sein, die strukturellen Kräfte des Wettbewerbs möglichst
außer Kraft zu setzen, d.h. das neoklassische Idealbild der vollkommenen Konkurrenz abzuwenden, das ja keine suprakompetitiven Gewinne zuläßt.
Vordringlich ist es hierbei, die Zahl der Marktteilnehmer und die Schärfe des Wett
bewerbs unter den Anbietern zu begrenzen. Denn nur wenn es den etablierten Kon
kurrenten gelingt, sich auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen, können die Preise
nachhaltig angehoben oder die Produktqualität (bei normalen Wettbewerbspreisen)
vermindert werden, um so dauerhaft überdurchschnittliche Gewinne zu erzielen.
Hierzu kann es eventuell erforderlich werden, nicht kooperierende Mitbewerber
durch Vergeltungsmaßnahmen zu disziplinieren. Dies verursacht zwar kurzfristig
Kosten, die jedoch nach wiederhergestellter Kollusion mehr als kompensiert werden.
Daneben müssen die Branchenteilnehmer die Gefährdung der Kollusion (bzw. der
"kollusiven Monopolrente") von außen abwehren. Zu diesem Zweck müssen sie durch
227
den Aufbau struktureller Barrieren und durch das Androhen von Vergeltungsreak
tionen potentielle Newcomer vom Markt fernhalten, die durch die kollusionsbedingt
hohen Gewinne angelockt werden113.
Die Harvard-Doktrin erklärt überdurchschnittliche Unternehmensrentabilitäten mit
der Kollusionshypothese letztlich also als Ergebnis einer gemeinsamen Gewinnmaxi
mierung, die durch strukturelle Merkmale - wie z.B. hohe Konzentration und
Eintrittsbarrieren - begünstigt wird. Dieser Erklärung widerspricht die Chicago
School114, die - wie gezeigt - dauerhaft überdurchschnittliche Gewinne als Beleg für
die überragende Effizienz des jeweiligen Unternehmens erachtet. Dieser Effizienzvor
sprung wird auf die Qualität des betreffenden Managements zurückgeführt, d.h. auf
dessen Fähigkeit, in fortgesetzter Weise Entscheidungen (über Produkte und Ferti
gungsverfahren, Vertrieb, Finanzierung etc.) zu treffen, die häufiger zu Konsumen
tenpräferenzen führen als die Entscheidungen des Managements von Konkurrenz
unternehmen115.
Vergleicht man nun die Harvard- und die Chicago-Doktrin aus unternehmensstrate
gischem Blickwinkel, so bildet aus Harvard-Sicht das Streben nach einer kooperativen Monopolisierung den Kern der Unternehmensstrategie, aus der Chicago-Perspektive
ein nichtkooperatives "rent-seeking,,116. Damit hat offenbar die Chicago-Doktrin mit
ihrer Effizienzhypothese eine größere Affinität zum Konzept der Unternehmensstra
tegie bzw. des strategischen Wettbewerbsvorteils gegenüber Konkurrenten als die
(traditionelle) Harvard School mit ihrer Kollusionshypothese117.
113
114
Vgl. Thomas (Economics), S. 16. Dieser strukturelle Ansatzpunkt der Harvard School zur Erklärung überdurchschnittlicher Gewinne (ganzer Industriezweige) ist in Porters Strategiekonzept verwirklicht, nämlich in den fünf strukturellen Determinanten der Wettbewerbsintensität, die das durchschnittliche Rentabilitätspotential einer Branche bestimmen.
In Übereinstimmung mit der Harvard School hält zwar auch die Chicago School eine horizontale Kollusion zwischen Wettbewerbern nicht für unbedenklich, jedoch nach Posner - selbst ein "Chicagoan" - wohl nur aus taktischen Gründen, um in Fragen der Antitrustpolitik nicht als "notorischer Neinsager" zu gelten. Vgl. Posner (Chicago), S. 932.
115 Vgl. Bork (Paradox), S. 194.
116 Vgl. Thomas (Economics), S. 20. 117 Dennoch hat sich Porters industrieökonomisch geprägter Ansatz zur strategischen Unternehmens
führung, der auch dem Wettbewerbsvorteils-Aspekt Rechnung trägt, aus dem Harvard-Denken heraus entwickelt, das jedoch (außer von der dortigen Business Policy-Perspektive) in zahlreichen Punkten von der Chicago School beeinflußt wurde. Vgl. zu dieser Annäherung - die auch Bittlingmayer (Chicago, S.709) zu der Feststellung veranlaßt haben mag, " ... man könnte sagen, wir sind jetzt alle Chicagoer" - Posner (Chicago), S. 925 und S. 933 ff. Daß Effizienzaspekte von der sogenannten "New Industrial Economics" bzw. neueren Harvard School nicht (mehr) geleugnet werden, dokumentiert die Bemerkung Salops, daß weder ein blinder Strukturalismus noch ein Beharren auf tautologischer EffIzienz einer ökonomisch rationalen Antitrustpolitik gerecht werden kann, sondern nur ein Mittelweg. Vgl. Salop (Predation), S. 42.
228
Hieraus folgt nun aber nicht, daß auch der Eintrittsbarrierenbegriff der Chicago
School der für einzelwirtschaftliche strategische Analysen geeignetere ist. Denn dieser erhebt gar nicht den Anspruch, über die Schwierigkeit des Marktzutritts neuer
Konkurrenten Auskunft zu geben. So behauptet nämlich die Chicago School keines
wegs, daß bei Abwesenheit künstlicher Barrieren Markteintritte einfach zu bewerk
stelligen sind. Denn in komplexen Branchen ist es nach Bork nur natürlich, daß ein
Newcomer viele komplexe Aufgaben bewältigen und teure Anstrengungen unternehmen muß und daß er die sich stellenden Anforderungen gut erfüllen muß, um
Erfolg zu haben. Hierunter hat man natürliche Barrieren bzw. Eintrittskosten zu ver
stehen. Diese zu identifizieren - so Bork - bedeutet eine deskriptive Aussage über die
Schwierigkeit des Marktzutrittes zu machen, weswegen aber der Ruf nach regulativen
Eingriffen zur Änderung der Größe und der Verhaltensweisen bereits etablierter
Anbieter nicht gerechtfertigt ist118.
Diese Unterscheidung natürlicher und künstlicher Eintrittsbarrieren ist nun zweifel
los wettbewerbspolitisch relevant, nicht jedoch unternehmensstrategisch. Denn für
einen potentiellen Newcomer ist es zunächst unerheblich, ob sein Markteintritt durch
effIzienz- oder durch marktmachtbedingte Hindernisse bzw. durch natürliche oder
künstliche Wettbewerbsnachteile erschwert wird. Denn seine Eintrittsanalyse und -
entscheidung basiert nicht auf normativen oder wohlfahrtsökonomischen Überlegun
gen, sondern auf einer deskriptiven Beurteilung (Bark) der Markteintrittsbedingungen
und Erfolgschancen. Die von Waterson119 aufgeworfene Frage, ob man den Begriff
Eintrittsbarriere für künstliche Zugangsschranken reservieren soll, oder ob man auch
natürliche Markteintrittsschwierigkeiten darunter verstehen soll, ist aus der einzel
wirtschaftlichen Perspektive des strategischen Managements daher zugunsten des
beide Aspekte umfassenden Begriffes zu beantworten.
Als Ergebnis unseres Exkurses zur Harvard-Chicago-Kontroverse bleibt somit festzu
halten, daß für unternehmensstrategische Analysezwecke das breitere Eintrittsbar
rierenkonzept der Harvard School vorzuziehen ist.
118
119
Vgl. Bork (paradox), S. 329. Diese Auffassung teilt mit Spence (Competition), S. 75, auch ein Vertreter der neueren Industrial Organization: "In a dynamic context, entry or expansion deterrence is an integral and ordinary part of the competitive process; it is not something that can be isolated as unusual or abnormal and then eliminated by regulation."
Vgl. Waterson (Definition), S. 537.
229
4.3. Die Markteintritts- und Wettbewerbsanalyse der ökonomischen Expertenzeugen im Antitrust-Fall "U.S. vs. IBM": Ein Fallbeispiel
Bereits im einleitenden Problemaufriß von Kapitel 2.1. diente der Antitrust-Fall "U.S.
vs. IBM" dazu, die in der Anklageschrift der Regierung zum Ausdruck kommende Marktrnachtdoktrin, die von den Expertenzeugen der Verteidigung herangezogene Effizienzdoktrin sowie die rückblickende Beurteilung der Marktzutrittsschwierigkeit
durch einen Honeywell-Manager als konträre Situationsdeutungen bzw. Deutungs
muster zu präsentieren. Dieser Antitrust-Fall soll nun hier beispielhaft wieder aufge
griffen werden - insbesondere die Aussage der ökonomischen Expertenzeugen der
Verteidigung zu den von der Regierung behaupteten Zutrittsschranken zum EDV
Marktl20.
In ihrem Gutachten gelangen die von der IBM Corp. bestellten ökonomischen Sach
verständigen zu dem Ergebnis, daß es zum Markt für elektronische Datenverarbei
tungsanlagen keine ernstzunehmenden Zutrittsschranken gegeben haben kann121. Sie
begründen dies zum einen empirisch, nämlich mit dem Hinweis auf die große Zahl
erfolgter Eintritte in den EDV-Markt, zum anderen durch eine ökonomische Analyse
der angeblichen Zutrittsbarrieren122• Hierin gelangen sie zu dem Schluß, daß die
Behauptungen der Regierung unhaltbar sind und " ... auf einem völligen Mißverständ
nis dessen beruhen, was eine Marktzutrittsschranke überhaupt ist."l23 Diese methodi
sche Kritik der Sachverständigen legt es nahe, zunächst deren eigenes Konzept für
eine ökonomische Analyse des Wettbewerbs zu klären, ehe sodann vor diesem Hin
tergrund die prokompetitive Argumentation der Expertenzeugen zu den angeblichen
Zutrittsschranken Kapitalbedarf, Leasing, Softwarekonvertierung und Bundling
beispielhaft angeführt wird.
Einen ersten Hinweis auf die wettbewerbstheoretische Orientierung Fishers gibt
dessen Zugehörigkeit zur neueren Harvard School124, die das Marktverhalten
120 Eintrittsbarrieren sah die Regierung in folgenden Punkten gegeben: Skalenerträge, Kapitalbedarf, Leasing, Konversions- bzw. Umstellungskosten, Bundling und Wartung. Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 169 f.
121 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 169 und S. 211.
122 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 165 ff. bzw. S. 170 ff.
123 Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 170. 124 Vgl. Markert (Besprechung), S. 593. Fishers akademischer Lehrer ist Carl Kaysen, der zusammen
mit Turner das wettbewerbspolitische Standardwerk (Antitrust) verfaßte, in dem die traditionelle Harvard-Doktrin ihren Niederschlag fand. In seinem Vorwort ZU Fisher et a1. (US gegen IBM, S. XVIII) räumt Kaysen auch etwaige Zweifel an der Objektivität Fishers und an der wissenschaft-
230
gleichrangig neben die Marktstruktur stellt. So betont Fisher125 - im Gegensatz zur
traditionellen Harvard-Doktrin -, daß die Analyse der Marktstruktur nur in denjenigen
Fällen für eine Aussage zur Wettbewerbsintensität der betreffenden Branche
hinreicht, in denen die Kunden gut über Angebotsalternativen informiert sind, in
denen kein Unternehmen einen besonders hohen Marktanteil besitzt oder in denen
der Marktzutritt einfach ist. Bei weniger eindeutigen Marktstrukturen, z.B. wenn es
einen deutlichen Marktführer gibt, ist das Marktverhalten in die Wettbewerbsanalyse
einzubeziehen: Liegen keine wettbewerblichen Strukturen vor, die den Handlungs
und Preisgestaltungsspielraum der Anbieter ganz offensichtlich begrenzen, so ist zu fragen, ob die Abweichung hiervon auf ein Verhalten zurückzuführen ist, das eine
Ausübung von Monopolmacht darstellt, oder ob die betreffende Struktur durch wett
bewerbliche Aktivitäten zustande gekommen ist. Denn die Fähigkeit, zusätzliche
Marktanteile durch niedrige Preise oder bessere Produkte zu gewinnen, ist keine Monopolmacht, sondern Ausdruck überlegener Fähigkeiten, überlegener Zukunfts
orientierung und überlegenen Fleißes126•
Nach dieser neueren Sichtweise, die gegenüber der traditionellen Harvard-Doktrin
Monopole nicht mehr als ein reines Strukturphänomen begreift, ist ein hoher Markt
anteil also nicht mit Monopolmacht gleichzusetzen. Aus diesem Grunde ist die Frage
nach der Höhe des Marktanteils und nach der zutreffenden Marktabgrenzung nur
noch ein Element der Analyse von Monopolmacht und nicht etwa das Kernstück.
Denn ein hoher Marktanteil kann nur auf die Möglichkeit von Monopolmacht hin
weisen. Er bildet daher nur ein Indiz für das Erfordernis weitergehender Analysen.
Diese müssen sich der Kernfrage widmen, ob der vermutete Monopolist den Wett
bewerb ausschalten kann, d.h. ob er eine Preiserhöhung oder Qualitätsminderung
vornehmen kann, ohne Marktanteile zu verlieren127• Dies wiederum hängt sehr stark
davon ab, ob andere Firmen in den Markt eintreten und wachsen können. Insofern
spielt die Analyse der Marktzutrittsschranken in Monopol-Fällen eine zentrale
Rolle128•
Für eine "richtige Analyse der Marktzutrittsschranken" (Fisher et al.) genügt es nun
aber nicht, nur die Schwierigkeiten und Kosten potentieller Newcomer aufzuzählen.
125
lichen Qualität dessen Studie aus. Er gelangte nach eigenen Angaben im Zuge einer Überprüfung des Beweismaterials und der Argumente nach Abschluß des Verfahrens (ebenfalls im Auftrag von IBM) zu denselben Schlußfolgerungen wie Fisher.
Vgl. nachstehend Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 42 • 44.
126 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 20.
127 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 98 f.
128 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 332 f.
231
Man muß vielmehr untersuchen, ob Altanbieter dauerhafte Vorteile besitzen129, d.h.
solche Vorteile, die ein Newcomer nicht mit vergleichbaren Anstrengungen und Aus
gaben erreichen kann wie ein etablierter Anbieter. Kosten, die hingegen sowohl
bereits etablierte als auch etwaige neueintretende Unternehmen tragen müssen,
stellen keine "ökonomisch relevanten Zutrittsschranken" (Fisher et al.) dar. Denn in
diesem Fall liegt der Unterschied zwischen bestehenden und potentiellen Konkurren
ten lediglich darin, daß die Etablierten ihre Investitionen bereits getätigt haben, die
Newcomer hingegen noch nicht. Dies bedeutet nach Fisher et al. aber nur, "daß sie
sich in einem anderen Stadium des Prozesses befinden."130 Denn beide stehen (bzw.
standen) vor einer vergleichbaren Investitionsentscheidung. Daher liegen nach Fisher
et al. selbst dann keine Eintrittsbarrieren vor, wenn keine neuen Wettbewerber"in
den Markt eintreten, weil die langfristigen Gewinne nicht genügen, um eine ausrei
chende interne Verzinsung des zu investierenden Kapitals sicherzustellen131. Denn
"(d)er Wettbewerbsprozeß erreicht genau das, was er erreichen sollte.,,132
Diese Aussage kann wie folgt interpretiert werden: Wenn ein potentieller Newcomer
Investitionen in identischer Höhe zu tätigen hat wie ein bereits etablierter Anbieter,
so kann seine ungünstigere interne Verzinsung nur durch geringere Rückflüsse her
vorgerufen werden. Dies kann wiederum darauf zurückzuführen sein, daß der
Etablierte - um Markteintritte abzuwehren - eine Preissenkung vorgenommen hat.
Dies bedeutet jedoch nicht, daß er mit seinem praktizierten Umit Pricing den Wett
bewerb ausschaltet. Denn zur Verteidigung seines Marktanteils handelt er genau so,
wie man es unter Wettbewerb erwarten würde. Derartige Maßnahmen, die poten
tiellen Rivalen schaden, können daher auch nicht als ruinös bzw. wettbewerbsfeind
lich gelten, jedenfalls solange ihre Erträge (bzw. die Preise) über den vermeidbaren
Kosten liegen133.
Nach Fisher et al. stellt also eine die interne Verzinsung potentieller Newcomer
schmälernde Umitpreispolitik keine Eintrittsbarriere dar, auch wenn sie neue
Konkurrenten erfolgreich vom Markt fernhält. Denn eine Marktzutrittsschranke muß
es den Etablierten im Gegenteil gestatten, ihre Produktion oder Produktqualität ein-
129 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 333.
130 Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 161. 131 Hierzu Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 333, in ihrer Zusammenfassung wört
lich: "Es ist möglich, daß die Gewinne, die zusätzlich zu den lanfenden Kosten verdient werden, nicht hoch genug sind, damit ein potentieller Neuanbieter die Marktzutrittskosten anf sich nimmt, die für die Altanbieter 'sunk'·Kosten sind. Daraus kann man nicht auf Marktzutrittsschranken schließen."
132 Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 161.
133 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 264 - 267.
232
zuschränken, die effektiven Preise zu erhöhen und Monopolgewinne zu erzielen,
ohne damit Markteintritte heIVorzurufen134•
Die wettbewerbstheoretische Argumentation der ökonomischen Expertenzeugen der
Verteidigung läuft also - entgegen der traditionellen HaIVard-Doktrin - darauf hinaus,
daß "(n)icht alles, was den Marktzutritt für neue Firmen teuer oder für einige oder viele sogar unmöglich macht ... "135, eine Marktzutrittsschranke darstellt. Richtig ver
standene Eintrittsbarrieren resultieren statt dessen nur aus den zusätzlichen Investi
tionen, die für einen neuen Wettbewerber anfallen, wenn er den Status eines
Etablierten erlangen will - also aus Investitionen (und nicht aus Kostennachteilen!),
die nur ihm entstehen, nicht aber den bereits etablierten Unternehmen in der Ver
gangenheit entstanden sind. Denn nur wenn sich die Summe der zu tätigenden Inve
stitionen unterscheidet, hat ein etablierter Anbieter einen nachhaltigen Vorteil
gegenüber Newcomern136• In allen anderen Fällen genießen Altanbieter lediglich
einen vOlÜbergehenden Vorteil, der schwindet, wenn sich der Newcomer mit der Zeit
im Markt etabliert. Für die praktische Analyse von Markteintrittsbarrieren in einem
Antitrustverfahren heißt dies, daß Zutrittsschranken über den Zeitverlauf hinweg -
und nicht zu einem gegebenen Zeitpunkt, nämlich dem des Eintritts eines
Newcomers - untersucht werden müssen137 und daß Unterschiede in der Höhe der erforderlichen Investitionen identifiziert werden müssen.
Aus diesem wettbewerbstheoretischen Beurteilungskonzept heraus lautet die Kritik
der Expertenzeugen an der Eintrittsbarrierenanalyse der Regierung dann auch, daß
darin Kosten untersucht wurden, die bestehende und neue Konkurrenten gleicher
maßen zu tragen haben. Hierbei habe man fälschlicherweise unterstellt, daß
Etablierte einen Vorteil besitzen, weil sie die Kosten des Marktzutritts schon in der
Vergangenheit getragen haben138.
Auf diese theoretische Fehlkonzeption von Markteintrittsbarrieren führen Fisher et
al. die von der Regierung aufgestellte Behauptung zurück, daß der Kapitalbedarf eine
134
135
136
137
VgI. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S.333. Zu dem antizipierten Einwand, Umitpreise seien zwar niedriger als der Monopolpreis, aber höher als der langfristige Wettbewerbspreis, vgI. ebenda, S. 266 f.
Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 160.
Die Dauerhaftigkeit eines Vorteils ist es dann auch nach Fisher et aI., die eine Eintrittsbarriere konstituiert. VgI. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 161.
VgI. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 165.
138 VgI. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S.335, oder - vorzugsweise - die amerikanische Originalausgabe, S. 345.
233
Zutrittsschranke zum EDV-Markt darstellt13~. Nach deren ökonomischer Analyse
beläuft sich der Kapitalbedarf - u.a. aufgrund der Tatsache, daß EDV-Anlagen über
wiegend vermietet und nicht verkauft werden - auf einen Betrag, der von potentiellen
Newcomern zu fast jedem Preis nur sehr schwer aufzubringen ist.
Die Expertenzeugen der Verteidigung halten dem entgegen, daß die Höhe des Kapi
talbedarfs überschätzt wurde, weil man den Markt so weit abgrenzte, daß ein New
comer praktisch mit einem Angebotsspektrum in den Markt eintreten muß, das dem
der IBM entspricht. Hierbei habe man übersehen, daß der Marktzutritt auch über
spezielle Segmente möglich ist und daß es nicht erforderlich ist, zu jedem Produkt
von IBM ein Pendant anzubieten. Dieser Punkt ist laut Fisher et al. für eine ökono
mische Analyse des Wettbewerbs von Bedeutung, da auch von kleinen Spezialanbie
tern ein Konkurrenzdruck auf den Marktführer ausgehen kann, der dessen Hand
lungsspielraum begrenzt.
Aber selbst wenn der von den Anklagevertretern bzw. Zeugen der Regierung
geschätzte Kapitalbedarf zutreffend wäre, folgt hieraus für Fisher et al. nicht, daß
eine Marktzutrittsschranke vorliegt. Denn die absolute Höhe des Kapitalbedaifs wäre
nur von Bedeutung, wenn ein Newcomer mehr Kapital aufnehmen müßte als ein
etablierter Anbieter, wofür es aber keine Anzeichen gibt. Die Sachverständigen
sehen hier im Gegenteil einen später eintretenden Wettbewerber im Vorteil, da dieser von einigen Aktivitäten des Pionierunternehmens profitieren kann.
Haltbar wäre die These einer Eintrittsbarriere bei gleichem (oder geringerem) Kapi
talbedarf eines Newcomers daher nur dann, wenn dieser höhere Kapitalkosten zu
tragen hätte als bereits etablierte Wettbewerber. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, daß nicht alle Kapitalkostenunterschiede auf das Vorliegen einer Marktzutritts
schranke hinweisen. Denn die Existenz unterschiedlich hoher Finanzierungskosten
kann auch auf Risikounterschiede zurückzuführen sein. Wenn in einem solchen Fall
ein relativ riskoreicher Schuldner einen höheren Zinssatz akzeptieren muß als ein
relativ sicherer Schuldner, so besagt dies nach Fisher et al. nicht, daß es reale Kosten
unterschiede gibt. Vielmehr spiegelt dies die Tatsache wider, daß es sich wegen der
unterschiedlichen Risiken um zwei verschiedene Kredite handelt. Wenn nun ein
potentieller Newcomer wegen seines höheren Risikos den Kredit mit den ungünstige
ren Konditionen erhält, so ist er zwar zu einem gegebenen Zeitpunkt im Nachteil.
Nach dem oben vorgestellten zeitraumbezogenen Beurteilungskonzept der ökono
mischen Expertenzeugen kann hieraus jedoch nicht auf das Vorliegen einer Marktzu
trittsschranke geschlossen werden. Denn n(a)uch die jetzigen Altanbieter waren
139 Vgl. nachstehend Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 177 - 184.
234
früher einmal gezwungen, den Investoren ähnliche Risikoprämien zu zahlen, um Kapital zu erhalten.,,14O
Bei der Frage nach dem Bestehen von Eintrittsbarrieren geht es nach Fisher et al.
also lediglich um den Vergleich der risikobereinigten Kapitalkosten. Es ist also einzig
maßgeblich, " ... ob die Investoren die Risiken der Altanbieter und Neuanbieter rich
tig einschätzen können und diese Einschätzung sich richtig in ihrem Verhalten widerspiegelt."141 Trifft dies nicht zu, liegen Kapitalmarktunvollkommenheiten vor. In
diesem Fall haben Newcomer gegenüber etablierten Anbietern einen Kapitalkostennachteil, " ... der auf mehr als nur unterschiedlichen Risikoeinschätzungen beruht.,,142
Für den EDV-Markt ist die in der Wissenschaft strittige Frage der (Un-)Voll
kommenheit von Kapitalmärkten - den Sachverständigen der Verteidigung zufolge -
jedoch nur von untergeordneter Bedeutung. Denn selbst wenn es Kapitalmarkt
unvollkommenheiten gibt, die neugegründete Konkurrenten gegenüber bereits
bestehenden Unternehmen benachteiligen, bleiben in anderen Märkten etablierte
potentielle Newcomer hiervon unberührt. Von diesen geht eine Markteintrittsgefahr
aus, die im EDV-Markt für ein wettbewerbliches Marktverhalten sorgt.
Die ökonomischen Expertenzeugen argumentieren also im wesentlichen, daß die
absolute Höhe des Kapitalsbedarfs für die Prüfung der Existenz von Zutrittsschranken
unerheblich ist, sofern etwaige Newcomer Investitionen in (maximal) gleicher Höhe
tätigen müssen wie etablierte Anbieter. Ausschlaggebend sind allein die schwer
quantifizierbaren risikobereinigten Kapitalkostennachteile potentieller Newcomer, für
die es im EDV-Markt keine Anzeichen gibt - jedenfalls keine schlüssigen Anzeichen.
Denn den Rückgriff auf den absoluten Kapitalbedarf, der wegen der Quantifi
zierungsprobleme riskobereinigter Kapitalkostenunterschiede häufig als Indikator für
das Vorliegen von Eintrittsbarrieren herangezogen wird, weisen Fisher et al. als
ungeeignet zurück143.
Diese Analyse, die den Kapitalbedarf als Marktzutrittsschranke verneint, sehen die
Expertenzeugen der Verteidigung als zentral an, da sich alle anderen von der Regierung behaupteten Eintrittsbarrieren letztendlich auf den Kapitalbedarf reduzieren
lassen144. So räumen Fisher et al. zwar ein, daß die praktizierte kurzfristige Vennietung
von EDV-Anlagen zwar den Kapitalbedarf erhöht, den man für dieses Geschäft
benötigt; jedoch kritisieren sie die ökonomische Analyse der Regierung, da der
140 Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 179.
141 Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 179.
142 Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 179.
143 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 180.
144 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 184.
235
erhöhte Kapitalbedarf zum einen bestehende Unternehmen ebenso wie potentielle
neue Konkurrenten betrifft und zum anderen - wie gezeigt - keine Marktzutrittsschranke darstellt. Außerdem argumentieren die Sachverständigen, daß Leasing den
Markteintritt erleichtert und nicht erschwert. Denn kurzfristige Mietverträge führen
dazu, daß bereits versorgte Kunden für Newcomer leichter erreichbar sind, als dies
nach einem Kauf der Fall wäre145.
In ähnlicher Weise widersprechen Fisher et al. der Behauptung der Regierung, daß
die Schwierigkeit, die Software der Kunden auf eine andere Anlage zu übertragen,
eine Eintrittsbarriere darstellt146. Denn grundsätzlich können sich Neuanbieter bei
ihrem Markteintritt an diejenigen Kunden wenden, die zu den Erstanwendern zählen
und daher keine Umstellungskosten zu tragen haben, die diese von der Entscheidung
zugunsten des Systems eines Newcomers abhalten könnten. Aber selbst wenn die
Marktdurchdringung bereits 100 Prozent betragen würde, führen Software-Konvertie
mngskosten nach Fisher et al. nicht zu Eintrittsbarrieren. Denn bestehende und
potentielle neue Konkurrenten haben nicht nur die gleichen Handlungsbeschränkun
gen, sondern auch die gleichen Handlungsalternativen: So ist nicht nur ein New
comer, sondern auch ein bereits etablierter Anbieter bei der Entwicklung neuer Pro
dukte gezwungen, auf die Softwareinvestitionen der Kunden Rücksicht zu nehmen.
Der Altanbieter unterschiedet sich in dieser Hinsicht also nicht von einem neuen
Wettbewerber. Dies gilt ebenso für die Möglichkeit der Einführung eines innova
tiven, inkompatiblen Computers. Auch hier sind bestehende wie neue Anbieter von
der Inkompatibilität ihrer neuen verbesserten Produktlinie zu den installierten
Systemen der Kunden betroffen und beide müssen diese bei der Lösung von Konver
tierungsproblemen unterstützen. Hinsichtlich der Neuproduktentwicklung sind also
bestehende und potentielle Konkurrenten gleichgestellt. Auch aus der Tatsache, daß etablierte Anbieter bereits über eine Systemfamilie verfügen, die mit der Software
der Kunden kompatibel ist, während Newcomer eine solche erst noch entwickeln müssen, resultiert kein Eintrittsbarrierenvorteil. Diese Situation spiegelt lediglich den
Sachverhalt wider, daß der Etablierte schon .(Entwicklungs-)Investitionen getätigt
hat, die der Newcomer erst noch tätigen muß. Eine Marktzutrittsschranke entsteht
hieraus - nach der theoretischen Konzeption der Expertenzeugen - nur, wenn
Newcomer höhere Entwicklungsinvestitionen vorzunehmen hätten. Im EDV-Markt
145 Vgl. hierzu Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 184 - 190, insbesondere S. 189. 146 Vgl. hierzu Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 190 - 197, insbesondere S. 192 ff.
Die Anwendungssoftware der Kunden könnte insofern eine Eintrittsbarriere bedeuten, als sie im Gegensatz zur Hardware nicht gemietet wird, sondern Eigentum des Anwenders ist und daher bei einem HersteUerwechsel nicht zurückgegeben werden kann. (Genau genommen wird Software nicht verkauft, sondern lizenziert, was jedoch hier unerheblich ist.)
236
ist dies jedoch nicht der Fall, da Hersteller ffiM-kompatibler Zentraleinheiten und
Peripheriegeräte in den Genuß von "second mover"-Vorteilen gelangen und von den
Anstrengungen des Marktführers profitieren können.
Insgesamt bewerten die Expertenzeugen der Verteidigung die Entscheidung von
ffiM, mit dem System/360 eine kompatible ·Produktfamilie anzubieten, als eine Maßnahme, die den Marktzutritt neuer Wettbewerber eher erleichterte als
erschwerte. Denn wenn nicht so viele ffiM-Systeme untereinander kompatibel gewesen wären, hätten die Wettbewerber mit ihren EDV-Anlagen zu vielen verschiedenen
ffiM-Systemen verträglich sein müssen, um sich an die gesamte Kundenbasis von
ruM richten zu können. Insofern eröffnete die Vereinheitlichung der Schnittstellen
des Systems/360 Marktchancen für neue Anbieter ruM-kompatibler Zentralein
heiten und steckerkompatibler Peripheriegeräte. Aber selbst wenn sich ein neuer
Konkurrent nicht für die ruM-Kompatibilität entschied, sondern eine eigene in sich kompatible Systemfarnilie favorisierte, " ... muß(te) er nur genau das tun, was auch
ruM schon machen mußte, um Kompatibilität zu erreichen."147 Insofern standen
diese Wettbewerber vor genau den gleichen Problemen und Investitionen. Eine
Eintrittsbarriere ist aus diesem Grunde nicht ersichtlich.
Auf die Behauptung der Regierung, daß die Bündelung von Hardware, Systemsoftware
und Dienstleistungen (wie z.B. Wartung) eine Eintrittsbarriere darstellt, entgegnen
Fisher et al.148 schließlich, daß die Bündelung in den frühen Jahren der EDV
Branche eine Voraussetzung für die Markt- bzw. Nachfrageentwicklung bildete.
Denn die damals mit der neuen Technologie noch nicht vertrauten Anwender ver
langten von den Herstellern einen Überblick über die Gesamtkosten für eine ihren
Bedürfnissen entsprechende Problemlösung149. Insofern kann man nicht von einem "Zwang zur Bündelung" durch IBM sprechen: "Es gab keinen Grund, daß alle das
selbe machen mußten wie ruM, wenn nicht die Kunden genau das verlangten. Die
Tatsache, daß die anderen Produzenten ihre Geschäfte genauso führten wie ruM ist
der beste Beweis dafür, daß dies den Bedürfnissen der Kunden am besten entsprach."150
147 Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 194.
148 Vgl. nachstehend Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 197 - 208.
149 Vgl. hierzu auch Fisher, McKie & Mancke (History), S. 19 ff. 150 Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S: 206. 1%9 gab IBM die Politik der Bündelung
mit der Begründung auf, daß die Benutzer fünf Jahre nach der Markteinführung des Systems/360 mit dessen komplexer Architektur nunmehr hinreichend vertraut waren. Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 199. Andere Quellen sehen diese Maßnahme hingegen als Reaktion anf das in diesem Jahr eröffnete Antitrustverfahren gegen IBM. Vgl. z.B. Schulte-Braucks (Auflösung), S. 166 f., und Hoffmann (IBM), S. 162. Gegen einen Zusammenhang mit der Antitrustklage gegen IBM spricht jedoch, daß die Praxis des Bundling auch nach ihrer Beendigung im
237
Eine Eintrittsbarriere resultiert nach Fisher et al. aus dem Kundenwunsch nach
einem Komplettangebot schon deshalb nicht, weil ihm die Hardwarelieferanten nicht
eigenständig nachkommen mußten. Sie konnten sich dabei unabhängiger dritter
Firmen bedienen, so daß das Bundling den Marktzutritt nicht erschwerte. Außerdem
wurde den Herstellern ffiM-kompatibler Zentraleinheiten und Peripheriegeräte der
Markteintritt erleichtert, da sie ffiM-Kunden kein Betriebssystem bereitstellen
mußten, das diesen bereits von ffiM ohne getrennten Preis mitgeliefert wurde.
Aber auch wenn Newcomer den Benutzern eigenständig ein Komplettangebot hätten
liefern müssen, um deren Bedürfnissen zu entsprechen, läge nach den Experten
zeugen der Verteidigung keine Marktzutrittsschranke vor. Denn selbst wenn ffiM ein
Bundling deshalb betrieben hätte, um ihre Konkurrenten zum Bündeln zu zwingen,
hätte ffiM die gleichen Anforderungen erfüllen müssen wie jedes andere Unterneh
men auch. Und umgekehrt mußten potentielle Newcomer, wenn sie die zu bündeln
den Aktivitäten selbst ausführen wollten, lediglich die gleichen Kosten auf sich nehmen wie ffiM auch151• Eine Marktzutrittsschranke hätte jedoch nur dann vorge
legen, wenn es einen Grund dafür gegeben hätte, daß IBM kostengünstiger bündeln
kann als ihre Konkurrenten. Das heißt, es hätten Kapital- oder andere Kostenvorteile
existieren müssen, was nach Fisher et al. nicht der Fall war152•
Schlußbemerkung zur ökonomischen Analyse der Expertenzeugen der Verteidigung
zu den angeblichen Marktzutrittsschranken:
Aufgrund der vorstehend auszugsweise präsentierten Analyse gelangen die ökono
mischen Sachverständigen der Verteidigung zu dem Schluß, daß die angeblich vor
handenen Zutrittsschranken zum EDV-Markt nicht als solche haltbar sind. Dies
führen sie darauf zurück, daß die Behauptungen der Regierung auf einem völligen
Mißverständnis dessen beruhen, was eine Eintrittsbarriere überhaupt darstellt: Im
Gegensatz zur ökonomischen Analyse der Anklagevertreter bildet nach Fisher et al.
nicht jeder scheinbare Vorteil eines etablierten Unternehmens eine Marktzutritts
schranke. Echte Eintrittsbarrieren entstehen nur aus nicht reproduzierbaren Vorteilen,
die bestehende Anbieter gegenüber potentiellen neuen Konkurrenten genießen.
Hierzu zählen nicht diejenigen Kostenvorteile, die auf eine höhere Produktivität, ein
besseres Management oder innovative Forschung und Entwicklung zurückzuführen
Jahr 1%9 noch für das "wilful acquisition"-Element des Monopolisierungsvorwurfes relevant blieb, nach dem es nicht auf den gegenwärtigen Mißbrauch von Marktrnacht ankommt, sondern auf den aktiv und durch wettbewerbsfeindliche Praktiken herbeigeführten Erwerb von Marktrnacht. Vgl. Schulte-Braucks (Auflösung), S. 167.
151 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 204.
152 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 205.
238
sind, sondern nur Kostenvorteile aufgrund des Zugangs zu besseren Ressourcenl53.
Auch Preisvorteile, die in der Reputation etablierter Hersteller für zuverlässige
Produkte und Dienstleistungen oder in anderen Differenzierungsfaktoren begründet
sind, rufen keine Eintrittsbarriere hervor. Dies meint nicht, daß neue Anbieter sofort
in der Lage sind, diese Charakteristika der Etablierten zu replizieren. Sie werden
vielmehr vorübergehende- Kosten- und/oder Preisnachteile in Kauf nehmen müssen,
bis es ihnen gelungen ist, ihre Produkte ebenfalls zu differenzieren und die Quellen
ihres Kostennachteils zu beseitigen. Nur wenn sie hierfür (gegenwärtig) höhere
Investitionen tätigen müssen als bereits bestehende Wettbewerber (in der Vergan
genheit), kann nach Fisher et al. korrekterweise von einer Eintrittsbarriere ge
sprochen werdeni54.
Aufgrund des zeitraumbezogenen Vergleichs der Gesamtkosten bzw. -investitionen
von Etablierten und Newcomern gelangen die Expertenzeugen der Verteidigung
schließlich zu einem anderen Ergebnis als diejenigen Untersuchungen, die sich an der
Eintrittsbarrierenkonzeption Bains orientieren, d.h. die Preise sowie Kosten etablier
ter und neuer Konkurrenten zu einem bestimmten Zeitpunkt gegenüberstellen und
daher jegliche Kosten- und Differenzierungsnachteile als Marktzutrittsschranken
werten.
So folgert beispielsweise Brock aus den in Abb. 14 ersichtlichen Kostennachteilen
neuer Anbieterl55, daß die Eintrittsbarrieren des Segmentes integrierter Computer
systeme für potentielle Newcomer - unter Berücksichtigung des "enormen" Kapital
bedarfs (Brock) - praktisch unüberwindbar sind, außer wenn die Etablierten "exorbi
tant hohe Preise" (Brock) festsetzen. Die Höhe der Zutrittsschranken zum Peri
pheriegerätesegment bezeichnet er als mäßig - jedenfalls solange, wie die etablierten
Anbieter das Preisniveau nicht reduzieren. Und die Barrieren, die den Minicompu
termarkt umgeben, fallen nach Brock wegen des geringen Kostennachteils poten
tieller Newcomer schließlich extrem gering ausI56/157.
153 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 164.
154 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 165.
155 Siehe S. 239. Zu der detaillierten Analyse, die in diese Zusammenstellung der Kostennachteile von Newcomern mündet, vgl. Brock (Computer), Kapitel 3 - 5, S. 27 ff.
156 Vgl. Brock (Computer), S. 65 f. Zwei weitere Eintrittsbarrierenanalysen, die auf die traditionelle Konzeption Bains Bezug nehmen, fmden sich bei Rösner (WettbewerbsverhäItnisse), Kapitel3, S. 135 ff., sowie bei Dorfman (Innovation), S. 63 - 80, und S. 226 ff.
157 An dieser Stelle soll mit DeLamarter abschließend noch ein Vertreter der Antitrust Division ZU
Wort kommen, der die Erkenntnisse, die er während seiner 8jährigen Tätigkeit in diesem Verfahren gewonnen hat, wie folgt beschreibt: "I learned that it was not IBM's excellent management or its superior products that made it successful; rather, it was the clever ways in which the company has exploited an exclusive position of power." DeLamarter (Big), S. XIV. DeLamarter verdeutlicht
239
Item Integrated Systems Peripherals Makers Minicomputers
Economies of scale 20% 10% 5% Marketing
5-10% advantages 20-30% 10-20% Capital moderate-depends rrunor
req uiremen ts blocked on IBM actions Total evaluation 20-30% disadvantage 10-15%
ofentry no entry possible compared to IBM disadvantage
Abb.14: Zusammenstellung der Kostennachteile neuer Wettbewerber im EDV
Markt Quelle: Brock (Computer), S. 65
dies anschaulich an den Raktionen auf den Markteintritt von Gene Amdahl, der als 'Vater des Systems/360' gilt und sich von IBM loslöste, als er mit seinen Produktplänen auf Widerstand stieß. Nachdem sich Amdahl selbständig gemacht hatte, mit seinem überlegenen und preiswerteren Computer Erfolg hatte und sich seine Prognose bewahrheitete, daß IBMs hardwareseitige und preisliche Reaktionsmöglichkeiten sehr eingeschränkt waren, führte IBM einen neuen und leistungsfähigeren Instruktionssatz ein, der Amdahl vor Kompatibilitätsprobleme stellte. Amdahl kündigte zwar ein wiederum leistungsfähigeres kompatibles Produkt an, das sechs Monate nach der Erstauslieferung des neuen IBM-Systems verfügbar sein sollte, und war auch binnen drei Monaten (nach der ersten Auslieferung von IBM) in der Lage, die Kompatibilitätsprobleme zu lösen; jedoch verlor die Amdahl Corporation Umsätze aufgrund der Ungewißheit bzw. Furcht der Anwender vor einer erneuten zukünftigen Inkompatibilität. Gene Amdahl umschrieb diese Waffe IBMs mit "PUD Factor', d.h. mit dem 'Fear, Uncertainty and Doubt'-Faktor. Vgl. hierzu DeLamarter (Big), Kapitel 15, S. 219 - 233.
240
5. ZWISCHENERGEBNIS: SCHLUSSFOLGERUNGEN ZUM STRATEGIERELEVANTEN EINTRITTSBARRIERENBEGRIFF UND VORBEMERKUNG ZUR EMPIRISCHEN UNTERSUCHUNG
Nach der nunmehr abgeschlossenen Diskussion der vier Problemfelder bzw. Frage
stellungen, die der Strukturierung der vorliegenden Untersuchung dienten1, soll an
dieser Stelle als Zwischenergebnis festgehalten werden, wann Eintrittsbarrieren aus
unternehmensstrategischer Perspektive vorliegen und wodurch sie hervorgerufen
werden. Einige Vorüberlegungen zu den Implikationen dieses Eintrittsbarrieren
begriffes für die empirische Forschung leiten sodann zur Untersuchung der Zugangs
schranken des Mikrocomputermarktes in Kapitel 6 über.
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Marktstruktur (strukturalistisches Eintrittsbarrierenkonzept)
- Alle strukturellen Zu-trittshemmnisse sind Eintrittsbarrieren.
- Komplementäre Verhal-tensweise: Limit Pricing.
- Nur künstlich geschaffene Zutrittshemmnisse stel-len Eintrittsbarrieren dar.
- Die meisten der angeb-lichen Eintrittsbarrieren sind lediglich natürliche Zutrittshemmnisse.
Marktyerhal ten (strategisches Eintrittsbarrierenkonzept)
- Alle Abschreckungs-maßnahmen und Vergel-tungsdrohungen, die den Markteintritt für New-comer unattraktiv er-scheinen lassen, führen zu Eintrittsbarrieren.
- Vergeltung ist eine ir-rationale Strategie, die potentielle Newcomer nicht abschrecken kann.
- Maßnahmen, die New-comern den Eintritt er-schweren, führen zu Effizienz und dienen der Konsumentenwohlfahrt.
Abb. 15: Ergebnisüberblick ZU den vier Problemfeldern der Diskussion eines
strategierelevanten Eintrittsbarrierenbegriffes
1 Vgl. oben, Abb. 5, S. 46. Zu einer Zusammenstellung der wichtigsten Argumente siehe Abb. 15.
241
Zur Beantwortung der Frage, wann in der Lehre von der Unternehmensstrategie
sinnvollerweise vom Vorliegen von Eintrittsbarrieren gesprochen werden soll, greifen
wir nochmals auf die vorstehende Analyse der ökonomischen Sachverständigen im
Fall "U.S. gegen IBM" zurück. Denn die Expertenzeugen der Verteidigung stellen bei
der Herleitung des ihres Erachtens anzuwendenden Eintrittsbarrierenbegriffs einen
bislang vernachlässigten Aspekt heraus, nämlich daß potentielle Newcomer ihre Ein
trittsentscheidung auf der Grundlage einer Investitionsrechnung fällen.
Die Behandlung der Markteintrittsentscheidung als eine Investitionsentscheidung hat
zur Folge, daß die (momentanen) Wettbewerbsnachteile neueintretender Unterneh
men allein noch keine Auskunft über die Rentabilität des geplanten Projektes und
somit über die Existenz von Eintrittsbarrieren geben. Denn ein Newcomer könnte ja
in der Lage sein, seinen anfänglichen Nachteil im Zeitablauf zu verringern und aus
zugleichen, so daß dennoch eine ausreichende interne Verzinsung erzielt werden
kann und die Entscheidung daher für einen Markteintritt ausfällt.
Allerdings ist eine ungenügende interne Verzinsung, die den Kalkulations- bzw. Markt
zins also nicht übertrifft, nach Fisher et al. nicht in jedem Falle auf das Bestehen von
Eintrittsbarrieren zurückzuführen. Denn ein Investitionsprojekt kann sich auch des
halb als umentabel herausstellen und unterlassen werden, weil das Preisniveau seit
dem Markteintritt der bereits etablierten Unternehmen auf eine Höhe abgesunken
ist, die für ansonsten gleichgestellte Newcomer unwirtschaftlich ist. Hierunter hat
man - wie bereits ausgeführt2 - nach Fisher et al. keine ökonomisch relevanten
Marktzugangsschranken zu verstehen. Denn mit der Verfolgung einer Limitpreispoli
tik verhalten sich die Etablierten wettbewerblich: Zur Verteidigung ihres Markt
anteils müssen sie die Preise senken. Nur wenn sie das Preisniveau anheben könnten,
ohne dadurch den Eintritt neuer Wettbewerber hervorzurufen, kann man den Exper
tenzeugen zufolge berechtigterweise von Eintrittsbarrieren sprechen.
Deren Position zusammenfassend liegen Eintrittsbarrieren also dann vor, wenn
potentielle Newcomer nicht rentabel in einem Markt operieren können, und zwar
weil ihnen zusätzliche Investitionen abverlangt werden, die Etablierte nicht auf sich
nehmen mußten, und wenn'dies zu einer unzureichenden internen Verzinsung führt
und nicht etwa ein Preisverfall.
In ähnlicher Weise kann in Anlehnung an Demsetz vom Vorliegen von Eintrittsbar
rieren gesprochen werden, wenn Markteintritte deshalb nicht erfolgen, weil sie auf-
2 Vgl. oben, S. 231 f.
242
grund staatlicher Auflagen unwirtschaftlich sind, und wenn sie ohne diese Auflagen
rentabel wären3.
Und schließlich kann man argumentieren, daß wettbewerbspolitisch relevante Ein
trittsbarrieren dann gegeben sind, wenn ein potentieller Newcomer nicht in einen
Markt eintreten kann, obwohl er diesen Schritt für wirtschaftlich durchführbar hält4 -
also im Falle staatlicher Zugangsbeschränkungen.
Demgegenüber können Markteintrittsbarrieren aus einzelwirtschaftlicher und unter
nehmensstrategischer Sicht bereits dann als existent angesehen werden, wenn sich der
Markteintritt - aus welchen Gründen auch immer - für einen potentiellen Newcomer
"nicht rechnet". Das heißt, die Eintrittsbarrieren des betreffenden Marktes sind für
einen bestimmten potentiellen Konkurrenten dann (zu) hoch, wenn dieser über gün
stigere alternative Anlagemöglichkeiten des zu investierenden Kapitals verfügt und
folglich diese wahrnimmt. Demnach ist der zutreffende Indikator für die Höhe der
Eintrittsbarrieren - aus dem Blickwinkel eines Unternehmens, das den Markteintritt
erwägt - die in diesem Markt erzielbare interne Verzinsung oder auch die Zeitspanne
bis zum Erreichen der Gewinnschwelle5. Dieser Eintrittsbarrierenbegriff macht also
die Existenz von Marktzutrittsschranken am Ergebnis fest, d.h. am Ausbleiben des
Zutritts eines eintrittswilligen potentiellen Newcomers.
Im Unterschied hierzu kann man das Konzept der Markteintrittsbarrieren jedoch
auch als ein bloßes Analyseraster begreifen, mittels dessen man eine Aussage über die
Art und auch die Höhe des Wettbewerbsnachteils neueintretender Unternehmen
gegenüber bereits etablierten Anbietern treffen will. In diesem Sprachgebrauch
bezeichnen Eintrittsbarrieren also zunächst nur die Quellen von Wettbewerbsnach
teilen potentieller Konkurrenten, auch wenn diese möglicherweise kein prohibitiv
hohes Ausmaß annehmen und Markteintritte nicht tatsächlich verhindern. Eintritts
barrieren sind in diesem Sinne dann alle für einen Newcomer entscheidungsrele
vanten Nachteile (bzw. Quellen von Nachteilen) gegenüber bereits bestehenden
Anbietern, die entweder aus den natürlichen bzv.:. marktstrukturellen Anforderungen
entstehen, die ein neuer Konkurrent bei seinem Markteintritt erfüllen muß, oder aus
strategischen Verhaltensweisen der Etablierten resultieren.
3
4
5
Vgl. ähnlich Demsetz (Barriers), S. 48.
Für diesen Hinweis danke ich Herrn Prof. Dr. Manfred Neumann.
Vgl. in letztgenanntem Sinne Biggadike (Corporate diversification), S. 51 ff., insbesondere S. 57.
243
Welchen Beitrag zur Entscheidungsvorbereitung und -findung vermag nun ein der
artiges Analyseraster für einen potentiellen Newcomer zu leisten, der seine Entschei
dung ja auf der Grundlage einer Investitionsrechnung und nicht eines Kostenverglei
ches trifft? Mit Porter können Eintrittsbarrierenüberlegungen wie folgt in das Investi
tionskalkül eines eventuellen Neuanbieters einfließen und eine fundiertere Beurtei
lung des geplanten Projektes ermöglichen6: Ein Newcomer hat den aus der Präsenz
in der Branche erwarteten Umsätzen7 zunächst die für das neue Geschäft vorzuneh
menden Investitionen in Sachanlage- und Urnlaufvermögen (z.B. Produktionsanlagen
und Vorräte) gegenüberzustellen. Der hierfür erforderliche Investitionsbedarf kann -
wie oben mit dem Konzept des Raising rivals' costs beschrieben - von den Etablierten
durch die Erhöhung struktureller Barrieren gesteigert worden sein. Daneben sind
Investitionskosten für die Überwindung weiterer struktureller Barrieren in Ansatz zu
bringen, etwa für die Bewältigung der Differenzierungsbarriere aufgrund einer Mar
kenidentifikation oder der absoluten Eintrittsbarriere aufgrund unternehmenseigener
Technologien. Und schließlich müssen die voraussichtlichen Reaktionen etablierter
Unternehmen berücksichtigt werden, d.h. die Kosten aufgrund zu erwartender Ver
geltungsmaßnahmen müssen abgeschätzt und in das Kalkül einbezogen werden.
Diese Kosten errechnen sich nach Porter "aus den negativen Folgen der Vergeltung
(z.B. niedrigere Preise und erhöhte Marketingkosten), multipliziert mit der Wahr
scheinlichkeit, daß die Vergeltung stattfinden wird."S
Gelangt nun ein (bestimmter) Newcomer auf der Basis dieses Kalküls zu dem Ergeb
nis, daß das geplante Projekt nur eine unterdurchschnittliche Verzinsung des zu inve
stierenden Kapitals aufweist, und nimmt er aus diesem Grunde vom Markteintritt
Abstand, so liegen für ihn Eintrittsbarrieren (im engeren, d.h. ergebnisorientierten
Sinne) vor. Hiermit wird deutlich, daß mit einem ergebnisbezogenen Begriff die Frage
nach der Existenz von Eintrittsbarrieren für eine bestimmte Branche - wie z.B. in
Kapitel 6 für den Mikrocomputermarkt - nicht generell, d.h. unabhängig von der
(Ausgangs-)Situation des bzw. der jeweiligen Eintrittskandidaten beantwortbar ist.
Denn es müssen die distinktiven Kompetenzen der betreffenden potentiellen Kon
kurrenten und auch ihre alternativen Anlagemäglichkeiten berücksichtigt werden, um
beurteilen zu können, ob der zu untersuchende Markt ein attraktives Investitionsobjekt bzw. Eintrittsziel darstellt.
6
7
S
Vgl. nachstehend Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 424 f.
Porter spricht vom Cash-flow.
Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 424.
244
Dem könnte man nun aber entgegenhalten, daß ein Markt mit einer hohen Anbieter
zahl - wie z.B. der Mikrocomputermarkt - nicht von hohen Barrieren umgeben sein
kann, da sonst nicht so viele Markteintritte stattgefunden hätten. Dieser Rückschluß
vom beobachtbaren Ergebnis (nämlich dem Erfolgen von Marktzutritten) auf die
zugrundeliegenden Marktzugangsbedingungen9 liefert im Branchenvergleich einen
Hinweis auf die relative Schwierigkeit des Markteintrittes. Auch kann aus einer Viel
zahl vergangener Zutritte abgeleitet werden, daß frühere Newcomer offenbar eine
ausreichende Kapitalverzinsung erwartet haben und deshalb in den Markt eingetre
ten sind, wobei man dann davon ausgeht, daß keine anderen Eintrittsgründe maß
geblich warenlO• Aber mehr als einen ersten Anhaltspunkt kann der Erfolg oder
Mißerfolg bereits früher eingetretener Unternehmen einem vor der Eintrittsent
scheidung stehenden Newcomer nicht bieten. Denn die für den Erfolg eines bereits
etablierten Anbieters maßgeblichen (Eintritts-)Bedingungen können möglicherweise
nicht "duplizierbar" sein und Mißerfolge können mit anderen Gründen als Eintritts
barrieren in Zusammenhang stehen, wie die nachfolgenden Ausführungen anhand
einiger Beispiele aus dem Personal Computer-Markt belegen.
Bei diesem handelt es sich um einen Teilmarkt des Datenverarbeitungssektors, in
dem einerseits einige renommierte Hersteller aus dem Großrechner- und Minicom
puterbereich nicht erfolgreich Fuß' fassen konnten, sofern man dies anhand des
erreichten Absatzvolumens beurteilt, in dem aber andererseits einem neugegrün
deten Unternehmen ein - auch für amerikanische Verhältnisse - beispielloser Markt
erfolg gelang: Bereits nach neun Monaten konnte die im Februar 1982 in
Houston/Texas gegründete Compaq Computer Corporation ein positives Quartals
ergebnis vorlegen. Im ersten Geschäftsjahr wurde bei einem Umsatz von 111,22
Mio. $ ein Gewinn von 4,7 Mio. $ erzielt, womit Compaq das höchste Erst-Jahres
Ergebnis in der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte erreichtell. Dank anhaltender
überdurchschnittlicher Wachstumsraten konnte sich Compaq bis heute in die Liste
der 500 größten amerikanischen Industrieunternehmen einreihen und besetzte 1986 -
gemessen am wertmäßigen US-Marktanteil - mit 19 % Rang 2 hinter IBM (52 %),
jedoch noch vor dem Branchenpionier Apple (10 %)12. Auf dem deutschen Personal
Computer-Markt belegte Compaq 1985 - wie auch 1984 - nach Erhebungen des
Marktforschungsunternehmens Intelligent Electronics mengenmäßig Position sieben.
9 Vgl. zur Beurteilung des Vorliegens von Marktzutrittsschranken vom Ergebnis her insbesondere von Weizsäcker in seinem Vorwort zu Fisher et aL (US gegen IBM), S. XIII.
