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Die Praxis der Herrscherverehrung
in Rom und seinen Provinzen
herausgegeben von
Hubert ancik
und Konrad Hitzl
M o h r Sieb eck
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HUBERT CANOK, geboren 1937; Studium der Klassischen Philologie^ Orien^mik und
Theologe in Berlin, Münster, Manchester und Tübingen; 1965 Prom otion; 1970 H abilita
tion;
Professor für Klassische Philologie in Tübingen.
KDNRAD HITZL,
geboren 1953; Studium der Klassischen Archäologie, Alten Geschichte
und Ä gyptologie in Mainz und Heidelberg; 1982 Promotion in Klassischer Archäologie;
1993 Habilitation; zur Zeit Privatdozent an der Universität Tübingen.
ISBN 3-16-147895-9
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio
graphie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über
http://dnb ddb de
abrufbar.
©2003 J.
C.B.Mohr
Paul Siebeck) Tübingen.
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Das Buch wurde vo n swiss edit Dr. Wolfram Schneider-Lastin in Zürich gesetzt, von
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der Buchbinderei Held in Rotcenburg gebunden.
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Vorwort
1.
Der
Band,
der
hier vorgelegt wird, dokumentiert
die
Ergebnisse einer
Tagung über
die
»Praxis der Herrscherverehxung
in
Rom und seinen Pro
vinzen«,
die im
April 2002
im
Rahmen
des
Schwerpunktprogramms
»Römische Reichs-
und
Provinzialreligion«
der
Deutschen Forschungs
gemeinschaft stattfand.
1
Die Begriffe >Herrscherverehrung, Reichs-
und
Provinzialreligion<
er
wiesen sich,
wie zu
erwarten
war, als
mehrdeutig.
Die
Anw endung
des
Begriffs >Priester< oder gar >Mitder<
auf
die römische Religion
ist
natürlich
immer umstritten
und
höchst problematisch. N ic ht jeder Herrscher, dar
über immerhin bestand Einvernehmen,
ist
Kaiser, nicht jede Form
von
Pietät, Verehrung, Loyalität
ist
religiöser Ku lt
im
strikten Sinne.
Die
Ver
ehrung des lebende n ist vo n der des verstorbenen und konsekrierten »ver-
göttlichten«) Herrschers,
die
Gebete
und
Opfer
für pro) das
Wohl
des
Kaisers
und
seines Hauses sind
von
Anbetung, Anrufung, Beopferung
des
Herrschers oder seines Bildes
zu
scheiden.
Die
Herrscherverehrung
ist
reichsweit verbreitet,
de
facto
und im
Bewußtsein
der
Bevölkerung:
in
sofern eine >Reichsreligion<.
Sie ist ein
Indiz
für die
relative religiöse
Ho
mogenität
des
Imperium,
ist
aber,
wie
alle antiken Religionen, nach
Art
und Intensität Sprache, Häufigkeit, D ichte , >Substrate<
und
Kontexte)
lokal
und
regional verschieden
- nur so
kann
sie ja in die
örtlichen Reli
gionssysteme eingelagert werden.
2.
Die
Praxis
der
Herrscherverehrung
ist das
Them a, also Ha ndlungen,
Rituale, Liturgie, O rganisation. W as wurd e wirklich gemacht, wo ,
wie oft,
von wem,
aus
we lche n Anlässen? Welche Bindung, E motionalität, Lo ya
lität erzeugte
die
religiöse Praxis? Welche Bedeutung
hat die
praktizierte
1
Zu
diesem Forschungsschwerpunkt
vgl.
HUBERT
CAN CIK/ JÖRG RÜ?KE
Hrsg.), Römische Reichs- und ProvinzialreHgion, Tübingen 1997;
WOLFGANG
SPICKERMANN in Verbindung mit H. CANCIK und J. ROTKE) Hrsg.)» Religion in
den germanischen Provinzen Roms, Tübingen 2001;
NICOLE BELAYCHE,
Iudaea-
Palaestina.
The
Pagan Cults
in
Ro m an Palestine Second
to
Fourth Century),
Tübingen 200 t Religion der römischen Provinzen, Bd . 1); W .
SPICKERMANN,
Ger-
maniae
I,
Tübingen 2003 Religion
der
römischen Provin zen, Bd . 2).
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Vorwort
VII
ben, weil er (Augustus) Kult für sich wollte mit Tempeln und mit der
Gestalt von Göttern durch Flamines und Priester«.
Der römische Kaiserkult hängt sich in die bestehenden Götterkulte ein,
verknüpft sich im griechischen Osten mit der hellenistischen Herrscher
verehrung. Aus dieser Tradition heraus gilt die Bereitschaft zur Verehrung
im Osten, anders als in der Zentrale oder im Westen, in erster Linie dem
lebenden Herrscher. Die Bezeichnung des Kaisers zu seinen Lebzeiten als
G o t t
tbeds)
bereitet keine mentalen Probleme. Dennoch gibt es kein spe
zifisches Ritual, Fest, Kerygma des Kaiserkultes, keine besonderen Kult
anlagen, wie andere Religionen sie sich erdachten. Insofern also nicht
»neue« Religion. Aber der Kaiserkult ist kein Heroenkult - nie erscheinen
die
Divi
als Nothelfer in einer Schlacht; kein genr.ilizischer Ahnenkult,
kein chthonischer, aber auch kein str ikt olympischer Götcerkult: denn die
Kaiser blieben »gemachte« Götter; sie sind nicht von Ewigkeit her. Von
den neuen , sogenan nten graeco- orientalischen Religionen unterscheidet
sich der Kaiserkult durch das Fehlen eines eigenen Kerygma und Dogma.
Die vergöttlichten Kaiser sind
Divi^
aber sie geben kein Orakel, begründen
keine Mysterien; man richtet keine Bitten an sie um gute Seefahrt, Ernte,
Nachwuchs. Insofern eine neue, eine dezidiert politische Religion.
4.'
Unser Verständnis der antiken Herrscherverehrung wird belastet und
stimuliert durch zeitgenössische Erfahrungen und die eigene religiöse So
zialisation. Die Ablehnung jeglichen Bilderdienstes im Judentum schließt
Herrscherkult im klassischen Sinne aus. Die Verweigerung des »Kaiserop
fers« in so vielen christlichen Martyrologien hat allerdings eine spezifisch
christl iche Kaiserverehrung nicht verhindert . Zwar werden heute, nach
dem kläglichen Ende des ersten und zweiten deutschen Kaiserreiches, we
nige nur »die hohe Wonne ganz« in der einstigen Königs-, dann Kaiser
hymne erfühlen:
7
Heil dir im Siegerkranz
. Herrscher des Vaterlands
Heil König/Kaiser Dir
Füh l' in des Thrones Glanz
die hohe Wonne ganz:
Liebling des Volks zu sein
Heil Herrscher Dir
7
Text: BALTHASAR GERHARD SCHU(H)MACHER (geb.
1755;
publiziert in Spener-
sche Zeitung 1793); zitiert nach:
AJDOLF SCHOTTMÜLLER,
Preußens Ehrenspiegel.
Eine Sammlung vaterländischer Gedichte,
2
1863,
S.
277.
Melodie wie: »God save
the King/Queen«.
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VIII
Vorwort
Doch der Führer- und Personenkult von einst, der junge Kult um eine
verunglückte Prinzessin, die Feiern zum 300. Gründungstag des preußi
schen Königtums (2001) lehren, daß für undurchschaubare, abstrakte,
komplexe ökonomische und politische Strukturen und Probleme immer
wieder einfache Namen und Lösungen gesucht werden, besonders gern in
vertrauten Leit- und Referenzfiguren, Vater- und Muttergestalten, familia-
len Konstellationen. Der hier vorgelegte Band soll auch zur Beantwortung
der Frage beitragen, wo die Grenzen zwischen Politik und Religion zu
ziehen sind, wie die Fetischisierung von Staatszielen, die Personalisierung
von Politik beschränkt werden kann.
5.
Die insgesamt dreizehn Beiträge können nicht alle Bereiche der Kai
serkultpraxis abdecken, sondern konzentrieren sich auf Schwerpunkte.
»Die Herrscherverehrung als reichsweite Religion« steht im Mittelpunkt
der Untersuchungen von Angelos Chaniotis, Hubert Cancik, Peter Herz,
Matthias Peppel und K onrad HitzL »Die Stadt Rom« w ird in den Artikeln
von Jörg Rüpke, Ruth Stepper und Babett Edelmann fokussiert. »Regio
nale Studien« bilden das Arbeitsfeld von Kaja Harter-Uibopuu, Heike
Kunz und Jürgen Süß. »Christentum und Spätantike« werden durch die
Aufsätze von Christoph Auffarth und Pedro Barcelo einbezogen
6. Wir danken den Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus dem For
schungsschwerpunkt, und besonders den Gästen aus Heidelberg und
Wien, für kontroverse, kooperative, kreative Arbeit, Die Deutsche For
schungsgemeinschaft hat diese Fachtagung im Rahmen des Projektes »Rö
mische Reichs- und Provinzialreligion« gefördert Die Gastgeber im Ta
gungshaus der Universität Tübingen (Heinrich-Fabri-Institut, Blaub euren,
Alb) hab'en uns kompetent und freundlich betreut. Die Herren Matthias
Osthof und Dr. Wolfram Schneider-Lastin haben Disketten und M anu
skripte mit mehr Geduld und Mühe bearbeitet, als anfänglich benötigt zu
werden schienen Der Verlag Mohr Siebeck hat den Band bereitwillig in
sein religionswissenschaftliches Programm aufgenommen. Ihnen allen gilt
unser Dank.
Tübingen und Lustnau im Oktober 2002
Hubert Cancik Konrad Hitzl
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Inhaltsverzeichnis
Vorw ort . . * V
Die Herrscherverehrung als reichsweite Religion
A N G E L O S C H A N I O T I S
Der Kaiserkult im Osten des Römischen Reiches im Kontext
der zeitgenössischen Ritualpraxis 3
HU BER T C A N C IK
De r Ka iser-Eid Zur Praxis der röm ischen Herrscherverehrung 29
P E T E R H E R 2
N e u e Forschungen zum Festkalender der röm ischen Kaiserzeit 47
MATTHIAS PEPPEL
G ott oder M ensch? Kaiserverehrung und Herrschaftskontrolle 69
K O N R A D H I T Z L
Kultstätten und Praxis des Kaiserkults anhand vo n Fallbeispielen 97
Die Stadt Rom
JÖRG RÜPKE
Kaiserliche Religionspolitik und priesterliche Rekrutierungs
mechanismen. Überlegungen zur Elitenformation am Beispiel
der Sodalitäten des Herrscherkultes in An toninianischer Zeit . 131
RUTH STEPPER
Der Kaiser als Priester: Schwerpunkte und Reichweite seines
oberpontifikalen Hande lns 157
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Inhaltsverzeichnis
BABETT EDELMANN
Arvalbrüder und Kaiserkult. Zur Topographie des römischen
Kaiserkultes . 189
Regionale Studien
K A J A H A R T E R - U I B O P U U
Kaiserkult und Kais erver ehrung in den Koina
des griechischen Mutterlandes 209
H EIK E K UNZ
Kais erver ehrung und Kaiserkult in der Prov inz Sicilia.
Traditionen - Form en - Org anisation 233
JÜRGEN SÜSS
Kaiserkult und Urbanistik Kultbezirke für römische Kaiser
in kleinasiatischen Städten 249
Christentum und Spätantike
CHRISTOPH AUEFARTH
Herrscherku lt und Christuskult . 283
PEDRO BARCELÖ
Beobachtungen zur Verehrung des christlichen Kaisers
in der Spätantike 319
Register 341
Topographisches Reg ister 341
Personen- und Götternamen 346
Begriffs- und Sachregister 353
Adressenliste der M itarbeiterinnen und Mitarbeiter 361
Kurzbiographien der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 365
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ie H errsc he rve reh run g als reichsweite Religion
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Der Kaiserkult im Osten des Römischen Reiches
im Kontext der zeitgenössischen Ritualpraxis
von
ANGELOS CHANIOTIS
1.
Ritualtransfer und Rekursivität von Ritualen im Kaiserkult
Kurz vor der Mitte des
2.
Jahrhunderts n. Chr. kam ein gewisser Alexan-
dros in seine Heimatstadt zurück, das kleine und völlig bedeutungslose
Städtchen der südlichen Schwarzmeerküste Abonouteichos. Mit Hilfe ei
nes Orakelspruches überzeugte er seine Mitbürger, einen Tempel zu er
richten, in dessen Baugrube Glykon, der neue Asklepios, in Gestalt einer
Schlange in Erscheinung treten sollte. Das neue Heiligtum wurde Sitz
eines Orakels, einer Heilstätte und eines Mysterienkultes. Alexander bot
somit in einem Paket, was die Gläubigen bislang oft in mehreren Heilig
tümern suchen mußten. Eine ganze Reihe von Elementen im Kult des
Glykon sind eindeutig als Übernahmen aus anderen zeitgenössischen Kul
ten zu erkennen: Die Art der Befragung des Schlangengottes erinnert an
die Orakelbefragung Apollons in Korope, des Amphilochos in Mällos und
eines Kultes in Thyatteira; die Bezeichnungen für das Kultpersonal ex-
egetes, keryx, theologos, hypophetes
usw.) entsprechen genau jenen anderer
Heiligtümer, vor allem von Mysterienkulten; auch das Singen von Hym
nen spielte wie in vielen anderen Kultzentren eine zentrale Rolle; und die
Mysterien des Glykon, mit Hierophanten und D adouchos, mit dem Ritual
der Prorrhesis, der Ausweisung der Gegner des Kultes, und dem Dro-
menon - einem sakralen Schauspiel, in dem eine heilige Hochzeit und die
Geburt eines göttlichen Kindes dargestellt wurden, erweist sich als ein
plumpes Abbild der eleusinischen Mysterien. Die Kultgründung Alexan
ders des falschen Propheten stellt, zumindest in der Form, in der Lukian
Alexander oder der falsche Prophet sie beschreibt, ein Paradebeispiel für
zwei zentrale Aspekte der Entwicklung von Ritualen dar: für den Ritual-
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Angelos Chaniotis
transfer und für die Rekursivität von Ritualen.
1
Der Begriff des Ritual
transfers bezeichnet die Übertragung alttradierter Rituale in einen neuen
kultischen, ideologisch en, sozialen un d z. T. räumlichen Ko ntext - in die
sem Fall werden z. B. rituelle Praktiken des eleusinischen Kultes aus ihrem
Kontext gerissen und an einen anderen Ort, aber auch in einen anderen
kultischen Kontext verlagert. Die Rekursivität von Ritualen bezeichnet die
selektive Übernahme einzelner Handlungen, Handlungssequenzen oder
Äußerlichkeiten (z. B. Kleider, Bilder usw,)
7
die eigentlich in anderen, z. T-
ganz andersartigen Kulten ihren Platz haben, durch einen neu gegründeten
oder neu gestalteten Kult. Der Gründer oder Neugestalter des Kultes er
findet in der Regel keine neuen Rituale, sondern rekurriert auf bereits
vorhandene Rituale und verbindet sie in ein neues Ganzes. Und dieses
neue Ganze verdankt seine Besonderheit nicht der Eigenart jedes einzel
nen Rituals, sondern der eigenartigen Kombination. Alexanders Unter
nehmen war lange Zeit erfolgreich. Zu diesem Erfolg verhalf ihm die Tat
sache, daß einzelne Elemente seines Kultes den Kultteilnehmern vertraut
waren, zum Teil aber auch die Tatsache, daß die geschickte und einzigar
tige Verbindung heterogener Elemente seinem Kult ein besonderes Profil
gab und ihn - bei allen Ähnlichkeiten - von allen anderen zeitgenössischen
Kulten unterschied.
Die Begriffe von Ritualtransfer und Rekursivität von Ritualen sind bis
zu einem gewissen Grade dafür geeignet, auch die Gestaltung, Aufnahme,
Rezeption und Praktizierung des Kaiserkultes in den östlichen Provinzen
des Reiches, mit denen ich mich hier ausschließlich befassen werde, zu
verstehen. Die Betonung liegt aber auf dem Zusatz »bis zu einem gewissen
Grad«. Denn die Beschäftigung mit dem Transfer und der Rekursivität
von Ritualen ist gezwungenermaßen eine einseitige Beschäftigung mit der
Rolle von Akteuren, mit der Rolle jener Männer (wir müssen davon aus
gehen, daß es sich in der Regel um Männer handelt), die aktiv die Initiative
für die Gestaltung des Kaiserkultes ergriffen; sie kann nur eine Beschäf
tigung mit Ritaalexperten sein, mit Mitgliedern der Elite einer Stadt oder
einer Provinz - denn auch dies muß man stillschweigend voraussetzen,
daß nämlich die Rituale als standardisierte und demnach normierte und
inszenierte Handlungssequenzen das Produkt der Tätigkeit von Personen
sind, die Nonnen einführen und vermitteln,
2
Der Kaiserkult hatte aber
1
Unter den wichtigsten Arbeiten der letzten Zeit zu Alexander voii Abouno-
teichos sind zu nennen:
MIRON 1996; SFAMENI GASPAÄRO
1996 und
1999; VICTOR
1997. Zum Ritualtransfer und zur Rekursivität von Ritualen im Kult des Glykon
s. CHANIOTIS
2002a
2
Hierzu s.
CHANIOTIS
2002b und 2003a.
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Der Kaiserkult im Osten des Römischen Reiches 5
nicht nur seine Akteure und Regisseure, sondern auch seine Zuschauer
und Rezeptoren; um ihn als ein Phänomen der zeitgenössischen Ritual
praxis richtig zu verstehen, muß man auch die Rezeptoren des Kaiserkul
tes berücksichtigen. Dies ist außerordentlich schwierig, Wir haben zwar
normative Texte (Regelungen des Kultes), uns fehlen aber performative
Ritualtexte (Hymnen und Gebete) und vor allem deskriptive Texte (Be
schreibungen des Vollzugs von Ritualen, wie etwa Kallixenos' Beschrei
bung der Pompe der Ptolemaia in Alexandrien). Wir kennen einige Nor
men des Kaiserkultes, aber über ihre Durchführung und ihre Wahrneh
mung lassen uns die Quellen im Stich, Erst über Umwege können wir
diese Aspe kte - und dann nur unzureichend - studieren. W ir können z. B.
nach Hinweisen auf Spannungen, auf ein mangelndes Interesse an oder
sogar auf Ablehnung der Rituale des Kaiserkultes suchen, die Strafan
drohungen bei nicht Vollzug der Rituale, wie im Falle des hi ros nomos
von Gytheion (SEG XI 923 Z. 30-32, 40-41) sind wohl als Hinweise auf
solche Spannungen zu deuten. Ich folge einem anderen Umweg: Ich
möchte die Rituale des Kaiserkultes vor dem Hintergrund der kaiserzeit
lichen Ritualpraxis bei der Götterverehrung untersuchen, um so Konver
genzen und Unterschiede festzustellen, die vielleicht Einblicke in die Stel
lung des Kaiserkultes im religiösen Leben im Osten des Reiches geben.
Regionale Untersuchungen des Kaiserkultes sind gewiß nützlich; ihre mi
kroskopische und möglichst kontextnahe Analyse von Phänomenen ist
eine unabdingbare Voraussetzung für die Rekonstruktion des großen Bil
des;
aber auch dieses große Bild muß man von einer gewissen Distanz
betrachten, um es überhaupt vollständig wahrn ehm en zu kön nen. Ich wer
de hier versuchen, die Konvergenzen zwischen den rituellen und zere
moniellen Praktiken des Kaiserkultes im östlichen Teil des Römischen
Reiches und den zeitgenössischen Ritualen der Götterverehrung an we
nigen ausgewählten Beispielen aufzuzeigen, dabei werde ich aber stets
auch auf die methodischen Probleme unserer Beschäftigung mit den Quel
len hinweisen - vor allem mit epigraphischen Quellen.
Die rituellen und zeremoniellen Praktiken des Kaiserkultes weisen be
kanntlich viele Gemeinsamkeiten zum hellenistischen~Herrscherkult
auf
3
Wie der Herrscherkult so besteht auch der Kult des Kaisers aus einem
Triptychon von Handlungen: der Prozession, dem Opfer und dem Wett-
3
S
z. B.
PRICE
1984a, 23f.; Price
(ebenda,
88-91 unterstreicht zu Recht auch die
Übernahme römischer Praktiken; für die römischen Rituale s.
CLAUSS
1999. Die
Bibliographie zum hellenistischen Herrscherkult ist sehr umfangreich. Zu den Ri
tualen
s
ecwa
HABICHT
1970,139-144,147-153;
LANCIEKS 1993; THOMPSON
2000;
CHANIOTIS
2003b
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6
Angelos Chaniotis
kämpf. Dieses Triptychon macht ein Fest aus; der Ausdruck pompe kai
thysia kai agon ist gewissermaßen ein Synonym des Wortes heorte. Alle
Untersuchungen des hellenist ischen Herrscherkultes betonen die Tatsa
che,
daß der hellenistische Herrscherkult eine starke Parallelität zur kul
tischen Verehrung der Götter aufweist,
4
und so überrascht es auch nicht ,
wenn sich der Kaiserkult in seiner äußeren Form und im Vokabular der
Verehrung vom Kult der Götter nur wenig unterscheidet . Dies läßt sich in
zahllosen Einzelheiten feststellen, und es war sicher beabsichtigt. In einer
Kultregelung aus Mytilene wird z. B. die lex sacra über den Kult des Zeus
{Diakos nomos)
ausdrücklich als das Vorbild genannt, dem die Rituale der
Geburtstagsfeier für Augustus folgen sollte.
5
Ich werde mich im folgenden
etwas ausführlicher mit solchen Einzelheiten befassen, weil sie für Trans
fer und Rekursivität von Ritualen im Kaiserkult von zentraler Bedeutung
sind.
2. D ie Insz enie run g u n d d ie Ri tua le des Kaiser fes tes
2.1.
Geburtstag
Fangen wir mit dem Anlaß für das Feiern des Festes für den Kaiser an. In
der Regel handelt es sich um den Geburtstag des Kaisers.
6
Ebenso wurden
wichtige Götterfeste am G ebu rtstag vo n G ötte rn gefeiert, z. B. die Th ar-
gelia am G ebu rtstag A po llon s (7. Tha rgelion), die Panathen aia am G e
burtstag Athena s (28, H eka tom baio n), das Fest der Artem is in Eph esos am
Ge burtstag der G ött in (6. Tha rgelion).
7
Diese Praxis stellt man auch bei
den meisten Festen für hellenistische Herrscher
8
sowie bei den Feiern
eponymoi bemerai)
für andere Sterbliche fest.
9
Diese Praxis war so weit
verbreitet, daß ich mich hier auf wenige Belege beschränken kann. Der
Geburts tag des Augustus in Athen wurde nach dem Vorbi ld der Geburts
tagsfeier für Apollon gestaltet.
10
Eine Inschrift aus Lyttos auf Kreta be
richtet von der Weihung einer Statue an Trajan; dies wurde mit Geld fi-
4
S. z. B. HABICHT 1970,
195 200.
5
IG RIV 39 A Z. 7-4: Agon; A Z. 19-20: O pfer.
* P R I C E
1984a, 103-105, 118, 218-
S.
auch
CHANIOTIS
-
RETHEMIOTAKIS
1992,
32;
H O F F
1992, 230f.
7
Apollon: DEUBNER 1966, 179 Athena: ebenda, 23; Artem is: LEphesos 27.
8
S.
z .
B.
HABICHT 1970, 148, 156; GAUTHIER 1989, 64-67.
Z. B. IscrCos ED 263; LEphesos 2223a; LTralles 220; J.
BINGEN
1990 (Anti-
noos).
10
SEG XVII 34; vgl. hierzu MAVROJANNIS 1995, 92-94.
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Der Kaiserkult im Osten des Römischen Reiches
nanziert, das eigentlich für Schaustellungen anläßlich des Geburtstags des
Kaisers bestimmt war, aber nicht vollständig ausgegeben worden war.
11
Das Geld, das für einen sakralen Zweck bestimmt war, aber nicht voll
ständig ausgegeben wurde, durfte nicht »zweckentfremdet« an die Stadt
kasse zurückfließen, sondern wurde für eine weitere Weihung an den Kai
ser, also weiterhin für einen sakralen Zweck, verwendet.
12
Die nächsten
Parallelen liefern uns zwei Inschriften aus Stratonikeia, die nicht den Kai
serkult, sondern ein städtisches Fest betreffen. Die Stadt weihte Jahr für
Jahr Statuen des Wohltäters Flavianus Hekatodoros vom Restbetrag des
Geldes, das er für Spektakel vermacht hatte.
13
Wie im Falle des Götter
kultes, bei dem monatliche Opfer immer am gleichen Tag (z. B. dem 7. Tag
fürApollon) stattfanden, so wurde auch der Geburtstag des Kaisers häufig
nicht nur einmal im Jahr gefeiert, sondern jeden Monat am gleichen Tag,
so z. B. in Pergamon.
14
2.2.
Inszenierung
Weitere Übereinstimmungen des Kaiserkultes mit der Verehrung der Göt
ter treten zu Tage, wenn wir das Fest des Kaisers betrachten. Eine Heorte
bestand aus drei Teilen: Prozession, Opfer mit Bankett und Agon. Die
Prozession war seit der frühesten Zeit ein Ritual, das ohne Inszenierung
gar nicht stattf inden konnte: Man mußte den Ausgangsort und den Zeit
punkt des Beginns der Prozession bestimmen, die Route, die Reihenfolge
der Teilnehmer, ihre Kleidung, die musikalische Begleitung, möglicher
weise die Stationen. Seit der hellenistischen Zeit beobachtet man ein ge
steigertes Interesse an der Inszenierung der Prozession. Die einschlägigen
Kultregelungen befassen sich immer weniger mit rein rituellen Aspekten,
wie mit der Farbe und dem Geschlecht des Opfertieres, und immer mehr
mit der Kleidung der Teilnehmer, ihrer Anordnung nach organisatorischen
Prinzipien und hierarchischen Strukturen, mit Ordnung, mit dem Glanz
der Prozession durch die Teilnahme von Reitern, Musikern und beliebten
11
I.Cret. Ipcviü 23: »vom Restbetrag der Schaustellungen tbeoria) für den Ge
burtstag des Dominus«; zu diesem Text s. H . W . PLEKETS Kommentar in SEG
XLin 724.
12
Zu diesem Phänomen s. z. B. IG X 2.2.1, 300 und mit meinem Kommentar in
EBGR 1999 [2002], Nr. 73 und 131.
13
SEG X LIII 724-725: ek pleonasmatos hon apelipe theorion. Vgl. hierzu H.W.
PiXKrrs Kommentar in SEG XLIII 724 und meinen Kommentar inEB GR 1993/94
[1997], 3
N r. 255.
14
I G R I V 35: emmenos genesios ton Sebastou; s. auch PRICE 1984a, 118.
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8
Angelos Chaniotis
Athleten, durch das Tragen von Kränzen und prächtigen Kleidern, mit der
Schönheit
und
Größe
der
O pfertiere,
mit
dem Tragen
von
Ku ltgegenstän
den durch Spondophoren, Hieraphoren, Kalathephoren, Skeptrophoren,
Pyrphoren, Kanephoren, Athlophoren, Lampadophoren, Kleidophoren
usw.
l s
Auch
in der
Kaiserzeit befassen sich
die
normativen Texte
mit der
Inszenierung
des
Rituals.
Die
Kultregelung über
den
täglichen D iens t
des
Priesters
im
Asklepieion
von
Epidauros läßt trotz
des
sehr fragmentari
schen Erhaltungszustandes
des
Textes doch
das
Interesse
an
einer Insze
nierung erkennen. Dies spiegelt sich
in den
sehr detaillierten Anweisungen
an den Priester wider,
die
exakt festlegen, wo, wann und
wie er
die Rituale
durchführen soll.
Der Ort
wird genau angegeben
z. B. »im
Inneren
des
Gebäudes,
im
M etroion,«
»im
Kultbau Aphrodites,« »vor
der
vorderen
Tür«), die
Türen w erden genau angegeben, durch w elche
der
Priester ein
zelne sakrale Räume betreten soll,
der
Zeitpunkt jeder Handlung wird
bestimmt
z. B. »in der
ersten Stunde«),
ja
sogar
der für
einzelne Kult-
funkrionäre vorgesehene Platz »der Priester legt sich
in der
Mitte hin«,
»der Pyrphoros setzt sich
auf
einen T hron«).
16
All dies werden
wir in den
Texten,
die den
Kaiserkult betreffen, w ie
derfinden.
Das
Interesse
für die
Kleidung
der
offiziellen Teilnehmer
er
kennen wir
z.
B.
in
der Stiftungsurkunde der De m osthen eia
in
Oinoanda:
17
Demosthenes stiftete eine goldene Krone mit getriebenen Portraits von
Hadrian
und
Apollon,
die
vom Ag ono thete s getragen wer den sollte. Sol
che Kronen sind fester Bestandteil
der
Kleidung
der
Kaiserpriester.
lg
Der
artige Priesterkronen haben eine lange Tradition
im
griechischen Kult.
Eine solche Krone
- für den
Kult
des
Sarapis bestimmt
-
fand
man im
ägyptischen Kysis;
19
es handelt sich um eine goldene Krone, die eine Sta
tuette
des
Sarapis stützt. Auch
der
Ausdruck stephanos
t u
theou »Krone
des Gottes«) bezeichnet wahrscheinlich
mit
dem
Bild
des
Gottes verzierte
Kronen.
20
Die
Inschrift
aus
Oinoanda ordnet
an, daß der
Agonothet
die
15
Ausführlich zu diesem Thema s.
CHANIOTIS
1995 und 1997a, 245-243. S. auch
KÖHLER 1996 vgl. CHANIOTIS 1997b).
16
LSCG Suppl. 25
A 2,
4-5,
8,
10-12, B 19, 22,
C
23.
17
WÖRRLE
1938 SEG XXXVIII
1462);
vgl.
ROGEFS
1991.
18
RUMSCHEID
2000, 8-11, 39, nimmt zwar
in
dieser sehr verdienstvollen Arbeit
an,
daß diese Kronen nur für Agonotheten bestimmt waren und von Priestern des
Kaiserkultes nur in ihrer Eigenschaft als Agonotheten getragen wurden. Diese Mei
nung kann ich nicht teilen, wie ich an anderer Stelle EBGR 2000 [2003]) ausführen
werde.
19
REDDE
1989, 431-433,
440f.
20
Z.
B. in
Syll.
3
708
Z. 29 btros,
ca.
100
v.
Chr.) und SEG XLIII 773
IX. 23f.
Ephesos,
2. Jh.
v. Chr.). Hierzu
s. ROBERT
1960a,
459
mit Anm-2; vgl. auch
den
Ausdruck
ho p r
tou
theou
stephanos .
RIGSBY
1999.
8/19/2019 Hubert Cancik, Konrad Hitzl, Hrgs. (2003). Die Praxis Der Herrscherverehrung in Rom Und Seinen Provinzen. Tübin…
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Der Kaiserkult im Osten des Römischen Reiches
9
vorhin genannte goldene Krone und ein Pu rpurg ew and tragen sollte SEG
X X X V I I I 1462 Z. 56-57). Ähnlich ordn et eine koische Ku ltregelung an,
daß der Nike-Pr iester e inen purpurn en Ch iton, goldene Ringe und einen
Kranz aus jungen Zweigen tragen soll;
der
Priester
des
Dionysos
in
Skep
sis trug einen goldenen Kninz, ein purpurnes Gewand und die zum Ge
wand passenden Schuhe.
21
Die Kleiderordnung ist auch sonst Gegenstand
de r Urkunde aus Oinoanda: Die zeh n S ebastoph oroi sollen mit weißem
Gewand und Selleriekranz die Kaiserbilder und das Bild A po llon s tragen
Z.
62-63).
23. Tragen vo Statuen
A uc h das Tragen von G öttersta tuen, das in O inoanda am A gon des Kai
sers eine so wichtige Rolle spielt, gehört zu den beliebten Ritualen des
Göt te rkul tes , vor allem seit der hellenistischen Zeit.
22
An der Spitze der
Prozession für Zeus Sosipolis in Magnesia am Mäande r t r ug z. B . der
Stephanephoros die hölzernen und schön bekleideten Statuetten der 12
Götter LSAM 32). Seit der hellenistischen Zeit begeg net uns auch der
Ausdruck
agalma pompikon
als Bezeichnun g solcher in Prozessionen ge
tragener Statuen.
23
Im
hellenistischen Herrscherkult
ist
dies eine Rand
erscheinung,
24
aber das Tragen des Bildes des Kaisers wird zu einem der
wichtigsten Rituale des Kaiserkultes.
25
Dieses Ritual ist sowohl direkt als
auch indirekt durch die Bezeichnungen
sebastopboros> eikonophoros
und
komistes theion protomon
belegt
26
Von der Inschrift aus O inoanda war
bereits die Rede SEG X X X V I II 1462 Z. 62:
propompeusousin
tos
sebas-
tikas eikonas).
Ein bekanntes Reskr ipt von An toninu s Pius aus Ephesos
betrifft die Erhal tung und Pflege der silbernen Kaiserbilder;
27
eine Steuer
für die Pflege
von
Kaiserstatuen,
die
nich t als Ku ltstatuen dienten, son der n
in Prozessionen getragen wurden, ist uns durch eine Gruppe von Ostraka
in Ägypten belegt, die zuletzt von D . Fishwick studiert wo rden sind.
23
Eine vor wenigen Jahren veröffentlichte Inschrift belegt darüber hinaus die
21
LSCG 163 Z. 3-12; SEG XXVI 1334 Z. 11-12.
22
BÖMER 1952,1900-1994; CHANIOTIS 1995, 153 mit Anm. 94.
25
ROBERT 1931, 530t Z. B. TAM III136.
24
Bilder
der
Herrscher werden
in der
Prozession
der
Ptolemaia
in
Alexandrien
mitgeführc; s. RICE 1983, 102-110.
25
PRICE 1984a, 189-190; CIAUSS 1999, 304.
26
Sebastopboros: z.B. SEG XXXIX 1462 Z.61; XLIV 1187; eikonophoros-.-
MAMA IX 131; komistes theion protomon: P.Oxy. 519 und 1265 Z.9.
27
LEphesos 25 = OLIVER
1989,
Nr. 9.
2 8
FISHWICK
1989.
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10
Angelos Chaniotis
Existenz eines Vereins in Alexandrien, der der Pflege der Ikonen der Kaiser
und dem Kult von Faustina Pharia Sosistolos gewidmet war.
29
Die Häufung
von Zeugnissen in Ägypten ist natürlich nicht zufällig und hängt sicher mit
der lokalen Tradition zusammen, Götterstatuen am Fest zu tragen.
2A. Opfer und Bankett
Der Höhepunkt der Prozession ist das Erreichen des Altars und das an
schließende Opfer. Opfert iere wurden sowohl für das Wohlergehen des
Kaisers als auch an den Kaiser geopfert,
30
und dabei wird das für das
olympische Opfer charakterist ische Wort tbysia nicht etwa, enagismos)
verwendet. Das Ehrendekret für den Wohltäter Epameinondas von Akrai-
phia beschreibt seine Tätigkeit mit folgenden Worten
IG
VII 2712
Z.
22-31): »Am Fest , nachdem er dem Hermes, dem Herakles und den
Augusti einen Stier geopfert hatte, veranstaltete er einen Agon; ... er op
ferte den Augusti einen Stier und bot der Stadt einen Tag lang ein Ban
kett .« Beim Opfer für den Kaiser wurden auch die tradit ionellen Bräuche
beachtet , wie die Prüfung der Opfert iere,
31
die Bekränzung der Teilneh
mer, das Singen vo n H ym ne n s. u.) , das Da rbringe n von Op ferkuc hen,
das Brennen von Weihrauch, und das Anzünden von Lampen. Eine be
kan nte Ku ltregelu ng aus Pe rga m on liefert ein anschauliches Beispiel IG R
IV 292): Der Eukosmos der für schöne O rd nu ng sorgende Kultbeamte)
soll te an der monatl ichen Geburtstagsfeier für Augustus und an den an
deren Geburtstagsfeiern der Kaiser Kränze für die Sänger der Hymnen,
ferner Opferkuchen
popanon)
y
Weihrauch
libanon)
und Lampen
lycb-
nous) für Augustus zur Verfügung stellen.
Zum Opferri tual gehört auch das anschließende Bankett .
32
Es ist in die
sem Zusammenhang zu betonen , daß dem B anket t
demothoinia^ euocbia)
als sehr kostspieliger Angelegenheit auch in den Texten, welche die Göt
terverehrung betreffen, eine besondere Rolle zugeschrieben wird.
33
Der
29
BERNAND - BERNAND 1998, 97-101 SEG XLVIII 1960): hoi apo
sysseitiou
Sebaston
eikonon kai
austeznes Pharias Sosistolou
Neas Sebastes.
30
Zu dieser Unterscheidung s.
PRICE
1984a, 210-220. Zum Opfer an den Kaiser
s. auch CLAUSS 1999, 316-318.
31
S.
vor allem die Kultregelung aus Myxilene IGR IV 39 A; vgl.
PRICE
1984a,
217-219). Die Klausel über das Aufziehen der Opfertiere A 21-29) läßt sich jetzt
mit der entsprechenden Klausel eines Kultgesetzes aus Bargylia, das das Opfer an
Artemis Kindyas betrifft, vergleichen SEG XLV 1508); zum Text aus Bargylia
s.
jetzt auch ZiMMEKMAisnsr 2000.
32
S. z.
B.
IG VII 2172; SEG X LIII 717-718. Zum Bankett in der hellenistischen
Zeit s. SCHMITT PANTEL
1981,
85-99 und 1992, 415-418.
33
S.
z.B. die Initiative des Damas in Milet: HERJRMANN 1997, N r. 134.
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Der Kaiserkult im Osten des Römischen Reiches H
Text von Akraiphia ist ein gutes Beispiel für die Verflechtung von Kaiser-
und Götterverehrung (IG VII 2712 Z. 55 -90 ): D er A go n der Ptoia z u
Ehren Äpollons haue seit 30 Jahren nicht mehr stattgefunden, als Epa-
meinondas das Amt des Agonothetes freiwillig und mit großem Eifer
übernahm. Er erneuerte den Agon, kombinierte ihn aber auch mit der
Verehrung der Kaiser
{Ptoia kai Kaisar
eia).
Als die Zeit des Agons kam,
verteilte er Brot und Wein an Bürger und ansässige Fremde gleicherma
ßen;
34
er veranstaltete in großem Stil die von den Vätern überlieferten
Prozessionen und führte in gottesfürchtiger Haltung den traditionellen
Reigentanz durch, brachte den Göttern und den Augusti Stieropfer dar,
verteilte das Opferfleisch und organisierte Frühstück, Süßweinempfang
und Abendessen zehn Tage lang; seine Frau lud die Frauen und Kinder
sowie die erwachsenen Sklaven und Sklavinnen zum Bankett ein. Er war
der erste, der auch die Skenetrien nicht vergaß. Und bei den Schaustellun
gen der thymelischen Agone bot er im Theater süßen Wein, so daß seine
Großzügigkeit auch in den Nachbarstädten berühmt wurde.
2J. Weihungen
Eine Gruppe von Inschriften übertrifft in ihrer Zahl alle anderen Zeug
nisse für den Kaiserkult: die an Mitglieder des Kaiserhauses adressierten
Weihinschriften. Nicht jede Inschrift auf einer Statuenbasis, die einen Kai
ser nennt, ist allerdings eine Weihinschrift an einen Kaiser; leider werden
gelegentlich Texte, in denen der Kaiser im Akkusativ genannt wird, als
Weihinschriften mißverstanden, obwohl sie eigentlich nur die Errichtung
einer Kaiserstatue belegen, nicht die Weihung einer Statue an den Kaiser.
Aber auch nicht alle Inschriften, in denen der Name des Kaisers im Dativ
steht, sind unbedingt als religiöse Weihungen an den Kaiser zu deuten und
noch weniger belegen sie eine göttliche Verehrung des Kaisers. 1999 ver
öffentlichte Hasan Malay eine späthellenistische Inschrift aus dem Muse
um £esme mit folgendem Inhalt:
35
»Euxenos, Sohn des Euxenos, nachdem .
er von den ihn bedrohenden Gefahren gerettet worden ist, (>weihte<) als
Geschenk der Dankbarkeit
cbaristerion)
an Apollon Nisyrites Soter und
an Artemis Epiphanes und an Hermogenes, Sohn des Timokrates, der ihn
mit Wohlwollen behandelt hat«. Der Name des Hermogenes steht genau
wie die Namen von Apollon und Artemis im Dativ. Auch er ist als Emp-
M
Zu Brot und Wein bei solchen Festen s. zuletzt JONES 1999, 8-17.
35
MALAY
1999, Nr. 118. S. auch meinen Kommentar in EBGR 1999
[2002],
Nr. 148.
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12
Angelos Chaniotis
fänger des Geschenkes genannt, m, E. weil er als Arzt Euxenos behandelt
hatte. Daß Hermogenes von Euxenos kult isch verehrt wurde, ist ebenso
wenig aus diesem Text zu schließen wie aus vielen anderen ähnlich for
mulierten Inschriften für Ärzte, die zusammen mit Göttern genannt sind.
Ähnlich darf man im Falle von »Weibinscbriften« an den Kaiser aus einem
Dativ nicht unbedingt eine kult ische Verehrung erschließen. Ein charak
teristisches Beispiel hierfür ist eine Inschrift trajanischer Zeit aus Pbü-
adelpheia SE G X L 1059, 116/117 n. C hr.) . »F ür Im per ator N erv a Traia-
nus Caesar Augustus Germanicus Dacicus Parchicus Optimus und die
Katoikia hat Neoptolemos Markos, Sohn des Diodotos, Sieger an den
Nemea von eigenem Geld die Statue des Zeus Soter aufgestellt«. Auf den
ersten Blick würde man meinen, daß es sich hier um eine Weihung der
Statu e eines Go ttes Zeu s) an einen anderen G ot t Trajan) hand elt - also
um einen »visiting Gott«; aber auch das Wort
katoikia
Dorfgemeinde)
steht im Dativ, obwohl die Katoikia kein Empfänger kult ischer Ehren war
vgl. un ten § 4). D ie Sache läßt sich m . E. nicht e indeutig entscheiden, u nd
das Vermeiden eines Verbes
{anatithemi^ aphieroo^ kathieroo)
macht die
Entscheidung nicht gerade leichter. Es scheint mir aber wahrscheinlich,
daß der Dativ hier und in ähnlichen Fällen eher als Hinweis auf ein Ge
schenk denn als Hinweis auf kult ische Verehrung zu verstehen ist
Es gibt aber ganz eindeutige Fälle, in denen wir es mit einer Weihung zu
tun haben, ja sogar mit dem Vollzug von Weiheritualen, die in der Regel
leider nicht näher erläutert werden. Daß die Aufstellung von Statuen mit
Bitaalen verb unde n wa r, zeigt eine Inschrift aus Iasos SEG X LH I 718,
frühes 3, Jh . n. Ch r.) . D e r Kaiserpriester M . Aurelius Da ph no us Kataplous
weihte im frühen 3. Jh . Sutu en andriantes^ sicher keine Kultsutuen); ihre
Aufstellung w ar mit einem Op fe r ygL Z . 18/19:
tois syntbysasi)
und einem
Bankett verbunden, in dem der großzügige Priester al ten Wein spendete.
Selbst in christlicher Zeit führten die letzten Heiden Weiherituale im Zu
sammenhang mit der Aufstel lung von Sutuen durch. So stel l te der Prä-
torianerpraefekt Flavius Eutolrnius um 390 in Aphrodisias »nach Vollzug
der tradit ionellen Weiheri tuale« eine Sutue von Honorius auf
36
2.6.