10 Diesem Aspekt wendet sich weiter unten Kap. 7 zu. V gL insbesondere S. 370 f.
11 Vgl. FAZ vom 06.01.1987, S. 11.
12 Vgl. Compaq Computer Corporation, 1986 Annual Report, S. 14.
245
Hingegen erreichte mit dem Elektronikkonzern Fujitsu Ltd. der größte japanische
DV-Anbieter, der in seinem angestammten Segment der IBM-kompatiblen Groß
rechner und steckerkompatiblen Peripheriegeräte eine führende Rolle einnimmt, das
für Ende 1985 gesteckte Ziel eines 5 %igen Marktanteils am deutschen und euro
päischen PC-Markt nicht13. Als das Unternehmen zur Hannover Messe 1983 seine
beiden Mikrocomputermodelle (Mikro 7 und Mikro 16) der Öffentlichkeit vorstellte,
wurden in Japan jährlich bereits 200.000 Stück des Einstiegsmodells Mikro 7 produ
ziert. Auch bestand mit der Fujitsu Mikroelektronik GmbH bereits eine deutsche
Niederlassung, der die Vermarktung der beiden Mikrocomputer übertragen werden
konnte. Mit dieser Tochtergesellschaft war Fujitsu erstmals unter eigenem Namen in
Deutschland in Erscheinung getreten. Bis dahin war man primär als OEM-Lieferant
für andere Anbieter tätig gewesen - im Großrechnerbereich beispielsweise für
Siemens, ICL und Burroughs - und somit einem breiteren Publikum weitgehend
unbekannt geblieben14. Um sich auch außerhalb der begrenzten Fachwelt einer brei
teren Öffentlichkeit als Hersteller von Mikrocomputern zu präsentieren, investierte
Fujitsu nach der Produktvorstellung innerhalb eines knappen Jahres mehr als
1 Mio. DM in eine Imagekampagne15, deren Werbebotschaft lautete: "Der größte
Computer-Hersteller Japans jetzt in Deutschland." Parallel dazu begann der Aufbau
eines Vertriebsnetzes. Bis zur Systems im November 1983 konnten 39 Händler
gewonnen werden, womit die für diesen Zeitpunkt geplante Anzahl von 15 autorisier
ten Vertriebspartnern deutlich übertroffen wurde16. Die große Resonanz der Händ
ler gründete sich auf die durchgeführte Werbekampagne, auf den Verzicht der
Bedienung paralleler Vertriebswege neben dem Fachhandel, auf die zugesagte
Bereitstellung entsprechender Software und Dokumentation für die angebotene
Hardware, sowie auf das starke Commitment seitens Fujitsu, auch noch in zehn
Jahren im deutschen Markt präsent zu sein, was dem Handel eine gewisse Sicherheit
bot17. Entgegen dem großen Interesse seitens des Handels und der Endkunden hatte
die deutsche Vertriebsgesellschaft jedoch nur "mit der Hälfte der Händler und der
Hälfte der Stückzahlen gerechnet,,18. Der Handel beklagte Verzögerungen bei der
Bereitstellung von Demonstrationsmodellen und deutschsprachiger Dokumentation.
Die Auslieferung der beiden Mikrocomputer begann zwar im Februar 1984, jedoch
13 Hierzu hätte Fujitsu zum fünftgrößten Anbieter aufsteigen müssen. VgI. Computerwoche 10 (1983) 17, S. 2.
14 VgI. CW 10 (1983) 17, S. 1 f.
15 VgI. Kirchmann (Falsch programmiert), S. 237.
16 VgI. CW 11 (1984) 15, S. 11.
17 VgI. hierzu bit 20 (1984) 2, S. 2 ff., und CW 11 (1984) 18, S. 6.
18 Klaus Brand, Marketing and Sales Manager Europe, zitiert nach CW 11 (1984) 18, S. 6.
246
konnte den Kundenbestellungen nicht in vollem Umfang nachgekommen werden,
worauf Aufträge z.T. wieder storniert wurden. Fujitsu stellte daraufhin die plan
mäßige Ausweitung des Vertriebsnetzes zurück, um den bestehenden Händlern die
nötige Unterstützung zukommen lassen zu können19•
Auch wenn Fujitsu letztlich die Erwartungen der Nachfrage und des Handels nicht
erfüllen konnte, scheint dies eher auf eine Fehleinschätzung der Absatzentwicklung
und bzw. oder auf eine bevorzugte Bedienung des amerikanischen Marktes gegen
über dem europäischen Markt zurückzuführen zu sein und weniger auf die Tatsache,
daß Eintrittsbarrieren in den PC-Markt unterschätzt wurden: Fujitsus Vertriebs- und
Marketingstrategie war offenbar im Gegenteil unerwartet erfolgreich, was das
Unternehmen vor Probleme der Vertriebsunterstützung und Geräteverfügbarkeit
stellte.
Das Scheitern von Markteintritten oder Nichterreichen von Marktanteilszielen gibt damit per se noch keinen Aufschluß über die Höhe der Markteintrittsbarrieren.
Diese lassen sich nur bei Abwesenheit von Planungs- oder Prognosefehlern aus der
Marktreaktion ablesen. So erfolgte auch der weitgehende Austritt der Digital
Equipment Corporation (DEC) aus dem Markt der Stand-alone-PCs aufgrund einer
anders antizipierten Marktentwicklung, wenngleich sich auch dafür argumentieren
läßt, daß der Markteintritt von DEC wegen einer schlechten Aufnahme der Produkte im Handel weniger erfolgreich verlief20: Der Marktführer bei Minicomputern und
zweitgrößte Anbieter im gesamten DV-Markt blieb mit seinen im Mai 1982 in den
USA eingeführten Personal Computern unter dem für 1983 angestrebten Absatz
volumen von weltweit 100.000 Stück. Im deutschen Markt wurden von der Rainbow
und Professional-Serie seit der Markteinführung im Februar 1983 bis zum Ende des gleichen Jahres 2.000 Geräte verkauft, womit die Erwartungen nicht erfüllt wurden21.
Ende 1984 reduzierte DEC schließlich sein Comrnitment für die Rainbow-Linie und
zog sich aus dem PC-Massenmarkt zurück, der über indirekte Vertriebswege bedient
wird. Von der Digital Equipment GmbH in München verlautete, "daß eine breite Streuung des Mikroabsatzes nicht im Sinne des Unternehmens liege. Auf keinen Fall
werde man sich an den Preiskämpfen im Mikromarkt beteiligen."22 Rückblickend
beurteilt man intern das Engagement im Mikrocomputermarkt, das auch durch den
Markteintritt von IBM "provoziert" wurde, als eine Fehleinschätzung des Entwick-
19 Vgl. ebenda, S. 1 und S. 6.
20 Siehe hierzu unten, S. 328 f.
21 Vgl. ÖVD /Online 1984/3, S. 12.
22 Willi Kistner, Vorsitzender der Geschäftsführung, zitiert nach CW 11 (1984) 42, S. 1.
247
lungstempos und des Gewinnpotentials: Zum einen hatte man geglaubt, daß sich die Lücke zwischen den professionellen PCs und den Minicomputern schneller schließen
würde, so daß man sich zum Einstieg in dieses Segment genötigt sah, um nicht den
Anschluß zu verlieren. Diese Vorstellung, daß es unerläßlich sei, bereits zu diesem
Zeitpunkt im PC-Bereich Fuß zu fassen, wurde schließlich Ende 1983 von President
Olsen korrigiert: " ... this first round of personal computers is not the important one. The major contest will be the 32-bit machine.',23 Aus dieser veränderten Prämisse
heraus wurde dann das Commitment für Personal Computer stark reduziert. Man
betrachtete diese Sparte eher als ein Zusatzgeschäft bzw. als Service für den Kunden
stamm24• Ausdruck dieser Produktstrategie ist auch der 1986 vorgestellte V AXmate,
der zwar zum IBM AT kompatibel ist, jedoch nicht als neuer Personal Computer dar
gestellt wurde. Statt dessen ist das Gerät als ein Arbeitsplatzrechner positioniert, der
in die DEC-Netzwerkarchitektur integriert ist, sich zugleich aber am Industriestan
dard für Personal Computer orientiert. Damit ist der VAXmate an den eingeschränk
ten Benutzerkreis von DEC-Minicomputern (VAX) adressiert: Er soll die Umgebung einer VAX für solche Anwender abdecken, die zugleich Wert auf einen Industrie
standard-PC bzw. auf MS-DOS-Fähigkeit legen.
DECs Rückzug aus dem Massenmarkt und die defensive Plazierung von Produkten,
die in die DEC-Welt eingebunden sind und zugleich PC-Funktionen erfüllen, hängen somit nicht unmittelbar bzw. nicht allein mit dem Mißerfolg beim Markteintritt oder
mit den Eintrittsbarrieren in das Mikrocomputer-Segment zusammen. Diese Schritte
resultieren vielmehr aus revidierten Prämissen hinsichtlich der Entwicklungsgeschwin
digkeit der Technologie und der Leistungsfähigkeit von Mikrocomrutern sowie aus
einer Neubewertung der Bedrohung, die von dieser Seite für das Minicomputer
geschäft von DEC ausging25.
Anhaltspunkte zur Beurteilung der Höhe der Eintrittsbarrieren ergeben sich statt
dessen aber aus der zweiten eingeräumten Fehlbeurteilung des finanziell aus diesem
Geschäft zu ziehenden Erfolges: Die Einschätzung, daß die in diesem Markt erziel
baren finanziellen Resultate - auch für den Marktführer IBM - nicht mit denen anderer
23 Kenneth H. Olsen, President, zitiert nach Fraker (DEC) S. 86. Mit der 'ersten Runde' ist die Generation der 8-Bit- und 16-Bit-Geräte gemeint.
24 VgI. Kenneth H. Olsen, President, in einem Interview gegenüber dem Manager Magazin, in: mm 14 (1984) 5, S. 137.
25 In diesem Sinne ist der Rückzug von DEC Ergebnis einer Prämissenkontrolle, die sicherlich auch durch das Nichterreichen der Absatzziele angeregt wurde. Diese Prämissenkontrolle führte dazu, daß die (strategischen) Austrittsbarrieren von DEC als gering perzipiert wurden. Zur Prämissenkontrolle im Rahmen eines Konzeptes strategischer Kontrolle vgI. Schreyögg & Steinmann (Strategic control).
248
Segmente des DV-Marktes vergleichbar seien, läßt zwei Interpretationen bzw. Erklä
rungsmöglichkeiten zu:
1) Die potentielle, durchschnittliche Branchenrentabilität ist vergleichsweise
niedrig, was in einem eher geringen Schutz durch Markteintrittsbarrieren, einer
eher hohen Rivalität und/oder Abnehmermacht begründet sein könnte26;
2) Oberdurchschnittliche Ergebnisse, insbesondere aufgrund eines Differenzierungs
vorteils, sind in diesem Markt nur schwer erzielba?7.
Es wäre damit keine für Newcomer spezifische Situation, mit einer eher niedrigen
(potentiellen) Rendite konfrontiert zu sein, jedoch bleibt zu beantworten, ob neue
Wettbewerber hier nicht dennoch aufgrund von absoluten, Kosten- oder Differenzie
rungsnachteilen in einer relativ ungünstigeren Lage sind. Dies zu klären ist Gegen
stand der nachfolgenden Ausführungen von Kapitel 6.
Hierin werden Eintritts- und Mobilitätsbarrieren - wie oben dargelegt - als ein
analytisches Raster zur Identifikation von Art und Ausmaß der Wettbewerbsnachteile
potentieller Newcomer verwendet. Ob diese Nachteile etablierten Anbietern einen
tatsächlichen Schutz vor Markteintritten bieten, hängt davon ab, ob potentielle
Neuanbieter meinen, unter den zu erwartenden Bedingungen im Mikrocomputer
markt eine angemessene Rendite erwirtschaften zu können. Dies müßte - unter
Zugrundelegung eines analytischen Eintrittsbarrierenbegriffes - entweder anhand
eines realen Falles gezeigt werden, oder aber es müßte eine Investitionsrechnung für
einen hypothetischen Newcomer in idealisierter Form durchgeführt werden28. Da
jedoch ein realer Fall nicht zugänglich war, in dem eine Markteintrittsanalyse nach
dem Schema Porters zu einem negativen Ergebnis führte29, und da auch die für einen
hypothetischen Fall erforderlichen Daten zum Investitionsbedarf für die einzelnen
Wertaktivitäten nicht in der notwendigen Genauigkeit und Vollständigkeit beschafft
26 Die Verbandlunl!$Stärke der Lieferanten ist demgegenüber von unterge<>rdneter Bedeutung. Hinsichtlich der Substitutionskonkurrenz geht die Bedrohung \'0171 Arlkrocomputer aus und wirkt nicht auf diesen ein.
n VgJ. in diesem Sinne z.B. Hergert (Standards, S. 81 ff.), der im Zuge einer Analyse des Einflusses von IBM auf die Herausbildung eines Branchenstandards die abnehmenden DifTerenzierungsmögIichkeiten beschreibt. Siehe hierzu auch S. 350, Fußnote 25.
28 Zu einem derartigen Procedere vgl. die exemplarische MarkteintrittskaU;u1ation eines fiktiven Newcomers in den amerikanischen Wegwerf\\indelmarkt bei Porter (Strategie interaction), S. 503 -506.
29 Siehe hierzu unten, S. 364, Fußnote 73.
249
werden konnten, kann nur das Urteil der befragten Branchenvertreter über die Aus
sicht auf Gewinnerzielung für einen potentiellen Newcomer wiedergegeben werden.
Der wesentliche Beitrag der nachfolgenden Untersuchung liegt folglich darin zu zei
gen, aus welchen Quellen die Eintrittsbarrieren des Mikrocomputermarktes resultie
ren und welches Ausmaß die Wettbewerbsnachteile neuer Konkurrenten annehmen,
die ein potentieller Newomer dann (im Einzelfall) in seinem Markteintrittskalkül in
Ansatz zu bringen hätte. Auch ohne diesen zweiten Schritt gelingt es bereits, die
Zweckmäßigkeit (und auch den praktischen Nutzen) eines Eintrittsbarrierenbegriffes
zu demonstrieren, der nicht bloß vom Ergebnis her auf die Existenz von Marktzu
trittsschranken schließt, sondern ein inhaltliches Raster für die Analyse von Wett
bewerbsnachteilen neueintretender Unternehmen bietet.
250
"Die neueste Errungenschaft auf dem Gebiet der Personal Computer von Upstart Systems! Das Gerät verwendet denselben Mikroprozessor wie das von IBM, aber dank unserer cleveren Techniker läuft es ein kleines bißchen schneller. Das Betriebssystem ist fast identisch, und schneller läuft es auch. Natürlich gibt es reichlich Software. Es verwendet größtenteils dieselben Programme, die für den IBM geliefert werden. Wie groß es ist? Na, seine Schuhnummer ist kleiner als die des IBM-Gerätes - es braucht 10 Prozent weniger Platz auf Ihrem Schreibtisch. Wo man es kaufen kann? Sehen Sie es sich bei Ihrem nächsten Upstart Systems-Vetragshändler an. Um ihn zu finden, rufen Sie 1-800-UPSTART an. Upstart ist übrigens 10 Prozent billiger als IBM in seiner meistverkauften Systemkonfiguration."l
6. BARRIEREN UND STRATEGIEN DES EINTRITTS IN DEN PERSONAL COMPUTER-MARKT: EINE FALLSTUDIE ZU DEN WETTBEWERBSNACHTEILEN POTENTIELLER UND NEU EINGETRETENER KONKURRENTEN2
Zielsetzung der empirischen Studie zu den Eintrittsbarrieren des Mikrocomputer
marktes ist es, die Zweckmäßigkeit des Eintrittsbarrierenkonzeptes als analytisches
Raster für die Beurteilung der Wettbewerbsnachteile potentieller Konkurrenten zu
demonstrieren. Hierzu ist es zunächst erforderlich, die strategische Heterogenität der
Wettbewerber, die keine branchenweit einheitlichen Eintrittsbarrieren erwarten läßt,
auf ein hinreichendes (und zugleich notwendiges) Maß zu reduzieren. Die Unter
suchung beginnt daher mit der Identifikation der strategischen Gruppen innerhalb
der Branche und der sie umgebenden Mobilitätsbarrieren. Im Zuge dieser bran
cheninternen Strukturanalyse werden Konzepte erfolgter Markteintritte in diese
Gruppen beschrieben, um auf diesem Wege die Wettbewerbsnachteile (und ggf.
1
2
Diese treffende Persiflage auf die "Clones", wie im Branchenjargon die Hersteller standardkompatibler Produkte bezeichnet werden, fmdet sich bei Davidow (High Tech), S. 66. Sie leitet dort das Kapitel zur Differenzierung in High Tech-Branchen ein, das überschrieben ist mit "Ein bißchen besser ist gefährlich".
Hinweis zur Zitiertechnik: Die nachfolgende empirische Untersuchung basiert auf einer Reihe von Interviews, die im Frühjahr 1985 (Voruntersuchung) und im Frühjahr 1987 (Hauptuntersuchung und Abschlußbefragung) durchgeführt wurden. Da wichtige Branchenvertreter ihre Mitwirkung an die Auflage knüpften, nicht zitiert zu werden, muß in den betreffenden Fällen eine Quellenangabe unterbleiben. Iuformationen, die nicht aus Interviews, sondern aus publizierten Quellen stammen, sind entsprechend kenntlich gemacht. Für (Redaktions-)Beiträge aus Fachzeitschriften und Wirtschaftspresse wird eine Kurzzitierweise angewandt, die sich auf die Angabe der FundsteIle beschränkt.
251
-vorteile) von Newcomern zu erfassen. Auf eine separate Marktbeschreibung wird
dabei verzichtet. Statt dessen erfolgt die Darstellung des relevanten Branchenhinter
grundes jeweils bei der Diskussion der einzelnen Dimensionen für die Erstellung der
strategischen Karte.
Im Anschluß an die Bestimmung der vier strategischen Gruppen und der diese
abschirmenden Mobilitätsbarrieren werden Art und Ausmaß der Wettbewerbsnachteile untersucht, die potentiellen Wettbewerbern bzw. neu eingetretenen Unterneh
men aufgrund der strukturellen Barrieren entstehen. Hierauf folgt eine Analyse der
reaktionsbedingten Zutrittsschranken, d.h. der Vergeltungsgefahr, mit der potentielle
Newcomer rechnen müssen. Eine zusammenfassende Beurteilung der Eintrittsbar
rierenhöhe beschließt die exemplarische Anwendung des Eintrittsbarrierenkonzeptes
auf die Mikrocomputerbranche.
6.1. Strategische Gruppen und Mobilitätsbarrieren des Mikrocomputermarktes
6.1.1. Heterogene Strategien in der frühen Phase der Branchenentwicklung
Die Mikrocomputerbranche ist Mitte der siebziger Jahre in den USA entstanden.
Dort boten 1975 Firmen wie MITS, Imsai oder MOS Technology die ersten Mikro
computer in Form von Bausätzen für technisch interessierte Bastler an3. Die entscheidende Marktphase begann mit der Markteinführung komplett montierter Geräte im Jahr 1977. Eine Schlüsselrolle spielten hierbei die Unternehmen Apple,
Commodore und Tandy, allerdings auf eine sehr unterschiedliche Art und Weise:
Commodore erwarb Ende 1976 MOS Technology, wo im gleichen Jahr mit dem PET der erste eigentliche Personal Computer entwickelt wurde. Dieses Gerät wurde über
Warenhäuser, Computergeschäfte und eigene Vertriebsstätten abgesetzt. Der Haupt
vorteil des PET war sein mit 595 $ damals sensationell niedriger Preis. Weniger Beachtung schenkte Commodore dem Vertrieb und dem Marketing: Die Beziehun
gen zum Handel galten traditionell als eher schlecht, das Werbebudget war gering.
Commodore stellte höherwertige Komponenten selbst her, nicht nur für den eigenen
Personal Computer, sondern auch für Fremdgeräte4•
3
4 Vgl. Pleil (Handbuch), S. 19, und Bues & Pleil (Mikrocomputer), S. 13.
Vgl. zu Commodore: Harrigan (Strategies), S. 258 f.
252
Im Gegensatz dazu konzentrierte sich Apple anfangs auf die Montage, investierte
dann aber sehr bald 600.000 $ Wagniskapital primär in die Verkaufsförderung. Der
Vertrieb erfolgte über unabhängige Händler. Auch wurden frühzeitig die technischen
Spezifikationen des Apple 11 publiziert, um externen Programmierern die Erstellung
von Software für dieses Modell zu ermöglichen. 1978 entstand auf diese Weise das
Programm VisiCalc, das elf Monate lang ausschließlich auf dem Apple 11 ablauffähig
war und stark zur Popularität dieses Produktes beitrugS.
Rndio Shack - eine Konsumelektronik-Kette mit mehr als 1400 Geschäften und Divi
sion der Tandy Corp. - verstand sich wiederum in erster Linie als Distributeur von
Mikrocomputern, wenngleich nach Lieferschwierigkeiten eine eigene Montage einge
richtet wurde. Preislich lag der TRS-80 von Radio Shack mit 600 $ deutlich unter den
1000 $ des Apple 11, der dafür jedoch ein professionelleres Design und umfang
reichere Leistungsmerkmale aufwies6• Nachdem eine Kundenanalyse bei Radio
Shack 1978 ergeben hatte, daß immer mehr Geschäftskunden den TRS-80 kauften,
wurden zwei neue Modelle für diesen Anwenderkreis eingeführt. Als wachstum
hemmend erwies sich jedoch der Mangel an Software 7.
Trotz dieser heterogenen Verhaltensweisen im Markt kann für diesen Zeitpunkt
mangels Branchenspielregeln noch nicht von strategischen Gruppen ausgegangen
werden, die ja stabile Rentabilitätsunterschiede zwischen Wettbewerbern erklären
sollen. Die Differenzen im Hinblick auf die Software-Strategie, die Modellvielfalt,
Marketing und Vertrieb, sowie hinsichtlich der vertikalen Integration können als
Ausdruck der strategischen Unsicherheit in einer jungen Branche gewertet werden8.
Diese Unsicherheit hielt auch Ende der siebziger Jahre an, als die Branche einen
Wechsel in den Abnehmersegmenten anstrebte, nämlich von den technisch vorgebil
deten Hobbyisten zu den programmierunerfahrenen Geschäftskunden. Das Bestre
ben der Hardwareanbieter nach einer Marktausweitung führte nach Pest zu einer
Dreier-Gruppierung bei den Personal Comp~ter-Herstellern9: Die einen gingen
Kooperationen mit Softwarehäusern oder anderen externen Partnern ein, von denen
sie mit Programmen versorgt wurden. Andere versuchten, mit hohen Investitionen
selbst eine Programm-Bibliothek aufzubauen, während die dritte Gruppe ganz von
5
6
7
8
9
VgI. hierzu Davidson (Apple), S. 204 ff.
VgI. Pest (Hardware), S. 19.
VgI. Harrigan (Strategies), S. 259.
VgI. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 275. Pest (Hardware, S. 19) bestätigt, daß diese Anfangszeit für fast alle Anbieter im Mikrocomputermarkt marketing- und vertriebsmäßig eine Experimentierund Lernphase darstellte.
V gI. Pest (Hardware), S. 19 f.
253
einem Softwareangebot absah und statt dessen ein reines Hardwaregeschäft über die
höhere Leistungsfähigkeit ihrer Geräte oder über den Preis führte.
Nachdem sich mit dem Betriebssystem CP IM von Digital Research ein Industriestandard für Personal Computer mit 8-Bit-Prozessoren durchgesetzt hatte, wuchs das
Programmangebot einer unabhängigen SW-Industrie. CP IM wurde für die meisten
Mikrocomputer angeboten und führte zu einer gewissen Softwarekompatibilität, auch
wenn die verschiedenen CP IM-Versionen hier Schwierigkeiten bereiteten. Für das Jahr 1981 schlägt Harrigan daher eine strategische Karte vor, die sich nicht nach der
Software-Strategie richtet, sondern von den Dimensionen vertikale Integration und
Vertriebskanäle aufgespannt wird10. Mit steigendem Absatzvolumen sei eine Rück
wärtsintegration in die Komponentenfertigung möglich geworden, zugleich hätten
einige Wettbewerber vorwärts integriert und eigene Vertriebswege eingerichtet,
wenngleich beides keinen deutlichen strategischen Vorteil versprach11.
Zu einem Umbruch innerhalb der Branche führte 1981 der Eintritt IBMs und
anderer traditioneller DV-Hersteller. Die Branche spaltete sich daraufhin sehr bald
in einen Markt für private (Homecomputermarkt) und professionelle Anwendungen
(Personal Computer-Markt). Die Branchenpioniere widmeten sich überwiegend dem
Homecomputersegment, während sich die Newcomer dem kommerziellen Markt ver
schrieben. In Deutschland fand diese Entwicklung mit einer Verzögerung von zwei
Jahren statt. Anfang 1983 trat - u.a. mit IBM, DEC, NCR und Siemens - eine Reihe
"etablierter" DV-Hersteller in den Mikrocomputermarkt ein. Diese Unternehmen
standen insofern vor einer neuartigen Aufgabe, als sie erstmals die breite Schicht der
Endanwender und DV-Laien ansprechen mußten, statt mit wenigen fachkundigen
Rechenzentrum- oder DV-Leitern zu kommunizieren. Auch die Erfahrungen aus
Auslandsmärkten waren nur bedingt übertragbar, da der deutsche Markt aufgrund
der hohen Anwenderansprüche im Vergleich zum amerikanischen Markt und zu
anderen europäischen Märkten als besonders schwierig gilt. Es folgte daher zunächst
eine Sondierungsphase, so daß ein interviewter Branchenvertreter für dieses Stadium
der Branchenentwicklung noch nicht von klaren strategischen Orientierungen
sprechen wollte. Strategische Gruppen im Sinne gleichartiger strategischer Verhal
tensweisen im deutschen Markt seien erst ab 1984 erkennbar geworden. Diese Ver
haltensweisen herauszukristallisieren ist Gegenstand der nachfolgenden Ausführun
gen. Hierzu werden die von Porter vorgeschlagenen Dimensionen der Wettbewers-
10 VgI. Harrigan (Strategies), S. 256.
11 Vgl. Harrigan (Strategies), S. 2fj7.
254
strategie12 analysiert. Da Unternehmensstrategien logische Kombinationen mehrerer
Strategiedimensionen sind13, werden gleichgerichtete Strategiemerkmale zusammen
zufassen sein. Diese Reduzierung auf die zentralen Dimensionen ermöglicht dann die
Erstellung einer strategischen Karte für die Branche.
6.1.2. Analyse zentraler Strategieunterscbiede anband der Porterseben Dimensionen der Wettbewerbsstrategie
Bei der Identifikation von Strategieunterschieden anhand der einzelnen Dimensionen von Wettbewerbsstrategien ist in einem ersten Schritt zu fragen, ob jeweils überhaupt heterogene Ausprägungen gegeben sind, oder ob die wichtigsten Unternehmen hin
sichtlich der betreffenden Dimension übereinstimmen. Diese Vorgehensweise führt jedoch zu einer Vielzahl von Strategieunterschieden, die zunächst isoliert darzustellen
wären. Um die damit verbundene ungeordnete Komplexität zu vermeiden, beginnt
die nachfolgende Analyse mit den beiden zentralen Dimensionen, nämlich der
Markenidentifikation und der Wahl des Vertriebsweges. Im Kontext der strategischen
Karte, die von diesen beiden Dimensionen aufgespannt wird, können dann weitere, z.T. abhängige Strategieunterschiede bezüglich anderer Dimensionen verortet werden.
Mit dieser Vorgehensweise wird zunächst implizit unterstellt, daß die ausgemachten
Unterschiede hinsichtlich der Vertriebswege und der Markenidentifikation für die
Bildung von strategischen Gruppen maßgeblich sind. Dies wird in einem zweiten
Schritt zu belegen sein. Denn für die Gruppenbildung erlangen nach dem Konzept
der brancheninternen Strukturanalyse nur diejenigen Strategieunterschiede Bedeutung, die zu Unterschieden bei der Produktdifferenzierung, den größenabhängigen
Kosten und/oder den größenunabhängigen Kosten führen14 und somit Mobilitätsbarrieren hervorrufen.
12 Vgl. Porler (WeUbewerbsslralegie), S. 174 f.
13 Vgl. Porler (WeUbewerbsstralegie), S. 176.
14 Vgl. Porler (Weubewerbsslralegie), S. 180.
255
6.1.2.1. Wahl des Vertriebsweges
Während mit den Minicomputern die nächsthöhere Rechnerklasse oberhalb der
Mikrocomputer von den Herstellern noch im Direktvertrieb abgesetzt werden kann, ist
dies bei Personal Computern aufgrund des niedrigen Preisniveaus im Einzelgeschäjt nicht mehr rentabel möglich: Als Preisuntergrenze für den direkten Vertrieb einzel
ner Systeme werden 50.000 DM genannt15• Demgegenüber liegt der Großteil der Hardwarekonfigurationen preislich jedoch unter 10.000 DM. Die Beschränkung auf den Direktvertrieb hätte also eine Konzentration auf das Großkundensegment bedeutet: Bei Unternehmen mit bis zu 200 Beschäftigten geht man von einem maxi
malen Bedarf von 10 Geräten aus. Firmen mit dieser Abnahmemenge gelten als
Fachhandelskunden. Da aber einerseits das größte Absatzpotential bei den kleineren und mittleren Unternehmen sowie Angehörigen freier Berufe erwartet wurde und nicht bei den Großkunden, und da andererseits der am Markt realisierbare Preis nur
über große Stückzahlen verwirklicht werden kann, bestand auch für Hersteller mit dem Zielsegment Großunternehmen die Notwendigkeit, den Markt der kleineren
und mittleren Unternehmen zu bedienen.
Dies erforderte von denjenigen Anbietern, die von größeren DV-Systemen und somit vom Direktvertrieb herkommen, den Aufbau eines indirekten Vertriebsweges. Die gewählten Absatzkanäle reichen hierbei vom Computerfachhandel über Softwareund Systemhäuser sowie über den Bürofachhandel und Büromaschinenhandel bis hin
zu Kauf- und Versandhäusern, Handelsketten und Großmärkten. Auch über den Phono- und Fernsehhandel sowie über Fotofachgeschäfte werden Mikrocomputer
vertrieben, jedoch mit dem Schwerpunkt bei Homecomputern und nicht bei profes
sionellen Geräten.
Hinsichtlich der auf der Handelsstufe geschaffenen zusätzlichen Wertschöpfung
ragen unter den genannten Absatzkanälen insbesondere die System- und Software
häuser heraus, die neben der allgemeinen Kaufberatung in besonderer Weise für die Erbringung von Softwareleistungen befähigt sind. Aufgrund der Schlüsselrolle, die
dem Komplementärprodukt Software beim Hardwareabsatz zukommt, wird diesem
Vertriebsweg von allen Anbietern, die sich an professionelle Kunden wenden, große Bedeutung beigemessen. Mengenmäßig entfällt auf die Software- und Systemhäuser
jedoch nur ein Anteil von 7 % des Absatzvolumens an kommerzielle Anwender.
15 vgl. Erik Hargesheimer, IDC Deutschland GmbH, nach Wiwo 38 (1984) 12, S. 86.
256
Stückzahlmäßig ist der Computerfachhandel am bedeutendsten, über den 36 % des
Branchenabsatzes an kommerzielle Kunden getätigt werden16. Diese Wiederver
käufer erbringen meist keine eigenen Softwareleistungen, sondern kombinieren in
der Regel die von den Hardwareanbietern gelieferten Personal Computer mit Pro
grammpaketen der unabhängigen Softwareindustrie zu einer Problemlösung, sofern
diese Komplettierung nicht bereits durch den Hardwarelieferanten erfolgt ist. Im
Einzelfall kann die vom Hersteller gelieferte Grundkonfiguration auch noch mit HW
Erweiterungen oder -Ergänzungen versehen werden. Da alle Wettbewerber den
Markt prinzipiell auch über den Computerfachhandel bedienen17, ergeben sich hier
nur Unterschiede hinsichtlich der Zusammensetzung der Vertriebspartner: Während
z.B. für die Victor Technologies GmbH der Anteil der Computerfachhändler mit
60 % angegeben wird18, ist die Mehrzahl der Compaq- und Ericsson-Vertriebspart
ner der Kategorie Software- und Systemhäuser zuzuzählen.
Ein deutlicherer Unterschied könnte sich hinsichtlich der Vertriebswege Kaufhäuser
und Großmärkte ergeben, die nicht durchgehend von allen Wettbewerbern bedient
werden. Da aber in Kaufhäusern häufig Mikrocomputerabteilungen nach dem "shop
in the shop"-Prinzip eingerichtet sind, besteht hier kein grundsätzlicher Unterschied
zum Computerfachhandel. Eine überschneidungsfreie Zurechnung derartiger Ver
triebspartner ist daher nicht mehr möglich19. Lediglich in den Fällen, in denen die
Computerabteilung eine Unterabteilung der Unterhaltungselektronik bildet und vor
wiegend Home- und Spielcomputer abgesetzt werden, könnte anband des Vertriebs
weges Kaufhäuser eine Unterteilung der Wettbewerber vorgenommen werden, die
dann jedoch mit Produktunterschieden (kommerzielle vs. Homecomputer) zur
Deckung gebracht werden kann.
Einen neuen Weg für den PC-Vertrieb beschritt IBM mit der Großhandelskette
Metro, um Zugang zu Gewerbetreibenden zu finden. Dieser Schritt wurde von
Olivetti nachvollzogen. Andere Wettbewerber stellten die Qualifikation dieses
Absatzkanals hinsichtlich Beratung und Service in Frage oder verzichteten aus Grün
den der Fachhandelstreue auf die Bedienung dieses Vertriebsweges.
16 Vgl. Lopez-Diaz (Markt), S. 186. Hiervon entfallen 16 % auf den herstellergebundenen Computerfachbandel und 20 % auf den ungebundenen Fachhandel.
17 Eine Ausnahme bildet hier - wie bereits oben auf S. 246 f. erläutert - allenfalls DEC nach dem Rückzug aus dem Massenmarkt.
18 Vgl. bit 21 (1985) 4, S. 92.
19 Vgl. Pleil (Handbuch), S. 244.
257
Im Hinblick auf die Breite der gewählten indirekten Vertriebskanäle zeichnen sich also Unterschiede ab, wobei IBM das gesamte Spektrum der Wiederverkäufer
abdeckt, während sich z.B. Compaq neben dem Computerfachhandel insbesondere auf System- und Softwarehäuser konzentriert. Ein weitaus gravierenderer Unter
schied zwischen diesen beiden Wettbewerbern ergibt sich jedoch bezüglich des Direktvertriebes: IBM sowie die anderen klassischen DV-Anbieter, die aus ihrem angestammten Geschäft bereits über einen Direktvertrieb und über (Groß-)Kundenkontakte verfügen, nutzen ihre bestehende Vertriebsorganisation auch für den Mikrobereich. Die originären Mikrocomputeranbieter, zu denen auch Compaq zählt,
verzichten hingegen generell auf die Einrichtung eines Direktvertriebes, obwohl sie ressourcenmäßig dazu in der Lage wären, und bekennen sich statt dessen zur (Fach-)
Handelstreue. Sie entfalten zwar auch eigene Aktivitäten im Großkundengeschäft,
die jedoch nur der Unterstützung der Vertragspartner bei Verhandlungen mit Großabnehmern dienen. Zu diesem Zweck unterhält beispielsweise Apple für den
deutschen Markt neun Regionalbüros, die für Händlerbetreuung, Großkundenunterstützung und Servicefragen zuständig sind20. Auch berichtet z.B. Commodore, daß es
zwar Großkunden gibt, die nur mit dem Hersteller selbst verhandeln wollen, aufgrund entsprechender eigener Kapazitäten auf Serviceleistungen verzichten und dafür Rabatte verlangen, wie sie sonst dem Fachhandel eingeräumt werden. Sofern aber Serviceleistungen erbracht werden müssen, falle diese Aufgabe auch bei Großkunden - mit zudem häufig dezentraler Organisation, wie z.B. bei der Bundesbahn -den Händlern vor Ort zu21, weshalb man bestrebt sei, das Geschäft auch grundsätzlich
über die Vertragspartner zu tätigen bzw. diese einzubeziehen.
Von den traditionellen DV-Herstellern mit eigenen Verkaufsniederlassungen wurden als weitere Form des Direktvertriebes z.T. herstellereigene Computerläden eingerichtet - besonders aufsehenerregend bei IBM. Von den unmittelbaren Mitbewerbern wurden diese IBM-Läden nicht als Konkurrenz zum Fachhandel gesehen22, wenn
gleich von dritten Branchenbeobachtern mit einer weiteren Ausdehnung dieses Vertriebskonzeptes gerechnet wurde. Bei Ericsson sah man die IBM-Läden statt dessen
als eine Form der Imagewerbung an. Viele Wettbewerber verzichteten daher auf her-
20 vgl. B-W 1985/7-8, S. 8.
21 Dieser Service-Aspekt wird auch von seiten der PC-Hersteller mit eigenem Direktvertrieb betont, z.B. durch Ericsson: Nicht nur aus Kostengründen bei der Akquisition sei der PC-Direktvertricb in kleinen Stückzahlen nicht möglich. Vielmehr könne auch der erforderliche l1ächendeckende Support nicht vom Hersteller allein gewährleistet werden.
22 Im Gegensatz hierzu bewerten die handelsorientierten Wettbewerber - wie z.B. Victor - den herstellergebundenen Fachhandel als Konkurrenz zum ungebundenen Fachhandel, so daß die eigene Position gegenüber den Absatzmittlern geschwächt werden würde. Daher verzichtet diese Gruppe generell auf eigene Computerläden.
258
stellereigene Computerläden, so daß auch innerhalb der Gruppe von Unternehmen
mit Direktvertrieb noch zwei Untergruppen gebildet werden könnten. Wie bei den
indirekten Vertriebskanälen tritt jedoch eine weitere Untergliederung des Direktvertriebes gegenüber der prinzipiellen strategischen Entscheidung, diesen Vertriebsweg
zu wählen, in den Hintergrund23•
Demnach lassen sich nach der Wahl des Vertriebsweges zwei wesentliche Gruppen
unterscheiden:
Die traditionellen DV-Hersteller behalten für größere Abschlüsse die Form des klassi
schen Direktvertriebes bei, sind aber aus folgenden Gründen gezwungen, daneben
auch indirekte Vertriebskanäle zu bedienen:
Hohe Akquisitionskosten stehen im Einzelgeschäft nicht in einem ausgewogenen
Verhältnis zum Preis des Produktes.
Eine Konzentration auf das Großkundengeschäft - und somit auf Großaufträge -
ist aufgrund von Stückzahl-24 und preispolitischen Überlegungen nicht durch
führbar. Ein flächendeckender Support ist nur über Vertragspartner möglich.
Die zweite Gruppe, die sich aus den originären Mikrocomputeranbietem zusammen
setzt, richtet zugunsten einer hohen Loyalität des Fachhandels keinen eigenen
Direktvertrieb ein, sondern wickelt im kommerziellen Bereich Geschäfte aller
Größenordnungen grundsätzlich über indirekte, ungebundene Vertriebskanäle ab25•
23 Zudem ist seit Januar 1987 die Zielsetzung der acht in der Bundesrepublik bestehenden IBMLäden geändert: Diese bisherigen Verkaufsstellen dienen nur noch als Iuformations- und Beratungszentren für die mittelständische Wirtschaft. Der Verkauf der Produkte erfolgt über Vertragshändler, Vertriebspartner und die IBM-Vertriebsorganisation. Mit dem Rückzug des Branchenführers aus diesem Vertriebsweg schwinden auch die Unterschiede hinsichtlich des Engagements im herstellergebundenen Fachhandel, so daß eine Gruppenbildung nach diesem Kriterium nicht angebracht scheint.
24 Branchenweit werden laut IDC Deutschland nur 14 % aller kommerziell genutzten PCs direkt abgesetzt, 86 % entfallen auf den indirekten Vertrieb. Vgl. manager magazin 14 (1984) 11, S. 92.
25 Der öffentliche Sektor wird von diesen Unternehmen z. T. aber auch direkt bedient. So hat z.B. Tandon im Mai 1986 in den USA eine "public sector marketing division" gebildet, die Personal Computer an Behörden, Bildungseinrichtungen und sonstige Institutionen vermarktet. Vgl. Tandon Corporation, 1986 Annual Report, S. 5.
259
6.1.2.2. Grad der Markenidentifikation und Preispolitik
Der Grad der Markenidentifikation bezeichnet das Ausmaß, in dem ein Anbieter den
Wettbewerb anstelle des Preises über andere Strategieparameter betreibt26•
In engem Zusammenhang mit der Markenidentifikation steht der in der Branche
gegebene Differenzierungsspielraum und die Frage nach den Quellen der Einmalig
keit. Aufgrund des von der IBM gesetzten Industriestandards besteht heute die Not
wendigkeit zur IBM-Kompatibilität, um auf das an diesem Standard orientierte
umfangreiche Marktangebot an Komplementärprodukten zurückgreifen zu können.
Die Möglichkeiten, sich heute noch hardwareseitig zu differenzieren, werden von
Branchenvertretern als gering, die vom Industriestandard gezogenen Grenzen als eng
bezeichnet, wobei die Einschätzungen allerdings je nach dem Markteintrittszeitpunkt
divergieren: Als man bei Commodore die Produktkonzeption für die PC-Linie fest
legte, die Anfang 1985 eingeführt wurde, lautete die Frage, ob man die konstruktiven
Mängel des IBM-Gerätes beheben und insofern "etwas mehr bieten" solle, oder ob
man sich am Industriestandard ausrichten solle. Da IBM in seiner Rolle als Bran
chenführer jedoch für eine hohe Softwareverfügbarkeit gesorgt hatte und ein Markt
eintritt ohne Software nicht möglich ist, fiel die Entscheidung, dem Standard zu
folgen. Die Geräte wurden entsprechend dem Industriestandard konfiguriert. Die
Möglichkeit, über die Grenzen des Standards hinauszugehen, wurde nicht wahrge
nommen, um voll kompatibel zu sein. Innerhalb des damit vorgegebenen Rahmens
wurden einige technische Verbesserungen realisiert. Diese Vorgehensweise ent
spricht der gängigen Praxis innerhalb der Branche, sich an den Vorgaben von IBM zu
orientieren und eine lediglich geringfügig leistungsfähigere Hardwarekonfiguration
anzubieten. Bei derart homogenen Produkten, die kaum etwas als einzigartig aus
zeichnen kann, wird die Differenzierung dann zu einer Aufgabe des Marketings27•
Von den befragten Firmenvertretern IBM-kompatibler Anbieter wurde ein hard
wareseitiges Differenzierungspotential lediglich bei Compaq gesehen: Bei Wahrung
der Kompatibilität sei es sehr wohl möglich, Innovationen zu tätigen, z.B. durch
Rückgriff auf schnellere Prozessoren, durch Einsatz von Festplatten mit geringerer
Zugriffszeit oder durch integrierte Bandlaufwerke zur Datensicherung. Bei dieser
Einschätzung ist jedoch zu berücksichtigen, daß Compaq nach dem Markteintritt von
IBM als erstes Unternehmen die Bedeutung des Industriestandards erkannt hat: Eine
26 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 174.
27 Vgl. Davidow (High Tech), S. 66 ff.
260
Beobachtung der Entwicklung der IBM in ihren angestammten Märkten habe erge
ben, daß überall dort, wo IBM mit einem hohen Commitment in den Markt eingetre
ten ist, kurz- und mittelfristig deutliche Zeichen gesetzt werden konnten, an denen
sich der Markt orientiert hat. Für Compaq sei schon damals erkennbar gewesen, daß
um den IBM PC herum ein Markt für Komplementärprodukte entstehen würde28• In
dieser frühen Phase des IBM-kompatiblen Marktes bot sich für Compaq ein deutlicher "early mover advantage": Als damals einziger kompatibler Anbieter konnte sich
Compaq sehr früh ein Image als Technologieführer aufbauen. Dies gelang mittels
einer Produktphilosophie, wonach Cornpaq bei Akzeptanz des Industriestandards
immer mindestens 50 % mehr an Leistungsfähigkeit bietet als das entsprechende
IBM-Gerät29. Während heute zwar bereits weitere Wettbewerber im High-Perfor
mance-Bereich des Mikromarktes anzutreffen sind (z.B. Zenith), haben es diese
Unternehmen nicht geschafft, ein entsprechendes Image aufzubauen. Trotz der
Differenzierungsmöglichkeiten gegenüber IBM, die man bei Compaq hinsichtlich der Hardware sieht, liegt der Differenzierungsvorteil gegenüber anderen innovativen
Wettbewerbern also wiederum im Marketing begründet. So bezeichnet sich auch
Compaq selbst als ein marketingorientiertes Unternehmen.
Ein Beispiel für einen fehlgeschlagenen Differenzierungsversuch außerhalb des
Marktstandards bildet der PC-D von Siemens. Dieses Gerät wurde nicht auf eine
volle Kompatibilität zum Industriestandard ausgelegt3O• Für diese Entscheidung
bieten sich zwei Deutungsaiternativen an: Siemens und IBM treffen nicht nur im
Mikrocomputermarkt als Konkurrenten aufeinander, sondern stehen sich auch noch
in anderen Segmenten der Datenverarbeitungsindustrie gegenüber. In diesen Berei
chen sind die Siemensprodukte nicht IBM-kompatibel, so daß es möglicherweise
nahe lag, die dort verfolgte Produktpolitik für den PC-Bereich zu übernehmen. Denn
trotz der Inkompatibilität bei Großrechnern befindet sich Siemens im Mainframe
Segment unter dem Schutz des Preisschirmes von IBM. Die gemeinsame Vergangen
heit auf anderen Märkten könnte daher das Management dazu bewogen haben, das
Biid des "guten Marktführers,,31 auch auf den Personal Computer-Markt zu übertra-
28 Diese Beurteilung wurde 1981 nicht von allen Branchenbeobachtern geteilt: Der Markteintritt von IBM wurde von skeptischen Stimmen begleitet, IBM hätte die Mikro-Entwicklung "verschlafen". Auch sei es damals fraglich gewesen, ob der atypische Mikrocomputermarkt mit seinen "exotischen" Pionieranbietern jemals den Regeln anderer DV-Segmente gehorchen würde.
29 Dieses Grundprinzip kommt auch in der Namengebung von Compaq zum Ausdruck, einem Kunstwort aus Compatibility and quality, das ein Bekenntnis zum Marktstandard und zur Qualität bzw. Leistungsfähigkeit beinhaltet.
30 Auch der ebenfalls relativ spät eingeführte "Yes" von Philips war nicht voll IBM-kompatibel. Die Produktion des Yes ist inzwischen wieder eingestellt worden.
31 Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 283.
261
gen und von einer geringen Wettbewerbsintensität auszugehen, evtl. gepaart mit einer grundsätzlichen Aversion gegen die IBM-Kompatibilität. Nach dieser Interpre
tation wäre eine Differenzierung auf technischer Seite bewußt angestrebt worden.
Ein zweites Deutungsmuster beschreibt Henning mit der Feststellung, daß Inkompa
tibilität meist nicht mutwillig eingebaut wird. Vielmehr ist sie oft eine "nicht ver
meidbare Folge einer vom PC-Hersteller ganz bewußt vorgenommenen wesentlichen Verbesserung seines PC gegenüber dem Standard."32 Diese Position wurde von Sie
mens nach außen hin vertreten. So wären die zusätzlichen Leistungsmerkmale, näm
lich ein verbesserter Bildschirm, eine ergonomische Tastatur und ein schnellerer
Prozessor, bei IBM-Kompatibilität nicht realisierbar gewesen33. Diese Verbesserungen führten dann dazu, daß der PC-D nur als "teilweise softwarekompatibel" einge
stuft werden konnte. Dies besagt, daß nur sogenannte well-behaved-Software ablauffähig ist, nicht aber Programme, die zur Verbesserung der Ablaufgeschwindigkeit von
einem definierten Wohlverhalten abweichen34. Aufgrund dieses geringen Kompatibi
litätsgrades wurde die über den Industriestandard hinausgehende Funktionalität des
PC-D vom Markt nicht durch eine Preisprämie honoriert. Das Nachfolgeprodukt, der
PCD-2, wurde daher als kompatibel zum entsprechenden IBM-Gerät konzipiert und
bewegt sich im Rahmen der marktüblichen Leistungsdaten. Differenzierungsmög
lichkeiten werden nun primär im Bereich des Marketing gesucht.
Eine Sonderstellung unter den Wettbewerbern im professionellen Markt nimmt
Apple ein: Während sich die Mehrzahl der kompatiblen Anbieter über die Hardware
nur graduell differenziert und auch Compaq auf eine Leistungsdifferenzierung innerhalb des Industriestandards setzt, distanziert sich Apple von diesem Standard und
betont Alleinstellungsmerkmale hinsichtlich der Schnittstelle zum Benutzer. Unter
einem eigenen Betriebssystem ist eine einzigartige Benutzeroberfläche realisiert, die
dem Anwender das Erlernen des Umgangs mit einem Mikrocomputer erleichtern
soll. Hierzu werden auf dem Bildschirm kleine graphische Symbole dargestellt, die
bekannte Arbeitsmittel wie Ordner, Notizblock etc. darstellen. Der Benutzer muß
folglich keine Befehlsnamen erlernen, sondern kann durch das Anwählen eines
Symbols mit dem Computer arbeiten, ohne spezielle Vorkenntnisse mitbringen zu
müssen. Außerdem wurde für Softwareentwickler ein Oberflächenstandard gesetzt, so daß der Benutzer unabhängig von der Applikation bestimmte Befehle immer an
gleicher Stelle im Menü findet, was dem Anwender den Zugang zu neuen Pro-
32 Henning (Kompatibel), S. 52.
33 Vgl. Reiner Hallauer, Leiter Vertrieb Personal Computer bei der Siemens AG, in einem Interview gegenüber der Infowelt; in: Infowelt vom 24.03.1986, S. 12.
34 Vgl. hierzu sowie zu den Kompatibilitätsgraden Henning (Kompatibel), S. 50 ff.
262
grarnmen erleichtert. Dank dieser einzigartigen Benutzeroberfläche kann sich Apple
von dem sonst eher homogenen Produktangebot des Industriestandards abheben.
Für die im kompatiblen Marktsegment positionierten Wettbewerber besagt die
geringe hardwareseitige Differenzierbarkeit jedoch nicht, daß die Mehrzahl der
bedeutenden Marktteilnehmer über den Preis konkurriert. Diese suchen statt dessen
marketingseitige Differenzierungsquellen und verfolgen die klassiche PCM-Preis
politik, kompatible Produkte mit einer um 5 bis 15 % höheren Leistungsfähigkeit zu
Preisen von 5 bis 15 % unter IBM-Niveau zu verkaufen. Diese Mehrleistung und
Preisabschläge dienen dem Ausgleich des Differenzierungsnachteils gegenüber IBM
und sind daher nicht mit einer preisaggressiven Vorgehensweise gleichzusetzen. Auch
hier steht die Markenidentifikation im Vordergrund.
Zu dieser Gruppe der auf eine hohe Markenidentifikation bedachten Wettbewerber
zählen im wesentlichen die traditionellen Datenverarbeitungshersteller, die ihr Image als Anbieter größerer DV-Systeme auf den Mikro-Markt übertragen konnten35.
Wegen der Zusammensetzung der Gruppe aus renommierten Branchenvertretern
wie IBM, Siemens, Olivetti, NCR und anderen namhaften DV-Anbietern soll diese
Gruppe "Big Names" genannt werden36.
Unter den originären Mikrocomputeranbietem haben die Unternehmen Compaq und Apple einen hohen Grad an Markenidentifikation gewählt. Sie bieten den Kunden
bei hohem Preisniveau "echte" Produktvorteile, die über das zur Abgrenzung gegen
über IBM übliche Mindestmaß hinausgehen. Aufgrund dieses geräteseitig geschaf
fenen Mehrwertes wird diese Gruppe mit "ValueAdded Hardware"bezeichnet.
Neben den PC-Anbietern mit einem hohen Grad an Markenidentifikation und geho
benem bis hohem Preisniveau existiert im Mikrocomputermarkt eine Reihe preis
aggressiver Wettbewerber. Im professionellen Marktsegment sind hier die sogenannten
"Clones" zu nennen, deren einziges Ziel darin besteht, technisch möglichst original
getreue und damit möglichst kompatible Nachbauten des IBM PC zu liefern und
diese aggressiv über den Preis zu vermarkten. Beispiele für derartige Niedrigpreis
anbieter sind Tatung, Cosmos und Multitech aus dem ostasiatischen Raum.
35 Mit dieser horizontalen Strategie, die auf eine (marketingseitige) Verflechtung mit anderen Unternehmenseinheiten absteHt, konnte IBM frühe Marktführer wie Apple und Tandy überrunden. Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 655 f.
36 Wahl der Terminologie nach CW 11 (1984) 21, S. 1: Mikromarkt konzentriert sich auf "Big Names".
263
Daneben entstand 1985 innerhalb des ffiM-kompatiblen Marktes eine weitere
Gruppe preisaggressiver Wettbewerber, welche sich gegenüber den fernöstlichen "No
Name-Clones" durch eine Reputation abheben, die sie aus verwandten Produktbe
reichen übertragen konnten, die aber nicht an den Ruf der "Big Names" herameicht.
So war Commodore in Deutschland bereits Marktführer bei Homecomputern und
genoß bei bestimmten potentiellen Anwenderkreisen bereits einen hohen Bekannt
heitsgrad, als zu Beginn des Jahres 1985 die PC-Linie vorgestellt wurde37. Ein ähn
liches Strategieprofil wie Commodore besitzt die Tandon Computer GmbH, die als
deutsche Vertriebsgesellschaft der Tandon Corp. erst im Oktober 1985 gegründet
wurde. Die amerikanische Muttergesellschaft war zu diesem Zeitpunkt bereits 10
Jahre als Zulieferer im Mikrocomputermarkt tätig: 1975 wurde die Produktion
magnetischer Schreib-Lese-Köpfe aufgenommen. Hierzu wurde bei Tandon eine
eigene Fertigungs- und Produkttechnologie entwickelt, welche die Kosten von
Qualitäts-Schreibköpfen um mehr als die Hälfte reduzierte38• Von dieser Basis aus
gehend beschritt Tandon seine "Strategie der vertikalen Produktintegration": 1979
ging man dazu über, für den herameifenden Mikrocomputermarkt ein komplettes
Diskettenlaufwerk zu entwickeln und zu fertigen. Trotz weniger spektakulärer Fort
schritte als bei den Halbleitern wurde diesem 5 1/ 4-Zoll-Laufwerk eine gleichrangige
Bedeutung für die Entwicklung des Personal Computer-Marktes beigemessen39. Wie auch bei den Schreibköpfen verfolgte Tandon bei den Laufwerken eine Preisführer
schaftsstrategie und avancierte damit innerhalb von drei Jahren zum weltgrößten
Hersteller von Mikrocomputer-Laufwerken. Die Produktpalette wurde in vertikaler Richtung schließlich auf Festplattenlaufwerke, Mikrocomputer-Subsysteme
(Zentraleinheiten) und letztlich komplette Personal Computer für OEM-Kunden
(z.B. Tandy und Victor) ausgedehnt4O• Das strategische Konzept für den Zuliefer
markt lautete dabei in allen Fällen Kostenführerschaft, die über die Fertigungstech
nologie verfolgt wurde: Im Vordergrund stehen Produktion und Engineering. Die
Produkttechnologie spielt nur eine untergeordnete Rolle: Produktinnovationen
werden nicht autonom, sondern nur in Reaktion auf Kundenwünsche vorgenommen. Das Streben nach einer Kostenführerschaft in der Produktion kommt in einer hohen
Fertigungstiefe zum Ausdruck, wobei sich Tandon der Vorteile einer internationalen
Arbeitsteilung in der Komponentenfertigung bedient. Die Kostenvorteile, die aus dem hohen Grad an vertikaler Integration in der Laufwerkeherstellung resultieren,
37 VgI. zu Commodore unten, S. 271 f.
38 VgI. Jürgen Tepper, Geschäftsführer der Tandon GmbH, in einem Interview gegenüber dem Fachmagazin bit, in: bit 22 (1986) 1, S. 50.
39 Vgl. McClellan (Shakeout), S. 227.
40 VgI. FAZ vom 14.10.1985, S. 17.
264
werden über den Preis an die Abnehmer weitergegeben: Tandon kündigt seine
Produkte frühzeitig mit sehr niedrigen Preisen an, um den Markt zu verunsichern und
die Computerhersteller daran zu hindern, sich auf andere Zulieferer festzulegen41•
Als 1984 die auf ein hohes Wachstum ausgelegten Kapazitäten nicht mehr ausgelastet
waren, da Aufträge von OEM-Kunden - wegen der Verlangsamung des Branchen
wachsturns42 - weniger hoch ausfielen als erwartet, war man bei Tandon bestrebt, die
Abhängigkeit vom Geschäftsverlauf der Kunden zu reduzieren, auf den man als Komponentenhersteller keinen Einfluß hatte. Der Einstieg in das Endkundengeschäft
führte dann zur Vermarktung von Personal Computern unter eigenem Namen. Dem
Markteintritt von Tandon - mit dem Preis als wichtigstem Wettbewerbsparameter -
ging die Grundüberlegung voraus, daß es bei der Homogenität der IBM-kompatiblen
Produkte nicht gelingen würde, sich durch einige zusätzliche Ausstattungsmerkmale
gegenüber anderen existierenden Modellen abzuheben. Die zweite Grundüberlegung
lautete, daß sich die Anwender und auch der Handel an IBM orientieren und daß der
Kunde nur noch über das Verkaufsargument Preis von IBM wegbewegt werden kann.
Um dies bewirken zu können - so nahm man an -, muß dem Kunden ein 40 %iger
Preisvorteil gegenüber IBM geboten werden. Dies erforderte bei all denjenigen
Komponenten eine strikte Anpassung an IBM, bei denen eine hardwareseitige Diffe
renzierung zu Mehrkosten und somit zu höheren Preisen geführt hätte. Dies ist bei allen Teilen der Fall, die Tandon zukaufen muß, so daß keine Kostenvorteile aus ver
tikaler Integration realisiert werden können. Über derartige Vorteile verfügt Tandon nach eigenen Angaben als führender Hersteller von Laufwerken für Mikrocomputer
bei den Speichermedien. Aufwertungen gegenüber dem Standard beschränken sich daher auf die peripheren Speichereinheiten und andere eigengefertigte Komponen
ten. Damit ist man in der Lage, ein deutlich günstigeres Preis-/Leistungsverhältnis bei ebenbürtiger und z.T. verbesserter Geräteausstattung zu bieten. Aufgrund der
Möglichkeit, PCs - dank der Vorteile aus der ''vertikalen Produktintegration" und
dank der Erfahrung im Bau von ganzen Computern für OEM-Kunden - sehr preis
günstig anbieten zu können, sah man in Niedrigpreisen die für Tandon geeignetste Eintrittsstrategie.
Eine preisaggressive Vorgehensweise beinhaltete jedoch die Gefahr, mit den ostasia
tischen Clones in Verbindung gebracht zu werden. Man erkannte daher die Notwen
digkeit, sich gegenüber den "fernöstlichen Billigimporten" abzuheben. Dazu mußte
bei den potentiellen Kunden und dem Handel, aber auch bei der Fachpresse der
Eindruck eines Markenproduktes geweckt werden. Da der Fachwelt (Handel und
41 Vgl. zu diesem Strategieprofil McClellan (Shakeout), S. 228 f.
42 So die Darstellung von Tandon. Einige Mitbewerber sahen als Grund für die Überkapazitäten bei Tandon den Ausfall wichtiger Großabnehmer an, die partiell zur Eigenfertigung übergingen.
265
Presse) der Name Tandon als Laufwerkespezialist bereits bekannt war, bestand die
Hauptaufgabe in der Vermittlung eines Markenimages gegenüber dem Endkunden43•
Um hier nicht als Billiganbieter zu gelten, mußte das Zustandekommen des günstigen
Preises erklärt werden. Hierzu stellte das Unternehmen gegenüber der Öffentlichkeit
heraus, daß Tandon mit den Laufwerken die kompliziertesten und - wegen des hohen
Anteils an Mechanik - kostenintensivsten Bauteile eines PC selbst herstellt. Die aus der Eigenfertigung resultierenden Kostenvorteile würden an den Kunden weiter
gegeben.
Da man aus Gründen der durch eine Hardwaredifferenzierung verursachten Kosten
darauf verzichtete, höherwertige Komponenten zuzukaufen, als sie im entsprechen
den Modell von mM Verwendung finden, können Tandon-Geräte als Clone
Produkte verstanden werden. Gemeinsam mit den ostasiatischen Clone-Anbietern ist
Tandon die Niedrigpreispolitik. Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch hin
sichtlich der höheren Markenidentifikation, die neben Tandon auch Unternehmen
wie Commodore und - in geringerem Ausmaß - auch Schneider dem Markt ver
mitteln. Gegenüber den "No Name-Clones" wird diese Gruppe daher als ''Brand
Identification-Clones" betitelt.
Innerhalb dieser strategischen Gruppe begann sich Tandon nach der erfolgreichen
Etablierung im Markt in einem zweiten Schritt nach oben abzusetzen, in Richtung
der "Value Added Hardware"-Anbieter: Noch im Frühjahr 1986 mußte Tandon eine
Preissenkung hinnehmen, um den 40 %-Abstand wiederherzustellen. Zu diesem
Zeitpunkt war Tandon erst fünf Monate auf dem Markt und noch nicht ausreichend
aus der Anonymität herausgetreten. Bis heute gelang es Tandon jedoch, sich von der
allgemeinen Preis entwicklung abzukoppeln und den Preisunterschied gegenüber mM
auf ca. 30 % absinken zu lassen. Denn zwischenzeitlich hat sich Tandon im Markt einen Namen verschafft und mit innovativen Produkten - z.B. dem PAC 286 - hard
wareseitige Alleinstellungsmerkmale verwirklicht. Auch wenn Tandon mit diesem zweiten Schritt seines stufenweisen Markteintrittskonzeptes kein typischer Clone
Hersteller mehr ist, sondern sich der "Value Added Hardware"-Gruppe annähert,
bleiben wesentliche Unterschiede in der Preispolitik bestehen, die gegen einen
Gruppenwechsel sprechen: Anders als Compaq und Apple führt Tandon neue, inno
vative Produkte nicht mit anfänglich hohen Preisen ein, die erst allmählich abgesenkt
werden, sondern startet bereits auf einem niedrigeren Preisniveau. Das heißt, es
43 Nachdem Tandon 1985 dazu übergegangen war, Festplatten.Nachrüstsätze auch für Endkunden über den Handel anzubieten, hatte man bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad bei potentiellen Abnehmern (allerdings nur bei Wiederholungskäufern) erlangt. Vgl. Tandon Corporation, 1985 AnnuaI Report, S. 9.
266
werden zwar Differenzierungspotentiale bei der Hardware verwirklicht, jedoch
werden diese nicht im Sinne einer Preisprämie ausgenutzt. Nach wie 'vor dominiert
also die Preispolitik die Markenidentifikation als strategischer Parameter44•
6.1.2.3. Zwischenergebnis: Die strategische Karte rur den Kembereich der
Personal Computer-Branche
Aus der Kombination der zentralen Dimensionen "Wahl des Vertriebsweges" und
"Grad der Markenidentifikation" ergibt sich folgende strategische Karte für den
Kernbereich der Branche (vgl. auch Abb. 16):
Mitglieder der "Rig Names"-Gruppe sind renommierte Hersteller verwandter DV
Produkte, die eine hohe Markenidentifikation als Wettbewerbsparameter heranzie
hen und die in das gehobene Preissegment einzuordnen sind. IBM setzt in diesem
Preisbereich die Orientierungspunkte. Die Mehrzahl der Mitbewerber aus dieser
Gruppe weist ein günstigeres Preis-/Leistungsverhältnis auf, das zugleich über mode
rat niedrigere Preise und eine leicht höhere Hardware-Performance erreicht wird.
Hochpreisige Anbieter aus diesem Segment sind DEC und HP, deren Preise ober
halb von IBM liegen. Vertriebsseitig bedienen die Mitglieder dieser Gruppe
typischerweise sowohl direkte als auch indirekte Kanäle, von Ausnahmen wie DEC
abgesehen.
Ein den "Big Names" vergleichbares Ausmaß an Markenidentifikation weist die
Gruppe der ''Value Added Hardware"-Anbieter auf, mit Vertretern wie Compaq und
Apple. Diese Unternehmen sind nicht wie die "Big Names"-Mitglieder mit einem
Imagevorteil in den PC-Markt eingetreten, sondern stellen originäre Mikrocom
puteranbieter dar. Als Quellen der Differenzierung können hier u.a. deutliche Unterschiede bei den Geräten selbst ausgemacht werden. Daneben differenzieren sich
44 Statt hoher Einführungspreise lautet die grundsätzliche Maxime bei Tandon, breite Kundenschichten schnell über den Preis zu erschließen. Zu dieser grundsätzlichen Preisphilosophie kommt bei dem PAC 286 ein spezielles Moment hinzu, das hohe Einführungspreise verbietet: Der PAC 286 ist mit einer herausnehmbaren Festplatte ausgestattet. Diese Festplatte beinhaltet das eigentliche persönliche Element eines Personal Computers. Denn im Gegensatz zu dezentralen DV-Systemen mit verteilter Intelligenz wird der PC erst durch die individuelle Nutzbarkeit zum persönlichen Arbeitsmittel, also durch persönliche bzw. individuelle Daten und Programme, die auf der Festplatte gespeichert sind. Durch den "Personal Data Pac" des PAC 286 kann der persönliche Datenbestand an andere Arbeitsplätze mitgenommen und in andere Hardwaregeräte eingesetzt werden. Somit liegt es in der Konzeption dieses Gerätes, daß der für den Kunden geschaffene Wert mit der Zahl der installierten Systeme steigt. Daher darf - nach Darstellung von Tandon - die schnelle Verbreitung des Produktes nicht von vornherein durch hohe Preise gehemmt werden.
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hoch
mittel
gering
267
nur indirekt
8
direkt und indirekt
W a h 1 des U e r t r e b S H e g e S
Abb. 16: Die strategische Karte der Personal Computer-Branche
diese Unternehmen gegenüber den "Big Names" über den Vertrieb, der strikt auf
indirekte Kanäle beschränkt ist. Insbesondere Compaq wird von Mitbewerbern aus
der "namhaften" Gruppe eine hohe Händlerloyalität und -qualifikation nachgesagt.
Preislich ist Compaq auf IBM-Niveau plaziert, z.T. - je nach Verfügbarkeit der
Konkurrenzprodukte - auch knapp darüber: Für einen gewissen Preisunterschied von
etwa 500 bis 1000 DM kann laut Compaq argumentiert werden, wobei aber das
grundsätzliche Problem darin besteht, daß der Kundennutzen durch eine höhere
Bildschirmauflösung etc. schlecht bewertbar ist. Für die Apple-Produkte gilt eine
268
geringere Vergleichbarkeit als unter den Geräten des Industriestandards45 I jedoch
werden Apple-Computer von Branchenbeobachtern als hochpreisig bzw. gegenüber
den kompatiblen PCs als zu teuer empfunden.
Mit den Anbietern von Personal Computern höherer Funktionalität haben die Her
steller von Clone-Produkten (d.h. von gleichwertigen Nachbauten) die Konzentration
auf den indirekten Vertriebsweg gemein. Unter den Mee-too-Anbietern setzen die
fernöstlichen Importeure bzw. "No Name-Clones" ausschließlich auf eine Preisführer
schaft. Trotz ähnlich preisaggressiver Verhaltensweisen verfügen die ''Brand Identi
fication-Clones" über ein gewisses Maß an Markenidentifikation, primäres Verkaufs
argument bleibt jedoch der Preis. Die Preisführerschaft in dieser Gruppe beansprucht
Schneider. Tandon und Commodore kompensieren ihre höheren Preise auf dem
Wege der Markenidentifikation.
Aus praktischen Gründen empfahl es sich, zunächst die zentralen Dimensionen der
Wettbewerbsstrategien auf dem PC-Markt zu beleuchten. Im folgenden können nun
die weiteren Unterschiede zwischen den identifizierten Gruppen anband der verblei
benden strategischen Dimensionen dargestellt werden. Dies führt schließlich zu einer
vollständigen Beschreibung der strategischen Karte46•
6.1.2.4. Spezialisierung, vertikale Integration und Dienstleistungen
Als prinzipielle Möglichkeiten der Spezialisierung kommen geographische
Märkte (1), Kundensegmente (2) und Produktsegmente (3) in Betracht47/ 48. Unter
45 Zusätzliche Bewertungsprobleme ergeben sich dadurch, daß für einen Preis-Leistungs-Vergleich auch der durch die komfortablere Benutzeroberfläche geschaffene Wert für den Kunden zu berücksichtigen wäre.
46 Siehe die Übersicht in Abb. 17, S. 294 f. Der mit der Branche vertraute oder nicht an den Details interessierte Leser sei direkt an diese Stelle verwiesen.
47 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 174.
48 Anmerkung zur Branchenabgrenzung im Rahmen der vorliegenden Untersuchung: Nach der Einsatzart der Mikrocomputer kann sich ein Hersteller entweder auf Bürogeräte oder auf pes für die Fertigung konzentrieren, oder auch beide Einsatzbereiche abdecken. Während sich die meisten Anbieter auf den Bürobereich beschränken, bedient Z.B. Siemens außerdem den Produktionsbereich mit einem Industrie-pe (Sicomp pe 16-20). Auch wenn ein Mikrocomputer in der Fertigung für ungünstigere Umgebungsbedingungen ausgelegt sein muß, bestehen dennoch hardwareseitige Gemeinsamkeiten bei den Produktkomponenten. Den damit verbundenen Kostengemeinsamkeiten kommt innerhalb der gesamten Wertkette jedoch nicht eine solche Bedeutung zu, daß hier gegenwärtig ein wichtiger Strategieunterschied auszumachen wäre. (So werden beispielsweise im Hause Siemens büro- und prozeßorientierte pes an unterschiedlichen Standorten produziert und von verschiedenen Unternehmensbereichen entwickelt und vermarktet.) Demzufolge
269
Punkt 3 wird neben der Breite der Produktlinie zugleich auf das Angebot an Dienst
leistungen eingegangen. Außerdem wird an dieser Stelle der Grad der vertikalen
Integration behandelt, d.h. das Ausmaß der eigenen Wertschöpfungsaktivitäten am
Produkt- und Dienstleistungsangebot untersucht.
Ad (1) Geographische Märkte
In der PC-Branche stehen sich weltweite Wettbewerber, nationale und regionale
Anbieter gegenüber. Der Großteil der bedeutenden Unternehmen ist dabei inter
national präsent. Einige Wettbewerber konzentrieren sich jedoch auf einzelne
Landesmärkte49• Daneben gibt es eine Vielzahl von kleinen Nischenanbietern, die
ihre Produkte regional oder lokal begrenzt vermarkten.
Die Frage nach den Vorteilen aus einer weltweiten Position ist differenziert zu beant
worten: Bezogen auf die Wertschöpfungsstruktur besagt eine Faustregel der Branche,
daß je ein Drittel der Wertschöpfung auf Produktion und Logistik, auf Marketing und
Vertrieb sowie auf die Handelsstufe entfällt. Möglichkeiten zur Kostenaufteilung auf
mehrere nationale Märkte ergeben sich nur auf der Hardwareseite, bei Produktion
und Eingangslogistik. Ein Großteil der Kosten innerhalb der Wertschöpfungskette ist
damit landesspezifisch, so daß ein hoher nationaler Marktanteil für den Erfolg in
dieser Branche von Bedeutung ist. Ein Unternehmen muß damit nicht weltweit kon
kurrieren, sofern es nicht eine Position der Kostenführerschaft anstrebt. Auf der Differenzierungsseite können einige weltweite Anbieter mit einem Imagevorteil auf
warten, der sich jedoch nicht aus der weltweiten Betätigung, sondern aus der Markt
steIlung bei größeren DV-Systemen herleitet. Größenbedingte Kostennachteile bei
der Beschaffung und Herstellung können lokale Nischenanbieter durch deutlich
geringere Overheads gegenüber den multinationalen Unternehmen ausgleichen.
Daß es sich nicht um eine weltweite Branche handelt, zeigt sich auch an der unter
schiedlichen MarktsteIlung der Wettbewerber in den verschiedenen Landesmärkten
und in der Notwendigkeit, bei der Vermarktung von Personal Computern auf natio
nale Besonderheiten Rücksicht zu nehmen50.
können Industrie-PCs und Büro-PCs als getrennte Märkte angesehen werden, wobei sich die vorliegende Untersuchung auf den Markt der Bürogeräte bezieht. Eine Überprüfung dieser Branchenabgrenzung könnte jedoch im Zuge des Vordringens von CIM-Konzepten notwendig werden.
49 So bediente z.B. Siemens bis Ende 1986 nicht den nordamerikanischen Markt.
50 Vgl. Tate (European), S. 114-5.
270
Für die strategische Karte der Mikrocomputerbranche ist es also nicht primär von
Bedeutung, ob ein Unternehmen auch noch auf anderen Landesmärkten präsent ist.
Innerhalb des hiesigen Marktes können jedoch regionale bzw. lokale Nischenanbieter
ausgemacht werden. Da diese Unternehmen jedoch nur marginale Marktbedeutung
haben und für die Bildung von strategischen Gruppen in einem ersten Schritt vorran
gig die wichtigen Wettbewerber auf ihre Strategiemerkmale hin zu untersuchen
sind51, kann die geographische Marktabdeckung hier vernachlässigt werden52•
Ad (2) Kundensegmente
Das Marktforschungsunternehmen International Data Corporation (IDC) unterteilt den Markt für Mikrocomputer nach dem prinzipiellen Verwendungszweck der
Geräte in die Segmente
Heim- und Hobbybereich (a)
semiprofessioneller Bereich (b)
professioneller Bereich (c)
technisch-wissenschaftlicher Bereich (d) und
Ausbildungsbereich (e).
(a) Die Zielgruppe der Heim- und Hobby-Anwender setzt sich aus Privatkunden
zusammen, die Mikrocomputer in vielfältiger Weise für Spiele und Unterhaltung . (z.B. Schach), sowie für Aufgaben im häuslich-privaten Bereich heranziehen (z.B.
Korrespondenz oder Haushaltsplan) 53. Geräte für diese Kundengruppe unterschei
den sich in Leistungsfähigkeit, Ausstattung und ~reis von den höherwertigen Personal
Computern und bilden eine eigene Produktklasse54• In der Vergangenheit hatten sich
51 VgI. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 177.
52 Prinzipiell können geographisch spezialisierte Wettbewerber in allen Feldern der strategischen Karte zu fmden sein, wobei in einigen Fällen zur regionalen Spezialisierung noch die produktmäßige Konzentration hinzukommen müßte. Da diese Wettbewerber trotz der Gemeinsamkeiten bei Vertriebswegen und MarkenidentifIkation deutliche Unterschiede zu den branchen- bzw. landesweiten Anbietern bezüglich anderer Strategiedimensionen aufweisen, würde eine Zusammenfassung von Spezialisten und branchenweiten Anbietern in einer Gruppe der Intention der brancheninternen Strukturanalyse nicht gerecht. Zur Verhinderung dieses Falles müßte die geographische Ausdehnung (und Produktspezialisierung) als eine eigenständige Dimension herangezogen werden. (VgI. hierzu Punkt 6.1.3.) Damit könnten zwar Nischenanbiter separiert werden, jedoch liefert diese Trennung keinen Beitrag zu der zunächst beabsichtigten Analyse von Strategieunterschieden zwischen den bedeutenden Wettbewerbern.
53 VgI. Pleil (Handbuch), S. 42.
54 Ein typischer Homecomputer ist mit einem 8-Bit-Prozessor und 64 KB Hauptspeicher ausgestattet, verfügt anstelle eines eingebauten Diskettenlaufwerkes nur über einen Anschluß für eine externe
271
die Mikrocomputeranbieter entweder auf Homecomputer oder auf Personal Com
puter konzentriert. Commodore, in der BRD und weltweit Marktführer bei Home
computern, hatte zwar bereits 1981 mit der Unie 8000 einen Tischcomputer für
kommerzielle Anwendungen und Textverarbeitung im Programm und blieb auch
später noch in beiden Bereichen tätig, als sich die Teilung in einen professionellen
und einen hobbyorierentierten Markt vollzog: In Erwartung einer starken Nachfrage
nach professionellen PCs wurde das 1981 in Betrieb genommene Werk Braunschweig
für die Herstellung professioneller Geräte ausgelegt. Als Mitte 1983 jedoch ein
Nachfrage-Boom nach Homecomputern einsetzte55, konzentrierte man alle Ressour
cen auf dieses Segment und stellte die Fertigung auf Horne-Geräte um56• Der profes
sionelle Markt wurde vernachlässigt und 1984 zählte Commodore nicht mehr zu den
führenden PC-Anbietern. Umgekehrt waren namhafte PC-Anbieter, deren ange
stammtes Geschäft bei den Mainframes lag, nicht im Homecomputersegment vertre
ten. Einen derartigen Versuch unternahm IBM 1984 in den USA mit dem PC Junior,
dessen Produktion 1985 jedoch wieder eingestellt wurde. Auf dem deutschen Markt
wurde dieses Gerät nicht angeboten.
(h) Das Segment der semiprofessionellen Anwender bildete sich 1985 unter dem Ein
fluß von Commodore heraus: Ende 1984 brach der amerikanische Homecomputer
markt zusammen. Die Konzernmutter geriet bei dem Versuch, den Absatzeinbruch
durch Preisnachlässe aufzufangen, in die Verlustzone. Eine unübersichtliche Modell
politik ließ die Bemühungen, im professionellen Markt wieder Fuß zu fassen, schei
tern. Da auch im deutschen Homecomputermarkt 1984 ein drastischer Preisverfall
eine Umsatzsteigerung immer mehr erschwerte, entschloß sich die Europazentrale
von Commodore, die von Frankfurt aus geleitet wird, den professionellen Mikrocom
putermarkt mit einem neuen Gerät wieder verstärkt zu bearbeiten57. Im Januar 1985
wurde ein IBM-kompatibler 16-Bit-Mikrocomputer, der Commodore PC, auf den
Markt gebracht. Durch die Kompatibilität zum Industriestandard konnte der Anwen
der das breite Angebot an kommerzieller So.ftware nutzen, das für den IBM PC
geschrieben worden war. Die neuen Produkte wurden preislich aber so niedrig posi
tioniert, daß auch Aufsteiger aus der Heimanwendergruppe ansprechbar waren.
Damit waren diese Geräte nicht mehr eindeutig dem kommerziellen oder dem
Homesegment zuordenbar. Für den dazwischen angesiedelten Bereich wurde die Be-
Diskettenstation und wird meist nicht mit einem Bildschirm ausgeliefert, sondern vom Kunden an einen bereits vorhandenen TV -Monitor angeschlossen.
55 Im Geschäftsjahr 1983/84 stieg Commodores Homecomputerabsatz von 63.000 auf 445.000 Stück.
56 Vgl. Industriemagazin 19 (1985) 1, S. 75
57 Vgl. mm 16 (1986) 3, S. 65 f.
272
zeichnung "semiprofessionell" gewählt. Semiprofessionelle PCS sind also kommerziell
einsetzbare Geräte, die jedoch überwiegend von Privatkunden erworben und im häuslichen Bereich installiert werden. Daneben zählen zu dieser Produktkategorie
aber auch Rechner wie der Commodore Amiga, der für den Heim- und Hobbymarkt konzipiert wurde, mittels kommerzieller Programme aber auch professionell genutzt werden kann. Diesen Weg beschreitet auch Atari mit dem Konkurrenzprodukt ST, wobei auch der Schwerpunkt dieses Unternehmens früher bei Heim- und Spielcomputern lag. Diese Zuwendung der Homecomputeranbieter zum semiprofessionellen Markt kann als genereller Trend und strategische Notwendigkeit gewertet werden,
. nachdem von Marktforschungsinstituten Wachstumsaussichten nur noch für profes
sionelle PCs, für Heimcomputer hingegen ein Nachfragerückgang prognostiziert
wurde.
(e) Der Kreis der professionellen Anwender setzt sich aus Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen zusammen. Diese Kundengruppe wird nach der Unternehmens
größe in weitere Anwendersegmente unterteilt, da Personal Computer in Großunter
nehmen andere Funktionen erfüllen als in Klein- oder Mittelbetrieben58• In (Groß-)
Unternehmen, in denen bereits Computerleistung zur Verfügung steht, wird der Mikrocomputer vorwiegend als Instrument der individuellen Datenverarbeitung am Arbeitsplatz eingesetzt. Benutzergruppen bilden hier das Management, die Fachabteilungen und die Sekretariate. Aufgrund eines hohen Anteils an betriebsinterner
Kommunikation werden Mikrocomputer in größeren Unternehmen verstärkt in
Netzwerke integriert und an große Computersysteme angeschlossen. Klein- und
Mittelbetriebe sind hingegen häufiger Erstanwender. Hier übernimmt der Personal
Computer die Aufgabe eines Universalrechners. Neben Standardprogrammen für Buchhaltung oder Lohn- und Gehaltsabrechnung, die in großen Unternehmen ein
Zentralrechner abwickelt, werden auch branchenspezifische Anwendungen auf
Mikrocomputern ausgeführt. Im Hinblick auf die branchenbezogenen AufgabensteIlungen werden insbesondere kleinere kommerzielle Kunden59 auf einer zweiten
Ebene in Gewerbebetriebe und freie Berufe unterteilt. Letztere werden zur Erstellung
58 Die Unterscheidung nach der Unternehmensgröße Zielt dabei auf das Ausmaß der innerbetrieblichen Kommunikation und auf die Wahrscheinlichkeit ab, mit der bereits ein DV-System im Unternehmen vorhanden ist. Als Indikator flir die Unternehmensgröße wird die Beschäftigtenzahl herangezogen. Nach Bues & Plei! (Mikrocomputer, S. 181) verfügen ca. 90 % der Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten über eine größere EDV-Anlage, während die Marktdurchdringung bei Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern nur bei 30 % liegt.
59 Das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Roland Berger & Partner zieht hier die Obergrenze bei 50 Mitarbeitern.
273
eines genauen Anforderungsprofils ausdifferenziert in Steuerberater, Ärzte, Archi
tekten, Rechtsanwälte, Notare und Vertreter etc6O.
(d) Zielkunden des technisch-wissenschaftlichen Bereichs sind Ingenieure, Statiker,
Architekten, Mathematiker, Physiker und andere Wissenschaftler. Diese Kunden
gruppe verwendet (universelle) Mikrocomputer mit technischen Programmen, aber
auch zur Erfassung und Auswertung von Meßwerten bei Versuchen. Hierbei wird der Mikrocomputer durch eine entsprechende Konfiguration zum dedizierten System.
(e) ImAusbildungsbereich, also in Schulen, Berufsschulen und Universitäten, werden
in der Regel professionelle Personal Computer eingesetzt, wobei hier jedoch beson
derer Wert auf die Möglichkeit der Vernetzung gelegt wird. Unterschiede zu kom
merziellen Abnehmern ergeben sich beim Beschaffungsprozess: Bildungseinrichtun
gen sind meist an die Richtlinien der Kultusministerien gebunden, die Produkt
leistungen und ein bestimmtes Preis-/Leistungsverhältnis genau festlegen61• Auf
grund begrenzter Budgets müssen häufig auch Sonderkonditionen eingeräumt
werden.
Unterschiede hinsichtlich der bedienten Kundensegmente:
In Anbetracht der Verteilung der Absatzmengen des Jahres 1985 auf die einzelnen
IDC-Kundensegmente kann einzig klar ausgesagt werden, daß die Gruppe der PC
Hersteller mit Büromaschinen oder Mainframes als angestammtem Geschäft weder
im Homebereich noch im semiprofessionellen Bereich tätig ist. Dieser Markt wird von
Schneider, Commodore, Apple und Epson beherrscht. Diese Unternehmen verein
nahmen auch ca. 65 % des Ausbildungsmarktes, wobei aber auch Triumph Adler,
Siemens und Olivetti in diesem Segment als maßgebliche Wettbewerber gelten
können. Den technisch-wissenschaftlichen Bereich dominiert Hewlett Packard tradi
tionell nach dem installierten Bestand. Nach dem Absatzvolumen des Jahres 1985
war Siemens gleichbedeutend, gefolgt von Olivetti, IBM, Commodore und DEC. Das
kommerzielle Kundensegment wird von IBM überlegen angeführt. Fast gleichrangig
folgen Olivetti und Commodore, dahinter Apple und Siemens62.
60 vgl. Lopez-Diaz (Markt), S. 184.
61 Vgl. CW 12 (1985) 16, S. 38 f.
62 Daten nach IDC Deutschland GmbH.
274
Mit Ausnahme der Abwesenheit der "Big Names"-Gruppe im semiprofessionellen
Bereich können damit keine eindeutigen Strategie unterschiede im Hinblick auf die
bedienten Kundensegmente festgestellt werden. Schon die "Value Added Products"
Anbieter divergieren in dieser Hinsicht: Compaq ist wie die "Big Names" nicht im
semiprofessionellen Markt vertreten, Apple hingegen ist in allen IDC-Segmenten
anzutreffen, jedoch mit unterschiedlichen Produktlinien: Die Apple lI-Linie richtet
sich an semiprofessionelle Kunden und an den Ausbildungsmarkt. Sie weist nicht die
einzigartige Benutzeroberfläche auf, mit der die Lisa- und die Macintosh-Linie kom
merziellen Anwendern einen Mehrwert vermitteln. Auch ein typischer Mee-too-Ver
treter wie Schneider, mit knapp 40 % Marktführer im semiprofessionellen Kunden
segment, ist mit Ausnahme des technischen Marktes in allen vorgestellten Bereichen
präsent.
Nach der Breite der bedielltell IDC-KImderuegmellle können daher für den hier unter
suchten Markt der kommerziell nutzbaren PCS nur zwei Ausprägungen unterschieden
werden. Deren spezifischer Unterschied besteht in der (Nicht-)Abded:ung des semi
professionellen Anwenderkreises. Da diese Zielgruppe eher preissensibel entschei
det, dominieren hier die "Brand Identification-" und "No Name-Clones". Eine ebenso
eindeutige Zuordnung von hoher Markenidentifikation und kommerziellen Abneh
mern ist hingegen nicht gegeben.
Auch die vorgestellte Ausdifferenzierung der kommerziellen Kunden nach der Größe
und Branchenzugehörigkeit führt nur bedingt zu einer deutlichen Abgrenzungsmög
lichkeit: Eine Spezialisierung auf Unternehmen einer bestimmten GrößellordllUIIg ist
kein trennschafes Kriterium, da sich hohe Absatzmengen nur im Segment der kleine
ren Unternehmen erzielen lassen, so daß einerseits keine Anbieter auszumachen
sind, die sich ausschließlich auf den Markt der Großunternehmen konzentrieren.
Andererseits ist wegen der Imagewirkung von Referenzinstallationen das Großkun
densegment auch für die auf Stückzahlen im Massenmarkt abzielenden Anbieter von
Bedeutung. Trotz des beiderseitigen Interesses an kleinen U1Id großen Zielkunden ist
aufgrund der unterschiedlichen Kaufkriterien der Abnehmer dennoch tendenziell zu
beobachten, daß sich Großunternehmen an Anbieter mit hoher Markenidentifikation
wenden, während preissensible Kleinunternehmen bzw. Angehörige freier Berufe
eher Geräte der "Brand Identification-Clones" wählen.
Ähnlich der Unternehmensgröße richten sich Anbieter von Universal·PCs mit ihrem
Hardwareangebot (potentiell) a~ kommerzielle Kunden aus allen Winsdlajiszweigell.
Denn aus Herstellersicht ist ein Personal Computer ein universell nutzbares Gerät
(general purpose PC), das erst durch die Anwendungssoftware speziell auf die Auf-
275
gabensteIlung des Kunden zugeschnitten wird. Eine Spezialisierung auf einzelne
Anwenderbranchen erfolgt also über die Software. Eine Fokussierung der Mikro
computerhersteller auf einzelne Wirtschaftszweige ist jedoch mangels spezifischem
Branchen-Know how und Image als Branchenexperte nur selten verteidigba~3.
Während sich demnach hinsichtlich vertikaler Märkte keine Spezialisierungsmöglich
keiten ergeben, können Kunden-Nischen besetzt werden, die sich durch einen hohen
Leistungsbedarf auszeichnen: Komplexe Anwendungen wie Computer-Aided Design/
Computer-Aided Engineering, Desktop Publishing oder Artificial Intelligence setzen
eine leistungsfähige Hardwarekonfiguration voraus. Diese Zielgruppe der sog.
"Power User" und Softwareentwickler erschließen sich die "Value Added Hardware"
Anbieter Compaq und Apple, sowie aus der Reihe der "Big Names" z.B. Unisys
(Sperry) mit einem um 48 % leistungsfähigeren Produkt als der IBM AT.
Zusammenfassend kann also festgehalten werden, daß aufgrund der universellen
Einsetzbarkeit von Personal Computern im Mikrocomputermarkt eine hohe Ziel
kundeninJerdependenz zwischen den Wettbewerbern gegeben ist. Deutlich unter
schiedliche Kundensegmente ergeben sich nur nach dem Leistungsbedarf: Das obere
Ende der "Power User" wird von den "Value Added Products"-Anbietern, insbeson
dere von Compaq, bearbeitet. Compaq trifft in diesem Zielkundensegment auf
Minicomputer-Hersteller wie DEC oder HP, aber auch auf "Big Names"-Mitbewer
ber wie Sperry, die ebenfalls leistungsfähige Produkte für diese Kundengruppe offe
rieren64• Am unteren Ende der Anwender mit durchschnittlichem Leistungsbedarf
herrscht ein ausgeprägter Kundenwettbewerb zwischen allen strategischen Gruppen
vor: Hier überschneiden sich die Zielkunden der einzelnen Gruppen hinsichtlich
ihrer Unternehmensgröße und Branchenzugehörigkeit sehr stark, was nach Porter in
der Tendenz zu einer hohen Rivalität zwischen den Gruppen führt. Diese Inter
Gruppen-Rivalität wird tendenziell geringer ausfallen, wenn voneinander abwei
chende Strategien zu deutlich unterschiedlichen Markenpräferenzen führen65. Dies
bezwecken zwar die "Big Names"-Anbieter mit ihrer Markenidentifikationsstrategie,
jedoch wirkt die hohe strategische Distanz66 zwischen den "Big Names" und den
63 Wenn dennoch Schwerpunkte bei eill7.elnen vertikalen Märkten gesetzt werden, so hat die.. seine Ursachen im Marketing: Komplette Branchenlösungen ermöglichen eine zjc1gruppenorientierte Abnehmeransprache.
64 Vgl. hierzu die Produktklassen unter Punkt (3).
65 VgI. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 188 f.
66 Die strategische Distanz bezeichnet deo Grad, in dem sich die Strategien verschiedener Gruppen hinsichtlich der Haupt- und Randmerkmale unterscheiden. Bei stark voneinander abweichenden strategischen Ansätzen neigen die Branchenteilnehmer zu sehr unterschiedlichen Vorstellungen
276
"Brand Identification-Clones" dieser Abschwächung der Rivalität entgegen: Letztere
versuchen mit ihrer Preis- und Marketingpolitik gerade die Differenzierungsbestre
bungen der "namhaften" Mikrocomputeranbieter zunichte zu machen und sich den
überlappenden Zielkunden als eine preiswerte Alternative zu präsentieren67•
Ad (3) Breite der Produktlinie, Dienstleistungsangebot und vertikale Integration
Im folgenden wird die Breite des Produkt- und Dienstleistungsangebotes der strategi
schen Gruppen verglichen. Hierbei wird zugleich das Ausmaß der eigenen Wert
schöpfungstiefe an der jeweiligen Angebotsbreite untersucht. Da sich ein Mikrocom
putersystem prinzipiell aus einer Hardware- und einer Softwarekomponente zusam
mensetzt, ist die Breite des Produktangebots hierbei in beiderlei Hinsicht zu be
leuchten.
Hardwareseitig ist zwischen der Grundkonfiguration eines Personal Computers und
den HW-Erweiterungen68 zu unterscheiden. Letztere sind als Zubehörteile von
unabhängigen Herstellern über den Handel zu beziehen. Die gebräuchlichsten
Erweiterungskarten werden von einigen PC-Herstellern aber auch als Lizenzprodukte
angeboten und zählen z.T. bereits ,zur serienmäßigen Ausrüstung einzelner PC
Modelle69• Von Mikrocomputerherstellern eigenentwickelte Zusatzkarten machen
nur einen sehr geringen Anteil aus. Das große Marktangebot an Fremdprodukten
geht auf eine strategische Entscheidung von IBM zurück, ihren PC als offenes System
zu konzipieren: Eine offene Systemarchitektur sollte für dritte Firmen zugleich die
Möglichkeit und einen Anreiz schaffen, Ergänzungsprodukte zum IBM PC zu ent
wickeln, um diesem so zum Durchbruch als Industriestandard zu verhelfen. Herstel
ler von kompatiblen Personal Computern partizipieren in der Regel an dem von drit
ter Seite verfügbaren Marktangebot. Bei hochwertigen Geräten besteht jedoch die
über die Art des Wettbewerbs, was die Rivalität zwischen den Gruppen intensiviert. Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 189.
67 Eine geringere strategische Diskrepanz als zwischen den "Big Names" und den "Brand Identification-Clones" weisen die "Value Added Products"-Anbieter zu diesen beiden Gruppen auf, da jeweils zumindest eine der Hauptdimensionen übereinstimmt.
68 Zur Aufnahme von Erweiterungskarten sind auf der Grundplatine meist mehrere Steckplätze vorgesehen. Mittels Zusatzkarten können z,B, Speichererweiterungen vorgenommen werden, über Adapterkarten kann der Anschluß an andere Computer realisiert werden. Auch ein Festplattenlaufwerk kann auf diese Weise nachträglich eingebaut werden,
69 In diesem Punkt unterscheidet sich Apple vom Industriestandard: IBM-kompatible Geräte sind in der Grundausstattung preisgünstiger als Apple-Produkte. Bei Geräten des Industriestandards bedarf es - nach Darstellung von Apple - zusätzlicher Einsteckkarten, um ein abgerundetes System zu erhalten. In der Summe komme ein solcher aufgerüsteter PC teurer als eine "Rundum-Lösung" von Apple.
277
Tendenz, wichtige Optionen wie Grafik- oder Kommunikationsfähigkeit nicht über Zusatzkarten, sondern bereits auf der Grundplatine in Form von Chips zu realisieren.
In der Grundkonfiguration setzt sich ein Personal Computer zusammen aus der
Systemeinheit, der Tastatur und dem Bildschirm. Diese Komponenten sowie das
Betriebssystems gehören bei allen Anbietern zum standardmäßigen Lieferumfang.
Auch bezüglich der vertikalen Integration bestehen hier meist keine signifikanten
Unterschiede zwischen den PC-Herstellern70• Mit Ausnahme von Tandon werden die
Laufwerke branchenüblich fremdbezogen. Die Boards werden teils selbst, teils in
Auftragsfertigung hergestellt. Häufig beschränkt sich die Fertigungstiefe auf die
Montage, in manchen Fällen werden aber auch komplette OEM-Geräte zugekauft71•
Ein systematischer Zusammenhang zwischen dem Grad der Rückwärtsintegration in
die Komponentenfertigung und anderen Dimensionen der Wettbewerbsstrategie ist
kaum feststellbar. Selbst auf hohe Absatzvolumina ausgelegte Wettbewerber wie
Commodore - in einer strategischen Gruppe mit Tandon plaziert - verzichten aus
Flexibilitätsgründen auf eine überdurchschnittliche Rückwärtsintegration und arbei
ten mit externen Zulieferern zusammen. Lediglich Hersteller, die sich in exklusiver
Weise technisch bzw. leistungsmäßig differenzieren wollen, könnten nach Angaben
von DEC zu einem höheren Eigenfertigungsanteil gezwungen sein72• Eine Integra
tion in die Komponenten- oder Baugruppenherstellung ist also nur aus Differen
zierungsgründen ratsam und führt bei Standardteilen, bei denen keine Differenzierung beabsichtigt ist, nicht zu Kostenvorteilen.
Unterschiede hinsichtlich der Konfiguration der Hardware ergeben sich nur bei den
Druckern. In diesem Punkt ist ein Zusammenhang mit der Wahl des Vertriebsweges erkennbar: Wettbewerber mit eigener Direktvertriebsorganisation - also die "Big
Names" - bieten ihren Kunden auch eigene Drucker an, wobei es sich meist um
OEM-Geräte handelt. Hingegen verzichten die auf indirekte Vertriebskanäle
beschränkten Wettbewerber in der Regel auf die Vermarktung von Druckern unter eigenem Namen 73.
70 Durchschnittlich entfallen 65 bis 75 % der Herstellkosten auf zugekaufte Teile. Die eigene Wertschöpfung in der Fertigung ist also vergleichsweise gering.
71 Hiermit scheint jedoch ein Unterschied bei einer unabhängigen Strategiedimension vorzuliegen, so daß ggf. die strategische Karte zu erweitern wäre. Eine stärkere Ausdifferenzierung der strategischen Karte wird unten unter Punkt 6.1.3. erörtert.
72 So hat z.B. Compaq 1986 die Conner Peripherals, Inc., akquiriert.
73 Ausnahmen bilden hier Apple und Commodore. Bei Apple mag dies mit der fehlenden Kompatibilität zum Industriestandard zusammenhängen, bei Commodore mit der Tatsache, daß auch flir Homecomputer Drucker geliefert werden. Dort handelt es sich jedoch um Geräte aus eigener Fertigung, während flir die PC-Linie OEM-Produkte zugekauft werden.
278
Ein weitgehend kongruentes Bild ergibt sich hinsichtlich des Komplementärproduk
tes Anwendungssoftware, so daß die Abrundung der Grundkonfiguration auf der Hardware- und Softwareseite einmal eher intern, sonst aber eher über den Markt
bzw. durch den Handel vollzogen wird: Während die "Big Names"-Vertreter für den
Mikrocomputermarkt ein Systemgeschäft für erforderlich halten74, betreiben die drei
auf den indirekten Vertrieb fokussierenden strategischen Gruppen überwiegend ein
Komponentengeschäft: Hier fällt dem Handel die Aufgabe zu, die vom Hersteller gelieferte Hardwarekonfiguration mit geeigneter, marktüblicher Anwendungssoft
ware und meist auch mit Peripherie und Erweiterungskarten zu einer Problemlösung
zu komplettieren. Bei der Zusammenstellung einer solchen Kundenlösung unter
stützen die Mikrocomputerhersteller den Handel in Form von Hard- und Software
katalogen. Hierin sind "geprüfte und gelistete" Komplementärprodukte verzeichnet,
die vom PC-Hersteller auf Ablauffähigkeit und Kompatibilität getestet worden sind75. Derartige SW-Kataloge erstellen auch die "Big Names"-Firmen, die darüber
hinaus aber auch mit sog. "gelabelter Software" aufwarten, d.h. mit eigenentwickelten
Programmen oder mit fremdentwickelter, z.T. exklusiver Software: "Gelabelte SW
Produkte" sind universelle horizontale Anwendungsprogramme (z.B. Fibu, Lohn und
Gehalt) und anwendungsnahe Programme (z.B. für Tabellenkalkulation), die von den
jeweiligen Softwareentwicklern bzw. SW-Publishern in Lizenz erworben und unter
eigenem Markenzeichen, aber unter der Produktbezeichnung des Lizenzgebers ver
trieben werden. Unter die "geprüfte und gelistete Software" fallen Branchenlösungen
für einzelne vertikale Märkte, die von den PC-Herstellern selbst wegen der Vielzahl
der wünschenswerten Prograrnmpakete weder erstellt noch gepflegt werden können.
Diese SW-Kategorie bleibt in der Regel Software- und Systemhäusern überlassen.
"Eigenentwickelte Software" bzw. exklusive Auftragsentwicklungen umfassen neben
den absatzstärksten horizontalen Paketen - wie Textverarbeitung - auch systemnahe Software, Kommunikations- und Vernetzungs-Software. Die letztgenannten SW
Produkte werden z.T. aber auch von den "Brand Identification-Clones" und "Value
74 Eine Befragung von Gewerbebetrieben und Angehörigen freier Berufe durch Roland Berger & Partner ergab, daß diese im Jahr 1984 zu 81 % bzw. 76 % Kompleulösungen des Herstellers bevorzugten. Als häufigste Begründung wurde genannt, daß man nur einen Ansprechpartner wünsche und daß man durch Komplettangebote die Kompatibilität gewährleistet sehe. Vgl. Lopez-Diaz (Markt), S. 187. Neben den Nachfragerwünschen nach KomplettIösungen kann die Verfolgung des Systemgeschäftes als betriebswirtschaftliche Notwendigkeit für die großen Hersteller verstanden werden: Von mehreren interviewten Firmenvertretern wurde das Pe-Geschäft als ein "nicht selbsttragendes Geschäft" charakterisiert. Es müssen Mischkalkulationen mit Komplementärprodukten zustande kommen, was Peripherie-, Software- und Zubehörverkäufe zur Voraussetzung hat.
75 Daneben wurde in der Vergangenheit aber auch auf nur "gelistete Software" verwiesen, also ohne eine Prüfung der Ablauffähigkeit durch den Hersteller von meist nicht kompatiblen Maschinen. Diese Listen waren ein Verzeichnis der für das jeweilige Gerät verfügbaren Software, die Prüfung mußte der Handel selbst vornehmen.
279
Added Products"-Anbietern selbst vermarktet und gepflegt, da man diese Aufgabe als
zu komplex für Softwarehäuser erachtet.
Hinsichtlich der Angebotsbreite bestehen also sowohl hardware- als auch software
seitig geringe Unterschiede, da kompatible Hersteller auch im KomponentengeschäJt
über Hard- und Softwarekataloge das gesamte Marktangebot erschließen können76.
Eine deutliche Diskrepanz liegt jedoch bezüglich der vertikalen Integration77 vor: Die "Big Names" treten als Systemanbieter auf, d.h. sie vermarkten auch erforderliche
Komplementärprodukte unter eigenem Namen, was jedoch nicht immer eine wesentlich höhere Wertschöpfungstiefe bedeutet, da es sich meist um OEM-Produkte
handelt. Im Komponentengeschäft ist der Grad der vertikalen Integration in
Komplementärprodukte - schon nach Definition - gering78. Als Grund für ein nicht
weitergehendes diesbezügliches Engagement werden bei Compaq die Vielfalt der
Komplementärprodukte und die rasche Produktentwicklung genannt: Aufgrund des
ca. 70 %igen Anteils von HW-Ergänzungen und Software am Branchenvolumen sei
es die einzige Möglichkeit, diese Funktion dem Handel zu übertragen. So sieht sich
Compaq als Mikrocomputerhersteller beispielsweise nicht in der Lage, auch nur das
gewünschte Spektrum an Druckern zu vertreiben und zu "supporten". Außerdem
zeige die hohe Entwicklungsgeschwindigkeit in der Druckertechnolgoie auch die
Schwierigkeit, die per OEM-Vertrag bestellte Menge an Druckern ob der kurzen
Lebenszyklen auch abzusetzen.
Eine Ausdifferenzierung des Angebots an Mikrocomputern in ihrer Grundkonfigura
tion kann nach der Einsatzart, nach den Leistungsmerkmalen der Prozessoren und
der peripheren Speichereinheiten sowie nach dem verwendeten Betriebssystem vor
genommen werden.
76 Es sind jedoch Ausnahmen möglich: So setzt Compaq ihre Value Added Product· bzw. Differenzierungsstrategie fort, indem bei der Aufnahme in die Kataloge eine Vorselektion qualitativ hochwertiger Komplementärprodukte vorgenommen wird, die professionellen Ansprüchen gerecht werden.
77 Der Begriff der vertikalen Integration ist hier im Sinne Harrigans "breadth of integration" und "stages of integration" gebraucht. Vgl. Harrigan (Strategies), S. 15 f.
78 Dies gilt nicht nur für die IBM·kompatiblen Wettbewerber. Auch Apple ist - nach der ursprünglichen Entscheidung, die Usa im Bundling mit Software anzubieten • nur noch mit wenigen Basispaketen vertreten. Obwohl nicht kompatibel zum Industriestandard, steht Apple an zweiter Stelle in der Prioritätenliste der großen SW· Entwickler und überläßt die Softwareseite inzwischen ebenfalls unabhängigen Marktpartnern.
280
Nach der Einsatzart lassen sich Tischgeräte (Desktops), transportable Geräte
(Portables und Laptops) sowie Hand-held-Computer unterscheiden79•
Ursprünglich waren Personal Computer als Tischgeräte für den stationären Einsatz
konzipiert. Mit einem tragbaren Kompakt-Computer, dem Osbome 1, differenzierte
sich 1980 zunächst Osbome Computer von den Desktop-Anbietem. 1982 vollzog
dann Compaq den Markteintritt über diese Geräteklasse: Nachdem ursprünglich als
Geschäftszweck das Angebot von Peripherie beabsichtigt war, wurde den drei
Firmengründern Venture-Kapital nur für ein Produkt in Aussicht gestellt, das IDM
nicht vorzuweisen hatte80• Compaq entwickelte daraufhin einen Portable, der im
Gegensatz zum Osbome 1 voll IDM-kompatibel war. 15 Monate später brachte IDM
ein eigenes transportables Gerät auf den Markt. In umgekehrter Richtung betrat 1984 die bis dahin auf Portables spezialisierte Compaq Computer Corp. den Tisch
gerätemarkt. Auch die Mehrzahl der anderen Branchenteilnehmer bietet heute sowohl Tischgeräte als auch Portables an, so daß in dieser Hinsicht keine systema
tischen Unterschiede zwischen den strategischen Gruppen bestehen und die Mobili
tät der angebotenen PCs heute auch nicht mehr als ein Kriterium für die Gruppen
bildung in Frage kommt81•
Deutlichere Differenzen ergeben sich bezüglich der Laptops und Hand-helds. So ist
beispielsweise Compaq im Gegensatz zu IDM nicht im Markt der Laptops oder
Aktentaschencomputer vertreten. Pionier und Marktführer in diesem Produktsegment ist mit Epson ein Wettbewerber, der im PC-Segment nur nachrangige
Marktbedeutung erlangt. Während ein Teil der PC-Anbieter neben Desktops und
Portables noch am ehesten Laptops im Sortiment hat82, sind Hand-helds nur selten
79 Transportable PCs (Portables) sind koffergroße Mikrocomputer, die den Leistungsmerkmalen von Tischgeräten sehr nabe kommen und wie diese vom Stromnetz abhängig sind. Aufgrund des relativ hohen Gewichtes von über 10 kg sind sie für einen gelegentlichen Standortwechsel geeignet, nicht aber für den Betrieb während Geschäftsreisen u.ä. Für derartige Einsatzzwecke sind die Laptops ("Kniecomputer") bzw. Aktentaschencomputer konzipiert, die bei DIN-A4-Format weniger als 5 kg wiegen und durch Batteriebetrieb netzunabhängig sind. Sie weisen in der Regel einen mehrzeiligen LCD-Bildschirm und eine Schreibmaschinentastatur auf. Noch kleiner und leichter (weniger als 1 kg) sind die Hand-helds, die nur mit einem ein- oder zweizeiligen Display und meist nicht mit einer Scbreibmaschinentastatur ausgestattet sind. Vgl. hierzu Nippa & Schönecker (Aktentaschencomputer).
80 Vgl. Udo Mäder, Geschäftsführer der Compaq Computer GmbH, nach online 1986/4, S. 27.
81 Nachdem die Produktpalette von Commodore keinen ausgesprochenen Portable mehr umfaßt (früher: SX Executive 64 und Commodore LCD) und auch Tandon und Schneider im Markt der stationären Geräte positioniert sind, weisen diese den "Brand Identification-Clones" angehörenden Wettbewerber in diesem Punkt zwar eine Gemeinsamkeit auf, die sie von anderen strategischen Gruppen unterscheidet. Jedoch erscheint dies eher als eine zufällige denn als eine typische Konstellation.
82 Beispiele sind hier u.a. IBM, Olivetti und Siemens.
281
zu verzeichnen83• Da die Hand-held-Anbieter ihrerseits im allgemeinen nicht den
Markt der Desktop-PCs bedienen, scheinen hier getrennte Märkte mit weitgehend
überschneidungsfreien Wettbewerbern vorzuliegen.
Innerhalb der Tischgeräte, aber auch der transportablen Mikrocomputer, kann nach
den Leistungsmerkmalen der Prozessoren zwischen 8-, 16- und 32-Bit-Rechnern unterschieden werden84• Die Generation der 8-Bit-Mikrocomputer wird heute vorwiegend
dem Home- und Hobbybereich zugerechnet, nachdem mit dem Markteintritt von
IBM für kommerzielle Anwendungen der Übergang zu 16-Bit-Prozessoren eingeleitet
wurde. Das 8-Bit-Produktsegment wird von dem Marktforschungsunternehmen IDC
nach den peripheren Speichermöglichkeiten nochmals unterteilt: Die Geräteklasse I
setzt sich aus 8-Bit-Systemen ohne eine Diskettenstation zusammen, während die
Klasse 11 von Geräten mit Diskettenlaufwerken gebildet wird.
Als Standard bei professionell genutzten Personal Computern gilt heute ein 16-Bit
Prozessor. Auf dieser Leistungsstufe - IDC spricht von der Klasse III - haben sich die
Produktsegmente PC, XT und AT herausgebildet. Diese Klassifikation folgt den Gerätetypen von IBM, welche die kompatiblen Wettbewerber als Orientierungspunkte für ihre eigene Gerätekonfiguration wählten. Mit "PC" werden Mikrocom
puter charakterisiert, die in der Ausstattung dem 1981 von IBM eingeführten Modell
entsprechen: Sie verfügen über einen unechten 16-Bit-Prozessor Intel 8088 und über
ein oder zwei 360 KB-Diskettenlaufwerke. Der 1983 von IBM vorgestellte XT ist bei
gleichem Prozessor mit einer Festplatte und einem größeren Zentralspeicher ausgestattet. Zur Steigerung der Verarbeitungsgeschwindigkeit entschieden sich einige
Wettbewerber für den echten 16-Bit-Prozessor 8086 oder 80186 von Intel anstatt des
8/16-Bit-Prozessors 8088, der in den IBM-Modellen Verwendung findet. IBM vollzog
mit dem AT (für Advanced Technology) 1984 gleich den Schritt zum Intel 80286, der
neben einer weiteren Leistungssteigerung zugleich die Möglichkeit des MultitaskingBetriebes eröffnete.
83 Zwar ist mit Hewlett Packard ein Vertreter der "Big Names" in diesem Produktsegment zugegen, wofür allerdings eine größere Verwandschaft zu den programmierbaren Taschenrechnern von HP als zu den Personal Computern ausschlaggebend sein dürfte.
84 Die Prozessoren werden nach ihrer Bus-Architektur klassifIZiert: Der Prozessor ist aus mehreren internen Einheiten zusammengesetzt. Im wesentlichen sind dies das Rechenwerk, die Registereinheit und die Steuereinheit. Diese internen Elemente des Prozessors sind durch den internen Datenbus miteinander verbunden, über den der Datentransport erfolgt. Je nach der Breite dieses Busses spricht man von 8-, 16- oder 32-Bit-Prozessoren. Ein 16-Bit-Bus verfügt über sechzehn parallele Leitungen, auf denen 16 Bits gleichzeitig übertragen werden. Bei einem 8-Bit-Prozessor müssen zwei Bytes nacheinander transportiert werden. Mit den externen Einheiten wie Arbeitsspeicher und Ein-/ Ausgabeprozessor ist der Zentralprozessor durch externe Busse verknüpft. Prozessoren, deren interne Breite zwar 16 Bit beträgt, deren externe Busse jedoch nur acht Leitungen aufweisen, bezeichnet man als 8/16-Bit- oder unechte 16-Bit-Prozessoren. Vgl. hierzu Bangert (16-Bit), S. 60 ff.; ders. (Computer-Bus), S. 110 ff., und (System), S. 62 ff.
282
Entsprechend dem XT und dem AT konfigurierte Modelle werden heute von fast
allen bedeutenden, zum Industriestandard kompatiblen Wettbewerbern angeboten.
Lediglich Schneider hat kein AT-Modell in seiner Produktpalette, während Tandon
in derselben strategischen Gruppe plaziert - mit fünf Produktvarianten sogar eine
größere Vielfalt an AT-Modellen aufweist als der Marktführer IBM oder der gruppeninterne Konkurrent Commodore85• Nachdem aber alle wichtigen Wettbe
werber im 16-Bit-Segment präsent sind und dort in der Regel sowohl die XT- als
auch die AT-Modelle abdecken - wenn auch mit einer unterschiedlichen Varianten
zahl -, kommt diesem Produktsegment keine Bedeutung für die Gruppeneinteilung
und -charakterisierung zu.