Hymnen
Der Kaiserkult ist jedoch nicht allein ein Fall von Ritualtransfer, d. h, vom
Übertragen alttradierter Rituale in einen neuen kultischen, ideologischen,
*
RO O T CH £ 1989,
N r.
25.
Für das Verb
k thieroo
in diesem Kontext
vgl.
LPerge
56, 60-61, 65.
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Der Kaiserkuk im Osten des Römischen Reiches
15
sozialen und z. X räumlichen Kontext, noch wird er nur von älteren Tra
ditionen gespeist; er ist vielmehr auch das Ergebnis aktueller Entwicklun
gen in der Ritaalpraxis. Diese Konvergenz stellt man nur durch einen
Vergleich mit Entwicklungen in den kaiserzeitlichen Ritualen fest, etwa in
der immer wichtigeren Rolle des Singens von Hymnen im zeitgenössi
schen Kult. Alexander von Abonouteichos liefert hierfür ein gutes Bei
spie l
3 7
Er forderte die Städte von Paphlagonien und Pontos auf, Knaben
chöre zu entsenden, um für den Gott lobende Hymnen zu singen. Die
Knaben stammten aus den besten Familien und sollen von besonderer
Schönheit gewesen sein. Das Singen von Paianen ist bekanntlich mit dem
Kult des Asklepios aufs engste verbunden, und so wäre es an sich nicht
erstaunlich, wenn die Hymnoidie auch im Kult Glykons, des Neuen As
klepios, eine so herausragende Stellung eingenommen hätte. Die regel
mäßige Entsendung der Chöre läßt sich aber nicht nur so erklären; sie ist
auch nicht nur-Teil der Strategie Alexanders, die Eliten der Nachbarstädte
insti tutionell mit seinem Heiligtum zu verbinden oder seinen aus schönen
Knaben bestehenden Harem zu vergrößern, wie Lukian behauptet . In der
Kaiserzeit beobach ten, wir eine wach sende Bed eutun g d er H ym no die , die
auch mit einer Verinnerlichung des Rituals zusammenhängt, mit dem Be
dürfnis, die Götter mit Worten, nicht mit Taten zu ehren, mit einer Ten
denz, das Interesse vom mechanischen Vollzug des Rituals auf das Lob der
Macht und der Güte des Gottes aretalogia, eulogia^ hypsosis) zu verla
gern.
38
Ein Orakelspruch Apollons in Didyma bringt dies deutlich zum
Ausdruckt »Ihr Unsel igen, was sol len mir wohlgenähr te Hekatomben
von Schafen, glänzende Statuen aus reichem Gold oder Standbilder, die
aus Silber oder Erz kunstvoll hergestellt sind? Die Götter sind keines
Besitzes bedürftig, sondern dessen, was alter Brauch ist - daran haben sie
ihre Freu de. Im m er ist es fromm , w enn die Kn aben w ie früher bei m einem
Tempel Hymnen singen, zu dem Augenblick, wenn die sich drehende Tür
angel im Begriff steht, den Orakelspruch aus dem unbetretbaren Inneren
zu offenbaren. Ich habe Freude an jedem Gesang, selbst wenn es ein mo~,
derner ist; sehr aber, wenn er alt ist; am meisten aber, wenn er uralt ist,
denn so ist es am besten. Für frommen Sinn gegen Gott wird es immer
unverkürzten Dank geben. Mit Hymnen habe ich einst zum erstenmal die
37
LTJTCIAN, Alexander
41.
Diskussion bei VICTOR 1997, 49-50, 159-160; C H A -
NIOTIS 2002a, 76-7 7.
\
n
Zu Aretalogien s. MEKKELBACH 1995, 214-224. Für eulogeo und hypsoo s. die
zahlreichen Belege in den Beichnnschriften:
PETZL
1994, N r. 16, 20,
33,
34, 36, 37,
44, 54, 59, 60, 62-64^68, 69, 80, 96, 97,101.
39
I.Didyma 217; Übersetzung bei MERKELBACH - STAUBER 1998, 76-77.
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14
Angelos Chaniotis
vielschadenden Krankheiten vertrieben, indem
ich die
Leid bringenden,
vei-wünschten Fäden der M oiren erweicht habe.« Au ch eine aus dieser
Zeit, dem 2. Jh. n. Chr., stammende Inschrift von Stratonikeia ist auf
schlußreich. Sosandros, Sekretär
des
Rates
und
Möchtegerndichter, stellte
den Antrag, 30 Knaben auszuwäh len, die jeden Tag in einer P roz ession zu
den Statuen des Zeus und der Hekate vor das Rathaus ziehen und einen
von
ihm
verfaßten H ym nu s singen sollten.
40
Die
Begründung interessiert
uns hier »Es ist angemessen, daß wir unsere Eusebeia gegenüber den Göt
tern auch mit der
prosodos
(Bitte) und mit der
tbreskeia
(Religiosität) zei
gen, die
durch das Singen von H ym ne n zum Ausdruck kom mt.«
Ein
Ora
kel, das in Ephesos gefunden -wurde, aber Koloe oder Sardeis betrifft ca.
165
n.
Chr.), em pfahl
als
Mittel gegen
die
Pest, eine Statue der Artemis
zu
holen, und schloß m it den folgenden Worten: »Wenn ihr m eine Befehle
für
die Göttin ausgeführt habt, dann verehrt sie, die Pfeile schleudernde, un
bezwingbare, weithin treffende, vielgerühmte, scharfblickende Jungfrau,
mit Hymnen und Opfern,
und bei
Re igen und festlichem Schmause sollen
die Mädchen und die Knaben die Jungfrau preisen
...«
41
Wenn wir auch im
Kaiserkult eine starke Präsenz von Hymnoden beobachten
42
oder nach
dem Vorbild der tbeologoi und aretalogoi auch sebastologoi für die Lob
preisung der Kaiser eigeführt wurden,
43
so ist dies auch Folge der zeitge
nössischen Tendenzen.
27. Ästbetisierung es Rituals
Auch wenn man epigraphisch überlieferte Regelungen, die den Kult des
Kaisers betreffen, mit zeitgenössischen Kultgesetzen vergleicht, zeigen
sich viele Parallelitäten,
so in der
Verw endung verschiedener Kultpara-
phernalia (wie tragbare Statuen, Weihrauchbrenner, Ban kettische u. ä.) so
w ie
in der
starken Einbeziehung
der
Jugend
z. B. SEG
XXXV III
1462
Z. 65-67). Eine Konvergenz mit der zeitgenössischen Ritualpraxis ist aber
vor allem in der Ästhetisierung des Rituals zu beobach ten. Seit der helle
nistischen Zeit häufen sich
die
Kultregelungen,
die auf die
Schönheit
der
Proz ession, der Teilnehmer und der Opfertiere Wert legen und das Ritual
40
1.Stratonikeia
1101;
LSAM 69. Diskussion und weitere Beispiele bei
CHANIO
TIS
2003a.
41
SEG XLI
981;
Übersetzung von H. Engelmann bei
MEKKELBACH
-
STAUBER
1998,
296-297.
42
S. zuletzt HALPMANN 1990, 21-26 zu SEG XL 1128); für Rom s. PALMER
1993. Vgl. PRICE 1984a, 70, 88 mit Anm. 43, 90, 105, 118, 209, 247 Anm. 44.
4J
Zu
sebastologos
s. ROBERT
1960b, 321.
8/19/2019 Hubert Cancik, Konrad Hitzl, Hrgs. (2003). Die Praxis Der Herrscherverehrung in Rom Und Seinen Provinzen. Tübin…
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Der Kaiserkult im Osten des Römischen Reiches 15
vor allem als Prachtentfaltung und schönes Spektakel erscheinen lassen
wollen.
44
Die Dekrete, die Prozessionen betreffen, befassen sich fast aus
schließlich mit der Schönheit
kalos),
der Ordnung
eutaxia),
der Majestät
epipbaneia)
und den ästhetischen Aspekten der Prozession
charis).
Die
verantwortlichen: Magistrate wurden geehrt, weil sie ein schönes Spektakel
theo)
angeboten hatten. Auch die Lektüre der zeitgenössischen Quellen
verrät eine Transformation der Feste von Kulthandlungen zu Objekten
ästhetischen Genusses. In einem Gedicht Theokrits (15, 21-24) bittet eine
Frau ihre Freundin, zum Palast mitzukommen, um sich Adonis anzu
schauen
tbasomenai).
Sie hätte gehört, daß die König in in jenem Jahr
etwas ganz Beeindruckendes vorbereitet hätte. Diese Frauen gingen nicht
als Teilnehmer zum Fest, sondern als Zuschauerinnen eines von der Kö
nigin inszenierten Spektakels. Das Gedicht Theokrits entwickelt sich dann
in eine Ekphrasis, eine Beschreibung dessen, was die Frauen mit staunen
den Augen sehen: »Schau mal diese bunten Kleider, wie fein und elegant
sie sind, als ob von Göttern genäht.«
45
Im 4. Mim os des Herodas w ird der
Besuch des Asklepiosheiligcums in Kos durch zwei andere Frauen als ein
ästhetisches Erlebnis dargestellt und die reiche Ausstattung des Heiligtums
mit Skulpturen hervorgehoben.
, Diese Tendenz setzt sich ohne Unterbrechung bis in die Kaiserzeit fort.
D er bereits erwähnte A ntrag des Sosandros vo n Stratonikeia (s. o.
A nm . 40) hat eine sehr deutliche ästhetische K om ponente. Sein Antrag
betrifft eigentlich das Singen eines Hymnus, die Abfassung eines perfor-
mativen Ritualtextes. Sosandros' Dekret betrifft aber auch die Inszenie
rung der Performanz dieses Texts. Der Hymnus sollte jeden Morgen ge
sungen werden. 30 Knaben, alle weiß gekleidet, mit Kränzen auf dem
Haupt und Zweigen in den Händen, sollten in einer Prozession, geführt
vom Paidonomos und den Paidophylakes, durch die Straßen von Strato
nikeia zum Rathaus ziehen. Dort sollten sie vor den Statuen des Zeus und
der Hekate Platz nehmen. Ein Herold sollte sie begleiten, offenbar, um
mit lauter Stimme um Stille zu bitten und das Gebet zu sprechen. Ein
Kitharaspieler sorgte für die musikalische Begleitung.
44
Zum folgenden s.
CHANIOTIS
1995 und 1997a, 245-248 (mit weiterer Litera
tur).
V gl
PRICE
1984a, 110-112.
45
Vgl.
GOLDHILL
1994, 216-223. Zur Ansicht, es handele sich hier um die Dar
stellung von »women's superficial religiosity«
(LAMBERT
2001), gelangt man nur,
wenn man dieses Gedicht Theokrits isoliert und nicht vor dem Hintergrund des
hellenistischen Materials betrachtet.
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16 Angelos Chaniotis
Das Ehrendekret für den Kaiserpriester Apollonios von Kalindoia
(1 n. Chr.) ist ein weiteres gutes Beispiel für das gleiche Interesse in der
Kais;erzeit/
6
Apollonios hatte freiwillig das Amt des Priesters von Zeus,
Roma und Augustus angenommen und mit besonderer Prunkentfaltung
durchgeführt, »Er hat kein Übermaß an Ausgaben für die Götter und das
Vaterland versäumt, indem er die Opfer, die über das ganze Jahr hinweg
jeden Monat dem Zeus und Caesar Augustus dargebracht wurden, mit
eigenen Mitteln dargeboten hat; er hat den Göttern prachtvolle Ehren
teimas polyteleis)
dargebracht, für die Bürger ein üppiges Bankett und
Trinkgelage angeboten
bestiasin kai euocbian megalomere\
indem er dem
ganzen Volk
pandemei)
in volksfreündlicher Art und Weise
{ledkos)
ein
Abendmahl und ein Triclinium anbot, und er hat die Prozession am Tag
der Panegyris bunt und sehenswürdig gestaltet
pompen poikilen kai axio-
tbeaton)\
er veranstaltete extravagante Spiele
agonas polyteleis),
die dieser
Götter würdig sind.« Der Mann wird ferner für die glanzvollen Leistun
gen
epidoseis lamprotatas)
gelobt, für die Schaustellungen
tbea kai apate)
und das Vergnügen
diacbysis psycbes).
Die Inschrift von Oinoanda spricht eine ähnliche Sprache. Im Abschnitt
über die Pro zession heißt es z. B . (SEG XX X VI II 1462 Z. 62-6 5): »Es
sollen 10 Sebastophoroi gewählt werden, die, bekleidet mit einem weißen
Gewand und einem Selleriekranz, die Kaiserbilder und das Bild des Gottes
unserer Ahnen, Apollon, und den vorgenannten heiligen Altar tragen und
ziehen und bei den Prozessionen geleiten sollen; ebenso sollen vom Ago-
nothet gewählt werden 20 Mastigophoroi, die in we ißen G ewändern ohne
Unterkleid und mit Schilden und Peitschen vorangehen und für die Ord
nung bei den Veranstaltungen im Theater sorgen sollen.« Es handelt sich
nicht nur um Schaustellungen im Theater (Z. 68-69): »Es sollen die Pro
zessionen durch das Theater führen und gemeinsam an den Tagen des
Festes opfern« (Übers. M. Wörrle). Prozessionen im Theater sind seit der
spätklassischen Zeit immer häufiger belegt.
47
Solche Prozessionen sind an
erster Stelle Spektakel.
46
SEG XXXV 744.
47
CHANIOTIS 1997a, 248 mit Anm.
149.
Auch in Gytheion spielt das Theater eine
zentrale Rolle im Kaiserkult; s. SEG XI 923 und PRICE 1984a, 109.
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Der Kaiserkult im Osten des Römischen Reiches
17
3 . Die Organisation des Kaiserkultes
31. Priester
Auch die Organisation der Rituale des Kaiserkultes weist Merkmale auf,
die man in der gleichen historischen Periode in der Organisation der Ri
tuale des öffentlichen Götterkultes findet. Die Besetzung des Priesteram
tes des Archiereus und der Archiereia durch ein Ehepaar (oder ein männ
liches u nd ein weibliches Mitglied der gleichen Familie) sollte m. E. als
sicher gelten - auch wenn immer wieder Stimmen gegen diese Annahme
erhoben w erden.
48
Dies scheint auf den ersten Blick eine Besonderheit des
Kaiserkultes zu sein, eine Folge der politischen Bedeutung und vor allem
der gesellschaftlichen Bedeutung dieses Amtes für die Mitglieder der lo
kalen Elite. Es ist aber keinesfalls so. Ähnliches läßt sich auch in Götter
kulten - wenn auch nicht sehr oft - feststellen. In Ormelai dienten ein
Mann und seine Frau als Priester und Priesterin des Zeus Sabazios, in der
Nähe von Thyatteira stellen wir dies im Kult der Thea Hekate Soteira
fest.
49
Umgekehrt ist die lebenslängliche Besetzung des Amtes des Kaiser
priesters,
50
ja selbst sein Verkauf belegt.
51
Eine Inschrift aus Kos registriert
z. B. den Kauf des Priesteramtes des Asklepios und des Augustus durch
eine Person für den Betrag von 10.000 Drachmen (IscrCos ED 266). Die
Geldstrafen, die Grabschändern auferlegt wurden, waren nicht nur für die
Finanzierung von Heiligtümern,
52
sondern manchmal auch für den Kai
serkult gedacht.
53
Private Kultvereine waren nicht nur dem Kult von Göt
tern,
sondern auch der Kaiserverehrung gewidmet.
54
48
S. zuletzt CAMPANILE 1994, 22-25.
4
Ormelai: IGR IV
889;
Thyatteira: MAI^Y 1999, Nr. 36.
50
Z. B. IGR III115; LArykanda 38. Die Besetzung eines Priesteramtes
dia biou
ist im Götterkult ofc belegt; s. z.
B.
IscrCos 177 Z.
6;
LAlexandreia/Troas
9;
LAdra-
mytteion 23; I.Knidos 59; LSelge 15 und 20. S. auch WÖRJRLE 1990, 43f.
51
Allgemein zum Verkauf von Priesterämtem s.
DEBOKD
1982, 63-75; vgl.
WöRJRLE 1990, 44-47.
52
Z.
B.
STTUJBBE 1991, 34f. und 1997, 364-366 (Index); IPLIK^IOGLU
1991,
20.
53
Z.
B.
I.Ephesos
3214;
TAM V 2,1281; MAMA VIII 552. VgL PKICE 1984a, 85
und 119.
54
PRICE 1984a,
84.
VgL die Existenz privater Stiftungen für die Finanzierung von
Banketts am Geburtstag des Kaisers (z. B. I.Ephesos 3245).
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18
Angelos Chaniotis
3.2. ersönliche Initiativen
Ferner spielen auch persönliche Initiativen bei der Gestaltung von Ritua
len im Kaiserkult eine ebenso große Rolle wie in der Götterverehrung. Für
den Kaiserkult verweise ich auf die Initiativen von Apollonios in Kalin-
doia (s. o. Anm. 46), des Demosthenes in Oinoanda, des Potens und des
Daphnos in Iasos (SEG XLIII 717-718). Auch bei der Götter Verehrung
wurden die Regelungen oft aufgrund der Initiative von Individuen
geändert.
55
Das gleiche gilt in bezug auf Verhandlungen innerhalb einer
Gemeinde für die Gestaltung des Kaiserkultes. Bei unseren normativen
Texten handelt es sich um Beschlüsse aufgrund von Anträgen, die von
Magistraten (seltener von Privatpersonen) gestellt und dann im Rat und in
der Volksversammlung besprochen, kritisiere, ergänzt, geändert, abgelehnt
oder angenommen wurden. Wir besitzen heute nur das Endergebnis eines
Diskussionsprozesses. In. den meisten Fällen können wir aber gar nicht
wissen, ob es Widerstand oder Kritik gab, und wir werden auch niemals
erfahren, wie viele Anträge über Rituale tatsächlich abgelehnt wurden.
Selbst wenn die Anträge von der Volksversammlung angenommen wur
den, läßt sich der Grad der Akzeptanz nicht bestimmen. Oppositionen
sind schwer zu erahnen. Und in der Regel fehlen uns Hinweise
darauf
ob
die Mitglieder der Elite nur die Ansichten einer schweigenden Mehrheit
artikulierten oder eigene Ideen präsentierten. Ein gutes Beispiel ist die
mehrfach erwähnte Stiftungsinschrift der Dem ostheneia in Oinoanda
(SEG XXXVIII 1462). Die ursprüngliche Epangeleia des Demosthenes
erwähnt mit keinem Wort den Kaiser; erst der von der Gemeinde geneh
migte Text spricht von der Krone mit dem Bild des Kaisers und von der
Einbeziehung des Kaisers in das Fest.
56
4.
Divergenzen zwischen Ritualen des Götter- und des Kaiserkultes
Bei allen Konvergenzen fällt aber vor allem der Unterschied zu einer deut
lichen kaiserzeitlichen Tendenz in Richtung einer Verinnerlichung der Re
ligion auf, die sich in vielen Formen äußerte, z. B. im Singen von Hym nen,
in Aretalogien (Lobpreisungen der Götter), in Gebeten, in der Einwei
hung in Mysterien, in der persönlichen Frömmigkeit der Weihung, vor
allem aber in der Forderung nach einem reinen Herzen. Vereinzelt finden
auch im Kaiserkult diese Tendenzen ihren Niederschlag, etwa in der be
reits erwähnten Rolle der Hymnen.
55
CHANIOTIS 2002b und 2003a.
56
RO GE RS 1991.
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Der Kaiserkult im Osten des Römischen Reiches
19
Eine weitere Tendenz ist die Suche nach einem persönlichen Kontakt
zwischen Menschen und Gott . Dies wäre durch eine private Verehrung des
lebenden oder des toten Kaisers zu erreichen (Gebete, Gelübde, Weihun
gen),
aber dies scheint im Oste h des Reiches n u r eine geringe Be deutun g
besessen zu haben,
5 7
und dies unterscheidet den Kaiserkult etwa vom pri
vaten He rrsc her ku lt des Hellenismus, z. B. vo m sehr weit verbreiteten
privaten Kult Arsinoes.
58
U n d doch ha t jüngst F. Richa rd Ep itheta w ie
apobaterios embaterios
und
epibaterios
mit dem Schutz, den der lebende
Kaiser den Seeleuten gewähren sollte, in Verbindung gebracht.
59
Das
Wohlergehen des Kaisers wurde zumindest indirekt mit dem Wohlergehen
der Menschen assoziiert;
60
Mitglieder der Kaiserfamilie waren mit Eigen
schaften belegt, die auch im privaten Bereich das Leben der Menschen
positiv beein flußten (z. B. Kind ersegen ).
61
Auch Weihungen von Gegen
ständen an den lebenden Kaiser sind belegt, etwa in Pessinous, wo ein
anonymer Kaiser einem Mann erlaubte, ihm einen kleinen aus Gold und
Edelsteinen bestehenden Schatz zu weihen.
62
Die Person der Kaiser wurde
ferner anscheinend in Mysterienkulten mit einbezogen. Die Mitglieder ei
nes dionysischen Mystenvereins in Ephesos weihten eine Statue des Kai
sers Hadrian, der als Synthronos des Dionysos bezeichnet wird (SEG
XXVI 1272). Der Terminus
Sebastopbantes
impliziert auch die Existenz
von Mysterien des Kaisers.
63
In bezug auf das Gebet und das Gelübde kann man wohl nicht mehr
A. D. Nocks Ansicht folgen, daß Gebete (auch Opfer , Gelübde und Wei
hungen) keinen Bestandteil des Kaiserkultes darstellten
64
- eine Ansicht,
die jüngst wied er von D . Fishwick ve rtreten wu rde.
6 5
Von Gebeten und
Opfern spricht in eindeutiger Weise eine Inschrift aus Thyatteira.
66
Die
57
Vgl.
PRICE
1984a,
118-121.
Für den Westen s.
CLAUSS
1999, 413-419.
58
Für die private Verehrung der hellenistischen Herrscher s. CHANIOTIS 2003b.
Speziell zu Arsinoe s.
z. B.
MAIAISE
1994;
ANASTASSIADES
1998.
Für private Opfer
während der Prozessionen des Kaiserkultes s.
PRICE
1984a, 112.
59
RICHARD 1989. Zu diesen Epitheta
s,
z.
B.
OGIS
309;
IG IV
701;
I.Erythrai
60,
207.
60
S. z.
B.
die Weihung eines Altars an Zeus in Firanlar (Bithynien) für das Wohl
ergehen eines Kaisers (Elagabal?), aber auch für gute Ernte: SEG XXXVIII 1273.
61
S.z.B.
HABICHT
1996, 51-54;
CLAUSS
199,9, 342-353.
62
DEVREKER
1992,
25-26 (SEG XL II 1164, ca. 100 n. Chr.).
63
ROBERT 1960b, 321-322; PLEKET 1965; HERRMANN 1996, 340f.; CLAUSS 1999,
339-341.
. N O C K 1930, 14.
S.
aber PRICE 1984b, 91-93.
6 5
FISIIW ICK 1990.
66
IG R IV 1273 Z .
11-13:
pasas tos eis ton tbeofn fori] eis tous kyrious auto-
kraftoras] euchas
kai
thysias. Anders FISHWICK 1990,130.
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2
Angelos Chaniotis
Deutung zweier weiterer Zeugnisse ist problematischer. Eine Weihin
schrift aus Aizanoi berichtet von der Weihung eines Altars an Zeus Ana
dotes,
die Sebastoi Theoi und den Demos.
6 7
Die Weihung wird mit dem
Verb
kathieroo
zum Ausdruck gebracht und als
euche?
Gelübde oder Er
füllung von Gelübde, für das Wohlergehen des Zeuspriesters Ti. Claudius
Menogenes und seiner Familie bezeichnet. Wie in einem vorhin bespro
chenen Text (s. o. An m . 35) läßt sich hie r nich t eindeu tig sagen, o b das
Gelübde sowohl an Zeus Anadotes als auch an die Augusti adressiert war
oder ob nur Zeus der Adressat des Gelübdes war, die Augusti (und der
Demos) nur als Empfänger eines Geschenkes verstanden werden sollen;
daß die Augusti im Gelübde und dem Opfer eingeschlossen waren, scheint
zwar wahrscheinlicher, sicher ist es nicht. Problematisch ist auch ein Text
aus Pednelissos (SEG II 718, 2.Jh. n.Chr.) . Ein Priester des Zeus und
Prothytes der August i weihte zusammen mit se iner Frau Hadrian und
dem Demos 200 denarii als euche. Da auch in diesem Fall der Empfänger
der Demos und der Kaiser ist, hat vielleicht hier das Wort euche nicht die
Bedeutung »Gelübde«, sondern bezeichnet möglicherweise eine Epangelia
- das Versprechen eines Geschenkes -, vielleicht als summa bonoraria für
die Bekleidung des Priesteramtes.
68
Auch wenn letztere Zeugnisse als Gelübde an die vergöttlichten Kaiser
verstanden werden sollten, sind sie nicht zahlreich und scheinen eher eine
Randerscheinung im Kaiserkult widerzuspiegeln. Ein anderer wichtiger
Bestandteil der Rituale für die Götter, der in der Kaiserzeit nicht an Be
deutung verloren hatte, war die kultische Reinheit, wie dies aus zahlrei
chen Kultgesetzen hervorgeht. Die kultische Reinheit scheint jedoch für
den Kaiserkult ebenso völlig bedeutungslos gewesen zu sein wie die For
derung nach einem reinen Sinn.
69
5. Eine wei te re » inconsis tency in Greek and Roman re l ig ion«
Wenn man den Kaiserkult in seine einzelnen Bestandteile zerlegt und sie
separat betrachtet, stellt man mit wenigen Ausnahmen fest, daß er zum
Teil traditionelle Rituale übernahm (Prozession, Opfer, Agon), zum Teil
den kaiserzeitlichen Tendenzen der Gestaltung von Ritualen entsprach
67
W öiuu x 1995, 68-75 (SEG XLV 1719): efujcben.. kathierosanton... anetheken.
68
Vgl FISHWICK 1990, 123.
69
Zur Verbreitung der Idee einer Reinheit des Sinnes vor allem in der Kaiser zeit
s. CHANIOTIS 1997C.
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Der Kaiserkult
im
Osten des Römischen Reiches
21
(Ästhetisierung, Rolle für die Akkulturation der Jugend, wachsende Be
deutung der performativen Ritualtexte). Auch das einschlägige Vokabular
der Kaiserverehrung weist Ähnlichkeiten zum geläufigen Vokabular der
griechischen Rituale und des griechischen Götterglaubens auf (etwa Be
griffe wie tbysia^ bomos^ eusebeia usw.).
70
Ein wichtiger Aspekt des ideo
logischen Hintergrunds des Kaiserkultes - das Prinzip des do ut des -
findet man sowohl in der griechischen Weihungspraxis als auch im helle
nistischen Herrscherkult wieder.
71
Schließlich wird die enge Verwandt
schaft des Kaiserkultes mit den religiösen Traditionen der Göttervereh
rung auch durch die Assimilation von Mitgliedern der kaiserlichen Familie
an einzelne Götter betont (z. B. des Augustus an Zeus Eleutherios, Zeus
Patroos und Apollon, des Caius Caesar an Ares, des Claudius an Zeus
Megistos, des Nero an Apollon, der Agrippina an Demeter Karpophoros,
des Hadrian an Zeus Dodonaios, Zeus Olympios Soter Ktistes, des An-
toninus Pius an Zeus Eleutherios usw.).
Macht all dies die Rituale des Kaiserkultes zu Bestandteilen von Reli
gion? Ist die eusebeia gegenüber dem Kaiser mit der Frömmigkeit gegen
über den traditionellen Göttern und der Gottesfurcht identisch, nur weil
das gleiche Wort verwendet wird? Hier sind Verallgemeinerungen nicht
zulässig. Die ambivalente Haltung gegenüber dem Kaiserkult im griechi
schen Osten wird vielleicht am besten durch eine vor kurzem veröffent
lichte Inschrift aus loulis verdeutlicht:
72
Es handelt sich um eine Weihung
an die olympischen Götter und an die Theoi Sebastoi (d. h. Augustus und
Livia) für das Wohlergehen des Augustus. Augustus erscheint hier also als
jener der zugleich beschützt werden und (als Empfänger der Weihung)
beschützen soll. Dies ist für uns befremdend. Befremdend ist auch, daß ein
Tieropfer mal an einen Kaiser und mal (eigentlich viel öfter) für einen
Kaiser dargebracht wird (s. o. Anm. 3Q. All dies erweckt den Eindruck,
daß bei aller äußeren Ähnlichkeit und Parallelität der Götterkult und die
Verehrung der Kaiser nichts miteinander zu tun haben. Und doch wäre
dieser Eindruck m. E. falsch. Es is t' irreführend, wenn wir uns auf die
Diskrepanzen innerhalb des Kaiserkultes konzentrieren, ohne die Dis
krepanzen innerhalb des griechischen Kultes zur Kenntnis zu nehmen. Ich
gebe nur wenige Beispiele. Zahllose Menschen sprachen ein Gelübde und
flehten die Götter um Hilfe an, offenbar, weil sie an ihre Macht glaubten.
70
S.
z.B.
PRICE
1984b.
71
Weihungspraxis:
GROTTANELLI
1991;
hellenistischer Herrscherkult:
CHANIO-
TIS
2003 b; Kaiserkult:
PRICE
1984a, 65-77 (»a system of exchange«).
S.
auch
STE
VENSON 1996.
72
ZOUMBAKI
-
MENDONI
1998 (SEG XLVIII1129).
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Angelos Chaaioris
Und doch erfahren w ir aus den Heiluiigswundern von Epidauros oder aus
vielen Beichtinschriften, daß viele von ihnen gerade nach der Erfüllung
ihres Wunsches das versprochene Weihgeschenk nicht darbrachten, also
die Macht der Götter geringschätzten.
73
Menschen erbauten Gräber für die
Verstorbenen und brachten Totenspenden dar, und doch schrieben viele
auf die Grabsteine Texte, in denen sie dem Toten eine jede Existenz nach
dem Tod verneinende Äußerung in den Mund legten/
4
Diskrepanzen und
manchmal gezielte Viel- und Zweideutigkeiten sind keine Exklusivität des
Kaiserkultes. Sie sind Aspekte einer nicht gestifteten, auf der lokalen
Ebene praktizierten und vom Mangel einheitlicher N orm en charakterisier
ten Religion. Henk Versnel hat vielfach auf dieses Phänomen hingewie
sen/
5
Auch das Paradoxon der. sterblichen Göttlichkeit gehört zu den
Diskrepanzen, mit denen uns die griechische Kultpraxis konfrontiert.
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1363. S. auch
LATTIMORE
1942,
74-78; CHANIOTIS
2000,160
mit Anm 4-5.
75
VERSNEL 1990 und 1994.
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Der Kaiser-Eid
Zur Praxis der römischen Herrscherverehrung
von
H UB E RT CANCIK
§ 1 iurandae arae von Horaz zu Lucan
Im Jahre 14 oder 13 v. C hn schickt Ho raz eine poetische Epistel an den
Kaiser Au gustus. D arin schreibt er:
1
Praesenti tibi maturos largimur honores
Iurandasque tuum per numen ponimus aras,
Nil oriturum alias, nil ortum tale fatentes.
Das soll bedeuten:
>Reichlich und rechtzeitig erweisen wir dir Ehrungen, während du noch auf
Erden gegenwärtig bist, nicht
erst
nach deinem Tode, wie es für Romulus, Liber,
Castor und Pollux getan wurde.
2
Und wir stellen Altäre auf, an denen man bei
deinem Namen schwören kann muß). Dabei ..bekennen wir öffentlich, daß
nichts Derartiges wie dein Num en)
niem ls
und nirgends aufgehen wird, nichts
Derartiges aufgegangen ist.<
Drei kultische Akte nennt der Dichter:
a) die Markierung des sakralen Raumes und die Bereitstellung des Kult
geräts Altar);
b) einen Ritu s am Altar Schwur);
c) das Bekenntnis zu dem Einzigartigen.
Der Ritus, den Horaz heraushebt, ist nicht Gebet, Gelübde oder Opfer,
sondern Schwören bei dem Numen des Augustus. Die genaue Bezeich
nung des Schwurgottes war gewiß auf dem Altar eingeschrieben; eine Sta
tue beim Altar ist möglich, aber nicht notwendig.
1
HORAZ,
epist. 2,1,15-17.
2
Diese Beispiele sind genannt in 2,1,5.
8/19/2019 Hubert Cancik, Konrad Hitzl, Hrgs. (2003). Die Praxis Der Herrscherverehrung in Rom Und Seinen Provinzen. Tübin…
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3
Hubert Cancik
So hat das Volk von Rom nach der Ermordung Caesars, des Diktators,
auf dem Forum eine Säule errichtet und darauf Parenti Patriae geschrie
ben. Bei dieser Säule, berich tet Su eton, hat das Volk geopfert, Ge lübd e
abgelegt und »gewisse Streitigkeiten geschlichtet, wobei der Eid >bei Cae
sar geleistet wurde«.
3
Der Kaisereid gehört also zur Praxis des Herr
scherkultes.
Weshalb beschränkt Horaz sich auf den Schwur? Warum schwört er bei
dem Numen und nicht bei dem Genius oder der Salus des Princeps? Wel
che Altäre meint Horaz? Was bedeutet das Bekenntnis?
a) Den frühesten Altar für das Numen Augusti , der mir bekannt ist , hat
Tiberius in Rom aufgestellt, zwischen 5 und 10 n. Chr.
4
Auf dem Forum
zu Narbo wird 12/13 n. Chr. eine Ära Numinis Augusti aufgestell t .
5
Beides ist ohne Verbindung zu Horaz- Doch ist numen bei Horaz viel
leicht nicht Kultname stricto sensu, sondern eine gehobene Bezeichnung
für >götcliches Wesen und Wirken<. Dann könnte man an die Ära Pacis
Augustae denken, die im Sommer 13 v. Chr. beschlossen wurde,
6
und an
den C om pital-Ku lt , den Au gus tus im Jah re 12 v. Chr. , in seinem ersten
Jahr als pontifex maximus eingeführt hat.
7
Mehrere Altäre für Laren und
Genius des Kaisers sind erhalten/ Falls die Abfassung der horazischen
Epistel auf 14/13 sicher datiert ist, dürfte, man sie als Zeugnis für die
Planung des Compita lkul tes werten.
9
3
SUETON, Iulius 85: postea plebs) solidam columnam [...Jinforo statuit inscrip-
sitque >parenti
patriae<.
apud eam longo tempore saaificare vota suscipere con-
troversias quasdam interposito per Caesarem iure iurando distrahere perseveravit.
4
Die
Fasti
Praenestini datieren die Weihung der
ara numinis Augusti
auf den
17.
Januar des Jahres
n. Chr.
(EHRENBERG-JONES,
1976,46), der Text ist allerdingsstark ergänzt:...
immolant nfumini Augusti ad ajram quam
dedicaverat TL
Caesar.
s
ILS 112 (EHRENBERG-JONES, 1976, 85 f.), beschlossen am
10.
August 7 n. Chr.
Die Dedikationsformel nennt ausdrücklich das
numen Augusti.
6
AUGUSTUS,
Monumentum Ancyranum cap. 12; Einweihung: 9 v. Chr. VgL
HORAZ, C 4,15.
7
G.
NIEBLING,
Laribus Augusus magistri
primi.
D er Beginn des Compitalkultes
der Lares und des Genius Augusti, in: Historia 5 (1956) 303-331; zur Datierung
von Hör. ep. 2,1: 330 f.
8
Rom, Vatikan. Museen: HELBIG I nr.255; nr. 83: Lares Augusti und Genii
Caesarum.
9
Die Datierung beruht auf 2,1,253 f. (Unterwerfung der Alpenvölker durch
Drusus und Tiberius, 15-14 v. Chr.); vgl. Anm.
7.
- Bei HERSMANN, 1968, ist die
Horazstelle nicht behandelt. Wohl auszuschließen sind private Altäre, wie sie bei
H O R A Z ,
c
4,5,34 f. genannt sind: ... et Laribus tuum miscet numen. Die Annahme
von
WEINSTOCK (1971,
213), Horaz bezeuge einen tatsächlichen »Versuch«, einen
offiziellen Titel »Numen AuzustU zu schaffen, scheint mir nicht bewiesen.
8/19/2019 Hubert Cancik, Konrad Hitzl, Hrgs. (2003). Die Praxis Der Herrscherverehrung in Rom Und Seinen Provinzen. Tübin…
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Der Kaisereid
31
b) Zur Ehre der Altäre wird Aug ustus erhoben, aber auch die Aufnah
me unter
die
Schwurgötcer
ist
eine hohe Ehre. Augustus wird Zeuge, Bür
ge,
Richter der Verpflichtung, die der Schwörende übernimmt, und Voll
strecker
des
Fluches,
den der
M eineidige über sich bringt.
Die
Götter
schwören
bei der
Styx, denn
sie ist
»das Älteste
und
Teuerste«.
10
Kaiser
Claudius schätzte die Kaiserin Livia, seine Großmutter, so hoch, daß er
den Frauen gebot, ihren Namen als Eid zu nehmen.
11
Die Juden in Ale-
xandrien dagegen ehrten
den
Kaiser C aius Caligula w eder durch Stand
bilder noc h dadu rch, daß sie seinen N am en im Schwur gebrauchten.
12
Sol
che Leute werden bestraft:
13
quod numquam
per
genium suum deierassent.
Der öffentliche Schwur enthält
ein
>Bekenntnis<
zu
dem Kaiser und kann
als Mittel
zur
Kontrolle gebraucht werden.
c) Horaz legt in oder nach seinem Schwur ein überwältigendes >Be-
kenntnis<
ab. Er
muß
die
E inzigartigkeit
des
N um en Augusti anerkennen
und öffentlich bekannt machen fateri).
1
* Dazu hilft ihm ein Polyptoton,
die asyndetische Gemination und das Hysteron-Proteron - alles in einem
Vers. Weder nach Qualität tale) noch in Raum oder Zeit alias) kommt
irgendetwas diesem Numen gleich. Nur an die Gestirne soll man denken -
ihre Größe, Höhe, ihren Glanz, an die Sonne zumal. Weil sie alles sieht,
wird sie so oft als Schwurgottheit angerufen. Die Sonne ist auch Bild des
allsehenden Herrschers.
15
Sein Amtsantritt am Jahresanfang ist wie der
Aufgang der Sonne. Der Herrscher strahlt zusammen mit dem großen
Gestirn. Er glänzt sogar noch heller als dieses und ist größer am Himm el
als das frühe Morgenrot:
16
10
ARISTOTELES,
Metaphysik
1 3
983b
ff.; vgl.
HESIOO,
Theogonie
385 ff.;
SER-
VIUS, ad Aen. 6 134; vgl. H IRZ E L , 1902 15.
11
CASSIUS D IO 60,5. Vgl. SUETON, Claudius 11,2:.. .
ins
iurandum neque sanctias
sibi neque crebnus instituit quam
per
Augustum.
Vgl. CANCIK, 1996.
12
JOSEPHUS, antiquitates Iudaicae
18,8,1.
'
13
SUETON, Caligula
27,3:
Caligula selbst schwört bei dem numen Drusillae, sei
ner Schwester (SUFH Cal. 24,2).
14
fateor häufig in der Gerichtssprache, auch das erzwungene Geständnis; vgl.
ÖJIOAO^SIV,
öiioXoyixx
15
A.
A U Ö I D I ,
Die
monarchische Repräsentation
im
römischen Kaiserreiche.
(1934; 1935),
3
1970, 257ff. (zur Strahleakrone).
16
STATTJS, Silve 4,1,3
U vgl.
1,1,103; vg l. VERGIL, Aeneis 12,162
ff.
(König Lati-
nus); HORAZ, c. 4,5,5 ff.; MARTIAL 4,1,4. Statius benutzt die Topik des Herrscher
lobes und
Herrscherkultes; eine direkte Abhängigkeit
von
Horaz (FR. VOIOLWER,
z. St.) ist nicht anzunehmen. Hier besteht ein religiöses Konnnuum, keine litera
rische Abhängigkeit.
8/19/2019 Hubert Cancik, Konrad Hitzl, Hrgs. (2003). Die Praxis Der Herrscherverehrung in Rom Und Seinen Provinzen. Tübin…
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3
Hubert Cancik
atque orimr cum sole novo, cum grandibus astris,
clarius ipse nitens et primo maior Eöo.
Die abundierende Bildersprache dieser Verse verrät einen schwächeren
Dichter und meint einen schlechteren Kaiser. Horaz ist knapp und meint
Augustus. Aber das Bild von der Sonne und die Hyperbolik der >AU<- und
>Einzig<-Prädikationen sind gleich. Die republikanische Opposition in
Rom hat, lange vor den Chrisdanern, dieses Ritual und seine Bildersprache
durchschaut; noch zur Zeit Neros wagt sie zu bekennen:
17
Die Bürgerkriege sind es, welche die vergöttlichten Herrscher den Himmlischen
gleichstellen werden. Roma wird die Manen (der verstorbenen Herrscher) mit
Blitzen ausstaffieren, mit (Sonnen-)Strahlen und Sternen, in den Tempeln der
Götter wird Roma bei den Schatten (der toten Kaiser) schwören.<
Bella pares superis facient civilia divos:
fulminibus Manes radiisque ornabit et astris
inque deum templis iurabit Roma per umbras.
Auch Lucan nennt nur den Schwur als Ritual: offenbar ist der Kaisereid
ein besonders signifikanter Kultakt im römischen Herrscherkult.
Einige nicht-literarische Beispiele mögen diese kultische Praxis erhellen.
Dabei werden Antworten gesucht auf die folgenden Fragen: Welche Be
deutung haben die Schwüre von Bürgern und Beamten bei, für, auf den
Kaiser in der Praxis des Herrscherkults? Sind es nur äußerliche »Loyali
tätsakte« (W issowa)? W ie verband s ich der Kaiser eid mit anderen R iten
und Göttern? Welche Emotionen, welche >Bindung<> welches >Band< vin-
culum) zwischen Herrscher und Bürgern (Untertanen) erzeugte oder ver
stärkte der Kaisereid?
§ 2 »das gan ze Leb en«
§ 2J D er Eid von Pbazimon-Gangra Papblagonia/Galatia),
6. 3. 3 v. Chr.
1.
Der früheste vollständig erhaltene Treue-Eid für Augustus stammt aus
Gangra in Paphlagonien, dem nördlichen Distrikt der Provinz Galatia.
18
17
LUCAN
7,457-459. - VgL den Eid, den Laelius, der Primipilus, seinem Caesar
bei Lucan leistet (1,373-386): Verwandtenmord, Zerstörung von Tempeln, ja Zer
störung von Rom verspricht er seinem Feldherrn (Hinweis von M. Peppel).
l
* Text
EHMNBERG-JONES,
1976, nr.
315; HEKÄMANN,
1968,95 ff. Die Datierung
des Eides von Samos ist unsicher (6 ,5 oder 2 v. Chr.); der Wortlaut des Eides selbst
ist nicht erhalten.
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Der Kaisereid
33
Diese Provinz wurde 25 v.Chr. eingerichtet; das ehemalige Königreich
Paphlagon ien w urd e wo hl 6/5 v. Ch r. hinzugefügt.
19
Diese Verwaltungs
maßnahme war wohl der Anlaß für die Vereidigung der Bevölkerung. Das
Datum der Vereidigung ist in der Inschrift sorgfältig dokumentiert: vom
12. Co nsulatsjahr des Aug ustus (1. Januar -
31.