Zu einer vorübergehenden Spaltung der Wettbewerber führt indes die 32-Bit
Technologie: In der (IDC-)Geräteklasse IV sind nach dem Stand dieser Untersuchung
erst die "Value Added Hardware"-Anbieter Compaq und Apple vertreten86, die dort
allerdings in Konkurrenz zu den Herstellern von 32-Bit-Workstations (z.B. Sun
Microsystems oder Apollo Computer Inc.) treten. Nachdem IBM bis April 1987 ihre
Pläne für die 32-Bit-Technologie nicht offenlegte und aus diesem Grunde auch noch
keine Software für die neue Produktgeneration vorlag, verhielten sich die kompati
blen Wettbewerber bei 32-Bit-Mikrocomputern zunächst abwartend87• Nach der
inzwischen erfolgten Ankündigung des IBM Personal System/2 Modell 80, das mit einem entsprechenden Betriebssystem/2 1988 verfügbar sein soll, ist auf absehbare Zeit mit entsprechenden Schritten der anderen "Big Names"- und der "Clone"
Konkurrenten zu rechnen88, so daß nur temporär von Unterschieden im Produktpro
gramm zwischen der "Value Added"- und den anderen Gruppen gesprochen werden
kann.
85 Ein breites Spektrum an Produktvarianten, die sich häufig nur in der Speicherkapazität der Festplatte unterscheiden, liegt aus Gründen der Lagerhaltung nicht im Interesse des Handels: Der Fachhandel zieht es vor, eine Grundversion im Bedarfsfalle entsprechend den Kundenwünschen selbst aufzurüsten. Tandon begegnet diesem Problem durch kurze Lieferzeiten, so daß der Händler erst nach Vorliegen eines Kundenauftrages seine Bestellung vornehmen kann.
86 Ein (unechter) 32-Bit-Prozessor (Motorola 68000) ist auch im Commodore Amiga enthalten, obwohl dieses Produkt nicht im professionellen, sondern im semiprofessionellen Markt positioniert ist: Für die Zielgruppe der medienschaffenden Anwender und für Homeanwender sind die graphischen Eigenschaften von besonderer Bedeutung. Um eine ansprechende Bildschirmgraphik bieten zu können, muß eine hohe Anzahl von Bildpunkten adressiert werden, wozu leistungsfähige Prozessoren erforderlich sind.
87 So z.B. die Erklärung von Tandon, vgl. HB vom 31.01.1987, S. 22. 88 Außer Compaq und IBM haben nach einer Übersicht von Möller (PC 1987) zwischenzeitlich fol
gende Firmen ebenfalls ein "386er"-Modell eingeführt oder angekündigt: asscodata/apricot, Gewico, ICF, Kaypro, Mirwald, Multitech, Plantron und Zenith Data. Ferner haben bereits Unisys und NCR ihre "386er"-PCs vorgestellt [vgl. CW 14 (1987) 20, S. 18, bzw. CW 14 (1987) 23, S.7]. Eine Marktübersicht der Computerwoche weist im April 1988, also ein Jahr nach der Ankündigung des PS/2 durch IBM, bereits 45 Anbieter von PCs auf der Basis des 80386er Prozessors aus. Vgl. CW 15 (1988) 17, S. 41 ff.
283
Das (frühe) Engagement von Compaq im 32-Bit-Segment ist daher weniger als Strategie einer breiten Produktlinie zu werten, sondern vielmehr als Streben nach einem
Technologievorsprunt9 zu interpretieren: Mit dem Deskpro 386, der bereits im
Oktober 1986 verfügbar war, als ruM seine 80386-Modelle noch nicht einmal ange
kündigt hatte, präsentierte sich Compaq dem Markt als Vorreiter in der 32-Bit-Tech
nologie. Analog kann Apple als Pionier einer einheitlichen Benutzeroberfläche
gelten, nachdem ffiM erst im Frühjahr 1987 mit der Ankündigung der System
Anwendungs-Architektur (SAA) einen - wenn auch etwas anders gelagerten - Ober
flächenstandard setzte.
Die Gruppe der "Value Added Products"-Anbieter hebt sich damit von den "Big
Names" und "Clones" als Technologieführer ab. Dies gilt auch gegenüber ruM. Von
Branchenbeobachtern wird der Marktführer trotz der Forcierung der 16-Bit-Tech
nologie im Jahre 1981 und der "Advanced Technology" von 1984 nicht als innovativ
bezeichnet90. Auch das Personal System/2 wird von den befragten Konkurrenten nicht als bahnbrechend bewertet, lediglich die neue Mikro-Kanal-Architektur könnte
sich nach ersten Einschätzungen als deutlicher Produktvorteil herausstellen. Und
wenn ruM aufgrund seiner MarktsteIlung technische Standards für die Branche setzt,
bedeutet dies nicht eine Technologieführerschaft im Sinne eines Technologievor
sprungs. Vielfach wird der Industriestandard sogar als behindernd beurteilt.
Nach dem eingesetzten Betriebssystem kann das Produktangebot schließlich in
Einplatz-Systeme (z.B. MS-DOS-PCs) und Mehrplatz-Systeme (wie Unix-PCs) unter
teilt werden. Hinsichtlich der Angebotsbreite ergibt sich hier folgendes Bild:
Einplatz-Mikros werden von allen Wettbewerbern angeboten. Unix-Systeme hin
gegen hauptsächlich von der "Big-Names"- und "Value Added Hardware"-Gruppe91•
Analog werden von diesen beiden strategischen Gruppen spezielle Systeme ange
boten, wie z.B. der 3270-PC und der XT /370 von ruM oder der PC-2000 von Siemens
89 Vgl. zu dieser Dimension der Wettbewerbsstrategie Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 175.
90 So z.B. McClellan (Shakeout), S.215: "The move to 16-bit personal computers was almost inevitable, an event widely anticipated throughout the industry. IBM, in the right place at the right time, was more than happy to lead the way. The only additonal ingredient needed was marketing strength." Anderen kritischen Stimmen zufolge hat es IBM seit der Vorstellung des AT im August 1984 versäumt, sich technologisch gegen den Clone-Wettbewerb zu behaupten. Von einem befragten Firmenvertreter wurde das PC-Geschäft wegen der dominanten Stellung von IBM gar als eine "einschlafende Branche" charakterisiert.
91 Z.B. von Olivetti mit dem 3B1 oder von Siemens mit dem PC-MX2. Aus der Gruppe der "Brand Identification-Clones" unternahm Commodore mit dem CBM 900 im Jahr 1986 einen Markttest mit einem Unix-PC. Man gelangte jedoch zu dem Ergebnis, daß dieser Markt für eine Volumenstrategie noch nicht reif sei, und zog das Produkt wieder zurück.
284
- also Produkte, die mit der jeweiligen Großrechnerwelt in Zusammenhang stehen92•
Die Domäne der "Clones" sind hingegen Stand-alone-Geräte, die jedoch grundsätzlich auch mittels Netzwerken untereinander verknüpft und an größere Systeme ange
bunden werden können.
Im Zuge der Diskussion der Angebotsbreite soll an dieser Stelle neben der PC
Hardware und den Komplementärprodukten das Dienstleistungsangebot tangiert
werden. Dieses umfaßt - für Vertriebspartner und Endkunden - z.B. Schulungsmög
lichkeiten, technischen Support und Kundendienst, Finanzierungshilfen und Leasing
angebote sowie Großkundenbetreuung. Tendenziell kann hier ausgesagt werden, daß
sich das Angebot an Dienstleistungen mit abnehmender Markenidentifikation ver
ringert93•
Die Strategiedimension Spezialisierung bzw. Angebotsbreite abschließend sei hier noch auf den Zusammenhang zwischen den bedienten Produkt- sowie Kundenseg
menten und der Wahl des Vertriebsweges eingegangen: Bei Ericsson war es z.B.
beabsichtigt, Großkunden nur direkt, mittlere und kleine Kunden hingegen indirekt zu bedienen. Diese Trennung erwies sich jedoch auch für die "Big Names"-Vertreter
als nicht haltbar, woraus folgte, daß auch Wettbewerber ohne Direktvertrieb den
Markt der Großunternehmen bearbeiten konnten. Dies unterstreicht nochmals die
Tatsache, daß weniger die gewählten Kimdensegmente, sondern die Wahl des Ver
trlebsweges als gruppenbildendes Merkmal heranzuziehen ist.
Zum Zusammenhang zwischen Produktsegmenten und Vertriebskanälen läßt sich
konstatieren, daß ein Teil der Produkte nur direkt94, andere nur indirekt abgesetzt
werden95, größtenteils aber - sofern vorhanden - beide Vertriebskanäle parallel
92 Der PC x:r/370 ist kompatibel mit dem Zentralcomputer und erlaubt den Zugriff auf zentrale Programme und Dateien für die Verarbeitung vor Ort. Er ist an die Zielgruppe der DV-Experten in Großunternehmen (z.B. Programmierer) adressiert. Beim 3270-PC handelt es sich um ein 3270-kompatibles Terminal mit PC-Eigenschaften. Der PC-2000 von Siemens arbeitet mit dem Siemenseigenen Betriebssystem BS-2000 und ist als Einstiegsmodell in diese Betriebssystem-Welt konzipiert.
93 Wegen sinkender Hardwarepreise und abnehmender geräteseitiger Differenzierungsmöglichkeiten sind insbesondere die "Big Names" bestrebt, die Wertschöpfung durch Dienstleistungen zu erhöhen. So wird z.B. für die Zukunft erwartet, daß die Einbindung von Personal Computern in BÜlokommunikationskonzepte eine Organisationsberatung beim Anwender erforderlich bzw. möglich machen wird.
94 Z.B. der 327O-PC und der PC x:r /370 von ffiM.
95 Der "Step One" von Ericsson - ein MS-DOS-Rechner, der aber nicht voU ffiM-kompatibel ist - wird von Ericsson nur indirekt abgesetzt, da er aufgrund seines geringeren Kompatibilitätsgrades für Großkunden als meist ungeeignet erachtet wird. (NCR vertreibt hingegen seinen ebenfalls nicht voU kompatiblen Decision Mate V auch an Großkunden.) Der zum Industriestandard kompatible Ericsson PC wird dagegen über beide Kanäle vertrieben.
285
herangezogen werden. Über welchen Vertriebsweg ein Geschäft getätigt wird, richtet
sich primär nach der Abnahmemenge, mit der aber meist die Einsatzart korreliert: So
sind z.B. die Siemens-Zweigniederlassungen für den Systemvertrieb von Personal
Computern zuständig, d.h. für PCs in Hostumgebung und bei Großkunden.
6.1.2.5. Druck versus Sog
Die Wettbewerbsdimension "Druck vs. Sog" bezweckt, die Branchenteilnehmer
dahingehend zu unterscheiden, ob sie eher eine Markenidentifikation direkt beim
Anwender entwickeln wollen (Pull bzw. Sog), oder ob sie eher darauf abstellen, die
Vertriebskanäle beim Verkauf der Produkte zu unterstützen (Push bzw. Druck)%.
Nachdem der Handel in den Anfangsjahren zunächst wenig unterstützt wurde, hat die
Branche zunehmend die Bedeutung der Verkaufsförderung97 erkannt. Heute bieten
mit Ausnahme der "No Name-Clones" praktisch alle Wettbewerber ein gewisses Maß
an Sales Promotion, das jedoch je nach dem Grad der Markenidentifikation variiert:
Die "Big Names" und "Value Added Products"-Anbieter investieren stark in ihre indi
rekten Vertriebskanäle, wenden sich daneben jedoch mit intensiven Werbernaßnah
men auch direkt an potentielle Anwender, so daß diesen beiden Gruppen sowohl ein
ausgeprägter Push- wie auch Pull-Effekt zugesprochen werden kann. Als führend wird
von einem Branchenbeobachter das Händler-Marketing von mM bezeichnet, wobei
den mM-Vertriebspartnern eine Fülle gezielter Marketinghilfen geboten werde,
unter denen Schulungsmaßnahmen und Planungshilfen eine herausragende Bedeu
tung erlangen. Jedoch haben auch Wettbewerber wie Compaq, Hewlett Packard,
Olivetti und Siemens ihre Anstrengungen im Fachhandels-Marketing verstärkt98: So
offeriert beispielsweise das Unternehmen Siemens seinen Vertriebspartnern neben
den schon früher gebotenen Leistungen wie Werbung, Pressearbeit, Dokumentation,
Händlerzeitschrift, Hotline, Produktschulung, Messen und Ausstellungen nunmehr
auch individuelle Marketingberatung und Betreuung sowie die Entwicklung gemein
samer Marketing- und Geschäftspläne99. Einen deutlichen Push-Effekt bescheinigten
einige "Big Names"-Vertreter auch der Firma Compaq. Die Bereitschaft des Handels,
Compaq-Produkte bevorzugt abzuverkaufen, basiere dabei auf der uneingeschränk-
% VgI. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 174.
97 Branchenterminologie: Händler-Marketing
98 VgI. Pleil (Händler-Marketing), S. 130.
99 VgI. B-W 1986/12, S. 9, sowie KnoU (Pe-Händler).
286
ten Fachhandelstreue von Compaq und auf der herausragenden Handelsunter
stützung1OO•
Daß neben dem Push-Effekt durch Vertriebspartner auch ein Abnehmer-Sog bei den
beiden strategischen Gruppen mit hoher Markenidentifikation vorherrscht, verdeut
licht inbesondere das Beispiel IBM: Mit der Wahl der Produktbezeichnung "Personal
Computer" beanspruchte IBM für sein Produkt den Gattungsnamen dieser Rechner
klasse. Mit der zusätzlichen Publizität, die der iBM PC durch die Fachpresse erfuhr,
entstand bei den Kunden der Eindruck, IBM sei ein Synonym für Personal Computer,
was (mittelfristig) zu einem beträchtlichen Nachfragesog führte.
Eine geringere Qualität und Intensität des Händler-Marketings ist bei den "Brand
Identifikation-Clones" zu verzeichnen. Zwar ist auch hier ein bestimmtes Ausmaß an
Verkaufsförderung (z.B. Hardwareprospekte etc.) und Schulung durch die Hersteller
gegeben, jedoch sollen durch die Betonung des günstigen Preises in der Werbung die
Produkte von den Nachfragern primär "durch den Handel gezogen" werden. Dies
kann beispielsweise an der Kommunikations- und Werbepolitik von Tandon verdeut
licht werden101: Tandon richtet sich mit seiner Produktwerbung an den bereits sach
kundigen potentiellen Kunden, der in einer Phase des Kaufentscheidungsprozesses
steht, in der er durch die Beratung des Fachhandels bereits weiß, wie die Lösung für
sein Problem aussehen muß. Er hat ein Komplettangebot für die benötigte Software
und die zugehörige Hardware vorliegen, auf der die empfohlene Applikation lauf
fähig ist. In Kenntnis der benötigten Rechnerklasse und -konfiguration unternimmt
der Interessent nun Preisvergleiche bei der Hardware. An dieser Stelle setzt die
Werbebotschaft von Tandon an, in deren Mittelpunkt der Preis der Produkte steht,
die für den ja bereits kundigen Nachfrager lediglich durch knappe Angaben zu den
technischen Ausstattungsmerkmalen beschrieben sind. Tandon will damit dem Push
Effekt des Handels zugunsten von IBM (oder anderen "Big Names") einen Pull
Effekt der Endkunden entgegensetzen.
Die direkte Unterstützung der Absatzmittler beim Verkauf der Produkte fällt bei
Tandon gegenüber den Gruppen mit hoher Markenidentifikation geringer aus: So
richtete Tandon bewußt kein Werbezuschußbudget für den Handel ein. Gegenüber
den autorisierten Händlern wurde diese Entscheidung damit begründet, daß nur etwa
100 Ähnlich der "IBM·Händlerakademie" unterhält Compaq z.B. ein technisches Schulungszentrum. In den Bereichen Marketing und Vertrieb werden die autorisierten Compaq-Händler durch ein externes Schulungsinstitut ausgebildet. Vgl. B-W 1986/9, S. 13.
101 Auch das Gruppenmitglied Commodore setzt auf einen Sog-Effekt durch einen hohen Bekanntheitsgrad, den man bei den Anwendern erzielen will (Jahresbericht 1985, Mikros für alle Märkte, S. 9: "Commodore muß zum Synonym für Mikrocomputer werden!", ebenda, S. 22: "Marktanteile erreicht man über MeinungsanteiJe!"). Hierzu beschreitet Commodore auch für die Branche atypische Wege, wie etwa die Werbepartnerschaft mit dem FC Bayern München.
287
ein Drittel aller Handelspartner in nennenswertem Umfang Gemeinschaftswerbung
betreibt, letztlich aber alle Händler für die dadurch verursachten Kosten aufkommen
müssen. Daher habe man sich entschlossen, auf Werbezuschüsse zu verzichten und
statt dessen allen Händlern die gleiche Marge einzuräumen, die dafür auch etwas
höher angesetzt wurde. Diese Maßnahme stieß - nach Angaben von Tandon -
zunächst auf die Kritik derjenigen Händler, die üblicherweise Gemeinschaftswerbung in Anspruch nahmen, konnte dann aber erklärt und einsichtig gemacht werden.
Als Ergebnis zu dieser Strategiedimension kann also festgehalten werden, daß die
Gruppen "Big Names" und "Value Added Products" sowohl auf einen Druck seitens
des Handels als auch auf einen Sog durch die· Kunden bauen, während die "Brand
Identification-Clones" hauptsächlich einen Pull-Effekt erzielen wollen und dazu die
Preiswürdigkeit ihrer Produkte in ihrer Werbung in den Vordergrund rücken102•
6.1.2.6. Kostenposition
Die Kostenposition als potentielles Unterscheidungsmerkmal stellt ab auf die Inten
sität, mit der die Branchenteilnehmer einen Kostenvorsprung in Produktion und Vertrieb anstreben, und zwar durch Investition in kostensenkende Anlagen und Aus
rüstungen103•
Hinsichtlich dieser Dimension der Wettbewerbsstrategie lassen sich keine systema
tischen Unterschiede zwischen den strategischen Gruppen feststellen, da aufgrund
sinkender Hardwarepreise Kostensenkungsinvestitionen von Vertretern aller
Gruppen forciert werden104. So wird beispielsweise u.a. von IBM, NCR, Compaq und
Tandon - also von Angehörigen der Gruppen "Big Names", "Value Added Products"
und "Brand Identification-Clones" - statt der herkömmlichen Leiterplattenbestückung
102 Von den beiden Gruppen mit umfangreicher Handelsunterstützung wird die Absatzstrategie dieser Gruppe mit "Cash & Carry-Geschäft" umschrieben, in dem die Geräte "über den Ladentisch" verkauft werden. Die betreffenden Wettbewerber werden als "Kistenverschieber" oder "Box-Pusher" bezeichnet.
103 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 175. 104 Selbst der überdurchschnittlich wachsende Technologieführer Compaq bezeichnet die Rentabili
tätssteigerung als primäres Ziel der Jahre 1985 und 1986. Vgl. Compaq Corporation, 1986 Annual Report, S. 3. Apple schloß 1986 eine Konsolidierungsphase ab, in deren Zuge von einer Spartenauf eine funktionale Organisation umgestellt wurde (vgl. Apple Computer, Inc., 1986 Annual Report, S.17). Zuvor hatte Apple bereits ein hochautomatisiertes Werk für die MacintoshProduktlinie errichtet, mit einem Geräteausstoß alle 27 Sekunden bzw. mit einer Kapazität von 1000 Stück je 8-Stunden-Schicht [vgl. Yasaki (Mac), S. 64).
288
eine neue Oberflächenmontagetechnik (Surface Mounting Technology) angewandt105• Auch im Vertriebsbereich ist branchenweit die Tendenz zu beobachten, die
Händlernetze und z.T. auch die interne Vertriebsorganisation zu straffen106• Allenfalls hinsichtlich des Bestrebens, auf dem Wege einer deutlich geringeren Mitarbei
terzahl die Gemeinkosten in Verwaltung und Vertrieb zu kontrollieren, können die
kleineren Wettbewerber der Gruppen "Value Added Products" und "Brand Identification-Clones" gegenüber den größeren "Big Names"-Konkurrenten abgegrenzt
werden.
Wenn auch - abgesehen von diesen Gemeinkostenvorteilen - zwischen den strategischen Gruppen keine systematischen Unterschiede hinsichtlich der Kostensen
kungsbestrebungen bestehen, so sind dennoch innerhalb der ''Big Names" Abweichungen hinsichtlich dieser Strategiedimension zu verzeichnen. Während beispielsweise IBM, Olivetti und NCR eine Volumenstrategie verfolgen, um Kostendegres
sionen zu realisieren107, wurde von Siemens ~er Kostenseite eine geringere strategische Bedeutung beigemessen: Bei der Analyse der Marktverhältnisse gelangte man zu dem Ergebnis, daß eine Kostenführerschaft nicht erreichbar sei. Man wählte daher den verbleibenden Weg der Differenzierung, indem man mit dem PC-D ein dem Industriestandard überlegenes Produkt kreierte, das jedoch - vor allem wegen geänderter Speicheradressen und einer höheren Taktfrequenz des Prozessors - nicht voll IBM-kompatibel war. In diesem Punkt glaubte man, aufgrund der breiten eigenen Vertriebsorganisation eine Marktstärke aufzuweisen, die es dem Unternehmen erlaubt, auch ein inkompatibles Produkt erfolgreich zu vermarkten. Während jedoch die Leistungssteigerung bzw. -differenzierung Mehrkosten verursachte, wurden die gebotenen Produktvorteile von den Abnehmern letztlich nicht mit einer Preisprämie
honoriert: Die Inkompatibilität reduzierte bei Anwendern, die bereits über einen
Bestand an Industriestandard-PCs verfügten, den Kundennutzen, da diese zwei Soft-
105 Nach herkömmlicher Bestückungstechnik müssen die Bauteile mit ihren Anschlußstiften durch die Bohrungen der Platine gesteckt und von der Leiterplattenrückseite verlötet werden. Bei der Oberflächenmontage, bei der Miniaturbauelemente (sog. Surface Mounted Devices) von Handhabungsautomaten auf die Platine geklebt werden, entfallen bis auf das Verlöten sämtliche bei der traditionellen Bestückungstechnik erforderlichen Arbeitsschritte. Vgl. hierzu Chip 1987/4, S. 36 - 38.
106 So z.B. bei Olivetti, wo zum Jahresbeginn 1987 der Vertrieb neu geordnet wurde: Nach bisher fünf VertriebskanäIen besteht die neue Struktur nur noch aus den drei Vertriebsdirektionen Büroprodukte, Computer Indirekt und Großkunden-Direktgeschäft. Vgl. OM 1987/1, S. 43.
107 NCR ist hierzu auch im OEM-Geschäft präsent, d.h. produziert auch Personal Computer für Mitbewerber (z.B. N'1Xdorf), die das (NCR-)Produkt unter ihrem Namen vermarkten. mM nimmt neben der Kostenführerschafts- auch eine günstige, überdurchschnittliche Differenzierungsposition ein, was u.a. durch die MarktsteIlung und Marktbedeutung als De-facto-Standard bedingt ist. Nach Auskunft eines befragten Branchenvertreters betreibt mM - aber auch Olivetti -primär eine Strategie der Kostenoptimierung. Die Differenzierungsbestrebungen sind demgegenüber von untergeordneter bzw. funktionaler Bedeutung.
289
warebestände pflegen mußten108• Man war daher zu Preisnachlässen gezwungen, d.h. die Inkompatibilität kostete Siemens die potentielle Preisprämie.
Nach der oben vorgestellten strategischen Karte treffen mit ffiM, Olivetti und NCR auf der einen und mit Siemens auf der anderen Seite Kostenführer und Differenzie
rer in einer strategischen Gruppe aufeinander. Dies stellt nun die "Big Names"Gruppe in Frage, denn nach dem Konzept der strategischen Gruppen sollten die einer Gruppe zugezählten Wettbewerber eine ähnliche Strategie verfolgen. Das heißt, es könnte eine andere Gruppeneinteilung vorzunehmen sein109• Jedoch ist
Siemens mit dem Nachfolgeprodukt PCD-2 von seiner Strategie der Leistungsdifferenzierung außerhalb bzw. am Rande des Industriestandards abgerückt und somit
eindeutig den "Big Names" zuzuordnen. Dies bedeutete dann auch, für die Zukunft Kostensenkungsbestrebungen stärker in den Mittelpunkt zu stellen, was beispiels
weise auf dem Wege des Zukaufs von Kostenerfahrung bei ORM-Mitbewerbern (z.B. Tandon und NCR) erfolgtllO.
6.1.2.7. Produkt qualität
Das Qualitätsniveau der Produkte bemißt sich 'nach Faktoren wie Güte der verwendeten Komponenten und Grad der Kompatibilität zum Industriestandard, aber auch nach der Qualität der Hard- und Softwaredokumentation oder der Ausstattung mit einer deutschen Tastatur, etc.
Unterschiede im Qualitätsanspruch bestehen zwischen den Wettbewerbern mit hoher und mittlerer Markenidentifikation und den "No Name-Clones". So unterscheiden
108 Aus diesem Grunde vertrieb Ericsson den inkompatiblen "Step One" nicht an Großunternehmen. Für Kleinunternehmen steht hingegen der Problemlösungsaspekt im Vordergrund, d.h. für diesen Anwenderkreis ist die Kompatibilitätsfrage kaum relevant, solange ihm von Herstellerseite eine Komplettlösung für seine Problemstellung geboten wird. Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese Zielgruppe nicht preissensibler entscheidet und daher eher auf die niedrigpreisigeren Industriestandard-PCS zurückgreift.
109 So könnten Unternehmen wie Siemens, DEC und HP zu einer Gruppe zusammengefaßt werden, die nach Preisniveau und MarkenidentifIkation oberhalb der "Big Names"-Volumenanbieter anzusiedeln wäre.
110 In einer ähnlichen Situation, also nach einer ebenfalls gescheiterten Differenzierungsstrategie, wählte DEC die strategische Option des Rückzugs aus dem Massenmarkt in den Markt der Workstations, Als Differenzierungsquelle hatte DEC auf ein Doppelprozessor-System gesetzt, das dem Anwender die Möglichkeit eröffnete, mehrere Betriebssystem-Welten zu erschließen. Dieses Alleinstellungsmerkmal wurde von den Abnehmern jedoch ebenfalls nicht als ein solches angenommen.
290
sich nach Auskunft eines Branchenvertreters hochqualitative Gerätell1 von den
Clone-Produkten bereits hinsichtlich der Auslegung der Hardware, z.B. bezüglich der Spannungsfestigkeit gegen elektrostatische Einflüsse von der Tastatur, oder hinsicht
lich der Umschaltbarkeit und dem Glättungsaufwand bei der Stromversorgung etc.112
Der Grad der Kompatibilität stellt heute hingegen kein primäres Unterscheidungs
merkmal mehr dar. Unterschiede bestehen bezüglich einer ausführlichen, deutsch
sprachigen Dokumentation, die bei fernöstlichen Clone-Produkten noch nicht
Standard ist.
6.1.2.8. Beziehung zum Gesamtunternehmen
Die Beziehung einer Geschäftseinheit zum Gesamtunternehmen ist in die Analyse
der strategischen Gruppen einzubeziehen, da die Geschäftsfeldstrategie wesentlich
von der Gesamtunternehmensstrategie (corporate strategy) abhängen wird: "Die Art
der Beziehung zum Konzern beeinflußt die Ziele, mit denen das Unternehmen
geführt wird, bestimmt die ihm zur Verfügung stehenden Mittel und verlangt mög
licherweise, bestimmte Funktionen oder Operationen mit anderen Geschäftseinhei
ten gemeinsam zu betreiben .. ."113.
Die PC-Divisionen bzw. -Geschäftsbereiche der "Big Names" sind Teil von meist
gering bis mäßig diversifizierten Konzernen, die in der Regel in verwandten
Geschäftsfeldern tätig sind: Diese Unternehmen sind entweder aus dem Mainframe
oder Minicomputerbereich, der Nachrichtentechnik oder dem Büromaschinenbereich
in den PC-Markt eingetreten. Ihr angestammtes Produkt-Markt-Konzept war inso
fern gefährdet, als mit dem Personal Computer ein Substitutionsprodukt heranzureifen drohte. Dieses hätte bisher getrennte Endgeräte integrieren oder in Bereiche
größerer Rechnerklassen hineinwachsen können. Hierbei war früh zu erkennen, daß
die PC-Technologie zu großen Stückzahlen führen wird, es daher zu großen Lern
und Erfahrungskurveneffekten kommen wird und auch die Komponenten im Preis
sinken werden, so daß ein billiges Endprodukt entstehen könnte. Es war also abseh
bar, daß bestehende Endgeräte (z.B. Speicherschreibmaschinen, Terminals, Teletex
Geräte, Bildschirmtextgeräte) vom günstigen Preis-/Leistungsverhältnis der Personal
Computer bedroht sein werden. Man war zwar bestrebt, die dedizierten Endgeräte
111 Wie etwa die Personal Computer von Hewlett Packard oder der NCR 6.
112 Dementsprechend liegen die Kosten für die Stromversorgung zwischen 30 und 200 DM.
113 Porter (Wettbewerbsstrategie), S.175 f.
291
zunächst noch abzuschirmen, bereitete sich aber zugleich auf den Einstieg in multi
funktionale Endgeräte auf PC-Basis vor, um diesen Schritt ausführen zu können,
sobald der Markt verbindlich zur Substitution zwingen würde.
Neben der Substitutionsgefahr, die von Personal Computern für andere Endgerätemärkte, Workstations und Minicomputer ausging, erlangten Mikrocomputer für die
"Big Names" strategische Bedeutung für den sich erst entwickelnden Markt für Büro
kommunikationssysteme: Anfang der 80er Jahre wurde das Zusammenwachsen der
Bereiche Datenverarbeitung, Nachrichtentechnik und Büromaschinen prognostiziert.
Die führenden Wettbewerber der betreffenden Bereiche eigneten sich das jeweils
fehlende Know how an und konzipierten branchenübergreifende Produktsysteme.
Ein Markt für derartige Bürokommunikationsprodukte existierte damals jedoch noch
nicht. Um dennoch bereits auf Arbeitsplatzebene präsent zu sein, wurden von den
"Big Names" die PC-Projekte initiiert. So ist beispielsweise Ericsson ursprünglich ein
Telekommunikationskonzern gewesen. Ausgangspunkt für das PC-Engagement von
Ericsson waren strategische Überlegungen auf Konzernebene über zukünftige
Märkte: In den Mittelpunkt der Konzernstrategie wurde der Bürokommunikations
markt gerückt. Dementsprechend ist aus der Sicht von Ericsson Information Systems
der Personal Computer ein Gerät, das in Verbindung mit Großrechnern oder öffent
lichen Netzen genutzt wird. Zielmarkt im Sinne des Gesamtgeschäftes ist daher der
PC, der als Workstation betrieben wird und als Einstiegsprodukt in die Bürokommu
nikation angesehen werden kann114•
Ein weiteres Beispiel für die Beziehung zum Gesamtunternehmen liefert die NCR
Corporation: Ziel der NCR ist nicht der Großrechnermarkt, sondern die dezentrale
Rechnerwelt um den Host. Wegen dieser Ausrichtung des Gesamtunternehmens
gewinnt der Personal Computer als Arbeitsplatzrechner für NCR strategische Bedeu
tung. Ein eventueller Rückzug aus diesem Bereich wird daher auch als problematisch erachtet.
Der PC-Markt wurde also von den "Big Names" mit dem Ziel betreten, an einer sich
abzeichnenden Substitution zu partizipieren, oder um mit Personal Computern als
Vorstufe zur Bürokommunikation am Arbeitsplatz präsent zu sein. Eine derartige
Beziehung zum Gesamtunternehmen fehlt bei den "Value Added Products"
Anbietern, die - als originäre Wettbewerber - das PC-Geschäft als "alleinstehende Einheit" betreiben.
114 Wie bereits erläutert, bearbeitet Ericsson jedoch auch den Markt der Stand-alone·PCs, die als "miniaturisierte Universalrechner" eingesetzt werden: Dieser Markt ist aus Stückzahl- und Preis· gründen für Ericcson von Bedeutung, auch wenn er nicht als Kernmarkt betrachtet wird.
292
Die Gruppe der ''Brand Identification-Clones" ist hinsichtlich der Relation zum
Gesamtunternehmen sehr heterogen zusammengesetzt: In ihr sind ebenfalls originäre Mikrocomputeranbieter vertreten (z.B. Victor Technologies), die nur in diesem
Geschäftsfeld tätig sind. Demgegenüber stellt die Tandon Computer Corp. eine Ver
triebsgesellschaft dar, die das letzte Glied einer vertikalen Geschäftskette bildet,
welche auf den vorgelagerten Stufen komplette PCS für den OEM-Markt produziert und bis in die Komponentenfertigung zurückreicht, wo die "Strategie der vertikalen
Produktintegration" bei Laufwerken bzw. Schreib-Lese-Köpfen ihren Ausgangspunkt
nahm. Entsprechend der Geschäftspolitik im OEM-Bereich operiert Tandon im
Endkundenmarkt, der zu einer größeren Unabhängigkeit vom OEM-Geschäft und zu
einer höheren Kapazitätsauslastung beitragen sollte, gemäß der allgemeinen Philo
sophie des Unternehmens: ''Upward integration, combined with volume production
techniques, is aimed at achieving competitive cost-effectiveness and, with it, price leadership, which is a critical factor in the volatile computer marketplace."115 Bei
Mitbewerbern wie Commodore und Atari schließlich wird der Personal Computer
Bereich von einer umsatzstarken Homecomputerlinie flankiert. Diese Unternehmen
verfolgen - analog dem Homecomputersegment - auch im (semi-)professionellen
Markt eine Niedrigpreis- und Volumenstrategie.
6.1.2.9. Beziehungen zu Regierungen
Ebenso wie die Relation zum Gesamtunternehmen ist die Beziehung zu Regierungs
stellen in die Bestimmung der strategischen Gruppen einzubeziehen, da von dieser
Seite unterstützende, aber auch restriktive Einflüsse ausgehen können116•
Von den befragten Personen wurde diese Dimension der Wettbewerbsstrategie als
bedeutsam erachtet. Dies habe sich unmittelbar bei der Ausschreibung und Vergabe
öffentlicher Aufträge gezeigt, z.B. anläßlich der Ausstattung des Bundeskanzleramtes
mit Personal Computern. Im Vorteil seien hier einheimische Großunternehmen
gewesen, insbesondere das Haus Siemens, das gute Kontakte pflege, u.a. zur Bonner
Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD), die eine Vorauswahl zu
treffen hatte. Unter den ausländischen Unternehmen sind die "Big Names"-Firmen
gut angesehen, während kleinere US-Unternehmen mit einem amerikanischen Image
benachteiligt sind, selbst wenn sie in Deutschland produzieren. So werden beispiels
weise von Commodore die Beziehungen zum Gastland als verbesserungsbedürftig
115 Tandon Corporation, 1986 Annual Report, S. 1.
116 VgI. Porter (WeUbewerbsstrategie), S. 176.
293
angesehen, wozu man in Werbeaussagen die deutsche Herkunft und Herstellung der
PCs betont, sich in Selbstdarstellungen als "ein fest in die heimische Wirtschaft inte
griertes Unternehmen"117 präsentiert und eine Direktionsstelle für die Kontaktpflege
zu Behörden, Verbänden und Wissenschaft eingerichtet hat. Die ungünstigsten
Gastlandbeziehungen dürften die fernöstlichen "No Name-Clones" aufweisen, insbe
sondere wenn sie nur über Distributoren in Deutschland vertreten sind.
6.1.3. Zusammenfassung der Gruppenprofile, Präzisierung der strategischen Karte
und Bestimmung der Mobilitätsbarrieren
Die Ergebnisse der vorstehenden Analyse zentraler Strategieunterschiede und unter
geordneter Dimensionen der Wettbewerbsstrategie sind in Abb. 17 zu einer Über
sicht zusammengefaßt, aus der die Strategieprofile der einzelnen Gruppen hervor
gehen.
Nicht enthalten in der dem Mikrocomputermarkt bisher zugrunde gelegten strate
gischen Karte sind die Wiederverkäufer (Value Added Reseller) als Wettbewerber im
Personal Computer-Markt: Die Dimension "Wahl des Vertriebsweges" bezieht sich
auf die Mikrocomputerhersteller bzw. Hardwareanbieter. Deren Software- und
Systemhäuser fallen aus Herstellersicht in die Rubrik "indirekter Vertriebsweg".
Damit erscheint z.B. Taylorix118 als ein Absatzkanal für Siemens-PCs, obwohl für den
Kunden nicht erkennbar ist, daß die der Lösung zugrundeliegende Hardware mit
Siemens-Geräten identisch ist. Wollte man alle Marktteilnehmer klassifizieren, die
an Endkunden verkaufen, müßte als zusätzliche strategische Dimension die "vertikale
Integration" bzw. "Wertschöpfungsstufe" gewählt werden. Value Added Reseller
(V AR) bzw. Systemhäuser könnten in der daraus resultierenden dreidimensionalen
Karte dann als Mitbewerber ihrer Hardwarelieferanten ausgewiesen werden. Hierin
könnten auch die OEM-Nehmer begründeterweise als Konkurrenten ihrer jeweiligen
117 Commodore Büromaschinen GmbH (Hrsg.), Mikros für alle Märkte, Jahresbericht 1985, S. 3. 118 Die Taylorix Organisation, Stiegler, Haußer GmbH & Co., 1921 als Büroorganisationsuntemehmen
gegründet, leitete 1969 in Kooperation mit Triumph-Adler den Eintritt in den Bürocomputermarkt ein. 1984 lief diese Verbindung zu TA aus, als Taylorix einen eigenen Einzelplatz-Mikrocomputer einführte. Das Unternehmen verfügt über ein Vertriebsnetz von 44 Niederlassungen. Der Gesamtumsatz von Taylorix verteilte sich im Geschäftsjahr 1984/85 in absteigender Folge auf die Bereiche: Dienstleistungen der beiden Service-Rechenzentren; Mikrocomputer und Mehrplatzsysteme; Beratungsleistungen; Software und technische Dienstleistungen; klassische Organisationsmittel. Das Unternehmen, das über ca. 200 branchenspezifische Softwarepakete verfügt, vertreibt mM PCs und seit 1986 auch den PC-D von Siemens. Vgl. hierzu Schrem (Taylorix) und FAZ vom 26.11.1985, S. 15.
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IV
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296
Anmerkungen zur Tabelle der strategischen Gruppen:
1) Keine systematischen Unterschiede zwischen den Gruppen; innerhalb der
Gruppen jedoch landesweit und regional operierende Wettbewerber.
2) Apple, jedoch nicht mit einem "Value Added Product"; Compaq ist hinge
gegen nur im professionellen Segment angesiedelt.
3) Grad der Rückwärtsintegration im Branchendurchschnitt gering; keine
systematischen Unterschiede zwischen den Gruppen; Ausnahmestellung:
evt. Tandon.
4) Keine systematischen Unterschiede.
DEM-Lieferanten positioniert werden, was in einer zweidimensionalen Karte
Schwierigkeiten bereitet: Dort wären DEM-Nehmer genauso zu behandeln wie
V ARs, also ebenfalls nicht als Wettbewerber aufzunehmen. Allerdings verbietet sich
dies hier aus Plausibilitätsgründen. So erscheint (in der zweidimensionalen Karte)
z.B. Nixdorf, obwohl DEM-Kunde von NCR, nicht als ein Absatzkanal für NCRProdukte, sondern als Wettbewerber im Endkundenmarkt119. Keine Zurechnungs
probleme verursachen hingegen reine DEM-Hersteller (wie Convergent Technolo
gies), die nicht im Endkundengeschäft vertreten sind und daher eindeutig als Zulie
ferer von PC-Anbietern eingestuft werden können. Dies hat allerdings zur Folge, daß
sie - wie auch die V ARs - in einer zweidimensionalen Darstellung nicht als Branchen
teilnehmer in Erscheinung treten.
Wollte man auch diese Unternehmen in der strategischen Karte der Branche ausweisen, so müßte als weitere, unabhängige Strategiedimension die gewählte Wert
schöpfungsstufe hinzutreten. Aus darstellungstechnischen Gründen empfiehlt es sich
für diesen Fall, die beiden Dimensionen "Markenidentifikation" und "Vertriebswege" zusammenzufassen. Auf der daraus resultierenden kombinierten Achse wären folgende Ausprägungen anzutragen:
119 Es handelt sich hierbei wohlgemerkt um ein empirisches Argument. Daß Wiederverkäufer einmal (nämlich bei VARs) als Absatzmittler, im anderen Fall (bei OEM-Nehmern) als Mitbewerber perzipiert werden, hängt mit der Konkurrenzsituation in anderen, verwandten Märkten zusammen.
297
direkter und indirekter Vertrieb / hohe Markenidentifikation
indirekter Vertrieb / hohe Markenidentifikation indirekter Vertrieb / mittlere Markenidentifikation
indirekter Vertrieb / geringe Markenidentifikation.
Auf der frei gewordenen Achse könnten dann die PC-Hersteller von den PC-Anbietem
getrennt werden, die wie folgt weiter zu untergliedern wären:
V ARs } PC-Anbieter OEM-Nehmer
nur Endkundengeschäft } OEM- und Endkundengeschäft PC-Hersteller
reine OEM-Lieferanten
Eine derart differenzierte Karte bietet den Vorteil, die beim Eintritt in eine der vier
Hauptgruppen gewählte Wertschöpfungsstufe abbilden zu können. Der damit
erreichte zusätzliche Aussagegehalt betrifft den Schutz bzw. die Überwindbarkeit der
Mobilitätsbarrieren dieser Gruppen. So hat z.B. Victor Technologies die Gruppe der
"Brand Identification-Clones" als OEM-Nehmer betreten, wobei ein Gruppenwechsel
aus dem Kreis der "Value Added Products"-Anbieter vorgenommen wurde: Victor
(damals noch Sirius) wurde Anfang 1981 in den USA von ehemaligen Commodore
Mitarbeitern gegründet. Innerhalb eines Jahres wurde der Sirius 1 entwickelt, einer der ersten 16-Bit-Mikrocomputer, die auf den Markt kamen. Dieser Rechner wies
neben dem 8/16-Bit-Prozessor Intel 8088 eine Reihe weiterer, außergewöhnlicher
Merkmale auf, z.B. eine frei programrnierbare Tastatur, einen Bildschirm mit hoher
Auflösung, zwei 1,2-MB-Diskettenlaufwerke und die Anschlußmöglichkeit einer
externen 10-MB-Festplatte. In Deutschland war der Sirius 1 zu Beginn des Jahres 1982 lieferbar, also etwa ein Jahr vor dem Markteintritt von IBM. Aufgrund dieses
zeitlichen Vorsprungs avancierte Victor in Europa zum Marktführer im 16-Bit
Segment. Außerdem entstand aufgrund der frühen Verfügbarkeit ein breites Software angebot für den Sirius 1, so daß man zunächst auch nach dem Markteintritt von
IBM keine Veranlassung zur Kompatibilität zum Industriestandard sah. Im zweiten
Quartal des Jahres 1983 geriet Victor Technologies jedoch in die Verlustzone und mußte sich 1984 zur Konsolidierung unter den Schutz von Chapter 11 des amerika
nischen Konkursrechts begeben. Als Grund wurde von Victors President Charles
Peddle der Eintritt von IBM in den Mikrocomputermarkt genannt, aufgrund dessen man sich gezwungen sah, die Marktstrategie zu ändern120. 1985 stellte Victor den
120 vgl. CW 10 (1983) 40, S. 1.
298
Sirius VI vor, der über eine Softwarelösung die positiven Eigenschaften des Sirius 1
mit den Vorzügen der MS-DOS-Softwarepakete verbindet. Daneben wurde das Indu
striestandard-Modell VPC eingeführt, gefolgt von dem AT-kompatiblen V286. Im August 1985 wurden die Preise für die kompatible Produktlinie gesenkt. Ähnlich wie
bei Commodore wurde für den VPC eine preisaggressive Werbung betrieben.
Während der Sirius 1 von Victor in den USA noch selbst montiert wurde, ließ man
die Nachfolgemodelle bei Kyocera in Japan fertigen. Victor überträgt damit seinen Markennamen, der von den Erfolgen des innovativen Sirius 1 herrührt, auf ein fremdgefertigtes Industriestandard-Produkt. Die Verlagerung der Fertigung auf einen
fernöstlichen Produzenten ermöglichte es Victor, die Hardwarekosten auf ein solches Niveau zu senken, das für die Verfolgung einer preisaggressiven Strategie im unteren
Segment des IBM-kompatiblen Marktes erforderlich ist. Victor überwand also die
MobiIitätsbarrieren zur Gruppe der "Brand Identification-Clones", indem man die
Kostenerfahrung auf der Hardware- bzw. Produktseite zukaufte, während die
Markenidentifikationsbarriere aufgrund des Images aus der Pionierzeit des 16-Bit
Marktes kein Hindernis darstellte und auch der Zugang zum Fachhandel schon be
reitet war. Vor dem entgegengesetzten Problem stand die Tandon Corporation, die als bishe
riger OEM- und Komponentenhersteller bereits über Erfahrung im Bau kompletter
Personal Computer verfügte und daher von der Kostenseite her die Voraussetzungen
für den Eintritt als Hersteller in die "Brand Identification-Clones"-Gruppe erfüllt
haben dürfteU1. Gravierender waren hier die Barrieren "Fachhandelszugang" und "Markenidentifikation", da ja Tandon - anders als Victor - bislang nicht mit Personal
Computern im Endanwendermarkt vertreten war. Allerdings war durch das sich ent
wickelnde Endkundengeschäft mit nachrüstbaren Festplatten eine gewisse Basis vor
handen, welche die Ansprache des Handels und z.T. auch der Endabnehmer er
leichterte.
Vor der umfassendsten (aber nicht unbedingt schwierigsten) Aufgabe beim Zutritt
zur Gruppe der "Brand Identification-Clones" dürfte Commodore gestanden haben:
Um sich als PC-Hersteller in dieser Gruppe zu etablieren, mußte Commodore Ferti
gungskapazitäten für eine entsprechend hohe Stückzahl einrichten, die eine kosten
günstige Produktion erlaubte, mußte den Fachhandelsvertrieb für seine PC-Linie
aufbauen bzw. reaktivieren und verstärkt die Zielgruppe der professionellen Anwender ansprechen, die in der Homecomputer-Ära vernachlässigt worden war. Trotz der
im Vergleich zu Victor und Tandon breiteren AufgabensteIlung war Commodores
Ausgangsposition jedoch ebenfalls in mehrerer Hinsicht günstig: Man verfügte bereits
121 Der Eintritt über zugekaufte OEM-pes kam für Tandon nicht in Frage, da man durch das Endkundengeschäft ja gerade die eigenen Kapazitäten besser auslasten wollte.
299
über Massenproduktionserfahrung aus dem Homecomputerbereich, genoß einen
hohen Bekanntheitsgrad bei bestimmten semiprofessionellen Anwendern und hatte
bereits in der Vergangenheit kommerzielle Mikrocomputer über den Fachhandel
vertrieben122•
Sieht man von den Vorteilen ab, welche die beschriebenen Vertreter der "Brand
Identification-Clones" aus ihren früheren Tätigkeitsfeldern ziehen konnten, so ist diese strategische Gruppe vor dem Zutritt von DEM-Nehmem (nur) durch die
Vertriebs- und Markenidentifikationsbarriere geschützt. Ein Wettbewerber dieser
Gruppe, der nur im Endkundengeschäft als Hersteller operiert, muß zusätzlich eine günstige Kostenposition (selbst) realisieren, die ihm das Setzen von Niedrigpreisen
ermöglicht. Dabei ist er - ceteris paribus - gegenüber einem Konkurrenten im Nachteil, der auch im DEM-Geschäft tätig ist und daher die Möglichkeit der Kostenaufteilung in der Fertigung besitzt bzw. eher Degressionseffekte verwirklichen kann.
Die Wertschöpfungsstufe ist also unter Eintrittsgesichtspunkten von Bedeutung, nicht
aber hinsichtlich des Angebotsverhaltens im Marktl23. Hier stellen die Wahl des Ver
triebsweges und der Grad der Markenidentifikation die zentralen Strategiedimen
sionen dar, die zugleich die wesentlichen Mobilitätsbarrieren zwischen den strategischen
Gruppen hervorrufenl24:
Die "Big Names" sind durch eine "Direktvertriebsbarriere" vor Übertritten der "Value
Added Products"-Anbieter geschützt, denen eine eigene Direktvertriebsorganisation
fehlt. Diese können die Vertriebsstrategie der "Big Names" nicht nachvollziehen, da
die Bedienung paralleler Absatzkanäle zu Lasten der Loyalität des Fachhandels
gehen würde, die als zentraler Erfolgsfaktor dieser Gruppe erachtet wird. In umge
kehrter Richtung können die "Big Names" nicht auf den traditionellen Direktvertrieb
verzichten, da sie ihren Großkunden verpflichtet sind, die meist direkt mit dem
Hersteller in Verhandlung treten wollen.
122
123
124
Wegen fehlender Fachhandelstreue im Homecomputergeschäft waren Commodores Beziehungen zum Fachhandel jedoch eher schlecht: Durch die Öffnung zu den Warenhäusern, die den C64 aufgrund einer anderen Kalkulationsbasis billiger anbieten konnten, war das Vertrauensverhältnis zu den C64-Händlern beeinträchtigt worden.
OEM-Nehmer und OEM-Hersteller sind denn auch keine exklusive Erscheinung der 'Brand Identification-Clones'-Gruppe, die aufgrund des niedrigen Preisniveaus einem starken Kostendruck ausgesetzt ist. Mit Nixdorf bzw. NCR sind auch unter den 'Big Names' OEM-Nehmer bzw. -Hersteller auszumachen.
Nach den von Porter (Wettbewerbsstrategie, S.204) aufgestellten Grundsätzen für den Entwurf einer strategischen Karte eignen sich als Achsen jene strategischen Variablen am besten, die die entscheidenden Mobilitätsbarrieren in der Branche bestimmen. Dementsprechend wird hier auch dem in Abb. 16 dargestellten Diagramm der Vorzug gegenüber einer Karte gegeben, die zudem auch die Wertschöpfungsstufe berücksichtigt.
300
Vor Übertritten aus den "Clones"-Gruppen sind die Unternehmen mit einem hohen
Grad an Markenidentifikation durch eine Produktdifferenzierungs- bzw. Image
barriere geschützt, die "Big Names" außerdem durch die Direktvertriebsbarriere, die
allerdings von einigen "Brand Identification-Clones" (z.B. Zenith und Tandon) im
Segment der öffentlichen Abnehmer bereits durchbrochen wurde - vorerst allerdings
nur im US-Markt. Eine Verbesserung der Imageposition ist jedoch mit nachhaltigen
Schwierigkeiten verbunden, da die "Big Names" ihren Differenzierungsvorteil marketingseitig aus verwandten DV-Segmenten ziehen, in denen die "Brand Identification
Clones" nicht vertreten sind. Die Differenzierungsposition der Mikrocomputer
spezialisten Compaq und Apple ist in einem "first mover advantage" im sog. "high
end" des standardkompatiblen Marktes bzw. in der Pionier-Rolle bei der bediener
freundlichen Benutzeroberfläche begründet. Diese "early mover"-Vorteile, die durch
eine starke Marketingunterstützung abgesichert sind, können von den "Brand Iden
tification-Clones" nicht kompensiert oder überwunden werden, indem diese ihre bis
herige Strategie besser realisieren. Die Einnahme einer vergleichbaren Position setzt
strategische Durchbrüche voraus125• Werden hierzu beispielsweise - wie bei Apple -produktseitige Alleinstellungsmerkmale außerhalb des Industriestandards angestrebt,
ergibt sich als zusätzliche Schwierigkeit die Bereitstellung von Komplementärprodukten. Hierfür müßten Softwarehäuser und Add-on-Lieferanten gewonnen werden, die
sich jedoch in der Regel am De-facto-Standard orientieren.
Die Gruppe der "Brand Identification-Clones" schließlich ist durch ihre mittlere
Differenzierungsposition gegenüber Zutritten aus der "No Names"-Gruppe abgeschirmt. Ein Eintrittshemmnis für Konkurrenten mit höherer Markenidentifikation,
die einen Gruppenwechsel vornehmen wollen, könnte in dem niedrigen Preisniveau
liegen, von dem ein entsprechender Druck auf die Kostenposition ausgeht. Wie
bereits am Beispiel der Firma Victor Technologies gezeigt, kann diesem Kostendruck
auf der Hardware- bzw. Fertigungsseite durch eine OEM-Strategie begegnet werden,
so daß letztlich nur Größenersparnisse in Marketing und Vertrieb zutrittshemmend wirken.
Eine Möglichkeit zur Kompensation gerade der Größenersparnisse in den Bereichen
Marketing und Vertrieb besteht in der regionalen Konzentration. Obwohl sie ein stra
tegisch wichtiges Unterscheidungsmerkmal darstellt, wurde die regionale Spezialisie
rung innerhalb des bundesdeutschen Gesamtmarktes aus Gründen der Komplexitäts-
125 VgI. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 182.
301
reduzierung bislang zurückgestellt126. Insofern bezog sich die strategische Karte vor
erst nur auf den Kernbereich der Branche, in dem 1985 allein 18 landesweit operie
rende Unternehmen (der insgesamt auf über 200 geschätzten Branchenteilnehmer)
ca. 90 % des gesamten Branchenvolumens auf sich vereinigten127•
Eine Erweiterung der strategischen Karte um den "Grad der geographischen
Marktabdeckung" als dritten Achsenabschnitt gestattet es nun, die regionalen
Nischenanbieter von den national vertretenen Marktteilnehmern zu unterscheiden.
Nach Schätzung eines befragten Branchenvertreters verkaufen diese regional
begrenzt operierenden Anbieter zu zwei Dritteln über den Preis und zu einem Drittel
über das Angebot einer Problemlösung. Im letztgenannten Fall handelt es sich jedoch
zumeist um OEM-Nehmer bzw. Value Added Reseller, die das zugekaufte Gerät z.B.
hardwareseitig für spezielle Abnehmerkreise erweitern, so daß es sich hier im allge
meinen nicht mehr um "general purpose"-PCs handelt128.
Die Mehrheit der Nischenanbieter, die ihre Produkte über den Preis vermarktet, tritt
aufgrund einer geringen Markenidentifikation und übereinstimmender Ver
triebskanäle in Konkurrenz zu den "Brand Identification-" oder "No Name-Clones".
Ihre Wertschöpfung beschränkt sich auf der Fertigungsseite auf die Montage zuge
kaufter Teile, nennenswerte FuE wird nicht betrieben. Selbst wenn diese Firmen
Kostennachteile aufgrund geringerer Einkaufsvolumina und auch höhere Herstell
kosten als Massenproduzenten in Kauf nehmen müssen, können sie nach Aussagen
eines Branchenvertreters gegenüber Herstellern aus Übersee dennoch im Vorteil
sein, deren Transport- und Zollkosten nicht dem Scale-Effekt unterliegen. Denn nach
der bereits vorgestellten Branchenregel entfällt lediglich ein Drittel der Gesamt
kosten auf Produktion und Entwicklung, d.h. nur dieser Kostenanteil kann auf die
weltweite Absatzmenge umgelegt werden. Zwei Drittel der Wertschöpfungsaktivi
täten und -kosten sind hingegen landesspezifisch und damit auch regional stark
begrenzbar. Ein Beispiel für einen derartigen Regionalanbieter bildet die Mainzer
ICF GmbH, die IBM-kompatible Modelle aus zugekauften Teilen zusammen
montiert, die überwiegend aus Taiwan, aber auch aus den USA bezogen werden. Als
Absatzgebiet nennt das Unternehmen einen Umkreis von ca. 100 km um den Stand
ort Mainz. Über eine größere Entfernung kann die persönliche Unterstützung nicht
geleistet werden, mit der das Unternehmen operiert. Auch darf eine bestimmte
126 Unter Punkt 6.1.2.4. wurde die geographische Marktabdeckung zunächst nur auf internatioanler Ebene beleuchtet.
127 Sowohl wert- als auch stückzahlmäßig. Angaben nach IDC Deutschland GmbH.
128 Der Gesprächspartner aus dem Hause NCR berichtete beispielsweise über einen VAR, der NCRPCs mit einer Wiegevorrichtung und entsprechender Software versieht und dieses Paket an Schlachthöfe vertreibt.
302
Unternehmensgröße nicht überschritten werden, die man bei ICF bereits als erreicht
sieht129•
Damit stellen sich offenbar Ersparnisse mit einer sehr unterschiedlichen Wertkette
bei geringer Betriebsgröße in einem regional eng begrenzten Markt ein. Außerhalb
dieser Absatzregion und oberhalb einer kritischen Betriebsgröße treten bei der gege
benen Ausgestaltung der Wertaktivitäten jedoch "diseconomies" auf, worin die Mobi
litätsbarriere zum Kembereich der Branche zu sehen ist.
Zusammenfassung zur Analyse der brancheninternen Struktur:
Als die wesentlichen strategischen Dimensionen, die die strategische Karte der
Mikrocomputerbranche aufspannen, wurden die Wahl des Vertriebsweges und der
Grad der Markenidentifikation bestimmt. Diese beiden Quellen zentraler Strategie
unterschiede rufen auch die Mobilitätsbarrieren hervor, die zwischen den Gruppen
bestehen: Die "Big Names" sind vor Übertritten aus den drei anderen Gruppen durch
eine Direktvertriebsbarriere geschützt, vor einem Gruppenwechsel von "No Name-"
oder "Brand Identification-Clones" zusätzlich durch eine Produktdifferenzierungs
bzw. Markenidentifikationsbarriere. Diese schirmt auch die "Value Added
Hardware"-Anbieter gegenüber den beiden Clones-Gruppen ab und trennt außerdem
die "No Name-Clones" von den "Brand Identification-Clones".
129 Vgl. Chip 1987/4, S. 40 - 42.
303
6.2. Art und Ausmaß struktureller Eintrittsbarrieren
Nach der Bestimmung der strategischen Gruppen und der sie umgebenden Mobili
tätsbarrieren gilt es nun, Art und Ausmaß der strukturellen (Eintritts-)Barrieren zu untersuchen. Hierzu sind, wie oben in Kapitel 3.1.1. dargelegt, die Kosten- und Diffe
renzierungsposition bestehender und potentiell neueintretender Wettbewerber ein
ander gegenüberzustellen, wobei zu beachten ist, daß ein Newcomer immer mit Ver
tretern der von ihm anvisierten strategischen Gruppe verglichen wird.
Empirisch kann dies erfolgen, indem mehr oder weniger plausible bzw. stichhaltige
Annahmen darüber getroffen werden, welches quantitative Ausmaß die Wett
bewerbsnachteile eines potentiellen, nicht näher spezifizierten Newcomers annehmen
könnenl . Ein zweiter Weg besteht darin, in der Vergangenheit erfolgte Markteintritte
auf die tatsächlichen Nachteile hin zu beleuchten. Die letztgenannte Vorgehensweise
hat gegenüber einer hypothetischen Analyse zugleich den Vorteil, auch die Über
windung eventueller Kosten- oder Differenzierungsnachteile durch entsprechende
Eintrittsstrategien beschreiben zu können2•
Dieser Weg wird nachfolgend beschritten. Er erweist sich jedoch im Hinblick auf eine
exakte Quantifizierung der Wettbewerbsnachteile neu eingetretener Anbieter nicht
als vollständig gangbar: Da Informationen über die Kostenstrukturen der betreffen
den Unternehmen nicht immer in der erforderlichen Detaillierung zugänglich
gemacht werden konnten und da von den Gesprächspartnern zu verschiedenen Punk
ten nur ungefähre Angaben gemacht werden konnten3, muß zwangsläufig über eine
Synthese aus "harten" (quantitativen) und "weichen" (qualitativen) Aussagen eine
Einschätzung über das Ausmaß der Wettbewerbsnachteile von Newcomern ge
wonnen werden.
1
2
3
Bei dieser Vorgehensweise könnte eine beispielhafte Fragestellung lauten: Welche Marge müßte ein Newcomer dem Handel einräumen, um noch Zugang zu indirekten Vertriebskanälen zu finden?
Die zu oben vergleichbare Frage könnte folgende Gestalt annehmen: Mußte sich Tandon beim Aufbau eines Vertriebsnetzes im Jahr 1985/86 den Zugang zum Fachhandel durch eine höhere Handelsspanne erkaufen, die über der branchen- bzw. gruppenüblichen Marge lag, oder gelang es auf eine andere Weise, dem Handel attraktiv zu erscheinen?
Etwa derart: geringer, mittlerer oder hoher Nachteil.
304
6.2.1. Die ProduktdifTerenzierungsbarriere: DifTerenzierungsnachteile neuer
Wettbewerber
Der Differenzierungsnachteil eines Newcomers findet nach Bain4 seinen Ausdruck in
den Preisnachlässen und den Mehrkosten (z.B. in Form überdurchschnittlich hoher
Werbeaufwendungen), die ein neuer Wettbewerber in Kauf nehmen muß, um beste
hende Konsumentenpräferenzen zu überwinden. In der Mikrocomputerbranche ent
stehen neuen Anbietern derartige Nachteile in folgenden Bereichen oder aus folgen
den Gründen: bei der Hardwaredifferenzierung und der Erfüllung anderer Kaufkri
terien, beim Signalisieren des Kundennutzens, bei der Differenzierung außerhalb des
Branchenstandards und durch Preisunterbietungen anstelle eines höheren Kunden
nutzens.
6.2.1.1. Nachteile bei der HardwaredifTerenzierung
Am deutlichsten tritt der Differenzierungsnachteil neuer Wettbewerber gegenüber
dem Branchenführer IBM in der Preis- und Produktpolitik der "Big Names"-Mitbe
werber zutage: Nach dem Muster des PCM-Wettbewerbs im Großrechnerbereich
unterbieten diese den Marktführer preislich um einige Prozentpunkte, wobei ihre
Produkte dem entsprechenden IBM-Modell leistungsmäßig meist sogar überlegen
sind. Wie von verschiedenen Gesprächspartnern betont, verursacht die Differen
zierung der Geräte selbst erhebliche Differenzierungskosten, insbesondere in Gestalt
von FuE, aber auch durch höherwertige Komponenten. Nach Auskunft des Hauses DEC bestehen hinsichtlich der Entwicklungskosten nur die gegensätzlichen Alterna
tiven an den beiden Extrempunkten: Entweder man beschränkt die eigenen Ent
wicklungsanstrengungen auf das absolut notwendige Minimum, um praktisch nur eine
Stückliste für einen Standard-PC zu generieren; oder aber man veranschlagt Ent
wicklungskosten von mindestens 5 bis 6 Mio. DM, um fühlbare Produktverbesserun
gen vornehmen zu können, z.B. durch Adaption eines schnelleren Prozessors oder
durch technische Verbesserungen in dessen direkter UmgebungS. Die mit einem
Budget von 2 bis 3 Mio. DM erzielbaren Resultate sind hingegen nicht merklich
besser als bei einem Aufwand von beispielsweise 150.000 DM.
4
5 Vgl. Bain (Barriers), S. 116.
So beschäftigt z.B. NCR knapp 200 Mitarbeiter im Bereich FuE, während Charles Peddle, der Konstrukteur so erfolgreicher Produkte wie des Sirius 1 von Victor, mit einem Team von nur wenigen Personen die standardkompatible Produktgeneration für Tandon entwarf. Noch extremer soll die Minimierung der Entwicklungskosten bei Amstrad/Schneider betrieben werden.
305
Um seinen Differenzierungsnachteil ausgleichen und signifikante Hardwareverbesse
rungen vornehmen zu können, muß ein Newcomer also die genannte Mindest
schwelle bei seinen FuE-Aktivitäten überschreiten - Kosten, die der Marktführer auf
grund seiner Differenzierungsposition nicht zu tragen hat. Allerdings könnte ein
Newcomer aber davon profitieren, daß ein "imitierbares Standard-Gerät" vorliegt, für
dessen Bauteile ein umfangreicher Komponentenmarkt existiert, so daß immerhin
das "Standard-Know how" nahezu kostenlos zugänglich ist, worin ein "late mover
advantage" zu sehen wäre. Einschränkend ist hierzu jedoch zu sagen, daß die Ent
wicklungskosten von ffiM als eher gering bezeichnet werden, da mit der Entschei
dung für ein offenes System zugleich ein Großteil der Entwicklungsarbeit ebenfalls
nach außen auf die Zulieferanten verlagert werden konnte6.
Für einen Newcomer bzw. "Big Names"-Mitbewerber, der sich gegenüber ffiM
dadurch abzuheben versucht, daß er dem Kunden ein günstigeres Preis-/Leistungs
verhältnis bietet, nimmt der Differenzierungsnachteil also folgendes Ausmaß an:
Die Höhe des eingeräumtenPreisvorteils',
zuzüglich der DiJferenzierungskosten auf der Hard- bzw. Softwareseite, die bei
spielsweise durch den Einsatz höherwertiger und teurerer Komponenten oder
durch FuE-Projekte entstehen können,
abzüglich der Kostenvorteile für die Nutzung allgemein zugänglichen Know hows,
soweit dies dem Marktführer nicht bereits durch das bloße Setzen eines Bran
chenstandards ebenfalls möglich war.
Der sich ergebende Saldo spiegelt den Differenzierungsnachteil jedoch nicht notwen
digerweise in vollem Umfang wider. Denn wenn es einem Konkurrenten gelingt,
durch intensive Entwicklungsanstrengungen seinen Differenzierungsnachteil voll
ständig auszugleichen, müßte er - sonstige Mobilitätsbarrieren und Zufallseinflüsse
einmal ausgeklammert - das gleiche Absatzvolumen vorzuweisen haben, das auf den
führenden Differenzierer entfällt. Der Branchenzweite und -dritte liegenaber hinter
dem Marktführer ffiM mit einem Abstand von ca. 50 % zurück, gemessen an dessen
Absatzvolumen im Jahr 1985. Folglich bestehen immer noch Käuferpräferenzen
zugunsten von ffiM, so daß der rein rechnerische Nachteil den tatsächlichen Diffe
renzierungsnachteil gegenüber ffiM unterbewertet: Um gleiche Absatzchancen auf-
6 So beschreibt Henk den IBM PC wie folgt: "Die Diskettenlaufwerke des PC sind von Tandon, der Bildschirm stammt aus Taiwan, der Drucker ist von Epson, das Betriebssystem DOS ist von Microsoft (MS-DOS), das zweite Betriebssystem CP /M·86 ist von Digital Research, der Mikroprozessor 8088 kommt von Intel, das Textsystem Easy Writer stammt von der Software-Firma IUS ... ; und als erste kommerzielle Anwendungssoftware wurde ein auf anderen Rechnern bereits bewährtes Paket von Peachtree ausgewählt." Henk (IBM-PC), S. 16.
306
zuweisen, müßten die Mitbewerber noch höhere Differenzierungskosten auf sich
nehmen. Und solange die zusätzlich getragenen Differenzierungskosten, die wie im Falle der FuE-Aufwendungen Fixkostencharakter haben, nicht zur Kompensation des
Differenzierungsnachteils ausreichen, verteilen sich diese Fixkosten auf ein gerin
geres Absatzvolumen, d.h. es liegt zugleich ein größenabhängiger Nachteil vor, der zu
höheren Stückkosten führt7•
6.2.1.2. Nachteile bei der Erf"tillung sonstiger Kautkriterien
Im allgemeinen schafft nicht nur das Gerät selbst einen Wert für den Abnehmer. Ein
Kundennutzen kann sich vielmehr überall dort einstellen, wo ein Anbieter auf die
Wertkette des Abnehmers Einfluß zu nehmen vermag, entweder indem er die Kosten der betreffenden Abnehmeraktivität senkt, oder indem er die Abnehmerleistung
selbst steigert8. Damit kann von jeder Aktivität in der Wertkette eines Unternehmens
ein Beitrag zur Differenzierung ausgehen, nicht nur von der "Hardware" selbst9.
Für einen Newcomer unter den "Big Names" bedeutet dies, daß er einen Wettbe
werbsnachteil, der aus anderen Differenzierungsquellen des Marktführers herrührt, nicht unbedingt bzw. nicht allein mittels eines überlegenen Produktes und vermehrter
Entwicklungsanstrengungen ausgleichen kann: Da die Stärke von IBM darin besteht,
technologisch durchschnittliche Produkte erfolgreich zu vermarkten, eröffnet sich für
Wettbewerber zwar prinzipiell die Chance, sich mittels leistungsfähigerer Geräte vom
Standard abzuheben. Jedoch hat die Erfahrung in der Mikrocomputerbranche
gezeigt, daß eine Differenzierung dank überlegener Leistungsmerkmale der Hard
ware selbst nur begrenzt von den Kunden honoriert wird. Davidow spricht in diesem
Zusammenhang von der "fixen Idee der Gerätedifferenzierung", die in vielen High
tech-Bereichen beobachtbar ist: "Marginale Produktdifferenzierung ist nicht die
alleinige Domäne der PC-Branche. Überraschend viele Technologie-Unternehmen
sind in der Lage, ihre Produkte von denen der Konkurrenz durch nur allerkleinste
7
8
9
Vgl. hierzu auch Wells (Synergy), S. 186. Reill allalytisch liegt jedoch ein Differenzierungsnachteil und nicht ein größenabhängiger Nachteil vor, d.h. die Ursache des Kostennachteils liegt primär in der ungünstigeren Differenzierungsposition begründet. Simultane Größennachteile ergeben sich ggf. als Folge hiervon.
Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 180 ff.
Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 166. Zu einer Aufstellung typischer Differenzierungsquellen in der Wertkette vgl. ebenda, S. 167, Abb. 4-1.
307
Unterschiede zu differenzieren."l0 Die Tatsache, daß hochtechnologische Produkte
einander immer mehr gleichen, führt Davidow11 auf die Standardisierung, aber auch
auf die Komplexität der Produkte selbst zurück: Das Erlernen des Umganges mit so
komplizierten Produkten wie einem Personal Computer erfordert eine relativ lange
Einarbeitungszeit. Noch mehr Zeit ist erforderlich, um die subtilen Unterschiede
zwischen verschiedenen Produkten würdigen zu können. Auch wenn es die technologische Kompliziertheit von Produkten erleichtert, sie zu differenzieren, fällt "es aber
dem Kunden sehr schwer, zu wissen, daß es Unterschiede gibt. Und wenn die Unter
schiede nicht im Kundenbewußtsein existieren, existieren sie auch nicht auf dem Markt."u Hierauf baut schließlich Davidows Plädoyer für eine Produkt-Differenzie
rung anstelle einer Geräte-Differenzierung auf: Wenn Geräte selbst keine ausrei
chende Möglichkeit bieten, um in den Augen der Kunden einen signifikanten Vorzug
gegenüber konkurrierenden Geräten zu entfalten, müssen andere Unterscheidungs
merkmale in den Vordergrund gerückt werden13, z.B. Kundendienst und Kunden
betreuung, der Außendienst oder die Vertriebskanäle. Für einen Newcomer ergibt
sich in dieser Hinsicht die Schwierigkeit, überhaupt noch Alleinstellungsmerkmale
ausfindig zu machen. Denn wenn "ein mächtiger Konkurrent bereits auf dem Markt
ist und seine Sache gut macht, ist das ein Hindernis, wie die meisten Hersteller von
IBM-kompatiblen PCs feststellen mußten."14 Sind nämlich weiteren Differenzie
rungsmöglichkeiten Grenzen gesteckt, so ist der Spielraum für strategische Durch
brüche beschränkt. Die Differenzierungsnachteile können wieder nur durch einen
verstärkten Ressourceneinsatz kompensiert werden.
6.2.1.3. Nachteile bei der Signalisierung eines Kundennutzens
Selbst wenn es einem Newcomer gelingen sollte, Alleinstellungsmerkmale zu kre
ieren, die einen Wert für potentielle Abnehmer darstellen, also zu deren Kostensen
kung oder Leistungssteigerung beitragen können, ist es nicht geWährleistet, daß
dieser zusätzlich geschaffene Wert von den Abnehmern auch wahrgenommen wird15•
10 Davidow (High Tech), S. 67. Als Beispiele nennt Davidow an dieser Stelle Halbleiterprodukte, Dis-kettenlaufwerke und Drucker.
11 Vgl. Davidow (High Tech), S. 69 f.
U Davidow (High Tech), S. 70.
13 Vgl. Davidow (High Tech), S. 71 ff.
14 Davidow (High Tech), S. 68.
15 Zum Zwecke dieser Unterscheidung zwischen dem tatsächlichen und dem perzipierten Ahnehmer. wert unterteilt Porter (Wettbewerbsvorteile, S. 191 ff.) die Kaufkriterien der Abnehmer in
308
Daher wird ein Newcomer neben den Maßnahmen zur Kreierung eines tatsächlichen
Kundennutzens auch in Wertsignale investieren müssen.
Die Bedeutung dieser Wertsignale für die Differenzierung kann dabei genauso wichtig werden wie der tatsächlich geschaffene Wert. Dies wird nach Porter insbesondere
dort der Fall sein, wo der Abnehmerwert "subjektiv oder indirekt ist oder er sich nur
schwer quantifizieren läßt, wo außerdem Abnehmer das Produkt zum ersten Mal
kaufen, wenig sachkundig sind oder Ersatzkäufe seiten sind.ot16 Diesbezüglich ergibt
sich für die Mikrocomputerbranche folgendes Bild: Die Meßbarkeit des geschaffenen
Wertes ist insbesondere in denjenigen (größeren) Unternehmen eher gering, in
denen Personal Computer als individuelle Produktivitätswerkzeuge und nicht als "miniaturisierte Universalrechner" eingesetzt werden. Während PCs in früheren
Jahren - dem allgemeinen Trend folgend - eher optimistisch und zum Zwecke des Sammelns von Erfahrung installiert wurden, werden inzwischen jedoch insbesondere
von Großkunden kritische Kosten-Nutzen-Abwägungen angestellt. Die Reife der
Anwender und auch die Qualifikation des Fachhandels sind gestiegen. Auch wenn
der Grad der Marktdurchdringung als noch sehr gering angesehen wird, nehmen Ersatzkäufe bereits zu, da es sich im Vergleich zu anderen Investitions- und
Gebrauchsgütern um Produkte mit einer relativ schnellen technologischen Veraltung handelt. Für einen gestiegenen Sachverstand spricht auch ein Wechsel bei den
Entscheidungsträgern im Beschaffungsprozeß, der zumindest bei größeren Organisa
tionen mit bereits vorhandenen DV-Experten beobachtbar ist: Ursprünglich wurden
Personal Computer von den Benutzern in den Fachabteilungen autonom geordert, da
die Investitionen aufgrund der relativ geringen Anschaffungskosten im allgemeinen
nicht genehmigungspflichtig waren. Inzwischen wird die PC-Beschaffung jedoch von
DV-Spezialisten koordiniert. In dem Maße, in dem also Rechenzentrum- oder DV
Leiter die Kontrolle über den sog. Mikrowildwuchs im Unternehmen zurückgewin
nen und in dem kompetentere Wiederholungskäufer ihren Ersatzbedarf mit einer
leistungsfähigeren Rechnerklasse decken (werden), verlieren die Wertsignale für die
Differenzierung eines Herstellers an Bedeutung.
Nutzungskriterien und SignaIkriterien: NutzlIllgskriteriell geben Auskunft darüber, welche Produkteigenschaften oder Attribute flankierender "value activities" einen Abnehmerwert hervorrufen. SilJllalkriterien sind Indikatoren, anhand derer der Abnehmer darauf schließt, welchen Wert ihm ein Lieferant bietet. Diejenigen Faktoren, aus denen Abnehmer auf den geschaffenen Wert schließen, nennt Porter WertsilJllale. Als Beispiele hierfür führt er unter anderem Werbung, Ruf, Verpackung, professioneUes Auftreten sowie Erscheinungsbild und Persönlichkeit der Mitarbeiter an. Vgl. ebenda, S. 188. Zu einer Untersuchung der Einkaufskriterien für Personal Computer vgl. auch die Studie von Kassicieh & Rogers (purchase criteria), die Unterschiede im Kaufverhalten der Firmen nach Branchenzugehörigkeit, Unternehmensgröße und DV -Erfahrung beleuchtet.
16 Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 188.
309
Trotz dieser abnehmenden Tendenz ist der Differenzierungs-beitrag der Werlsignale im
Branchenvergleich eher hoch: Verglichen mit problemlosen Konsumgütern sind
hochtechnologische Produkte für den Abnehmer höchst risikoreich. Ihm ist daher
daran gelegen, "daß das System pünktlich geliefert wird, daß es wie angegeben funk
tioniert, daß es richtig eingesetzt werden kann, und daß der Anbieter es reparieren
kann, wenn es ausfällt. Ein High-Tech-Käufer ist mehr als die meisten anderen dem
Anbieter zugetan, von dem er glaubt, daß er den Erfolg garantierl. Die immateriellen
Aspekte sind überaus wichtig. Der gute Ruf von ffiM in Sachen Betreuung, das Qualitäts-Image von HP, ... sind integrale Bestandteile ihrer Produkte. Diese
immateriellen Werte machen Geräte zu Produkten mit erkennbaren Vorzügen."17
Voraussetzung für die Differenzierung eines Newcomers bzw. für den Ausgleich
seines Differenzierungsnachteils ist also die Schaffung eines zusätzlichen Kunden
nutzensl8, aber ohne Investitionen in Werlsign~le sind Differenzierungsmaßnahmen gerade in der Mikrocomputerbranche nicht wirkungsvoll. Für einen Teil der erfor
derlichen Wertsignale, z.B. für Werbung, müssen ständige Aufwendungen getätigt werden, während andere auf einem Vertrauensvorrat oder dem Ruf eines (etablier
ten) Unternehmens aufbauen, der sich im Laufe der Zeit gebildet hat. Daher lassen sich manche Wertsignale nicht unmittelbar bzw. kurzfristig durch das betreffende
Unternehmen steuernl9.
Für einen Newcomer heißt dies, daß ein solcher Differenzierungsnachteil gegenüber
einem bestehenden Wettbewerber anfänglich nicht kompensiert werden kann, auch
nicht mit einem überdurchschnittlichen Ressourceneinsatz. Denn derartige Differen
zierungsvorteile resultieren aus der längeren Präsenz im Markt - eine Voraussetzung,
die dem Newcomer (nach Definition) fehlt20• Als Beispiel für eine kaum überwind
bare Differenzierungsbarriere mag ein hervorragender Kundendienst dienen, von
dem ein Unternehmen seine Abnehmer dadurch überzeugt, daß "es ihn jahrein, jahraus leistet."21
17 Davidow (High Tech), S. 71; ergänzte Hervorhebung.
18 Denn nur aus Nutzungskriterien entspringt ein echter Abnehmerwert. Für die Erfüllung der Signalkriterien bezahlen die Abnehmer nach Porter (Wettbewerbsvorteile, S. 192) nicht per se. Vgl. ähnlich auch Davidow (High Tech, S.81) zum Stellenwert der Werbung, die bei Hochtechnologieprodukten kaum je Unterschiede schafft, in Kombination mit echten Produktunterschieden aber von beträchtlichem Einfluß ist.
19 Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 188.
20 Gleichwohl können diversiftzierende Newcomer (also die "Big Names"-Konkurrenten von IBM) eine 'strategische Plattform' in anderen, verwandten Geschäftsbereichen besitzen, die ihnen bei der Überwindung dieser zeitabhängigen Eintrittshemmnisse hilfreich ist.
21 Davidow (High Tech), S. 79. Hierin sieht Davidow (ebenda, S. 93) auch einen zentralen Differen. zierungsvorteil von IBM, dem das Unternehmen die technologische Führungsrolle geopfert hat:
310
Zu den besser beeinflußbaren Werlsignalen eines Newcomers zählt die Werbung,
wobei jedoch auch hier gilt, daß die vergangenen Werbeaktivitäten der Etablierten
bei den Abnehmern bereits eine bestimmte Wirkung hinterlassen haben, so daß auch
bei einem vollständigen Verzicht auf Werbung die Absatzzahlen des Marktführers
nicht unmittelbar auf Null sinken würden22• Diesen Vorsprung können etablierte
Anbieter dazu benutzen, nur noch Erinnerungswerbung zu betreiben, während ein
Newcomer zunächst mittels einer höher zu veranschlagenden Einführungswerbung
auf sich aufmerksam machen müßte. Nach Schätzung eines "Big Names"-Vertreters müssen sich die gesamten Werbeauf
wendungen auf jährlich 6 bis 10 % des Umsatzes belaufen, mindestens jedoch auf 4
bis 5 Mio. DM je Land. Nach Marktforschungsergebnissen dieses Unternehmens
betrugen 1985 allein die Aufwendungen für Medienwerbung'l3 bei IBM
13,5 Mio. DM, bei Siemens 11,6 Mio. DM. Auf deutlich geringere Werbeaufwendungen beschränkten sich unter den "Big Names" Olivetti mit 2,0 Mio. DM, NCR mit
1,7 Mio. DM und Hewlett Packard mit 950.000 DM. Die Budgets der "Value Added Products"-Anbieter Apple und Compaq beliefen sich auf 1,4 bzw. 1,2 Mio. DM.
Damit gelingt es den Mitbewerbern von IBM, die ebenfalls auf eine hohe Marken
identifikation abstellen, nicht, mittels einer vergleichbaren Anzahl von Werbebot
schaften die Aufmerksamkeit der potentiellen Abnehmer in ähnlichem Umfang auf
sich zu ziehen: Die Aufwendungen des Marktführers sind gewissermaßen ein Datum für die Branche, das von den Wettbewerbern - ceteris paribus - nicht wesentlich unterschritten werden darf bzw. sogar übertroffen werden muß, wenn diese dem
Branchenführer vom Absatzvolumen her gleichgestellt sein wollen. Für einen New
comer mit weniger ehrgeizigen Marktanteilszielen, der sich beispielsweise auf einen
nur 5 %igen Marktanteil festlegt und sein Werbebudget dementsprechend geringer dimensioniert, kann die Höhe des Differenzierungsnachteils durch die Werbestück
kosten relativ zum Marktführer beziffert werden: Während von einem Vertreter der "Big Names"-Gruppe die gesamten Werbekosten seines Unternehmens je 1984 abge
setztem PC mit etwas mehr als 1.000 DM pro Stück angegeben wurden, betrug die
Vergleichszahl für IBM zwischen 400 und 500 DM. Die Mehraufwendungen für Wer
bung in Höhe von ca. 500 bis 600 DM je verkauftem Gerät entsprechen dem Diffe-
Ständige technologische Veränderungen, insbesondere bei den Rechnerarchitekturen, hätten es unmöglich gemacht, guten Kundendienst zu leisten. Im PC-Segment .wird der Kundendienst allerdings überwiegend von Vertragshändlern ausgeführt und nicht von IBM selbst. Insofern trägt hier der Fachhandel zur Differenzierung bei. Ein Branchenvertreter brachte dies zum Ausdruck, indem er den IBM PC als den Volkswagen unter den Personal Computern bezeichnete, der überall repariert werden kann.
22 Zu diesem Time-lag-Argument der Werbung vgl. oben, S. 63 rf.
23 Es handelt sich bei den nachfolgenden Angaben um die PC-speziflschen Werbeetats, die allgemeine Dachwerbung ist darin nicht enthalten.
311
renzierungsnachteil dieses Wettbewerbers. Jedoch kommt hierin zugleich auch der
Nachteil einer geringeren Größe zum Tragen, denn obwohl Werbeaufwendungen als
Proportion vom Umsatz angegeben wurden (6 bis 10 %), stellen sie - ähnlich den FuE-Budgets, die projektbezogen aufzustellen sind und nicht in Abhängigkeit vom
Umsatz - einen relativ fixen Kostenblock dar24. Und der Tendenz nach fixe Kosten führen zu Größenersparnissen25. So gereicht denn das mindestnotwendige Werbe
budget von 4 bis 5 Mio. DM denjenigen Wettbewerbern zum Nachteil, die sich mit
einem relativ geringen Marktanteil bzw. Absatzvolumen begnügen wollen oder
müssen26•
6.2.1.4. Die Kosten der Differenzierung außerhalb des Branchenstandards
Während der Differenzierungsspielraum aufgrund der engen Grenzen des Industrie
standards von den "Big Names"-Mitbewerbern durchgehend als gering empfunden wurde, versuchte sich Apple durch eine Produktlinie mit einem eigenen, inkompati
blen Betriebssystem vom De-facto-Standard zu distanzieren27• Um das geräteseitige
24 vgl. WelJs (Synergy), S. 181.
25 Vgl. WelJs (Synergy), S. 186. 26
27
Analytisch exakt handelt es sich (analog zu oben) um Differenzierungsnachteile, die - weil nicht vollständig kompensiert - Größennachteile nach sicli ziehen. Hiergegen ließe sich kritisch einwenden, daß Größennachteile überhaupt nicht ohne Differenzierungsnachteile denkbar sind, da eine geringere Größe letztendlich immer von einer geringeren Nachfrage und folglich von nachteiligen Käuferpräferenzen ausgeht. Der entscheidende Punkt liegt jedoch darin, daß bei jeder Größe die Werbestückkosten höher sind, also ein Nachteil ungeachtet der Größe vorliegt.
Zwischenzeitlich mußte jedoch auch Apple die Notwendigkeit erkennen, seine Geräte zur MSDOS-Welt hin zu öffnen. Dieser Schritt wurde 1987 mit den beiden Modellen Macintosh II und Macintosh SE vollzogen, die über sechs bzw. einen Steckplatz verfügen, welche auch Karten für MS-DOS-Anwendungen aufnehmen können. Auch Commodore weist mit dem Amiga eine inkompatible Produktlinie auf, die sich ursprünglich nicht in die MS-DOS-Welt einfügte, obwohl das Unternehmen mit der Einführung der PC-Linie im Jahre 1985 die Bedeutung des Industriestandards erkannt hatte. Das Entstehen einer neuen, inkompatiblen Produktlinie erklärt man bei Commodore damit, daß die Entwicklung dieser Gerätefamilie nicht im eigenen Hause, sondern durch das (inzwischen aufgekaufte) amerikanische Entwicklungsunternehmen Amiga erfolgte. Mit der Aufnahme dieser ProduktIinie wollte man einem Angriff des Commodore-Gründers Jack Tramiel begegnen, der nach Meinungsverschiedenheiten bei Commodore ausgeschieden war und daraufhin 1984 Atari von Warner Communications übernahm, um gegen seine frühere Firma vorzugehen. Nachdem Tramiel eine Optionsfrist auf Amiga verstreichen ließ, nahm Commodore die Gelegenheit zur Übernahme wahr. Die Produktlinie Amiga wurde gewissermaßen aus der Not heraus geboren und hatte anfänglich Schwierigkeiten, ihre Zielgruppe zu finden. Die Probleme, die sich durch die Fremdentwicklung ergaben, hat man inzwischen beigelegt, indem man mit dem in Braunschweig eigenentwickelten Modell Amiga 2000 eine Brücke zwischen der MS-DOS-Welt und der Amiga-Welt schlug - ähnlich dem "Mac Open" von Apple. Nach Auskunft von Commodore konnte so dieser "Ausreißer wieder eingefangen werden, der aus der Tatsache der Fremdentwicklung resultierte."
312
Alleinstellungsmerkmal. die benutzerfreundliche Oberfläche. auf der Usa zu imple
mentieren. sind nach Angaben verschiedener Quellen ca. 50 Mio. S erforderlich
gewesen28• wobei die graphische Oberfläche selbst nicht von Apple. sondern im Palo
A1to Research Center von Xerox entwickelte wurde. Apple hat damit bei hohen
Differenzierungskosten eine technische Einzigartigkeit geschaffen, die für die
Kunden einen Wert in Form von Bedienungskomfort und kürzeren Einarbeitungs
und Schulungszeiten darstellt29•
Mit diesem Gerät, der Usa, wollte Apple den Einzug in das kommerzielle Segment,
insbesondere in die "Fortune lOOO"-Unternehmen bewältigen, nachdem der Apple II
auf se mi professionelle Einsatzgebiete und den Ausbildungsbereich beschränkt war.
Jedoch blieb Apple der Erfolg bei dieser Zielgruppe versagt: Trotz der gebotenen
Produktvorteile bzw. des für den Benutzer geschaffenen Wertes waren diese Abneh
mer nicht bereit, den relativ hohen Preis von ursprünglich 28.500 DM zu bezahlen.
Als Gründe für das Scheitern der Usa wurden in der Fachpresse neben dem Preis
niveau das ungenügende Softwareangebot und die Inkompatibilität zum Industrie
standard genannt30• Eine Erklärung des Mißerfolges dieses einzigartigen Produktes
kann jedoch auch über die Vernachlässigung der Wertsignale für kommerzielle
Abnehmer erfolgen: Trotz umfangreicher Einführungskampagnen31 gelang es dem
Unternehmen nicht, ein Vertrauen bei professionellen Anwendern zu schaffen.
Davidow führt dies darauf zurück, daß Apple in seinem bisherigen Marktsegment "gefangen" war:
·Steve Jobs, die Kultfigur der Personal-Computer-Branche. hatte einen besonderen Appeal für junge Leute. und er hat das Produkt von Apple nach ihren Bedürfnissen geformt. Darüber hinaus hat Jobs Apple selbst zu etwas Besonderem gemacht. Er war der Held. der die Welt vor der Herrschaft der Männer in den grauen Anzügen rettete. Das mag absurd klingen, aber Studenten und Lehrer im ganzen Land kauften diesen Unterschied und die Apple-Computer noch dazu. Aber dieses Heldenimage war für das kommerzielle Amerika nicht annähernd so attraktiv. Viele Unternehmen, von ihren Problemen beschämt und in derselben Fachpresse aufs Korn genommen, die Jobs in den Himmel lobte. waren durch die Haltung dieses Unter-
28 vgI. Wiwo 37 (1983) 38, S. 1.$8, oder mcw 198-1/2, S. 12.
29 Applc gab die durchschnittliche Einarbeitungszcit in eines der sechs Ao,,=dungsprogramme mit etwa 20 Minuten aD, gegenüber mehreren Stunden bei anderea Systemen. VgI.. Da\idson (Apple), S.114.
30 VgI. LB. Yasaki (Mac), S. 63, und mcw 198-1/2, S. 12, so"ie McClcllan (SlWcout), S. 218 f.
31 McClellan (SlWcout. S. 118) spricht \'Om "._ most ballyhood computer produc:t of the decade - six pages in FOIOuI~. four in Business Wea. one in Tun~ - _".
313
nehmens nicht nur beleidigt. sondern sie kauften auch keine Apples:32
Mit wachsendem Einfluß von John Sculley (vormals PepsiCo.). der von der Grilnder
generation zum Chief Executive Officer berufen worden war und dessen Mission in
der Schaffung eines strikten Kostenbewußtseins und einer professionellen
Gewinn/Verlust-Orientierung bestand, konnte das behindernde 'Turnschuh-Image"
zunehmend abgelegt werden. Mit dem Nachfolgeprodukt Macintosh gelang es
schließlich - bei gleichzeitiger Professionalisierung des Erscheinungsbildes der Firma
- das Imagedefizit zu überwinden. So wird Apple heute auch von Mitbewerbern eine
"ganz spezifische, sehr loyale Klientel" bescheinigt. Es ist also Apple zwischenzeitlich
gelungen. kommerzielle Anwender. aber auch sehr loyale SW-Entwickler und Fach
händler an sich zu binden.
Trotzdem sieht man bei Apple - neben den hohen Entwicklungskosten bzw. Kosten
der physischen Differenzierung des Produktes - eine Barriere auf der Vermarktungs
seite: Die Produkte müssen wegen ihrer Alleinstellungsmerkmale mit einem Mehr an
Marketingaufwand und Überzeugungsarbeit abgesetzt werden33• Denn obwohl die
Produktvorzüge dem Anwender mittels eines einfachen "Hands-On"34 nahegebracht
werden können. wirken sich hier die geringe Experimentierbereitschaft und das hohe
Anspruchsniveau deutscher Benutzer nachteilig aus. Auch für Entscheidungsträger in
Großunternehmen birgt die Einzigartigkeit der Produkte ein gewisses Risiko in sich,
nämlich wenn die Geräte nicht zur Zufriedenheit der Anwender arbeiten oder nicht
akzeptiert werden. Eine Entscheidung für den Marktführer bzw. Industriestandard
hingegen enthebt einen DV-l..eiter bei auftretenden Problemen in der Hinsicht der
Verantwortung. daß er mit der Orientierung am Industriestandard keine ungewöhn
liche Entscheidung zu vertreten hat35.
Der Differenzierungsnachteil eines Newcomers. der Alleinstellungsmerkmale außerhalb des 11ldllstriestandards sucht, besteht also zunächst in den erheblichen Entwick
lungskosten. Selbst wenn daraus leicht kommunizierbare Produktvorteile resultieren.
die auch bZ\'1. gerade den Laien verständlich mitgeteilt werden können. bedarf es
32 Da,idow (High Tccl1), S. 8lf.
33 Dennoch "';u Apple durch eine zielgruppengerechte Kundenaruprache in der Lage, das Werbebudget (''On frilber 25 Mio. DM p.a.) absolut zu s.enken. VgJ. mm 15 (1985) 9, S. SO.
J..I Hierunter ''eTSleht man bei Apple das Ausprobieren der Geräte ohne vorherige Lektüre der Benut:z.erhandbücher.
35 VgJ. hierzu auch Porter (Wettbcwerbs-.'Orteile), S. 192. Ein Branchensprichwort besagt: "You ean't bc fired ror bu)ing an IBM:
314
wegen der überragenden Dominanz des Industriestandards dennoch zusätzlich
außergewöhnlicher Verrnarktungsanstrengungen.
6.2.1.5. DifTerenzierungsnachteile der "Brand Identification-Clones"
Auf eine andere Weise als die "Big Names" und die "Value Added Products"
Anbieter versuchen die ''Brand Identification-Clones" dem Differenzierungsnachteil
gegenüber IBM zu begegnen: Sie verzichten von vornherein auf das Angebot eines
zusätzlichen, über den Standard hinausgehenden Kundennutzens, da sie grundsätzlich skeptisch sind, ob die Abnehmer höherwertige Komponenten, eigene FuE und
sonstige Differenzierungsquellen mindestens in dem Ausmaß der dafür entstehenden
Kosten honorieren. Produktverbesserungen, die sich in Kostennachteilen niederschlagen, werden also nicht vorgenommen. So verzichtet beispielsweise Tandon auf
höherwertige Komponenten, sofern diese zugekauft werden müßten, verwendet aber
eigenentwickelte und -produzierte Bauteile oder Baugruppen, die zwar über die
Standardkonfiguration hinausgehen, aber aufgrund von Vorteilen der vertikalen
Integration nicht zu Kostennachteilen führen. Es werden also lediglich nicht mit
Kosten verbundene Differenzierungsquellen genutzt36.
Das hauptsächliche Verkaufsargument dieser strategischen Gruppe liegt jedoch in
den Preisnachlässen, deren Notwendigkeit von Tandon explizit mit einem Differen
zierungsnachteil gegenüber dem Marktführer begründet wurde: Die Loyalität des
Handels und die Präferenzen der Anwender zugunsten von ruM seien so hoch, daß
deren Interesse für Tandon-PCs nur durch einen Preisvorteil von ca. 40 % geweckt
werden konnte.
Der Differenzierungsnachteil der "Brand Identification-Clones" gegenüber ruM und
anderen "Big Names" bestimmt sich also wiederum durch die
Höhe der Preisnachlässe, die einen Kaufanreiz bewirken sollen,
abzüglich der Kosteneinsparungen gegenüber den "Big Names", die aus dem Ver
zicht auf Differenzierungsmaßnahmen und deren Vermittlung durch Wertsignale resultieren.
Hierbei sind jedoch ggf. geringere Absatzvolumina wieder ein Zeichen für die Unterbewertung des Differenzierungsnachteils.
36 Zu diesem Weg des Ausbaus der Differenzierung vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. W7.
315
Der so ermittelte Differenzierungsnachteil kennzeichnet die Höhe der Mobilitäts
barrieren für Tandon oder andere "Brand Identification-Clones" gegenüber den
Gruppen mit einer hohen Markenidentifikation. Die Differenzierungsbarriere, durch
die die "Brand Identification-Clones" ihrerseits vor Newcomern geschützt sind, ergibt
sich durch einen Vergleich der Differenzierungspositionen und -kosten etablierter
und neu eingetretener Gruppenmitglieder, z.B. aus der Gegenüberstellung von
Commodore und Tandon. Nachdem zwischen diesen Wettbewerbern zum Zeitpunkt des Markteintritts von
Tandon preislich kein deutlicher Unterschied bestand, wäre prinzipiell zu erwarten,
daß Tandon als Newcomer beispielsweise mindestens ebensoviel Werbung hätte
betreiben müssen wie Commodore als größter Vertreter und Pionier dieser Gruppe.
Diese ceteris paribus getroffene Aussage gilt jedoch nicht, wenn Commodore bis zum Markteintritt von Tandon noch keine ausgeprägte
Differenzierungsposition aufbauen konnte, und
wenn sich die beiden Unternehmen in ihren Werbekonzeptionen signifikant
unterscheiden.
Nachdem Commodore die verfügbaren Ressourcen auf das Homecomputergeschäft
konzentriert hatte und bis zur Einführung der kompatiblen PC-Linie Anfang 1985 keine wesentliche Rolle im kommerziellen Segment mehr gespielt hatte, wurden die neuen Geräte in den ersten drei Monaten nur zögernd vom Markt aufgenommen, bis
ihnen dann der Durchbruch gelang. Im Herbst des gleichen Jahres war aber bereits
Tandon mit einer ähnlichen Strategie präsent. In der dazwischen liegenden Zeit
dürfte es Commodore nicht gelungen sein, einen deutlichen Differenzierungsvor
sprung zu erzielen, da den Abnehmern eben kein spezieller und schwer imitierbarer
Kundennutzen geboten wurde außer den Preisnachlässen, die keinen vergleichbar
nachhaltigen Schutz bieten. Auch hinsichtlich des Markenimages war Tandon in
einer ebenso günstigen, wenn nicht besseren Ausgangssituation: Tandon war nicht als
Homecomputeranbieter "vorbelastet", sondern aus dem Zuliefermarkt eingetreten,
wo man in Fachkreisen bereits einen Markennamen besaß, teilweise aber auch den
Endkunden von den nachrüstbaren Festplatten her bekannt war. Der Vorteil von
Commodore beschränkt sich damit im wesentlichen auf den hohen Bekanntheitsgrad als Anbieter von "low end PCs".
Obwohl Tandon also zwar keinen bedeutenden Differenzierungsnachteil auszuglei
chen hatte, der aus einem geringeren perzipierten Kundennutzen hätte resultieren
können, so bestand die Aufgabe dennoch darin, ein vergleichbares Maß an Bekannt
heit zu entwickeln. c;eteris paribus bedeutet dies gleiche Werbeaufwendungen für
Commodore und Tandon. Aufgrund heterogener Werbekonzeptionen war es Tandon
316
jedoch möglich, den Werbeetat stark zu begrenzen. Denn ein großer Teil des
gesamten Werbeaufwandes von Commodore37 ist darauf ausgerichtet, einen hohen
ungestützten Bekanntheitsgrad in der Gesamtbevölkerung zu bewirken38• Hierfür
betreibt Commodore in großem Umfang Sport-Werbung: Mit einem Budget von
8 Mio. DM p.a. nimmt Commodore den dritten Rang unter allen in der BRD mittels
Sport-Sponsoring werbenden Unternehmen ein39• In der gezielten Käuferansprache
geht Commodore nach dem "argumentativen Weil-Postulat" vor und betreibt damit
eine eher bedarfsweckende Werbung, indem Nutzen und Anwendungsmöglichkeiten
von (Commodore-)Computern beschrieben werden4O• Damit tätigt Commodore
neben der Werbung für das eigene Produkt zugleich Investitionen in die Branchen
struktur41, während sich Tandon in ihren Werbekampagnen ganz auf Abnehmer mit
einer konkreten, bereits geweckten Kaufabsicht konzentriert, die unmittelbar vor der
Entscheidung für ein bestimmtes Produkt stehen. Diesen Abnehmern, die sich
zunächst am Industriestandard und damit wahrscheinlich an den Produkten von IBM
orientieren, präsentiert sich Tandon als eine preiswertere Alternative. Die Werbung
von Tandon stellt damit nicht auf einen hohen allgemeinen Bekanntheitsgrad ab, sondern spricht gezielt Interessenten in der (Entscheidungs-)Phase des Angebotsver
gleichs an. Mit dieser gezielten Kundenansprache gelang es Tandon, das Werbe
budget auf 2 Mio. DM zu beschränken, gegenüber 15 Mio. DM bei Commodore für eine im Vergleich dazu eher ungerichtete Werbung, die allerdings auch das Home
computergeschäft mit umfaßt42. Diesen Betrag bezeichnete Tandon als das absolut erforderliche Minimum, bei dem es schon nicht mehr möglich gewesen war, mehr als
ganzseitige und in schwarzweiß gehaltene Anzeigen zu schalten, entgegen der mehr
seitigen farbigen Beilagen von IBM.
37 Dieser beträgt jährlich ca. 15 Mio. DM, allerdings für die Personal Computer- und Home· computersparte.
38 Demgemäß lautet die Marketingmaxime bei Commodore: "Marktanteile steigert man über Meinungsanteile!" Vgl. Commodore Jahresbericht 1985, Mikros für alle Märkte, S.22. In dieser Firmenschrift (vgl. ebenda, S. 4) berichtet Commodore, daß der ungestützte Bekanntheitsgrad nach Ermittlungen eines unabhängigen Marktforschungsinstituts innerhalb eines Jahres von 6 auf 19 Prozent gestiegen ist.
39 Vgl. FAZ vom 02.07.1987, S. 14.
40 Eine solche Werbebotschaft lautete z.B.: "Warum die Wirtschaft einen Commodore Computer benötigt. Weil er hilft, die richtigen Prognosen zu stellen - von der Absatz- bis zur Trendentwicklung. Weil er sich beim Kalkulieren, Bilanzieren und bei Betriebsübersichten nützlich macht." Commodore, Mikros für alle Märkte, S. 22.
41 Zum Beitrag von Konkurrenten zur Marktentwicklung vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 274.
42 Nach Angaben von Tandon sagt die Höhe der Werbeaufwendungen einiger Wettbewerber auch deshalb nichts über das erforderliche eigene Werbebudget aus, da die Inhalte der Werbekampagnen häufig innerhalb eines Jahres mehrfach geändert wurden, so daß sich ein dem Mitteleinsatz entsprechender Werbeerfolg nicht einstellen konnte.
317
Fazit zur DilTerenzierungsbarriere:
Das vorstehende Beispiel zeigt, daß die Differenzierungspositionen und -kosten
wegen des bestehenden Gestaltungsspielraumes ungleich schwerer zu vergleichen
sind als die Preisnachlässe, mit denen ebenfalls den bestehenden Käuferpräferenzen
entgegengewirkt werden soll. Zieht man jedoch den eingeräumten Preisvorteil als
Näherungswert für den Differenzierungsnachteil heran, so ergibt sich zusammen
fassend folgendes Bild:
Die "Big Names" haben gegenüber IBM einen Preis- bzw. Differenzierungsnach
teil zwischen 5 und 10 Prozent43.
Aus der "Value Added Products"-Gruppe liegt Compaq etwa auf dem Preisniveau
von IBM. Die Preise von Apple sind mit den IBM-Preisen nicht direkt vergleich
bar, da es sich nicht um Geräte des Industriestandards handelt. Jedoch werden
Apple-Produkte allgemein als (zu) teuer empfunden.
Die "Brand Identification-Clones" räumen einen Preisvorteil von ca. 40 % ein, um
Abnehmer für sich zu gewinnen. Innerhalb dieser Gruppe bestehen keine sehr
signifikanten Differenzierungsvorteile für etablierte Anbieter gegenüber neuen
Wettbewerbern, die aus verwandten Produk.tbereichen eintreten und von dort ein ähnliches Image bzw. einen Markennamen mitbringen.
Unter Einbeziehung der DiJferenzierungskosten ist der Nachteil der beiden erstgenannten Gruppen mit hoher Markenidentifikation deutlich unterbewertet, da diese
- ggf. neben den Preisvorteilen - weitere Formen des Kundennutzens unterbreiten wollen, worauf die "Brand Identification-Clones" tendenziell eher verzichten.
6.2.2. Absolute Eintrittsbarrieren
Absolute Eintrittsbarrieren entsprechen größenunabhängigen Kostenvorteilen
etablierter Wettbewerber, die für Newcomer unerreichbar sind, welche Eintrittsgröße
diese auch immer wählen mögen oder welche Größenersparnisse bei skalenanfälligen
Wertaktivitäten sie auch immer erreichen mögen44• Absolute Kostenvorteile ergeben
sich aus dem privilegierten Zugang bestehender Wettbewerber zu etwaigen Engpaß
faktoren, wie z.B. zu patentgeschütztem Know how, zu Rohstoffen oder Inputteilen
43 So gab z.B. Ericsson an, immer 5 % unter den Preisen von IBM liegen zu wollen. Vgl. ÖVD/Online 1984/10, S. 43.
44 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 34.
318
sowie zu Vertriebskanälen. Sie resultieren also nicht aus Mengendegressionseffekten
oder aus der Umlage von Fixkosten auf ein höheres Absatzvolumen, sondern nehmen
die Form proportionaler Kostennachteile an, z.B. im Falle höherer Transportkosten
aufgrund von Standortnachteilen.
Für die Mikrocomputerbranche werden nachstehend folgende absolute Eintrittsbar
rieren diskutiert: der Zugang zum Fachhandel, zur Produkttechnologie, zu Hard
warekomponenten und zu Komplementärprodukten. Hierbei wird sich zeigen, daß
der Zugang zu qualifizierten Fachhändlern die bedeutendste (größenunabhängige)
Eintrittsbarriere darstellt. Die Produkttechnologie des Industriestandards ist hin
gegen für alle Wettbewerber weitgehend verfügbar. Auch auf der Beschaffungsseite
und hinsichtlich der Komplementärprodukte bestehen keine signifikanten Nachteile,
sofern ein Newcomer dem Industriestandard folgt.
6.2.2.1. Zugang zu Fachhandelskanälen
Als bedeutendste absolute Eintrittsbarriere, wenn nicht als größtes Eintrittshemmnis
bzw. als schwierigste Aufgabe überhaupt, wurde von den befragten Firmenvertretern
übereinstimmend der Aufbau eines indirekten Vertriebsnetzes genannt. Besonders
betont wurde dies von denjenigen Unternehmen, die ausschließlich auf diesen Ver
triebsweg angewiesen sind. Allerdings bedeutet die Beschränkung auf den indirekten
Vertrieb, und dort wiederum auf den Fachhandel, zugleich eine Erleichterung für
den Zugang zu herstellerungebundenen Vertriebskanälen. In diesem Sinne werden
nachfolgend die hemmenden und die fördernden Faktoren des Zugangs zu indirekten Vertriebswegen analysiert.
Der Engpaß im Bereich des indirekten Vertriebs resultiert aus einer begrenzten
Anzahl qualifizierter Fachhändler, relativ zur mindesterforderlichen Dichte des
Vertragshändlernetzes eines PC-Anbieters: Nach einer Studie von Kellerbach45 sind
für ein flächendeckendes Vertriebsnetz mindestens 150 bis 170 Verkaufsstellen
erforderlich. Diese Zahl basiert auf einem Einzugsgebiet von ca. 50 Kilometern,
wobei diese Entfernung als die maximal annehmbare Distanz zwischen Kunde und
Händler unterstellt wird. Bei Einräumung einer regionalen Exklusivität bedeutet dies
allein ca. 130 Outlets, die zur Abdeckung von Ballungszentren um nochmals 30 bis 40
Händler zu erhöhen wären. Diese Vertriebskapazität hatten 1982 nach einer
45 Vgl. BddW vom 28.07.1983, S. 3.
319
Zusammenstellung von Kellerbach zwar erst Commodore, Apple, Triumph Adler
sowie annähernd auch Philips erreicht46, jedoch wurde von den im ersten Halbjahr 1983 eingetretenen "namhaften" Newcomern die Zahl der Händler nicht als problema
tisch bezeichnet. Bei einem für 1983 geschätzten Bestand von 1.800 bis 2.000
Händlern47 konnten die meisten Anbieter relativ schnell die gewünschte Verkaufs
stättendichte erreichen.
Das eigentliche Problem bestand vielmehr in der Qualifikation der Händler: Es gab
und gibt nur relativ wenige kompetente und zugleich gut eingeführt~ und absatz
starke Händler48, wobei der Neuaufbau gleichwertiger Vertriebspartner als sehr
schwierig gilt. Während das Bestreben der PC-Anbieter zunächst dahin ging, aus
Absatzgründen möglichst schnell möglichst viele Händler zu gewinnen und daher die
zwar bestehenden Anforderungsprofile für Vertragshändler großzügig gehandhabt
wurden, haben zwischenzeitlich praktisch alle Hersteller die Bedeutung der Qualifi
kation des Fachhandels für die Kundenzufriedenheit erkannt: Sollten Abnehmer
wegen mangelnder Beratung seitens des Fachhandels nicht mit dem erworbenen
Gerät bzw. der Problemlösung zufrieden sein, so fällt dies auf das Produkt und auf
dessen Hersteller zurück, nicht aber auf den Händler. Aus dieser Erkenntnis heraus
fand eine Qualifizierung, aber auch eine Selektion unter den jeweiligen autorisierten
Händlern statt. Sollen die konsolidierten Vertriebsnetze jedoch in der von Kellerbach
analysierten Größenordnung liegen, so macht sich der Mangel an qualifizierten
Händlern negativ bemerkbar. Hinzu kommt, daß der zunehmend in professionellere
Bahnen gelenkte Fachhandel sich zu profilieren suchte und sich daher um die Auf
nahme als IBM-Vertragshändler bzw. -Vertriebspartner bemühte49. Zugleich gingen
aber die Überlegungen des Fachhandels dahin, daß ein zweiter oder dritter Ueferant
für die Risikostreuung wünschenswert ist, nämlich für den Fall der Nichtverfügbar
keit von Geräten oder der Beendigung der Kooperation durch IBM. Durch dieses
46 vgl. ebenda, s. 3. Die Angaben von Kellerbach basieren auf den Händlerlisten der damals führenden Mikrocomupteranbieter.
47 Vgl. BddW vom 28.07.1983, S. 3. Hierin sind jedoch Kleinsthändler für Homecomputer ebenso enthalten wie größere ED V -Distributoren.
48 Von den Marktforschungs- und Beratungsgesellschaften IDC und Diebold werden rund 200 Mikrohändler für kompetent befunden [Angaben nach Pest (Auswahl), S. 40, bzw. Capital 1985/3, S. 238]. Andere Quellen [IM 20 (1986) 6, S. 139] gehen von bestenfalls 600 qualifizierten PCHändlern aus, die in der Lage sind, auch die erforderliche Beratung und den entsprechenden Kundendienst zu gewährleisten. Nach einer Untersuchung der BBE-Unternehmensberatung GmbH teilen sich von den 7.200 bestehenden PC-Händlern 400 bis 500 den größten Teil der PCUmsätze (vgl. HB vom 09.06.1987, S. 15).
49 So konnte IBM zum Ende des ersten Geschäftsjahres bereits ca. 120 Händler mit 150 VerkaufssteIlen vorweisen. Diese Zahl stieg bis 1985 auf 280 Händler und 360 Outlets. Für Anfang 1987 beziffert IBM die Dichte des Händlernetzes mit etwa 500 Verkaufsstellen. Vgl. IBM Verbands- und Innungsbrief, Februar 1987, S. 15.
320
Bestreben, die Abhängigkeit von IBM zu begrenzen, waren ein zweiter und ein
dritter Anbieter begünstigt, jedoch wird dadurch der Zugang zu den Vertriebs
kanälen nicht für alle weiteren Newcomer verbessert: Geht man von den jeweils gün
stigsten Fällen aus, d.h. von bundesweit 600 qualifizierten Händlern, die drei
lieferanten parallel führen und um die sich die PC-Anbieter mit nur 150 angestrebten Verkaufsstellen bewerben, so finden rein rechnerisch nur 12 Wettbewerber
Zugang zu diesen Kanälen. Die Gesamtzahl der Anbieter wird hingegen mit minde
stens 200 beziffert, worin allerdings auch die regionalen Nischenanbieter enthalten
sind.