De zem ber 5 v. Ch r.) ab ,
im dritten Jahr der lokalen paphlagonischen, nicht der galatischen Ära,
»am Tag vor den märzlichen Nonen«. Die Wahl des Tages und die latini
sierende Datumsangabe zeigen einen Kenner des römischen Kalenders in
Paphlago nien. A m 6. M ärz des Jahres 12 v. C hr . war Au gustu s z u m
pon-
tifex maximus
gewählt wo rden . Mehrere Ferialia erinnern an diesen Tag.
20
Das Zeitmuster der Datierung aus römischem Consulat , paphlagonischer
Ära und römischem Feriale ist ein Indikator für die religionsgeschichtliche
Situation des Textes und des Ereignisses, das er berichtet. Der Eid wird
abgenommen beim Altar des Sebastos und zwar in speziellen Kaiserkult
stätten , den Sebasteia der Stadt u n d - erstaunlicherweise - in den Seba-
steien der (Unter-)Bezirke des Distrikts.
2 1
Ein Bild des Sebastos, und sei es
nur gemalt , wird man bei dem Altar erwarten dürfen. Die anderen
Schwurgötter - Himmel, Erde, Sonne - sind allgemein praesent und be
dürfen keiner bildlichen Darstellung. Eine
supplicatio ture acvino
w ird auf
dem Altar verrichtet worden sein. »Alle«, so wird betont, wurden erfaßt,
und alle schworen denselben Eid; ob einzeln, in Gruppen oder durch Re-
praesentanten, wird nicht gesagt. Dieser Vorgang lehrt, wie schnell, wie
breit, wie umfassend Kaiserkult auch in erst neu erworbenen Gebieten
eingeführt we rden ko nn te, u n d zwar nich t .spontan, lokal, du rch ung e-
plante Diffusion, sondern offensichtlich zentral gelenkt.
22
Wurden auch
andere römische Neuerwerbungen in dieser Form vereidigt? Blieb der
6. M är z >Nationa]feiertag< vo n Pap hlag on ien, ggf. m it jährlic her E rn eu e
rung des Eides?
2. Geschw oren wi rd bei den t radi tionellen Eidgöt tern: Zeu s, Erde, Son
ne,
bei allen männlichen und weiblichen Gottheiten und bei dem Sebastos
selbst. Er steht zwar als letzter, aber ohne jede Unterscheidung bei den
19
Zur Geschichte der schon aus hethitischen Texten bekannten Region (heth,
Pala) vgL
CH. MAEZK,
Stadt, Ära und Territorium in Pontus-Bithynia und Nord-
Galatia, 1993.
20
eriale Maffeianurriy
Cumanum
Praenestinum;
fastz
Cuprenses.
In Praeneste
machen die
duoviri
ein Opfer,
d s
Volk ist bekränzt und hat /e rä e; vg l OVI D, fast.
3,419 ff.
21
Diese Ortsangaben sind stark ergänzt Die Angabe der Präambel (»in Gangra
auf [der] A[goraj«) ist ebenfalls stark ergänzt.
22
Welche Zentrale(n) an der Ausrichtung der Eidesleistung beteiligt war(en), ist
in der Inschrift nicht angegeben.
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34
Hubert Cancik
großen Gottheiten. Die Paphlagonier und die daselbst tätigen Römer ver
sprechen
eunoia
(>guten Sinn, Wohlwollen, Zuneigung<) dem Kaiser und
seinen Nachkommen: der dynastische Gedanke ist also bereits fest. Sie
verfluchen sich selbst für den Fall des Eidbruchs: ihren Körper, die Seele,
das eigene Leben und das ihrer Kinder und ihres ganzen Geschlechtes,
Sippenhaf t also .
Die verbale Inszenierung von Versprechen und Verfluchen ist formal
und semantisch sehr stark Durch Reihenbildung oder polare Doppelung
wird Lückenlosigkeit, Unentrinnbarkeit, Intensität, Steigerung vermittelt:
(a) verfolgen und abwehren, mit Waffen und mit Eisen, über Land und
Meer;
(b) treu sein mit Wort, Werk, Gedanken; mit Leib und Seele; selbst und
Kinder und Nachkommen;
(c) einschreiten gegen den, der feindlich spricht, plant oder handelt.
Variierende Wiederholung klingt wie Schadenszauber: £^6Xa.av
KOCI
7tocv62iSiocv - »Vernichtung un d Ganzvernichtung bis zu meiner ganzen
Nachfolgerschaft und allen von mir«, ruft der Schwören de auf sich herab.
Der Schwur erfaßt Äußeres und Inneres, auch die Seele, den Logos, die
Einsicht, eben >Alles<. Hier wird mehr verlangt als nur äußere Konformität
und Loyalität; verlangt wird >Hingabe< der ganzen Person, existentielle
Bindung<, und dies »auf jede Art und Weise« und für »das gesamte Le
ben«, Elfmal wird in diesem kurzen Text das Wörtchen iz<xc/n(xv ge
braucht. Der Kaisereid verlangt von allen alles auf jegliche Weise, und dies
nicht etwa in einer Notsituation, in großer Gefahr und kriegerischer Be
drängnis, sondern mitten im augusteischen Frieden. Ist das Loyalitätsre
ligion? Welcher antike Gott verlangt so viel commitment?
23
2 .2 Der Eid von Aritium Lusitania, 37 n. Chr.)
1.
Die Einschwörung ganzer Provinzen wurde vereinzelt in der späten
Republik insbesondere in militärischer Notlage vorgenommen,
24
in gro
ßem Stil zum ersten Mal von Octavian im Jahre 32 v. Chr., als der Konflikt
mit Antonius unbeherrschbar wurde:
25
25
Die nächsten Parallelen stehen in Texten der Zauberer, dionysischer Religio
sität, orientalischer Religionen, etwa in den Hymnen und Gebeten bei
APULEIUS,
Met. XI. Totale oder weitgehende >Hingabe< in einem religiösen Dienst gibt es im
Kult der Kybele oder der Vesta.
24
CAESAR,
BG 7,1; BCiv. 2,18,5; 3,102,2.
25
AUGUSTUS,
Mon. Ancyr. cap .25; auch die griechische Fassung ist erhalten. -
VgL
SUETON,
Aug. 17,2;
CASSIUS D I O
50,6,6. Nach dem Sieg von Actium wurden
auch die östlichen Provinzen vereidigt
HERRMANN,
1968, 7S ff.
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Der Kaisereid
35
iuravit in mea verba tota Italia sponte sua ... iuraverunt in eadem verba provio-
ciae Galliae, Hispaoiae, Africa, Sicilia, Sardinia.
Dieser Eid wurde, so der Konsens der Forschung, normalisiert zum Treu
eid aller Bürger bei jeder Accession eines neuen Kaisers. Ob dieser Eid
jährlich nur von allen Beamten oder auch von den Senatoren, den Militärs
und (Teilen) der Bevölkerung erneuert wurde, ist unklar.
26
Nach dem Tode des Augustus schwören als erste die Consuln in verba
Tiberii^
so Tacitus, dann die Praefekten der Praetorianer und der Annona,
»bald darauf Senat und Militär und das Volk<e
27
Später beantragt Messalla,
»den Eid auf den Namen Tiberius jährlich zu erneuern«:
28
per annos re-
novandztm sacramentum in nomen Tiberiü
Dieser allgemeine Kaisereid zur Accession und, möglicherweise, zum
jährlichen Gedächtnis ist literarisch und epigraphisch nur selten belegt.
Ein vollständiges Form ular ist m. W . nur für die Thronb esteigung des
C.
Caesar Germ anicus (Caligula; 18. 3. 37) bekannt, un d zw ar erfreuli
cherweise aus dem Westen und aus dem Osten des Imperium, in einer
lateinischen Fassung aus Aritium (Lusitania) und einer griechischen aus
Assos (Asia). Die beiden Fassungen zeigen einen einheitlichen Kern und
deutliche lokale Differenzierungen, also Reichsreligion mit provinziellen
Variationen. Auch die Stadt Akraiphiai (Boiotien) hat diesen Eid abgelegt,
und zwar durch einen Repräsentanten vor der Versammlung des Koinon
der Achaier, Boioter, Lokrer, Euboier und Phoker. Dabei war der römi
sche Statthalter anwesend.
29
Offenbar haben zuvor die Bürger von Akrai
phiai den Eid in Anwesenheit ihres Repraesentanten Epaminondas abge
legt
2.
Die Bürger von Aritium im fernen Lusitanien schwören bereits am
11.
5. 37, also we niger als zwei M onate nach de m Regierungsantritt des
Kaisers Caligula.
30
Der Vorgang ist nach Zeit, Ort und beteiligten Amts
personen dokumentiert Der Legat Caligulas, der das Verfahren wohl für
die ganze Provinz organisiert haben dürfte, ist genannt und zwei lokale
magistri^ die in Aritiu m tätig wur den . Die Bürger, offenbar alles Röm er
*
HERRMANN,
1968, 107-110.
27
TACITUS,
ann. 1,7,2. Vg 1,34,1: Germanicus schwört die ävitates Belgicae auf
Tiberius ein.
28
TAC.
ann. 8,4.
29
IG VII 2711,3 ff.;
HERRMANN,
1968, 106. Für Hinweise zu dieser Stelle danke
ich Dr. Aonette Hupfloher.
50
Text CIL II 172;
HERRMANN,
1968, 122. Einen Grund für die Wahl dieses
Tages habe ich nicht gefunden; vgl. die N otizen über die begeisterte Reaktion der
Provinzen auf Caligulas Regierungsantritt:
SUETON,
Caligula 13-15.
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36
Hubert Cancik
lateinischer Zunge, schwören nicht bei Himmel, Sonne, Erde, sondern bei
ihrem Staatsgott und dem Gründer der Dynastie, also bei Iuppiter Opti-
mus Maximus, Divus Augustus und »allen übrigen Göttern«. Eine lokale
Gottheit ist nicht beteiligt, die Lokalität nur allgemein angegeben: »in der
alten Stadt«. Die Bürger versprechen, die Feinde des Kaisers zu verfolgen
»zu Land und Meer«, auch die feindliche Gesinnung ist verboten. Was im
Eid vo n Gangra ein umfassendes W ohlwo llen ( s w o i a ) hieß, wird im For
mular von Aritium umschrieben:
»und nicht werde ich mich oder meine Kinder für lieber/teurer halten als das
Heil des Kaisers«
neque me neque liberos meos eius salute cariores babebo.
Der Fluch soll den Meineidigen treffen und seine Kinder. Dieser Teil der
Schwurformel ist sogar literarisch überliefert. Caligula hat, so Sueton, die
Nafnen seiner Schw estern in alle Eide eingefüg t; der Schwur sollte lauten:
31
neque me liberosque meos cariores babebo quam Gaium babeo et sorores eius
»und nicht werde ich mich und meine Kinder lieber haben als Gaius und seine
Schwestern«.
Diese Fassung von Sippenhaft und Geschlechterfluch zeigt deutlicher als
der Eid von Gangra, wie der Kaisereid menschliche Basistriebe, Selbstlie
be, Kinderliebe, Selbsterhaltungstrieb, auf den Herrscher >überträgt<. Die
familialen Beziehungen werden umgepolt und dienen der psychischen
Bindung an den Herrscher als >XJbervater<. Der Schwur ist die religiöse,
explizite Form dieser >Übertragung<.
§ 23 Der Eid von
A o
Asia, 37 n. Chr.)
Ein dritter Text - von wieviel hunderten? - bezeugt den Bürgereid zum
Herrschaftsantritt Caligulas für eine dritte Provinz. Die Bürgerschaft von
Assos in der Provinz Asia schwört an einem nicht genannten Tag des
Jahres 37 n. Chr.
32
dem Kaiser und seinem Hause >gute Gesinnung< und
die rechte Untersche idung vo n Freund u nd F eind. Schwurgötter sind Zeus
31
SOTTON,
Caligula 15,3: de sororibus auctor
ftdt
ut Omnibus sacramentis ad-
icerentur.
- In der Inschrift von Aritium ist das zweite
neque
ergänzt;
liberosque
wäre leichter. - Die Einbeziehung von Kindern, Nachkommen und Sippschaft in
den Eid ist früh und oft bezeugt: Pythisches Orakel bei
HERODOT
6,86 (Horkos
kommt aus der Unterwelt und vertilgt das ganze Geschlecht und das ganze Haus
des Meineidigen); Lrvius 10,38 (Eid der samnitischen legio Imteata mit exsecratio
capitis famüiaeque
et stirpis); Lrv, 22,53,19 (Scipio nach Cannae, 216 v. Chr.).
32
Texc
HERRMANN,
1968, 123.
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Der Kaisereid
37
Soter, Caesar Au gus tus u nd Ath ene , »die väterliche, reine Parthenos «. D er
Eid ist kürzer als die von Gangra und Arit ium. Die Nennung der Stadt
göttin unter den Schwurgöttern zeigt städtisches Selbstbewußtsein. Keine
Sippenhaftung, kein Geschlechterfluch, sogar das Wort >Fluch< ist gemie
den: »Wenn wir gut schwören, soll es uns gut sein, wenn wir aber mein
eidig werden, das Gegenteil«.
Alle fromme Erregung ist verlagert in einen Beschluß des Rates und
Volkes von Assos und der daselbst tätigen Römer. Der Beschluß ist zu
sammen mit dem Eid dokumentiert:
>Da der von allen Menschen erhoffte Regierungsantritt des Gaius jetzt vermeldet
wurde, da der Kosmos darob kein Maß für seine Freude gefunden hat, da jetzt
jede Stadt und jedes Volk zur Anschauung des neuen) Gottes nach Rom geeilt
ist, wurde beschlossen, eine Gesandtschaft der ersten und besten der Röm er und
Hellenen nach Rom zu entsenden; sie soll dort die Freude der Stadt kundtun
und den Kaiser an den Besuch erinnern, den er mit seinem Vater Germanicus
einst der Stadt Assos abgestattet, und an die Versprechungen, die damals abge
geben wurden.«*
33
Viele Emotionen werden geweckt, die Ttöcv-Formeln zeigen die universale,
ja kosmische Bedeutung des Regierungswechsels in Rom: aller Menschen
Gebet und Hoffnung wird jetzt erfüllt; jede Stadt, jedes Volk macht sich
auf, den neuen Gott zu sehen,
34
ein
sü es
Leb en be gin nt für die ganze
Menschheit; der Kosmos kann die übergroße Freude nicht fassen.
Natürlich ist das rhetorisch, übertr ieben, selbst ohne Maß. Dennoch
sind diese Formeln nicht ohne Wirkung auf die Einstellung, das Gemüt,
die Phantasie der Untertanen. Welcher andere Kult hat in dieser Weise
Emo tionen geweckt, formiert, in symbo lische Han dlu ng en umg esetzt?
35
D er Tag w u rd e wahrsche inlich als Jahresfest eingerichtet, dessen religiöser
Kern die
renovatio sacramenti
gewesen sein kö nn te. Jedenfalls feiert in der
Nachbarprovinz Bithynia der proconsularische Legat Plinius Secundus am
28. Jan ua r öffentlich de n
dies imperii
seines Kaisers Traian, wohl im Jahre
33
Der Besuch fand während der Tätigkeit des Germanicus im Osten statt,
1.
Ja
nuar 8 bis
10.
Oktober
19.
Der Bezug auf dieses Ereignis ist ein weiteres Indiz für
das Selbstbewußtsein dieser uralten Stadt.
34
VgL die Erzählung von den drei >Weisen aus dem Morgenlande«: Mt 2 und die
Liturgie des Festes Epiphanie; vgl. auch
die
Prophezeiungen von der Wallfahrt aller
Völker zum Zion.
35
VgL im Rahmen des Herrscherkultes u. a. die Dokumente aus Priene, Apamea,
Eumeneia, Dorvlaeum zu einer neuen »Ordnung der Zeit« in der Provinz Asü, 9
v. Chr. OG IS
458;
EHRENBERG-JONES,
1976,
nr.
98).
Für die graeco-orientalischen
Kulte
s i
wiederum auf APULEIUS, M et. XI verwiesen.
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38
Hubert Cancik
112 n. Chr., also imm erhin noc h ca. 15 Jahre nach dem Herrschaftsantritt
des Kaisers 28. 1. 98). Er meldet den V ollzug nach Rom :
36
»Den Tag, Herr, an dem du das Imperium dadurch gerettet hast, daß du es
übernommen hast, haben wir mit so großer Freude gefeiert, wie du es verdienst.
Wir haben zu den Göttern gebetet, daß sie dich dem Menschengeschlecht, des
sen Schutz und, Sicherheit auf deinem Heil beruht, unversehrt und in Blüte
erhalten. Ich habe auch den Kommilitonen den Eid nach feierlicher Sitce vorge
sprochen, wobei die Provinzialen voll Eifer mit derselben Frömmigkeit den Eid
schworen.«
Der Kaiser bedankt sich mit einem Satze klassischen Lateins und schließt
so den Kreislauf zwischen Zentrale und Peripherie; er schreibt:
»Gern, mein liebster Plinius) Secundus, habe ich aus deinem Schreiben erkannt,
mit wie großer Religion und Freude die Kommilitonen zusammen mit den Pro
vinzialen unter deiner Anleitung meinen
dies imperii
gefeiert haben.«
Plinius: Diem, domine, quo servasti imperium, dum suscipis, quanta mereris
laetitia celebravimus, precati deos ut te generi humano, cuius tutela et securitas
saluti tuae innisa est, incolumem, florentem praestarent. Praeivimus et commi-
Ktonibus ius iurandum more solenini eadem provincialibus certatim pietate iu-
rantibus.
Traian: Quanta religione et laetitia commilitones cum provincialibus te prae-
eunte diem imperii mei celebraverint, Kbenter, mi Secunde carissime, agnovi
Etteris tuis.
A uc h hier dürfte der Herrschaftsantritt des Kaisers und der erste Schwur
auf seine Person von den Einwohnern der Provinz und den damals dort
tätigen Kommilitonen erinnert worden sein. Ebenso wie der Notenwech
sel zwischen Traian und seinem Legaten in Bithynien realisiert die Wall
fahrt der Assier nach Rom die ideelle Verbindung von Peripherie und
Zentrale durch das Medium der Religion. Die Dokumentation dieser
Wallfahrt durch eine Inschrift in Assos signalisiert und erinnert diesen
Austausch lapidar, in dauerhafter Form. Die Gesandtschaft hat »im Na
men der Stadt« Assos in Rom zum kapitolinischen Zeus gebetet und ihm
geopfert, vielleicht sogar in der
area Capitolina;
vielleicht hat sie ihre Tä
tigkeit auch durch eine Inschrift auf dem Capitol dokumentiert.
37
Es fällt
auf, daß die Assier nichts von der erhofften Audienz und dem Anblick des
neuen Gottes berichten.
36
PLDSTOS,
epist. 10,52 und 53 wohl 112 n. Chr.). Der Tag ist durch das
eriale
Duranum
gesichert. Auch epist. 10,102 und 103 dokumentieren die Feier des
dies
imperii wohl 113 n. Chr.) mit Freude und Kult, aber ohne Eid.
37
Eine >Wa)lf ahrt< nach Rom wurde auch von dem boiotischen Koinon anläßlich
des Regierungsantritcs des neuen Gottes Augustus Germanicus beschlossen: IG IV
27711 Akraiphiai), Z. 51-77, s. o. §2.2 .
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Der Kaisereid
39
Das Verhältnis von Eid und Psephisma der Bürgerschaft von Assos ist
in der Inschrift nicht angegeben, auch nicht der Tag, der Ort, das Ritual
des Schwurs. Man möchte annehmen, daß beides bei derselben Gelegen
he it stattfand, vielleicht - da die Stadt anscheinend ke in Sebasteion ein ge-
.richtet hat - beim Tem pel der einheim ischen Parthenos/
38
Soviel zum Kaisereid als Teil des Herrscherkultes und Teil der römi
schen Reichsreligion, der für Römer und HeJlenen verbindlich war, ver
hältnismäßig oft durchgeführt wurde, der die Praesenz der Provinzialen
verlangte und ein hohes commitment Die Zeremonie hat einen festen
Kern, erlaubt aber viele Variationen. Konnten Christianer daran teilneh
men?
§ 3
sed et iuramus
- »aber auch wir schw ören«
§ 3J Der Eid bei T ertullian
»Auch wir schwören«, schreibt Tertullian von Karthago und bekennt da
mit seine Treue zu dem Kaiser und zu der römischen Gesellschaft. Die
Christianer in der Provinz Africa proconsularis um 200 n. Chr. beten für
de n K aiser un d für de n Bestand des Reiches.
39
A ll dies - Schwören, Kaiser,
Re ichstreu e - ist keineswegs selbstverständlich, s chon gar nicht für einen
Rigoristen, Fanatiker, satirischen Polemiker wie TercuUian. Hatte doch der
neue Moses in der Bergpredigt das neue Gesetz gegeben:
40
»Ich aber sage euch: Ihr sollt überhaupt nicht schwören, weder beim Himmel,
..., noch bei der Erde, ... noch bei Jerusalem,..., noch bei deinem Haupte ...«
D ie christliche Naherwarcung hatte den baldigen U ntergang d es verhaßten
Babylon - Edom - Roma geweissagü »Herr, komm schnell«, lautet der
Schlußsatz der Offenbarung des Johannes.
41
Ein Jahrhunden danach schreibt Tertullian:
42
38
Zur
Topographie von Assos
s. E. SCHWERTHEIM,
Art. Assos,
in:
DNP 2,1997,
Sp.
112-113. •
39
TERTULLIAN,
Apologeucum 32,2 und 30,3-4.
40
MT
;
5,33-37: »Wiederum habt
ihr
gehört, daß
den
Alten gesagt worden
ist:
>Du
sollst nicht falsch schwören« ... Ich aber sage euch: ^f| öjiöacu ökcoc,«. VgL
JAK.
5,12. - Weniger rigoros:
PAULUS,
Gal. 1,20; Rom.
1,9;. 9.1;
Hebr. 6,16.
4l
*Vgl.
JOH.
Apk. 13 Das Tier aus dem Meere, aus der Erde); 17 Babylon):
22,20. - Vgl. Thess. 2,7. '
h
4
*
TERTULLIAN.
Apologeticum
32;
zum Zusammenhang von Eid und Ehrung
s.
o.
§
1.
- Einige Cbristianer zur Zeit TemiUians scheuen sich jedoch nicht, beim
genius
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4
Hubert Cancik
»... indem wir darum beten, daß das Ende der Welt aufgeschoben wird, fördern
wir die Dauer Roms. Aber wir schwören auch, zwar nicht bei den Genien der
Caesaren, so doch bei ihrem Heil, das erhabener ist als alle Genien. Wißt ihr
nicht, daß die Genien >Daemonen< genannt werden ...? ... Daemonen übrigens,
das heißt die Genien, pflegen wir zu beschwören, auf
daß
wir sie von den Men
schen austreiben, nicht bei ihnen zu schwören, daß wir ihnen die Ehre einer
Gottheit übertragen«.
Tercullian folgt also in der Eschatologie und in der Frage des Eides einer
gemäßigten, romfreundlichen Richtung der Chrisnaner. Der Schwur bei
dem genius des Kaisers war den Römern um 200 eine konventionelle und
respektierte Form:
43
citrus denique apud vos per omnes deos quam per unum genium Caesaris pei-
eratur.
Aber auch der Schwur
per salutem Augusti(-am)
ist seit augusteischer Zeit
unter den Römern bekannt:
44
hier gab es also eine erfreuliche Überein
stimmung. Trotz dieser grundsätzlichen Übereinstimmung gibt es in an
deren Schriften Tertullians aber immer noch erhebliche Bedenken gegen
den Soldateneid und den Beamteneid.
45
Es fällt auf, daß Tercullian nirgends
den allgemeinen Bürgereid oder Kaisereid bespricht, dem sich die Chri
stianer doch viel weniger entziehen konnten als dem Beamten- oder Mi
litäreid.
§ 32 Die Herrscherverehrung der Christianer
Die Christianer in der Provinz Africa schwören also bei der Salus Cae
saris, sie beten für den Bestand des imperium Romanum. Sie lehnen jedoch
die Praxis römischer Herrscherverehrung ab. Tercullian beschreibt sie , w ie
folgt: Schwören bei dem Genius und Opfern für die Salus Caesaris: der
Schwur ist auch hier signifikanter Teil der Verehrung;
46
Weihrauchköraer
für einen A s; zw ei Tropfen Wein; das Blut eines lebensmü den Rindes, das
bei der Opferschau von den Priestern als fehlerhaft zurückgewiesen wer-
zu schwören; Acta Scilitanorum 3:
et
iuramus
per
genium
Dom ini nostri et pro
salute eius swppUcamus.
43
TERT.
Apol. 28,4. Vorstufen:
TERT.
ad nationes 1,10,33; 1,17; 2,9,14.
44
WEINSTOCK, 1971, 172 ff.
45
TERTUIXIAN, de Corona 11: das göttliche
sacramentum
in der Taufe steht im
Widerspruch zu dem humanum sacramentum und zum Fluch auf Vater, Mutter
und die Nächsten, die der Christ doch lieben soll. - TERT. de idololatna 17,3; 20,5;
21: luppiter tibi sit irazus.
Der Christ soll antworten:
immo
tibi
46
TERT.
Apol. 28,4; 32,2; 35,10.
8/19/2019 Hubert Cancik, Konrad Hitzl, Hrgs. (2003). Die Praxis Der Herrscherverehrung in Rom Und Seinen Provinzen. Tübin…
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Der Kaisereid
41
den müßte;
47
an Kaiserfesttagen die Türpfosten mit frischem Lorbeer u m
winden; helle Lichter in den Hauseingang stellen; Feiern auf dem Forum.
48
Das alles machen die Christianer nicht mit. Aber feiern wollen sie den
Kaiser auch, allerdings
nur
unter sich,
im
Hause
und in
Reinheit, Nüch
ternheit und Anstand (casti, sobrü, probi) ̂ Sie rufen nicht: »Iuppiter me h
re deine Jahre zu Lasten der unseren«.
50
Sie befragen nicht Astrologen,
Haruspices, Auguren, Magier nach dem Leben des Kaisers.
51
Sondern sie
beten für ihn: barhäuptig, die Arme ausgebreitet, den Blick nach oben
gerichtet, ohne einen Vorsprecher. Sie beten nicht nur an den offiziellen
Festen, sondern sind »immer« im »Gebet für alle Kaiser«. Sie erbitcen:
52
»langes Leben,
ungefährdetes Imperium,
sicheres Haus,
starke Heere,
treuen Senat,
braves Volk,
ruhigen Erdkreis.«
Das Gebet »für alle Kaiser« enthält eine »Litanei« von sieben Bitten, je
weils zweigliedrig Bikola), verständig, um fassend, in vernünftiger Anord
nung.
Es
klingt
wie ein
offiziöser Text
der
Gem einde
von
Karthago.
Tercullians Gebet für den Kaiser, sein Schwur bei der salus Caesaris
»Kaiser-Heil«), sein Bekenntnis zur Dauer des Reiches zeigt Diese Chri
stianer sind die besseren Untertanen und die besseren Römer. Hier läßt
47
TERT. ApoL 30,5-6. Das Blut
des
Rindes weist auf
ein
besonderes Ritual. - Die
Opfermetaphorik, mit der im N T das Jüdische Opfer allegorisierc wird Hebräer
brief) wird hier
auf
römische Opfer angewandt.
In
beiden Fällen wird
die
Opfer
terminologie
zur
spirituellen Überbietung
des
Tieropfers benutzt. Systematisch
durchgeführt bei Augustin, vgl. H. C ANCIK-LINDEMAIER, Opfer. Religionswissen-
schafdiche Bemerkungen zur Nutzbarkeit eines religiösen Ausdrucks, in:
H.-J.
ALTHLAUS
/ H.
CANCIK-LINDEMAIER
/ K.
HOFPMANN-CURTIUS
/ U.
RJEB-
STOCK
Hrsg.), Der Krieg in den Köpfen Untersuchungen des Ludwig-Uhland-
Instituts der Universität Tübingen 73), Tübingen 1989, 109-120. Zu der Verknüp
fung von Opfer und Gesinnung des Opfernden vgl. H. CANCIK-LINDEMAIER, Tun
und Geben. Zum Ort des sogenannten Opfers in der römischen Kultur, in: R
JA-
NOWSKI /
M.
WELKER Hrsg.), Opfer. Theologische und kulturelle Kontexte,
Frankfurt am Main 2000, 58-85.
48
TERT. Apol. 35,4 und
11..
Auch an diesen sollemnitates publicae ist »Freude«
die leitende Affektation s. o. §
2.3):
gaudia
publica,
gaudia
Caesar um.
49
TERT. Apol. 35 4.
50
TERT. Apol. 35 7.
^
TERT.
Apol. 35,12.
52
TERT. Apol. 30 4.
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4
Hubert Cancik
sich erkennen, wie und warum gerade diese Religion im Verlaufe des
nächsten Jahrhunderts sich zur dominanten Reichsreligion entwickelt hat.
§ 4 Zusam men fassung und Fragen
§4,1 Zusammenfassung
4.1.1 In diesem Beitrag wurden einige Eide verschiedenen Inhalts bei,
auf und für den Kaiser vorgestellt. Die Beispiele stammen aus Rom und
den Provinzen Galaria, Lusitania, As ia, Africa vo n 14 v. C hr . H or az ) bis
zu r severischen D ynast ie Tertullian).
4.1.2 a) Der Eid ist - wie Gelübde, Gebet, Segen/Fluch, Opfer, einfache
Divinarion - ein allen Religionen des Imperium Romanum gemeinsamer
Ritus, auch der sogenannten monotheistischen Religionen.
b) Der Eid der Bürger bei, für und auf den Kaiser ist ein festes, signi
fikantes Ritual des Herrscherkultes, neben den vota, den Opfern für den
Kaiser und sein Ha us) und ähnlichen Ehrungen w ie der Einrichtung einer
neuen Ära, der Umbenennung von Monaten, Städten, Gebäuden.
c) Die Eidesleistung schafft durch ihre juristischen Folgen, die kultische
und verbale Inszenierung eine Bindung
(vinculum)
zwischen Kaiser und
Bürgern, der Bürger untereinander, im Osten des Reiches besonders zwi
schen Hellenen und Römern, die denselben Eid schwören. Der Kaisereid
ist also ein Ritual der römischen >Reichsreligion<.
4.1.3 Angesichts der Frequenz und der Massen von Teilnehmern, die
man für den Bürgereid auf den Kaiser annehmen m uß , ist seine Be zeu gu ng
gering, vielleicht darf man sagen: erstaunlich gering.
4.1.4 Im Vergleich zu anderen religiösen Texten der griechischen und
römischen A ntike ist mir das starke persönliche com m itment auffällig, das
in den Kaisereiden gefordert wird. Die Eigenliebe
{conservatio sui\
die
Kinderliebe, die Bindung an die Sippe werden ausgerichtet auf den Caesar.
Durch den Eid soll ein Band erzeugt oder verstärkt werden, das so fest ist
wie der Lebenswille des Menschen überhaupt. Wieweit das damals gelang,
ist mir unklar.
Die Übertragung familialer Beziehungen auf die Beziehung Kaiser -
Bürger wird auch durch andere religiöse Maßnahmen betrieben; nur drei
Beispiele: a) die Au fnahme des genius Augusti in den privaten Hauskult
und in den stadtrömischen Compitalkult,
53
b) den Schwur bei dem genius
53
Vgl.
WEINSTOCK,
1971, 215 ff. - Kaiserstatuetten haben sich jedoch in den
pompeianischen Lararien nur selten gefunden; ob unter den gemalten drei Genien
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Der Kaisereid
43
des Kaisers analog dem beim genius des pater familias
>
c) die >Vater<-Titel
der Caesaren:
pater
patriae,
parens
patriae.
In dieser Hinsicht wird es auffällig, daß die Ikonographie der Kaiser und
Divi nicht an die Ikonographie der hellenistischen Vatergottheiten an
knüpft.
54
§4.2 Fragen
4.2.1 Umfang und Frequenz des obligatorischen >Kaisereides< der Bürger:
a) Sind bei der Einrichtung v on Pro vinzen und D istrikten
(provinciae -
STtap/ioa;
conventus
- w a p / i a i ) immer alle Bürger/Einwohner vereidigt
worden?
b) Sind alle Bür ger/Einw ohner bei jedem Th ronw echsel auf den neuen
Herrscher vereidigt worden?
c) Bei welchen Gelegenheiten wurde dieser bzw. ein analoger Eid >er-
neuert<? Sicher gab es hierfür beim dies imperii eine Gelegenheit: war sie
aber zwingend, und für welchen Kreis?
55
d) H ab en die .Christianer diesen allgemeinen K aisereid Treue-Eid)
S6
geschworen oder nicht?
4.2.2 Wie läßt sich die Bindekraft des Herrscherkults erfassen, die vis
vinctionis
des
vinculurrti
Welche Quellen und Methoden gibt es zur Un
tersuchung der Psychologie des Herrscherkultes?
4.2.3
K URT LATTE
hat in seiner Geschichte der römischen Religion das
Kapitel über die Kaiserzeit unter den religionssoziologischen Begriff
»Loyalitätsreligion« gebracht
57
Er umschreibt sie mit folgenden Ausdrük -
ken: sie sei »keine eigentliche Religion«, sie sei Anerkennung der politi
schen Wirklichkeit, »nicht religiöses Bekenntnis«; es gebe zwar ein spon
tanes Gefühl hinter ,dem Kult des Kaisers: »nur fällt es aus dem Bereich
des spezifisch Religiösen heraus«.
58
Die Beteuerung der Loyalität in der
Kaiserzeit zeige kein »stärkeres religiöses Empfinden der Beteiligten«;
59
der mittlere den Kaiser meint, ist unsicher. - Zu den literarischen Quellen;
HORAZ
c 4,5,34;
PETRON,
Satiricon
60; CASSIUS D I O
51,19,7.
54
Hinweis von Dr. K. Hitzl.
55
Vgl o. § 2.3 zu PLINTUS d. J.
56
»Allgemein«
im
Unterschied zum Eid der Beamten
{in acta, in verba, in lege \
der Richter, der Zeugen; der Berufsstände Ärzte, Soldaten) etc.
57
Der Ausdruck »Loyalitätsreligion« wird als Titel und Kategorie benutzt von
K.
LATTE, Römische Religionsgeschichte. München 1960),
2
1967, S. 312 ff.
58
LATTE, 308; 309.
5 9
LATTE, 313.
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44
Hubert Cancik
»die äußeren Formen der Loyalitätsreligion steigern sich mit der Zeit,
ohne daß ihnen eine größere Intensität des Empfindens entspräche«.
60
Er
faßt der Ausdruck »Loyalitätsreligion« die Religiosität der Kaisereide,
Praxis und Konzept von römischer Herrscherverehrung und Kaiserkult?
Bibliographie
H .
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1996. »Nichts blieb übrig für die Verehrung der Götter«. Hi
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60
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Der Kaisereid
45
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Neue Forschungen zum Festkalender
der römischen Kaiserzeit
von
P E T E R H E R Z
Wenn ich im folgenden den Begriff Festkalender verwende, dann sind die
folgenden Prämissen zu bedenken.
1
Es gab nicht
en
Festkalender, son
dern man muß davon ausgehen, daß in jeder Periode der römischen Kai
serzeit eine Vielzahl von Festkalendern nebeneinander existierte. Diese
Kalender hatten zwar eine gewisse Schnittmenge an allgemein verbindli
chen Festen miteinander gemeinsam, stellten aber ansonsten jeweils die
Feste als beachtenswert heraus, die man nach sehr unterschiedlichen reli
giösen, sozialen und eventuell lokalen Gesichtspunkten als relevant und
daher feiernswert feststellte.
2
Um diese Feststellung an einigen Beispielen zu verdeutlichen: der Ge
bu rtst ag eines Kaisers und de r Tag seines offiziellen He rrschaftsbe ginn s
waren natürlich Daten von allgemeiner Bedeutung und dürften daher in
allen Festkalendern seiner Regierungszeit registriert und gefeiert worden
sein. Der Tag hingegen, an dem dieser Kaiser eine bestimmte Stadt in
1
Lit. zu den Festkalendern: J. Rüpke, Kalender und Öffentlichkeit. Die Ge
schichte der Repräsentation und religiösen Qualifikation von Zeit in Rom, Berlin,
New York 1995 R W 40) bietet ein aktuellen Überblick über die Forschung bis
Mitte der 90er Jahre, die auf der großen Materialsammlung von A. Degrassi, In-
scriptiones Italiae XIII , 2. Fasti anni Numani et Iuliani, accedunt ferialia, menologia
rustica, parapegmata, Roma 1963 [im folgenden: Degrassi, Fasti
•+•
p.] aufbaut.
2
Sehr ernüchternd ist in diesem Zusammenhang das Bild, das das Haushalts
buch des Soknopaios-Heiligmms = P.Louvre I Nr . 4) bietet, das jetzt in einer
Neuedition du rch A.Jördens Hrsg.), Griechische Papyri aus Soknopaiu Nesos
P.Louvre I), Bonn 1998 vorgelegt wurde. Unter einer Vielzahl von völlig auf den
einheimischen Kult ausgerichteten.Festen findet sich ein einziger Termin des Kai
serkultes erwähnt. Vgl, auch A. Grimm, Die altägyptischen Festkalender in den
Tempeln der griechisch-römischen Epoche, Wiesbaden 1994 Ägypten und Altes
Testament 15) u.
Sh.
El-Sabban, Temple festival calenders of ancient Egypt, Liver
pool 2000.
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48
Peter Herz
einem feierlichen adventus betreten hatte, kon nte von dieser speziellen
Stadt natürlich auch später noch als Fest gefeiert werden, war aber bereits
für die Nachbarstadt oder gar die Stadt Rom vollkommen irrelevant und
für diese daher nicht feiernswert.
3
Der Tag, an dem die römischen Veteranen ins Zivilleben entlassen wur
den oder an dem eine bestimmte Einheit ihre Feldzeichen erhalten hatte
und damit ins Leben gerufen worden war, konnte im gesamten römischen
Heer bzw. in dieser speziellen Einheit als Fest begangen werden,
4
lieferte
aber für die Zivilbevölkerung kaum einen Anlaß, diesen Tag zu feiern.
Eine Aufweichung dieser Regel kann man lediglich in Fällen vermuten, in
denen die Einheit inmitten einer Stadt garnisonierte.
Die einzige Ausnahme von dieser topographischen Regel stellt die Stadt
Rom dar, denn wir können durchaus feststellen, daß einige Feste, die ur
sprünglich mit Ereignissen verknüpft waren, die nur für Rom von Belang
waren, in einer späteren Phase eine überregionale Bedeutung erhielten.
Dies ist aber vor allem unter dem Gesichtspunkt zu verstehen, daß durch
die enge Beziehung zwischen dem jeweiligen Kaiser und der Hauptstadt
diese zunächst rein lokalen Feste aufgewertet wurden und auf diesem
Wege überregionale Relevanz gewannen. Eine ganz entscheidende Rolle
kommt dabei der römischen Armee zu, die als Träger einer reichseinheit
lichen Tradition für eine Verbreitung ursprünglich stadtrömisch-italischer
Vorstellungen sorgte. Denn selbst als nur noch ein sehr geringer Teil der
Soldaten italischer Provenienz war, hielt man unbeirrt an der Vorstellung
fest, der
exeratus Romanus
sei identisch mit dem
exercitus populi Rom ani
der alten Zeit und tradierte daher auch durchaus typisch römische Feste
wie Neptunalia, Vestalia usw.
5
3
Vgl. zu den lokalen Epibaterios-Kulten von Kaisern: H. Halfmann, Itmera
principum. Geschichte und Typologie der Kaiserreisen im römischen Reich, Stutt
gart 1986,
2
f.
4
Zum Fahnenkult vgl. neben Th. Pekary, Das Opfer vor dem Kaiserbild, BJb
186, 1986, 91-103 vor allem O. StoU, Die Fahnenwache in der römischen Armee,
ZPE 108,1995,107-118 = Römisches Heer und Gesellschaft. Gesammelte Beiträge
1991-1999, Stutegan 2001, 47-58 u. dens-, Excubatio ad signa. Fahnenwache, mi
litärische Symbolik und Kulturgeschichte, St. Katharinen 1995.
5
Vgl. dazu P. Herz, Sacrifice and sacrificial ceremonies in the Roman army of
the imperial period, in: A. I. Baumgarten (Ed.), Sacrifice in religious experience,
Leiden, Boston, Köln 2002 (Numen 93), 81-100 und vor allem O. StoU, Zwischen
Integration
und
Abgrenzung. Die Religion
des
römischen Heeres im Nahen Osten.
Studien zum Verhältnis von Armee und Zivilbevölkerung im römischen Syrien und
den Nachbargebieten, St. Katharinen 2001 (Mainzer Althistorische Studien 3).
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Neue Forschungen zum Festkalender
49
Bei zwei Festterminen, dem römischen Jahresanfang am
1.
Januar des
julianischen Kalenders und dem
3.
Januar, dem Tag der
nunatpatio voto-
rum
ist daneben eine gesonderte Traditionslinie zu berücksichtigen. Die
Kalendae Ianuariae
zogen ihre Bedeutung ursprünglich lediglich aus der
Tatsache, daß an diesem Tag seit der späten Republik in Rom die
consules
ordinarii in einer feierlichen Zeremonie ihr Amt antraten.
6
In einer ersten
Stufe wurde dieser Termin auch in die Festverzeichnisse in Gebieten
auf-
genommen, die wie die Provinz Asia oder Aegyptus einen völlig anderen
Kalender besaßen/ So finden wir für die Provinz Asia neben dem 23. Sep
tember, dem Neujahrstag des asianischen Kalenders und zugleich Ge
burtstag des A ugustus auch die Feier der Januarkaienden registriert.
8
Ähn
liches läßt sich auch für Aegyptus nachweisen, wo der Januartermin
zusätzlich zu dem offiziellen Jahresbeginn am 1. Th oth = 29 . Aug ust be
achtet wu rde.
9
Dabei scheint sich auch der ehemals feierliche und getra
gene Charakter des ursprünglich stadtrömischen Festes gründlich verän
dert zu haben, denn einige christliche Autoren registrierten mit Abscheu
die allgemeinen Lustbarkeiten, die in ihrer Zeit mit diesem Anlaß ver
knüpft waren.
10
Bei den uns vorliegenden Festkalendern, die Informationen zu Feier
lichkeiten des Kaiserkultes liefern können, lassen sich zwei grundsätzlich
zu unterscheidende Typen feststellen.
1.
Nonnale Jahreskalender, bei denen die Feste des Kaiserkultes in das
übliche Kalenderjahr mit seinen Festen integriert sind. Dazu kann man die
Fasti Praenesuni aus der frühen Kaiser zeit,
11
aber auch die sogenannten
6
Vgl. F.
Graf
Kalendae Ianuariae, in: F. Graf (Hrsg .), Ans ich ten griechischer
Rituale. Geburcstags-Symposion für Walter Burkert. Castelen bei Basel 15. bis
18. März 1996, Stuttgart, Leipzig 1998,199-216. Leider ist der Tag der mtncupatio
votorum noch nicht entsprechend gut aufgearbeitet worden.
7
Da zu vgl. F. Perp illou-Tho ma s, Fetes d figypte ptolem aique et romaine
d apres la docum entation p apyrologique grecque, Louvain 1993 (Studia He lleni-
stica 31), 100 ff. mit weiterem (vor allem papyrologischem) Material.
8
Vgl. die Vereinsordnung der Hym nod en vo n Pergamon: Altertümer von Per-
gamon VIII 2, Berlin 1895, Nr. 374.