Nachdem also die kompetenten Kanäle als besetzt gelten können, muß ein New
comer einen überdurchschnittlichen Anreiz bieten, um noch Zugang zum Fachhandel
finden zu können. Dies setzt zunächst eine Analyse der Fachhandelssituation voraus:
Nach Angaben von Commodore rührt der Engpaß im Fachhandel daher, daß es im
allgemeinen am Know how für eine qualifizierte Beratung und an einer ausreichen
den Kapitaldecke der Händler mangelt. Dementsprechend unterschied der
Gesprächspartner aus dem Hause Ericsson auch die meist jungen Händler mit Know
how, aber ohne eine entsprechende finanzielle Basis, und die finanzkräftigen (Büro
maschinen-)Händler ohne Know how. Als Ansatzpunkte für eine Abhilfe kommen
also hauptsächlich
finanzielle Anreize (a) und
Schulungsmaßnahmen (b)
von seiten eines Newcomers in Betracht, wenn er sich über die Lösung der Probleme
des Handels Zugang zu diesem verschaffen will.
Ad (a) Monetäre Anreize
Die Rentabilitätslage des Handels wurde von einem Firmenvertreter wie folgt um
rissen: Ein mittelgroßer Händler mit einem lahresabsatz von 150 Systemen hat Ver
marktungskosten50 in Höhe von ca. 1.500 DM je PC, bei einer Erfolgsquote von
einem verkauften Gerät auf drei Anfragen51. Bei einer durchschnittlichen Handels
spanne von 35 % auf den listenpreis und bei einem Händlerrabatt von 5 bis 10 % auf
den empfohlenen Verkaufspreis, ohne den fast keine Verkäufe mehr möglich sind,
müssen - bei einer verbleibenden Spanne von 25 % - der "Straßenpreis" bei 6.000 DM
50 Für Kontaktpflege, Beratung, Kundenbetreuung eIe.
51 Die Rair Computer GmbH beziffert den Verlriebsaufwand des Fachhandels gar auf 3.000 DM. VgI. B-W 1984/10, S. 18.
321
(0. MwSt.) und der Listenpreis bei 6.700 DM liegen. Dies ist (im Jahr 1987) jedoch
allenfalls noch bei Geräten der AT-Klasse der Fall; die PC- bzw. XT-Klasse bewegt
sich nur noch zwischen 1.500 und 3.500 DM. Bei diesem Preisniveau ist das Geschäft
auf der Handelsstufe demnach nicht mehr rentabel. Hier bestünde für einen New
comer nun die Möglichkeit, den Zugang zum Fachhandel mittels monetärer Anreize
zu bewältigen, welche die Rentabilitätssituation des Handels verbessern.
Dies könnte zum einen erfolgen, indem man dem Handel eine aberdurchschnittlich
hohe Marge eimäumt. Im Branchemnittel beträgt die Handelsspanne 35 % des Listenpreises, wobei die Bandbreite der mengenabhängigen Rabattklassen 25 bis ca.
40 Prozent beträgt52. Unter durchschnittlich 32 % ist der Fachhandel im allgemeinen
nicht bereit, neue Geräte aufzunehmen. Ein Firmenvertreter berichtete, daß zur Gewinnung neuer Händler ein Startpaket
angeboten wurde, das auf das erste Jahr der Kooperation begrenzt war. Hierin wurde
dem Handel eine um ca. 10 Prozent höhere Spanne eingeräumt, wobei der Händler
hinsichtlich des Volumens eine Verpflichtung eingehen mußte. Auch Compaq gibt
an, gegenüber IBM eine für den Handel günstigere Mengenstaffelung anzubieten:
Bereits seit Jahren liegt die Obergrenze der Compaq-Handelsspanne bei 41 %, wäh
rend IBM nach der neuen Discountstruktur erst maximal 38,65 % offeriert.
Der Handel ist jedoch nicht allein an einer hohen prozentualen Marge, sondern ins
besondere an einer hohen absoluten Handelsspanne interessiert. Diese kann auf dem
Wege überdurchschnittlich hoher und stabiler Listenpreise erzielt werden.
So wird der Handel eher bestrebt sein, hochpreisige Produkte der "Big Names"- oder
der "Value Added Products"-Gruppe aufzunehmen, die ihm - bei gleicher prozen
tualer Spanne - absolut gesehen eine höhere Marge einbringen. Demnach wären Ver
treter der "Brand Identification-Clones" mit ihrem niedrigen Preisniveau für den
Handel weniger attraktiv, d.h. sie müßten diesen Nachteil ggf. durch eine höhere pro
zentuale Handelsspanne ausgleichen. Diesem Argument wurde von den "Brand Iden
tification-Clones" jedoch entgegengehalten, daß die Produkte der "Big Names" wegen
der Konkurrenz billiger kompatibler Geräte auf der Handelsstufe sehr bzw. stärker
für Preisnachlässe und Rabatte anfällig seien, so daß sich die Diskrepanz zwischen
den IBM-"Straßenpreisen" und den Listenpreisen der Clones verringere. Und damit
schrumpfe auch der Differenzbetrag der Margen.
52 Bisweilen hängt die Höhe der Marge auch davon ab, ob der Händler tcchnischen Kundcndienst übernimmt oder nicht.
322
Für den Handel ist daher auch nicht allein das Niveau der Listenpreise ausschlag
gebend, sondern ebenfalls die Stabilität des empfohlenen Verkaufspreises. Dies gilt ins
besondere vor dem Hintergrund der im PC-Handel bereits üblichen Nachlässe auf
die Listenpreise53. Als Ursache für die sinkenden "Straßenpreise" wird der intensive
Wettbewerb auf der Handelsstufe angeführt, der durch einen fehlenden Gebiets
schutz von seiten der Hersteller bedingt ist, aber auch durch den grauen Markt der
zahlreichen B-Händler, die sich bei autorisierten Vertragshändlern nachversorgen.
Hierfür wird wiederum die Rabattstaffelung der PC-Anbieter verantwortlich
gemacht54.
Ein Newcomer könnte also vom Handel bevorzugt werden, wenn es ihm gelingt, die
Rabattgewährung auf der Handelsstufe zu verhindern oder einzudämmen, z.B. durch
Gewährung eines Gebietsschutzes oder durch' Unterbindung nicht autorisierter B
Händler. Als einzig wirksame Maßnahme hierfür sehen Howell et al. eine "one price
for all-policy" an, also einen Verzicht auf eine mengenabhängig gestaffelte Marge55•
Eine derartige Politik wurde erstmalig in der Branche von der Firma Tandon bei
ihrem relativ späten Markteintritt im Herbst 1985 gewählt, als die Vertriebskanäle allgemein bereits als überbelegt galten: Man bot dem Handel eine einheitliche
Spanne von 34 %, die nicht mit einer Mindestabnahmemenge verbunden war, son
dern auch für Einzelbestellungen galt. Insofern gewährte man bei geringen Bestellungen eine deutlich überdurchschnittliche Marge, die gegenüber bestellmengen
abhängigen Discountstrukturen anderer Wettbewerber um etwa 8 Prozentpunkte
günstiger war. Allerdings antizipierte man bei Tandon, daß die Vereinheitlichung der
Handelsspanne zu Problemen bei der Gewinnung großer Händler führen könnte:
Diese sehen sich möglicherweise benachteiligt, da sie bei anderen Herstellern Men
genrabatte erhalten. Man ging jedoch davon aus, daß sich das Einkaufsverhalten die
ser Händler ändern könnte, angesichts der allgemein geringen Finanzdecke des
Fachhandels. Denn um bei anderen PC-Anbietern in eine akzeptable Rabattstufe von
etwa 35 % zu gelangen, müssen große Mengen bestellt und abgenommen werden.
53 Nach Angaben von Compaq liegen die "street prices" von IBM - gemittelt aus allen Produkten -22 % unter dem empfohlenen Verkaufspreis, die der Compaq-Produkte liegen hingegen durchschnittlich nur 6,2 % unter dem Listenpreis.
54 VgI. Howell, Britney, Kuzdrall & Wilcox (Gray markets), S. 259 f. Die Autoren zeigen in ihrem Beitrag anhand der Discountstruktur des IBM AT, daß es sich für einen Händler rechnet, mehr als die benötigte Menge zu bestellen und die überzähligen Geräte an einen B-Händler zu liefern. Im Einzelfall kann die Konstellation sogar so günstig sein, daß der autorisierte Händler seine Beschaffungskosten allein durch Überschreiten der nächsten Discountschwelle minimiert, also auch ohne Weiterveräußerung der überschüssigen Ware. Darüber hinaus trägt jeder Betrag, den er einem B-Händler in Rechnung stellt, dazu bei, seine Kosten weiter zu senken. Auf diese Weise können selbst Preise unter dem Kostenniveau von IBM zustande kommen.
55 VgI. Howell, Britney, Kuzdrall & Wilcox (Gray markets), S. 262 f. Zu Beispielen für ineffektive Strategien der Bekämpfung grauer Märkte vgI. ebenda, S. 260 ff.
323
Wegen der Liquiditätsengpässe im Handel werden die gelagerten Geräte dann zu
Lasten der effektiven Marge über den Preis abverkauft. Das eigentliche Problem auch
der großen Händler ist damit die ungenügende Kapitalausstattung, die - zusammen mit
dem Zwang zu großen Abnahmemengen - dann zu Preiskämpfen im Handel führt. In
dieser Situation kann es durchaus auch für große Händler attraktiv sein, kurzfristig und in kleinen Mengen zu disponieren: Bei Lieferfristen von nur 24 Stunden kann
der Händler seine Bestellung auch noch dann vornehmen, wenn ihm bereits ein Kun
denauftrag vorliegt. Damit übernimmt Tandon die Lagerhaltung für den Handel, der
auf diese Weise die von anderen Herstellern eingeräumten Rabattvorteile bei großen
Mengen gegen Liquiditätsvorteile aufgrund einer geringeren Kapitalbindung im Lager
eintauscht56. Gleichzeitig bewirken die Konditionen von Tandon eine Stabilität der
Endverkaufspreise, so daß trotz des geringeren Niveaus der Listenpreise dem Handel
hieraus kein Nachteil erwächst57.
Mit diesen Konditionen gelang es Tandon, bis zum Frühjahr 1986 150 Händler zu
gewinnen58. Innerhalb eines Jahres konnte das Vertriebsnetz auf 260 Händler und
Systemhäuser ausgebaut werden59, Anfang 1987 belief sich diese Zahl auf etwa 28060•
Damit belegt das Beispiel der Firma Tandon, daß die Klage vieler Hersteller über
''verstopfte Händlerkanäle" offenbar überflüssig wird, wenn diese dem Handel etwas
zu bieten haben61•
Diese Aussage des Tandon-Geschäftsführers besagt aber keineswegs, daß es keine
(absolute) Zugangsbarriere zum Handel gibt62, sondern daß zu deren Überwindung
56 Über die einheitliche Spanne von 34 % hinaus wurde dem Handel die Möglichkeit eingeräumt, weitere 4 Prozent bei Vorausbezahlung in Anspruch zu nehmen, was wegen der schnellen Belieferung und fehlender Rabattklassen attraktiv war.
57 Bei einem Jahresumsatz von 80,2 Mio. DM und einer Absatzmenge von 19.840 Stück im ersten Geschäftsjahr (eigene Angaben von Tandon; vgl. HB vom 30./31.01.1987, S. 22) betrug der durchschnittliche Abgabepreis eines Tandon-PC an den Handel 4.040 DM (Beträge auf 10 DM gerundet). Unter der Annahme, daß die Hälfte der Händler den zusätzlichen Vorauszahlungsrabatt von 4 % in Anspruch nahm, d.h. unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Marge von 36 %, betrug der Listenpreis aller verkauften PCs im Mittel 6.310 DM, die absolute Handelsspanne 2.270 DM. Um diesen Betrag bei einem teureren "Big Names"-Produkt zu erzielen, bei dem der Händler jedoch einen Nachlaß von 10 % gewähren muß, so daß sich die effektive Marge auf 26 % verringert, müßte dessen Listenpreis bei äquivalent 8.730 DM liegen.
58 Vgl. FAZ vom 10.03.1986, S. 15.
59 Vgl. FAZ vom 20.10.1986, S. 16.
60 Vgl. HB vom 30./31.01.1987, S. 22.
61 So Jürgen Tepper, Geschäftsführer der Tandon Computer GmbH, nach FAZ vom 10.03.1986, S. 15.
62 Die Existenz einer absoluten Zugangsbarriere bedeutet nicht, daß ein Markteintritt absolut unmöglich ist, sondern daß er mit absoluten bzw. größenunabhängigen Nachteilen verbunden ist.
324
dem Handel außergewöhnliche Angebote zu unterbreiten sind. Denn um den Zugang
zum Fachhandel so souverän meistern zu können, mußte Tandon absolute Kosten
nachteile in Kauf nehmen: Während z.B. der gruppeninterne Wettbewerber Commo
dore dem Handel bei Einzelbestellungen oder Kleinaufträgen nur eine Spanne von
25 % einräumt, gewährt Tandon 34 Prozent. Somit liegt ein 9 %iger absoluter
Kostennachteil bei geringen Bestellmengen vor63. Selbst wenn man davon ausgeht,
daß der Fachhandel diese geringe Marge (25 %) auch bei etablierten Herstellern
nicht akzeptiert und statt dessen so disponiert, daß er ebenfalls eine 34 %ige Spanne
erzielt, so hat Tandon im Vergleich zu anderen Wettbewerbern dennoch die Kosten
der Finanzierung des Lagerbestandes zu tragen, die die Mitbewerber auf den Handel
überwälzen64/ 65•
Ad (b) Schulungsmaßnahmen
Einen weiteren Ansatzpunkt für den Zugang zum Fachhandel bilden Schulungsmaß
nahmen und andere nichtmonetäre Formen der Handelsunterstützung bzw. des
Händler-Marketings.
Ein Newcomer müßte also - analog zu den meisten etablierten Wettbewerbern66 -
eine System- und Vertriebsschulung anbieten, um so zur Qualifizierung der Vertrags
händler beizutragen. Abgesehen von der reinen Produktunterweisung sind diese internen und z.T. auch extern durchgeführten Weiterbildungsseminare für die
Händler meist kostenpflichtig, so daß sich ein Newcomer durch die Übernahme der Schulungskosten differenzieren könnte. Indirekt tragen jedoch auch die etablierten
Hersteller die Weiterbildungskosten des Handels. So argumentierte z.B. Compaq,
daß die im Vergleich zu IBM überdurchschnittliche Handelsspanne (max. 41 % statt
63 Dieser Kostennachteil gegenüber bestehenden Wettbewerbern ist jedoch insofern ZU hoch angesetzt, als Tandon keine Gemeinschaftswerbung mit dem Handel betreibt. Die Kosten hierfür hat der Händler ggf. aus seiner Marge zu decken, so daß die Handelsspanne von Tandon für einen exakten Vergleich nach unten zu korrigieren wäre.
64 . Auch die Kosten der Versandabwicklung dürften bei Tandon wegen der größeren Bestellhäufigkeit insgesamt höher ausfallen.
65 Aus der Vereinheitlichung der Handelsspanne ergeben sich jedoch möglicherweise auch absolute Kostenvorteile für Tandon: Man verhindert, daß A- und B-Händler gemeinsam ordern, wodurch sie bei einer mengenabhängigen Discountstruktur in eine Rabattklasse über 34 % gelangen könnten. Vgl. hierzu auch Howell et a1. (Gray markets, S. 259 f.), die betonen, daß die Hersteller ihre Produkte keineswegs zu den geplanten Preisen verkaufen und daß auch nicht lediglich den Vertriebskanälen ein (selbstverschuldeter) Schaden entsteht, sondern daß sich die Hersteller mit einer Rabattstaffelung auch selbst benachteiligen: Die Autoren gehen davon aus, daß die durch einen gemeinsamen Einkauf entstehenden Umsatzeinbußen größer sind als die Fixkosten einer zusätzlichen Bestellabwicklung.
66 Vgl. z.B. die Umfrage unter den PC-Anbietern zu den von ihnen gewährten Einstiegshilfen, in B-W 1984/6, S. 23 ff.
325
max. 38,65 %) bei gleichzeitig stabileren Listenpreisen (durchschnittlicher Preisnachlaß 6,2 % statt 22 %) für den Handel erforderlich ist, um in Weiterbildungs
maßnahmen investieren zu können. Die direkte Übernahme der Schulungskosten bzw. die indirekte Förderung der
Qualifizierung des Handels über eine "angemessene Marge" bedeuten also wiederum
einen absoluten Kostennachteil eines Newcomers. Da aber der Handel - wie im Beispiel der Firma Compaq - durch qualifizierte Beratung auch zur Differenzierung
eines PC-Anbieters beitragen kann, sind in den nichtmonetären Formen der
Handelsunterstützung zugleich Differenzierungskosten zu sehen. Denn aus der für
andere Wettbewerber verschlossenen Möglichkeit, besonders qualifizierte Fach
händler und Softwarehäuser zu bedienen, kann nach Bain eine Differenzierungs
barriere entstehen67• Insofern kann die von Compaq eingeräumte Marge nicht allein
als absoluter Kostennachteil interpretiert werden, da sie zugleich zu einem Differen
zierungsvorteil führt.
(e) Differenzierungsposition und Image der Lieferanten
Der Fachhandel ist also einerseits selbst eine Differenzierungsquelle für die PC
Anbieter, erwartete bzw. begünstigte aber andererseits auch Lieferanten mit einer
ausgeprägten Differenzierungs- oder Imageposition: Insbesondere in der frühen Phase der Marktentwicklung (ca. 1982/83) galt der Fachhandel als "chaotisch,,68. Mit
der zunehmenden Orientierung der Mikrocomputerhersteller an kommerziellen Anwendern war der Handel dann jedoch vor die Aufgabe gestellt, 'mit kommerziellen
Abnehmern zu kommunizieren und sich mit einem professionellen Erscheingungsbild
zu profilieren. Durch dieses Profilierungsbestreben des Handels waren namhafte PCAnbieter wie z.B. IBM oder Siemens im Vorteil, von deren Markenimage der Handel in dieser Hinsicht profitieren konnte.
(d) Pult-Effekt
In ähnlicher Weise sind (neue) Wettbewerber mit einem hohen Bekanntheitsgrad
beim Zugang zu Vertriebskanälen in einer günstigen Ausgangsposition. Aufgrund der
intensiven Werbekampagnen und der hohen Aufmerksamkeit, die IBM wegen des
geschaffenen De-facto-Standards von den Software entwicklern und der Fachpresse
67 Vgl. Bain (IndustriaI Organization), S. 260.
68 Ein Firmenvertreter brachte dies so zum Ausdruck: "Es gab viele wilde Händler mit vielen wilden Produkten."
326
zuteil wurde, entstand z.B. ein starker Sog-Effekt nach IBM-PCs. Für den Fachhandel bedeutet dies eine geringere Beratungsintensität als bei unbekannten Konkurrenzprodukten, für die evtl. mehr Verkaufsgespräche erforderlich sind. Auch Commodore
nannte seine durch hohe Werbeaufwendungen bewirkte Bekanntheit als Anbieter
von "low cost"-PCs als hilfreich beim (Wieder-)Aufbau des Systemvertriebs.
Ein Teil der Kosten für Endkundenwerbung sind damit der Überwindung der
"Handelsbarriere" zuzurechnen.
(e) Fachhandelstreue und -kontakte
Als ein entscheidendes Kriterium für die Aufnahme eines neuen Wettbewerbers
durch den Fachhandel wurde übereinstimmend die exklusive Bedienung dieses
Vertriebsweges genannt. So differenzierte sich z.B. Compaq gegenüber den "Big
Names" durch die Beschränkung auf den indirekten Vertrieb, und zwar ausschließlich
auf den Fachhandel. Dies führte zu einer außergewöhnlichen Loyalität der Ver
triebspartner, die Compaq von Mitbewerbern bescheinigt wurde.
Allerdings ist es IBM - aufgrund anderweitiger Attraktivität für den Fachhandel -
trotz eines eigenen Direktvertriebes gelungen, das dichteste indirekte Vertriebsnetz
aufzubauen69• Jedoch wurde u.a. die ursprüngliche Entscheidung von IBM,
bestimmte Produkte (wie den 3270-PC und den XT/370) exklusiv über den eigenen
Direktvertrieb abzusetzen, vom Fachhandel kritisch aufgenommen und führte zu
Spekulationen über einen Abbau bzw. Rückzug des Marktführers aus dem Fachhan
delskanal. Obwohl nur wenige autorisierte IBM-Händler ihre Vertragshändlerschaft
kündigten 70, dürfte die Unterstützung IBMs durch den Fachhandel hierunter gelitten
haben, zum Vorteil von fachhandelstreuen Wettbewerbern wie Compaq, aber auch der "Brand Identification-Clones"71.
Verstärkt durch die für IBM-Geräte unvermeidbare Rabattgewährung auf den
Listenpreis verloren die IBM-Produkte also an Attraktivität für den Handel. Den
daraus resultierenden Vorteil fachhandelsorientierter Wettbewerber beschreibt
69 Hierbei bildeten auch die herstellereigenen Computerläden kein wesentliches Hindernis: In Fachhandelskreisen wurden die IBM-Läden anfänglich als 'preisstabilisierendes Element' begrüßt. Inzwischen wird aber über deren aggressive Preisgestaltung geklagt. VgI. B-W 1985/9, S. 11.
70 So z.B. das Nürnberger Fachhandelshaus Schuster & Walther, das an der Kontinuität des Fachhandelsvertriebs der IBM zweifelte. Vgl. B-W 1985/9, S. 16.
71 Andere 'Big Names'-Vertreter, z.B. DEC, waren auf eine Harmonisierung der Vertriebswege bedacht: DEC setzte seine drei Produktlinien Rainbow, Professional und DECmate über unterschiedliche Kanäle ab. Wenngleich auf diese Weise die Konkurrenz zwischen direktem und indirektem Vertrieb vermieden werden konnte, bewährte sich diese Vertriebsstruktur mangels Transparenz für den Kunden nicht. VgI. Fraker (DEC), S. 86.
327
Davidow wie folgt: "Alle Computerhändler sind wegen der Marktrnacht von IBM
besorgt. ... Die Einzelhändler, die darum kämpfen, ihre Abhängigkeit von IBM zu vermindern, fördern Compaq bei jeder passenden Gelegenheit."72
Auch von Tandon verlautete, daß der Zugang zum Handel durch ein klares Bekennt
nis zur Fachhandelstreue erleichtert wurde. Auch sei diese Verpflichtung glaubwürdig gewesen, da der Geschäftsführer den Händlern von seiner früheren Tätigkeit her
bekannt war und einen guten Ruf wegen seiner Loyalität zum Fachhandel genoß73.
Insofern habe keine Notwendigkeit bestanden, ein solches Vertrauen erst aufzu
bauen, was bei einem neuen, unbekannten Team erforderlich gewesen wäre.
if) Sinnvolle Ergänzungsprodukte statt Me-too-Produkte
Einen weiteren vereinfachenden Faktor für den Zugang zum Fachhandel bildet das
Angebot sinnvoller Ergänzungsprodukte, die nicht nur in direkter Konkurrenz zu den
bereits von einem Händler geführten Produktlinien stehen. Hierbei muß jedoch zur
Vermeidung von Umstellungskosten für den Handel (z.B. beim Zubehör- und Soft
wareangebot) die Kompatibilität zum Industriestandard möglichst gewahrt bleiben. Dies war z.B. bei der Firma Compaq der Fall: Compaq bot dem Handel die Möglich
keit der Abrundung seines Sortiments mit einem tragbaren Gerät, das IBM selbst zu
diesem Zeitpunkt nicht im Programm hatte. Daher konnten IBM-Händler gezielt
angegangen werden. Das Produkt war ihnen von der Rechnerarchitektur und der
Bedienung her ja bereits bekannt, nämlich wegen der Kompatibilität zum Industrie
standard. Insofern konnten Compaq-Geräte bei bestimmten Kundenanfragen ohne
besondere Beratungsprcibleme angeboten werden.
Abschließende Würdigung der absoluten Zugangsbarriere zum Handel:
Die vorstehenden Ausführungen belegten zunächst, daß die Zahl der qualifIZierten
und absatzstarken Fachhändler angesichts des auf der Anbieterseite überbesetzten
Marktes einen bedeutenden Engpaß darstellt. Anhand des Beispiels der Firma
Tandon wurde gezeigt, daß einem neuen Wettbewerber dennoch der Zugang zum
Handel gelingen kann, daß dies aber dann mit größenunabhängigen Kostennach
teilen verbunden ist, die z.B. aus einer höheren Handelsspanne resultieren. Die
72 Davidow (High Tech), S. 77.
73 Der Geschäftsführer wechselte mit einem dreiköpfigen Team für die Funktionen Software, Technischer Support und Marketing-Communication von der Victor Technologies GmbH zu Tandon.
328
anschließenden Erörterungen machten deutlich, daß die Gewinnung von Ver
triebspartnern durch eine Reihe nichtmonetärer - und evtl. kostenneutraler -
Leistungen und Anreize erleichtert werden kann, z.B. durch ein Bekenntnis zur
Fachhandelstreue oder durch das Angebot sinnvoller ErgänZllngsprodukte74•
Diese zutrittsfördernden Faktoren allein wiegen jedoch nicht so schwer, daß - wie das
Beispiel der Firma DEC belegt - die gewährte Handelsspanne auf oder gar unter dem Branchendurchschnitt angesetzt werden kann: Die Digital Equipment GmbH
glaubte, mit einern Mikrocomputer, der als Besonderheit einen Doppelprozessor und ein Hybrid-Betriebssystem aufwies, ein sinnvolles Ergänzungsprodukt vorgeigt zu
haben. das der Handel begrüßen würde. Hinsichtlich der möglichen Marge, die dem
Mikrocomputerhandel zugestanden werden konnte, war man jedoch durch das Minicomputergeschäft gebunden: Hier waren klare Regeln aufgestellt worden. die auch für den Mikrocomputerbereich verbindlich waren. Die Durchsetzung unterschied
licher Rabattstrukturen - so der Interviewpartner aus dem Hause DEC - wäre intern
sehr schwierig gewesen75• Und da DEC traditionell mit Systemveredlern (V ARs) zusammenarbeitete, die eigene Wertschöpfungsleistungen erbringen und daher mit
einer Hardware-Spanne zwischen 25 und 28 Prozent operieren können, konnten dem
Mikro-Vertrieb ebenfalls nicht mehr als 25 bis 28 % vorn Listenpreis eingeräumt
werden76•
74 In dem Maße, in dem die Herstellung solcher (Ergänzungs)Produkte jedoch signifikante Differenzierungskosten auf der Hardware- oder Entwicklungsseite bedeutet, oder in dem die Beschränkung auf den indirekten Vertrieb zu Opportunitätskosten führt, verursacht die Überwindung der "Handelsbarriere" jedoch wieder ( absolute) Kostennachteile.
75 Der befragte Firmenvertreter räumte für seine Organisation in diesem Punkt eine gewisse Inflexibilität ein. Dieses Problem unterschiedlicher Rabattstrukturen ist bei IBM mit der Gründung einer 'Independent Business Unit" besser gelöst worden: Wegen Unverträglichkeiten zwischen den Vermarktungserfordernissen der Personal Computer und der internen "Business Guidelines' ist der Mikrocomputervertrieb nicht in der Stuttgarter IBM Deutschland GmbH verankert worden, sondern der neugegründeten IBM Deutschland Produktvertrieb GmbH mit Sitz in Frankfurt übertragen worden. Denn insbesondere im Umgang mit Händlern kann IBM nicht an ihren Grundsätzen festhalten, sondern muß diesen bei Abnahme größerer Mengen erhebliche Preiszugeständnisse machen. Vgl. CW 10 (1983) 1/2, S.3. Derartige Preiskonzessionen waren mit den traditionellen IBM-Geschäftsgiundsätzen nicht vereinbar. Vgl. zu diesen Leitlinien Watson (Grundsätze) und zur Aus- bzw. Neugründung von Venture-Einheiten als Organisationsform von Markteintritten Hanan (Venture), sowie Nathusius (Venture) und (Venture Management).
76 Für den amerikanischen Markt berichtet Burke (DEC, S. 30 f.), daß die erstklassigen Händler die geringen Margen nicht akzeptierten und DEC daher - aber auch wegen des späten Eintrittszeitpunktes - nur Zugang zu zweitklassigen Händlern fand, die kaum eingeführt waren und auch nicht einen so ausgezeichneten Service und Support boten wie die leistungsfähigen Händler.
329
In den vom Fachhandel als nicht konkurrenzfähig beklagten Spannen sah man bei
DEC dann auch eine der Ursachen dafür, daß die Mikrocomputer vom Handel nicht
in der geplanten Stückzahl aufgenommen und abgesetzt wurden77•
6.2.2.2. Besitz von Produktechnologien
Wegen des hohen Anteils an Fremdbezugsteilen und Fremdentwicklungen, für die
IBM keine Exklusivität beanspruchte, ist die Produkttechnologie des IBM PC im
wesentlichen allgemein zugänglich. Dieser Bruch mit den bisherigen Gepflogenheiten
äußert sich in der für IBM bis dahin untypischen offenen Systemarchitektur, die bereits Apple und Tandy im semiprofessionellen Segment und im Homecomputerbereich
zum Erfolg verholfen hatte. Wegen der damit verbundenen Offenlegung der Schnitt
stellen gilt der IBM PC als ein in seinen technischen Spezifikationen gut dokumen
tiertes System78.
Mit dieser Strategie einer offenen Architektur bezweckte und bewirkte IBM ein reichhaltiges und in seiner Vielfalt marktgerechtes Angebot an fremdersteIlten Kom
plementärprodukten, welche die Etablierung des IBM PCs als De-facto-Standard im
16-Bit-Bereich förderten. Aus dem gleichen Grund verzichtete IBM auch auf eine
"proprietary cpu" und auf ein herstellereigenes Betriebssystem: Als Prozessor wählte man einen marktüblichen Intel 8088 aus, der auch anderen Wettbewerbern zur Ver
fügung stand. Mit der Entwicklung eines Betriebssystems für diesen Prozessor wurde Microsoft beauftragt. Microsoft erwarb von Seattle Computer Products die Rechte an
einem bestehenden 8086-Betriebssystem (SCP-DOS-86), das bei IBM unter PC-DOS
firmiert. Um diesem von IBM favorisierten Betriebssystem, für das aber noch keine
Anwendungssoftware existierte, zur Anerkennung als De-facto-Standard zu verhel
fen, wurde auch Microsoft die Vermarktung gestattet. In nur geringfügiger Modifi
kation wird es von Microsoft als MS-DOS an die Hersteller kompatibler Personal
Computer vertrieben. Damit war für die Softwarehäuser ein attraktives Marktpoten
tial für PC-DOS- bzw. MS-DOS-Anwendungsprogramme gewährleistet, außerdem
bestand nicht die Gefahr, sich mit einem SW-Produkt ausschließlich an einen PC
Anbieter zu binden und evtl. in Abhängigkeit zu geraten. Binnen kurzer Zeit verleg
ten sich die namhaften SW-Entwickler auf MS-DOS-Produkte. Das anfängliche
77 Ein weiteres Problem bestand in den sehr hohen Listenpreisen, die sich wegen der geringen Handelsspanne als sehr stabil erwiesen, so daß die "Straßenpreise" prohibitiv hoch waren.
78 Vgl. Henk (IBM-PC), S. 16.
330
Defizit an Anwendungssoftware für den IBM PC konnte schnell überwunden werden
und die IBM/Intel/Microsoft-Architektur wurde zum Industriestandard79.
Trotz der gegebenen Fremdbezugsmöglichkeit dieser zentralen Produktkomponenten
ist jedoch nicht jeder Konkurrenz-PC mit einem Intel-Prozessor und einem MS-DOS
Betriebssystem voll standardkc::npatibel: Die Implementierung von MS-DOS auf
einen Personal Computer erfolgt über das Basic-Input/Output-System (BIOS), das von IBM patentrechtlich geschützt ist bzw. mit einem Copyright belegt ist80• Diese am
stärksten an einen PC angepaßte Softwarekomponente des Betriebssystems ist damit
vor dem direkten Zugriff neuer Wettbewerber geschützt. Da das Kopieren des IBM
BIOS aus rechtlichen Gründen nicht möglich war, schrieben frühe standardkompa
tible Wettbewerber wie Compaq oder Ericsson ihr eigenes Basic-Input/Output
System, das sie wiederum mit einem Copyright schützten. Diese selbstentwickelten
BIOS emulieren die Funktionen des IBM-BIOS und stellen damit keine Patentver
letzung dar. Im Mai 1984 schrieb schließlich die Phoenix Technologies Inc. eine
BIOS-Emulation, die nicht für den Eigenbedarf bestimmt war, sondern als kommer
zielles Produkt an Hersteller standardkompatibler Personal Computer vertrieben
wurde81• Damit war auch das einzige geschützte Teil des IBM PC über den Zuliefer
markt erhältlich.
In der Vergangenheit wurden also wesentliche Komponenten der Produkttechnologie - wenngleich gesetzlich geschützt - von IBM nicht wirksam unter Kontrolle gehalten. Newcomern entstand somit keine (absolute) Eintrittsbarriere aus einer vor der
Verbreitung geschützten Produkttechnologie.
Diese Situation könnte sich jedoch nach der Ankündigung des Personal System/2
(PS/2) durch IBM im April 1987 ändern. Denn mit der Nachfolgegeneration für die
bisherige PC-Linie, so die beinahe einhellige Meinung der Branchenbeobachter, hat
IBM eine Rechnerfamilie geschaffen, die die Nachbaubarkeit durch Clone-Konkur-
79 Vgl. Preston (Beginning), S. 74.
80 Das BIOS ist eine ROM-residente Betriebssystemerweiterung, d.h. ein spezieller Betriebssystemzusatz, der in einem ROM-Speicherchip abgelegt ist. Es handelt sich dabei um "eine teilweise geräteabhängige, in ihrem Aufbau und ihren Funktionen jedoch standardisierte SoftwareZwischenschicht" [Henning (Kompatibel), S. 50), welche den Datenverkehr zwischen dem Prozessor und den Ein-/Ausgabeeinheiten steuert. Sog. "ill-behaved" Anwendungssoftware, (z.B. Lotus 1-2-3), die nicht ausschließlich die geräteunabhängigen Schnittstellen des MS-DOS und des BIOS nutzt, sondern direkt auf das teilweise gerätespezifische Hardware·Software-Interface (HSI) zugreift, um die Ablaufgeschwindigkeit des Programms ZU verbessern, kann mit einem erheblichen Anpassungsaufwand an einzelne Personal Computer verbunden sein. Vgl. Henning (Kompatibel), S. 50 ff.
81 Vgl. McCusker (Bolt), S. 41.
331
renten erheblich erschwert82• Allerdings hat IBM, wie von vielen Seiten erwartet, das
PS/2 wiederum als ein offenes System gestaltet: Mit Vorabinformationen für SW
Entwickler über das neue Betriebssystem und mit Bekanntgabe der Schnittstellen
spezifikationen für die Erweiterungssteckplätze hat IBM nach wie vor unabhängigen
Zulieferern die Entwicklung von Add-On-Produkten ermöglicht83•
Trotz offener Systemarchitektur hat IBM das PS/2 aber so weit wie möglich geschlos
sen, um es vor Imitation durch die bisherigen standardkompatiblen Konkurrenten zu schützen. Um den Nachbau zumindest zeit- und kostenintensiv, wenn nicht gar
unmöglich zu gestalten, hat IBM den früheren Standard - so die Einschätzung von
Lamond - in drei wesentlichen Punkten verändert84, nämlich durch
neue Videostandards (1),
durch ein neues BIOS (2) und
durch die neue Mikro-Kanal-Architektur (3).
Ad (l) Videostandards
Mit dem "Multi Color Graphics Array" (MCGA) und dem "Video Graphics Array"
(VGA) hat IBM zwei neue Grafikstandards für das PS/2 gesetzt. Anders als bei den alten Modellen sind diese Standards für Bildschirm-Farbgrafik nicht mehr in Form von Adapterkarten implementiert, die als Systemerweiterungen von den Steckplätzen
aufgenommen werden. Sie sind nunmehr in Gestalt zweier Grafikchips bereits serienmäßig auf der Mutterplatine der neuen Geräte enthalten. Diese Grafikchips sind zu einem bestimmten Teil '1BM proprietary". Sie werden von dem britischen
Chip-Hersteller Inmos für IBM gefertigt, wobei zwischen den beiden Unternehmen
ein exklusiver Belieferungsvertrag abgeschlossen wurde.
82 Als relativ pauschaler Beleg hierfür kann der gestiegene Eigenentwicklungsanteil von mM angeführt werden: Während der ursprüngliche PC (laut Diebold Management Report 1987/4, S. 12) noch zu SO % aus Fremdteilen und nur zu 20 % aus eigenen Komponenten bestand, hat sich diese Relation beim PS/2 auf 50: 50 verschoben. Beim (Top-)ModellSO stammen angeblich sogar SO % der Teile von mM selbst.
83 Vgl. Lamond (Clones), S.44/13. So teilte z.B. Digital Research bereits zur Vorstellung der Personal System/2-Familie mit, daß alle GEM-Applikationen schon für die neue Produktlinie von mM verfügbar sind. Gleichwohl ist das PS/2 für die Hersteller von Zusatzkarten aus einer Reihe von Gründen weniger attraktiv als die bisherige Produktfamilie: Die geringere Anzahl von Steckplätzen, die bereits serienmäßige Realisierung von vormals über Zusatzkarten bereitgestellten Fuuktionen in Form von Chips auf der Grundplatine sowie das breitere Angebot an Festplatten von mM schränken die Möglichkeiten für Add-On-Produzenten gegenüber bisher ein. Vgl. Lamond (Clones), S. 44/13.
84 Vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen Lamond (Clones), S. 44/13 - 44/16.
332
Neben den technischen Vorteilen und den Kostenvorteilen, die diese Lösung in sich
birgt, führt die Verwendung kundenspezifischer integrierter Schaltkreise (ASICs)
zugleich zu einem Schutz vor Imitation: Ein Nachbau von ASICs-Bausteinen gilt als
"so gut wie ausgeschlossen"85.
Ad (2) Basic-Input/Output-System
Für diejenigen PS/2-Modelle, die unter dem neuen Betriebssystem BS/2 laufen
(werden), wurde von IBM ein neues Basic-Input/Output-System geschrieben, das sog.
A-BIOS. Entgegen dem ursprünglichen C-BIOS für die Generation der PC-DOS
Geräte wurde von IBM jedoch nicht der urheberrechtlich geschützte Quelleode des
A-BIOS veröffentlicht, sondern nur dessen Schnittstellen. Dies erschwert wiederum
relativ zum alten C-BIOS - das "Klonen" des neuen Basic-Input/Output-System.
Ad (3) Mikro-Kanal-Architektur
Der bisher gebräuchliche Systembus des IBM PC wird in den Modellen 50, 60 und 80
des PS/2 durch eine neue Mikro-Kanal-Architektur ersetzt, die um 50 % leistungsfähiger sein soll. Um den Durchsatz zu optimieren, verfügt der Mikro-Kanal über
einen Prioritätenalgorithmus, der ebenfalls nicht veröffentlicht und zudem patent
bzw. urheberrechtlich abgesichert wurde86•
Trotz dieser drei Schritte hält es Lamond für unwahrscheinlich, daß voll kompatible
Systeme nicht auch von anderen Herstellern angeboten werden: "Contrary to widely
held opinion, the leading compatible manufacturers will find it neither time-
85 Fink (Schaltkreis), S. 19. Fink erläutert hierzu: "Ohne Funktionsbeschreibung ist es praktisch unmöglich und vollkommen unökonomisch, das Funktionsverhalten eines komplexeren ASIC vollständig zu erfassen. Anders als bei Leiterplatten hat man ja nicht die Möglichkeit, durch den Typ der verwendeten Standardbausteine und deren Verdrahtung Rückschlüsse auf die Funktionsweise zu ziehen ... Um dies zu tun, müßte der ASIC durch Ätzmethoden schichtweise 'abgeschält' und jedes Gatter der Position und Verbindung nach untersucht werden. Und selbst dies ergibt erst die Architektur, nicht aber die Funktion in allen Parametern. Ein Nachbau aus kommerziellen Über· legungen heraus ist daher - auch aus der Sicht der raschen Weiterentwicklung aller elektronischen Geräte - nicht zu befürchten. Ein ASIC ist heute der beste Schutz eigener schaltungstechnischer Innovationen.' Ebenda, S. 19.
86 Daneben soll - nach Meldungen der Computerwoche . für die Unterstützung des Mikro·Kanals eine speziell optimierte Prozessorversion erforderlich sein, die den Clone·Hersteliern nicht zugänglich ist. Vgl. CW 14 (1987) 15, S. 4.
333
consuming nor costly to produce PS/2-compatible models - at least for standalone
applications."87
Denn für die Standardversion des von IBM und Microsoft gemeinschaftlich entwickel
ten Betriebssystem/2 verfügt auch Microsoft über das Recht der Linzenzvergabe.
Insofern kann Microsoft sein mit der IBM-Version BS/2 identisches Operating
System OS/2 genauso an die Hersteller kompatibler Systeme vertreiben, wie dies
auch bei dem Vorgänger PC- bzw. MS-DOS der Fall ist. Daher werden alle Pro
gramme, die zukünftig unter BS/2 für den sogenannten "protected mode" eines
80X86-Prozessors88 geschrieben werden, auf allen bereits bestehenden AT-kompa
tiblen Geräten ablauffähig sein, wie auch auf allen neuen, zu den IBM-Modellen 50
bis 80 kompatiblen Systemen. Hierzu ist es - im Gegensatz zur MS-DOS-Geräte
generation - nicht eimnal mehr erforderlich, das IBM-BIOS nachzuvollziehen. Denn
das Betriebssystem/2 schirmt einerseits den Prozessor vor dem Zugriff der Anwen
dungssoftware auf die Hardware ab, so daß das BIOS nicht mehr umgangen werden
kann89. Und da OS/2 - im Gegensatz zu MS-DOS - im Release 1.1 andererseits auch
die Möglichkeit bieten wird, alle Bildpunkte zu adressieren90, und da ferner die
Prozessoren 80286 und 80386 so leistungsfähig sind, daß sich ein Abweichen vom
Wohlverhalten zur Verbesserung der SW-Ablaufgeschwindigkeit erübrigt, besteht
keine Notwendigkeit mehr, das neue A-BIOS von IBM direkt zu adressieren. Außer
dem nimmt IBM mit der Entscheidung, den Quellcode des A-BIOS geheimzuhalten,
den SW-Entwicklern die Möglichkeit, neue "ill behaved"-Programme zu schreiben.
Dies bedeutet wiederum, daß ein "reverse-engineering" des A-BIOS überflüssig wird,
um voll SW-kompatibel zu den Stand-alone-Applikationen für das PS/2 von IBM zu
sein91.
Genausowenig müssen kompatible Hersteller - laut Lamond - die Mikro-Kanal
Architektur IBMs nachempfinden, um PS/2-Programme verarbeiten zu können: "All
they need to stay competitive is an 1/0 channel of equivalent or greater speed."92
87 Lamond (Clones), S. 44/16.
88 Der 80286-Prozessor von Intel verfügt über zwei' Betriebsformen, den "real mode" und den "protected mode". Im "real mode" ist der 80286 zu seinen Vorgängern aufwärtskompatibel, d.h. auch Applikationen, die unter MS-DOS geschrieben wurden, sind unter OS/2 ablauffähig. Der "real mode" wird daher auch als Kompatibilitätsmodus bezeichnet. Die volle Leistungsfähigkeit des 80286, nämlich Multitasking-Betrieb und 16 Megabyte Adreßraum, werden von OS/2 indes erst im "protected mode" ausgeschöpft.
89 Vgl. zu den vier Privilegstufen, die als Schutzmechanismen im Intel 80286 implementiert sind, PC Magazin Nr. 17 vom 15.04.1987, S. 26.
90 Bisher zählen vor allem Grafikprogramme zu den "ill behaved"-Applikationen.
91 Vgl. hierzu Lamond (Clones), S. 44/16.
92 Lamond (Clones), S. 44/16. Vgl. zu derartigen Bemühungen unten, S. 336, Fußnote 100.
334
Im Bereich der Stand-alone-Systeme hat IBM die Wettbewerber also nicht vor eine
unlösbare Aufgabe gestellt, jedoch verspricht man sich einen zeitlichen Vorsprung
von etwa 6 bis 9 Monaten, ehe die kompatiblen Produkte der Konkurrenten fertig
gestellt sein werden93. In diesem Zeitraum wird aber das BS/2, das die Leistungs
fähigkeit der Modelle 50, 60 und 80 erst voll. zur Geltung bringt, für die Kunden
ebenso wenig verfügbar sein wie für den "protected mode" geschriebene BS/2-Appli
kationen, so daß IBM aufgrund dieser temporären MonopolsteIlung nicht unbedingt Absatzerfolge erzielen kann: In dem Maße, in dem Kunden ihre Investitionen
zurückstellen oder auf alte ATs zurückgreifen, erwächst PS/2-Newcomern kein Nach
teil aus der späteren Geräteverfügbarkeit.
Der für IBM strategisch bedeutsamere Schritt besteht in der Abschirmung des Mark
tes für intelligente Workstations bei Anwendern, die ein System /370 als Host oder ein System /3X als Abteilungsrechner betreiben. Denn das PS/2 ist eine erste
Implementierung der System-Anwendungs-Architektur (SAA), die von IBM nur
wenige Wochen vor der PS/2-Vorstellung angekündigt wurde und in der die Lang
friststrategie von IBM zum Ausdruck kommt: Die System-Anwendungs-Architektur
bildet das Rahmenwerk, das die Entwicklung und Implementierung von einheitlichen
Anwendungsprogrammen auf den verbreitetsten Hardware-Systemumgebungen
System /370, System /3X und Personal Computer ermöglicht94.
Das eigentliche strategische Produkt der PS/2-Neu ankündigungen ist daher die
Extended Version des Betriebssystems/2, die Großkunden benötigen, um ihre PS/2-
Geräte mit den Systemen /370 bzw. /3X zu verbinden. Und entgegen der Standard
version des BS/2, die auch von Microsoft als OS/2 vertrieben wird, ist die erweiterte
Version eine Eigenentwicklung von IBM, die kompatiblen Wettbewerbern nicht zugänglich gemacht wird95.
Als Konsequenz der Auslegung des Extended BS/2 als ein herstellereigenes
Betriebssystem sieht Lamond folgende Probleme auf die Hersteller kompatibler
Systeme zukommen96: Die Extended Version des BS/2 wird für die Konkurrenten
(wie auch für die Kunden) erst im Laufe des Jahres 1988 zu erwerben sein. Ab die
sem Zeitpunkt müssen sie mit dem "reverse-engineering" der Erweiterungen begin-
93 Vgl. Allen Krowe, Senior Vice President von IBM, zitiert nach IM 21 (1987) 5, S. 58.
94 Vgl. IBM input 41 vom 28.03.1987, S. 1.
95 Das Extended BS/2 von IBM unterscheidet sich von der Standardversion des BS/2 bzw. OS/2, die den Betriebssystem-Kern und den sog. Präsentations-Manager (graphische Benutzeroberfläche) umfaßt, durch den Kommunikations- und den Datenbank-Manager, die in der Basisversion nicht enthalten sind.
96 Vgl. ZU den folgenden Ausführungen Lamond (Clones), S. 44/16.
335
nen. Und je mehr Zeit dies in Anspruch nimmt, desto mehr Kunden gehen an IBM
verloren. Wenn es schließlich gelungen sein sollte, entsprechende Kommunikations
und Datenbank-Manager zu entwickeln, ist dennoch nicht sichergestellt, daß diese
mit der Kommunikationssoftware der Systeme /370 und /3X genauso harmonieren
wie ein IBM PS/2 unter dem Extended BS/297• Und zudem können dann von IBM
auch Vorkehrungen auf der Seite der größeren Systeme getroffen worden sein, die
die Identität des angeschlossenen PCs bzw. PS/2 abfragen und den Rechnerverbund
unterbrechen, falls es sich um ein fremdes Gerät handelt.
Sollte dieses Szenario von Lamond zutreffen, so bedeutet die "proprietary Extended Version" eine Zutrittsbarriere für neue und bestehende Wettbewerber zum Groß
kundensegment der IBM-Mainframe-Anwender. Dies könnte nach Ansicht einiger
Branchenbeobachter und befragter Firmenvertreter zur Teilung des Marktes in einen offenen Standard Version-Bereich und in einen geschlossenen, von IBM kontrollier
ten Extended Version-Bereich führen98• Ob dies tatsächlich der Fall sein wird, hängt
vom Erfolg der Bestrebungen von Unternehmen wie DCA, Microsoft und Compaq
ab, die - wie auf einer Konferenz von SW-Entwicklern in New York angekündigt -
gemeinsam eine Alternative zur BS/2 Extended Version von IBM anbieten wollen99.
Die Produkttechnologie des Stand-alone·PS/2 wird von IBM indes nicht stärker kon
trolliert, als dies bei der PC-DOS-Generation der Fall ist. Im Gegenteil, die Anwen
dungsschnittstelle des OS/2 wird die Erreichung der Kompatibilität sogar begün
stigen, da sie Applikationen unabhängig von der jeweiligen Hardware und auch ohne
das A-BIOS von IBM auf verschiedenen Computern lauffähig macht. Und was die
vermeintlich schwer nachbaubaren Customized Chips von IBM anbetrifft, so arbeiten
bereits vier Halbleiterhersteller an der Entwicklung eines IBM-kompatiblen /2-Chip-
97 Hiervon geht Lamond (Clones, S.44/16) aufgrund von Unverträglichkeiten auch bei der jetzigen PC-Generation aus: "Some of this communications incompatibility has already appeared on the PC range, with users fmding that IBM 3274, 3278 or 5251 SDLC terminal emulator cards will not run properlyon otherwise compatibel pes. Equivalent emulator cards manufactured by AST or Digital Communications Associates, for example, run without trouble on all PCs with an IBM PC Bus, but cannot always execute IBM LU 6.2 protocol-based APPC links with System/3X and 370 hosts."
98 Diese Entwicklung hält z.B. ein Analyst des Marktforschungsuntemehmens Gartner Group für wahrscheinlich. Vgl. Business Week No. 3005 vom 29.06.1987, S. 74.
99 Vgl. CW 14 (1987) 29, S. 2. So zeigte sich Rod Canion, President und Chief Executive Officer der Compaq Computer Corp., optimistisch, daß unabhängige SW-Häuser die erweiterte Version von IBM noch übertreffen werden: "Tatsächlich werden diese (gemeint sind die Datenbank- und Datenübertragungsfunktionen der Extended Version) und darüber hinausgehende Funktionen über andere Soft- und Harware-Firmen erhältich sein". Canion, zitiert nach HB vom 21.07.1987, S. 12.
336
Sets, das Anfang 1988 fertiggestellt sein soll und auch den Mikro-Kanal von IBM beinhalten solll(lO/101.
Die vorstehenden Ausführungen machen deutlich, daß sich weder zentrale Bestand
teile der Produkttechnologie der PC-Generation noch der PS/2-Generation im
exklusiven Besitz von IBM befinden - abgesehen von der noch nicht abschließend
beurteilbaren BS/2-Extended Version -, so daß PC- bzw. PS/2-Newcomern hieraus
kein unmittelbarer Nachteil erwächst. Allerdings könnte IBM bis zur Markteinfüh
rung kompatibler Konkurrenzprodukte, die allgemein für das erste Quartal 1988
erwartet werden, Kostenerfahrung auf einer neuen Erfahrungskurve sammeln, die
von den Followern nicht mehr einholbar sein könnte. Dies hängt jedoch von der
Resonanz der neuen Gerätefamilie bei den Kunden ab. Trotz beachtlicher
Anfangserfolge von IBM102 haben - laut IDC - 52 % der kommerziellen Abnehmer
bekundet, wegen der PS/2-Ankündigung größere Investitionsentscheidungen für
sechs Monate zurückzustellen103. Diese Kaufzurückhaltung könnte den Erfahrungs
vorteil von IBM begrenzen. Und da die neue Erfahrungskurve nur bzw. vorwiegend
100
101
102
103
Vgl. CW 14 (1987) 29, S. 18 und CW 14 (1987) 23, S. 6. Der Nachbau des Mikro·Kanals ist jedoch weniger für den Stand-alone-Betrieb als für den IBM-Mainframe-Verbund von Bedeutung. Für den Stand-alone-Betrieb kann auch ein alternativer Mikro-Kanal verwendet werden, der entgegen der Mikro-Kanal-Architektur von IBM auch Erweiterungskarten aufnehmen könnte, die für die PCProduktgeneration konzipiert wurden. Unter der Leitung der Phoerux Technologies Ltd. hat eine Gruppe von PC-Herstellern einen Vorschlag für einen solchen Mikro-Kanal erarbeitet, der von einem Komitee des Institute of Electrical & Electronics Engineers als Standard anerkannt werden soll. Vgl. Business Week No. 3005 vom 29.06.1987, S.74. Und unter Führung der Compaq Computer Corporation wollen neun PC-Hersteller mit der Extended Industry Standard Architecture (Eisa) einen eigenen 32-Bit-Datenbus als Standard etablieren, der nicht mit dem PS/2-MikroKanal übereinstimmt, sondern eine technische Weiterentwicklung des 16-Bit-Bussystems der ATGeneration darstellt. Dies hat den Vorteil, daß - entgegen dem Mikro-Kanal der IBM - auch die bisherigen Steckkarten weiter verwendet werden können. Allerdings sollen entsprechende Produkte frühestens 1989 verfügbar sein. Nach Aussagen des Eisa-Verbandes wollen sich 30 Hersteller kompatibler Mikrocomputer dieser Gruppe anschließen. Vgl. FAZ vom 19.09.1988, S. 17, sowie CW 15 (1988) 38, S. 1 f., und CW 15 (1988) 40, S. 1 f.
Aktualisierungsnachtrag: Bereits im Herbst 1987 verkündete die Western Digital Corp., daß es ihr gelungen sei, den Mikro-Kanal nachzubauen. Ein /2-Chip-Satz wurde im Frühjahr 1988 von der Firma Chips & Technologies vorgestellt [vgl. VDI Nachrichten Nr. 43 Vom 23.10.1987, S.24, und DMR 1988/3, S. 8]. Damit ist das technologische Problem gelöst. Nach der Warnunng IBMs, man werde eine Verletzung der Mikro-Kanal-Patente nicht hinnehmen, zögern potentielle PS/2-Clones indes (noch) mit dem Nachbau der neuen Modellreihe. Denn die zentrale Frage für die PS/2-Nachahmer hat sich geändert, von "Who will be the first?" zu "Who will be the fist in court?". Vgl. Frands (PS/2), S. 34. Zur diesbezüglichen Abschreckungspolitik IBMs vgl. unten, S. 358 f.
Im April 1987, also im Monat der Markteinführung, machten PS/2-Systeme - nach Angaben des Marktforschungsinstituts InfoCorp. - in den USA bereits 15 % aller über indirekte Kanäle abgesetzten Personal Computer aus. Zwei Drittel hiervon entfielen jedoch auf das Modell 30, das nicht über die neue Mikro-Kanal-Architektur und das BS/2 verfügt.
Vgl. Davis & Lewis (Afraid), S. 69. Allerdings ist IBM offenbar bestrebt, die Nachfrage nach PS/2-Systemen zu beleben, indem für die PC-Modelle XT und AT keine Bestellungen mehr entgegengenommen werden. Vgl. CW 14 (1987) 26, S. 20.
337
die Aktivitäten Eingangslogistik und Produktion betrifft, bleiben zwei Drittel der
Wertschöpfungskosten davon unberührt. Dennoch werden für mM Kostenvorteile zu
erwarten sein, die aus einem Erfahrungsvorsprung resultieren.
6.2.2.3. Zugang zu Hardwarekomponenten
Trotz der Tatsache, daß die Produkttechnologie als allgemein verfügbar gelten kann -
nicht zuletzt dank der zahlreichen Zulieferanten für die Komponenten eines
Industriestandard-PCs -, können etablierte Wettbewerber in Knappheitssituationen gegenüber Newcomern beim Zugang zu elektronischen Bauteilen im Vorteil sein.
Eine solche Teileknappheit lag 1984 beim Intel-Prozessor 80186 vor, der von vielen
PC-Herstellern für eine technologische Differenzierung gegenüber mM begehrt war,
deren PC- und XT-Modelle noch auf dem weniger leistungsfähigen 8088-Prozessor
basierten104•
Wegen Problemen beim Fertigungsanlauf und wegen logischer Fehler, die in den
ersten beiden Versionen des 80186 enthalten waren, konnte Intel 1984 nicht mehr als
eine Million Chips bereitstellenlOS. Diesem Angebot stand jedoch eine geschätzte
Nachfrage von 3 bis 4 Mio. Stück gegenüber. Die Bestellungen der PC-Hersteller
konnten daher nicht in vollem Umfang bedient werden. Bei der Zuteilung wurden kleinere Abnehmer gegenüber großen und langjährigen Kunden benachteiligt. In
dieser nachrangigen Bedienung kleiner und neuer Abnehmer ist eine absolute Ein
trittsbarriere für Newcomer zum PC-Markt zu sehen: Neue Wettbewerber mußten
entweder ihre Geräte umkonstruieren, d.h. Performance-Einbußen mit langsameren
Prozessoren in Kauf nehmen106, oder sich auf dem Schwarzmarkt nachversorgen, auf
dem die Preise bis 250 $ gestiegen waren, gegenüber dem Intel-Preis von 93 $.
Neben den unmittelbar Betroffenen, d.h. den PC-Herstellern selbst, wirkte sich die
80186-Knappheit indirekt auch auf diejenigen PC-Anbieter aus, die ihre Geräte nicht
selbst produzierten. Denn auch die OEM-Hersteller konnten nicht voll beliefert wer
den. Aus diesem Grund nahm z.B. Convergent Technologies für das erste Halbjahr
1984 keine Aufträge für das N-Gen-Modell mehr an, das auf dem 80186 basierte. Zu
104 Vgl. zur nachfolgenden Situationsbeschreibung Bruno (Chips), S. 47 f.
105 Auch Advanced Micro Devices, Second Souece für den Intel 80186, war zu diesem Zeitpunkt nicht lieferfähig.
106 Die Kunden wurden z.T. nur mit der 6 MHz·Version des 80186 beliefert, staU mit der Icistung.~. fähigeren 8 MHz-Version.
338
den indirekt betroffenen OEM-Kunden von Convergent Technolgies zählte z.B. die
Firma Burroughs, die die Markteinführung ihrer B 25-Produktlinie verschieben
mußte.
Abgesehen von dieser temporären Teileknappheit gilt die Versorgungslage der PC
Hersteller im allgemeinen jedoch als gesichert.
6.2.2.4. Verfiigbarkeit von Komplementärprodukten
Als wesentliche Erfolgsvoraussetzung für den Absatz von Personal Computern gilt
die Verfügbarkeit eines breiten Angebots an Komplementärprodukten, namentlich
an Anwendungssoftware und Erweiterungskarten. Für Newcomer, die sich am Indu
striestandard orientieren, entsteht in diesem Zusammenhang kein absoluter Nachteil,
da sie sich mittels voll kompatibler Produkte das gesamte Marktangebot der unab
hängigen Add-On- und Softwareindustrie erschließen können.
Ein anderes Bild ergibt sich für nur teilweise kompatible Neuanbieter und für voll
ständig inkompatible Newcomer mit einem eigenen Betriebssystem und/oder einem
eigenen Bussystem.
Denn grundsätzlich schafft nicht allein die Hardware einen Wert für den Anwender,
sondern nur eine Komplettlösung für dessen spezielles Problem. Daher wird ein
potentieller Kunde auf der einen Seite nur darin ein vom Industriestandard deutlich
abweichendes, technisch überlegenes Gerät erwerben, wenn dafür auch eine Appli
kation existiert, die dem von ihm gewünschten Einsatzzweck entspricht. Neben der
augenblicklichen Aufgabenstellung wird er seine Hardwareinvestitionen auch für
zukünftige Anwendungsgebiete geschützt sehen wollen und daher auch die Breite des
gegenwärtig verfügbaren Softwareangebots und die zukünftig zu erwartende Unterstützung durch SW-Häuser in seine Entscheidung einbeziehen. Mit anderen Worten,
ein kommerzieller Kunde wird nur dann ein (nichtstandardkompatibles) Produkt
erwerben, wenn er gegenwärtig und zukünftig ein umfangreiches Softwareangebot
gewährleistet sieht. Auf der anderen Seite investieren unabhängige Softwarehäuser
nur in solche Produkte, von denen sie sich ein bestimmtes Marktpotential verspre
chen, so daß eine (simultane) Interdependenz der Entscheidungen von SW-Entwick
lern und Endkunden gegeben ist.
Primäre Aufgabe von Anbietern nichtstandardkompatibler Geräte ist es daher, die
SW-Entwickler vom Markterfolg ihrer Produkte zu überzeugen. Andernfalls ergibt
339
sich eine signifikante absolute Eintrittsbarriere für einen inkompatiblen Newcomer.
Denn die Eintrittsbarrieren in die Softwareindustrie selbst nehmen ein erhebliches
Ausmaß an, außerdem kann die erforderliche Vielfalt an Komplementärprodukten
ohnehin nicht von einem PC-Anbieter allein bewältigt werden107.
Eine zu geringe Software ausstattung war z.B. eine der Ursachen dafür, daß Apple mit der Lisa der Eintritt in das Office-Segment nicht gelang108. Die mangelnde Unter
stützung dieses Produktes durch die SW-Entwickler kann auf zwei mögliche Erklä
rungsfaktoren zurückgeführt werden:
(1) Die SW-Häuser waren nicht von der Produkt- und Marketingkonzeption der
Lisa überzeugt und beurteilten sie nicht als einen aussichtsreichen Kandidaten,
für den es sich lohnt, Software zu entwickeln.
(2) Hierzu kann insbesondere die Entscheidung von Apple beigetragen haben, die
Lisa im Bundling mit sechs eigenentwickelten Applikationen anzubieten, was die
Attraktivität dieses Gerätes für die SW-Entwickler verminderte und zugleich die
Kunden nicht zufriedenstellte109•
Auch Commodore führte 1986 mit dem Amiga ein Produkt ein, das - wie die Lisa und
der Macintosh von Apple - nicht unter dem Standardbetriebssystem läuft und anstelle
eines Industriestandard-Prozessors von Intel mit einem Motorola 68000 bestückt ist.
Dieses ursprüngliche Amiga-Modell (heutige Bezeichnung: Amiga 1000) ist demnach
weder steckkartenkompatibel noch MS-DOS-verträglichllO.
107
108
109
Die Zutrittsbarrieren zur Softwareindustrie resultieren insbesondere aus den sehr hohen Fixkosten (bei gleichzeitig sehr geringen variablen Kosten): Die Gesamtkosten für Entwicklung und Vermarktung eines PC-Standardprogramms werden von Prof. Toong von der Sloan School of Management auf mindestens 5 Mio. $ veranschlagt, wovon allein 4 Mio. $ für Werbung aufzuwenden sind. Noch ungünstiger ist das Verhältnis von Entwicklungs- zu Vermarktungskosten bei weniger komplexen, billigeren Programmen, bei denen die Vertriebskosten das Sechsfache der Entwicklungskosten ausmachen. [Vgl. IM 20 (1986) 6, S. 152 f.] Ein Vertreter der Software Publishing Corp., Mountain View/Calif., bestätigt: "The barriers to entering the software business are marketing, marketing and marketing" [nach Sigel (Software), S. 126]. Er erklärt dies damit, daß innerhalb von sechs Monaten jedes beliebige SW-Produkt von jedermann reproduzierbar ist, so daß: "The way to protect a position in the marketplace ... is to advertise and promote so heavily that the competitor cannot gain a foothold." Ebenda, S. 126. Für einen inkompatiblen Newcomer zum PC-Markt bedeuten die hohen Eintrittsbarrieren der SWIndustrie ein zusätzliches Hemmnis. Denn wenn die Eintrittsbarrieren für das Komplementärprodukt erheblich sind, so erhöht dies nach Porter (Wettbewerbsvorteile, S. 530) auch die Zutritts-barrieren der davon abhängigen Branche.
Die Lisa war weder zu IBM noch zur Apple lI-Linie kompatibel, so daß nicht auf eine bereits bestehende SW-Basis zurückgegriffen werden konnte.
Vgl. Yasaki (Mac), S. 62 f. Beim Nachfolgeprodukt Macintosh verzichtete Apple dann weitestgehend auf das Angebot eigenentwickelter Applikationen.
110 Zu den Hintergründen der Inkompatibilität des Amiga vgl. oben, S. 311, Fußnote 27.
340
Nach Angaben von Commodore verfügte der Amiga 1000, der von seinen amerika
nischen Entwicklern als Homecomputer konzipiert wurde, anfangs nicht über eine
breite Softwarebasis. Auch seien kommerzielle oder semiprofessionelle Anwender
trotz der Amiga-Produktvorteile111 aufgrund ihrer Investitionen in MS-DOSSoftware nicht auf das Commodore-Produkt übergewechselt.
In dieser Situation entschied sich Commodore zu folgenden Schritten: Um für SWEntwickler einen Anreiz zu schaffen, Amiga-Applikationen zu schreiben, führte man
1987 mit dem Modell 500 eine billigere, aber Amiga 1000-kompatible Version ein,
um hohe Absatzzahlen zu erreichen. Damit sollte auch den SW-Entwicklern ein attraktives Absatzpotential eröffnet werden112. Und um eventuell vorhandene SW
Urnstellungskosten (semi-)professioneller Anwender zu vermeiden bzw. um über
haupt Zugang zu kommerziellen SW-Produkten zu finden, suchte Commodore
Anschluß an die MS-DOS-Weltl13. Dies erfolgte zunächst mit einem sog. "Sidecar",
d.h. einer HW-Erweiterung, die den Amiga 1000 zu einem Doppelprozessorsystem
aufrüstet. 1987 wurde dann das Modell 2000 vorgestellt, das eine 8088-Prozessorkarte aufnehmen kann. Auf diese Weise kann ein standardkompatibles Subsystem im
Amiga 2000 implementiert werden. Weitere vier Steckplätze können mit PC
kompatiblen Zusatzkarten bestückt werden114.
Die vorstehenden Beispiele verdeutlichen zum einen die Schlüsselrolle, die Komple
mentärprodukten bei der Einführung neuer, grundsätzlich nicht standardkompatibler
Geräte (wie der Lisa) zukommt. Der Fall Amiga zeigt darüber hinaus die von
Commodore eingeleiteten Maßnahmen auf, um diese Barriere zu überwinden.
In abgemilderter Form sind aber auch neue Anbieter von nur teilweise kompatiblen
Personal Computern von der "Komplementärprodukt-Barriere" betroffen: Gegenüber
den Herstellern "100 %iger Clones" haben sie zunächst die Kosten der Portierung von
Industriestandard-Applikationen auf ihre Systeme zu tragen. In Abhängigkeit vom
111 Diese sind in der für diese Preisklasse überlegenen Grafikfähigkeit zu sehen.
112 VgI. VDI Nachrichten Nr. 9 vom 27.02.1987, S. 52.
113 Commodore legte zur Hannover Messe 1987 zwar bereits einen Katalog mit etwa 500 AmigaProgrammen vor, der jedoch die gebräuchlichsten horizontalen Pakete ebenso wenig beinhaltet wie vertikale Lösungen.
114 VgI. Commodore (Jahrbuch), S. 18 f.
341
Grad der Inkompatibilität kann der Aufwand hierfür - nach Aussagen eines Firmen
vertreters - "bis zu einigen Mannjahren" betragen115.
Außerdem existiert bei bedeutenden SW-Häusern wie Microsoft eine Rangfolge bei
der Belieferung von "Big Names"-Anbietern mit "gelabelter Software", wobei sich die
Priorität nach den jährlich abgenommenen Betriebssysternlizenzen bemißt. Nach
Angaben eines Interviewpartners werden demnach zunächst die Hauptkunden IBM
und Olivetti bedient, gefolgt von Apple und den voll kompatiblen "Big Names", ehe
schließlich für die nur teilweise kompatiblen Hersteller ein "Adaption Kit" bereit
gestellt wird, mittels dessen diese dann das SW-Produkt auf ihre Computer portieren
können. Neben dem Portierungsaufwand selbst hatten die nicht vollständig kompa
tiblen Newcomer (wie z.B. Siemens mit dem PC-D) also eine zweifache Zeitverzöge
rung bis zur Verfügbarkeit der betreffenden Appliktion auf ihrer Hardware in Kauf
zu nehmen. Jedoch unterliegen auch weitgehend kompatible Newcomer einem Time
lag, der aus der begrenzten Entwicklungskapazität der SW-Häuser resultiert:
Zunächst müssen für den Hauptkunden IBM die Fehler aus der Software eliminiert
werden, die von deren Anwendern zurückgemeldet werden. Erst wenn diese Fehler
beseitigt sind, kann die Zuwendung zum nächsten OEM-Kunden erfolgen116•
Fazit zu den absoluten Eintrittsbarrieren:
Die bedeutendste größenunabhängige Eintrittsbarriere, wenn nicht das größte Ein
trittshemmrus überhaupt117, bildet der Zugang zu qualifizierten Fachhändlern. Indes
entsteht Newcomern im allgemeinen kein nennenswerter Wettbewerbsnachteil aus
der Produkttechnologie des Industriestandards, die - abgesehen vielleicht von der
"proprietary Extended Version" des Betriebssystems/2 - allen Marktteilnehmern
offensteht. Auch die einzelnen Komponenten eines Personal Computers sind de facto
standardisiert und in der Regel über den Zuliefermarkt zu beziehen. Für Newcomer,
115
116
117
Dieser Kostenfaktor wird nicht durch Größenunterschiede verursacht und bedeutet daher einen absoluten Kostennaehteil. Da es sich aber um einen F'txkostenblock handelt, sind im Sinne "unechter sca1e economies" größere Wettbewerber weniger betroffen.
Neben den nieht bzw. nur teilsweise standardkompatiblen Wettbewerbern war jedoch auch IBM von U nverträglichkeiten zum selbstgesetzten Standard betroffen. "After the introduction of the PC in August '81 and tbe PC XT in March '83, IBM came out with several products that had technica1 weaknesses and were not fully compatible with tbe standards tbe company itself bad created. As a result, tbese micros did not attract third-party development and tbey failed to meet end-user needs." Preston (Rebuilding), S. 74. Und weiter: "Tbe advantages tbey provided were not sufficient to compensate for tbe fact tbat tbey could not operate industry-standard software and peripberals because tbey were not fully compatible. This obviously meant that software and peripheral developers would not commit development resources to machines that they did feel would eam broad enough user acceptance." Ebenda, S. 76.
So z.B. aucb Davidson (Apple), S. 208.
342
die sich strikt am Industriestandard orientieren, entstehen weiterhin keine signifi
kanten Nachteile aus der Verfügbarkeit von Komplementärprodukten. Lediglich für
Wettbewerber, die den Stellenwert des De-facto-Standards nicht erkannt haben oder
diesem aus Gründen der technologischen Differenzierung nicht gefolgt sind, ergeben
sich Portierungkosten und auch Opportunitätskosten auf grund entgangener Umsätze,
die von einer späteren Softwareverfügbarkeit herrühren.
6.2.3. Größenabhängige Kostennachteile
Über Betriebsgrößenersparnisse bestehender Wettbewerber, aus denen Newcomern
u.U. ein größenabhängiger Nachteil erwächst, konnten nur wenige (präzise) Informa
tionen erhoben werden118• Diese betreffen vor allem die Skalenerträge in der Ferti
gung und die Einkaufsvorteile.
Im Produktionsbereich setzen sich die Skaleneffekte auch noch in Bereichen von über
200.000 Geräten p.a. fort. Allerdings verläuft die Stückkostenkurve in einer solchen
Größenordnung bereits so flach, daß sich keine sehr deutliche Kostenreduktion bei
weiter zunehmender Betriebsgröße mehr einstellt. Außerdem übersteigt eine solche
Ausbringungsmenge das Absatzvolumen einzelner europäischer Landesmärkte, so
daß Größenersparnisse in der Produktion von "diseconornies" im Transport und
durch die Verzollung teilweise wieder aufgezehrt werden119• Gegen einen erheb
lichen Größenvorteil etablierter Anbieter in der Produktion spricht auch die Tat
sache, daß - bei einer ohnehin eher flach verlaufenden Kostendegression - der
Montageanteil nur ca. 30 % der Herstellkosten ausmacht und durchschnittlich 70 %
auf zugekaufte Teile entfallen.
Ein größeres Potential für die Verbesserung der Kostenposition auf der Hardware
seite birgt daher die Beschaffung von Fremdbezugsteilen in großen Mengen. Hier
stellen sich jeweils bei einer Verdoppelung der Bestellmenge Einkaufsvorteile von 10
bis 15 Prozentpunkten ein, wobei die erste Rabattschwelle bei 20.000 bis 25.000 Ein
heiten liegt. Insofern beziffert z.B. Commodore seinen Kostenvorteil im Teilezukauf
118 Dies mag darin begründet sein, daß es sich bei den meisten bedeutenden PC-Anbietern um Vertriebsgesellschaften ausländischer Hersteller handelt. Unter den namhaften Anbietern unterhalten nur Siemens, NCR und Commodore eine Fertigung bzw. Montage in Deutschland. Jedoch konnten auch von dieser Seite detailliertere Angaben zu Größenersparnissen nicht zugänglich gemacht werden.
119 Die Fracht- und Zollkosten betragen ca. 10 bis 15 % der Herstellkosten.
343
gegenüber einem kleinen, regional operierenden Nischenanbieter mit etwa 50
Prozent120.
In der Summe belaufen sich die größenabhängigen Kostennachteile einzelner "Big
Names"-Vertreter gegenüber dem Marktführer z.T. auf über 1.000 DM: Für IBM
bezifferte ein Interviewpartner die Kosten eines kompletten PC auf 2.200 DM, bei
einer Stückzahl von 2 Mio. Geräten p.a.; für Olivetti bei 500.000 Geräten auf
3.000 DM und für NCR bei 400.000 Geräten auf 3.300 DM.
120 Die Einkaufspreise richten sich aber nicht nur nach der Abnahmemenge, sondern auch nach der terminlichen Dringlichkeit der Lieferung. So können durch eine exakt terminierte, längerfristige Beschaffungsplanung mitunter größere Vorteile erzielt werden als durch sehr hohe, aber kurzfristig disponierte Mengen. Geht man nun davon aus, daß ein neuer Wettbewerber mangels Erfahrungswerten und mangels Resonanz von der Nachfrageseite seinen Bedarf an Bauteilen oder Baugruppen weniger gut prognostizieren kann als ein langjähriger Anbieter, so ist in den daraus resultierenden Einkaufsnachteilen ein größenunabhängiger, d.h. absoluter Kostennachteil zu sehen. Z.B. prognostizierte Arnstrad, Lieferant des pe 1512 von Schneider, den Anteil der Festplattenpes bei deren Ankündigung im September 1986 mit 10 % des gesamten Auftragseingangs. Tatsächlich entfielen jedoch im Februar 1987 55 % der Nachfrage auf die Festplatten-Version. Kurzfristig konnte Arnstrad keinen fernöstlichen Hersteller finden, der die zusätzlich benötigten Plattenlaufwerke direkt an die koreanische Montagestätte liefern konnte, und war daher gezwungen, die nur vormontierten pes zur Komplettierung in die englische Niederlassung zu verschiffen. Vgl. CW 14 (1987) 6, S. 22.
344
6.3. Reaktionsbedingte Eintrittsbarrieren: Die Gefahr der Vergeltung durch bestehende Wettbewerber
Die Aussicht auf Gewinnerzielung in einem neuen Markt bemißt sich zunächst nach
der Höhe der strukturbedingten Wettbewerbsnachteile, die ein Newcomer gegenüber
einem etablierten Wettbewerber ggf. aufweist. Je nach dem herrschenden Preis
niveau kann ein Markteintritt unter den gegebenen Bedingungen unattraktiv oder aber
lukrativ erscheinen.
Jedoch muß der Status quo der Marktzutrittsbedingungen nicht notwendigerweise
mit der zukünftigen (Rentabilitäts-)Situation übereinstimmen. Denn etablierten
Wettbewerbern steht die Möglichkeit offen, mittels Vergeltungsmaßnahmen die post
entry-Bedingungen neu zu gestalten. Und da nach der Umitpreis-Theorie nicht die
pre-entry-Bedingungen einer Branche für die Markteintrittsentscheidung maßgeblich
sind, sondern die Bedingungen, die nach einem Eintritt vorherrschen werden, können
bestehende Wettbewerber das Markteintrittskalkül potentieller Newcomer mittels
glaubhaft angedrohter Vergeltungsmaßnahmen beeinflussen.
Die Perzeption der Gefahr, die von derartigen drohenden Reaktionen ausgeht, rich
tet sich einerseits nach der Vergeltungswahrscheinlichkeit in der Wahrnehmung der
Herausforderer, andererseits nach der erwarteten Intensität solcher Gegenmaß
nahmen1. Als Bestimmungsgrößen und Indikatoren für die Vergeltungswahrscheinlichkeit und -intensität nennt Porter folgende Faktoren2:
das Branchenwachstum;
die eingegangenen Verpflichtungen bzw. die Höhe der Austrittsbarrieren; das Vorhandensein von geeigneten Mitteln für Abwehrmaßnahmen und
die Intensität früherer Vergeltungsmaßnahmen.
6.3.1. Das Branchenwachstum als Bestimmungsgröße der Vergeltungsgefahr
Die Wahrscheinlichkeit einer harten Reaktion durch etablierte Anbieter sinkt im all
gemeinen mit zunehmender Marktwachstumsrate. Denn das Marktvolumen ist dann
weniger beschränkt als im Falle einer stagnierenden Nachfrage, in dem Newcomer zu
Lasten des Umsatzes oder der Ertragslage bestehender Wettbewerber einen Teil des
1
2 Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 618.
Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 37 f.
345
Marktes beanspruchen3. In schnell wachsenden Branchen hingegen verlieren
etablierte Anbieter zwar Marktanteile an neu eingetretene Wettbewerber, sie können
aber dennoch einen absoluten Umsatz- oder Absatzzuwachs aufzuweisen haben, auch
wenn sie langsamer wachsen als der Markt4.
Im Jahr 1983, also zum Zeitpunkt des Markteintritts der wichtigsten "Big Names"
Vertreter, wurde von der Marktforschungsgesellschaft IDC folgende Entwicklung der
Personal Computer-Umsätze für die Bundesrepublik Deutschland prognostiziert: 1987
sollte sich der Umsatz der vier IDC-Segmente auf durchschnittlich 248 % des Jahres
umsatzes von 1982 belaufen. Das größte absolute und relative Umsatzvolumen wurde
dabei für das kommerzielle Segment mit 275 % vorhergesagt, gefolgt vom technisch
wissenschaftlichen Segment mit 202 %, dem Heim- und Hobby-Bereich mit 188 %
und dem Ausbildungsbereich mit 182 % 5. Der installierte Bestand an professionellen
Mikrocomputern betrug Ende 1982 nach IDC 120.000 Einheiten, wuchs bis zum
Jahresende 1983 um 82.000 Geräte auf 202.000 Stück6 und sollte sich Ende 1984 auf
ca. 300.000 Einheiten belaufen 7. Zu diesem Zeitpunkt ging man von einer jährlichen
Marktwachstumsrate von etwa 30 bis 40 % aus8. Ende 1984 verzeichnete das Markt
forschungsinstitut IDC dann sogar einen installierten Bestand von 455.000 Personal
Computern, die zu knapp 40 % allein in diesem Jahr nachgefragt worden waren9.
Ausgehend von einem Absatzvolumen von 170.000 Einheiten im Jahr 1985 prognostizierten die Marktforschungsunternehmen Roland Berger & Partner sowie Diebold
schließlich ein Abflachen der Wachstumskurve bis 198810• Auch die Firma Apple geht in ihrer Einschätzung der Marktentwicklung bis zum Jahr 1990 davon aus, daß
der Personal Computer-Markt stückzahlmäßig weiterhin um 10 bis 20 % p.a. wachsen
wird und 1990 ein Absatzvolumen von ca. 400.000 Einheiten erreicht haben wird11.
3
4
5
6
7
8
9
Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 38.
Neue Konkurrenten, die Nachfragespitzen abdecken, können im Sinne "guter Wettbewerber" für etablierte Anbieter auch von Vorteil sein. Vgl. hierzu Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 266.
Entnommen aus Bues & Pleil (Mikrocomputer), S. 178. Diese Daten beziehen sich nur auf den Hardwareumsatz, ohne Drucker-, Peripherie- und Dienstleistungsumsätze.
Nach mcw 1984/7, S. 15.
Vgl. Bues & Pleil (Mikrocomputer), S. 180.
Vgl. Bues & Pleil (Mikrocomputer), S. 180.
Nach mcw 1985/9, S. 8.
10 Vgl. dazu im einzelnen die Zusammenstellung von Marktforschungsdaten bei ifw (Zahlen), S. 510.
11 Vgl. VDI Nachrichten Nr. 7 vom 14.02.1986, S.17.
346
Gegenüber anderen Segmenten der Datenverarbeitungsindustrie weist der deutsche
Mikrocomputermarkt damit eine zwar bereits reduzierte, aber auf hohem Niveau
stagnierende Zuwachsrate auf12. Angesichts der vergleichsweise günstigen Prognosen
konnte jeder einzelne Newcomer davon ausgehen, daß der Branchenführer keinen
Anlaß zu harten Vergeltungsmaßnahmen aufgrund eines stagnierenden oder gar
rückläufigen Marktvolumens haben dürfte. Aufgrund der hohen Anzahl der Markt
eintritte mußte jedoch evtl. damit gerechnet werden, daß der Marktführer und andere bedeutende etablierte Wettbewerber sich zur Verteidigung ihrer Position ent
schließen würden, sofern eine Egalisierung der Marktanteile einsetzen sollte. Allerdings wurde trotz der hohen Zahl der Marktteilnehmer für die Mikrocomputer
branche keine polypolistische Struktur prognostiziert. So ging z.B. Diebold in einem
"Markt-Szenario 1984" davon aus, daß von den 200 Anbietern in der BRD nur etwa
50 Unternehmen überhaupt eine Marktbedeutung erlangen und nur 10 Firmen einen
Marktanteil von mehr als 5 bis 10 % erreichen werden13.
In Erwartung einer hohen Absatzkonzentration auf die zehn führenden Wettbewer
ber und dank eines stetig zunehmenden Marktvolumens war die Gefahr einer harten
Vergeltung also eher als gering einzuschätzen14•
6.3.2. Die Höhe der Austrittsbarrieren als Vergeltungsdeterminante
Eine Vergeltung bestehender Wettbewerber als Reaktion auf den Markteintritt eines Newcomers wird - ceteris paribus - eher zu erwarten sein und umso härter ausfallen,
je höher die Austritts- bzw. Schrumpfungsbarrieren sind: Alle Faktoren, die den Rückzug eines etablierten Unternehmens aus einer Branche behindern oder auch nur
12 Nach Pleil (Handbuch, S. 44) schätzten kompetente Marktbeobachter die durchschnittlichen Steigerungsraten der einzelnen Computerklassen wie folgt ein: Die Wachstumsrate des Marktes für professionelle Mikrocomputer sollte sich von 30 % im Jahr 1985 auf 20 % im Jahr 1987 verringern, das Homecomputersegment sollte eine konstante Steigerungsrate von 20 % aufweisen. Demgegenüber sollte sich der Minicomputermarkt nach einem 15 %igen Wachstum im Jahr 1985 in den beiden darauffolgenden Jahren nur noch um 10 % p.a. ausweiten. Und für das Großcomputersegment wurde eine bei 5 % stagnierende Wachstumsrate prognostiziert.
13 Vgl. B-W 1984/3, S. 42, oder VuB 1984/2, S. 12.
14 Auch international waren die Wachstumsaussichten sehr günstig. Lediglich 1984/85, als der USMarkt stagnierte, bestand die Gefahr, daß sich die amerikanischen Anbieter verstärkt den europäischen Märkten zuwenden könnten, auf denen sie aber bereits ohnehin einen Anteil von ca. 70 % hielten (vgl. mcw 1985/10, S. 8). Und da für Europa von Intelligent Electronics im Jahr 1985 eine Nachfragesteigerung von 50 % prognostiziert wurde (vgl. ebenda, S.8), bedeutete ein möglicherweise verstärktes Engagement der US-Anbieter für eventuelle europäische Newcomer keine übermäßige Bedrohung.
347
die Reduzierung seiner Position innerhalb der Branche hemmen, bedeuten für einen
Newcomer eine ernsthafte Vergeltungsgefahr15.
Als Schrumpfungsbarriere können in der Mikrocomputerbranche die hohen Fixkosten
für Marketing- und Vertriebsaktivitäten angesehen werden. Diese Fixkosten wirken
einer Volumenreduzierung bei bestehenden Wettbewerbern entgegen, da dies mit einer größenbedingten Verschlechterung der Kostenposition verbunden wäre. Inso
fern können Newcomer keinen Volumenverzicht seitens der etablierten Anbieter erwarten, was jedoch wegen des ausreichenden Branchenwachsturns kein Problem
bedeutet. In der Wahrnehmung neuer Wettbewerber hatten und haben Schrumpfungsbarrieren daher keine praktische Bedeutung als Ursache für Vergeltungs
maßnahmen.
Gleichfalls ist die Wahrscheinlichkeit gering, daß bereits bestehende Wettbewerber
durch den Markteintritt von Newcomern aus dem (wachsenden) Markt verdrängt
werden und sich daher zu Vergeltungsaktionen gezwungen sehen. Sollten die Bran
chenverhältnisse für einen bestehenden Anbieter dennoch so unattraktiv werden, daß
er den Rückzug aus diesem Geschäft vorzieht, so stehen dem meist keine prohibitiv
hohen Austrittsbarrieren entgegen.
Denn abgesehen von mM, Siemens und Olivetti sind die meisten "Big Names"Firmen keine so unumstößliche Verpflichtung eingegangen, daß ein Verlassen des
Mikrocomputermarktes unmöglich wäre. Allerdings kommt dem Personal Computer
als Einstiegsprodukt in die Bürokommunikation eine strategische Bedeutung zu. Die
für diesen "Zukunftsmarkt" erforderliche Präsenz auf Arbeitsplatzebene kann einen
"Big Names"-Anbieter dazu veranlassen, Rentabilität zu opfern und auch unter
ungünstigen Bedingungen seine Position zu verteidigen. Ähnliche strategische Wech
selbeziehungen ergeben sich für Wettbewerber wie NCR, deren unternehmensweite Gesamtstrategie (corporate strategy) auf die dezentrale Rechnerwelt um den Host ausgerichtet ist und deren Produkt-Markt-Konzept daher durch Mikrocomputer elementar tangiert ist. Ein Ausscheiden aus dem PC-Markt wird deshalb von NCR als
problematisch erachtet. In einer vergleichbaren Situation vollzog jedoch der Minicomputerhersteller DEC den Austritt aus dem Stand-alone- bzw. Massenmarkt.
Erleichtert werden derartige Schritte durch die Möglichkeit des Rückzuges in
Spezialmärkte oder Nischen, z.B. - wie im Falle DEC - in das Workstation-Segment
oder - wie von Xerox durchgeführt - in den Desktop-Publishing-BereichI6• Auch
15 Vgl. hierzu Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 38 und S. 45 f., sowie (Wettbewerbsvorteile), S. 620.
16 Vgl. CW 14 (1987) 13, S. 88.
348
gaben IBM und Texas Instruments ihr Engagement im Homecomputersegment wie
der auf, wobei allerdings kein Imageverlust bei kommerziellen Anwendern drohte,
der die Austrittsentscheidung hätte erschweren können.
Strategische Wechselbeziehungen oder Verflechtungen liegen teilweise auch bei den "Brand Identification-Clones" vor: Bei Commodore oder Tandon ist die PC-Sparte
Teil einer horizontalen bzw. vertikalen Geschäftskette, so daß der Bestand des Gesamtunternehmens hier möglicherweise auch vom PC-Geschäft abhängt, das aus
diesem Grund ggf. nicht aufgegeben werden kann.
Schließlich können emotionale Austrittsbarrieren bei Pionierfirmen wie Apple, Victor,
Commodore und auch Osborne ökonomisch gerechtfertigte Austrittsentscheidungen
blockieren17• Zur Verbundenheit dieser Pionieranbieter mit der Mikrocomputer
branche kommt die Tatsache hinzu, daß es sich meist um Einprodukt- bzw. Einspar
tenunternehmen handelt. Wegen deren geringem Diversifikationsgrad besteht kaum
eine Rückzugsmöglichkeit in verwandte Bereiche.
Spezialisierte Aktiva liegen wegen der branchentypisch geringen vertikalen Integration
und aufgrund der extensiven Zusammenarbeit mit indirekten Vertriebskanälen und
Zulieferern nur in eher unbedeutendem Umfang vor: Die überwiegend anzutreffende
Beschränkung auf die Endrnontage wurde von den betreffenden Wettbewerbern u.a.
gerade aus Gründen der Erhaltung ihrer Flexibilität gewählt.
Unter Berücksichtigung des erwarteten nachhaltigen Branchenwachstums geht bzw.
ging von den Austritts- und Schrumpfungsbarrieren - trotz einiger derartiger
Hemmnisse - insgesamt keine Vergeltungsgefahr bedrohlichen Ausmaßes für
Newcomer aus.
6.3.3. Die Fähigkeit des Branchenführers zu einer elTektiven Vergeltung
Während sich die vorstehend analysierten Schrumpfungsbarrieren und die Marktwachstumsrate nur auf die Notwendigkeit beziehen, mit der etablierte Wettbewerber
ggf. zu Abwehrmaßnahmen greifen müssen, hängt die (perzipierte) Vergeltungs
gefahr aber auch von den vorhandenen Mitteln und Möglichkeiten für effektive Gegenmaßnahmen ab.
17 Statt des Marktaustritts hat sich eine Reihe von Branchenpionieren in der Vergangenheit unter den Schutz von Chapter 11 begeben und Sanierungsmaßnahmen eingeleitet.
349
Die Fähigkeit eines etablierten Unternehmens zur wirksamen Vergeltung kann
abgelesen werden an Faktoren wie überschüssiger Liquidität, präventiv aufgebauten
unausgelasteten Produktionskapazitäten, an einer starken Position gegenüber Vertriebskanälen und Kunden, an umfangreichen FuE-Kapazitäten, am Vorhandensein
von Kampfmarken und an einer schwächeren MarktsteIlung in anderen, gemein
samen Bereichen, die für eine Querparade genutzt werden könnten18• Schließlich
kann die Fähigkeit zur Vergeltung demonstriert werden durch neue Modelle oder
Produktgenerationen, die in Reserve gehalten werden, über deren Existenz man aber Informationen durchsickern läßt19•
Bei der Analyse der Frage, ob etablierten Wettbewerbern - in der Wahrnehmung
neuer Anbieter - geeignete Maßnahmen zur Abwehr und Abschreckung von New
comern zur Verfügung stehen bzw. standen, konzentrieren wir uns auf den Branchenführer IBM20• Denn von den befragten Firmenvertretern wurde übereinstimmend
angegeben, daß man sich beim Markteintritt an IBM orientiert hat. Auch wenn dies
nicht bedeutet, daß IBM der Hauptwettbewerber für alle Unternehmen bzw. New
comer ist21, sah man in IBM offenbar einen dominanten gemeinsamen Konkurrenten, durch dessen zukünftige Aktionen der Erfolg des eigenen Markteintritts am ehesten
beeinträchtigt werden könnte.
18 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 38 und S. 144.
19 Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 620.
20 Vor IBM hatte Apple die Position des Branchenführers inne. In den Augen von McClellan (Shakeout, S. 217 f.) unternahm Apple wenig, um der Bedrohung durch IBM wirksam entgegenzutreten. Er führt dies darauf zurück, daß Apple in IBM möglicherweise einen zweiten "Fall Xerox" sah, der mit einem Fehlschlag endete (vgl. ebenda, S. 107 ff.). Als wahrscheinlichere Erklärung für dte nur schwach ausgeprägte Reaktion vermutet er, daß Apple vom eigenen Erfolg geblendet war. Bei derartigen Deutungsversuchen wäre jedoch zunächst zu klären, ob für Apple überhaupt eine unabdingbare Notwendigkeit vorlag, härtere Maßnahmen zu ergreifen, und wenn ja, ob dafür auch wirksame Möglichkeiten bestanden und ob außerdem die erforderlichen Mittel für die Abwehr eines so übermächtigen Herausforderers gegeben waren. Im Hinblick auf die Notwendigkeit von Vergeltungsmaßnahmen betont Porter (Wettbewerbsvorteile, S.272), daß von IBM ein wichtiger Beitrag zur Branchenentwicklung zu erwarten war. [In dieser Eigenschaft wird IBM auch als "Branchenkatalysator" bezeichnet. Siehe Datamation 32 (1986) 20, S. 46.] Denn mit ihrem Markteintritt konnte IBM Mikrocomputern zur Glaubwürdigkeit bei kommerziellen Abnehmern verhelfen, die sich bis dahin noch stärker an der Großrechner-Welt orientierten. Dies wurde offenbar auch von Apple so gesehen, wie die Anzeigenkampagne "Welcorne, IBM. Seriously!" zeigt, mit der Apple den Newcomer IBM begrüßte.
21 Schließlich hat kein "Big Names"-Newcomer einen Angriff auf IBM gestartet, mit dem Ziel, die Marktführerschaft zu übernehmen. Insofern ist z.B. der vordringliche Konkurrent von Siemens oder NCR Olivetti, und nicht IBM. Und der Tandon nahestehendste Wettbewerber ist Commodore, was auch in der strategischen Karte der Branche zum Ausdruck kommt: Beide Unternehmen präsentieren sich mit einer vergleichbaren Strategie als Alternativen zu IBM.
350
Trotz der vorhandenen finanziellen Ressourcen und trotz einiger Faktoren, die eine
Möglichkeit für effiziente Vergeltungsmaßnahmen beinhalteten, wurde der Bran
chenführer von den Newcomern als ein "guter Marktführer" wahrgenommen22•
Zu den Faktoren, die einen Ansatzpunkt für Vergeltungsmaßnahmen darstellen
konnten, zählen IBMs starke Position gegenüber den Abnehmern und den indirekten
Vertriebskanälen. Denn auch wenn der Fachhandel bestrebt war, neben IBM noch
alternative Lieferanten zu führen, mußte befürchtet werden, daß IBM ein Netz von
Exklusivhändlern aufbauen könnte oder disziplinierende Maßnahmen gegenüber
solchen IBM-Händlern ergreifen könnte, die auch niedrigpreisige Clone-Produkte in
ihr Programm aufnehmen wollen. Neben nicht auszuschließender Bestrebungen, den
Zugang zum Handel zu erschweren, der ja einen wesentlichen Engpaß in der Mikro
computerbranche bildet, bestand die Gefahr, daß IBM auch die Abnehmer selbst stärker an sich binden könnte: Durch eine Verunsicherung der Kunden können
beispielsweise in deren Wahrnehmung Umstellungskosten erzeugt werden, die einen
Wechsel auf Clone-Produkte verhindern23•
Jedoch gab es keine klaren Anhaltspunkte für derartige Reaktionen durch IBM.
Denn der Fachhandel befürchtete im Gegenteil wiederholt, daß sich IBM ganz aus dem indirekten Vertrieb zurückziehen könnte24, anstatt Händler exklusiv an sich zu
binden. Auch standen IBM zunehmend anspruchsvollere und selbstbewußtere
Anwender mit gestiegenen Kenntnissen gegenüber, die schließlich sogar die Diffe
renzierungsprämie von IBM in Gefahr brachten25•
22 Nach Porter (Wettbewerbsvorteile, S.283) ist die wichtigste einzelne Eigenschaft eines guten Branchenführers aus der Perspektive der Verfolger, "daß der Führer Ziele und eine Strategie verfolgt, die einen Schutzschirm bilden, unter dem die Verfolger mit Gewinn leben können." Gebraucht man den Terminus "guter Branchenführer" in diesem Sinne, so folgt hieraus, daß die Eintrittsbarrieren der betreffenden Branche definitionsgemäß gering sind. Von den befragten Firmen wurde IBM indes im übertragenen Sinne als guter Branchenführer bezeichnet.
23 IBM-Kritiker sprechen in diesemm Zusammenhang von einer "Fear, Uncertainty and Doubt"Politik. Siehe z.B. Gene Amdahl, nach Vollmer (Wunder), S.36. Vgl. auch oben, S. 238 f., Fußnote 157.
24 Z.B. anläßlich der Einführung des PC AT. Vgl. zu den perzipierten möglichen Auswirkungen dieses Produktes auf den Fachhandelsvertrieb Tyler (Change), S. 30 ff.
25 Nach Porter (Wettbewerbsvorteile, S.201) werden gestiegene Ansprüche und Kenntnisse der Abnehmer zur Bedrohung für schwer meßbare Differenzierungsformen, die bislang ohne Widerspruch hingenommen wurden. Hergert (Standards, S.84) analysiert dies für die Mikrocomputerbranche wie folgt: "IBM looks attractive to buyers in early market development because it has the resources and staying power to survive a competitive shakeout, it has a track record of commitments to supporting a standard for long periods of time, and it has an excellent reputation for service .... However, many of these concerns diminish as markets mature .... This means that IBM may face difficulties in the future in maintaining its price premiums, as buyers will increasingly view other suppliers as proven and capable."
351
Zu den weitreichendsten Maßnahmen, die IBM hätte ergreifen können, zählen Preis
reduzierungen oder gar die Schließung des standardkompatiblen Marktsegmentes mit
einem "proprietary product".
Eine Gefahr, von IBM mittels eines "geschützten" Produktes von der zukünftigen
Marktentwicklung abgeschnitten zu werden, sahen die befragten Firmenvertreter für
ihr Unternehmen nicht. Sie hielten dem entgegen, daß sie nicht kompatibel zu IBM
sind, sondern zum Branchenstandard und zu einer Basis von weltweit ca. 6 Mio.
Anwendern, die hohe Investitionen in Hardware und Anwendungssoftware des Indu
striestandards getätigt haben26• In diesem Sinne betonte z.B. Tandon, daß man sich
nicht zur IBM-Kompatibilität bekannte, sondern zur größten vorhandenen Anwen
dergruppe. Aufgrund des Volumens dieses Marktes und der immensen "sunk costs"
der Anwender ging man dort davon aus, daß der Standard MS-DOS trotz der Ankün
digung der neuen IBM-Serie/2 weiter bestehen wird27.
Wegen der Vielzahl involvierter "Stakeholder" waren Branchenbeobachter und
Firmenvertreter außerdem der Meinung, daß IBM auch künftig - wie schon in der
Vergangenheit - nicht in der Lage sein würde, den neu gesetzten Standard (PS/2 bzw.
OS/2) allein zu kontrollieren, sondern daß hierbei eine Reihe von Interessengruppen
mitwirken würde: Die Anwender, die Softwareentwickler und Betriebssystemliefe
ranten, die Prozessorenzulieferer und Hardwarehersteller, aber auch die Konkurren
ten28• Denn all diese Bezugsgruppen - so ein Gesprächspartner - haben sich an die
Vorzüge einer offenen Systemarchitektur und eines offenen Branchenstandards
gewöhnt, zu deren Fortbestand sie erforderlichenfalls eine Koalition bilden würden.
Hätte sich IBM z.B. für ein vollkommenes "proprietary Personal System/2" entschie
den, so hätten die genannten Interessengruppen hierauf u.a. mit einer Allianz für
Unix-Systeme auf 32-Bit-PCs reagieren können29, womit ein offener Industriestan-
26 Diese belaufen sicb nacb Angaben von Rod Canion, Compaq Computer Corp., auf 80 Mrd. Dollar. VgI. Business Week No. 3005 vom 29.06.1987, S. 69.
27 So mußte beispielsweise Microsofts Cbairman Bill Gates [zitiert nach Datamation 33 (1987) 24, S. 36] seine ursprüngliche Einschätzung revidieren: "I originally thought we'd see some slowdown in pc sales when the PS/2 was announced, but it bas not happend to tbe degree I thought it would. The pc market has continued to grow or, if anytbing, grow faster since April 2 than before." Für den (einstweiligen) Fortbestand des alten Industriestandards sprechen aucb die 1DC-Marktforschungsdaten des Jahres 1987: Über 45 Prozent des in der BRD installierten PC-Bestandes arbeiten mit den Prozessoren 8086 und 8088, können also nicht unter OS/2 laufen. Und auch die 42 Prozent Rechner der 286er-K1asse sind aus Performance-Gründen kaum für den Einsatz dieses Betriebssystems geeignet. VgI. CW 15 (1988) 27, S. 56.
28 VgI. z.B. Preston (Rebuilding), S. 75.
29 Oder aucb mit einer Einigung auf Concurrent DOS von Digital Research. Zu einigen früheren Überlegungen zum zukünftigen Betriebssystem vgl. Healey (Viable OS), S. 92 ff.
352
dard auch in dieser Rechnerklasse fortsetzbar gewesen wäre. Wegen der Notwendig
keit, die Softwareinvestitionen der Anwender zu schützen, und wegen der von IBM
selbst erkannten Bedeutung eines offenen Branchenstandards war jedoch nicht von
einer radikalen Schließung des Systems und von einer vollständigen Abkehr von der
MS-DOS-Welt auszugehen. In dieser Hinsicht war IBM also in ihrer Vergeltungs
möglichkeit durch gespaltene Interessenlagen (mixed motives) behindert3O•
Das Bekanntwerden einer von IBM geplanten Nachfolgegeneration31 bot New
comern also keinen Anlaß, von einem Eintritt in die erste Gerätegeneration abzu
sehen, da nicht mit einem abrupten Abbrechen des PC- bzw. MS-DOS-Lebenszyklus
zu rechnen war. Auch trat IBM selbst Gerüchten über einen frühen Einführungszeit
punkt entgegen, z.B. im Juli 1985, als IBM offiziell mitteilte, das informell als PC2
gehandelte System existiere nicht und es werde in diesem Jahr auch kein weiterer,
neuer PC eingeführt32.
Andere, eher für Konsumgütermärkte typische Maßnahmen, wie z.B. Kampfmarken,
hatten die Wettbewerber von IBM in der Vergangenheit nicht zu befürchten. Auch
hinsichtlich aggressiver Preissenkungen - als Reaktion auf Markteintritte kompatibler
Konkurrenten - gingen die Mitbewerber in ihren Annahmen über IBM davon aus,
daß eine Niedrigpreispolitik nicht zu dem von IBM gepflegten Image paßt und der
Reputation des Marktführers schadet.
Als weitere Möglichkeit, gegen neu eingetretene Anbieter von Clone-Produkten vor
zugehen, kam schließlich die Verfolgung von Verstößen gegen das Patent- und
Urheberrecht in Betracht. Dies bedeutete aber nur für diejenigen neuen Wettbewer
ber eine Bedrohung, die das Basic-Input/Output-System von IBM kopierten, anstatt
dessen Funktionen zu emulieren. Im Hinblick auf den geringen Schutz anderer
Bestandteile der Produkttechnologie ging IBM - so die Perzeption befragter Mitbe
werber - wahrscheinlich oder möglicherweise davon aus, daß das geschützte BIDS
nicht so schnell emuliert werden würde. Andere Quellen hingegen sehen in diesem
Schritt eine bewußte Strategie von IBM: "It is generally believed ... that IBMs basic
input/output system (BIOS) was loosely written so that competitive machines would
30 Hergert (Standards, S. 87) hierzu treffend: "Ironically, the same forces that gave IBM the power to create a standard in 1981 will impede the company from changing it."
31 Die Mikrocomputerbranche gilt nach Angaben eines Interviewpartners für solche Informationen als "sehr durchlässig".
32 VgI. Carlyle (PC2), S. 62.
353
be able to use a comparable BIOS without infringing on the computer giant's copyrights."33
Insgesamt standen IBM damit in der Wahrnehmung von Newcomern nur vergleichs
weise milde Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung. Gravierendere Vergeltungsmaß
nahmen mußten aus verschiedenen Gründen nicht befürchtet werden: IBM war nicht
mehr in der Lage, den selbst geschaffenen Standard allein zu kontrollieren. Der
Markt bzw. die Vielzahl der betroffenen Marktteilnehmer favorisierte offene
Systeme. Andere Maßnahmen waren vielfach mit dem Erscheinungsbild von IBM -
zumindest in der Wahrnehmung von Newcomern - unverträglich. Und wegen der
Aufmerksamkeit, die IBM von der amerikanischen Antitrustbehörde sowie der EG
Kommission zuteil wurde, konnten Newcomer damit rechnen, daß IBM eher
gemäßigte Maßnahmen ergreifen wird. Denn ein Unternehmen, das wiederholt in
kartellrechtliche Verfahren und zivilrechtliche Prozesse verwickelt war34, "kann
dadurch tatsächlich an nachhaltiger Vergeltung gehindert werden oder glauben, daran gehindert zu sein.,,35
6.3.4. Frühere Vergeltungsmaßnahmen als Indikator zu envartender Reaktionen
Neben der Notwendigkeit und den Möglichkeiten, Vergeltungsmaßnahmen zu ergrei
fen, richtet sich die von Newcomern perzipierte Vergeltungsgefahr auch nach der
Intensität der Reaktionen auf frühere Markteintritte. Hieran können neue Wettbe
werber die Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit des Branchenführers ablesen, gegen
neueintretende Konkurrenten vorzugehen.
33 McCusker (Bolt), S. 41.
34 Als das Verfahren der EG-Kommission im August 1984 ausgesetzt wurde, hatte IBM erstmals seit über 15 Jahren - nämlich seit dem CDC-Prozeß - keine wichtigen Antitrustklagen mehr gegen sich laufen. Vgl. Sobel (Herausforderung), S. 134 f.
35 Porter (Wettbewerbsvorteile), S.668. Indes fällt die Personal Computer-Linie nicht unter den zwischen IBM und der EG-Kommission vereinbarten Kompromiß, der eine Offenlegung der Schnittstellen innerhalb von vier Monaten nach Ankündigung eines neuen Produktes der Systemfamilie /370 festschreibt. Lediglich den PC XT /370 betrifft diese Verpflichtung, sofern er als Terminal an einem Mainframe betrieben wird. Vgl. hierzu Tate & Verity (Gun), S. 43 f., sowie EGKommission (Aussetzung).
354
Zu den von IBM ergriffenen Maßnahmen, die als Indikatoren der Vergeltungsbereit
schaft und -intensität herangezogen werden konnten, zählen:
die Beteiligung von IBM an Intel; die Produktkonzeption und der Ankündigungszeitpunkt des AT;
die Preispolitik von IBM und die Einführung des XT 286, sowie
Patentverletzungsklagen und andere gerichtliche Auseinandersetzungen.
Mit einer gewissen Besorgnis wurde die im Dezember 1982 erfolgte Verbindung
zwischen IBM und der Intel Corp. betrachtet, da Intel ja nicht nur den Marktführer, sondern auch die kompatiblen Mitbewerber mit Industriestandard-Prozessoren belie
ferte36: Für 250 Mio. $ erwarb IBM 12 % der Intel-Anteile. Ferner wurde IBM eine
Option auf insgesamt 30 Prozent eingeräumt, wobei diese Grenze bis 1990 jedoch
nicht überschritten werden durfte. Über Aktienkäufe hatte IBM ihre Beteiligung an
Intel bis Dezember 1983 auf 16,28 % erhöht37• Branchenbeobachter gingen daher
davon aus, daß IBM Intel 1991 vollständig übernehmen würde38. Inzwischen hat
jedoch Intel einen Teil des Aktienkapitals zurückgekauft. Und nach einer neuer
lichen Veräußerung von Anteilen beläuft sich die IBM-Beteiligung nur noch auf 6,5 %39.
Im Oktober 1986 unterzeichneten IBM und Intel dann einen Vertrag über den Aus
tausch von Halbleiter-Know how und über die gemeinsame Entwicklung von Chips
für künftige IBM-Produkte. Nach Ansicht von Branchenbeobachtern sollte sich diese Kooperation gegen Hersteller von pes auf Basis des Intel-Prozessors 80386 richten,
deren Markteinführung unmittelbar bevorstand, während sich IBM bei dieser Pro
duktgeneration noch zurückhielt4O• Als Ziel dieser Kooperation wurde von Bran
chenkennern eine modifizierte IBM-Variante des Prozessors 80386 vermutet; die so
weit von Intels Originaldesign abweicht, daß die Systeme anderer Hersteller mit der
künftigen IBM-Generation nicht voll kompatibel sein werden41. Ein Sprecher von
36 Zwischen Anfang 1983 und Mitte 1984 entfiel auf Intel ein Anteil von 40 % an den Prozessorenlieferungen. In den darauffolgenden 18 Monaten stieg dieser Anteil auf 46,7 %. Über eigene Pertigungslizenzen für den Intel80SS verfügen nur IBM und Commodore. Vgl. Bruno (Chips), S. 52.
37 Vgl. Datamation 30 (1984) 2, S. 149.
38 Vgl. Sobel (Herausforderung), S. 199. Gegen diese Annahme sprach aber, daß Intel 1982f83 unter starkem Druck japanischer Wettbewerber stand und zur Verteidigung ihrer Position hohe Investitionen zu tätigen hatte. Insofern konnte die IBM-Beteiligung auch als Maßnahme zur (temporären) Stützung eines wichtigen bedrohten Zulieferers interpretiert werden und nicht als eine gegen Konkurrenten auf dem PC-Markt gerichtete Maßnahme.
39 Vgl. HB vom 01.09.1987, S. 15.
40 Diese Maßnahme konnte insofern als Vergeltung gegen den Vorreiter Compaq aufgefaßt werden.
41 Vgl. CW 13 (1986) 41, S. 2.
355
ruM erklärte jedoch hierzu, der Vertrag sei nicht gegen diese Firmen gerichtet. Auch
sei die Zusammenarbeit nicht exklusiv, d.h. ''heide Firmen hätten das Recht, die
Derivate, die der Partner anhand des Know-hows des anderen herstellt, selbst zu verrnarkten.,,42 Ungeachtet der genauen Ziele, die ruM mit dieser Kooperation ver
folgt, sind derartige Marktsignale jedenfalls nicht geeignet, das Image einer hartnäckigen Vergeltungsbereitschaft zu pflegen43.
Auch die Produktgestaltung und Einführung des PC- bzw. XT-Nachfolgers AT war in
den Augen der Mitbewerber kein Schritt, der einen dauerhaften Vorsprung oder gar
eine Vergeltung hätte bedeuten können. Denn obwohl es warnende Stimmen gab,
was die Offenheit des AT unter MS-DOS 3.1 oder TopView anlangt44, glaubten die
Mitbewerber dennoch, den Bemühungen von ruM um eine möglichst hohe Kompati
bilität zu den Vorgängermodellen eine Verpflichtung für offene Systeme entnehmen
zu können. Und auch in der frühen Ankündigung bzw. späten Verfügbarkeit des AT
sahen die Wettbewerber keine Beeinträchtigung. Denn unabhängig davon, ob der AT
nun verfrüht angekündigt wurde oder ob tatsächliche Lieferschwierigkeiten vorlagen,
stellten die Abnehmer - nach Angaben von NCR - ihre Investitionen wegen der doch
eher geringen Anschaffungskosten nicht um 6 bis 9 Monate zurück. Hiervon hätten
dann gerade Mitbewerber mit leistungsfähigeren Produkten profitiert. Außerdem wurde es durch die verzögerte AT-Verfügbarkeit möglich, nahezu zeitgleich mit ruM
in größeren Mengen lieferbereit zu sein.
Für eine gewisse Überraschung sorgte jedoch anfänglich die Preisfestsetzung für den
AT. Branchenbeobachter und ruM-Händler sprachen von einer aggressiven Preisge
staltung: "ruM could have charged $ 1,500 more for the machine and not lost a
sale."45 Dennoch wurde auch dieses Produkt von den "Big Names"-Herstellern
moderat, von den "Brand Identification-Clones" und den "No Name-Clones" deutlich
im Preis unterschritten. Als Antwort auf diese preisgünstigen AT-kompatiblen
Geräte kündigte ruM im September 1986 dann in den USA den XT 286 an46• Gleich
zeitig wurde die Auslieferung der beiden Modelle AT 01 und AT 02 eingestellt.