* Vgl. neben Perpillou-T hom as, Fetes auch J. R. Rea, O n th e Greek Ca lends, in:
Proceedings of the XVIII International Congress of Papyrology II, Athen 1988,
203-208.
10
VgL neben den Hinweisen bei Perpillou-Thomas, Fetes und
Graf
Kalendae
auch das Material bei D . Baudy , Strenarum comm ercium. Üb er Geschenke und
Glückwünsche zum römischen Neujahrsfest, RhM 130, 1987, 1-28 und M. Meslin,
La fete des kalends de janvier dans Fempire romain, Bruxelles 1970.
11
Degrassi, Fasri p. 107 ff. zu den Fasti Praenestim.
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5
Peter Herz
Kalend aria des Furius P hilocalus a us de m 4. Jh. un d des Po lem ius Silvius
aus dem 5-Jh. zählen.
12
2. Auswahlsammlungen, die bevorzugt Feierlichkeiten des Kaiserkultes
verzeichnen, während die übrigen Feste des Kalenderjahres nur in redu
zierter Zahl (Feriale Duranum)
1 3
erscheinen oder gänzlich fehlen (Feriale
Cumanum) .
1 4
Als 3. Variante und in ihr er speziellen Fo rm prak tisch als eine sin gulare
Quelle sind die Commentarii der Fratres Arvales anzusehen, die jetzt in
einer neuen Edition vorliegen.
15
Hier werden eine ganze Reihe von Festen,
des frühen Kaiserkultes registriert, allerdings nicht nur als reine Datums
oder Festangabe, sondern in Verbindung mit den dazu anfallenden Opfern
und teilweise mit den dazugehörigen Gebets- oder Votatexten.
Leider muß man feststellen, daß die einschlägigen Quellen die mehr als
vier Jahrhunderte umfassende Periode, in der man im strengen Sinne von
Kaiserkult reden kann, sehr ungleichgewichtig bedenken. Während wir für
die frühe Kaiserzeit durch eine Vielzahl an Quellen informiert werden,
beginnt mit der flavischen Dynastie (69-96) eine ausgesprochene Durst
strecke, d. h. wir können im Gegensatz zur ersten römischen Dynastie nur
eine Mindestprogramm an Festen für die jeweiligen Kaiser nennen. Vor
allem ist der weitgehende Ausfall der Arvalakten zu nennen, die zwar in
substantiellen Partien erhalten sind, aber aus nicht näher bekannten Grün
den seit dem Ende der julisch-claudischen Dynastie weitgehend darauf
verzichteten, die Feste des Kaiserkultes zu verzeichnen.
Diese partielle Aporie gilt auch mit gewissen Modifikationen für die
beiden folgenden Dynastien der Antonine und der Severer (96-235). Wir
müssen daher für diese beiden Dynastien unsere Informationen aus einer
Mehrzahl an Quellen sehr unterschiedlicher Qualität zusammenstückeln,
die sehr zufällig auf uns gekommen sind. Das Feriale Duranum, ein für
de n Dienstgebrauch einer Hilfstruppeneinheit im m esopotam ischen D u -
ra-Europos bestimmtes Verzeichnis auf Papyrus, informiert uns allerdings
12
Degrassi, Fasä
p-
237 ff. zu den Kaiendarien des Philocalus bz^r. p. 263 ff, des
Polemhis Silvius. Daneben auch M . R. Salzman, O n Roman Time. The codex-ca-
lender of 354 and the rhy thm s of urban lif e in late antiquity, Berkeley, Los Angeles
1990.
13
Zum Feriale Duranum vgl. immer noch die erste Gesamtedition von R. O.
Fink, A.
S
Hoey, W.
F.
Snyder, The Feriale Duranum , YCSt 7,1940,1-221 [zitiert
als F.D.].
14
Zum Feriale Cumanum: Degrassi, Fasti p. 27S ff.
:5
J. Scheid, Recherches archeologiques a la Magliana. Commentarii fratrum ar-
valium qui supersunt. Les copies epigraphiques des protocoles annuels de la con-
frerie arvale
21
av. J.-C. - 304.ap. J--C), Paris 199S. Zitiert als CFA ed. Scheid
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Neue Forschungen z um Festkalender
51
sehr ungleichgewichtig vor al lem über Festtermine der antoninischen und
severischen Kaiser. Ergänzt wird diese Quelle durch drei andere Papyri
(P.Oslo 77, BGU 362, P.Oxy. 2553), die aber nur punktuelle Informatio
nen liefern und noch nicht abschließend kommentiert sind. Einiges soll im
zweiten Teil meines Beitrages angesprochen werden.
Daß in der Reali tät ursprünglich wesentl ich mehr an Feiern und auch
Informationen vorhanden gewesen sein muß, zeigt eher zufäll ig die Hi-
storia Augusta. Wenn der unbekannte Autor es nicht für nötig befunden
hätte, in der Vita des Commodus Nachweise für die durch diesen Kaiser
vorgenommenen Änderungen der Monatsnamen zu l iefern und zusammen
mit den entsprechenden Festeerminen zu belegen, würden wir nicht viel
mehr als das Datum seines Geburtstages und seines Regierungsantritts
besitzen.
16
Nach dem halben Jahrhundert der Reichskrise können wir ers t mit dem
Beginn der tetrarchischen Zeit wieder davon sprechen, daß sich ein über
eine längere Periode konstanter Festkalender ausbilden konnte. Doch sieht
man einmal von den Feierl ichkeiten für Constantius Chlorus ab, der als
Vater des späteren Kaisers Constantinus naturgemäß eine Sonderstellung
einnimmt, so sind von den eigentlich tetrarchischen Feierlichkeiten ledig
l ich der Regierungsantr i t t und der Geburts tag des Dioclet ianus mit abso
luter Sicherheit überliefert.
Mit welchen Festen oder Fest typen können wir rechnen? Wenn man
einen Mindestbestand an Festl ichkeiten umschreiben möchte, dann um
faßte er auf jeden Fall den Geburtstag
dies natalis)
des Kaisers bzw, der
Kaiserin und das offizielle Datum seines Regierungsantritts
dies imperii).
Daneben verfügte man, vor al lem wenn es um poli t isch motivierte Fest
l ichkeiten ging, über ein ganzes Spektrum von Möglichkeiten, um Feste
aufzuwerten und ihre Bedeutung für die Öffentl ichkeit zu verdeutl ichen.
Dazu ein kurzer Überbl ick der Methoden, die in ihrer Gesamthei t noch
nicht untersucht s ind.
1. Man dehnte das Fest , das ursprünglich auf einen einzigen Tag kon
zentriert war* über mehrere Tage aus, wobei nicht festgelegt war, ob diese
Eiweiterungstage vorgeschaltet wurden, also auf den eigentl ichen Festter
min hinführten, oder ihm folgten. Die Konzeption, daß die zeit l iche Aus
dehnung eines Festes zugleich eine Maßeinheit für seine Bedeutung sein
könne, hatte sich bereits in der römischen Republik ausgebildet, wobei die
16
SHA Comm. 11,13-12,9, vgl. für den historischen Wert dieser Nachricht die
Ausführung von H . Nesselhauf, Die vita Comm odi und die acta urbis, Bonner
Historia-Augusta-Colloquhim 1964/65, Bonn 1966,127-13 .
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5
Peter Herz
Anzahl der für
supplicationes
bestimmten Termine bei Caesar oder die
Länge der
ludi victoriae
recht aufschlußreich sind. Das beste Beispiel ist
der
dies natalis
des A ugu stus am 23. September, dessen Feiern bereits z u
seinen Lebzeiten auf den 24. September a usgedehnt wu rden.
1 7
2.
Ein Prozeß der Doppelung von Festanlässen. Dabei nahm man be
reits als Fest etablierte Daten und legte mit voller Absicht neue Feste auf
diese Tage. Man verstärkte also auf diese Weise zum einen die bereits
vorhandene Festeigenschaft und hob zum anderen das neue Fest in seiner
religiösen bzw. ideologischen Wertigkeit besonders hervor. Dazu als Bei
spiel der Tag des Triumphes, den Kaiser Lucius Verus am Ende seines
siegreichen Feldzuges über die Parther feierte. Man wählte dazu den
12.
O kto be r, d en Tag der Augustalia, die an die Rückk ehr des A ugu stus
im J. 19 v. Ch r. erinn erten. Au gustus ha tte damals nach einem längeren
Aufenthal t im O sten des Imp eriums in der N ac ht vom 11. zum 12. O k
tober wieder die Stadt betreten und dabei wahrscheinlich die von den
Parthern zurückgegebenen Feldzeichen mitgebracht.
18
Lucius Verus knüpfte damit also direkt an das inzwischen fast kano
nisch gewordene Vorbild des Augustus an. Bei den Antoninen nutzte man
diesen Term in aber no ch zusätzlich, indem man am Tag der Triumphf eiern
die beiden noch minderjährigen Söhne des Marcus Aurelius mit dem Titel
Caesar auszeichnete und so die künftige Kontinuität und Sieghafdgkeit
der Dynastie für die Öffentlichkeit unterstrich.
1 9
Die Sieghafdgkeit der
Dynastie spielte wahrscheinlich auch eine Rolle bei der Auswahl eines
Da tums für die Erheb ung des Co m m od us zu m A ugustus , d. h . zu m
gleichberechtigten Mitherrscher seines Vaters. Denn der für Commodus
zu vermutende Tag der Erhebu ng zum A ugus tus , der 27 . N ove m ber , w ar
in den Kontext des sannatischen Triumphes des J. 176 eingebettet.
20
3, Verlagerung von Festterminen. Besonders gerne griff man zu diesem
Ins trum en t, we nn es sich um d ie Feier des offiziellen Re gierun gsan tritts
handelte. Dabei sind die Belege vor allem für die Dynastie der Severer
17
Dazu I. König, Der doppelte G eburtstag des Augustus, 23. und 24. September
(Suet. Aug. 51,1), Epigraphica 24, 1972, 3-15.
18
Vgl. dazu die Fasti Armterni (Degrassi, Fasu p. 194 f.): Fer(iae) ex s enatus)
c(onsulto)
/
q(uod) e(o)
d ie) Imp. Caes. Aug. ex
transmarin(i ) provznc(zis)
/ urbem
intravit
araq(ue) Fort(unae) Reducz constzt uta).
19
SHA Comm.
11,13: Nominatus inter Caesar es: quartum zduum Octobrzum,
quas Herculeas postea nomznavzt, Pudente et PolUone conss.
(12.10. 166).
20
SHA Comm-12,4:
Cumpatre
appellatus
Imperator: VKaL
Exsuperatorias
Pol-
Uone
herum
et
Apro
>iterum< consulzbus (176) und SHA Comm. 12,5:
Triumphavit:
X kal laru zsdem consulibus
(176).
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Neue Forschungen zum Festkalender
5
besonders aufschlußreich, da sie auch etwas über die jeweils zu Grunde
liegenden Motivationen aussagen.
21
Septimius Severus feierte lediglich den Tag seiner .Usurpation am
9. April, wahrend die offizielle Anerkennung durch den Senat sich 1. nur
grob datieren läßt und 2. sicherlich niemals offiziell gefeiert wurde. Seve
rus verkürzte damit die Regierungszeit des von ihm gestürzten Rivalen
Didius Iulianus auf wenige Wochen und unterstrich damit, daß seine ei
gene Regierung von Anfang an identisch mit der rechtmäßigen Regierung
in der Nachfolge des Helvius Pertinax gewesen war.
Ähnlich verfuhr sein Nachkomme Severus Alexander, in dessen Herr
schaftszeit der 26. Juni, an dem ihn sein Cousin Heliogabalus im J. 221
zum Caesar und Mitregent gemacht hatte, als der eigentliche
dies imperii
betrachtet wurde Der 13./14, März
222,
an dem die Praetorianer Elagabal
ermordeten und Severus Alexander am nächsten Tag mit den Kompeten
zen seines Amtes durch den Senat ausgestattet wurde, konnte sich in der
Realität niemals durchsetzen, obwohl dieses Datum im Feriale Duranum
genannt wird.
22
Macrianus hingegen, der im J. 217 von der Position
des praefectus prae-
torio zum Kaiser aufstieg, wählte als seinen offiziellen Regierungsbeginn
den
11.
April, den dies natalis des Septimius Severus. Zum einen versuchte
er damit, sich in die Tradition eines inzwischen allgemein geschätzten
Herrschers zu stellen, zum anderen trennte er seinen eigenen Regierungs
beginn damit vermeintlich öffentlichkeitswirksam von der Erm ordung sei
nes Vorgängers Caracalla, der am
8
April auf der Straße nach Karrhai
ermordet worden war.
4. Anlagerung von neuen Festen an bereits bestehende Konzentratio
nen von Feierlichkeiten. Betrachtet man den Festkalender des gesamten
Jahres, so stellt man unschwer gewisse Tagesgruppen fest, an denen sich
die für den Kaiserkult wichtigen Termine ballen. Einige dieser Konzen
trationen sind sicherlich eher zufällig entstanden, was etwa für die Abfolge
der Kaisergeburtstage im September gilt.
23
Anders sieht dies bei einer Festkonzentration zu Beginn des Monats
Mai aus, die sich über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten ent
wickelte. Ausgangspunkt ist der
12.
Mai, der seine Bedeutung durch die
ludi
Martiales
bzw.
Martialici
erhalten hatte, die an die
dedicatio
der
aedis
21
P.
Herz, Der
dies imperii
unter den Severern, ZPE
31, 1978,
285-290.
22
D.
Fishwick, Dated inscripuons and the Feriale Duranum,
Syria
65,1988,349-
361
=
The imperial cuk in the Latin West
11,1,
Leiden
1991,
593-608.
23
Trajan
(18.
September), Antoninus Pius
(19.
September), Augustus
(23.
Sep
tember).
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Peter Herz
Mortis Ultoris im' J. 2 v . C h r. erinnerten.
24
Da der Mars Ultor Tempel an
die Dominanz Roms über die Parther erinnerte, lagerte man zu einem
leider noch nicht genauer zu bestimmenden Termin die ludi Persici^ die mit
dem 13. Mai begannen , an dieses Datu m an. M an stellte sich damit sow ohl
in die Tradition des ersten princeps, machte aber gleichzeitig durch die
zeitliche Ausdehnung des Festes bis zum 17- Mai deutlich, daß man an sich
der M einung war, mit dem eigenen Erfolg Augu stus übertroffen zu h aben.
Die Spezifizierung >Persfci< verweist dabei auf ein Ereignis nach der Ab
lösung der parthischen Herrscher durch die neupersischen Sasaniden.
Dieses >Spielen< mit dem bestehenden Festkalender läßt sich bis auf den
ersten princeps zurückführen, der bereits entsprechend agierte. So wählte
Aug ustus den 30. Janu ar als D atu m für die
dedicatio
der
ara Pacis Augus-
tae,
wodurch der Geburtstag seiner Ehefrau Livia indirekt aufgewertet
wurde,
25
Später wählte Claudius, ein Enkel der Livia, den 17. Janu ar, den
Tag, an dem Livia den späteren Augustus geheiratet hatte und in die gens
Julia
übergegangen war, als Datum für ihre feierliche
consecratio.
26
Neue Ergebni s se
Anfang der 80er Jahre haben unabhängig voneinander die beiden ameri
kanischen Kolleginnen L Levine u n d . M . R. Salzman die ursprün gliche
Datierung des damals neugefundenen Freskokalenders von Santa Maria
Magg iore ins
4.
Jh. korr igieren kö nne n un d m it sehr gewichtigen Grü nde n
ein Abfassungsdatum dieses wichtigen Zeugnisses in der Zeit nach den
Antoninen und vor der Periode der Tetrarchen wahrscheinlich gemacht.
27
Daher scheint es angemessen, sich dem Kalender des Furius Philocalus
24
P. Herz, Zum Tempel des Mars Ultor, in: J. Ganzen, Der Tempel des Mars
Ultor auf
dem
Form Augusti, Roma 1996 (Beiheft der Römischen Mitteilungen 11),
265-281 mit der Festlegung des 1. August 3 v. Chr. für die Dedikaton des Forum
Augusti und des 12. Mai 2 v. Ch r. für die Einweihung des Mars-Ultor-Tempels.
25
Vgl die Eintragung der Fasti Praenestini (Degrassi, Fasti p. 117: Feriae ex .c.
quo[d eo j die
ara Pacis
Augustaje in campoj / Martio
dedicata
[ejst ...) zusammen
mit CFA 12 b
8
ff. und c
1
ff. ecL Scheid; natali Iulzae
Augptstae.
26
CFA 17,16 ff. ed. Scheid:
[ob
consecrjationem
divae
Aug(H tae)
...
27
I. Levine, A reconsideration of the date of the Esquiline Calendar and of its
polirical fesrivals, AJA 86, 1982, 429-435; M R. Salzman, New evidence for the
dating of the Calendar of Santa Maria Maggiore in Rome, TAPhA 111, 1981,
215-227. Erstpublikauon: F . Magi, II calendario dipinto sotto Santa Maria Maggio
re, con appendici sui graf&i del vano XVI a cura di P- Castren, Roma 1972, 23 ff:;
bei Rüpke, Kalender 86-90 als fasti porticus bezeichnet
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Neue Forschungen zum Festkalender
55
von 354 un d dem späteren W erk des Silvius aus dem 5. Jh. zuzu we nd en,
um einige durch diese Neudatierung aufgeworfene Fragen anzusprechen.
Durch die Untersuchungen von Levine und Salzman konnten die vor
h er recht rätselhaften
ludi Sarmatiä,
die vo m 25. No vem ber bis 1. Dez em
ber (Philocalus) bzw . am 27. N ov em be r (Silvius) gefeiert wu rde n, vo n bei
den Autorinnen mit überzeugenden Argumenten auf die Feier der großen
ludi triumphales M ark Au reis zurückgefüh rt w erden.
28
Gleichzeitig dürfte
diese Feier am 27. N ov em be r auch m it den in einem Pap yrus gemeldeten
Siegesfeiern des vergöttlichten Mark Aurel identisch sein (... J £mviKi(Dv
eso-ö A\>pri?Lioa) AvTCov[iav>]).
29
D er 27. No vem be r is t auch w ahrschein
lich identisch mit dem
dies imperii
des Commodus, da die Histor ia Au-
gusta für dieses Datum die Notiz
Cum patre appellatus imperator: V Kai
Exsuperatorias Po lhone iterum et Apro consulibus
bewahrt hat.
30
Dies er
klärt auch auf überzeugende Weise, warum der
dies imperii divi Com modi
nicht in den uns erhaltenen Partien des severerzeitlichen Feriale Duranum
erscheint. Denn man hat in der Forschung meist zu Unrecht den Regie
rungsantri t t des Commodus rrüt der Übernahme seiner Alleinherrschaft
nach de m T od seines Vaters M arcus A urelius am 19. M ärz 180 g leichsetzen
wollen und dabei völlig vergessen, daß Commodus bereits seit dem
27.
N ov em be r 176 den Titel eines Au gustus trug , d. h. seine Erh eb un g zu
diesem Rang gehört in den Kontext der großen Triumphalspiele des Mar
cus Aurelius gegen Ende des J. 176.
3i
Allerdings hat dieser erste erfolgreiche Einbruch in die bis zu diesem
Zeitpunkt fast als kanonisch geltende Meinung, daß die beiden späteren
Kaiendarien des Philocalus bzw. des Silvius lediglich Feste der tetrarchi-
schen bzw. konstantinischen Zeit registr ieren, keine erkennbaren Auswir
kungen auf die anschließende Forschung gehabt. Ich hingegen möchte
jetzt ganz konsequent vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis die Frage
stellen, ob diese Weiterführung früherer Spieltermine aus antoninischer
Zeit in Festverzeichnissen des 4. und 5. Jh . lediglich ein Einzelfall ist o de r
ob man die hier gewonnenen Einsichten auch auf andere Festtermine
25
Für die historischen Umstände vgl. A. Birley, Marcus Aurelius. A Biography,
revised edition London 1987, 195 ff., der beide Termine, 27. Novem ber dies im
perii Commodi)
und den
23.
Dezember (Tag des Triumphes), berücksichtigt, ohne
allerdings zu tief in die Problematik der Überlieferung einzudringen.
29
P. Oxy. 2553 Z. 6-8.
30
SHA Comm. 12,2.
31
D. Kienast, Römische Kaisertabelle. Grundzüge einer römischen Kaiserchro
nologie, 2. durchgesehene u. erweiterte Aufl. Dannstadt 1996, 147. Die Probleme
nüt der komplizierten Nachrichtenlage der Historia Augusta,-sollen in anderem
Zusammenhang ausführlicher behandelt werden.
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56
Peter Herz
übertragen kann. Mit anderen Worten, in welchem Umfang berücksichti
gen diese stadtrömischen Kalender des 4. Jhs. in ihrem ansonsten w eit ge
hend auf die konstantinische Dynastie zugeschnittenen Festkanon die Pe
riode der >klassischen< Kaiserzeit? Ein solches Unterfangen ist nicht nur
unter dem Aspekt angemessen, daß man damit etwas in der Deutung die
ser Zeugnisse voranschreiten kann, sondern diese Festkalender sind ja
auch als lebendige Dokumente der historischen Traditionen, denen sich
das Imperium Romanum auch während des 4. und 5. Jh. immer noch
verpflichtet fühlte, nicht gerade unerheblich.
Nachdem bereits die vorher in ihrer Deutung höchst umstrittenen
ludi
Sarmatia
als die alten Siegesfeiern Mark Aureis entlarvt wor den sind , ist
die Suche nach weiteren potentiellen Ansätzen für solche Siegesfeiern aus
früheren Z eiten, die auch noch im 4. und 5. Jh. fortlebten, durchaus sinn
voll zu nennen. Im folgenden die jetzt zu prüfenden Termine, die man
global der Kategorie der Siegesspiele zuordnen darf wobei die typische
Form dieser spätantiken ludi victoriae aus 5 Tagen ludi bestand, die durch
einen Tag, den insgesamt 6. des Zyklos, mit ludi circenses beschlossen
wurden.
32
Generell läßt sich für das jüngere Festsrerzeichnis des Silvius feststellen,
daß die bei Philocalus noch extensiv gefeierten ludi jetzt in ihrem Umfang
deutlich reduziert wor den sind, wob ei es den Ansch ein hat, man habe sich
vor allem auf die Kerntage konzentriert, also das eigentlich wichtige Da
tum dieser ludi. Einige dieser D ate n sind aus historisch-politischen G rün
den höchst verdächtig, nachdem erst einmal die vorher fast als unumstöß
lich geltende Regel, daß mit diesen Festen nur Feiern der konstantinischen
oder höchstens der tetrarchischen Periode gemeint sein könn ten , ins Wan
ken geraten ist.
33
32
Eine gewisse Sonderstellung nehmen bei PHlocalus. zwei kleinere, d. h. in die
sem Fall eintägige, Siegesfeiern am 27. un d 3 0. Juli ein, die >ob Victorias Sarmaticas<
bzw. >ob Victorias Marcomanniats< gefeiert wurden. Sie sind bisher praktisch un
kommentiert geblieben, obwohl m. E. ihre Bedeutung für die historische Entwick
lung, die wir im Pbilocalus-Kalender fassen können, noch nicht recht verstanden
wird. Interessant ist auf jeden Fall, daß die Möglichkeit besteht, daß der Kalender
von Santa Maria Maggiore am Ende der Liste für den M onat Juli >[circ(en e ) Mar-
comarvnt\s vict(i ) / m(issus) XXIlI[iy
gelesen werd en kann. Während die Lesung
durch M agi, Calendario. 24 tragfähig ist, ist seine dam alige D eutung auf ein E reignis
der tetrarchischen Periode durch die Forschung überholt.
M
Es ist in diesem Zusamm enhang doch etwas überraschend, w en n Salzman, O n
Roman Time 137, nachdem sie selbst zusammen mit Levine durch ihren Beitrag
von 1981 den entscheidenden Impuls geliefert hat, diese orthodoxe Meinung
auf-
zubrechen, später feststellen kann: »Nine imperial military victories, taking up
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Neue Forschungen zum Festkalender
7
Als erstes möchte ich mich jetzt der bei Silvius überlieferten Festnotiz
Adiabenicis victis
zuwenden, für die im Zeitraum vom
28.
Januar bis zu m
1.
Februar ein F estzy klos registriert wu rd e, w obe i m an für diese Feiern
bisher einen Sieg der tetrarchischen Periode in Betracht zog.
34
Dabei muß
man zunächst feststellen, daß die
ludi Adiabenici
einen gewissen Sonderfall
in der Überlieferung darstellen, da sie nur bei Silvius notiert sind, während
sie bei Philocalus fehlen. Die Meinung, daß sie bei Philocalus durch einen
Irrtum ausgefallen sind, dürfte w ahrscheinlich der Realität sehr nahe ko m
men. Denn der übliche Weg der Tradition war, daß die ursprünglich bei
Philocalus registrierten Festtermine bei Silvius nur noch in reduzierter
Form erscheinen. Wenn die ludi Adiabenici aber bei Silvius registriert wer
den, dann müssen sie 1. bereits zur Zeit des Philocalus gefeien worden
sein^ und 2. damals eine wesen tlich längere Dau er als im 5. Jh. besessen
haben. Wenn also Polemius Silvius für den 31, Januar >Circenses Adiabenis
victis< meldet, dann kann man analog zu den m eisten anderen Eintragun
gen für die Zeit des Philocalus fünf Tage mit den üblichen ludi vermuten,
also eine wahrscheinliche Dauer vo m 26. bis 30. Januar mit den ludi cir-
censes am 31. Januar.
Zu m einen umschließen die Feierlichkeiten d en 28 . Januar, also genau
den Tag, an dem im J. 98 n. Chr. Trajan die Alleinherrschaft antrat, d er
Kaiser also, der in den oftmals ermüdenden offiziellen Genealogien der
späteren Antonine oder der Severer stets mit dem Epitheton Partbicus
ausgezeichnet wird. Zum anderen wissen wir durch das Feriale Duranum
mit ausreichender Sicherheit, daß dieser 28. Januar auch der offizielle dies
imperii des jugendlichen Augustus Caracalla war und gleichzeitig mit die
ser Erhebung die offizielle Verkündigung des Sieges über die Parther im
J. 198 verknüpft war. Bei der hohen Wertschätzung, die sich für Trajans
Person und seine militärischen Leistungen auch noch im 4. und 5. Jh. fest
stellen läßt, und dem gleichzeitig immer noch großen Druck, den der gro
ße Rivale an den östlichen Grenzen Roms ausübte, wäre eine Fortführung
von solchen Spielen auch aus politischen Gründen nicht undenkbar.
35
some fifcy days, are recorded in the Calendar of 354; all but one can be securely
identified with the Constantlnan dynasty«. Die von ihr zugelassene Ausnahme
(Anm. 32) der ludi Francici interpretiert sie nach Degrassi, Fasti p. 483 als Sieg, der
alternativ von Maximian, Constantin oder Constantius IL errungen worden sein
könnte.
M
Sakman, On Roman Time 138 mit der älteren Literatur.
35
Für die Siegestitel vgl. generell P. Kneißl, Die Siegestitulatur der römischen
Kaiser, Götdngen 1969.
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8
Peter Herz
Ich m öchte daher im folgenden vermu ten, daß diese
ludi Adiabenici
y
die
in ihrer Terminologie deutliche Anknüpfungen an die offizielle severische
Siegestenninologie mit dem Siegernamen Parthicus Adiabemcus zeigen,
wirklich auf die severische Zeit zurückgehen. Zwar führt die von T. D.
Barnes zusammengestellte Liste der Siegesbeinamen der Tetrarchen auch
einen
Adiabemcus
und einen
Sarmaticus
auf
36
doch scheint mir dies nicht
auszureichen, um deswegen uneingeschränkt ein tetrarchisches Datum für
die ursprüngliche Einrichtung dieser ludi zu postulieren, ohne dabei Al
ternativen zu bedenken. Im Gegenteil scheint die Fortführung dieser alten
ludi victoriae> zu denen auch die bereits angesprochenen ludi Sarmatici
gehören, ein bewußter politischer Akt gewesen zu sein, durch den sich die
späteren Herrscher in die historische Tradition der >vorbildlichen< Kaiser
der alten Zeit einordneten.
Weniger eindeutig einem bestimmten Kaiser oder einer Dynastie zu
zuordnen sind hingegen die bereits angesprochenen
ludi Persici,
die nach
dem Zeugnis des Philocalus v om 13. bis zum 17. Mai dauerten. Do ch auch
bei diesen ludi scheint vorab eine Beobachtung höchst auffällig. Denn
diese Spiele schließen unmittelbar an die alten
ludi Martialici
oder
ludi
Martides
des 12. Mai an, die seit der Regierungszeit des Au gustus gefeiert
wurden (vgl. in diesem Sinne auch das Zeugnis des
Peride Duranumf
und wahrscheinlich an einen seiner größten politischen Triumphe erinner
ten, die Rückgabe der verlorenen Feldzeichen durch die Parther.
3
* Dane
ben repräsentiert der 12. Mai auch das D atu m , an dem im J. 2 v. Chr. der
große Tempel des Mars Ult or auf dem Forum Augusti eingeweiht wurde.
39
Persische Siegesf eiern, die sich dur ch die zeitliche A bfolge vo m 13. bis
17.
Mai mit voller Absicht ganz an die Tradition des alten augusteischen
Festes anschließen, scheinen daher sehr wohl möglich zu sein. Sie wären
zugleich eine politische Aussage von höchster Qualität für den triumphie
renden Herrscher, der sich als Sieger über den Gegner an der Ostgrenze
des römischen Reiches auch zugleich als ein würdiger Nachfolger des A u
gustus präsentieren konnte. Durch die zeitliche Ausdehnung der Feiern
auf mehrere Tage wurde aber gleichzeitig der Öffentlichkeit unmißver
ständlich klar gemacht, daß dieser Kaiser an sich ein noch größerer Sieger
über die Feinde im Osten war als der allseits verehrte Begründer des Prin-
36
T. D. Barnes, Imperial campaigns, A.D. 285-311, Phoenix 30, 1976, 174-193,
vgl Kienast, Kaisertabelle 268.
37
F.D. 11,9.
38
Literatur zu dieser Frage bei D. Kienast, Augustus. Prinzeps und Monarch,
Darmstadt 19993 (durchgesehene und erweiterte Auflage), 342 ff.
39
Herz, Mars Ultor 275 ff.
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Neue Forschungen zum Festkalender
61
dakteur des Kalenders hatte sich weder bei der Notiz für den Sieg Con-
stant ins von Hadrianopolis Fugato Licinio arcenses) noch be im 28. Ok
tober, dem Datum seines entscheidenden Sieges über Maxentius aus dem
J. 312, gescheut, den politischen Anlaß für diese Feiern
evictio vyranni)
im
Kalender eindeutig anzusprechen.
49
Hier l iegt die Betonung der Notiz
aber gerade
nicht
auf dem Erringen des Sieges über den Gegner, sondern
auf der Durchführung des Triumphes, dessen Feier ja nicht zwingend mit
dem Tagesdatum zusammenfallen mußte, an dem man den dazu notwen
digen Sieg errungen hatte
50
Daher dürfte es vermutlich wesentlich sinnvoller sein, wenn man die
eigentlichen Feiern für den Sieg Constantins über Licinius mit der Ernen
nu ng seines Sohnes Constaritius IL zu m Caesar am 8- N ov em be r un d de r
formalen Entscheidung des Herrschers , Byzanz zur neuen Hauptstadt
Ko nstantino polis zu erheben, verbindet (Them. 4,58 b) un d da her u m ei
nige Monate verschiebt.
51
Man hat allerdings bei all diesen Überlegungen in der Regel fast völlig
übersehen, daß auch im J. 335 der 18. Septemb er von Co nstan tin wo hl
sehr absichtsvoll gewählt worden war, um seinen Verwandten Delmatius
zum Caesar für die Diözesen
Thracia et Macedonia
zu ernennen. Mögli
cherweise wurde bei dieser Gelegenheit auch Hannibalianus zum rex re-
gum mit weitgehenden Verantwortungen im Bereich der Ostgrenze er
hoben.
52
Hier scheint ein ideologischer Bezug auf die Person des großen
Kaisers Trajan wesentlich wahrscheinlicher zu sein als der Hinweis auf
A9
Degrassi, Fasti p. 257.
50
Eine solche Verknüpfung aus ideologischen Gründen wäre beim panhischen
Triumph des Lucius Verus und der Caesar-Erhebung des Commodus am 12. Ok
tober denkbar, vgl. P. Herz, Gedanken zu den Spielen der Provinz Asia in Kyzi-
kos, Nikephoros 11, 1998 [1999], 171-182.
51
In diesem Sinne G. Dagron, Naissance d'une capitale. Constantinople et ses
institutions de 330
a
451, Paris 1974, 32 ff. mit einer ausführlichen Diskussion der
Belege.
52
G. Wirth, H annibalian. Anmerkungen z ur Geschichte eines überflüssigen Kö
nigs,
BJb
190,
1990, 201-232. Es wird zwar nur Dalmatius ausdrücklich mit diesem
Datum verbunden, doch die gesamtpolitische Lage (vgl. dazu Wirth a.a.O.) spricht
m. E. nicht gegen ein Zusammenfallen beider Ernennungen. Das Datum für Del
matius wird durch Chron. min. I
235.
(vgl.
O. Seeck, Geschichte des Untergangs
der antiken Welt, Stuttgart 1922 [ND. 1966] IV 384) gesichert, zu Hannibalianus
vgl.
Chron. Pasch. 335 (Whitby, Whitby, Chronikon Paschale 20 f.), das als nach
Hydatius korrigierbares Datum den 24. September nennt. Für die Ernennung des
Hannibalianus zum
rex
wird zwar kein ausdrückliches Datum genannt, doch der
gesamte Kontext z. B. des Chron. Pasch, legt eine gemeinsame Aktion am selben
Tage nahe. In diesem Sinne auch Kienast, Kaisertabelle 300 mit Fragezeichen.
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62
Peter Herz
einen in der Erinnerung der Zeitgenossen zwar noch recht frischen Sieg,
aber imm erhin einen, der in einem blutigen Bürgerkrieg errungen w ord en
war . D a die Ernennungen für Da lmatius und H annibalianus am Vorabend
eines von Constantin geplanten Perserkrieges vorgenommen wurden,
kann die erste Version (also der Hinweis auf das ideologische Vorbild
Trajan) einige gewichtige Argumente für sich buchen.
Alle anderen bisher in unserer Diskussion angesprochenen Spiele sind
wahrscheinlich das Resultat vo n ehem aligen Siegesf eiern ge w esen , was sich
noch unschwer an den Namen der besiegten Völker ablesen läßt, warum
wird aber hier das triumphale Moment dieser ludi so betont, nicht die
Nation, über die man den Sieg errungen hatte? Waren die anderen ludi
etwa nicht durch politische Ereignisse motiviert worden, die einen Anlaß
zum Triumphieren boten? Die in diesem Fall wohl ansprechendste Lösung
findet sich wahrscheinlich am ersten Tag dieser
ludi
also dem 18. Septem
ber, der bekanntlich zur gleichen Zeit der
dies natalis
des
divus Träianus
war. Trajan allein hatte einen postumen Triumph gefeiert, der gleichzeitig
mit der feierlichen Überführung seiner sterblichen Überreste aus seinem
Sterbeort Selinous in Kleinasien in die Stadt und seiner anschließenden
Beisetzung im Sockel der Trajanssäule verbunden war.
53
Die Entscheidung, eine solche Feier (Feiern für seinen dies natalis und
seinen parthischen Triumph) demonstrativ an seinem Geburtstag stattfin
den zu lassen und dann auch noch durch die Einrichtung der entspre
chenden Spiele für die Nachwelt zu perpetuieren, wäre demnach durchaus
sinnvoll zu nennen. Dies gilt vor allem, wenn man bedenkt, daß nach dem
Ende dieser triumphales ludi fast bruchlos die großen Spiele für den Ge
burtstag des Augustus begannen, des anderen trendsetzenden Herrschers
der Kaiserzeit. Zeitlich wäre ein solches bewußtes Zusammenfallenlassen
der Termine im J. 118 durchaus m öglich , da sich Kaiser Had rian nach dem
Zeugnis der Arvalakten seit dem 9. Juli 118 in Ro m aufhielt und ihm auch
eine solche politisch-ideologische Symbolik durchaus zuzutrauen ist.
54
Er
verstand es durchaus, in einem solchen Moment geschickt hinter eine ber
reits verstorbene Person zurückzutreten und ihr diese Ehrungen zukom
men zu lassen.
55
Die angespannte innenpolitische Situation, ich erwähne
53
Vgl dazu auch die Ausführungen von J. Bennett, Trajan oprimus princeps. A
life and ames, London, New York 1997, 2 3 f. VgL auch W den Boer, Trajan s
deificauon and Hadrian s succession, AncSoc 6, 1975, 203-212.
54
H. Halfmann, Irinera principum. Geschichte und Typologie der Kaiserreisen
im Römischen Reich, Stuttgart 1986 (HABES 2), 190 zu diesem Datum. CFA 68 II
23 ff. Scheid (a. 118).
55
Vgl. sein pietätvolles Vorgehen bei der völligen Restaurierung des Pantheons
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Neue Forschungen zum Festkalender
63
nur die recht dubiosen Begleitumstände seiner Adoption und die Hinrich
tung der vier Konsulare, der sich Hadrian in diesem Moment gegenüber
sah, soll dabei nur am Rande erwähnt werden.
56
Der Vorschlag des Autors wäre daher, bei den enigmatischen
ludi tri-
umphales
e inen Hinweis auf das Darum des postumen Triumphs Trajans
aus dem J. 118 zu erk enne n. F ü r Had rian wä re eine zeitliche K om bin ie
rung des postumen Triumphes seines Vorgängers mit dessen dies natalis
eine ausg ezeichnete Gelegenheit gewesen, öffentlichk eitswirksa m seine
pietas
zu dem onstr ieren, was un ter den besonderen innenpoli tischen U m
ständ en dieser Zeit (s. o.) durchaus angebracht sein ko nn te. Ein Fortleb en
dieses Festanlasses erhält bei der hohen ideologischen Aussagekraft, die
Trajan für alle seine Nachfolger als
Parthicus
par excellence zukam, eine
durchaus bedenkenswerte Bedeutung. Man darf in diesem Zusammenhang
auch daran erinnern, daß durch Constantin und Licinius auch das traja-
nische D en km al von Tropaeum Traiani wiederaufgebaut wu rde .
Eine bis heute nicht eindeutig geklärte Frage betrifft das Datum für den
offiziellen Geburtstag der neuen Reichshauptstadt Konstantinopolis, den
11 . Mai. So befinden wir uns in der seltsamen Situation, daß uns zwar das
Zerem onien buch des Kaisers Ko nstantinos P orph yrog enn etos die offizi
ellen Vorschriften für die Feier dieses Festes liefert,
57
wir allerdings kei
nerlei Informationen besitzen, die uns hinsichtlich der Gründe für die
Tages wähl klüger m achen wü rde n. De nn dies kö nn en w ir auf jeden Fall
vermuten: es war mit hoher Wahrscheinlichkeit ein mit Absicht ausge
wähltes Datum, das weder wie die Geburtstage des Kaiserhauses noch wie
die Termine von Siegen dem Zufall unterworfen war.
Zunächst müssen wir konstatieren, daß der
11.
Mai selbst zur Gr up pe
der Tagesdaten gehört, die
vor
der Regierungszeit Constantins über keine
bekannte polit ische und/oder religiöse Bedeutung verfügten. Man könnte
fast sagen, es han delte sich u m eine n fast jung fräulichen Tag . D o c h dies
dürfte kaum als Erklärung ausreichen, um die Entscheidung des Kaisers
für gerade diesen Tag zu erklären . W arum w ählte C on sta ntin z. B. nich t
des Vipsanius Agrippa. Trajan, der nicht umsonst den Spitznamen der Mauerpflan
ze trug, wäre in einem solchen Fall weniger von Zurückhaltung geprägt gewesen.
Vgl M . T. Boatwright, Hadrian and che City of Rom, Princeton/N J . 1988, 43.
56
Vgl dazu A. Birley, Hadrian. The restless emperor, London, New York 1997,
ff. Zur Rückkehr nach Rom: 93 ff.
7
Konst. De cerem 1,79 ed. Vogt (p. 43 ff.). Ausführlich behandelt bei
C Heucke, Circus und Hippodrom als politischer Raum. Untersuchungen zum
großen Hippodrom von Konstanonopel und zu entsprechenden Anlagen in spät-
antiken Kaiserresidenzen, Hildesheim, Zürich, New York 1994, 80 ff.
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64
Peter Herz
seinen eigenen Geburtstag am 27 . Februar» um die nach ihm benannte
Stadt offiziell zu begründen?
58
D ies hätte u. a. garantiert, daß die Feier
seines Geburtstages b is fast in alle Ew igkeit gesichert gew esen wäre. D o c h
genau dies machte Constantin nicht.
Eine für eine weitere Diskussion tragfähige Lösung findet sich am ehe
sten,
wenn wir einmal das Umfeld des neuen Festtages genauer prüfen.
Denn es hat sich schon des öfteren gezeigt, daß man durch eine absichts
volle Plazierung eines Festes in einen bedeutungsmäßig vorgeprägten
Kontext eine politisch-ideologische Aussage machen konnte. Und genau
hier werd en wir sehr schnell fündig, den sow oh l der 10. Mai als auch der
12. Mai, also d ie beiden Tage, die den G eburtstag der neuen Hauptstadt
einrahmten» waren bereits etablierte Festtage und zwar vor allem solche
Tage, die mit der Familie des K aisers auf das engste verbunden waren. Der
10. Mai war identisch mit dem
dies natalis
des
divus Claudius Gothicus
268-270 n. Chr.)-
59
Claudius Gothicus gehörte aber nicht nur zu der il
lustren Gruppe der großen Herrscherpersönlichkeiten des 3. Jh., die selbst
nach ihrem Tode noch zu den vorbildlichen Herrschern gezählt wurden
und deren Gedächtnis nicht einer postumen damnatio zum Opfer fiel.
Dies ist auf den ersten Blick sehr interessant, würde aber als Argument
nicht ganz ausreichen, denn unter den Namen der Kaiser, die auch im
Philocalus-Kalender und sogar noch bei Silvius zu den positiven Herr
schern gezählt wurden, findet sich auch Gordianus III.,
60
der wahrschein
lich einen liebenswerten Charakter besaß, den man aber heute nicht mehr
unbedingt zu den Glanzlichtern der römischen Geschichte rechnen würde.
Der entscheidende Hinweis findet sich in der sogenannten Origo Con-
stantini
die nachdrücklich herausstellt, daß der große Gotensieger Clau
dius der Vater des Constantius Chlorus und damit Großvater Constantins
war.
61
Während die Origo Constantini 1,1) Con stantius lediglich als >divi
Claudi optimi principis nepos ex patre
bezeichnet,
62
beginnt sehr schnell
die Konstruktion einer direkten Abstammung. Wie König hervorhebt, be
ginnt die gezielte Ada ption Constantins an Claudius mit dem Panegyricus
58
Kienast, Kaisertabelle 298 ff. für die einschlägigen Daten. Für das Zeremoniell
bei der offiziellen B egründ ung der ne uen Stadt vgl. die ausführliche D arstellung bei
Dagron, Naissance 32 ff.
59
V gl Kienast, Kaisertabelle 231 m it den Q uellenh inw eisen, u. a- auf die Natales
Caesarum
bei Philocalus, vgL Salzman, On Roman Time 28 ff.
60
Degrassi, Fasti p. 239 u. 264.
61
VgL L König, O rigo Constantini. An ony m us Valesianus L Text un d Kom m en
tar, Trier 1987 Trierer H istorisc he Forschun gen 11).
62
VgL auch SHA Claud. 13,2 f.
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Peter Herz
Anhang
Tabelle I
Siegesspiele bei Furius Philocalus und Silvius
Da ten bei Silvius jeweils in [ ] verm erkt)
- [28.1.-1.2. Adiabenicis victis]
4 . - 7 . 2 . ludi Gottici
4.-9. 5.
ludi Maximati
[4.-8 . 5.:
ludi
ohne Spezifizierung]
13.-17. 5. ludi Perski [13 .-14. 5.]
15.-20. 7.
ludi Francici
27. 7. ob Victorias Sarmaticas
30. 7.
ob Victorias Marcom annas
18.-22. 9. ludi triumphales [20. 9.]
5.-10. 10.
ludi Alamannici
[6. -7.10. ]
25 . 11 . -1 . 12 . ludi Sarmatici [27. 11.]
12 .12 . -18 .12 .
ludi Lancionici
Tabelle II
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
kal. Mai.
VI non.
V
IV
III
pridie
non.
VIII idus
VII
VI
V
im
in
pridie
idib us)
XVII kal. Iun.
Fasü Furii Filocali
Insltal XIII,2 p. 247)
Mensis Maius
Habet dies XXXI
Senatus legitimus
Ludi
Florialici c m XXIUL Dies Aegypt
Ludi
Maximati
Ludi
Ludi
Ludi
Ludi
Maximati
c
m. XXIIII
N ataUs) CLmdi c m. XXIIII
>N atalis) urbis Constantmopolis<
Martialici
c m. XXIIII
Ludi
Persici
Ludi
Ludi N atalis) Mercuri Senatus leg.
Ludi
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Neu e Forschungen zum Festkalender 67
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
27.
28.
29.
30.
31.
XVI
XV
XIIII
XIII
XII
XI
X
IX •
vra
VII
VI
V
im
m
pridie
Persici c m XXIU I
N aZaLis) annonae
Zenzarius
Sol Geminis
Macellus rosa m)
sumat
Ludl Honor et Virtus \
Ludi
Ludi
Der mit >.. < gekennzeichnete Eintrag zum
11.
Mai findet sich nicht bei Pbilocalus,
sondern wurde vom Autor eingesetzt.
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Gott oder Mensch
Kaiserverehrung und Herrschaftskontrolle
von
MATTHIAS PEPPEL
1 Einleitung
1
Ist der röm ische K aiser z u Lebzeiten e in Gott? - Sucht m an ein Prädikat,
das den Status des Herrschers beschreibt, so findet man in verschiedenen
Texten, welche die Herrschaft des Princeps legitimieren und glorifizieren,
folgende Aussagen: Der Kaiser ist Gott; er ist Epiphanie eines Gottes; er
ist Stellvertreter eines Gottes; er ist Bild eines Gottes; er ist wie ein Gott
oder einem Gott ähnlich. Um die Bedeutung solcher und ähnlicher Aus
sagen zu verstehen, ist nach der Eigenart und dem Kontext des jeweiligen
göttlichen Prädikates zu fragen. Zu bestimmen sind die Teilnehmer und
die Regeln des spezifischen Diskurses, in dem Aussagen über den göttli
chen Status des Herrschers getroffen werden.
2
Nur wenn einzelne Äuße
rungen in den Kontext gesellschaftlicher Praxis gestellt werden, wenn also,
mit den Worten
WITTGENSTEINS,
Sprache als »Teil einer Tätigkeit, oder
einer Lebensform«
3
aufgefaßt wird, kann man eine sinnvolle Antwort auf
die eingangs gestellte Frage nach der >Göttlichkeit< des Kaisers erwarten.
1
Für die Durchsicht des Manuskripts danke ich herzlich Sebastian GengnageL
2
CLAUSS
geht über die Unterschiede hinweg, weun er schreibt: »Der römische
Kaiser war Gottheit. Er war dies
vo
Anfang
an,
seit Caesar und Augustus, er war
es zu Lebzeiten, er war es auch im Westen des römischen Reiches, in Italien, in
Rom«
(CLAUSS
1999, 17; vgl ebd. 418 und öfter).
3
WITTGENSTEIN
1990, 110 f. (Philosophische Untersuchungen §
23);
die Bedeu
tung eines Wortes bestiinmt sich nach
WITTGENSTEIN
aus dessen Gebrauch in der
jeweiligen Sprache.
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7
Matthias Peppel
Grundlegend
für das
Verständnis
der
Herrscherverehrung
im
frühen
Prinzipat
ist, so
soll gezeigt werden,
die
ambige Stellung
des
lebenden
Princeps zwischen
den
Kategor ien »Gott«'
und
»Mensch«. Beispiele
vor
allem
aus der
literarischen Tradition
- die
Auswahl reicht zeitlich
von
Augustus
bis
Trajan
-
sollen exemplarisch demonstrieren,
wie
diese
Am-
biguität
in je
verschiedener Weise
und mit je
unterschiedlichem Interesse
von denjenigen,
die den
Kaiser verehren, >konjugiert<
4
wird. Zw ei Diskur
se dienen
als
Grundlage der U ntersuchung:
1)
Der
Senat entscheidet nach
dem Tod des
Kaisers über dessen gött
lichen Status.
Aus der
Perspektive
der
D ivinisierung
muß der
Kaiser
zu
Lebzeiten seine Göttlichkeit erst unter Beweis stellen.
2) Zentrale Argumente
und
Topoi
der
philosophischen
und
theologi
schen Herrschaftslegitimation nu tzen den vorgöttlichen und go ttahnlichen
Status des lebenden Herrschers dazu, normative Erwartungen
an
den Kai
ser
zu
form ulieren.
2 Herrscherverehrung:
Der
Kaiser
als
potentieller G ott
2
J
ie
Institution
der
Divinisierung
Selbst wenn
der
Herrscher
von
vielen, auch
in
R om , bereits
zu
L ebzeiten
als Gott angesehen
und wie ein
G ott verehrt werden konnte
und
w urde,
und selbst wenn
er
seine Person gerne
als
Gott inszenierte
wie
C aligula,
Nero oder Domitian
- zu
einem nach öffentlichem Sakralrecht anerkann
ten Gott wird
er
erst durch seine Entrückung nach dem Tod. D enn gemäß
der offiziellen und institutionalisierten Sprachregelung in.Rom können
der
Princeps und andere Mitglieder der Herrscherfamilie erst nach ihrem T ode
als divus bzw. diva bezeichnet
und als
>Staatsgottheiten<
5
verehrt werden,
eine Regel,
an die
sich auch Nero,
der
sich gerne
als
Sol-Apollo präsen
tierte,
6
hielt:
Als ihm
nach
der
Pisonischen Verschwörung
65 n.
Chr.
von
einem Senator
mit
einem Tempel
die
Ehren eines divus angetragen wur
den,
lehnte
er
ab.
7
4
SAHLINS bestimmt eine »konjunkrurale Struktur« als »die praktische Realisie
rung der kulturellen Kategorien
in
einem spezifischen historischen'Kon text,
so wie
sie im interessegeleiteten Handeln der historischen Subjekte zum Ausdruck
kommt« (SAHLINS
1992, 14 .
5
S . 2 J .
* Vgl BERGMANN 1998,133-230.
7
Laut Tac. arm 15,74,3 nicht
aus
Selbstbescheidung oder politischer Zurück
haltung, sond ern aufgrund
des
Aberglaub ens, daß
die
Divinisierung sich
z u
einem
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Gott oder Mensch?
71
Die Entrückung oder Himmelfahrt des Verstorbenen wurde, wie
K I E R -
DOKJF
8
gezeigt hat, von Augustus bis Drusilla noch durch einen Augen
zeugen beschworen, der aussagte, er habe den Herrscher bzw. seine Seele
zum Himmel auffahren sehen; in diesen Fällen findet die Divinisierung
nach dem Modell eines Prodigiums statt, das in seiner Gültigkeit erst vom
Senat bestätigt w erden m uß ; die Gottw erdung wird historisch zunächst als
von den Göttern gesandtes. Zeichen in die flexible Syntax der tradierten
religiösen Struktur eingefügt. Nach Brasilias Konsekration hat der
Schwurbericht über die Himmelfahrt wohl keine Rolle mehr gespielt, seit
der Apotheose des Claudius beschließt der Senat bereits vor dem Staats
begräbnis über die Divinisierung.
9
Im weiteren Verlauf der historischen Entwicklung wird die Divinisie
rung zu einer selbstverständlichen Ehrung: Im Unterschied zur Anfangs
zeit - im ersten nachchristlichen Jahrhundert werden nur fünf Kaiser kon-
sekriert - erklärt der Senat vo n Vespasian b is Marc Aurel m it A usnahm e
Domirians alle Kaiser zu
divi
Der Machtkampf des Antoninus Pius mit
dem Senat um die Konsekration Hadrians zeigt, daß der Senat auch noch
im zweiten Jahrhundert eine Kontrollfunktion ausübte.
10
Die Entschei
dungsfreiheit geht im Laufe des zweiten Jahrhunderts jedoch weitgehend
verloren.
11
22 Der divus als gleichberechtigter Gott
In welcher Hinsicht beeinflußt die institutionelle Form der Divinisierung
den Bedeutungsgehalt von divus} Wie andere neu eingeführte Staatsgötter
gilt auch der divinisierte Kaiser als ein gleichberechtigter Gott. Die Praxis
des Kultes für den verstorbenen Kaiser - Kultpriester, blutige und un
blutige Opfer, Gebete - unterscheidet sich nicht wesentlich von der Ver
ehrung eines anderen Gottes.
12
Auch der Sprachgebrauch unterstreicht die
Omen für seinen Tod wenden könnte (aufgenommen von Tertullian
apoL
34,4:
maledictwn est ante apotheosin deum aesarem mtncupari\
Diese negative Zeich
nung Neros muß nicht der historischen Realität entsprechen; sie könnte sich aus
den moralischen Grundannahmen erklären, die Tacitus in seiner »maximischen«
Darstellungsweise leiten
(FLAIG
1992, 14-25).
8
KIERDORF
1986a.
9
Spätestens seit Beginn des zweiten Jahrhunderts wird, in einer vierten Phase,
die Verbrennung auf dem Scheiterhaufen am Ende des Staatsbegräbnisses zu einem
wesentlichen Bestandteil der Konsekration (KrjERDOR? 1986a, 68).
10
Cass. D io 70,1,2.
11
PRICE 1987, 92f.
12
Vgl FISHV ICK 1991, 589.
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7
Matthias Peppel
gleichberechtigte Stellung der kaiserlichen Gottheit:
13
Die Formel des Ei
des
von
A rit ium etwa fügt
den divus Augustus
zwischen Iuppi ter Opt imus
Maximus und »alle übrigen Göttern« ein.
14
In spätrepublikanisch er Zeit gelten
deus
und
divus
als Synonyme, wobei
das Wort divus s tärker das individuelle Wirken einer Gottheit bezeichnet
und sel tener - vor allem in poet ischer Sprache ~ geb rauch t w i r d Na ch
dem Zeugnis des Servius wo ll ten die A utore n Varro und Ateius (Praetex-
tatus oder Capito) sogar den Sprachgebrauch entgegen der späteren Ver
wendung normieren.
15
Seit Caesars Vergottung wird
divus
- wohl auf
grund seines vornehmeren Klangs
16
. - durch eine Bedeutungsverengung zu
einem Terminus, welcher denjenigen verstorbenen Herrscher bezeichnet,
der
vom
Senat staatl icher gött l icher Ehren
für
wer t befunden wurde ,
be
zeichnet
divus
also einen Menschen,
der
na ch seinem
Tod zu
einem Gott
erhöht wi rd . In der Dichtersprache wird divus weiterhin gleichberechtigt
neben
deus
für die Göt ter verwandt , in nichtoffizieller Sprache kann
deus
für
den
lebenden
und den
vers torbenen
1 7
Princeps verwandt werden.
23 Die D ivinisierung als institutionelle Kontrolle
D er
divus
ist also ein vollwertiger
deus, divus
kann demnach als eine Teil
menge des Gattungsbegriffes deus gelten.
18
Im Unterschied zu einer an
deren neu eingeführten >Staatsgottheit<
19
verbindet sich mit der D ivinisie-
13
SCHWERING
1914/1915 weist nach, daß divus/diva nicht »göttlich« meint, son
dern in der nichtchristlichen Literatur) stets substantivisch aufzufassen ist vgl.
CLAUSS
1999, 356f.).
14
IVPPITER OPT1MVS MAXIMVS
AC
DIWS AVGVSTUS CETERI QVE)
OMNES DI IMMORTALES ILS
190
DESSAU;
zum Kaisereid vgl den Beitrag
von
CANCIK);
in einer Inschrift aus Isernia ist vom
Divus Iulius
die Rede, den
»Senat und Volk von Rom unter die Götter gerechnet haben«: QVEM SENATVS
POPVLVSQVE ROMANVS IN DEORVM NVMERVM RETTVLIT CIL
IX
2628).
15
Serv.
Aen.
5,45:
>Divum< et >deorum< indifferenter plerumque ponit poeta,
quamquamsit
dücretio, ut
deos
perpetuos
dicamus
y
divosex bominibus factos, quasi
qui diem obierint; unde divos etiam imperatores vocamus. sed Varro
fr. 424 GRF
FUNAIOLI)
et Ateius fr. 12 bzw. 15 GRF
FUNAIOLI) contra sentiunt> dicentes
divos
perpetuos, deos, qui propter sui
consecrationem
timentur,
ut
sunt
dii
manes
vgl.
Varro
1mg.
fr. 2
GOETZ-SCHOELL).
16
SCHVEKING
1914/1915, 24.
17
TLL 1 (1934) s.v. deus I B 3d ß, col. 891, 53ff.
(GUDEMAN).
* PRICE 1984, 83 n. 40.
19
D. h. einer Gottheit, deren Verehrung unter die staatlich organisierten und
finanzierten Sacra publica aufgenommen wird vgl
CLAUSS
1999, 356f.).
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Gore oder Mensch?
73
rung jedoch nic ht n u r eine sakralrechtliche E ntsche idung üb er die staatlich
geregelte Verehrung eines Gottes, vielmehr steht bei der Divinisierung die
Göttlichkeit des Verstorbenen als solche zur Disposition. Wie bei einer
Hei l igsprechung
20
wird eine Aussage über das von äußeren Urtei lsakten
unabhängige Wesen des verstorbenen Herrschers getroffen. Denn »Tu
gend macht«, wie Cassius Dio betont, »viele gottgleich, aber noch nie
mand is t aufgrund einer Abst immung Got t geworden«.
21
In dieser dem
Maecenas in den Mund gelegten Mahnung an Octavian wird nicht etwa
die Praxis der Herrscherverehrung als solche kritisiert,
22
vielmehr wird der
substantiel le Charakter der Gött l ichkeit betont, der nach dem Verständnis
eines Senators an das gute Verhalten des Herrschers geknüpft ist. Idealiter
wird mit der Divinisierung nur die Gött l ichkeit des Princeps bestät igt , die
dieser durch sein tugendhaftes Verhalten erwiesen hat.
Die Divinisierung hat folglich eine konstative und eine performative
Komponente: Zum einen wird mit der Senatsentscheidung (der Divinisie
rung im engeren Sinne) eine feststellende Aussage über den Status des
Verstorbenen getroffen; zum anderen wird der Divinisierte erst durch den
auf die Senatsentscheidung folgenden Akt der Konsekration
2 3
verbindlich
zu einer Gottheit erklärt ,
24
ähnlich wie bei der performativen Äußerung
der Trauformel die Eheleute zu Mann und Frau erklärt werden.
Für den Diskurs der poli t ischen Führung sind die inst i tut ionellen Kon
notationen der >Göttlichkeit< des Kaisers zentral; denn mit diesen verbin
det die politische Elite ihrem Selbstverständnis nach den symbolischen
Anspruch auf poli t ische Überlegenheit gegenüber Volk und Kaiser.
25
In
sofern wird die Divinisierung, darauf verweist der offizielle Sprachge
brauch, als letzte Ehrung des verstorbenen Princeps aufgefaßt .
26
Der Senat
20
Vgl PKICE 1984, 83.
21
Cass. Dio 52,35,5: dpern
j*tev yäp
uyoGsovg
noXkoüc,
TCOISI,
xsipo^ovryzöc,
5 '
oi>5ev(;
7cdwoT£ Qtöq s^Eveto.
22
W ie
FISHWICK
1990 nachweist, lehnt Cassius Dio in seinem dem Maecenas in
den Mund gelegten Fürstenspiegel nicht den Kaiserkult ab, er wünscht sich viel
mehr eine Rückkehr zu den gemäßigten .Formen der H errscherverehrung, w ie sie
zu Augustus' Zeiten praktiziert wurden. Hervorgehoben wird von Cassius Dio
besonders die Beteiligung des Senats am politischen Entscheidungsprozeß.
23
Zur Unterscheidung von Divinisierung (im engeren Sinne) als dem »Senats-
bescbluß, der die Divinisierung legitimiert« und der
consecraüo
als der »Realisie
rung in der Kultpraxis«
KIEKDORF
1986b, 154 sowie
KIERDORP
1986a pass.
24
CLAUSS
1999, 359; der Fall des Kaisers Decius und seines Sohnes Herennius
scheint der einzige zu sein, in dem ein bereits divinisieiter (aber wohl nicht kon-
sekrierter ) Kaiser der
damnatio memoriae
(s,
2,4)
anheimfiel
CIL
VI 36760;
KIENAST
1996,204).
2 5
PR IC E 1987, 91.
26
Vgl die Fasten von Amkernum
CIL
I
2
1, 15, p. 244,17):
DIVO AVGVSTO
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74
Matthias Peppel
kann diese Ehrung auf Antrag (meist des Nachfolgers) beschließen, aber
auch verweigern, so geschehen im Falle des Tiberius und des Hadrian.
2 7
Abhängig ist die Entscheidung vom Legit imationsbedarf des Nachfol
gers,
28
aber auch v on der Bew ertung der Herrschaft des vers torbene n Prin -
ceps,
29
wie der aus Alexandria stammende Historiker und spätere
Procu-
rator Augusti Appian im zweiten Jahrhundert bestät igt , als die Divinisie-
ru ng bereits zu m Regelfal l gew ord en ist : »Dieser [sc. gottgleicher] Eh ren «,
so Appian, »halten die Römer auch jetzt noch, sei t jenem ersten Mal [sc.
der Vergött l ichung Caesars durch Octavian], den jeweil igen Inhaber der
Regierung nach seinem Tode für w ürdig, w en n er nich t gerade tyrannisch
oder tadelnswert gewesen war, sie, die es zuvor nicht einmal über sich
brachten, jene zu Lebzeiten Könige zu nennen.«
30
Die Divinisierung läßt sich demnach als ein Akt auffassen, in welchem
der Senat seinen Konsens sowohl mit dem verstorbenen Kaiser und seiner
Herrschaft als vor al lem auch mit dem vom Verstorbenen ausgewählten
Nachfolger demonstriert In diesem ri tualisierten Konsensakt zeigt sich
besonders deutl ich, daß der Prinzipat , wie
FLAIG
in seiner Arbeit zur
Usurpation betont, auf einem gesellschaft l ichen »Akzeptanz-System«
3 1
beruht.
HONO RES CAELESTES Ä SENATV DEC RETI (vgl. Tac. anru
' 12,69,3:
caeles-
tesque honores Claudio decermmtur;
arm. 15,74,3; 16,21,2).
27
Glaubt man dem Bericht des Cassius Dio, so vertagte der Senat die Entschei
dung über den Antrag Caligulas, Tiberius zu divinisieren, bis auf die Ankunft und
Anhörung Caligulas; der Antrag wurde n icht weiter verfolgt (Cass. Dio 59,3,7); die
Divinisierung Hadrians setzte Antoninus Pius beim Senat mit dem Argument
durch, anderenfalls sei seine Adoption hinfällig (Cass. Dio 70,1,2).
28
Plin. pari, 11 (3: certissima divinitatis fides est bonus successor) läßt dies erken
nen; ähnlich Herodian
4,2,1:
»Die Römer sind gewohnt, die Kaiser zu Göttern zu
erheben, die bei ihrem Tode einen Sohn hinterließen, deribre Nachfolge antreten
konnte«; zur Divinisierung Hadrians vgl. Anm. o. (vgl.
GESCHE
1978).
29
BICKERMANN
1929, 121 spricht von einer »Ethisierung der Konsekrations-
Vorstellungen«.
30
Appian BC 2,148,618: cov 5f| KOI vüv, e£ exavou icpdytou, Tö^icdoi TÖV
£K6OT0TE TT]V
apXTW
vf\vde
apxovxa,
TIV
jaxi
TÜXII
TOPOCWIKÖC;
r\
s7ajLEfi3rto<;,
&7to8avövta ä^io'öaiv, 01 rcpötspov o\>SeTCepiövxca; avuoix; £q>epov
KOCXEVV
ßaatXeaq. ~ Tatsächlich wird die Divinisierung im Laufe des zweiten Jahrhunderts
zum Normalfall (s.
2.1).
Die von Appian ausgesprochene Aporie ist verständlich
für einen Au tor, der die Ptolemäer immer noch als »meine Könige«
{Prooim.
10,39)
bezeichnet; in Ägypten hatte die kultische Verehrung des Pharaos bereits zu Leb
zeiten eine lange Tradition.
51
Daß der Prinzipat »wahr schein Jich das ausgeprägteste [Akzeptanz-System]
unter allen Großreichen der Weltgeschichte«
(FI,AIG
1992, 12) ist, wäre allerdings
erst noch zu beweisen. - Es ist möglich, daß die Bedeutung der Akzeptanz für
andere Großreiche bei weitem unterschätzt wird (vgl zu Ägypten
ASSMANN
2000;
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Gott oder Mensch?
75
Aus Sicht der politischen Elite wird die Senatssitzung gleichsam zu ei
nem poli t ischen »Totengericht«
32
über die moralische Quali tät des ver
storbenen Herrschers und seiner Herrschaft, ganz so, wie es Seneca in der
Apocolocyntosis
schildert, der menippeischen Satire, welche die entschei
dende Sena tssi tzung auf d en Oly m p projiziert . In diesem Text soll wen iger
die Divinisierung als solche kri t isiert als dem zukünftigen Herrscher vor
Augen gestellt werden, daß sein Vorgänger sich nicht eines divus würdig
verhalten hat .
33
Der panegyrische Vergleich Neros mit Sol-Apollo in der
Apocolocyntosis
drückt die Erwartungen aus, die in den jungen Princeps
und seine Herrschaft gesetzt werden.
34
2A Der lebende Kaiser
Für das Verständnis des Durchschnit tsbürgers dürften die poli t isch-legis
lat iven Implikationen der Gött l ichkeit des Kaisers nur eine untergeordnete
Rolle gespielt haben. Denn erstens gilt der divus als vollw ertiger G ott,
zweitens sind die feinen Nuancierungen, die etwa die Verehrung des kai
serl ichen Numens zu Lebzeiten von der des verstorbenen Kaisers als ei
genständiger Gottheit unterscheiden, sicher nicht für al le erkennbar ge
wesen und sollten es auch nicht für alle sein,
35
und dri t tens wurde der
Kaiser von vielen bereits zu Lebzeiten als Gott angesehen und verehrt.
36
zum griechischen Königtum und seinen altorientalischen "Wurzeln
AUFFARTH
1991,
v. a. 154-199).
32
MOMMSEN
1887, 1134 hat die mit diesem Begriff verbundenen juristischen
Konnotationen überbewertet und die Konsekration als den Freispruch in einem
postumen Krinnnalverfahren aufgefaßt, in dem weder die volle
damnatio memo-
riae)
noch die mildere Strafe
rescissio actoritm)
ausgesprochen wird- Diese Auffas
sung kritisiert bereits
VITTINGHOFF
1937,90 und
101-105,
der zu Recht betont, daß
die Divinisierung die politische Beurteilung der Piincipatsführung betrifft (vgl.
BICXERMAJNN
1929,120).
33
PBICE
1987, 87-91.
34
Sen. apocoL
4,1,27-31;
richtig
SCHOVAXTER
1989, 114 Anm. 63.
35
Dies gilt vor allem für die Aufstellung von Bildnissen, etwa wenn eine Kolos
salstatue des Kaisers in der Bübnenwand des Theaters in einem Register mit Göt
terstatuen stand
(z.
B. in O range, Arles und Dougga);
FISHWICK
1987, I> 1, 23 hebt
hervor, daß bereits im griechischen Bereich der Unterschied zwischen einer Kultstatue und einer Ehrenstatue nicht immer klar sei (vgl. den Beitrag von HrrZL).
36
Ein fiühes literarisches Beispiel inoffizieller privater Verehrung bietet Vergils
erste Ekloge, in der der Hirt Tityrus seinem persönlichen Rettergott Octavian
einen spontanen Privatkult einrichtet (vgl.
DXJQÜESNAY>,
ähnlich spricht ein De-
curio in einer Inschrift aus Nola aus Dankbarkeit für seine Beförderung Caesar als
Gott an: M. Salvio Q./. Venusto decurioni beneficio dei Caesaris ILS 6343
D E S
SAU).
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76
Matthias Peppel
Die Differenz der Diskurse von Volk und Senat wird bei der
damnatio
memoriae
>
die auf eine Usurpation folgen kann, virulent. Denn in diesem
Falle wurde der beseitigte Kaiser postum zum Staatsfeind erklärt. Dabei
wurde nicht nur sein Name aus allen verfügbaren Inscbriften getilgt, auch
kultische Praxis, d. h. Opfer, Feste und Priesterschaften, wie sie außerhalb
Ro m s v. a. im Osten des Reichs existierten, mußte eingestellt werden.
37
Welche Wirkung solch ein Vorgang auf Untertanen hatte, die den Herr
scher aus dankbarer Überzeugung als Gott verehrten, darüber kann man
nur spekulieren.
38
D ie damnatio unterstreicht, daß die Führungsschicht in Rom dem Kai
ser zu Lebzeiten keine öffentlich anerkannte Göttlichkeit zugesteht.
39
Vielmehr dient die Ambiguität des lebenden
Kaisers
zwischen Gott und
Mensch, seine potentielle Göttlichkeit, dazu, diesen auf ein ideales Ver
halten zu verpflichten; das Denkschema lautet daher Der Kaiser wird als
Gott verehrt werden, falls er sich gemäß den an ihn gestellten Erwartun
gen verhält.
Durch die postume Divinisierung wird das Leben des Kaisers aus Sicht
der politischen Elite zu einem schwebenden Verfahren, in dem der Prin-
ceps zuerst Beweise dafür zu erbringen hat, daß er ein Gott ist.
40
Alle
Aussagen, die den Herrscher zu Lebzeiten als Gott ansprechen oder mit
Gott vergleichen, stehen unter dem Vorbehalt einer postumen Beurteilung.
Gottgleiche Ehren zu Lebzeiten, z. B. die Verehrung des kaiserlichen
Numens, sind aus Sicht der Führungsschicht nur Vorschußlorbeeren, die
den Herrscher auf ein ideales Verhalten verpflichten. Dies wird an einer
Stelle bei Tacitus deutlich ausgesprochen: Daß Tiberius für sich alle gött
lichen Ehren zu L ebzeiten und nach de m To de ablehnt, wu rde laut Tacitus
unter anderem als:
41
37
Zu sehen ist dies z. B. an der Inschrift von Akraiphia aus Böotien IL S 8794
DESSAU),
die
Nero als »Neue Sonne« Griechenlands feierce, weil
dieser der
Provinz
Achaia auf seiner Griechenlandreise 66 oder 67 n, Chr, die Autonomie verliehen
hatte; aus Dank wurde in Akraiphia der Altar des Zeus Soter dem Zeus Eleutherios
Nero um)geweiht Z 48ff.)- Zur Datierung BERGMANN 1998, 202.
38
Für die Bindung an die Zentralmacht spielte sicher auch die Kontinuität der
Kaiserverehrung als solcher eine zentrale Rolle,
39
In diesem Punkt zeigt sich deutlich, daß
CLAUSS*
These von der Göttlichkeit
des amtierenden Kaisers z. B, 418) nicht überzeugen kann ebd, 385: »Domitian
war ja quasi durch die nicht erfolgte Divinisierung nur noch Mensch«; Hervorhe
bung
VI).
40
VgL PRICE 1987, 89.
41
Tac
arm,
4,38: quod ... quidam ut degeneris animi interpretabantur optumos
quippe mortalucm altissima cupere; sie erculem et Liberum apud Graecos, Qui-
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Gott oder Mensch?
77
»Zeichen entarteter Gesinnung [gedeutet]. Die besten unter den Menschen hät
ten doch den Drang nach dem Höchsten; so seien Herakles und Dionysos bei
den G riechen, Quirinus bei uns unter die G ötter gezählt worden. Besser habe es
Augustus gemacht, der darauf gehofft habe. Alles übrige stehe den Fürsten so
fort zu Gebote: nur auf eines müßten sie unablässig bedacht sein, daß man sich
in beglückender Weise ihrer erinnere; denn ein Verzicht auf Nachruhm bedeute
den Verzicht auf tüchtige Leistungen.«
Tacitus gibt hier eine Denkweise wieder, die für das Selbstverständnis der
polit ischen Elite zentral ist : Durch die Erhöhung des Kaisers zum Gott
wird dieser bestimmten Erwartungen seiner Untertanen ausgesetzt . Aus
dieser Sicht ist die Kaiserverehrung weniger ein Mittel der Propaganda,
das den Herrscher in seinen Machtbefugnissen gegen Kritik und Kontrolle
immunisiert, als umgekehrt ein Mittel der gesteigerten Kontrolle einer
übermenschlichen Machtfülle. Die Göttlichkeit wird funktionalisiert, um
individuelle Erwartungen an den Kaiser zu formulieren.
42
Aus Sicht der
politischen Elite wird die Divinisierung zu einem Anreiz für den Princeps.
Diese Haltung wurde - glaubt man Sueton - von Augustus internalisiert .
In einem Brief an Tiberius begründete Augustus seine kostspielige Frei
gebigkeit damit, daß sie ihn zu himmlichem Ruhm erhöhen werde.
43
3 Her r scha f t s theo log ie : Göt t l i chke i t a l s Norm
3 J Der performative Charakter der Göttlichkeit
Theologisch ausdifferenziert wird die von Sueton überlieferte Aussage des
Augustus bei Plinius dem Älteren, welcher in der Theologie seiner Na
turgeschichte schreibt: »Gott heißt für einen Sterblichen, einem Sterbli
chen zu helfen, und dies ist ein Weg-zu ewigem Ruhm«, ein Weg, den nach
rinum apttd nos deum numero add itos. melius Augustum, qui speraveri cetera
principibus
statim adesse: unum
insatiahiliter
parandum,
prosperam
sui memoriam;
nam contemptu famae contemni virtutes
Übersetzung E.
HEIXER ) .
42
Auch die gottähnlichen Tugenden des Herrschers sind, wie W A I I A C E -
HADRILL 1981 v, a, 318) gezeigt hat, als ein Mittel der vom Kaiser gesteuerten
>Propaganda< mißverstanden; sie müssen vielmehr als ein Medium aufgefaßt wer
den, über das Erwartungen einer gesellschaftlichen Gruppe an den Kaiser formu
liert werden.
43
Suet. Aug.
71,5:
benignitas ... mea me ad caelestem gloriam efferet.
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7
Matthias Peppel
den Vorfahren auch Vespasian mit seinen Kindern beschreite.
44
Hinte r d ie
ser Aussage steht eine funk tionalistische Auffassung von Gö ttlichke it.
Gott-Sein wird als ein bestimmtes Handeln aufgefaßt Analog zu dem
Sprichwort »Ein Freund in der Not ist ein wahrer Freund« konstituiert
sich die Bedeutung durch ein bestimmtes Verhalten. Denn »es ist sicherer,
daß die Beziehung durch die Tat geschaffen wird, als daß die Tat durch die
Beziehung garantiert ist.«
45
D oc h de r verbale od er perf ormative Ch arakter des menschlichen Go ttes
hän g t ni ch t n u r vo n dessen Verhalten ab Perform anz als das >Auffuhren<
einer bestimmten sozialen Rolle
46
) , sondern auch vom Handeln der sozia
len Mitspieler , die dem entsprechenden Subjekt Göttl ichkeit oder Gott
ähnlichkeit zusp reche n im Sinne eines performäriven Sprecha ktes). Ver
bindlich geschieht dies erst im postumen Akt der Konsekration als einem
Akt der Dankbarkeit für emfangene Wohltaten, wie auch Plinius im An
schluß an seine Definit ion des menschlichen Gottes hervorhebt.
47
Als ein funktionales Äquivalent zur Divinisierung kann die philoso
phische und theologische Herrschaftslegitimation gelten. Wie jene soll sie
den amtierenden Kaiser auf ein bestimmtes Verhalten verpflichten. Wäh
rend im polit ischen Akt der Konsekration dem toten Herrscher Göttl ich
keit jedoch verbindlich zugesprochen wird, gesteht der legitimatorische
Diskurs dem lebenden Kaiser einen göttl ichen Status nur vorläufig und
44
Plin. nat. 2 lSf.: Deus est mortali iuvare mortalem, et baec ad aetemam gloriam
via.
bacproceres iere Romani, bac
nunc
caelestipassu cum liberis suis
vadit maximus
omnis aevi rector Vespasianus Augustus fessis rebus subveniens. bic est vetustissimus
referendi bene merentibus gratiam m os, ut tales numinibus adscribant quippe et
aliorum nomina deorum et quae supra retuli siderum ex bominum nata sunt meritis
ähnlich Ov.
Pont
2,9,35f.).
45
SAHLINS 1992, 41; an der Begegnung des Entdeckers Captain Cook mit den
Hawaianern> die den Besucher anfänglich für einen Gott hielten ebd. 105-131) und
am Ende töteten, demonstriert SAHLINS eindrucksvoll, wie kulturelle Bedeutung in
»performativen Strukturen« ebd. 13-15; 40-45) durch soziales Handeln erzeugt
und transformiert wird.
46
In diesem Sinne sozialer Performance wurde der Begriff im Verlaufe des cul-
tural turn
verwendet z.
B.
in
VICTOR TURNERS
Theorie des Rituals als social
dra-
ma\ zur Entwicklung und den verschiedenen Aspekten des Performanzbegriffes
ygL
WIRTH
2002. - Den inszenatorisch-theatralischen Charakter gesellschaftlichen
Handelns reflektiert bereits die stoische Theorie von den vierpersonae »Masken«)>
die der Mensch im Laufe seines Lebens trägt; eine der >gespielten< Rollen konsti
tuiert sich durch die Lebensentscheidungen, die vom Individuum und anderen für
es getroffen werden Cic.
off.
1,107-118).
47
Die Verehrer
»schreiben
solche Menschen de n Göttern
zu« (adsaibant;
s, Anm. 44).
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Gott oder Mensch?
79
gewissermaßen auf Probe zu. Die entsprechenden Aussagen sind als ein
Akt autoritativen oder präskriptiven Sprechens aufzufassen- Denn
die Er
füllung
der
normativen Erwartungen wird
zur
Voraussetzung dafür, daß
der Herrscher
in
den
Augen seiner Verehrer Gott
ist -
dadurch,
daß
er
gottgemäß handelt.
Das sprachpragmatische Wechselspiel
von
normativem Anspruch
und
dem
die
Norm performierendem Verhalten
ist mit der
Struktur vergleich
bar, die nach
JUDITH BUTLER der
sozialen Konstitution
der
weiblichen
Geschlechterrolle zugmndeliegt.
4S
Im
Unterschied
zum
autoritativen
Sprechakt,
der dem
Mädchen
ein
bestimm tes Geschlechterverhalten
zu
spricht,
49
bleibt
den
legitimatorischen Texten, welche
den
Kaiser
als
Gott
adressieren,
ihr
peif ormativer Charakter jed och nicht verborgen.
Im
Ge
genteil: Dadurch,
daß die
Gleichnishaftigkeit
der
geforderten Göttlichkeit
durch vergleichende Aussagen betont
und
in argumentativen Ko ntexten
reflektiert wird, bleibt
dem
Diskurs
die
soziale Kontrolle über
den
>Gott
auf Probe< erhalten.
Beso nders deutlich w ird der perf ormative C harakter
der
göttlichen Prä
dikation in Senecas e dementia
dem
Fürstenspiegel, in
dem
sich der
stoische Philosoph
und
Prinzenerzieher
von
Nero
an
seinen Z ögling rich
tet.
Die
Schrift ist, wie
TRAUTE ADAM
gezeigt hat, von neupythagoreischen
Schriften
zur
Königstheologie beeinflußt.
50
Im
Vergleich dieser Texte
mit
Seneca zeigt sich besonders deutlich, inwiefern sich eine performative
und
eine eher substanzialistisch geprägte Auffassung
des
göttlichen Herrschers
unterscheiden.
3.2
Neupythagoreische Schriften »Über das Königtum«
In
der
spätantiken Blütenlese
des
Stobaios sind Exzerpte
aus
drei neupy
thagoreischen Schriften
mit dem
Titel >Über
das
Königtum< Tlepi ß a c v
teiaq)
51
von
uns
sonst unbekannten Autoren erhalten, welche wohl
aus
48
BUTLER 1993, 318:
»In dem
Maße,
wie das
Benennen
des
>Mädchens< transitiv
ist, das heißt den Prozeß initiiert, mit dem ein bestimmtes >Zum-Mädchen-Werden<
erzwungen wird, regiert
der
Begriff oder vielmeh r dessen sym bolisch e M acht die
Formierung einer körperlich gesetzten Weiblichkeit,
die die
N orm niemals ganz
erreicht Dabei handelt
es
sich jedoch
um ein
>Mädchen<,
das
gezwun gen w ird,
die
Norm zu >ziueren<> um sich als lebensfähiges Subjekt zu qualifizieren und ein
solches
zu
bleiben«.
49
Ebd.
308.
5 0
A D A M 1970, 40-62.
51
Grundlegend GOODENOUGH
1928 mit
englischer Übersetzung); griechisch-
französischer Text bei DELATTE 1942.
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8
Matthias Peppel
dem dri t ten oder zweiten vorchrist l ichen Jahrhundert stammen.
52
In der
Schrift des sonst unbekannten
5 3
Ekphantos heiß t es:
54
»Auf der Erde und bei uns ist das von Natur aus Allerbeste der Mensch, das
Göttlichste aber der König, der in der gemeinsamen Natur mehr Anteil am
Besseren hat; er ist zwar, was sein Gehäuse betrifft, den übrigen gleich, will
sagen, er ist aus derselben M aterie entstanden, aber von einem besseren Schöpfer
gearbeitet, der ihn nach dem Modell seiner selbst gefertigt hat; seiner Einrich
tung nach ist demnach einzig und alleine der König gleichsam eine Form des
oberen Königs, immer seinem Schöpfer verwandt, den Untertanen aber durch
sein Königtum wie in einem Licht erscheinend.«
Die exzeptionelle Stellung des Königs wird hier mit seiner Gotteben
bildlichkeit begründet. Diese wird als eine innere Wesensverwandtschaft
mit dem Gott aufgefaßt, der den König nach seinem Urbild geschaffen hat.
Wie aus anderen Stellen deutlich wird, begründet sich diese Verwandt
schaft aus der Analogie der Herrschaftsstellung von Gott und König:
55
52
Die Datierungsversuche bewegen sich zwischen dem 3. vorchristlichen und
dem 2. nachchristlichen Jahrhundert. Über die Autoren Diotogenes und Sthenidas
von Lokroi weiß man nur, daß sie Pythagoreer gewesen sein sollen. Die
communis
opinio geht daher davon aus, daß es sich um Pseudepigrapha handelt. Nach
THES -
LEFF
1961 beruht der Dialekt der Texte auf einem süditalischen Dialekt des Dori
schen, ähnlich dem des Pythagoreers Archytas von Tarent
(4. Jh .
v. Chr.); dieser
Dialekt verselbständigt sich im dritten Jahrhundert zu einer literarischen Konven
tion, die bewußt Archaismen verwendet. Die Texte zeigen weder Ähnlichkeit mit
älteren pythagoreischen Texten noch finden sich Einflüsse, wie sie für den römi
schen Neupythagoreismus des 1. vorchristlichen Jahrhunderts prägend sind. Daher
datiert
THESLEEP
sie, ähnlich wie
BURKERT
1961, auf die Mitte des dritten Jahr
hunderts v. Chr, so daß Einfluß auf Seneca möglich ist. - Ebenfalls für eine frühe
Datierung spricht die Vielzahl ähnlicher Werke aus dem dritten und zweiten Jahr
hundert v. Chr, v. a. aus der Feder von Stoikern (Sphairos, Kleanthes, Persaios),
die uns größtenteils leider nur dem Titel nach aus Werkübersichten bekannt sind
(vgl.
ADAM
1970, 12-18 .
53
Der einzige namentlich bekannte Autor Ekphantos lebte im 4 J h . v. C hr . und
schrieb Attisch; er kann daher nicht mit dem Autor des Stobaios-Textes identisch
sein
(s.
o.)-
54
Ekphantos
ap.
Stob,
eci
4,7,64 p.
272 WACHSMUTH:
EV
e tQ.y<£
KCCI rcccp* djiiv
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5
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5*
dpxouivoiq
ä>q EV
epeati T $ ß a a t ^ a ßteftoM^vov (vgl. 4,6,22 p. 245 W.).
55
Diotogenes ap. Stob.
ecL
4,7,61 p.
265
W.: e^ si 5e Ka i
GÖ<; OEÖC,
Ttoti Koajiov
ßccoiA^uc;
Ttori ;c6Xiv- KCCI cb<; rc6\t<; rox
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82
Matthias Peppel
gründet im Unterschied zu den von Stobaios überl ieferten Texten keine
qualitative Exzeptionalität des Kaisers, sie stellt vielmehr eine besondere
Veipfl ichtung eines Menschen dar, dem ein Übermaß an Macht gegeben
ist , und nicht nur eine besondere Verpfl ichtung, sondern auch eine beson
ders große Gefährdung. In De dementia beschreibt Seneca auch, w ie de r
Mißbrauch seiner Macht den Herrscher von der Höhe der Gottähnlichkeit
unter das Niveau der Tiere herabsinken läßt .
61
Nach Senecas Einschätzung
wird der Kaiser also durch seine dem göttlichen Schicksal
62
ähnliche Stel
lung nicht von vornherein gerechtfertigt, diese Stellung wird vielmehr als
eine Aufgabe aufgefaßt, die über menschliches Maß hinausreicht.
Zwar betonen auch die neupythagoreischen Quellen, daß der Herrscher
durch ein tugendhaftes Verhalten Gott nachahmt, stellen dies aber als Fol
ge seines Wesens dar, so etwa Ekphantos:
6 3
»Ich meine also, daß der König auf Erden in keiner Tugend dem König im
Himm el nachstehen kann; sondern so, wie er eine ausländische und fremde Sa
che ist, welche von dort [sc. vom Himmel] zu den Menschen gekommen ist,
dürfte einer zu der Auffassung gelangen, daß seine Tugenden Gottes W erke sind
und durch jenen [sc. G ott] seine Werke sind.«
Der König wird hier so weit der menschlichen Sphäre entrückt, daß er als
etwas Fremdes, als ein Himmelsgeschenk, erscheint. Bei Seneca dagegen
heißt es, daß die Bürgerschaft »ihren Lenker nicht anderen Sinnes ansieht
als wir die unsterblichen Götter in Ehrfurcht und Verehrung ansehen
wollten, wenn sie uns Gelegenheit gäben, sie zu sehen«.