Preislich wurde der XT 286 etwa 25 % unter dem technisch vergleichbaren Vorgän-
42 Welt vom 08.10.1986, S. 14.
43 Vgl. hierzu Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 634.
44 Siehe Z.B. Datamation 30 (1984) 16, S. 36.
45 Zitat aus Tyler (Change), S. 30.
46 Bereits 1985 analysierten Branchenkenner eine Produktlücke zwischen dem XT und dem AT, die IBM mit einer kleineren und preiswerteren Version hätte schließen müssen: "A transient market window has opened up for a $ 3,000 or $ 4,000 AT-compatible machine, or clone. Ir IBM docsn't fill it first, the competition will." Zitat aus Carlyle (PC2), S. 67.
356
ger AT 02 positioniert. Die Konkurrenz sah hierin einen Schritt, der den preisgün
stigen Verkauf eines AT im Gewand eines XT ermöglichen sollte - also eine Kampf
marke. Mitbewerber wie Tandon reagierten darauf mit einem "Target 286".
Abgesehen vom XT 286, der in der Branche als "das am wenigsten verstandene
Produkt" gilt, divergieren die Einschätzungen darüber, ob auf dem PC-Markt ein
Preiswettbewerb bzw. Preiskampf herrscht, je nach Blickwinkel und Zeitpunkt sehr
stark. So äußerte ein "Big Names"-Firmenvertreter, "auf und nach den Messen kann
man den Eindruck gewinnen, in der Branche werde bis aufs Messer gekämpft.,,47 Ins
besondere Gruppenmitglieder der "Brand Identification-Clones" sind der Meinung,
daß sie einen Preisdruck auf IBM bzw. auf das allgemeine Preisniveau ausüben.
Diese Einschätzung wird von "Big Names"-Vertretern nicht geteilt. Ihrer Ansicht
nach geben unter dem Druck von Billigangeboten der Konkurrenz nur die "Straßen
preise" nach, von denen jedoch nur ein geringer Sog auf die Listenpreise ausgeht.
Insofern bestehe kein Preiswettbewerb zwischen der "Big Names"- und der "Brand
Identification-Clones"-Gruppe. Die Leitfunktion hinsichtlich der Preise komme IBM
zu; und das IBM-Preisniveau sei u.a. Ergebnis des Wettbewerbs zwischen IBM und
insbesondere Olivetti.
Nach dieser Sichtweise reagiert IBM nicht oder nur unwesentlich auf Preisunterbie
tungen durch Newcomer: Vordergründig könnte man zwar geneigt sein, z.B. die
Preissenkung bei PC-Modellen im Frühjahr 1983 als Reaktion auf die Markteintritte
bedeutender "Big Names"-Newcomer zu interpretieren, die vornehmlich im ersten
Quartal dieses Jahres stattfanden. Tatsächlich aber steht sie im Zusammenhang mit
der (weltweiten) Einführung der XT-Linie im März 1983. Diese Erfahrung wieder
holte sich im Juni 1984, als IBM eine 23 %ige Preissenkung vornahm, der im August
desselben Jahres dann die Vorstellung des AT folgte. Mitbewerber wie NCR und
Compaq leiteten hieraus das IBM-Verhaltensmuster ab, daß eine Preissenkung bei
bestehenden Produkten mit dem Aufbau neuer Produkte einhergeht, die das alte
Preisniveau wieder erreichen. Allerdings wurden von IBM 1986 mehrere Preissen
kungen vorgenommen, die nicht von Neuprodukteinführungen begleitet waren. Den
noch mußten auch späte Newcomer - wie Tandon zum Jahresende 1985 - mangels
früherer Beispiele nicht mit harten Vergeltungsmaßnahmen über den Preis
rechnen48•
47 Z.B. soll Schneider - nach einer Meldung des PC-Magazins - aus Verärgerung über einige Mitbewerber seine SO-Version des PC 1512 um 500 DM von 1999 auf 1499 DM reduziert haben: Andere Firmen hätten auf der CeBit 1987 den Markt verunsichert, weil sie PCs zeigten, die billiger als die Schneider-Modelle sein sollen, aber noch nicht einmal produziert würden. Diese Vergeltungsmaß. nahrne bezieht sich vor allem auf die direkten Ko'nkurrenten Atari und Commodore. Vgl. PC Magazin Nr. 17 vorn 15.04.1987, S. 7.
48 Zu einer anderen (unbegründeten) Einschätzung gelangt hier Meffert (Barrieren), S. 629.
357
Die allgemeine Preisentwicklung ist also keine direkte und alleinige Reaktion auf
Newcomer bzw. Clone-Anbieter. Sie ist teilweise konkurrenzinduziert, teilweise
autonom, d.h. sie dient (auch) der Wiederherstellung des Preisgefüges zwischen den
Produktlinien bei einer bevorstehenden oder bereits erfolgten Einführung neuer
Produkte oder Produktversionen bzw. -varianten. So pendelt sich laut Compaq das
Preisniveau neu vorgestellter Produkte wieder auf der ungefähren Höhe des Einfüh
rungspreises der Vorläufermodelle ein und gibt dann im Laufe der Zeit wegen sin
kender Komponentenpreise und wegen Erfahrungs- und Größendegressionseffekten
nach49•
Schließlich konnte die Vergeltungsbereitschaft von IBM an Patentverletzungsklagen
und anderen gerichtlichen Auseinandersetzungen ·abgelesen werden.
Eine erste, aus der Sicht von IBM erfolgreiche Patentklage richtete sich gegen Eagle, einen amerikanischen Hersteller voll kompatibler Personal Computer, dem das
unberechtigte Kopieren des IBM-BIOS angelastet worden war. Inzwischen hat IBM 100 Verstöße gegen das Patent- und Urheberrecht untersucht50. In 24 Fällen - so ein
IBM-Sprecher - ist Anklage gegen die betreffenden, meist fernöstlichen Unterneh
men erhoben worden. IBM behauptet damit nicht, daß alle PC-Clones gegen das
Urheberrecht verstoßen, spricht aber eine Warnung an diejenigen Unternehmen aus, die IBMs Rechte verletzen51. Laut Branchenbeobachtern richtet sich diese Warnung
vor allem an japanische und südkoreanische Clone-Anbieter, die im Gegensatz zu
Eagle eine tatsächliche Herausforderung für IBM bedeuten - und zwar nicht nur im
Personal Computer-Geschäft52. So mußte z.B. die japanische Matsushita Co. umge
rechnet rund 2 Mio. Dollar wegen einer Copyright-Verletzung bei AT-Software an
IBM entrichten. Darüber hinaus mußte Matsushita den Export des AT-kompatiblen
FX 800, in dem unberechtigterweise ein BIOS-Chip verwendet wird, nach Europa
und in die USA einstellen53•
Trotz der klar signalisierten Vergeltungsbereitschaft bei Verletzung des Urheber
rechts hatte diese Maßnahme jedoch keine abschreckende Wirkung für diejenigen
49 Gleichwohl kann dafür argumentiert werden, daß diese Kostensenkungen nicht sukzessive über den Preis an die Kunden weitergegeben werden müssen, wenn preisaggressive (bestehende oder neue) Wettbewerber nicht dazu zwingen. Hiergegen kann jedoch eingewandt werden, daß • wie in der Elektronikindustrie allgemein üblich - Preissenkungen zur Marktausweilllng vorgenommen werden, also auch ohne den Druck bestehender oder neuer Konkurrenten stattfinden.
50 Vgl. online 1987/3, S. 70.
51 Vgl. McCusker (Bolt), S. 41.
52 Insofern könnte der Fall Eagle IBM nur dazu gedient haben, ein Exempel zu statuieren. Vgl. hierzu Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 621. Zur japanischen Herausforderung von IBM vgl. insbesondere Sobel (Herausforderung).
53 Vgl. CW 14 (1987) 10, S. 4.
358
Newcomer, die das ffiM-BIOS entweder selbst emulierten oder bei Phoenix Tech
nologies eine BIOS-Emulation zukauften.
Auch auf andere Herausforderungen reagierte ffiM eher gemäßigt, nämlich mit einer
Verlagerung des Konfliktaustragungsortes vom Markt auf gerichtliche Instanzen. Auf
eine Anzeigenserie von ffiM mit dem Wortlaut "Schön, daß es noch Originale gibt"
konterte Tandon beispielsweise mit dem Werbetext "Was tun, wenn die Kopie besser
ist als das Original?". ffiM erwirkte daraufhin einen außergerichtlichen Vergleich,
der den beiderseitigen Verzicht auf solche Anzeigenkampagnen zum Gegenstand
hatte54• Derartige Bemühungen, jegliche öffentliche Aufmerksamkeit zu vermeiden,
reduzieren die Perzeptionsmöglichkeit einer Vergeltungsgefahr für Newcomer.
Eine veränderte Situation ist indes seit der Vorstellung des PS/2 gegeben: Durch ein
angekündigtes verschärftes Vorgehen gegen die unberechtigte Nutzung der MikroKanal~Technologie versucht ffiM, PS/2-Imitatoren vom Markt fernzuhalten, nach
dem der Nachbau dieser Modellreihe durch die inzwischen von dritter Seite verfüg
baren /2-Chip-Sets technisch möglich geworden ist. Als beispielsweise bekannt wurde, daß mit der Computer Automation Inc. ein weiteres Unternehmen Patente auf Bestandteile der Mikro-Kanal-Architektur besitzt, stellte ffiM klar, daß eine
lizenz von Computer Automation keine ausreichende Berechtigung darstellt, PS/2-Clones zu fertigen. Branchenbeobachtern zufolge wagt es denn auch keiner der
Clone-Anbieter, als erster seinen PS/2-Nachbau auf den Markt zu bringen, weil die
lizenzrechtlichen Folgen unbekannt sind: ffiM läßt die Wettbewerber .über die Art der (noch gar nicht erteilten) Patente im unklaren. So wird lediglich gemutmaßt, daß
ffiM "mehrere Dutzend" Patente beantragt hat. Die Bearbeitung und Prüfung von
Patentanträgen dauert im allgemeinen mindestens ein Jahr, wobei ihr Inhalt bis zur Entscheidung geheim gehalten wird. So gingen Branchenbeobachter im Sommer 1987
davon aus, daß ffiM die Patente während der nächsten 18 Monate nicht publizieren wird.55 Für die Konkurrenten bringt dies folgendes Problem mit sich: "Interessenten
müssen uns mitteilen, für welches Patent sie eine Lizenz wünschen. Wir werden
weder aufdecken, durch welche Patente der Mikrokanal geschützt ist, noch führen wir
für andere Anbieter eine diesbezügliche Überprüfungen ihrer Produkte durch.,,56
Auch gilt es als sicher, daß IBM aus dem Ringen mit den taiwanesischen XT- und
AT-Clone-Herstellern gelernt hat und gegen jeden Versuch, die PS/2-Serie zu kopie-
54 Vgl. Wirtschaftswoche-Supplement Nr.5/86, S. 4, in: Wiwo 40 (1986) 42.
55 Vgl. CW 14 (1987) 25, S. 2, und CW 14 (1987) 37, S. 104.
56 Zitat eines IBM-Sprechers in CW 14 (1987) 25, S. 1.
359
ren, härter als bisher vorgehen wird. Hierfür spricht zum einen die Meldung, daß der Branchenführer die Wettbewerbsbeobachtung intensiviert, um Patentverletzungen
durch Konkurrenten schneller und umfasender als bisher ahnden zu können. Zum
anderen demonstrierte IBM ihre Entschlossenheit durch zwei Klagen gegen Hesteller
von Speicherboards wegen Verletzung des geschützten Warenzeichens PS/2.57
Einen weiteren AbschreckUngseffekt - außer durch die angedrohten Patentver
letzungsklagen - versucht IBM durch ein gezieltes "leapfrogging" zu erreichen: Noch
ehe die ersten Nachbauten auf dem Markt sind, die für Mitte 1988 erwartet wurden,
kündigte IBM im Februar 1988 bereits fünf neue PS/2-Modelle an, die gegen die
Clone-Konkurrenten gerichtet sind: "Wenn im Sommer wirklich die ersten PS/2-
Nachbauten angeboten werden sollten, dann werden wir schon mit neuen Modellen dasein.,,58
Fazit zu den reaktionsbedingten Eintrittsbarrieren:
Die vorstehenden Analysen machen deutlich, daß Newcomer (vor der Ankündigung des PS/2) nicht von der Gefahr einer Vergeltung durch den Branchenführer aus
gehen mußten. Denn weder das hohe Branchenwachstum noch die eher mäßigen Austritts- bzw. Schrumpfungsbarrieren ließen eine Vergeltungsnotwendigkeit erken
nen. Außerdem waren die perzipierten Reaktionsmöglichkeiten weniger schwerwiegend und die von IBM in der Vergangenheit ergriffenen Vergeltungsmaßnahmen -
sofern man davon überhaupt sprechen kann - entfalteten keine abschreckende Wirkung.
Hinzu kommt, daß IBM im Jahr 1983 mit ca. 7.000 verkauften Geräten deutlich unter dem Absatzziel von 12.000 Einheiten blieb59. IBM war also zum Zeitpunkt des
Markteintritts bedeutender "Big Names"-Konkurrenten noch nicht im Besitz einer
starken Marktposition bzw. Basis für Vergeltungsmaßnahmen: Der Blick von IBM
57 Diese Maßnahmen zeigen Mitte 1988 die gewünschte Wirkung. Denn nach Angaben von Sam Tsai, Marketing Planning Manager bei Tatung, sind mehr als 60 Unternehmen bereit, Nachbauten der Modelle 50, 60 und 80 herzustellen: Wenn sie eine Lizenz von IBM erhalten, sind sie innerhalb eines Monats in der Lage, die Geräte auszuliefern. Vgl. vorstehend CW 15 (1988) 5, S.2, CW 15 (1988) 10, S. 22, CW 15 (1988) 17, S. 20, und CW 15 (1988) 27, S. 17.
58 William C. Lowe, Präsident der IBM Entry Systems Division, zitiert nach WirtschaftswocheSpecial-Supplement Nr.3/88, S. 45, in: Wiwo 42 (1988) 11. Siehe auch CW 15 (1988) 9, S. 6.
59 Vgl. Wiwo 38 (1984) 49, S.6O. Andere Quellen beziffern den Jahresabsatz von 1983 gar auf nur 4.000 bis 5.000 Stück.
360
dürfte auf grund der Startschwierigkeiten eher auf die eigenen Probleme gerichtet
gewesen sein als auf neue Wettbewerber.
Insgesamt wird ffiM von den Mitbewerbern daher als "guter Marktführer" bezeich
net. So charakterisierte ein Firmenvertreter ffiM als einen verläßlichen, sich gerad
linig entwickelnden Wettbewerber, der keine Zick-Zack-Bewegungen vollzieht.
Lediglich bei gelegentlichen "Schüttelbewegungen" müsse man sich festklammern.
Auch Reaktionen von anderen etablierten Marktteilnehmern schienen Newcomer
nicht zu erwarten: Da z.B. Wettbewerber der "Brand Identification-Clones"-Gruppe
ffiM als ihren gemeinsamen Konkurrenten sehen, schien sich ihr Augenmerk in der
Vergangenheit mehr auf die gemeinsame denn auf die wechselseitige Bedrohung zu
richten60• Für eine gewisse Unruhe in dieser Gruppe sorgte allerdings Schneider mit
dem "Joyce", der dem semiprofessionellen Produkt von Commodore einen Absatzeinbruch bescherte, so daß die Reaktionsverbundenheit innerhalb der "Brand
Identification-Clones"-Gruppe gestiegen sein dürfte. Dies zeigt sich auch an der
"aggressiven" Preissenkung von Schneider, die im Hinblick auf Commodore und Atari
vorgenommen wurde61•
60 Z.B. präsentierte sich Tandon nicht als eine Alternative zu Commodore, sondern zu IBM. Außerdem sah man die primäre Notwendigkeit darin, sich von den "No Name-Clones" abzuheben, d.h. eine Differenzierung gegenüber Commodore wurde nicht als vordringliche Aufgabe erachtet. Diese Verhaltensweise ähnelt einem gemeinsamen Vorgehen gegen den Konkurrenten IBM. Die Rivalität innerhalb der Gruppe der "Brand Identification-Clones" wurde insofern als gering perzipiert.
61 Vgl. oben, S. 356, Fußnote 47.
361
6.4. Abschließende Beurteilung der Höhe der Eintrittsbarrieren in den Mikrocomputermarkt
Definiert man Eintrittsbarrieren nicht vom Ergebnis her, sondern versteht man
darunter mit Porter die Bestimmungsfaktoren der (Unternehmens-)Rentabilität eines
Newcomers, so kann anhand der strukturellen und reaktionsbedingten Barrieren die
Erfolgsaussicht von Markteintritten beurteilt werden62. Dies geschieht entweder auf
dem Wege der klassischen Investitionsrechnung oder mittels des Markteintritts
kalküls nach Porter. Bei der Ermittlung des internen Zinsfußes bzw. des Barwertes
einer Investition kann das Konzept der Eintrittsbarrieren dazu beitragen, die struktu
rellen Wettbewerbsnachteile und die zu erwartenden Vergeltungsmaßnahmen aus
zahlungssteigernd bzw. einzahlungsmindernd in Ansatz zu bringen. Alternativ dazu
kann die Markteintrittsentscheidung auf der Basis der von Porter vorgeschlagenen
Kosten-Nutzen-Analyse erfolgen: Hierbei hat ein potentieller Newcomer dem zu
erwartenden Cash-Inflow neben den Investitionskosten in Personal, Material und
Betriebsmittel auch die Kosten der Überwindung struktureller Barrieren gegenüber
zustellen, ebenso wie die Kosten, die ihm aus Vergeltungsmaßnahmen etablierter
Wettbewerber entstehen63•
Für ein solches Markteintrittskalkülliefert die durchgeführte Studie folgende Daten:
Kosten für die Überwindung der "Vergeltungsbarriere" mußten (potentielle) New
comer bei ihrer Entscheidungsfindung nicht berücksichtigen. Allerdings - wenn auch
nicht als direktes Ergebnis von Vergeltungsmaßnahmen - mußte von einem Preisver
fall von 20 bis 30 % p.a. ausgegangen werden. In den sinkenden Marktpreisen sah
dann auch der Gesprächspartner aus dem Hause Olivetti die zentrale Eintritts
barriere. Ebenso wurde bei Tandon bestätigt, daß der 1985 erfolgte Markteintritt
heute ungleich schwerer zu wiederholen wäre, da das Preisniveau inzwischen deutlich
niedriger liegt. Hierzu gab man jedoch bei Compaq zu bedenken, daß dies nur
zutrifft, solange man nur die Preisentwicklung einer Produktlinie betrachtet. Denn da
Neuprodukte wieder annähernd die Einführungspreise der Vorgängermodelle er
reichen64, bleibt das Preisniveau im Sortiments durchschnitt stabil.
62 Im Unterschied dazu wird die Höhe der ergebnisorientiert definierten Eintrittsbarrieren an der Zahl der Newcomer abgelesen.
63 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 424, bzw. oben, S. 243. 64 Insofern bilden Geräte, die erst am Anfang ihres Lebenszyklus stehen, das attraktivste Eintritts
segment.
362
Dies setzt jedoch voraus, daß es Newcomern gelingt, ihr Absatzvolumen zumindest
ausgewogen auf ältere und neue Produkte zu verteilen65. Eine weitere Bedingung
günstiger Durchschnittspreise besteht darin, daß Newcomer in der Lage sind, mit
dem Marktführer bei Neuprodukteinführungen Schritt zu halten. Dies war (und ist)
für die Mitbewerber aus zwei Gründen eher unproblematisch, auch wenn hierfür in
der Regel hohe Mitteleinsätze erforderlich sind: Während die Entwicklungszeiten des Branchenführers mit 12 bis 14 Monaten angegeben werden, sind andere Her
steller (wie z.B. Compaq) in der Lage, ein neues Gerät nach nur 9 Monaten vorzu
stellen sowie ein Redesign eines bestehenden Mikrocomputers innerhalb von 6
Monaten vorzunehmen66• Auch einen Technologiewettbewerb, der den Preisverfall
älterer Generationen hätte verschärfen können, mußten die Konkurrenten nicht
befürchten. Denn IBM war genauso wie die Mitbewerber an den Branchenstandard
gebunden67. Außerdem bestanden bei IBM konträre Interessenlagen zwischen ver
schiedenen Produktbereichen, die einen frühzeitigen Übergang auf die 32-Bit
Generation verzögerten: " ... increased performance by microcomputers will cannibalize IBM's lucrative line of minicomputer products.,,68/69.
Der Preisverfall bedeutete also für Newcomer nur bedingt ein Hindernis, d.h. ein
Umsatzrückgang konnte durch Konzentration auf neuere, höherpreisige Produktklas
sen vermieden werden70. Auch die Gefahr, erst dann mit aktuellen Produkten auf den Markt zu kommen, wenn die Preisreduzierung bereits sehr fortgeschritten ist,
65 Dies war z.B. bei Compaq im letzten Quartal von 1986 der Fall, als etwa n % des Umsatzes auf Geräte der AT-Klasse und auf den Deskpro 386 entfielen. Vgl. Datamation 33 (1987) 12, S. 120.
66 Auf Mikrocomputer spezialisierte Unternehmen wie Compaq führen ihre kürzeren Entwicklungszyklen darauf zurück, daß die Entscheidungsprozesse schneller ablaufen als bei "Big Names"Firmen, die ihre PC-Produkte auf die Gesamtstrategie, d.h. auf übergeordnete Systeme abstimmen müssen. Auch der Gesprächspartner aus dem Hause NCR sah die Ursache für die späte Vorstellung des PS/2 darin, daß IBM ihre Betriebssysteme insgesamt neu ordnen mußte (SAA).
67 Siehe hierzu folgendes Zitat bei Hergert (Standards, S.87), aus Economist vom 26.09.1983 (!), S. 13: "IBM will soon be as much a prisoner of its own standards as its competitors are. Once enough IBM machines have been bought, IBM cannot make suddden changes in their basic design: what might be useful for shedding competitors would shake off even more customers.'
68 Hergert (Standards), S. 87.
69 Der lange Zeitraum zwischen der Vorstellung des IBM AT im August 1984 und der Ankündigung der PS/2-Serie im April 1987 brachte jedoch einen allmählichen Preisverfall mit sich (IBM nahm 1986 drei Preissenkungen vor, ohne daß eine neue Produktgeneration folgte), der nur durch schneller getaktete oder hochwertiger konfigurierte Modellvarianten vorübergehend aufgehalten werden konnte. Eine ganz neue Preisfunktion wurde erst Ende 1986 von Compaq mit dem ersten 386er Personal Computer geschaffen.
70 Allerdings konzentriert sich mit der Firma Amstrad (und deren deutschem Distributor Schneider) ein später Newcomer auch Anfang 1987 noch ausschließlich auf die Geräteklasse mit dem niedrigsten Preisniveau und operiert dort - nach Angaben von Mitbewerbern - dank einer geschickten Einkaufspolitik profitabel.
363
konnte von den kompatiblen Mitbewerbern meist gebannt werden, indem es ihnen
gelang, den zeitlichen Vorsprung von IBM gering zu halten.
Weniger günstig als hinsichtlich des durchschnittlichen (!) Preisniveaus und der
"Vergeltungsbarriere" stellte sich die Mikrocomputerbranche für neue Wettbewerber
von der Seite der strukturellen Eintrittsbarrieren dar. Denn trotz der für Newcomer
im Vergleich zu stagnierenden Märkten - eher günstigen Situation, ebenfalls in
höhere Degressionsbereiche vordringen zu können, betragen die größenbedingten
Kostenunterschiede innerhalb der "Big Names"-Gruppe bis über 1000 DM je Einheit. Das Ausmaß des Dijferenzierungsnachteils kann beispielsweise an den etwa 40 %igen
Preisnachlässen der "Brand Identification-Clones" gegenüber IBM abgelesen werden. Oder aber - vom umgekehrten Standpunkt aus betrachtet - an der Preisprämie, die
IBM gegenüber Mitbewerbern durchsetzen konnte: Nach einer hedonischen Preis
regression, die Hergert für Ende 1985 und Anfang 1986 durchführte, war IBM in der
Lage, gegenüber kompatiblen Produkten gleicher Leistungsfähigkeit eine Preis
prämie von 1.570 $ zu erzielen. Der Preisbonus gegenüber nichtstandardkompatiblen pes mit identischer Performance belief sich gar auf 2.108 $71. Hinzu kamen noch
bedeutende größenunabhängige, d.h. absolute Kostennachteile, die Newcomer in Kauf
nehmen mußten, um beispielsweise überlegene Produkte zu entwickeln oder um dem
Handel überdurchschnittlich attraktive Konditionen einräumen zu können.
Der tatsächliche Schutz vor Markteintritten, den diese Kosten- und Differenzierungs
nachteile bieten, hängt davon ab, inwieweit potentielle Newcomer meinen, unter den
zu erwartenden Bedingungen im Mikrocomputermarkt eine angemessene Rendite
erwirtschaften zu können72• Daher kann die Schutzwirkung von Markteintrittsbarrie
ren nur anhand des von Porter vorgeschlagenen Markteintrittskalküls bzw. durch eine
entsprechend modifizierte Investitionsrechnung untersucht werden, welche die
Markteintrittskosten aufgrund struktureller Zugangsbarrieren und zu erwartender
71 vgI. Hergert (Standards), S. 85 f. Einschränkend zum Aussagegehalt hedonischer Preisanalysen sei auf Michaels (Hedonic prices) verwiesen, der frühere Studien zur Preisprämie von IBM im Mainframe-Markt zum Anlaß für eine Reuntersuchung nahm. Während z.B. Ratchford & Ford (Mainframe, S. 217) zu dem Ergebnis gelangten, daß IBM gegenüber Mitbewerbern einen 40 bis 50 %igen Preisvorteil genießt, gelangte Michaels bei Zugrundelegung eines anderen SampIes zu abweichenden Schlußfolgerungen: "We fmd that brand premiums on IBM equipment are generally small or non-existent and that the dispersion of quality-adjusted (= hedonic, Anm. d. Verf.) prices is smaller for more costly equipment." Michaels (Hedonic prices), S. 273 f.
72 Auch wenn die im pe-Markt erzielbare Rendite nicht den Erwartungen neuer Wettbewerber entspricht, können sich diese aus strategischeIl GrÜlldel! dennoch veranIaßt sehen, in dieses Geschäft einzutreten. Diesen Punkt greift nachfolgend Kapitel 7 auf, in dem das nationalökonomische und das unternehmensstrategische Eintrittsbarrierenkonzept einander nochmals gegenübergestellt werden.
364
Vergeltungsmaßnahmen berücksichtigt. Da ein exemplarischer Fall im Rahmen
dieser Studie nicht zugänglich war73, muß sich die vorliegende Untersuchung auf die
Angabe der GewinnschweIIe beschränken: Nach Auskunft eines "Big Names"-Vertre
ters wird der Break-Even-Punkt in diesem Geschäft erst nach 7 bis 8 Jahren erreicht,
sofern man nicht eine langfristig nicht tragfähige Mischkalkulation vornimmt14•
Als Vergleichsmaßstab zur Beurteilung dieses Wertes können die Forschungsergeb
nisse von Biggadike herangezogen werden. Nach dessen PIMS-Untersuchung zur
"entrant business performance" erstreckte sich (in der zugrundeliegenden Stichprobe)
die Phase der Anfangsverluste, gemessen am ROI vor Steuern, über 6 Jahre: In den
Geschäftsjahren 5 und 6 betrug der durchschnittliche ROI des SampIes -5 %, der
Median lag bei -8 %. Erst in der darauffolgenden Zweijahresperiode wurde das Ergebnis mit 5 % für den durchschnittlichen ROI und mit 7 % für den Median
positiv75. Die lange Break-Even-Phase, die in ·etwa der des Eintritts in den Mikro
computermarkt entspricht, kommentiert Biggadike wie folgt: "It is an understatement
to say that these results demonstrate that corporate diversification is difficult. Negative fmancial performance as large as seen in this sampIe of entrants, and for as
long as eight years or more ... , is not an appealing investment opportunity for established firms. Indeed, some corporations would not tolerate such performance for so long.,,76
Als weiteres Ergebnis - neben den Eintrittsbarrieren, die den Industriezweig als
Ganzen schützen - förderte eine brancheninterne Strukturanalyse die strategischen
Gruppen innerhalb der Branche und die sie umgebenden MobiIitätsbarrieren zutage.
Diese Mobilititätsbarrieren erschweren oder verhindern den Wechsel eines beste
henden Mikrocomputeranbieters in eine andere strategische Gruppe, kennzeichnen
aber auch die Bedingungen, die der Zutritt zu einer bestimmten Gruppe an einen
Newcomer richtet.
Vergleicht man nun Art und Ausmaß der MobiIitätsbarrieren zwischen den strate
gischen Gruppen, so sind "Big Names"- und "Value Added Products"-Mitglieder am
besten vor Übertritten bestehender Wettbewerber geschützt. Da der Zugang zu den
73 . Dem Verfasser ist lediglich bekannt, daß ein Unternehmen aus der Datenverarbeitungsbranche mit Unterstützung einer Beratungsgesellschaft eine Eintrittsanalyse nach dem Konzept von M.E. Porter durchgeführt hat. Dieses Unternehmen nahm aufgrund günstigerer Investitionsalternativen vom Eintritt in den Mikrocomputermarkt Abstand.
74 In diese Richtung geht auch eine Meldung der Computerwoche anläßlich einer Umstrukturierung der PC-Sparte bei IBM. Hierin verlautet, daß IBM zwischen 1982 und 1985 16,5 Mrd. $ in die PCFertigung investierte. Dieser Betrag - so die Computerwoche weiter - hatte sich bis 1985, also 5 Jahre nach dem Markteintritt, noch nicht amortisiert. Vgl. CW 12 (1985) 12, S. 5.
75 Vgl. Biggadike (Corporate diversification), S. 55 ff., insbes. Tab. 8.
76 Biggadike (Corporate diversification), S. 57.
365
"Big Names" auch über OEM-Produkte erfolgen kann, ist diese Gruppe zwar prinzi
piell für Newcomer von außen anfällig, die über ein entsprechendes Image als DV
Hersteler verfügen. Nachdem aber alle in Frage kommenden Anbieter bereits in der
Branche vertreten sind, ist der Kreis der potentiellen Newcomer weitgehend
erschöpft. In die "Value Added Products"-Gruppe hingegen könnten im Zuge der
Entwicklung des 32-Bit-Mikrocomputermarktes die namhaften Workstationhersteller
eindringen, die als Spezialisten über eine ausgeprägte Differenzierungsposition ver
fügen77• Am anfälligsten für Neueintritte oder Übertritte scheint indes die Gruppe
der "Brand Identification-Clones" zu sein, die bereits 1985 einen starken Zustrom
bestehender Mikrocomputeranbieter zu verzeichnen hatte und in Zukunft Ziel japa
nischer Anbieter sein dürfte, deren massiver Markteintritt noch erwartet wird78.
An der Herausbildung strategischer Gruppen im Zeitablauf kann schließlich die Ver
änderung der Wettbewerbsparameter abgelesen werden, die sich mit fortschreitender
Marktentwicklung einstellte und von Newcomern genutzt wurde: Der frühe Markt
eintrittszeitpunkt ermöglichte es dem originären Mikrocomputeranbieter Compaq,
sich sehr früh über die Kompatibilität zu IBM von anderen PC-Herstellern zu diffe
renzieren, die zu diesem Zeitpunkt die Bedeutung des von IBM gesetzten Standards
noch nicht erkannt hatten bzw. noch nicht in Produkte umgesetzt hatten. Mit zunehmender Anerkennung der IBMjInteljMicrosoft-Konstellation als De-facto-Standard orientierten sich die "Big Names"-Mitbewerber ebenfalls am Industriestandard und
verfolgten eine Wettbewerbsstrategie, die der des Marktführers vergleichbar ist. In dieser Situation setzte sich Compaq nach oben in den Bereich der High-Perfor
mance-PCs ab und schuf die "Value Added Products"-Gruppe, die sich bei vergleich
barer Markenidentifikation von der "Big Names"-Gruppe durch die Beschränkung auf
den indirekten Vetrieb unterscheidet. Bestrebungen, sich mit einer grundsätzlich
anderen technischen Lösung vom Industriestandard abzuheben, verfolgte nur noch
77 Allerdings sind Workstationspezialisten - wie z.B. die Sun Microsystems GmbH - mit ihrem Direktvertrieb auf der Vertriebsseite anders strukturiert als Compaq oder Apple. Mit ihrer neuen Workstationfamilie 386i, die im unteren Leistungsbereich angesiedelt ist, nähert sich Sun jedoch auch hinsichtlich der Wahl des Vetriebsweges der PC-Welt (insbesondere den "Big Names") an: Die neuen Systeme sollen zukünftig auch über ein Netz von VARs ZU beziehen sein. Vgl. CW 15 (1988) 17, S. 2.
78 Zu einer Analyse des bislang wenig erfolgreichen Eintritts der Japaner in den europäischen und amerikanischen Personal Computer-Markt vgl. Sobel (Herausforderung), S. 223 ff. Sobel erklärt das Ausbleiben einer japanischen Offensive im Unterschied zu anderen verwandten Märkten damit, daß die Japaner als typische "Latecomer" üblicherweise ein geeignetes Vorbild suchen, "- ein Unternehmen oder eine Gruppe von Unternehmen -, das sie nachahmen konnten." (Ebenda, S. 224.) Sie benötigen ein feststehendes Ziel, das in der sich weiterentwickelnden und verändernden Personal Computer-Branche noch fehlt. Außerdem führt Sobel den einstweiligen Mißerfolg der Japaner auf eine Fehleinschätzung der Markterfordernisse und der Produkteigenschaften zurück.
366
Apple mit der einzigartigen Benutzeroberfläche, die für den Anwender ebenfalls
einen Mehrwert schafft.
Die Verbreitung des Branchenstandards und die damit einhergehende Vergleichbar
keit des Produktangebots führte schließlich dazu, daß sich das Abnehmerverhalten
änderte: Personal Computer wurden zu einem "commodity-like"-Gut und konnten
nach Spezifikationen gekauft werden. Dies machten sich 1985 die "Brand Identifi
cation-Clones" zunutze, am deutlichsten wohl die Firma Tandon, die in ihrer Kun
denansprache die Produktspezifikationen und den Preis in den Mittelpunkt rückte.
Frühen Newcomern wie Compaq bot sich als "early mover advantage" folglich die
Möglichkeit der Differenzierung, während die spät eingetretenen "Brand Identifi
cation-Clones" als "late mover"-Gelegenheit die Produktstandardisierung und die
dadurch ermöglichten Preisvergleiche ergriffen.
367
7. SCHLUSSBEMERKUNG: ZUR (SCHEINBAREN) DISKREPANZ ZWISCHEN EINER HOHEN ANBIETERZAHL UND HOHEN EINTRITTS BARRIEREN IN DER MIKROCOMPUTERBRANCHE
Die vorstehende Fallstudie zum Personal Computer-Markt beleuchtete die Eintritts
und Mobilitätsbarrieren dieser Branche aus unternehmensstrategischem Blickwinkel.
Mittels einer analytischen Bestimmung von Art und Ausmaß der Wettbewerbsnachteile neu eingetretener Anbieter und unter Berücksichtigung der (weniger schwer
wiegenden) Vergeltungsgefahr sind wir zu dem Ergebnis gelangt, daß der Mikrocomputermarkt für potentielle Konkurrenten kein attraktives Eintrittsziel darstellt, da
hier binnen angemessener Zeit keine überdurchschnittliche Rendite erzielbar ist.
Angesichts günstigerer Investitionsalternativen ist es daher zweckmäßig, diesen
Markt als von relativ hohen Eintrittsbarrieren umgeben zu bezeichnen. Diese sollten
potentielle Newcomer in der Vergangenheit denn auch vom Marktzutritt abgehalten
haben. Tatsächlich liegt jedoch mit über 200 Anbietern eine sehr hohe Zahl von
Wettbewerbern vor. Diesem Phänomen einer hohen Zahl von Marktteilnehmern
trotz hoher Eintrittsbarrieren wenden wir uns abschließend aus nationalökono
mischer und unternehmensstrategischer Sichtweise zu.
Aus gesamtwirtschaftlicher bzw. wohlfahrtsökonomischer Perspektive mag man - vom
Ergebnis ausgehend - zunächst geneigt sein, die Zutrittsbedingungen zum PC-Markt
als günstig, d.h. die Eintrittsbarrieren als gering zu bewerten. Dies zeigt sich an einer
großen Anzahl von Newcomern im Randmarkt, von denen ein intensiver Wettbewerb
mit dem Kernsegment der PC-Branche ausgeht: Bei einem Preisverfall von 20 bis
30 % p.a. tendiert das allgemeine Preisniveau in Richtung der Grenzkosten. Mit
Preisnachlässen von teilweise über 40 % gegenüber IBM sorgen kompatible Konkur
renten für einen Preiswettbewerb. Und zwischen Anbietern, deren Preise auf IBM
Niveau liegen, herrscht ein Qualitätswettbewerb.
Von dieser Warte aus betrachtet muß der Wettbewerb im PC-Markt als intensiv, das
Marktergebnis als gut bezeichnet werden. Wenn nun der Wettbewerbsdruck, der
dieses Marktergebnis herbeiführt, nicht von anonymen Marktkräften ausgeht, son
dern auf das Zusammenwirken der fünf strukturellen Determinanten der Wettbe
werbsintensität zurückzuführen ist, so können als wesentliche Wettbewerbsfaktoren
dieser Branche identifiziert werden: Von Substitutionsprodukten geht keine Bedro
hung für die Branchenrendite aus. Auch die Lieferanten befinden sich nicht in einer
starken Verhandlungsposition, stellen aber neben den Mikrocomputerkomponenten
auch die erforderlichen Komplementärprodukte bereit und sind daher an einem
368
offenen Branchenstandard interessiert. Sie üben damit zwar keinen unmittelbaren
Wettbewerbsdruck aus, tr~agen aber letztendlich zur Homogenisierung des
Produktangebots bei und erhöhen insofern die Markttransparenz für die Kunden.
Dadurch gelangt der zunehmend kundigere Abnehmer in eine bessere Verhand
lungsposition und ist in der Lage, über Produktspezifikationen einzukaufen und
preissensibel zu entscheiden1. Dieser gestiegenen Reife der Anwender und dem ver
änderten Käuferverhalten trugen sowohl bestehende Mikrocomputeranbieter Rech
nung, die in die Gruppe der "Brand Identification-Clones" überwechselten, als auch
neue Wettbewerber, die von außen in den Mikrocomputermarkt eintraten.
Einen wesentlichen Beitrag zum 2ustandek:ommen eines guten Marktergebnisses
leisten also die Abnehmer, die sich in einer guten Verhandlungspostion befinden, und
auf der Anbieterseite die etablierten Konkurrenten sowie zahlreiche neue Wett
bewerber.
Dies spiegelt sich im Marktgeschehen wie folgt wider: Nach einem schleppenden
Start im Jahr 1983 übernimmt IBM 1984 die Marktführerschaft und behauptet sich
seit 1985 mit einem Marktanteil von knapp 30 %. Weltweit betrachtet verliert IBM
aber kontinuierlich Marktanteile an (neue) Wettbewerber, die zum Industriestandard
kompatible Geräte anbieten. Final argumentiert können also die Eintrittsbarrieren
nicht hoch gewesen sein, wenn IBM deutliche Marktanteilsverluste hinnehmen mußte
und wenn so viele Newcomer Zugang gefunden haben, daß man heute in der Bundes
republik Deutschland bereits ca. 250 PC-Anbieter zählt, die allerdings meist nur mar
ginale Marktbedeutung haben.
Wie ist es nun zu vereinbaren, daß bei ergebnisbezogener Eintrittsbarrierendefinition
die Zutrittsschranken als gering, nach der Porterschen Konzeption aber als hoch
gelten müssen? Mit anderen Worten, wie ist das Zustandekommen einer hohen
Anbieterzahl bei hohen Eintrittsbarrieren zu erklären?
Die Tatsache, daß das Branchenrendite-Potential (in einer Situation wie auf dem
Personal Computer-Markt) in Richtung der Newcomer diffundiert oder von diesen
1 Während bis 1985 als kaufentscheidende Kriterien die Verfügbarkeit von Software und die Aufwärtskompatibilität wichtiger als der Preis waren, gewann dieser 1986 signifikant an Bedeutung und nahm erstmals Rang zwei unter den Auswahlkriterien ein. Die SW-Verfügbarkeit, 1984 noch auf Position eins gelegen, war 1986 nur mehr das drittwichtigste Merkmal. Zugleich verlor die Produktreputation als Entscheidungskriterium an Bedeutung - ein Indikator für die gestiegene Beurteilungskompetenz des Abnehmers. Diese Daten stammen aus dem 'mini/micro computer survey 1986-87" [siehe Verity, (Minis)], der auf einer Umfrage unter amerikanischen Anwendern beruht. Diese Entwicklung des Einkaufsverhaltens wurde von befragten Firmenvertretern der Tendenz nach jedoch auch für den bundesdeutschen Markt bestätigt.
369
durch preisaggressive Eintrittsstrategien an die Kunden weitergegeben wird, muß
jedoch nicht zwangsläufig von niedrigen Eintrittsbarrieren hervorgerufen sein: Auch
das Bestehen vieler Branchenteilnehmer trotz hoher Eintrittsbarrieren ist in sich
konsistent, wenn das Stattfinden von Markteintritten auf eine unzureichende Ent
scheidungsvorbereitung zurückzuführen ist (1). Newcomer können sich auch an den
Gewinnzielen von IBM orientieren und daher die Branche als attraktiv bewerten und
einen Eintritt wagen (2). Ferner kann sich für ein Unternehmen auch die strategische
Notwendigkeit ergeben, selbst in einen weniger attraktiven Markt einzutreten (3).
Und schließlich kann es sich bei einer hohen Anbieterzahl trotz hoher Eintrittsbar
rieren um den Fall eines nicht abgeschlossenen Anpassungsprozesses handeln (4).
Ad (1) Unzureichende Vorbereitung der Markteintrittsentscheidung
Hohe Eintrittsbarrieren entfalten nur dann einen tatsächlichen Schutz für etablierte
Anbieter, wenn sie von potentiellen Newcomern korrekt wahrgenommen werden.
Denn nur bei sorgfältiger Gegenüberstellung von Markteintrittskosten und -erträgen
werden Newcomer ggf. auf den geplanten Schritt verzichten.
Die empirische Relevanz schlecht fundierter Eintrittsentscheidungen belegt Davidow
mit seinem Erfahrungswissen aus High-Tech-Branchen. Er bestätigt, daß oft zu viel
Beachtung in Geschäffsplänen dem gilt, "was das Unternehmen vor hat, und nicht der
Frage, ob diese Pläne dem vollständigen Set von Segmentbarrieren, vor denen das
Unternehmen steht, angemessen sind,,2. Häufig ließen sich daher Unternehmen
durch Märkte täuschen, die leichten Zugang bieten, in denen zu überleben sich dann
jedoch als schwierig erweist: "Oft werden die Entwicklungskosten für ein Gerät, das
man auf einem Markt verkaufen will, mit der Etablierung einer Führungsposition auf
diesem Markt verwechselt. Die Unternehmen vergessen, daß sie selbst mit einem
guten Gerät noch nicht in den Markt eingestiegen sind, bis sie eine bedeutende Posi
tion etabliert haben.,,3 Damit zerstört dann Davidow auch den Mythos niedriger Ein
trittsbarrieren in den Mikrocomputermarkt:
2
3
"Jeder weiß, wie einfach der Einstieg in den pe-Markt war. Für ein paar Millionen Dollar oder noch weniger konnte ein Unternehmen genug von einem Produkt entwickeln, um sich an dem Rennen zu beteiligen. Die Wahrheit ist, daß riesige Märkte riesige Investitionsmittel erfordern. Eine kleine Firma wie Apple konnte erfolgreich in den Markt einsteigen, als der Markt noch klein und die Barrieren niedrig waren. Durch den frühen Eintritt war Apple in der Lage, die
Davidow (High Tech), S. 46; im Original kursiv.
Davidow (High Tech), S. 51.
370
nötigen Mittel aufzubringen, um entscheidenden Einfluß zu bekommen. Das konnten Firmen, die folgten, nicht. Mittlerweile war der Markt reifer. Um eine Position zu entwickeln und zu behaupten, hätten die Nachzügler Investitionen in einer Höhe machen müssen, die einem beträchtlichen Jahresumsatz-Anteil des Marktführers entsprach. Nur wenige verfügten über derartige Ressourcen.,,4
Ad (2) Orientierung an den Gewinnzielen von IBM
Bei rationalem Entscheidungsverhalten potentieller Newcomer ist zu erwarten, daß
diese ihre Eintrittspläne verwerfen, wenn Wettbewerbsnachteile in Verbindung mit
der zu beobachtenden Preisentwicklung die Branche für sie unattraktiv erscheinen lassen. Wenn aber neue Wettbewerber von der (vermeintlich) hohen Rentabilität bestehender Anbieter angelockt werden, berücksichtigen sie die Eintrittskosten nicht
sorgfältig genug und unterschätzen sie oft5. Als ein derartiges Signal für eine Branche mit attraktivem Marktvolumen und hohen Gewinnaussichten konnte das Engagement von IBM im PC-Markt angesehen werden. Denn es war bekannt, daß ein Markt mindestens ein Volumen von 500 Mio. $ aufweisen mußte, um das Interesse von IBM zu wecken6• Nach Vollmer gelten bei IBM solche Bereiche als Wachstumsmärkte, in denen sich ein Umsatz von einer Milliarde Dollar und eine Rendite von 20 Prozent erzielen läßt7. Die hohen Gewinnziele von IBM könnten also Mitbewerber dazu
bewogen haben, trotz hoher Eintrittskosten im Gefolge des Marktführers in den PCMarkt einzutreten.
Ad (3) Markteintritte aus strategischer Notwendigkeit
Neben einer Nicht- oder Fehleinschätzung der Marktzutrittsbedingungen können
Newcomer auch ganz bewußt in Märkte eintreten, die nicht den sonst angelegten Ertragsmaßstäben genügen: Zahlreiche Marktteilnehmer werden trotz hoher Ein
trittsbarrieren auch dann zu beobachten sein, wenn strategische Wechselwirkungen
mit anderen Bereichen vorliegen oder es sich um ein Schlüsselprodukt für andere Märkte handelt. In einer derartigen Situation besteht gewissermaßen ein "Zwang zum Markteintritt um jeden Preis".
4
5
6
7
Davidow (High Tech), S. 51.
Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 623.
Vgl. Die Zeit vom 09.08.1985, S. 26.
Vgl. Vollmer (Wunder), S. 134.
371
Strategische Notwendigkeiten für den Eintritt in den PC-Markt gab es in mehrerer
Hinsicht: Terminalhersteller - wie z.B. Ericsson - mußten davon ausgehen, daß mit
Mikrocomputern - als intelligente Datensichtstationen eingesetzt - ein Substitutions
produkt heranwächst. Ebenso mußten sich Hersteller von Kommunikationsend
geräten - wie z.B. Siemens - von Personal Computern als multifunktionale Endgeräte
bedroht sehen. Auch DEC als führender Hersteller von Minicomputern gab an, sich
von IBM zum Eintritt in den Mikrocomputermarkt "provoziert" haben zu lassen.
Selbst Mainframeanbieter waren tangiert, da Marktprognosen für 1984/85 die
Mikrocomputerklasse als umsatzstärkstes DV-Segment vorhersagten. Schließlich
wurde dem PC-Markt von den Datenverarbeitungs-, Telekommunikations- und
Bürogeräteherstellern eine Schlüsselbedeutung für den zukünftigen Bürokommunika
tionsmarkt beigemessen. Und die Firma Tandon sah sich gezwungen, in den PC-End
abnehmermarkt vorzudringen, um ihre Kapazitäten in der Laufwerkefertigung aus
lasten zu können. In den hier genannten Fällen konnte also der Mikrocomputer als
"strategisches Produkt" verstanden werden.
Bei diesen Unternehmen, deren Interesse über den PC-Markt hinausgeht, ist der
Mikrocomputerbereich kein selbsttragendes Geschäft. Aufgrund der Wechselbezie
hungen mit anderen Tätigkeitsfeldern wird die PC-Sparte von diesen üblicherweise
subventioniert, wie ein "Big Names"-Vertreter bestätigte8• Während also auf dem
"business level" die Eintrittsbarrieren des PC-Marktes als hoch angesehen werden
müssen, relativiert die hohe strategische Bedeutung der Mikrocomputer (für die
Gesamtunternehmensstrategie) diese Aussage auf dem "corporate level".
Ad (4) Unvollendete Anpassungsprozesse
Die Erklärung für eine Vielzahl von Anbietern trotz hoher Eintrittsbarrieren könnte
auch in einem noch nicht abgeschlossenen Anpassungsprozeß zu suchen sein: Auf
grund des scheinbar einfachen Zugangs, aber der schwierigen Behauptung in diesem
Markt9, wird vielfach mit dem bevorstehenden Ausscheiden vieler Wettbewerber
gerechnetlO. Damit wäre das Gleichgewicht zwischen der Anbieterzahl und der Höhe
der Eintrittsbarrieren wiederhergestellt.
8 Würde beispielsweise die Tandon Corporation die Laufwerke zu Marktpreisen an die Tandon Computer Corp. verrechnen, so wäre das (Verkaufs-)Argument des Kosten- und Preisvorteils aufgrund vertikaler Integration hinfällig. Insofern muß von der Verrechnung von Gewinnen von der verlustreichen Mutter an die profitable PC-Sparte ausgegangen werden.
9 Siehe hierzu nochmals das oben, S. 369 f., angeführte Zitat von Davidow (High Tech), S. 51.
10 Vgl. insbes. McClellan (Shakeout).
372
Angesichts der prognostizierten Marktbereinigung stellt sich jedoch die Frage, ob
sich in diesem "Shakeout" die Fehleinschätzung der Marktzugangsbedingungen mani
festiert, oder ob der Verdrängungswettbewerb nicht eine typische Erscheinung ist, die
mit fortschreitender Branchenentwicklung einsetzt. Es kann einerseits dafür argumentiert werden, daß in der Marktbereinigung eine Korrektur für das Verkennen der
Höhe der Eintrittsbarrieren zu sehen ist. Andererseits kann die Konsolidierung einer
Branche auch darauf zurückgeführt werden, daß die Eintritts- bzw. Mobilitätsbarrie
ren im Laufe der Zeit steigen bzw. gestiegen sind11• Die Antwort auf diese Frage
wird sich danach bemessen, ob die Zeitspanne zwischen dem Markteintritt und dem
"Shakeout" ausreichend lang ist, um die getätigten Investitionen verdienen zu können
und sich im Sinne des "hit and run-competition" verlustfrei aus dem Markt zurückzu
ziehen.
Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß Erfolg oder Scheitern von Markteintritts
versuchen genauso wenig einen eindeutigen Schluß auf die Höhe der Eintrittsbarrie
ren zulassen12, wie diese aus der Zahl der Marktteilnehmer abgelesen werden kann.
Statt dessen ist die Schwierigkeit des Markteintritts letztendlich nach der Gewinner
wartung bzw. Aussicht auf Gewinnerzielung in einem Markt zu bemessen. Vergegenwärtigt man sich, daß ein potentieller Newcomer bei rationaler Eintrittsanalyse dem
zu erwartenden Cash-Inflow neben den Investitionskosten in Personal, Material und
Betriebsmittel auch die Kosten der Überwindung struktureller Barrieren und auf
grund von Vergeltungsmaßnahmen gegenüberstellen wird, so kann dieSchutzwirkung
von Markteintrittsbarrieren nur durch ein derartiges Markteintrittskalkül untersucht
werden.
Die Fallstudie zum PC-Markt machte jedoch deutlich, daß selbst Branchen mithohe.n
Zutrittsschranken nicht vor Markteintritten sicher sind - auch nicht vor neuen Wettbewerbern, die keine besonderen Fähigkeiten zur Überwindung der Eintrittsbarrieren aufweisen. Diese konnten das hohe Branchenwachstum oder die Gewinnziele von
IBM als Signale für einen attraktiven Markt herangezogen und daher eine Analyse
der Markteintrittskosten vernachlässigt haben. Außerdem konnten sie sich durch die
Offenheit des Marktes in technischer Hinsicht, also durch den offenen Industriestan
dard, über die Aussicht auf Gewinnerzielung haben täuschen lassen. Und selbst wenn
sie die Kosten für die Überwindung der strukturellen Barrieren als (zu) hoch wahr
genommen haben, konnte dennoch ein Engagement angezeigt sein, da positive Wir
kungen für verwandte Geschäfte oder eine. strategische Notwendigkeit für den Markt-
11 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 242.
12 Dies wurde anband der alternativen Deutungsmöglichkeiten für den teilweisen Rückzug von DEC aus dem Mikrocomputermarkt gezeigt. Vgl. oben, S. 246 f.
373
eintritt bestanden haben konnten. Trotz hoher struktureller Eintrittsbarrieren präsen
tiert sich damit der Mikrocomputermarkt als latent ungeschützt bzw. anfällig für
Neueintritte.
ASIC
BIOS
BS/2
DEC
DV
EDV
Eisa
HW IBM
IDC
KB
MCGA
MHz
MS-DOS
OEM
OS/2
P&G
PC
PCM
PS/2
ROM
SAA
SW
VAR
VGA
374
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Anwendungsspezifischer intergrierter Schaltkreis
Basic Input/Output System
Betriebssystem/2
Digital Equipment Corporation
Datenverarbeitung
Elektronische Datenverarbeitung
Extended Industry Standard Architecture
Hardware
International Business Machines Corporation
International Data Corporation
Kilobyte
Multi Color Graphics Array
Megahertz
Microsoft Disk Operationg System
Original Equipment Manufacturer
Operationg System/2
Procter & Gamble
Personal Computer
Plug Compatible Manufacturer
(auch: Plug Compatible Mainframe)
Personal System/2
Read Only Memory
System-Anwendungs-Architektur
Software
Value Added Reseller
Video Graphics Array
375
ZEITSCHRIFTENVERZEICHNIS
AB
AER
AU AMJ
AMR ASQ
B-W
BddW
BH
bit
BJE
Antitrust Bulletin
American Economic Review (P & P: Papers and Proceedings)
Antitrust Law Journal
Academy of Management Journal
Academy of Management Review
Administrative Science Quarterly
Büro-Wirtschaft
Blick durch die Wirtschaft
Business Horizons
büro- und informationstechnik
Bell Journal of Economics
Business Week
Capital
CMR California Management Review
COM Siemens Magazin für Computer & Communications
CW Computerwoche
Datamation
DBW Die Betriebswirtschaft
DMR Diebold Management Report
DU Die Unternehmung
Dun's Review
Econometrica
Economica
EJ Economic Journal
FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung
FB/IE Fortschrittliche Betriebsführung und Industrial Engineering
Fortune
HB
HBR
Hm
IJIO
IM
IMM
ISMO
Handelsblatt
Harvard Business Review
Harvard manager
International Journal of Industrial Organization
Industriemagazin
Industrial Marketing Management
International Studies of Management & Organization
376
JBS Journal of Business Strategy
JEL Journal of Economic Literature
JET Journal of Economic Theory
J1E Journal of Industrial Economies
JLE Journal of Law and Economics
JM Journal of Marketing
JMS Journal of Management Studies
JoB Journal ofBusiness
JPE Journal of Political Economy
Management Today
mcw micro computer welt
MDE Managerial and Decision Economics
mm manager magazin
OEP Oxford Economic Papers
ÖVDjOnline
OM Office Management
OS Organization Studies
QJE Quarterly Journal ofEconomics
RES Review of Economics and Statistics
REStud Review of Economic Studies
RJE Rand Journal of Economics
SMJ Strategie Management Journal
SMR Sloan Management Review
TD Theory and Decision
UCLR University of Chicago Law Review
UPLR University of Pennsylvania Law Review
VDI Nachrichten
VuB Der Volks- und Betriebswirt
WWA Weltwirtschaftliches Archiv
WISU Das Wirtschaftsstudium
Wiwo
WuW
YU ZfHW
ZfB
ZfbF
ZfN
Die Zeit
Wirtschaftswoche
Wirtschaft und Wettbewerb
Yale Law Journal
Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht
Zeitschrift für Betriebswirtschaft
Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis
Zeitschrift für Nationalökonomie
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