64
Die Wirkung
eines guten Kaisers auf die Wahrnehmung der Menschen wird hier mit der
Wirkung einer Götter-Epiphanie verglichen, aber eben nur verglichen,
gleich im anschließenden Satz wird betont, daß »der, welcher sich gemäß
dem Wesen der Götter verhält, den ihnen nächsten« - und nicht den glei-
61
Clem. l,26,3f.
62
Clem. 1,1,2: quid cuique mortalium fortuna datum velit, meo ore pronuntiat
(vgl. RO LL ER 2001, 240. 273 Anm . 101).
63
Ekphantos ap. Stob. ecL 4,7,64 p. 274f. W.: eycb usv cov wcoXaußävco K ai xöv
8jci xäc;
yQc, ßacnAsa 5w aa 6a i
jn/nöeM*©
t a v apexav ekaxro'öcOca
xä>
KCXT- cbpa-
vov ßaoiÄitoc;-
6<XK
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c&orcsp a v t 6 ; ä:cöSajxöv u evxi XPIftia Kai £svov &K£I8£V
äcpvyjiivov npöc,
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TOCC, ape-tac;
a v
TU;
a w ö
zpya
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Tä>
8efl>
Kai 5r £K£ivov
avxG .
64
Clem. 1,19,8f.: quis ab hoc non, si possit, fortunam quoque avertere velit, sub
quo
iustitia,
pax, pudidtia,
securitas,
dignitasflorent, sub quo opulenta civitas copia
bonorum omnium abundat nee alio animo rectorem suum intuetur, quam si di
immortales potestatem visendi suifaciant, intueamur venerantes colentesquef Quid
autemf Non proxumum Ulis locum tenet is, qui se ex deorum natura gerit, beneficus
ac Lirgus
et in
melius potens?
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Gott oder Mensch?
83
chen - »Platz einnimm t«. Jede Annäherung an die göttliche Sphäre wird
bei Seneca zum einen an die Bedingung eines bestimmten Verhaltens ge
knüpft, zum anderen wird der Vergleich in seinem komparativen Charak
ter betont.
Der Princeps wird nicht, wie bei Diotogenes, als das wesenhafte Bild
Gottes aufgefaßt, das nach dessen Modell geschaffen ist,
65
vielmehr wird
dem Herrscher wie in einem Spiegel
66
ein Bild vor Augen gestellt, wie er
sich verhalten soll, um eine gottgleiche Herrschaft zu verwirklichen. Se
neca will Nero eher zeigen, wie er - in Zukunft - »zur größten Freude
aller Mensch en w erd en wird«. W enn man berücksichtigt, daß antike Spie
gel einfache polierte Metalischeiben waren
67
und daher in ihrer Abbil
dungstreue nicht mit modernen Spiegeln verglichen werden können, dann
wird Senecas Aussage plausibler: Die Reflexion eines antiken Spiegels ist
von solcher Qualität, daß der Betrachter in seiner Interpretation eines
unklaren und verzerrten Bildes mehr gefordert war als er dies bei einem
Spiegel ist, wie wir ihn kennen. Daher nimmt Seneca die Rolle eines spre
chenden Spiegels ein, der das unklare Spiegelbild zum Bild des idealen
Herrschers im Sinne des gottgleichen stoischen Weisen ausdeutet. Letzt
lich ist es der Philosoph Seneca, der als Vorbild für den jungen Herrscher
Nero dienen soll.
68
Müssen wir aus all den zurückhaltenden Äußerungen Senecas folgern,
daß dieser die Göttlichkeit des Kaisers für ausgeschlossen hielt? Vor dem
Hintergrund stoischer Anthropologie »wohnt in jedem guten Menschen -
welcher Go tt, ist ungewiß - ein G ott«,
69
so ein Zitat aus Senecas Epistulae
morales. Die göttliche Natur ist für den Menschen eine Norm, die er auf
dem Wege sittlichen Fortschritts erreichen soll - und auch erreichen kann.
Sie ist kein Privileg des Herrschers, sondern, ähnlich wie bei Plinius
d. Ä.,
70
eine Eigenschaft, die jedem »guten« Menschen zukommt. Königs-
65
S
Anm. 55.
66
Clem. 1,1,1:
cribere
de dementia, Nero Caesar
s
institui, ut quodam modo
speculi vice jüngerer et te tibi ostenderem perventurum ad voluptatem maximam
omnium; auch Plinius vergleicht seine Lobrede auf Trajan mit einem Spiegel, in
dem zukünftige Herrscher den idealen Herrscher erkennen können
ep*
3,18f.),
zugleich betont
r s in
paränetische Absicht
vgl.
MOLES
1990, 303-305).
67
HARRISON
1992, 1 zum Gleichnis des Spiegelbildes in Augustinus Trin. 15,14
der Mensch als Spiegelbild Gottes).
« So auch
ADAM
1970, 18f.
69
Sen. ep.
41,2:
In
unoquoque
virorum
bonorum
- quis
deus incertum
est - ha-
bitat deus vgl. Verg. Aen. 8,352).
70
S 3 J
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Gotc oder Mensch?
85
aus der Frühzei t des P r inz ipa t s /
6
wird von der Gottebenbildlichkeit der
Könige gesprochen. Die »Weisheit Salomons< präsentiert sich als eine
Mahnschrift an die »Könige, Richter der Erde , Herrscher über die M e n
ge«
77
und
fordert diese
zu
einer gerechten H errschaft
auf. Der
Maßs tab ,
an
dem sich
die
Herrscher dabei orientieren sollen,
ist das
»Bild« Gottes,
da
»Got t den Menschen zur Un vergä nglichk eit erschaffen und ihn zum Bild
seines eigenen Wesens gemacht hat«/
s
D u r c h die Gottebenbildlichkeit des Menschen soll hier nicht etwa der
anthropomorphe Charakter Got tes betont werden , sondern der Auftrag
an die Könige zu einer gerechten Herrschaft, denn durch Gerechtigkeit
verdienen diese sich, wie der weitere Text zeigt, die gött l iche Quali tät der-
Ewigkeit.
79
Unvergängl ichkei t
ist
eine, Folge gere chten Verh altens,
das so
mit Bedingung für die Bildähnlichkeit des Herrschers mit G o t t ist. Die
Ähnlichkei t wird damit , wie bei Seneca, zur moralischen Aufgabe, und
zwar für alle Menschen; sie gewinnt als zugesprochene Verhal tensnorm
performat iven Charakter .
Dies gilt bereits für die Priesterschrift, auf die
SapSal
wört l ich zurück
greift.
80
Die Got tebenbi ldl ichkei t wird hier mit dem Herrschaftsauftrag
Gottes an den M enschen verbunden und ist somit als eine Funkt ionsaus
sage aufzufassen/
1
als ein autori tativer Sprechakt, der vom M enschen ein
bestimmtes Verhalten, nämlich eine gerechte Herrschaft über die Erde,
fordert . Die auf alle Menschen bezogene Vorstel lung des Menschen als
Kopie Got tes in der Priestersclirift geht wohl auf ägyptische Königstheo-
76
ENGEL 1998,
33-36 datiert
die
Schrift zwischen
die
Schlacht
von
Actium
SapSal
6,3 dürfte die Machtergreifung Octavians in Alexandrien und Ägypten 31
v.Chr. voraussetzen)
und den
Brief
des
Claudius
an die
Alexandriner
von 41
n. Chr.,-
die
scharfe Polemik gegen
den
B ilderkult
zur
Verehrung eines entfernten
Herrschers
SapSal
14,16-20) könnte eine Reaktion
auf
den Versuch Caligulas sein,
seine Kultstatue im Tempel von Jerusalem zu installieren.
77
SapSal
6,lf. (vgl.
ebd.
1,1); als »subtile indirekte Werbeform« (ENGEL
1998,
28)
dürfte SapSal sich tatsächlich an junge, griechischsprachige Juden gerichtet haben.
78
SapSal
2,23f.: ö n ö Osöq SiCTiaEv
TÖV
ävOpowtov
in*
öccpOccpatqc
|
Koct sücöva
Tfjq iSiccq
ISIÖTTITOC;
[die älteste und am besten bezeugte Lesart neben cciSiö'CTytoq
und öfxoiöTnxoq] ercoincsv ccfrcov.
79
SapSal5
7
\5:
Aucccioi
S£
aq
töv ociövoc
£6>ow,
|
KCCI£v
Kopicp ö u.io8oq
CC-ÜTÖW
vgl. 9,2f. 6,19. 1,15;
ENGEL
1998,
77).
80
Gen l,26f.: IIovnccDusv ävOpoewtov KOCI' eiKÖva fiuS't&pav Kai KaO* öjiotcö-
aiv (vgl. Sir
17,3-9;
JANOVSKI 2000).
81
»Der Mensch ist [...] Bild Gottes, insofern er sich verantwortlich handelnd zu
seinem Lebensraum samt den Lebewesen darin [...] verhält«
(GROSS
1981, 260f.);
konkretisiert wird der Herrschaftsauf cräg in der Noahgeschichte (BAUMGART 1999,
267-272).
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Gott oder Mensch?
7
nimmt Christus eine dem Kaiser vergleichbare Stellung ein; denn meist ist
auch
derprinceps,
vo n Beginn seiner Herrsch aft a n, als Sohn eines G otte s,
nämlich des
divus,
legit imiert . Wiederholende und unter Vorbehalt stehen
de
94
gött l iche Verwandtschaft des Kaisers und einmalige sowie wesensin
härente Genealogie Christ i stehen einander gegenüber.
3 J Der Herrseber als Sonne
In Plutarchs Fürstenspiegel , der sich, so der Titel , »an den ungebildeten
König« r ichtet , w ird die Go t tähnl ichkei t des Herrsche rs m it der Metaph er
der Sonne verknüpft:
95
»So wie die Sonne am Himmel als das wunderschöne Spiegelbild seiner [sc.
Gottes] und als ein Abbild denen erscheint, welche ihn [sc. Gott] in ihm sehen
körinen, so hat er [sc. der Gott] den Glanz der Wohlgerechtigkeit in den Städten
gleichsam als Bild der Vernunft, die ihn umgibt, entstehen lassen.-«
Plutarch erweitert hier das platonische Sonnengleichnis um eine Königs
theologie, die den Herrscher zum sonnengleichen Vertreter gött l icher Ge
rechtigkeit und Vernunft auf Erden macht,
96
Ähnlich wie bei Seneca fällt
hier die Häufung von Spiegel-, Abbild- und Ähnlichkeitsverhältnissen
9 7
auf, in denen die Stellung des Herrschers mit der Gottes verglichen wird.
Durch die Potenzierung von solch vergleichenden Aussagen
98
wird die
Gött l ichkeit des Herrschers für normative Vorgaben verfügbar gemacht
und auf diese Weise symbolisch kontroll iert . Der metaphorische Charak-
94
Der Herrscher muß sich erst als seiner Herkunft würdig erweisen.
95
Plut. adprinc. ineruditum, mor. 5,781F: oiov 5 ' iftioq
EV
oupccvQ jj.(jjTi|iaTÖ
TtspiKcAAsq aürot) [sc.
TOÜ
0so-ö] öY EGÖTTCpou Koct ci5coÄ.ov ceva<paiv£'cca xoxr;
KE1VOV
evopäv 5t* a w o ü SuvccToxg, afrtco xö £v Ttö teoi
eperyoe;
stöudccq
[KCCI]
^ 0 7 0 1 TO-Ö 7C£pi
btOV
COOT£p SlKOVCC KCCC£GTr|G£V.
96
Vgl.
C HES NOT
1978, 1321-1324; nachweislich kannte Plutarch die persische
Verehrung des Königs als Bild des höchsten Gottes Ahura Mazda (vgl. Anm. 85),
als dessen Sohn das Feuer galt
(HULTGÄRD
1979, 115). Philo verknüpft ebenfalls
Gottebenbildlichkeit und ko-yos-Spekulation
SpecLeg
1,81; vgl.
CHESNUT
1978,
1325-1327); vgl.
SapSal
7,25-29 (göttliche Weisheit und Sonne), Sen.
dem.
1,3,5.
1,4,1 (der Herrscher als vernünftiger Weltodem; vgl.
CHESNUT
1978, 1325f.) und
Carmen Einsidlense
1,27
KORZENIEWSKI
(Nero als
imago solis).
97
Zur Verwendung von Bildern bei Plutarch vgl.
HIRSCH-LXJIPOLD
2002.
98
Als Analogon zu den Texten kann die theomorphe Herrscherdarstellung ge
sehen werden, deren metaphorischen Charakter
BERGMANN
1998, 38 hervorhebt:
»metaphorisch [...] im präzisen Sinn eines Vergleichs oder Gleichnisses«; ausge
drückt wird »nicht eine Identität von Gott und Herrscher, sondern eine Ähnlich
keit von Kräften, Wirkungsweisen und Kompetenzbereichen des Herrschers mit
denen der Gottheiten, deren Attribute er trägt« (ebd.).
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88
Matthias Peppel
ter der Gottähnlichkeit ist bereits für die ägyptische Königstheologie be
legt, in d er de r Ph ara o v o r al lem m it de m Sonn engo tt Re verglichen ~wird.
Die funkt ionale Analogie von Got t und Herrscher wird nicht nur von
Plutarch, sondern auch an vielen anderen Stellen durch die Metapher der
Sonne oder den Vergleich mit dem Sonnengott
100
ausgedrückt . Der Ver
gleich von Kaiser und Sol-Helios und dem häufig mit ihm gleichgesetzten
Apol l
101
im Kontext vo n Herrsch erlob un d Herrscherlegi timat ion lä ßt eine
funktionale Semantik erkennen, in der wichtige Aufgaben der Herrschaft
hervorgehoben werden. Hintergrund des Vergleichs bilden Philosopheme
verschiedener Schulen und die sinnliche Evidenz des Zentralgestirns: Nach
Dion von Prusa gibt es »kein offensichtlicheres und schöneres Beispiel [sc.
für die Herrschaft des Kaisers] als .die Führung, des Alls, die unter Kon
trolle des ersten und besten Gottes steht«.
102
Zu diesem Zweck mußten
nur die stoischen Aussagen über das vernünftige, die Weltgeschicke len
kende Zentralgestini »Sol« umgekehrt werden, das laut Cicero »der Füh
rer und Fürs t und Lenker der übrigen Himmelsl ichter , der Vers tand und
das ordnende Prinzip«
103
is t , und schon konnte man die universale Herr
schaft des Kaisers bestens illustrieren. In der dritten der Königsreden, die
der Stoiker Dion von Prusa an Trajan gerichtet hat ,
10 4
findet sich die wohl
umfangreichste Sammlung der Vergleichspunkte von Kaiser und Sonne.
Durchmustert man den Abschni t t bei Dion
105
und die vor al lem in nero-
nischer Zeit häufigen Vergleiche und Metaphern mit Sol,
10 6
so ergeben sich
folgende Hauptfunkt ionen:
99
OCKINGA 1984,128f.;
nicht zufällig ägyptische Seeleute preisen Augustus kurz
vor seinem Tod mit den Worten: per illum se vivere, per illum navigare, übertäte
atque
fortunis per illum frui
(Suet.
Aug.
98,2).
100
Die Homonymie Sonne/Sonnengott ist aufgrund der fehlenden Distinktion
durch G roß- un d Kleinschreibung nicht immer klar zu differenzieren und verbleibt
zum Teil auch beabsichtige in der Zw eideutigkeit
101
Schon im
5.
Jh. (AiscL
Hie.
212-214).
102
Dio on 3,50: o\> uf|v cpccvsp<frt£pov av o-65e
KÖ&AIOV
ersp ov 72voito Tf\q toi)
nccvxöq
fiTEuwia?,
f[ x>nö
T $ rtpärcp xs Kai dpiGxcg> 9s$.
103
Cic. rep. 6,17,17: Sol
[...J,
dux etprineeps et moderator luminum reliquorum ,
mens mundi et temperatio
y
tanta magn itudine ut cuncta sua luce lustret et compleat
(nach
REINHART
1926, 121-128 Poseidonische Lehre; vgl. SV Fl 499; Cic. natdeor.
2,40-50; Plin.
not.
2,4,12f.:
bunc
[sc.
solem) principale
naturae regimen ac num en
credere decet opera eius aestimantes).
104
MOLES 1990, 350-360.
105
Dio
or.
3,73-85.
106
Sen.
apoeol 4,1,27-31. dem. 1,8,4;
Luc.
1,48-50; Carm. Eins. 1,15-35 KOR ZE-
NIEWSKI;
Anthologie Graeca 9,178 (zusammen mit den epigraphischen, numisma
tischen und archäologischen Zeugnissen bei
BERGMANN
1998, 134-230).
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Gott oder Mensch?
89
-das Spenden von Leben im weitesten Sinne; Ähnlich wie die Sonne
schenkt der Kaiser den Menschen Leben und Wohlergehen;
- Zentralität
107
: die Sonne wie der Herrscher sind Ausgangspunkt allen
Lichts und Lebens, auf die Sonne wie auf den Herrscher ist die Wahr
nehmung aller zentriert;
- Ordnung: Die Sonne verursacht Tag und Nacht und die Jahreszeiten, sie
sorgt im Wechsel für die nötige Helligkeit und Dunkelheit, Hitze und
Kälte, sie ist für die geordnete Bew egung der Gestirne verantwortlich -
entsprechend hat der Kaiser für die jeweiligen Bedürfnisse seiner Unter
tanen zu sorgen;
103
- Regelmäßigkeit: Die Sonne ist in ihrer Bewegung absolut und rational
berechenbar - auf ähnliche Weise soll das Tun des Kaisers nachvollzieh-
und vorhersehbar sein;
- Einheit in der Pluralität: Nach pythagoreischer Vorstellung verursacht
die Sonne die Sphärenharmonie, die aus einer Vielzahl individueller Teile
eine, geord nete Einheit erzeugt,
:09
ohne daß die Teile ihre Individualität
verlieren - gerade diese Fu nktion g ilt auch für den Kaiser, der ein he
terogenes Reich durch Ordnung zu einer Einheit formen muß;
- Universalität: Die Sonne ist für alles Leben verantwortlich, sie lenkt als
Zentralgestirn alle anderen Planeten; die Sonne sieht und hört alles und
wird umgekehrt von allen gesehen und gehört - besonders der letzte
Aspekt w ird an verschiedenen Stellen hervorgehoben , u m auszudrücken,
daß der Kaiser ständiger Aufmerksamkeit und symbolischer Kontrolle
ausgesetzt ist.
110
Im Kontext des Fürstenspiegels und verwandter Texte wird der Vergleich
mit der Sonne eingesetzt, um die gottgleiche Überlegenheit des Kaisers
über die Menschen zu illustrieren, aber vor allem, um dem Herrscher vor
Augen zu führen, daß seine Herrschaft strengen normativen Kriterien und
totaler Aufmerksamkeit unterworfen ist, daß sie, ein gängiger Topos, eine
107
Nicht zu verwechseln mit dem von Aristarch von Samos vertretenen astrolo
gischen Heliozentrismus, der nach dem Zeugnis Plutarchs von dem Stoiker Kle-
anthes scharf bekämpft wurde SVF I 500) und sich nicht durchsetzen konnte
(NOAC K 1992, 3-8).
108
Dio or. 3,78-81.
109
Diotogenes ap. Stob.
ecL
4,7,61 (Anm. 55);
Carm. Eins.
1 29-31
KORZENIEWS-
Ki: talis divina potestas, / quae genuit mundum septemque intexuit orbis / arüßcis
zonas et toto miscet am ore.
110
Besonders anschaulich Sen. clem,
1 8 4f.:
tibi non magis quam soll latere con-
tingit. Multa contra [: circa
LIPSIUS]
te lux esty omnium in istam conversi oculi
sunt;
prodire te putes, oreris. Loqui non potes, nisi u t vocem tuam, quae ubique sunty
gentes excipiant.
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Gott oder Mensch?
91
konform verhält, steht die kultische Praxis gegenüber, in welcher der le
bende Kaiser als Gott verehrt wird, damit
11
* er sich so verhält.
119
Vom Verehrten selbst kann der göttliche Status als Legitimationsstütze
genutzt werden: Ziel ist es, die eigene Göttlichkeit als genealogisch gesi
chert zu suggerieren. Neben der regelmäßigen Berufung auf den väterli
chen divus wäre beispielsweise die Wohngemeinschaft des Augustus mit
dem Sonnengott Apoll auf dem Palatin
120
zu nennen, die durch eine aben
teuerliche Zeugungs-
12 1
und Kindheitsgeschichte
12 2
ergänzt wurde. Zu of
fensiv durfte der Kaiser seinen göttlichen Status gegenüber dem Senat je
doch nicht propagieren. Nicht zufällig scheiterten im ersten Jahrhundert
drei Kaiser, die ihre Selbstdarstellung als Gott sehr weit trieben und sich
so der Kontrolle entzogen: Caligula, Nero
123
und Domitian.
124
So richtig es ist, im Zusamm enhang m it dem Kaiserkult z u betonen , daß
die antike Auffassung ein Ko ntinuum zwische n Mensch und G ott kennt,
125
so trifft dies nicht den Kern der vorgestellten Diskurse. Denn in deren
binärer Logik geht es nicht um ein Mehr oder Weniger oder eine »Wer
tigkeit«
126
der Göttlichkeit, es geht vielmeh r um eine Entscheidung, ob der
Kaiser sich als G ott oder ob er sich nur als ein schwac her M ensch erweist,
der die Erwartungen in seine Herrschaft enttäuscht oder gar seine Macht
mißbraucht. In diesem Sinne kann man eine Anek dote umformulieren, die
bereits über Demetrios Poliorketes, aber auch über Kaiser Hadrian berich
tet wird: Als eine alte Frau mit ihren Bitten v om Herrscher nicht angehört
wird, spricht sie zu ihm: »Dann sei auch nicht Kaiser (bzw. König).«
12 7
In
der performativen Logik der hier vorgestellten Diskurse müßte sie sagen:
»Dann sei auch nicht Gott «
118
So
CHANIOTIS
in seinem Diskussionsbeitrag.
119
Den Diskurs des »damit« praktiziert vor allem der Osten, aber auch ein großer
Teil der Bevölkerung im Westen, in Italien und auch in Rom (vgl. Anm 117).
u0
Weiteres Material zu Augustus* Anknüpfung
an
Apoll bei
LAMBRECHTS
1953.
121
Suet.
Aug.
94,4: Apoll wohnt Augustus' Mutter Ana in Schlangengestalt be i
m
Suet. Aug. 94,6:
Der nicht aufzufindende Säugling blickt auf
einem urm
Rich
tung Sonnenaufgang; (vgl. ebd. 79,2: der sonnengleiche Blick des Herrschers); im
selben Bedeutungszusammenhang steht die Sonnenuhr, das orologium Augusti,
mit dem Obelisken aus der ägytischen »Sonnenstadt« (Heliopolis).
12J
Vgl Anm. 37; zur »Verschiebung der Sprachebenen«, bei der Elemente des
inoffiziellen Herrscherlobes in die offizielle Selbstdarstellung als Sol übernommen
werden,
BERGMANN
1998,
226f.
124
Nero und Domitian verfielen der damnatio mem oriae, Caligula entging ihr
wohl nur durch die Intervention des Claudius.
l2$
Vgl. etwa
BEABD
1994, 750: »[TJhere was no simple polarity, but
a
continuous
specmim, between the human and the divine«.
m
So CIAXJSS 1999, 301.
127
»Kai
| T^
ßacOsue« (Plut Dem. 42 3f.; Cass. D io 59,6,3).
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Kultstätten und Praxis des Kaiserkults
anh and von allbeispielen
von
K O N R A D H I T Z L
Der folgende Aufsatz beschäftigt sich mit drei einzelnen Themen zum
römischen Kaiserkult und möchte einen Beitrag zur antiken Praxis dieser
Religion leisten.
1
Die Themen lauten:
1.
Römisches Verständnis von Kultstätten und Statuen des Kaisers
Anhand der Quellen zu sakralen Gebäuden in Rom soll herausgearbeitet
werden, warum nach römischem Verständnis für Kaiserkultstätten fast
ausschließlich das Wort
templum
Verwendung findet. Ferner wird die Fra
ge behandelt, ob man mit einer einfachen Trennung in Kult- und Ehren
statuen der Semantik von Kaiserbildnissen gerecht werden kann. Als Kon
sequenz aus dieser Diskussion wird die Einführung einer dritten Katego
rie, der Verehrungsstatue, vorgeschlagen.
2.
Der Kaiserkult für Tiberius in Kyrene
Im Apollon-Heiligtum von Kyrene wurde ein spätklassisches Schatzhaus
zu einer Kaiserkultstätte für Tiberius umgewandelt. Diskutiert werden
sollen der Zeitpunkt der Umwandlung, die Datierung der erhaltenen Sta
tue und des Porträtkopfes sowie die Dauer des Tiberiuskultes in Kyrene.
1
Mein Dank für Anregungen und konstruktive Kritik gilt
llen
Teilnehmern der
Tagung »Die Praxis der Herrscherverehrung in Rom und seinen Provinzen«, die
vom 4. bis zum 6. April 2002 in Blaubeuren statefand. Namentlich danken möchte
ich H. CANCIK, A. CHANIOTIS, P. HERZ, A. HUPFLOHER, S. LEHMANN, B. NOACK
und
M.
PEPPEL.
Antike Autoren werden zitiert nach DNP 1 (1996)
XXXIXtf.
Neben den in der Bibliographie genannten Abkürzungen werden außerdem ver
wendet:
AvP = Altertümer von Pergamon
DNP = Der Neue Pauly
OGIS = W. DnTENBERGER 1903. Orientis Graeci inscriptiones selectae I.
SEG = Supplementum epigraphicum Graecum
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9
Konrad Hitzl
3. Hadrian im Asklepieion von Pergamon
In der Bibliothek des pergamenischen Asklepieions wurde eine Statue des
Kaisers Hadrian mit ihrer beschrifteten Basis gefunden. Das in früheren
Publikationen als Kultstatue interpretierte Standbild wird wegen der
Auf
stellung in einer Bibliothek seit längerem nur als Ehrenstatue angesehen.
Diese Auffassung wird unter Berücksichtigung einer kultischen Konzep
tion für das römische Asklepieion überprüft;
1.
Römisches Verständnis von Kultstätten und Statuen des Kaisers
Die römische Sprache verfügte über mehrere Begriffe, um Kultanlagen
bezeichnen zu können. Nach ULRIKE EGELHAAF-GAJSER wären aedes, ca-
sa, delubrum^ domus, fanum^ mansio, monumentum^ sacrarium, sacrum,
sanctuarium, sedes
und
templum
als Bezeichnung für Kultstätten denkbar.
2
Für Anlagen des Kaiserkults engt sich diese Wortwahl in der römischen
Sakralterminologie deutlich ein, und nur »die Dreiergruppe
aedes, tem-
plum
und
fanum«?
sowie
delubrum
scheinen in Frage zu kommen Doch
w ie
H E I D I H Ä N L E I N - S C H Ä J E R
zeigen konnte, werden Bauwerke zur kul
tischen Verehrung des Augustus fast ausschließlich entweder
templwn
oder
aedes
genannt;
4
delubrum
komm t nur einmal vor,
5
fanum
nie.
6
2
EGELHAAP-GAISER
2000, 503ff.
3
EGELHAAF-GAISER 2000, 152.
4
HANLEIN-SCHAFER 1985, 5ff.
5
Tac. ann. IV 37. . /
6
In seinen Briefen an Atticus erwähnt Cicero mehrfach Gärten, die er bei Rom
jenseits des Tiber kaufen wolle, um für seine verstorbene Tochter Tullia ein
fanüm
zur
priv ten Vergöttlichung einzurichten (Cic. Att. XII1 9.22 -25.27 -33. 35-40. 42.
44.
46.; XIII 1. 3-5. Die Zählung richtet sich nach der Tusculum-Ausgabe von
H. KARTEN 1998. Marcus Tullius Cicero, Atricus-Briefe.
5.
Auflage. Düsseldorf -
Zürich). Nach WREDE 1978, 28f. 80f. 91 soll
dieses farntm
den Grabbau für Tullia
bezeichnen. Dies ist ganz unwahrscheinlich, zumal sich Ciceros Pläne für das fa-
num gut fünf Monate nach Tullias Tod, die bis dahin keine angemessene Grabstätte
bekommen haue, zerschlugen. Vielmehr dürfte sich das sepulcrum für Tullia bei
Arpinum, dem Stammsitz der Familie Ciceros, befunden haben (diese Meinung
wurde zuerst von H.
CANCIK
im Tübinger Colloquium geäußert). Das
fanum
hin
gegen sollte ausschließlich der (5wto6scüoi£ dienen (Cic. Att. XII 22. 38) und war
zunächst bei Arpinum und dann bei Rom jenseits des Tiber geplant (Cic. Att. XII
19.
22). Cicero schreibt: epulcri similitudinem effugere non tarn propter poenam
legis
studeo,
quam ut maxime adsequar «SOTOBECÖCIV (Cic. Att. XII 38), Die Ähn
lichkeit des
fanum
mit einem sepulcrum sollte bewußt veimieden werden, denn
zum einen mußten vermutlich auch für Kenotaphe Abgaben bezahlt werden und
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Kultstätten und Praxis des Kaiserkults
99
H ÄNLEIN- SCH ÄPER
und
EGELHAAF-GAISER
sind sich prinzipiell darüber
einig, daß der Begriff ternplum eher den »gesamten Kultbezirk, also den
Tempel mit dem umgebenden Areal, bez eich net «/ während aedes »nur das
Kultgebäude
als
solches« meint.
8
Grundsätzlich
ist
festzustellen,
daß je
nach Intention b ew ußt oder im täglichen Sprachgebrauch auch unw issent
lich »ternplum und aedes in gewissem Maße als Synonyme«
9
benutzt wur
den-
Fast jedes sakrale Gebäude in Rom w ird in den Q uellen sow ohl aedes
als auch ternplum genannt, wobei sich aber meistens Schwerpunkte fest
stellen lassen.
Die
Kultanlagen
für die
divinisierten Kaiser werden seit
Augustus vornehmlich
mit dem
Begriff
ternplum
bezeichnet.
10
Lediglich
der Tempel des vergöttlichten Caesar heißt offiziell
aedes divi lulii
11
Dies
verwundert nicht, weil auch
die
übrigen sakralen Bauten
des
Forum
Ro-
manum,
mit
Ausnahme
der
Kaiserkulttempel,
aedes
sind:
aedes Saturni,
aedes Concordiae und aedes Castorum.
12
Das
gleiche Bild bietet
das Ka-
pitol
mit der aedes Iovis Optimi Maximi,
der
aedes Opis
sowie
der aedes
FideL
Wenn das störende Beispiel des Tempels
für
den Divus Iulius nicht
wäre, könnte
man
versucht sein,
das
hohe Gründungsalter
der
übrigen
Bauten
mit
dem aedes-üt iitt
zu
verbinden, doch dies
ist
nicht möglich.
Daher läßt sich eher vermuten,
daß die
Bereiche
des
Kapitols
und des
Forum Romanum insgesamt sakraler Natur waren
und mit
ihren ganzen
Flächen
als
templa galten,
in
denen
die
einzelnen aedes standen. Dagegen
dürfte
für
den noc h nicht ergrabenen Tempel
des
Div us A ugustus südlich
der basilica lulia ein eigenes ternplum eingerichtet worden sein,
wie es für
das südlich
des
flavischen Am phitheaters gelegene ternplum divi Claudii
gesichert ist. Diese Benennungspraxis erhielt sich mindestens bis in das
späte 2. Jh. n. Chr. A uc h der auf dem Foru m Rom anum unmittelbar neben
der aedes Concordiae errichtete Tempel des Divus Vespasianus wird in den
Quellen häufiger ternplum als aedes genannt.
13
zum anderen bot die Form des Grabmals für Cicero keine Möglichkeit einer op
timalen Apotheose. Nach
WKEDE
haue dagegen Cicero bewußt vermieden, das
Grabmal seiner Tochter wie ein Grabmal aussehen 2U lassen
(WREDE
1978, 80).
7
EGELKAAT-GAISER 2000, 153.
8
HANLEIN-SCHAFER 1985, 8.
* HÄNI-EIN-SCHÄIER 1985, 8.
10
STEINBY
2000, 73f. Zu den Bezeichnungen für
den
Tempel des Divus Augustus
s. HANLEIN-SCHAFER 1985,
113ff.
11
STEINBY
1996,
116ff.; HANLEIN-SCHAFER
1985,
255ff.
12
Vgl Plan und Legende in: DNP
10
(2001)
1093f.
s. v. Roma IE. Topographie
und Archäologie M. HEINZELMANN).
13
Der Tempel des Divus Vespasianus wird ebenda
1093f.
Nr.
61
als »Aedes Divi
Vespasiani« ausgewiesen; die Bezeichnung Ternplum wäre korrekter gewesen.
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100
Konrad Hitzl
In seiner Tiberius-Vita schreibt Sueton über den Kaiser Templa, fla-
mines
y
sacerdotes decerni sibi prohibuit, etiam statuas atque imagines nisi
permittente se poni; permisitque ea sola condicione, ne inter simulacra deo-
rwm sed inter ornamenta aedium ponerentur.
u
Üb ersetzun g: »Daß für ihn
Tempel, Eigenpriester un d Kultgemeinschaf ten beschlossen wu rde n, ver
bot er, auch daß Statuen und Bildnisse aufgestellt wurden, außer er hätte es
erlaubt; und er erlaubte es unter der einen Bedingung, daß sie nicht zwi
schen den Götterbildern, sondern zwischen den Gebäudeausstattungen
aufgestellt wurden«.
15
Tiberius bzw. Sueton bringen klar zum Ausdruck,
was einen Kaiserkult unverkennbar macht. Im personellen Bereich sind es
die dauerhafte Einsetzung eines für den Kult zuständigen Funktionärs,
eines Flamen, sowie die Bildung von Kultgemeinschaften, Sacerdotes,
wozu wohl in erster Linie die Augustalen zu zählen sind. Im repräsenta
tiven Bereich ist es vor allem die Errichtung von templa, d. h. auf einem
eigenen Grundstück neu gebauten Tempelanlagen. Aufgrund der eingangs
aufgestellten Unterscheidungskriterien zwischen
templwn
und
aedes
ist es
völlig klar, daß ab der frühen Kaiserzeit nicht die aedes, sondern nur das
templwn einen würd igen Kaiserkultbau bezeichnen ko nn te. So ver wu n
dert es nicht, daß Tacitus fast nur über
templa
in Zusammenhang mit dem
Kaiserkult schreibt.
16
Die einmalige Verwendung von aedes und delubrum
läßt sich erklären.
17
Im Geg ensatz zu Tempeln, Priestern un d Kultgemeinschaften m acht
Tiberius in bezug auf seine kultische Verehrung bei
statuae
und
imagines
14
Suet. Tib. 26.
15
Ü bersetzung K. HI TZL nach H MARTXNFT
1997.
C. Suetonius Tranquillus, D ie
Kaiserviten / de vita Caesarum - Berühmte Männer / de viris ilhistribus. Düssel
dorf - Zürich. 365.
16
Tac. ann. I 7 ; IV 15. 55-57; XIV 31; XV 74, 3. Ebenso Suet. Aug. 52 und
natürlich Tib. 26.
17
In Tac. anru IV 55 ist die aedes Augusto in Pergamon wohl als sprachliche
Variation zu werten Pergamenos - ... - aede Augusto ibi sita satis adeptos credi-
tum)
y
da nur ein Satz vorher bereits das W on tempti steht. In T ac ano. IV 37 wird
berichtet, daß die Provinz H ispania ulterior, gemeint ist die Baetica, im Jahr
5
eine
Gesandtschaft an den Senat schickte, um nach dem Vorbild von Asia ein Heiligtum
für Tiberius und seine Mutter - delubrwn Tiberio matrique eins - zu errichten.
Tiberius lehnte dies in einer Rede vor dem Senat ab. Tacitus dürfce sich in dieser
Passage für den Begriff
delubrum
entschieden haben, weil er bewußt klarstellen
oder unbewußt signalisieren wollte, daß über die architektonische Gestaltung des
gewünschten Heiligtums nichts bekannt sei. Zur neutralen Übersetzung »Heilig
tum« für delubrwn s. EGEIHAAP-GAISER 2000, 518. Die von EGELHAA?-GAISER
2000, 336f.
herausgearbeitete Definition antiquarischer Autoren
als
»Heiligtum mit
eigener Wasserquelle« hat für Tacitus keine Relevanz.
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Kultstätten und Praxis des Kaiserkults
101
Zugeständnisse, Unter einer
statua
ist das vollständige Standbild des Dar
gestell ten im Rahmen einer vorhandenen Typenbreite zu verstehen. Dem
gegenüber könnte imago ganz im Sinne des deutschen Wortes »Bildnis«
eine Doppelfunkrion erfüllen. Zum einen könnte die auf das Porträt re
duzierte Plastik, meist in Form einer.Büste, gemeint sein, und zum an
deren das gemalte Bild als Figur, Büste oder Kopf. Klar ist jedenfalls, daß
Tiber ius bzw. Sueton mit
statuas atque imagines
die Gesamtheit aller kai
serlichen Da rstellung en erfassen wollten. Sie du rften n u r inter orn&menta
aedium und nicht inter sirrmlacra deorum aufgestell t werden. Diese Un
terscheidung deckt sich auf den ersten Blick mit unserem Verständnis von
römischen Kult- und Ehrenstatuen. Der Ausdruck inter simuLacra deorum
scheint auf eine gängige Praxis hinzuweisen, die aber gerade für die frübe
Kaiserzeit nicht belegt ist.
18
Divinisierte Herrscher erhielten ohnehin einen
eigenen Tempel mit ihrer einzelnen Kultstatue. Entweder wird auf Prak
tiken in den Provinzen angespielt, die jedoch archäologisch kaum nach
weisbar sind,
19
od er Sueton verrät hier den Geist seiner Zeit , m an d enk e an
eine gängige Interpretation des Pantheons in Rom.
20
In jedem Fall will
18
Für Caesar errichtete man schon zu Lebzeiten, im Jahr 45 v. Ch r., im Tempel
des Jupiter auf dem Kapitol eine seiner unzähligen Statuen mit einer Inschrift, die
ihn als Halbgott f mi9eoq) bezeichnet haben soll JEHNE 1997,103). Nach Tac anru
XV 74, 3 wurde der Antrag des designierten Konsuls Cerialis Anicius, dem divo
Neroni bereits zu Lebzeiten einen Tempel in Rom zu errichten, von Nero persön
lich abgelehnt. Allerdings hatte schon einige Jahre zuvor der Senat beschlossen,
eine Statue des Kaisers in gleicher Größe wie das Kultbild im Tempel des Mars
Ultor aufzustellen Tac ann. XIII 8, 1: ..., effigiemque eins pari magnitudine ac
Martis Ultoris eodem in templo
censuere.
Augustus dagegen hatte sich gerade in
Rom zurückhaltend gegeben; vgl. u. A nm. 20.
19
Eine Inschrift aus Lugdunum, in der ein Freigelassener namens
Marens
Her
enmus Albanus zwei Götterbilder zusammen mit einem Bildnis des Tiberius in
einer
aedes
wohl gemeinsam aufstellte, zitiert CLAUSS 1999,295 unter Berufung auf
CIL XIII 1769 c.
20
CLAKIDGE
1998,
206:
»... but it
is
possible that the Pantheon provided a setring
- not a temple in the conventional sense - in which the living emperor would
appear in Company with the gods including bis ow n deified predecessors)«. Schon
im von Agrippa errichteten Vorgangerbau sollte nach Cass. Dio 53, 27, 2-4 eine
Statue des Augustus aufgestellt und der Bau nach dem Kaiser benannt werden,
doch Augustus lehnte beides
ab;
dazu
HÄNLEIN-SCHAFER
1985, 19f. In diesen Zu
sammenhang gehört auch der Christenbrief des jüngeren Plinius Plin. epist X 96).
Dort heißt es: Qui negabant esse se Christianos autfuisse, cum praeeunte m e deos
appelUrent et imagini tuae
y
quam propter hoc iusseram tum simulacris numinum
adferri) ture ac vvno
supp carent,
..., dimittendos esse putavi. Übersetzung nach
H . KASTEN 1995. Gaius Plinius Caecilius Secundus, Briefe /
epistularum libri de-
cem.
7. Auflage. Zürich. 643: »Diejenigen, die leugneten, C hristen zu sein oder
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102
Konrad Hitzl
Tiberius nach dem Zeugnis Suetons mit den Göttern bildlich und damit
auch hierarchisch nicht auf eine Stufe gestellt werden. Neben anderen er-
namenta aedium
sind Bildnisse des Kaisers, wenngleich erst nach dessen
persönlicher Erlaubnis, jedoch denkbar. Das Wort
aedium
kann nur eine
sprachliche Variante zu den vorausgegangenen templa sein, denn es muß
sich dem Sinn nach auf vollständige Tempelanlagen mit umgebenden Por
tiken, die reich mit ornamenta ausgestattet w aren, beziehen . Diese orna-
menta konnten Bauschmuck, Wandverkleidungen, Gärten, Wasseranlagen,
aber auch Statuen sein. Som it scheinen Tiberius un d/ od er S ueton zwischen
einer Kultstatue und einer Ehrenstatue klar zu differenzieren.
D ie soeben erörterte Passage im 26 . Kap itel der Tiberiu s-Vita Sueton s
könnte eine Grundlage für die Diskussion um die Wertigkeit von Kult-
und Ehrenstatuen bei den Römern bilden. M A N F K E D C L A U S S lehnt den
Begriff der Ehrenstatue für Kaiserbildnisse kategorisch ab: »Eine Gottheit
ist eine Gottheit, gleichgültig wie man sie darstellt. Wahrscheinlich besa
ßen manche Kultgegenstände eine höhere Feierlichkeit , aber so wenig es
Ehrenstatuen für Gottheiten gab, so wenig gab es solche für die Kaiser -
um einmal die Gegenposition zu formulieren«.
21
A N N E T T E H U P F L O H E R
behauptet: »Kaiserstatuen sind potentiell Kultobjekte«.
22
Aber schon in
griechischen Heiligtümern gab es zahlreiche Götterstatuen als Weihge
schenke, man denke an die Zeusstatuen in der Altis von Olympia,
23
denen
sicher nicht geopfert wurde. Andererseits ist C L A U S S zuzust immen, daß es
nach unserer Fachterminologie keine Ehrenstatuen für Götter geben kann.
Es ist w oh l auch richtig, daß eine sogenannte kaiserliche Ehre nsta tue nich t
auf eine Stufe mit den Ehrenstatuen verdienter Bürgerinnen und Bürger in
den Städten des römischen Reiches gestellt wurde. Aber nicht alle Bild
nisse von Göttern und Kaisern waren Kultstatuen, sonst würde die von
gewesen zu sein, glaubte ich freilassen zu müssen, da sie nach einer von mir vor
gesprochenen Formel unsre Götter anriefen und vor Deinem Bilde, das ich zu
diesem Zweck zusammen mit den Statuen der Götter hatte bringen lassen, mit
Weihrauch und Wein opferten.« Die alleinige imagp des Kaisers genügte Plinius
anscheinend nicht, um Christen zu überfuhren, sondern es mußte das kaiserliche
Bildnis^
zusammen mit den simulacra nu.minu.rn verehrt werden. Erst das Abbild
des Kaisers im Verein mit anderen Gottheiten ließ keinen Zweifel daran, daß die
Darbringung von W eihrauch und W ein keine Ehrung , sondern ein rituelles Opfer
für einen Gott war, das überzeugte Christen ablehnen mußten. Diese Beispiele
scheinen zu bestätigen, daß Suetons Formulierung inter simulacra deoj-um vom
Geist seiner Zeit geprägt ist.
2 1
CLAUSS 1999, 305.
22
HUPFLOHER 2000, 156.
23
Paus. V
21,
1 - 2 4 , 1 1 .
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Kultstätten
und
Praxis
des
Kaiserkults
1 3
Sueton Kaiser Tiberius zugeschriebene Unterscheidung keinen Sinn erge
ben.
24
Gerade im Hinbl ick auf die Sueton-Passage stellt CLAUSS die Frage:
»Wäre die Büste
25
durch das Aufstellen zwischen den Götterbi ldern zu
einem Götterbi ld geworden? Oder
war sie es an
sich, weil
der
Kaiser
Gottheit war?«. Die Ant w ort fällt folgendermaßen aus: »An der göttlichen
und/oder menschlichen Qualität des Kaisers kann sich durch den Auf-
stellungsort seiner Büste nichts geändert hab en .. . . Der Aufstellungsort der
Büste des Tiberius macht aus dem Dargestell ten weder Gottheit noch
Mensch, sondern beeinflußt allenfalls die >Werugkeit< seiner Göttlich
keit«.
26
Dies mag zutreffend sein, aber Gö ttlichke it hat nicht automatisch
eine durch Menschen vollzogene kultische Handlung
zur
Folge.
Man
wird
wohl behaupten dürfen,
daß die
nicht kultischen Statuen
von
G öt t e rn
und
Kaisern sowohl Ausdruck eines religiösen Empfindens als auch einer stän
digen sichtbaren Verehrung waren
und
sich dadurch
von den
üblichen
römischen Ehrenstatuen, die eine ephemere und profane Würdigung dar
stellten,
27
unterschieden. Sollte diese Feststellung zutreffend sein, so wäre
in
der
Term inologie eine neu e Kategorie zwischen Ku lt-
und
Ehrenstatue
einzuführen: die Verehrun gsstatue. Diejenigen Bildnisse von Göttern und
Kaisern, vor denen keine kultischen Handlungen stattfanden
28
und die
dennoch nicht
mit den
Ehrenstatuen verdienter Bürgerinnen
und
Bürger
auf einer Stufe standen, könnte man als Verehrungsstatuen bezeichnen, um
ihre eigenständige Wertigkeit terminologisch abzugrenzen. In der R e t r o
spektive
mag es
erlaubt sein, kaiserliche Verehrungsstatuen
als
potentielle
Kultobjekte anzusprechen,
29
.doch damit ist nicht geklärt, wie diese Frage
24
Vgl. WITSCHEL 1995, 253ff. mit Aom. 1. 58.
25
CIAUSS 1999, 295 definiert eine imago als »ein bewegliches Bildnis, meist in
Form einer Büste«, die er von einer »unverrückbaren statua« unterscheidet. Auf
den folgenden Seiten übersetzt CIAUSS imago stets als Büste.
26
CLAXJSS 1999 301.
27
Ein anderes Verständnis unterstellt Cicero den Griechen; Cic. Verr. 2 2,158:
Non crederem hoc de Statuts nisi iacentis revulsasque vidissem, propterea quod apud
omnis Graecos hie mos est, ut honorem hominibus habitum in monumentis eins
modi non mdla religione deorum consecrari arbitrentur.
28
CI-AUSS 1999, 35f. benennt die Kriterien, die seiner Meinung nach Menschen
zu Gottheiten machen- Die bloße Aufstellung einer StatQe gehört nicht zu diesen
Kriterien.
29
Es gibt derzeit keine Methode, um die ursprüngliche Funktion einer erhaltenen
Kaiserstatue zu bestimmen, denn weder Typus noch Größe noch Material sind
einwandfreie Kriterien. Lediglich wenn der genaue Aufstellungsort bekannt ist und
sich die Inschrift auf der Basis erhalten hat wie im Fall der noch zu besprechenden
Hadriansstatue aus dem A sklepieion von Pergamon, kann der Versuch einer au-
thentischen Rekonstruktion und Interpretation erfolgreich sein.
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Kultstätten und Praxis des Kaiserkults
105
Möglichkeit, für Kaiser Tiberius einen Kult einzurichten, bestand darin,
ein vorhandenes Gebäude, möglichst in einem heiligen Bezirk, umzufunk
tionieren, also eine
edes
innerhalb eines
templum
neu zu weihen. Ein
solcher Fall ist im nordafrikanischen Kyrene nachweisbar.
Das Apollon-Heiligtum von Kyrene liegt innerhalb der Mauern im
nordw estlichen Stadtbereich Abb. 1). A n der Sädmauer des H eiligtums
befindet sich ein kleines Gebäude A bh ,-t-N rr2 2), dessen Architektur sich
so vollständig erhalten hatte, daß eine Restaurierung möglich war.
36
Der
sicher als Schatzhaus
37
anzusprechende, dorische Bau besitzt einen recht
eckigen Grundriß von 11,855 m Lange und
7 236
m Breite ohne Vorhalle.
38
Das Gebäude wird in der Fachliteratur als Strategeion bezeichnet und in
die M itte des 4 . Jh. v. Chr. datiert; die B ezeich nung rührt vo n drei Stra
tegen her, deren erhaltene Namen auf drei Metopen über dem Eingang
eingemeißelt wurden.
39
Die Inschrift auf dem Architrav darunter soll be
sagen, daß das Schatzhaus dem Apollon aus dem zehnten Teil einer
Kriegsbeute errichtet worden ist.
40
Wohl in tiberischer Zeit wurde das
Strategeion wiederverwendet. Eine zweizeilige Inschrift auf dem Türsturz
lautet in Abschrift und vollständiger Lesung:
41
statuarischen Gzuppen claudischer Zeit, was nach Ansicht des
Verf.
auch daran
liegen könnte, daß alle tiberischen Gruppen vor 23 n. Chr., dem Todesjahr des
Drusus minor, entstanden sind. Spättiberische Gruppen dürfte es nicht gegeben
haben, doch soll diese Frage hier nicht weiter vertieft werden. Sichere oder wahr
scheinliche tiberische Gruppen wurden in Beziers, Korinth, Samos und Leptis
Magna gefunden. Dagegen weist die von der Forschung im Kern für tiberisch
erachtete Gruppe aus Veleia - heute im Museum von Parma - nach Meinung des
Verf. keine Statuen
aus
der Zeit des Tiberius auf. Generell zum Thema der julisch-
claudischen Statuengruppen
BÖSCHUNG
2002.
3 6
GISM ONDI 1951, 7ff.
37
GOODCHILD
1971, 113f. spricht fälschlich von einem kleinen Tempel.
38
Zu den
Maßen
GISMONDI 1951, 12ff.
39
OUVEBIO
1930,
203f.
mit Abb. 59.
61;
SEG IX 1944) Nr.
89.
90. Aus Grün
den der Symmetrie könnte auf der rechts anschließenden und verlorenen Metope
der Name eines vierten Strategen eingemeißelt gewesen sein.
40
Publiziezt wurde, soweit ich sehe, bisher nur ein Fragment über der rechten
Türwange mit den Buchstaben AEMIO
OLIVERIO
1930, 204 Abb. 60), was sich
problemlos zu riO]AEMIO[N ergänzen ließe vgl. SEG IX [1944] Nr.
76).
Da sich
der Architrav an der Eingangsseite so gut wie vollständig erhalten hat
GISMONDI
1951,
8 Abb. 1; 21 Abb. 18), müßte auch der große Rest der Inschrift gut lesbar
sein,
s. dazu auch u. Appendix. Warum wurde sie nicht vollständig veröffentlicht?
41
Der Türsturz ist abgebildet bei
OLIVERIO
1930,198 Abb.
56;
in der Abschrift
wurde COS vergessen. Die korrekte Abschrift mit richtiger Lesung findet sich bei
POLACCO
1955,
49.
Nur
OLIVERIO
1930, 198 weist darauf
hin, daß
für die Inschrift
auf dem Türsturz eine ältere Inschrift entfernt worden sein soll: »Le lettere, alte
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106 Konrad Hitzl
TI CAESAR [AUGU]STI F COS IMP TRIB POT
SU[FENAS PR]OCULUS F C
Ti(berio) Caesari [Augu]sti f(ilio) co(n)s(uli) imp(eratori) trib(unicia) pot(estate)
Su[fenas Pr]oculus f(aciendum) c(uravit)
D e r N a me
Tiberius Caesar Augusti ftlms
ist wicht vo r de r A do ptio n des
Tiber ius du rch Aug ustus 4 n. C hr . , als T iber ius den N am en Tiberius Iulius
Caesar
erhielt, denkbar.
42
Andererseits hieß der Nachfolger des Augustus
ab 14 n. C h r. offiziell
Tiberius Caesar Augustus**
un d der v erstorbene
Kaiser war zum Dvvus Augustus geworden, wodurch eine Dat ierung der
Inschrift des Strategeion in die Jah re 4 bis 14 n. C hr . nahegelegt wird u n d
zumeist auch akzeptiert ist.
44
Mit dieser Datierung stimmen aber weder
der erste Konsulat noch die erste iinperatorische Akklamation noch die
erste
tribunzda potestas
übereiuu
45
Wenn aber der zweite Teil der Inschrift
keine chronologische Zuweisung erlaubt, wäre es methodisch falsch, den
N a m e n Tiberius Caefar Augusti filius als Beweis für eine sichere Datie
rung wert en z u wollen.
46
Da aus historischen Gründen eine kultische Ver-
m. 0.09 ed alquanto accurate, risaltano bene sulla faccia, che pare sia stata attenta-
mente scalpellata per fare scomparire q akiasi traccia di una iscrizione preesisten-
te«; ebenso OLTVHUO 1931, 31: »L'architrave monumentale di una porta, iscritto
per la seconda volta e dedicato alTimperatore Tiberio da
u\fena]
Proculo, il quäle
aveva curato la costruzione o piuttosto la trasformazione dell'edificio sulla cui
porta poggiava«.
42
KIENAST 1990,
77,
43
KIENAST 1990, 77.
44
POLACCO 1955, 50: »quindi tra il 4 d. C e il 14 d. C « ; POLACCO 1955, 55: »ma
non ancora Augusto e perciö avanti il 14 d. C « ; BÖSCHUNG 1993,57: »der zu einer
inschrifrlich als Tiberius bezeichneten Statue gehört und in die Jahre 4-14 n. Chr.
datiert werden kann«. Noch enger datie BÖSCHUNG 2002,174: »In den Jahren 4-7
n. Chr. wurde der Bau durch eine Inschrift über der Tür dem Tiberius zugeeignet«.
45
Nach KIENAST 1990, 78 war Tiberius
13
v. Chr. zum ersten Mal Konsul, erhielt
im Jahr 10 oder 9 v. Chr. seine erste imperatorische Akklamation und bekam am
26. Juni 6 v. Chr. seine erste
tribumcia potestas.
46
Der Name
Sufenas Proctdus
begegnet in Kyrene nach GASPERTNI 1971, 5f. auf
vier Inschriften. Neben den beiden Inschriften des Strategeion läßt ein überarbei
teter und wiederverwendeter Marmorblock von der Agora noch die Buchstaben I
IULIUS AUG / DIVI NEPOS CAE / M SUFENAS M F P / COH LUSITA-
N O R U erkennen; der Block ist beschrieben und abgebildet bei
STXJCCHI
1965, 327
Taf. 59,8.. GA SPERINI 1971, 20f. Anm. 21 ergänzt die Inschrift folgendermaßen: [T]I
IULIUS AUG [USTI FILIUS] / DIVI NE PO S CAE[SAR ] / M SUFENAS
M F PCROCULUS ] / C O H LUSITANOR U[M ]. Der Na me des
Tiberius im Nominativ als Sohn des Augustus und Enkel des vergöttlichten Caesar
weist auf eine Datierung vor 14 n. Ch r. hin- Auf dem A rchitrav der Außenseite des
südlichen Propylons zum Kaisareion in Kyrene findet sich die Inschrift M SU-
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Kultstätten und Praxis des Kaiserkults
1 7
ehrung des Tiberius eher nach als vor dem Tod des Augustus denkbar
erscheint,
47
bleiben nur zwei Erklärungsmöglichkeiten. Entweder hatte
nun in Kyrene zum Zei tpunkt der Umwidmung des Stra tegeion keine
genaue Kenntnis von der korrekten Titulatur des Tiberius und begnügte
sich mit allgemeinen, sicher richtigen Angaben oder man hatte in der In
schrift bewußt auf alle Zählungen verzichtet, vielleicht um den Zeitpunkt
der Einführung des Kultes für Tiberius zu verschleiern. Im Inneren des
Strategeion steht vor der Rückwand eine Basis, auf der vierteilig die In
schrift des Türsturzes wiederholt wird:
48
TI CAESARI AUGUSTI F
C O S I M P T R I B P O T
SUFENAS PROGULUS
F C
Diese vollständige Inschrift bestätigt die Ergänzung der Inschrift über
dem Türsturz und macht klar , daß die Auslassung von Zählungen für
Konsulat , imperator ische Akklamation und
tribunicia potestas
nicht ver
sehentlich erfolgt sein kann. Die Eixiführung eines Kultes für Tiberius in
Kyrene könnte sehr bald nach dem Tod des Augustus stattgefunden ha
ben, auf jeden Fall aber zu Lebzeiten seines Nachfolgers.
Bei der Freilegung des Strategeion wurden im Cellainneren der Torso
einer marmornen Gewandstatue, zwei marmorne Arme, e in Marmorkopf
und eine bronzene Kugel entdeckt.
49
Da keine Fragmente weiterer Stand
bilder zutage kamen,
50
ist es mehr als wahrscheinlich, daß alle Teile zu
FENAS PROCULUS REF CUR, die sich mühelos zu
Mfarats) Sufenas Proadus
ref iciendwn) acr avit) auflösen laßt; GASPERINI 1971, 4 Abb. 1. 5f. mit Abb. 3.
Zwei korrespondierende Inschriften auf dem äußeren und inneren Architrav des
Ostpropylons erwähnen dagegen eine Restaurierung durch einen C Rubeliius
Blandnsy
die vor dem Jahr 18 n. Chr., eventuell zeitgleich mit der Restaurierung
durch Sufenas Procains, erfolgt sein dürfte; dazu s. HÄKLEIN-SCHAFER
1985,
223ff.
Alle Belege zusammen scheinen für eine Datierung der Aktivitäten des
Sufenas
Procidus um das Jahr 14 n. Chr. herum zu sprechen,
47
Die historischen Quellen lassen in keiner Weise erkennen, daß Augustus zu
Propagandazwecken oder aus familienpolitischen Gründen an einer kultischen
Verehrung des Tiberius interessiert gewesen wäre; warum hät te gerade Kyrene eine
Ausnahme bilden sollen?
48
Die Abschrift findet sich bei
POLACCO
1955,
55.
Die Inschrift selber läßt sich
bei POLACCO 1955, Taf.4,2 sowie bei STUCCHI 1960, Taf 30 1 mit einiger Mühe
erkennen.
49
Zur Fundsituauon POLACCO 1955, 51 mit Taf. 4,1; STUCCHI 1960, 71 mit
Taf.
23,2.
50
Nach G O O P C H I L D 1971, 114 stand in der Mitte des Fußbodens »eine runde
Basis,
die einem Dreifuß oder einem Altar als Unterlage gedient haben könnte«. In
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108
Konrad Hitzl
einer einzigen, mitt lerweile wieder zusammengesetzten Statue gehörten
51
(Abb. 2. 3). Der
Dargestellte müßte Tiberius sein>
der
somit
im
Strategeion
einen Kult erhalten hätte. Aufgrund seines ungewöhnlichen Aussehens
erfuhr
der
Kopf mehrfach Beachtung
52
(Abb.
4).
Einige Forscher sahen
ihn
als
ein zu
Lebzei ten
des
Tiberius entstandenes Porträt
des
Kaisers an.
53
Andere erkannten einen unbenennbaren frühkaiserzeit l ichen
Kopf
S4
oder
sogar
ein
spätantikes Bildnis.
55
SAJSTDRO STUCCHI hatte nämlich zeigen
können ,
daß der
Po r t rä tkopf
auf
einer ehemals weiblichen Gewandstatue
saß,
die in
Zwei tverwendung umgearbei tet worden war.
56
Auch
der
Kopf
wurde nach S T U C C H I umgearbeitet ; ursprünglich soll te
er
Tiberius
und in
Zweitverwendung einen spätantiken Kaiser darstel len.
57
Die
Umarbe i tun
gen sollen
im 4.
oder 5,
Jh. n. Chr.
stat tgefunden haben.
58
Wirklichkeit handelt
es
sich
bei der
sog. runden Basis
um
rechteckige, übereinan-
- dergelegte Blöcke (darunter eine Triglyphe),
die als
Spolien
vom
alten Apollon-
Tempel stammten,
der im 4. Jh. v. Chr.
erneuert worden
war. Der
oberste Block,
vielleicht ehemals eine Metope, läßt
auf
seiner Oberseite eine flache kreisrunde
Erhöhung erkennen (GOODCHILDS »runde Basis«), auf der das originale Weihge-
schenk gestanden haben dürfte.
Zu den
Spolien
im
Strategeion s.
PERNIER
1935,
40ff. mit
Abb. 37-41. Nach PERNIER 1935,
43
liegt
der
römische Fußboden
gut
einen Meter über
dem
ursprünglichen Niveau
des
Strategeion. Dazu schreibt
Po-
LACCO
1955, 50: »B pavimento
del
sacello
era
semplicemente battuto
e al
centro
si
alzava il dono votivo degli strateghi ad Apollo«. Dieses Weingeschenk war in ti
berischer Zeit sicher nicht mehr vorhanden. BÖSCHUNG 2002, 174 übernimm t un
kritisch
die
Meinung
von
GOODCHILD.
51
Den
restaurierten Zustand zeigen POLACCO 1955, Taf. 4,2
und
STUCCHI
1960,
Tai. 25. Das Standbild soll nach STUCCHI 1960, 71 Anm. 1 eine Hö he v on 2,03 m
aufweisen, eine für Kaiserstatuen normale Größe.
5 2
P O L A C C O
1955, 49ff.
Taf. 4-6; GROSS
1959, 521f.;
STUCCHI
1960, 71ff.
Taf.
23-34;
ROSENBAUM
1960, 43ff. Nr.
17
Taf.
15,3-4; POULSEN
1968, 18 mit
Anm-
32;
GOODCHILD 1971,114 Taf.
55;
BÖSCHUNG
1993,57;
FUTSCHEN
/
ZANKER
1994,11 Nr. 24; BÖSCHUNG 2002,174.
53
POLACCO 1955, 54 mit spätaugusteischer Datierung); GROSS 1959, 521f.;
POULSEN 1968, 18; BÖSCHUNG 1993, 57; FITTSCHEN / ZANKER 1994, 11 Nr. 24;
BÖSCHUNG 2002,
174.
54
ROSENBAUM 1960,
43:
»Statue
of
a young m an«.
55
STUCCHI 1960,
71ff.
G ründe gegen eine Deutung
als
Tiberius-Porträt
und für
eine spätantike Datierung faßt R. G.
GOODCHILD
in:
ROSENBAUM
1960, 44f. in
einer Miszelle zusammen.
56
STUCCHI 1960,
73ff. Taf.
26-30
mit
Datierung
des
Originals
der
Statue
in die
erste Hälfte
des 4. Jh. v. Cbr.
57
STUCCHI 1960,
80ff.
58
STUCCHI
1960,
7 .
90.
Der
M einung von
STUCCHI
folgt
GOODCHILD
1971,114
vollständig.
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Kultstätten und Praxis des Kaiserkults
109
Die beiden genannten Datierungsvorschläge - frühkaiserzeitlich oder
spätantik - scheinen sich auf den ersten Blick diametral gegenüberzuste
hen. Wertet man jedoch alle Fakten ohne vorgefaßte Meinung aus, so
kommt man zu dem Schluß, daß beide Seiten recht und unrecht zugleich
haben. Zunächst einmal ist es undenkbar, daß in der frühen Kaiserzeit eine
Statue des Tiberius aus einem Porträtkopf und dem Torso einer ehemals
weiblichen G ewandf igur zusamm engesetzt w ord en sein soll .
59
Ferner wird
von den Verfechtern einer frühen Datierung ein Parallelfall unterschlagen.
Ein auf der Agora von Kyrene gefundenes Porträt des Marc Aurel war
ebenfalls einer umgearbeiteten weiblichen Gewandstatue des gleichen
Typs wie im Strategeion aufgesetzt worden,
60
Derartige Figuren sind kein
Kennzeichen einer skurilen kyrenischen Tradition, sondern einer aus der
Not heraus geborenen Praxis, wie sie unumgänglich war, wenn man zum
Beispiel nach einem schweren Erdbeben möglichst schnell wieder einen
Normalzustand herstellen wollte. Ein solches schweres Erdbeben ist in
Kyrene für das Jahr 365 n. Chr, bezeugt.
61
Da es keiner Frage bedarf, daß
Kaiserstatuen das Bild römischer Städte wesentlich prägten, muß die Wie
deraufrichtung umgestürzter kaiserlicher Standbilder zu den ersten Re
staur ierungsmaßnahmen nach einer Naturkatastrophe gehör t haben. Zur
Not mußten Torsen und Por ta tköpfe auch ersetz t werden.
Der Kopf der Statue aus dem Strategeion bietet ebenfalls einige Pro
bleme (Abb. 4). Wie zuletzt P A U L Z A N K E R feststellte, ist die Porträtkunst
Kyrenes eng mit derjenigen Griechenlands verbunden, das heißt auf einem
hohen Niveau,
62
In dieses Bild paßt der Kopf aus dem Strategeion nicht.
Die glatten leeren Gesichtsflächen sowie die üb ergro ßen ma ndelförm igen
Augen finden keine Parallelen in der Porträtplastik der ersten drei Jahr
hunder te nach Christus.
63
W ie
S TUC C HI
r ichtig erkannt hat, wnrde der
Kopf aus dem Strategeion in einer Art und Weise überarbeitet, die ihre
engsten Parallelen erst im späteren 4. oder frühen
5.
Jahrh und er t n. Chr ,
findet,
64
Doch das spätantike Porträt soll te keine spätantike Person dar
stellen. Die Porträtforschung hat richtig gesehen, daß die Anlage der Fri
sur einem Schema folgt, wenn auch »grotesk vergröbert«,
65
das für eine
59
BÖSCHUNG 2002, 174 stört dieser Umstand nicht
60
STUCCHI 1965, 316f. Taf. 56,3-4. Zum Typus der weiblichen Gewandstatuen
vgl.
die nicht überarbeiteten Exemplare bei
ROSENBAUM
1960, Taf. 71,1-4.
6 1
GO OD CH ILD 1971, 46f.
ö
ZANKER 1983, 26.
63
Ein Vergleich des Kopfes aus dem Strategeion mit den Tafeln bei ZANKER 1983
bestätigt diese Aussage.
64
STUCCHI
1960, 78ff.
65
BÖSCHUNG
2002, 174.
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110
Konrad Hitzl
Reihe von frühen Tiberiusporträts verbindlich ist und als »Adoptionsty-
pus«, »1 . Bildnistypus« oder »Typus Kopenh agen 623« bezeichnet w ird.
6
*
Das ungewöhnliche Aussehen des kyrenischen Kopfes läßt sich damit er
klären, daß mit stilistischen Mitteln der Spätantike versucht wurde, ein
individuelles Porträt der frühen Kaiserzeit nachzubilden, ein bisher an
scheinend singulärer Fall.
67
Die Summe der Erkenntisse läßt nur einen Schluß zu. Entweder in den
Jahren 4 bis 14 n. Chr. oder unm ittelbar nach dem Tod des A ugu stus
wurde das Strategeion in Kyrene zu einem Kaiserkultgebäude umgewan
delt. D er Türsturz sow ie eine Basis vor der Rü ckw and erhielten identische
Inschriften. Auf der Basis stand eine marmorne Statue des Tiberius im
1. Bildnistypus mit einem bro nzen en G lobu s w oh l in der rechten Ha nd .
Im Jahr 365 n. Chr. erschütterte ein schweres Erdbeben Kyrene. Vermut
lich fügte dieses Erdbeben der originalen Statue mitsamt ihrem Porträt
kopf so starke Schäden zu, daß an eine Neuaufstellung nicht mehr zu
denken war. So wurde, verm utlich noch im 4. Jh. n. Chr., eine gut erhal
tene weibliche Gew andstatue zu einer männlichen Figur umgearbeitet; der
bronzene Globus wurde der nach vorne gestreckten, senkrecht gehaltenen
rechten Hand aufgesetzt
68
(Abb. 2. 3). Auch ein unbeschädigt gebliebener
Kopf wurde überarbeitet und zu einem Einsatzkopf des Tiberius im
1. Bildnistypus in spätantiker Manier umgewandelt.
Der Kult für Tiberius wurde im Strategeion von Kyrene offensichtlich
dreieinhalb Jahrhunderte kontinuierlich gepflegt. Selbst das schwere Erd
beben des Jahres 365 zog keinen Abbruch nach sich, sondern man ver
suchte mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, den Kult fortzusetzen.
D ie s ist für das spätere 4. Jh. n. Chr. k einesw egs selbstverständlich, erst
recht nicht bei einem Kult für Tiberius, der im Urteil der Nachwelt nicht
gut abschnitt und auch nicht divinisiert worden war. Erst das Christentum
dürfte die kultische Verehrung für Tiberius unterbunden haben. Auffällig
66
Zum Typus
BÖSCHUNG
1993, 57;
FUTSCHEN
/
ZANKER
1994,
lOff.
Die Schaf
fung dieses Bildnistypus anläßlich der Adoption des Tiberius durch Augustus ist
Hypothese.
67
Im Gegensatz zum Kopf aus dem Strategeion handelt es sich bei dem Porträt
des Marc Aurel auf einer umgearbeiteten weiblichen- Gewandstatue (vgl. o.
Ajiro. 60) um einen originalen Kopf des
2.
Jh. n. Chr.
Globen werden naturgemäß in einer waagerecht ausgestreckten Hand gehalten
und nicht einer senkrechten Hand aufgesetzt.
Vgl. ROSENBAUM
1960,44: »Another
anomaly is a bronze sphere which was found near the statue and wbich, as Po-
LACCO
has pointed out correaly, cannot originally have belonged to it: the right
hand of the statue was not made to hold a sphere«. Der bronzene Globus im
Strategeion muß bereits zur ersten Tiberiusstatue gehört haben.
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Kultstätten und Praxis des Kaiserkults
111
ist,
daß die
spätantike Ersatzstatue
des
Tiberius
im
Strategeion
bei den
Ausgrabungen
auf dem
Rücken liegend
vor
ihrer Basis,
mit den
Füßen
zum Eingang zeigend, gefunden wurde.
69
Sie
kann folglich weder
von
Menschenhand noch durch Naturgewalt
von der
Basis gestürzt worden
sein.
70
Anscheinend wurde
sie
bewußt
auf dem
Fu ßbo den deponiert,
als
der Kaiserkult
in
Kyrene endgültig eingestellt wurde,
3. Hadrian im Asklepie ion von Pergamon
Die Ursprünge
des
unterhalb
des
Burgbergs
von
Pergamon
in der
Ebene
gelegenen Asklepieions gehen mindestens
bis in
das 4. Jh.
v.
Chr. zurück.
71
Eine erste Blüte erfuhr das Heiligtum im Hellenismus unter den perga-
menischen Königen (Abb. 5 . Kern der Anlage war der alte Askle piostem -
pel
im
W esten
des
Geländes
auf
einem ehemals leichten H öhenr ücken ,
an
dessen
Fuß
drei Quellen entsprangen,
die als
Badebrunnen (Norden),
Felsbrunnen (Westen)
und
Schöpfbrunnen (Osten) bezeichnet werde n.
Hallenanlagen im Süden, Osten und Westen sowie Inkubationsbauten ver
vollständigten den hellenistischen Kom plex.
72
W ährend der R egierungszeit
Attalos* IIL,
des
letzten pergamenischen Kö nigs (138-133
v.
Chr.), wurde
eine Panzerstatue
des
Herrschers
im
Tempel des Asklepios aufgestellt,
um
den König zum atiwctoq
des
G ottes
zu
machen.
73
Bis in
das 2. Jh.
n.
Chr.
blieb
das
A sklepios-Heiligtum
im
wesentlichen unverändert.
6 9
POLACCO
1*55, Taf. 4,1;
STUCCHI
1960, Tat 23,2.
70
Für
R.
G.
GOODCHILD in: ROSENBAUM
i960, 44, der ein weiteres Erdbeben für
die endgültige Zerstörung des Strategeion annimmt, ist
die
Fundsituation ein klarer
Beweis, daß die Statue nicht
auf
der rückwärtigen Basis gestanden haben kann.
71
RADT 1999, 220.
71
Zum hellenistischen Asklepieion
ZIEGENAUS / D E LUCA
1968 sowie
ZIEGE
NAUS
/ D E
LUCA
1975.
73
FRÄNKEL
1890, Nr.
246; FKÄNKEL
1895, S.
510;
OGIS Nr.
332.
Abschrift nach OGIS Nr. 332 Z. S-10:
..., Ka6i£pG>aca Se auto-ü
KOCI
ayoX\xa
KZVT&7U>\ V
xeOcopaKtoMivov
KOCI ßeßriKdc, erci:
cnri xöv
sv
tä>i
vaßt xcrö Zc z1\poc, XcncPi-nmoö, iva f\[i] o w va o q tfl>i Ge i,
tlbersetzung K. HTTZL:
..., und eine Statue von ihm [seil. Attalos IIL]
zu
weihen,
fünf Ellen groß, gepanzert und auf den Beutewaffen stehend,
im
Tempel des Asklepios Soter, damit er dem Gott ein Kultparmer sei.
Gefunden wurde die Inschrift 1871 als Türsch welle eines Hauses in Klisseköi in der
Umgebung von Elaia, der Hafenstadt Pergamons
(BEAN
1976, 295
s. v.
ELAIA).
Aus diesem Grund wird bei
FRÄNKEL
1890,
153ff.
unterstellt, daß die Inschrift »ein
Volksdecret der Stadt Elaia«
sei.
Dies
ist
völlig unwahrscheinlich.
Der in
der
In-
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112
Konrad Hitzl
Eine Erweiterung und prachtvolle Ausgestaltung erfuhr das pergame-
nische Asklepieion in hadrianischer Zeit
74
(Abb. 5). Zwar wurde auf dem
Burgberg noc h das sog. Trajaneum, der v o n Kaiser Trajan gestattete zw eite
Neokorietempel, fertiggestellt
und zu den
K ultstatuen
des
Zeus Philios
und
des
Trajan kam noch eine
des
Hadrian hin zu /
5
doch
die
eigentliche
Bautätigkeit fand
in
der Ebene statt. Vielleicht schon
in
vorhadrianischer
Zeit war die Strecke von der Unterstadt
in
das Asklepieion auf etwa einem
Kilometer Länge
als
überdachter Wandelweg,
die
sog.
via tecta,
angelegt
worden.
Die
letzten
130 m bis
zum Eingang
in
das Heiligtum nahm eine
offene Hallenstraße
ein,
über deren hadrianische Datierung Einigkeit
herrscht
76
(Abb.
5
N r. 7).
Das
römische Asklepieion ummantelte
die
älte
ren Bauten, die vielfach abgerissen wurden.
77
Im Süden, Westen und Nor
den rahmten lange Portiken
auf
einer Länge
von
120
m
und einer Breite
von
90 m
das Gelände ein (Abb.
5
Nr. 2-4); hinter der Nordstoa entstand
an der Westseite ein Theater (Abb.
5 Nr.
1). Besonders prunkvoll war die
Ostseite
des
Asklepieions konzipiert.
78
Ein
hofartiges Propy lon verband
den inneren Bereich mit der Hallenstraße (Abb. 5 N r . 6); daneben entstand
der sog. obere Rundbau (Abb.
5 Nr.
8).
Das
rechteckige Gebäude
in der
Nordostecke kann
mit
großer Sicherheit
als
Bibliothek gedeutet wer den
(Abb.
5 N r. 5). D er sog. untere Rundbau
in
der Südostecke, der über eine
Kryptoporticus direkt mit dem inneren Bereich verbunden war, entstand
erst in nachhadrianischer Zeit
79
(Abb. 5 Nr . 9).
D ie Ko sten für den Ausbau des Ask lepieions scheint »ausschließlich
die
pergamenische Oberschicht« übernommen
zu
haben.
80
Der
obere Rund
bau wurde von
L Cuspius Pactumeius Rufinus
finanziert.
81
Das
Gebäude
von
24 m
Innendurchmesser lehnt sich architektonisch und inhaltlich
an
schrift aufgeführte Umfang der bleibenden und einmaligen Ehrungen für König
Attalos (für Hilfe bei
der
Übersetzung
des
gesamten
Textes habe
ich BEATE NO ACK
sehr
zu
danken) läßt sich nur
mit der
Hauptstadt Pergamon erklären,
so
auch
HABICHT 1969,
3
und RADT 1999, 223. Sehr wahrscheinlich wurde das pergame
nische Dekret in allen bedeutenderen Städten des Reiches, darunter auch Elaia,
durch Abschriften auf Stelen bekannt gemacht.
74
Zusammenfassend zuletzt
HALEMANN
2001,
55ff.
75
RADT 1999, 209ff.
76
D E
LUCA
1984 mit weiterer Literatur.
In
der jüngeren Forschung wird
der
Begriff »HaUenstraße« durch »Säulenstraße« ersetzt.
77
RADT
1999, 223ff.
78
ZIEGENAUS
1981.
79
RADT 1999, 228.
80
HALFMANN 2001, 56.
81
HALPMANN 2001, 56f. mit Anm. 188-190 zur Person des Rufinus.
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Kultstätten und Praxis des Kaiserkults
113
das Pantheon in Rom mit 42 m innerem Durchmesser an. Es ist wohl
zweifelsfrei als Rundtempel des Zeus-Asklepios-Soter zu identifizieren,
einer aus dem geist igen Umfeld der hadrianischen Epoche stammenden
universalen Got teskonstrukt ion.
8 2
Die Kultstatue des Gottes stand in der
dem Eingang gegenüberl iegenden Ostnische.
83
Das neben dem Tempel des
Zeus-Asklepios liegende Propylon stiftete A
Claudius Cbarax
Nördl ich
davon en ich te te Flavia Melitine einen Bibliotheksbau,
85
der vielleicht
nicht zur ursprüngl ichen Konzept ion gehörte.
86
Zuvor war die nördl iche
Stoa auf Kosten eines
[
—
Jus Pollio
und seiner Gat t in
[
—
Jope
erbaut un d
laut Inschrift den anderen Göttern, dem Asklepios Soter, Kaiser Hadrian
und der Vaterstadt geweiht worden.
8 7
Auch das Theater war eine private
Stiftung.
88
Die Bibliothek des Asklepieions bestand aus einem ehemals wohl flach
gedeckten Raum von 18,50 m Länge und 16,52 m Breite, dessen Fußboden
und W änd e reich mit verschiedenen M arm orsorten inkrust iere waren.
89
A n
de r W estseite befanden sich zwei Eingänge, vo n de nen d er nördliche in die
Nordhalle und der südliche auf den freien Platz führten. Die beiden Sei
tenwände im Süden und im Norden sowie die öst l iche Rückwand l inks
und rechts einer größeren Halbrundnische enthiel ten rechteckige Bücher
nischen, die erst 1,75 m über dem Bodenniveau begannen. Während unklar
ist, welchem Zweck die Nische in der Mitte der Westwund diente, kann es
an der Funktion der Mittelnische in der rückwärtigen Ostwand, »eine mit
82
HABICHT
1969, llff.;
KRANZ
1990,
134ff.; R ADT.
1999, 231;
HALSMANN
2001,
57.
Eine Weihung für Zeus Soter Asklepios bei
HABICHT
1969, N r. 63.
83
ZIEGENAUS 1981, 45.
Zur Person des
Cbarax
HABICHT
1969, N r.
8. 141;
HABICHT
1959/60,
109ff.;
HALSMANN
2001,
57f. Z um Bauwerk
ZIEGENAUS
1981,
5ff.;
RADT
1999, 232.
85
Über
kcvia
Melitine ist nur wenig bekannt, dazu
HALFMANN
2001, 58 mit
Anm. 194. 195. Eine im Asklepieion gefundene Statuenbasis ehrt sie laut Inschrift
für die Erbauung einer Bibliothek im Heiligtum;
HABICHT
1969, N r. 38 Z. 10-12:
KaTaaKE-üdaaoav rf|v ev xföi ieptöi totf Xarcfjpoc; ÄcncÄ/rpcicri) ßißyUoOfiKrjv.
Nach Lage der Dinge komme dafür nur der rechteckige Bau in der Nordost-Ecke
des Asklepieions in Frage, zumal dort die noch zu besprechende Statue des
Hadrian gefunden wurde, die ebenfalls von
fovict
Melitine gestiftet worden war.
Zur Typologie antiker Bibliotheken s.
CALLMER
1944,145ff. Einen Zusammenhang
zwischen einem Umbau der oberen Terrasse des Gynmasions in Pergamon und
dem Bau des Bibliothekssaals im Asklepieion sieht
MIELSCH
1995, 772.
86
RA DT 1999, 232.
87
HA BIC HT 1969, N r. 64; RA DT 1999, 231; HALSMANN 2001, 58 mit Anm, 196.
88
RADT 1999, 233f.
89
Beschreibungen bei
WEEGAND 1932 10f.; DEUBNER 1938,
40ff.;
CALLMER
1944,
175f.; RADT
1999,
232f.
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114
Konrad Hitzl
feinen Mosaikwürfeln ausgelegte Konche«,
50
keinen Zweifel geben. Vor ihr
fand sich auf dem Fußboden eine 108,5 cm breite, 91 cm tiefe und 54 cm
hohe marmorne Statuenbasis mit einer zweizeiligen Inschrift auf der Vor
derseite:
91
0EONAAPIANON
OA MEATTTNH
Auch die zugehörige Statue hatte sich erhalten (Abb. 6). »Das überlebens
große Marmorstandbild des Kaisers in heroischer Nacktheit, in der Linken
das Schwert haltend, rechts zu Füßen den Panzer, fand sich, in mehrere
Teile zerschlagen, in der Gegend der nördlichen Saaltür, unweit eines by
zantinischen Kalkofens«.
92
Die restaurierte Statue befindet sich auf ihrer
Basis heute im Museum von Bergama
93
(Abb. 6).
Da die von
Flavia Melitine
gestiftete Statue Kaiser Hädrian darstellen
soll, das Porträt der gefundenen Statue eindeutig Hadrian wiedergibt und
innerhalb der Bibliothek keine Fragmente anderer Statuen zutage kamen,
kann es als sicher gelten, daß die 2,30 m hohe Figur des Kaisers in' der
mittleren Nische der Ostwand stand.
94
Rechnet man den Beginn der Ni
sche in 1,75 m Höhe sowie die Höhe der Basis von 54 cm hinzu, so lag die
Scheitelhöhe bei ungefähr 4,60 m. Das Standbild Hadrians muß innerhalb
der Bibliothek dominierend gewesen sein. Es herrscht in der Forschung
Einigkeit darüber, daß die Statue bereits zu Lebzeiten Hadrians errichtet
wurdfe, eventuell anläßlich eines Besuches in Pergamon im Jahr 124 (ge
sichert) oder 129 n. Chr. (ungesichert).
93
Somit erhebt sich die Frage, wie
das Standbild Hadrians in der Bibliothe k des Ask lepieions z u bew erten ist.
Während
T H E O D O R W I E G A N D
und
ERICH BOEHRINGER
aufgrund der ge-
90
WIEGAND
1932,10.
91
Die Inschrift wurde von
WIEGAND
1932, 51 Nr.
und
HABICHT
1969, Nr. 6
publiziert.
92
WIEGAND
1932,10. Den ersten Hinweis auf diese
Starue
verdanke ich
ANNET
TE HUPFLOHER.
93
Die einzige, bis heute voUständige Aufnahme von Basis und Statue findet sich
bei
DEUBNER
1938, 41
Abb. 32.
Abbildungen der Statue:
WEGNER
1956, Taf. 14b;
ELSNER
1998, 200
Abb. 131.
Abbildungen des Kopfes:
BOEHRTNGER
1959, 157
Abb.
25;
HÖRN
/
BOEHRENGER
1966, 477
Abb. 57
Eine hervorragende Aufnahme
nur der Basis findet sich in der Publikation von
HABICHT
1969, Taf-
Nr. 6.
94
Angaben zur Statuengröße nur bei
ELSNER
1998, 200.
95
WIEGAND
1932,
51; HABICHT
1969,
29;
RADT
1999, 212. Wie schon
WIEGAND
1932,
51 bemerkte, setzt die Anrede €>EOX in Pergamon keine Konsekration des
Kaisers voraus. Bereits 118 n. Chr. wird Hadrian in Pergamon inschrifdich Ösöq
ASpiccvög genannt:
HABICHT
1969, Nr. 21. bes. Z.
36;
weitere Beispiele führt
H A
BICHT 1969, 29 Anm. 1 an.
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Kultstätten und Praxis des Kaiserkults
115
fundenen Statue d en R aum als »Kaiser saal« bez eichn eten ,
96
war seit der
Deutung des Traktes als Bibliothek durch
O TTRIED DEUBNER
eine Inter
pretation des Standbildes als Ehrenstatue selbstverständlich geworden.
97
Es gibt jedoch Gründe, die für eine Kultstatue sprechen:
1.
Der Typus des unbek leideten Standbildes, die Bezeichn ung als Theos
und die hohe Aufstellung würden eine Interpretation als Kultstatue un
terstützen. Es ist durchaus möglich, daß die Bibliothek der Flavia Melitine
nicht zum sog. hadrianischen Bauprogramm gehörte. Die Stifterin wäre
somit kaum an eventuelle Absprachen bezüglich der Kaiserverehrung ge
bunden gewesen und hätte ihre eigenen Vorstellungen verwirklichen kön
nen.
2.
Die Weihinschrift der nörd lichen Stoa setz t Hadrian bereits auf eine
Stufe mit Asklepios und den anderen Göttern.
3.
In einer pergamenischen Inschrift wird Hadrian ausdrücklich als
NE]OS AXKAHIIIOX bezeichnet.
98
4.
D ie P osition der Statue in der M ittelnische der Ostw and entspricht
der Aufstellung der Kultstatue des Zeus-Asklepios im Rundtempel.
5. Im alten Asklepiostempel stand noch die Panzerstatue Attalos' IIL,
die zusammen mit dem Standbild des Gottes als Synnaos Theos kultisch
verehrt w ur d e. Da s Standbild Hadrians muß der Statue des Attalos m in
destens ebenbürtig gewesen sein.
100
96
WIEGAND
1932, 10.
51.
Plan vor Taf.
1.
Taf
.2; BOEHRINGER
1959, 158.
97
DEUBNER
1938,
43: »Man mag
seine [seil. Hadrians] Statue als die eines Schüt
zers
und Förderers
der
Studien hier hergestellt
haben«.
Von
HABICHT 1969 26.28f.
wird die Basis unter »Ehreninschriften - Für Angehörige des Kaiserhauses« einge
ordnet.
9 8
FRÄNKEL 1895, Nr. 365.
99
Vgl. oben Anm. 73. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, daß die Panzer-
statue des letzten pergamenischen Königs bewußt entfernt worden wäre, und die
letzte Plünderung des Asklepieions war im Jahr 155 v. Chr.
(HABICHT
1969, 3;
RADT
1999, 222f.) erfolgt
100
In diesem Zusammenhang ist die Feststellung wichtig, daß gerade zur Zeit
Hadrians die
Attaliden
wieder zu Ehren kamen.
VIRGILIO
1993,108: »La memoria
degli Attalidi riemerge con marcato significato ideologico e culturale nel clima
deirimpero di Adriano«;
VIRGILIO
1993, 114: »I/imperatore e Perede degli Atta
lidi, in senso giuridico - per l'antico testamento di Attalo III - e ideale. La rievo-
cazione della memoria degli Attalidi e anche un omaggio alla dinastia che contribui
non poco alla formazione delHmpero di Roma«. Auf dem Burgberg von Pergamon
wurden vor der Nordhalle des sog. Trajaneums zwei hellenistische Exedren in
Zweitverwendung aufgebaut. Die westliche Exedra war laut Inschrift eine Weihung
des späteren Königs Attalos II. Nach
KAUT
1999, 215 »wird man wohl zu Recht
annehmen können, daß beide Denkmäler ursprünglich etwas mit dem Königskult
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116
Konrad Hitzl
Die Summe aller Argumente spricht nach Meinung des
Verf
für eine
Interpretation der Figur des Hadrian in der Mittelnische der Bibliothek
des Asklepieions als Kultstatue.
101
Flavia Melitine hatte wohl nicht nur die
Bibliothek und das Standbild gestiftet, sondern auch für Hadrian einen
£.ult in der Nische der Bibliotheksrückwand eingerichtet. Sollte diese
Theorie st immen, dann müssen regelmäßige kultische Handlungen, durch
Kultpersonal vollzogen, vor der Statue stattgefunden haben, anderenfalls
wäre das Standbild nur als Verehrungsstatue anzusprechen. Kaiserkult
wurde sicher nicht nur in Tempeln oder besonderen Räumen praktiziert ,
auch separierte Kompartimente innerhalb geschlossener Anlagen konnten
zur kultischen Verehrung eines kaiserlichen Bildnisses genutzt werden. In
den meisten Fällen können derartige Kultnischen nur vermutet werden,
ein präziser Nachweis ist kaum möglich. Die Bibliothek des Asklepieions
in Pergamon könnte eine Ausnahme bilden und ein Licht auf die Praxis
des Kaiserkults unterhalb der staatlich-städtischen Ebene werfen.
A p p e n d i x
Aussagen zur Weibinscbrift auf dem Architrav des Strategeion in Kyrene
1) G A S P A R E O L I V E B I O 1931 . Scavi di Ciren e. Berg am o. 31f.:
»Due triglifi appartenenti ad un edificio del III secolo a. C. con sopra
iscritt i i no m i di Ar istide f. di Bakal, A ut ob io di A nio ch o, Aristofane di
Paraibata; - un frammento di architrave dorico con sopra scritto a let
tere più grandi delle altre: [dai] nemi[o]. E siccome Aristofane di Pa
raibata è ricord ato in un altr a iscrizione come com and ante d i trecen to
giovani
triacatùirca),
l analogia con altre iscrizioni mi ha ind otto a pr o
spettare la ipotesi che i tre personaggi suddetti facciano parte degli ar
tefici della Vittoria, per eternare la quale fu inalzato forse il monumento
stesso, a spese dei nemici e verisimilmente con i loro trofei.«
2) LUI GI P ER NI ER 1935. Il tem pio e l altare di Apo llo a Cirene. Bergamo. 43 :
»Altre iscrizioni sulla facciata di quello dicono che strateghi cirenei, -
dei quali le metope conservano tre nomi:
Aristophanes di Paraibata,
Aristis di Bakalo, Autobios di Aniocho,
- dedicarono ad Ap ollo ( l edi
ficio stesso) come decima (della preda) sui nemici.«
zu tun hatten und daß man sie ins Trajaneum übernahm, um hier eine Kontinuität
des alten Herrscherkults auch im Kaiserkult zu demonstrieren«.
101
Derselben Meinung ist auch VIRGILIO 1993, 114: »Flavia Melitine è onorata
per avere ristrutturato la Biblioteca dell Asklepieion di Pergamo- Ella stessa aveva
dedicato una statua di culto di Adriano nelTAsklepieion.«
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Kultstätten und Praxis des Kaiserkults 117
3) ITALO GISMONDI 1951. Il restauro dello Strategheion di C irene. In:
Quaderni di Archeologia della Libia 2. 7:
»Da alcune iscrizioni incise suirarchitrave e sulle metope dell edificio
risulta che questo fu dedicato ad Apollo dagli strateghi di Cirene
dell anno X (metà circa del 4° secolo a. C ) ; il nome di tre di essi:
Aristophanes di Paraibata, Aristis di Bakalo, Antobios di Aniocho è ri
cordato nell iscrizione delle metope, mentre quella dell architrave in
forma che il monumento fu dedicato ad Apollo come decima del bot
tino tolto ai nemici«
4)
LUIGI POLACCO
1955. Il volto di Tiberio. Rom . 49:
»Nell estate del 1929, durante gli scavi italiani del santuario di Apollo a
Cirene, vennero alla luce i resti di un edificio, a S dei Propilei romani. Si
trattava di un sacello da alcuni strateghi cirenei dedicato ad Apollo
ancora nel IV sec. a. C , e che un funzionario rom ano ebbe a restaurare
e a ridedicare, questa volta a Tiberio.«
5) SANDRO STUCCHI 1960. La statua dello Strategheion di Cirene. In: Ar
cheologia Classica 12. 71:
»Nella campagna estiva del 1929 fu scoperto completamente nella zona
del santuario di Apollo a Cirene un piccolo edificio, che fu riconosciuto
per un dono fatto dagli strateghi cirenei ad Apollo nel IV sec. a. C.
L architettura del piccolo edificio è stata studiata con ogni cura dall ar
chitetto Italo Gismondi che ne attuò poi la ricostruzione.«
6)
RICHARD GEORGE GOODCHILD 1971. Kyrene und Apollonia. Zürich.
113f :
»An der. entgegengesetzten Seite der antiken Straße steht als auffal
lendstes Monument das völlig restaurierte und wieder eingedeckte
STRATEGHEION - ein kleiner Tempel, der ursprünglich im 4. Jahr
hundert v. Chr. von drei Generälen
strategboi)
aus Kyrene erbaut wor
den war. Er war Apollon gewidmet als ein Teil des diesem Gott zu
kommenden «Zehnten» aus der Kriegsbeute eines Feldzugs gegen die
Macaeer und Nasamoner (libysche Stämme, die in der unfruchtbaren
Syrte ansässig waren).«
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O . ZIEGENAUS 1981. Das Asklepieion. 3. Teil. Die Kultbauten aus römi
scher Zeit an der Ostseite des Heiligen Bezirks. AvP X I 3. Berlin.
Abbildungsnachweise
Abb. 1: Reproduktion nach R. G. GOODCHILD 1971. Kyrene und Apol
lonia. Zürich. Plan nach
S
200.
Abb.
2: Reproduktion nach L. POLACCO 1955. Il volto di Tiberio. Rom.
Taf. IV 2.
Abb.
3: Reproduktion nach S. STUCCHI 1960. La statua dello Strategheion
di Cirene. In: Archeologia Classica 12. Taf. XXV.
Abb.
4: Reproduktion nach S STUCCHI 1960. La statua dello Strategheion
di Cirene. In: Archeologia Classica 12. Taf. XXIV.
Abb. 5: Reproduktion nach O.
DEUBNER
1938. Das Asklepieion von Per-
gamon. Kurze vorläufige Beschreibung. Berlin. Plan L
Abb.
6: Reproduktion nach O . DEUBNER 1938. Das Asklepieion von Per-
gamon. Kurze vorläufige Beschreibung. Berlin. 41 Abb. 32.
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122
Konrad Hitzl
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Abb 1
Kyrene
topographischer
Plan Nr. 22 =
Strategeion im Apollon Heiligtum
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Kultstätten und Praxis des Kaiserkults
4 . 2 Kyrene, Strategeion, Statue desTiberius mit Basis vor der Cellariickwand
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Konrad Hitzl
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Kultstatten und Praxis des Kaiserkults
125
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Abb,
4 Kyrene Strategeion Kopf des Tiberius Vorderansicht
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Konrad Hitzl
Abb,
3 Pergamon topographischer Plan
des Asklepieions Nr. 5 =
ibliothek
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Kultstätten und Praxis des Kaiserkülts
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Abb.
6 Pergamon Museum Statue des Hadrian mit Basis
aus der Bibliothek des Asklepieions
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ie Stadt Rom
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aiserliche Religionspolitik
und priesterliche Rekrutierungsmechanismen
Überlegungen
zur Elitenformation am Beispiel der Sodalitäten
des
Herrscherkultes in Antoninianischer Zeit
von
JÖRG RÜPK
1 Das Material und die Fragestellung
Die großen Priesterschaften der stadtröroischen religiösen Infrastruktur
sind mehrfach zum Gegenstand prosopographischer Analysen geworden.
Trotz aller Unterschiede in der römischen Konzeption von magistratus
und
sacerdotium
hatte die Aufarbeitung der inschrifdichen Hinterlassen
schaft der Antike im
Corpus Inscriptionum Latinarum
und in vergleich
baren Unternehmungen gezeigt, daß - wie es von der stärker aus litera
rischen Quellen zu rekonstruierenden Geschichte der republikanischen
Priesterschaften her auch gar nicht anders zu erwarten war - die Mitglied
schaft in den prestigereichen priesterlichen Kollegien eng mit dem Anse
hen der Familien und dem Fortkommen im cursus bonorum korreliert
war.
3
Mit der Zusammenstellung von GEORGE HOWE von 1904 - einer bei
GEORG WISSOWA
geschriebenen, Hallenser Dissertation.-, die große Teile
des Personals der kaiserzeitlichen sacra publica erstmals in übersichtlicher
und, soweit möglich, chronologisch geordneter Form vorstellte,
4
war das
unübersehbar geworden.
Dieser Beitrag entstand im Wintersemester 2001/02 im Rahmen eines von der
Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Forschungsauf enthaltes am Deut
schen Archäologischen Institut in Rom Für die dort gewährte Gastfreundschaft
möchte ich mich herzlich bedanken.
Dazu SCHEID 1985.
3
Vgl.
schon die Bemerkungen VOHBARDT
1871) im Vorwort zu seiner
Prosopo-
graphie der großen republikanischen collegia und Einzelpriester.
4
Howx 1904.
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132
Jörg Rüpke
Auf dieser Arbeit wie auch auf den prosopographischen Artikeln der
WissowAschen Realenzyklopädie und der Prosopograpbza imperii Rom ani
von - zunächst - E D M U N D G R O A G und A R T H U R S T E I N konnten verschie
dene althistorische Dissertatio nen seit den 1950er Jahren aufbauen die
sich jeweils auf einzelne Priesterschafcen oder Epochen konzentrierten
und diese prosopographisch detailreich aufarbeiteten und analysierten.
5
Im
Gegensatz zur Arbeit von Howx war die Auswahl der Priesterschaften
stark eingeschränkt und ganz auf die senatorische Schicht konzentriere;
erst jüngst ist mit dem um fangreichen allerdings in der Betrachtung der
einzelnen Personen sehr knappen Aufsatz von JOHN SC HEID und M A R I A
GRAZIA GRANENO CECER.E die Breite der Untersuchung H O W E S wieder
annähernd erreicht worden.
6
Es ver steh t sich fast vo n selbst daß Frauen in
priesterlichen Fu nkt ione n denen ja auch keine magistratischen Äm ter of
fenstanden selbst die Virgines Vestales von diesen Untersuchungen aus
geschlossen waren - allein die Arbeit von rau HOF P M A N LEWIS macht
hier eine Ausnalune.
Faßt man die Ergebnisse dieser Arb eiten zusamm en mu ß man sich auf
wenige Bemerkungen beschränken; die Gewinne liegen vor allem in De
tails.
Festhalten kann man eine d ie ge sam te P rinzipatszeit über andauernde
unterschiedliche Wertigkeit des Prestiges der großen Kollegien: Die Pon-
tifices und die Auguren standen durchg ehend an der Spitze m it deutli
chem Abstand gefolgt von den Quindecimviri sacris faciundis und den
Septemviri epulonum . De r hochra ngige n Besetzun g der Fratres Arvales -
Zeugnisse die die Au ßen wirk ung diese s Sachverhalts beträfen besitzen
wir ja nicht - des ersten Jahrhunderts n. Chr. schien die Situation seit
Flavischer Zeit nicht mehr zu entsprechen; SC HEID konnte aber durch die
komplette prosopographische Aufarbeitung dieser Priesterschaft zeigen
daß die Untersc hiede zu den an deren Priesterschaften der Zeit der Fla vier
und Adoptivkaiser nicht signifikant waren/
Eine durch leges annales oder vergleichbaren Usus geregelte präzise
Einordnung der Priesterschaften in den Cursus honorum gab es nicht
dazu standen bei den auf Lebenszeit vergebenen und entsprechend selten
zu b esetzenden Äm tern dieser Priesterschafcen auch gar nicht genug Plät
ze zur Verfügung. Andererseits zeichneten sich doch bestimmte und im
5
HOFFMAN LEWIS 1955; PISTOR 1965; SIMON 1973; HO USTON 1971; SCHUMA
CHER 1973; HARRISON 1974; SCHEID 1975 und 1990a. Für die Republik erneut
SZEMLER 1972.
6
SCHEID GRANINO CECERE 1999. Leider ist die Benutzbarkeit durch zahlreiche
Satzfehler stark eingeschränkt.
7
SCHEID 1990a 155-200.
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Kaiserliche Religionspolitik
133
Verlaufe der Zeit schwankende Muster ab: Die zahlreichen Kooptationen
erst nach dem Konsulat während des ersten Jahrhunderts, die insbeson
dere für Plebejer galten, gingen unter den Antoninen deutlich zurück.
8
Die
klare Bevorzugung von Patriziern und den immer wieder neu in den Pa
trizierstand Erhobenen ging mit der sinkenden Bedeutung der Unter
scheidung zwischen Patriziern und Plebejern allmählich verloren.
9
Von besonderem Interesse ist die geographische Rekrutierung: Auch
hier, bei diesen funktionell doch im wesentlichen auf die Stadt Rom be
zogenen Ämtern, spiegelt sich die Ausdehnung und Ausbildung einer aus
dem ganzen römischen Imperium rekrutierten Oberschicht wider. Ver
gleicht man die oft ungesicherten Herkunftsorte der Am tsinhaber und ihre
Verteilung mit den Herkunfsorten der Mitglieder des Senats oder ihre
Verteilung unter den Konsuln und höchsten Magistraten, so ist allenfalls
eine leichte Verzögerung dieses Prozesses bei den Priesterschaften festzu
stellen.
10
Bei all diesen Untersuchungen wie ihrer Rezeption besteht große Ei
nigkeit darüber, daß in der jeweiligen Zusammensetzung dieser Gruppen
kaiserliche Politik - bei der Gleichförmigkeit der Prozesse und der Iden
tität der Personen ist es kaum sinnvoll, von einer eigenen Religionspolitik
zu sprechen - ihren Widerhall fand.
11
Das ist auf einer ganz oberflächli
chen Ebene auch gar nicht zu bestreiten, aber es ist dann doch zu fragen,
wie dieser Prozeß im einzelnen aussah. Kann man den Kaiser bei solchen
Aussagen als Projektionsfläche eines Laissez-faire-Prozesses verstehen
oder eher als Triebfeder eines höchst komplexen Uhrwerks? Die Frage
nach der Realität kaiserlichen politischen Handelns, die
FERGUS MILLAR
gestellt hat,
12
ist in einem viel bescheideneren Rahmen - und mit ent
sprechend beschränkteren Ergebnissen ~ auch für den religiösen Bereich
und die Besetzung der Priesterschaf cen zu stellen.
13
Diese Aufgabe soll im folgenden in zwei Schritten unternommen wer
den. Zunächst möchte ich die Geschichte der Priesterschaften des Herr
scherkults in der Zeit von M arc Aurel und Commodus rekonstruieren und
dabei auf einige bisher übersehene Details aufmerksam machen. Im zwei
ten Scbritc sollen die erhobenen Befunde in den größeren Zusammenhang
SCHUMACHER
1978,
785k; vgl
ALEÖLDY
1977, 84f, 106f.
9
VgL
noch
PISTOR
1965.
10
Siehe
SCHUMACHER 1978, 807f.
11
Kurz etwa
SCHUMACHER
1982.
12
MILIAR 1977.
13
Vgl für eine grundsätzlich andere Position in dieser Frage den Beitrag von
RU TH STEPPER
in diesem Band.
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134
Jörg Rüpke
der Rekrutierungsmechanismen eingeordnet w erden. Auch wenn die be
handelten Priesterschaften selbst ihre Aufgaben im wesentlichen in der
Stadt Rom oder im latinischen Umland fanden, so rekrutierten sie sich
doch zunehmend aus dem gesamten Imperium; ihre Selbstdarstellung oder
Ehrung auf Inschriften, die einen, ja den wesentlichen Beitrag zur Kennt
nis der Besetzung dieser Positionen leisten, ist ein im ganzen Mittelmeer
raum verbreitetes Phänomen. Zumindest jene religiösen Spezialisten, die
der im ganzen euromediterranen Raum agierenden Führungsschicht ange
hörten, sind mit ihren »stadtrömischen« Ämtern oft allein aus Basen von
Ehrenstatuen, Ehrendekreten oder auch Grabinschriften bekannt, die sich
in Nordostspanien, Dakien, Palmyra, dem nordafrikanischen Thysdrus
oder gar in der Germania superior finden. Daß diese Ämter aufgeführt, als
religiöse Ämter verstanden oder erläutert beziehungsweise unterdrückt
wurden, bildet auch einen Teil dessen, worüber im Rahmen von »Reichs
religion« gesprochen werden muß.
2 Sodales Antoniniani
Am 7. März 161 n. Chr. starb wieder ein Augustus, wie seit mehr als zwei
Generationen jetzt üblich, eines natürlichen Todes. Sein Name war Im
perator Caesar Titas Aelius Hadrianus Antoninus Augustus Pius, kurz:.
Antoninus Pius. Er wurde konsekriert, der neue Gott hieß Divus (Au
gustus Pius) Antoninus Pius. Was im Fall der Konsekration passierte,
kennt man zur Genüge; seit Augustus war das so üblich. In der
Historia
Augusta
hat es stereotype Wiederholung gefunden: Der Gott bekommt
einen Flamen und Sodales, Festtage mit Wagenrennen, einen Tempel. Auch
im Fall des Divus Antoninus Pius scheint der Senatsbeschluß nicht we
sentlich anders ausgesehen zu haben.
14
Die Sodales Antoniniani waren ge
schaffen.
Die erste Besetzung
Folgende Personen lassen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit der ersten
Generation von Sodales Antoniniani zuordnen:
u
SHA Ant Pius 13 Ji
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136
Jörg Rüpke
L. Venuleius A pro rianu s Octavius
20
Patrizier. Anfang 110er ~ nac h 168 n. C hr . Na ch de m streng
21
ch rono lo
gischen Cursus der Ehreninschriften war er seit Mitte der 130er Jahre
Augur, nach dem Konsulat, vermutlich in den 150er Jahren, auch Sodalis
Hadrianalis.
22
Schließlich Sodalis Antoninianus, sicher als Gründungsmit
glied seit dem Jah r 161 . Das Au gu rat w urd e noc h vo r der Qu äs tur (die er
suo anno
im Ja hr 137, erreicht haben dü rfte) verliehen. Suffek tkons ul
wahrscheinlich 145,
23
wurde Venuleius Consul Ordinarius des Jahres
168.
24
L. Octav ius Co rnelius P. Salvius P . f. Iulianus Aem ilianus
25
Anfang 2. Jh.~nach 168 n. C h r. P ontifex, Sodalis H adrianalis u n d Sodalis
Antoninianus. Consul Ordinarius des Jahres 148 und Curator aedium sa-
crarum im Ja hr 150 - zwischen diesen beiden Ä m tern w erde n in der afr i
kanischen Ehreninschrift seine Priesterschaften eingeordnet.
26
Zuletzt war
er Prokonsul von Africa, wohl 167/168. Es handelt sich um den berühm
ten Juristen der sabinianischen Schule, Salvius Iulianus, den Verfasser von
Digestae
in 90 Büchern und Redakteur des
edictum perpetuum.
27
Q. Pompeius Q. f. Sosius Priscus
28
Patrizier . E tw a 117-180 n . Ch r.
29
Pontif ex, Sodalis Hadrianalis und Sodalis
Antoninianus; die erste Priesterschaft dürfte er (so der chronologische
Cursus für die ersten beiden) zwischen Quästur und Prätur erlangt ha-
2 0
P1R V 253 .
21
Eine Ausnahme bilden die - jeweils zusammengefaßten - Iterationen und die
beiden Sodalitäten (zu beiden PFIAUM wie Anm. 24).
22
Da für die auf Konsulat und Sodalität folgende spanische Statthalterschaft nur
ein Terminus ante quem von 161 festgestellt werden kann
(THOMASSON
1984, 16),
gibt es auch für das Priesteramt keinen früheren sicheren Terminus ante quem. Für
die nach dem Tod Hadrians (138) gegründete Sodalität kann man erst für die 150er
Jahre großen Ersatzbedarf vermuten.
23
ALFÖLDY 1977, 150f.
24
Beleg für die Priesterämter:
CIL
ll 1432f. = Inscr.
IL
7 1 16f. (jeweils einander
ergänzend). Zur Person PFIAUM 1966, 14-19.
25
PIR S 102/
X
S 103.
26
Vermutlich trifft der Zeitpunkt nur auf das früheste Amt zu, wahrscheinlich
auf das Ponrifikat. Dann folgte die erste Sodalität in den 150er Jahren (anders
PFLAUM
1967, 200, der die Sodalität ebenfalls zwischen 148 und 150 n. Chr. an
setzt).
27
Siehe HLL
§ 414.
- Belege für die Priesterämter:
CIL
8,24094 =
ILS 8973.
Zur
Person PFIAUM 1966, 8-12; KOLB 1993, 206f.
28
PIR
2
P 656.
29
Er starb im Alter von 62 Jahren:
CIL
6,1490 =
ILS
1106 (Epitaph des Ur
enkels).
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Kaiserliche Religionspolitik 139
C. Aufidius C. f. Victorinus
49
1 1 0 er - e twa 186 n. Chr .
50
Vermutlich zunächst Fetiale,
51
dann Quindec im-
vir s. f. un d Sodalis Anto nin ianu s (später A nto nin ian us Verianus M arcia-
nus)
5 2
Das Quindecimvirat dürfte im Umkreis des ersten Konsulats (155)
erreicht worden sein. Consul II Ordinarius im Jahr 183 nach einer wohl
vorangegangenen Praef ea u ra urbis. Aufidius war auch Proko nsul von
Africa.
55
M. Vetrulenus Sex. f. Civica Barbarus
54
Anfang 120er~nach 169 n. Chr.
55
Sodalis An tonin ianus w oh l seit 1 61. Vier
Jahre zuvor (157) war er Konsul gewesen.
56
A nonymus
5 7
Ende I .V. 2 .Jh . -e twa 168 n .Chr .
5 8
Sodalis Antoninianus, höchstwahr
scheinlich seit 161, das hieße zu m Ze itpu nk t eines zu postulierende n Ko n
sulates (160 od er 161), das der aufgeführten Fu nk tio n eines C ura to r ae-
dium sacrarum, die Anfang 162 zu datieren wäre, unmittelbar voraus
ging-
5
49
ALFÖLDY
(1977, 361-365) folgend identifiziere ich Aufidius nicht mit dem
unbekannten Sodalen von CIL 6,1546 = 6,41134. - PIR
2
A
393
(s. a.
2
A 1374).
50
Dio 72 ll lf.: Selbstmord
51
Die in der Inschrift gegebene Reihenfolge der Priesterämter, aber auch ihre
Stellung in der Ämterliste insgesamt sind nicht chronologisch auszuwerten.
52
Aufgiiind der Platzverhältnisse in der Inschrift schlägt ALFÖLDY, CIL, sicher
richtig die Ergänzung als Sodalis Hadrianalis Antoninianus Verianus Marcianus
vor.
53
Beleg für die Priesterämter: E 1957,121 = 1934,155 = CIL 6,41140. Zur Per
son
PFLAUM
1966,
41-48.
54
Zu den verwandtschaftlichen Verhältnissen mit dem Kaiserhaus s.
PFLAUM
und
RE
14 843f.
(Stemma). - RE SuppL 14,845 = Vettulenus 2.
55
Der Terminus post quem der Inschrift, die vom divinisierten Verus spricht,
während Vettulenus allerdings noch - gegen PFLAUMS (1966) Theorie - von An-
toninianus spricht (iepet Ävreövswiavßi); möglicherweise war Verus noch nicht*
lange verstorben.
56
Beleg für die Priesterämter: E 1958,15. Zur Person PFI-AUM 1966, 48-50.
57
Zu allen Identifizierungsversuchen ausführlich ALFÖLDY; ihm folgte zuletzt
KOLB
1993,
216f. - PIR
l
In c 38.
5
* Die Sodalität, die aller Wahrscheinlichkeit nach in die Zeit vor 169, als die
Sodales Antoniniani zu Antoniniani Veriani wurden, gehört, legt die weitere Er
gänzung der Inschrift (s. ALFÖLDY 1977, 363) nahe und ermöglicht die Rekon
struktion des Cursus. Der Anonymus scheint noch am Germanenfeldzug von 168
als Comes teilgenommen zu haben.
59
Belege für
die
Priesterämter: CIL 6,1546 = 6,41134. Zur Person ALFÖLDY 1977,
361-365.
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140 Jörg Rüpke
[— ] Fidus A [ ] Gallus Paccianus
60
Vermutlich schon I.V. 2-Jh.-kurz vor 169 n.Chr.
61
Vermutlich in der
angegebenen Reihenfolge
62
Epulone, Sodalis Hadrianalis schon vor 161
und seit 161 Sodalis Antoninianus.- D ies e Funktionen lassen sich nicht
chronologisch sicher in die nur mit den senatorischen und kaiserlichen
Statthalterschaften (Greta et Cyrenaica sowie Aquitania) am Ende des
Cursus schließende Karriere einordnen.
63
M. Didius M. £ Severus Iulianus, der spätere Kaiser Imp. Caesar M. Di-
dius Severus Iulianus Augustus
64
30.
Januar 133 -2. Juni 193 n. Ch r. Di e extrem frühe Förderung des D idius
durch Marc Aurel (Quästur vor dem gesetzlichen Mindestalter) läßt ver
muten, daß er schon zu den Gründungsmitgliedern der Sodales Antoni-
niani gehörte. Mit seiner Erhebung zum Au gustus am 28. März 193 wurde
er auch Pontifex maximus; für eine Kooptation in »alle (großen) Kolle
gien« gibt es keinerlei Beleg.
65
Suffektkonsul etwa im Jahr 175; Legatus
60
Ich identifiziere im folgenden mit dieser Person den anonymen Empfänger der
Ebreninschrift CIL 6,1568. Die Argumente dafür sind a) die Zeitstellung, b) das
gemeinsame Amt des Legatus Augusti pro praetore provinciae Aquitanicae, c) die
Ehrung durch eine civitas dieser Provinz (Lemvices, Cadurci) an einem Ort au
ßerhalb der Provinz - Lyon vielleicht als Geburtsort, Rom als Reichshauptstadt -
und d) die Tatsache, daß auf einer Inschrift die Mitgliedschaft bei den Sodales
Hadrianales, auf einer anderen die bei den Aritoniniani erhalten ist (und sich die
jeweils andere problemlos ergänzen ließe): Es zeigt sich, daß im übrigen alle be
kannten, im Jahr 161 lebenden Sodales Hadrianales als Antoniniani berufen wur
den.
ALFÖLDY
(1977, 175, Anm. 152) erwägt unter Ergänzung einer Konsulats
angabe (die für die in Frage kommenden Provinzen untypisch wäre) in der In
schrift eine Identifizierung des Statthalters in 6 1568 mit M. Censorius Paullus. -
PIR
2
F153.
61
Der Terminus ante quem ergibt sich
us
der Bezeichnung als Sodalis Antoni
nianus (und noch nicht Antoninianus. Verianus, dazu ausführlich
PFLAUM
1966,
passim). Da zum einen nach der zweiten Statthalterschaft keine weiteren Ämter
sicher zu erwarten sind (es also kein argumentum e silentio für ein jüngeres Alter
gibt) und zum anderen die Kooptation in die Sodalität einen schon länger koop
tierten Epulonen erwarten läßt, könnte Paccianus in schon vorgerücktem Alter
gestorben sein.
62
Die Ehreninschriften nennen die Priesterämter geschlossen am Ende und sind
daher chronologisch nicht weiter auszuwerten.
63
Belege für die Priesterämter: CIL 13,1803; 6,1568(0/L 6,1568) = 6,41135.(0/1
6,41135)
64
PIR
2
D
77
65
Ein solcher fehlt epigraphisch auch für
d s
Oberponnfikat; CIL 6,32396 = AA
97d,4, eine Notiz für den 1. oder 13. Juni 193, ist nach der Rekonstruktion durch
SCHEID
auf Pemnax zu beziehen.
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Kaiserliche Religionspolicik
141
Augusti pro praetore von Pontus et Bithynia (zwischen 183 und 186);
Prokonsul von Africa (189/190).
66
Q. Pompeius Q. f. Senecio Fuscus Saxa Vryntianus Sosius Priscus
67
Patrizier. Um 135-nach 169 n. Chr. Salius CoUinus und wohl noch .unter
Antoninus Pius Sodalis Hadrianalis,
68
dann, vielleicht noch als Grün
dungsmitglied, Sodalis Antoninianus Verianus. Darüber hinaus ist er auch
noch als Pontifex nachgewiesen. Pompeius war Quaestor kandidatus wohl
um 162 und Consul Ordinarius des Jahres 169 n. Chr. Er war als Prokon
sul für Asia bestimmt.
69
C. Aelius P. f. Domitianus Gaurus
Ritter, der durch Antoninus Pius mit einem
equus publicus
beschenkt
wurde. I.V. 2.Jh.-nach 161 n. Chr.
70
D e r - vielleicht durch seine juristi
schen Leistungen als
scriba
prominente - Aufsteiger in den Riteerstand
unter Antoninus Pius wurde Sacerdos Laurentium Lavinatium und -
schon als Ritter - Kalator der Sodales Marciani Antoniniani. Nach meh
reren Schreiber-Positionen ritterlicher Praefectus cohortis und Praefectus
fabrum. Eventuell Jurist.
71
Beobachtungen
Auf den ersten Blick weist die hier zusammengestellte Personengruppe
keine Überraschungen auf: In Hinblick auf den sozialen Status, die zum
Zeitpunkt der Aufnahme abgeleisteten Ämter und das Alter dürften die
zeitgenössischen Kollegien der Pontifices, der Auguren, vermutlich auch
der Quindecimviri sacris faciundis oder der Arvalbrüder nicht deutlich
anders ausgesehen haben. Dennoch gibt es eine überraschende Gemein
samkeit: Für die Hälfte der Sodales läßt sich die gleichzeitige Mitglied
schaft in der nach dem T ode des vorangegangenen Au gustus, des Hadrian,
errichteten Priesterschaft nachweisen. Das Kollegium der Sodales Hadri-
anales besaß im Jahr 161 n . Chr. verm utlich folgende Mitglieder (nicht
vö llig gesicherte M itgliedschaft in diesem Jahr ist durch Kursive markiert):
66
Belege für die Priesterämter:
CIL 6 1401
=
ILS
412 (nur Sodalis); Cohen
2
3,
Didius -13 (Pont. max.). Zur Person
PFLAUM
1966,
60-71; KIENAST
1990, 154f.
6 7
P IR
1
P492.
68
Nach
PFIAUM
(1967, 200) vor 161 n. Cbr. Hadrianalis.
69
Belege für die Priesterämter: CIL 14,3609 = IL S 1104 = Inscrlt 4,1,126; CIL
10,3724.
70
Die Inschrift, die Antoninus »Pius«
nennt, muß
nach
DESSAU, ILS,
nach dessen
Tod und vor
dem
Tod des Verus 169 aufgestellt worden sein.
71
Dig 8,2,10. Belege für die Priesterämter: Epk ep 8 368 = ILS 2748.
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142
Jörg Rüpke
L. Venuleius Apronianus Octavius
Q. Pompeius Q. / Sosius Priscus
C. Brutiius C .f.
Praesens
,[— ] Fidus A[— ] Gallus Paccianus
*G
Popilius
Cf.
Carus
Pedo
L. Ocuvius Cornelius P, Salvius P, f. lulianus Aemilianus
L. Dasumius P. f. Tullius Tuscus
*C. Septimius Severus
Q. Pompeius Q. f. Senecio Fuscus Saxa Vryncianus Sosius Priscus
C. Aufidius C. f. Victorinus
Nur für die beiden mit Sternen markierten Personen ist eine gleichzeitige
oder spätere Zugehörigkeit zu den Sodales Antoniniani nicht wahrschein
lich zu machen.
72
Umgekehrt läßt sich nicht ausschließen, daß noch wei
tere Mitgliedschaften bei den Sodales Hadrianales nur keine erhaltene Be
zeugung gefunden haben. So bleibt der Eindruck, daß die Besetzung der
neugegründeten Priesterschaft der Sodales Antoniniani weitestgehend die
zur Verfügung stehenden Sodales Hadrianales berücksichtigte. Was als
neues Kollegium erschien, war faktisch durch weitgehende Personalunion
nur eine Variante eines schon vorhandenen.
Dieser Eindruck wird durch die Kooptationen der Folgezeit verstärkt:
Sowohl Q. Pompeius Q. f. Senecio Sosius Priscus
73
als auch T. Flav ius T . f.
Sulpicianus
74
wurden Mitte der 160er Jahre sowohl Hadrianales wie An-
toniiiiani.
So etwas wie eine Religionspolitik ist für Marc Aurel bislang nicht be
schrieben worden. Die beobachtete Entwicklung der beiden Sodalitäten
fügt sich immerhin in das sich herausbildende Verfahren ein, den Kreis der
Führungsschicht nicht beliebig auszudehnen und gerade Patrizierfamilien
in der Ämterbesetzung angemessen zu berücksichtigen.
75
Die Aufmerk
samkeit ist an dieser Stelle auch auf den Kalator zu lenken: Wahrend wir in
dieser Position in Flavisch-Trajanischer Zeit ausschließlich Freigelassene
kennen, erscheint nun ein Ritter , und zwar Ritter zum Zeitpunkt der
Gründung des Kollegiums, in dieser Funktion. Hier deutet sich eine Ent
wicklung an, die w ir zwanz ig Jahre spater in anderer F o rm fassen kö nn en.
72
In beiden Fällen liegen Inschriften aus der Ze it nach 161 n. Chr. vor, die keinen
Raum für die Ergänzung dieser zweiten Sodalität bieten. Das ist kein Ausschluß
kriterium, es bleibt aber eine Begrenzung der im folgenden entwickelten A nnahme.
73
Der Sohn des mehrfachen Priesters und (ebenfalls schon) polyonymen Konsuls
von
149,
s. o., CIL 10,3724 (vor dem Tode
Verus*?); Inscr
Ii 4,1,126 « CIL 14,3609
= ILS 1104 (ausführlichster Cursus),
74
CIL
6,31712
=AE
1981,762.
75
Siehe ALSÖLDY 1977, 85.
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Kaiserliche Religionspolitik
145
(leiblichen) Eltern konsekriert und deren verstorbene Freunde durch Sta
tuen geehrt,
82
läßt sich zeitlich nicht präzisieren, sie weist aber in dieselbe
Richtung eines kollektiven Kultes, in dem die scharfen Umrisse in der
Unterscheidung zwischen Götter- und Totenkult in der Öffentlichen Re
präsentat ion verschwimmen.
33
Das greift zeitgenössische Entwicklungen
auf, die auch in der Titulatur divinisierter Kaiser in provinzialen
Inschrif-
ten zu greifen sind: Die Verehrung des lebenden Herrschers uiid des kon-
sekrierten toten verlieren an Distanz.
84
Nach dem Tod und der Konse
kration Faustinas der Jüngeren, der Gemahlin des Kaisers, beschloß der
Senat, beiden, Faustina wie dem lebenden Kaiser, silberne Kultbilder im
monumentalen Tempel der Venus und Roma in der Stadtmit te Roms zu
errichten, samt einem Altar, vor dem alle in der Stadt heiratenden Bräute
samt Bräutigamen opfern sollten.
85
Die unmit te lbar wei tere Entwicklung - wiederum sind wir auf Hypo
thesen angewiesen - läßt den spezifischen Charakter deutlicher werden. In
einer Inschrift wohl aus dem Regierungsbeginn des Caracalla
S6
wird das
scho n erw ähn te Mitglied des O rd o , L. A nn ius L, f. Ravu s, »wegen seiner
Verdienste als Patron« von den Sodales Herculani geehrt.
87
Im Lichte wei
terer stadtrÖmischer Inschriften dieser Sodalität erscheint es unnötig, diese
Gruppierung auf Tibur zu beziehen. Es erscheint dann naheliegend, wenn
auch nicht zwingend, die Herkules-Sodalität auf den Ordo zu beziehen,
als eine neue oder inoffizielle Bezeichnung.
88
Noch einmal, diese Verbin
dung ist hypothetisch. Sie paßt aber in das Bild der religiösen Präferenzen
des Commodus, dessen Hercules-Verehrung und eigene Identifizierung
mit Hercules immer stärkere Formen annahm.
89
S2
SHA
M. AureL
29,8.
83
Zur Differenz im Ritaal SCHEID 1993.
84
CLAUSS 1999,
146
m it
Verweis
auf ÄE 1942/43,18 und CIL 2,5232 = ILS 6898.
85
Dio 72,31,1.
86
Die genaue Datierung ist problematisch, da der Geehrte im Jahr 183 exiliert
wurde, es ist entweder ein Zeitpunkt zuvor oder aber die Rückkehr aus dem Exil
zu unterstellen. Die Chronologie der Hercules-Verehrung des Caracalla bleibt un
klar, es gibt aber keinen Grund gegen einen sehr frühen Einsatz.
87
CIL 6,1339 = ILS 1121.
88
VgL SHA Commod. 17,11: Schaffung eines Flamen Herculanus Com modianus;
cf. 8,9.
89
Kurz CLAUSS 1999, 148-150; ausführlich GROSSO 1964.
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146
Jörg Rüpke
4 Zwischenbilanz
Wie ließe sich diese Neuorientierung in das Bild der spätantoninianischen
Religionspolitik seit Marc Aurel einordnen? Der Umgang mit den Soda-
litäten zeigt die Bemühungen um eine personelle .Konzentration jener
Priesterschaf cen, die sich aus der Oberschicht rekrutierten; mit der Übe r
nahme auch des Kultes des Marc Aurel, des Commodus und weiterer
Kaiser durch die Sodales Marciani Antoniniani Commodiani Helviani
Severiani Antoniniani,
90
also durch dieselbe Gruppe, wird diese Linie
bestätigt. Als Generalisierung läßt sich auch die Schaffung des
ordo sacer-
dotum domus divinae
deuten, nun bezogen auf die gesamte Herrscher
familie. Gegenüber den sodales wurde hier eine deutliche Ausweitung der
Rekrutierungsbasis in sozialer Hinsicht vorgenommen, allerdings nicht
unter Absehung, sondern unter interner hierarchischer Verfestigung der
Unterschiede. In Anbetracht der massiven Verluste der Nobilität, auch
durch Seuchen und Kriege, in der Zeit des Marc Aurel erscheinen diese
Maßnahmen plausibel. 'Sie erlaubten zugleich eine Zunahme an Kontrolle
im Bereich religiöser Institutionen.
Die mögliche Umorientierung des Ordo auf den Hercules-Kult bezie
hungsweise den mit dem Hercules-Symbol arbeitenden Kult des lebenden
Herrschers ließe sich als Ergebnis gesteigerter Kontrolle verstehen: Nicht
durch eine Proliferation neuer Institutionen, sondern durch die bewußte
Umorientierung bestehender Priesterschaften wurden neue religiöse Ori
entierungen ins Werk gesetzt. Der Kaiser war Herr des Verfahrens.
5 Kaiserliche Kooptation
Die Suche nach dem gemeinsamen Nenner darf den scharfen Kontrast, der
gerade unter dem Stichwort »Kontrolle«
91
besteht, nicht verdecken. Wäh
rend der Ordo größere Gestaltungsspielräume zu gewähren schien, waren
die Handlungsmöglichkeiten bei den Sodalitates eng begrenzt: Keine
so-
dalitas
wurde abgeschafft, die Umgestaltung erfolgte vielmehr allein über
Kooptationen, die zu Personalunionen führten, und über Aufgabenerwei
terungen bestehender Einrichtungen. Das entsprach schon republikani-
2 7 7 ^
6
;
4 1
? L
=
^ r r
9 5
'
1 2 4
=
1 9 2 9
'
1 5 8
Z u f B e
^ h n u n g • PPIAÜM
1 9
8 l ,
277f Vgl. d* Gedicht
CIL
13,8007 =
ILS 1195: cUvum soddk
s R f ^ l S r
0 1 1 6
* *
a U § e m e i n e S
Beschrdbuagsrasier für religiöse Spezialisten
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Kaiserliche Religionspolitik
147
scher Praxis und Zurückhaltung im Umgang mit priesterlicheri Insti tutio
nen. Das beste Beispiel bietet die sogenannte
92
Lex Ogulnia, jene Rege
lung, die die Plebejer am Kollegium der Pontifices und Augures beteiligte.
Diese grundlegende Reform des Jahres 300 v. C hr . wu rde , soweit die an
nalistische Üb erlieferung zuverlässig ist, nicht als Um ges taltung der Ko l- -
legien konzipiert. Vielmehr legt Livius nahe, daß der Antrag einfach lau
tete, ut IV pontif ices, V augures de flehe adlegerentur
y
daß also vier ple -
beische pontifices und fünf plebeische augures hinzugewählt wurden, was
eine Gesamtzahl von neun Auguren und acht Pontif ices, zu denen man
den Pontifex maximus wohl hinzurechnen muß, ergab.
93
Diese Regelung stellte eine einmalige Angelegenheit dar; in der Folge
zeit sorgte die Selbstergänzung der Kollegien, die Kooptation, für das
Aufrechterhalten der Sollziffern. N o ch im drit ten Jahr hu nd ert v. Ch r.
drangen Elemente der Volkswahl durch die Beteil igung von gerade weni
ger als der Hälfte der Tribus, siebzehn v on fünfundd reißig, in das Beset
zungsverfahren ein, dauerhaft für den Pontifex maximus,
94
wenigstens
kurzzeitig nach der lex Domitia des Jahres 104 v. C hr . un d der lex Atza des
L ab ie n u s' im Jah r 63 v. Ch r. au ch für die üb rigen Pontifices u n d die
Augures. Auch dieses Verfahren stellte sich formal lediglich als eine
Komplizierung der Kooptation dar: Das Kollegium präsentierte die Kan
didatenliste und kooptierte den Wahlsieger. Es Hegt nahe, dieses als grund
legend ausgewiesene Verfahren der Kooptation auch für die übrigen Prie
sterschaften zu unterstellen, auch wenn etwa für die Decemviri bezie
hungsweise Quindecimviri sacris faciundis, die für das Einsehen und
Interpretieren der Sibyllinischen Bücher zuständig waren, jedes explizite
Zeugnis dafür fehlt.
Wie stellten sich die Besetzungsverfahren in der Kaiserzeit dar? Es
herrscht Einigkeit darüber, daß im Laufe des ersten Jahrhunderts n. Chr.
Wahlakte in den Komitien weitestgehend verschwanden, die Empfehlung
durch den Kaiser ersetzte den Wahlerfolg. Inwiefern galt das auch für die
Priesterschaf cen? T H E O D O R M O M M S E N hat nicht nur die Details, sondern
auch das Wesentliche in seinem
Römischen Staatsrecht
schon formuliert;
J O H N S C H E I D hat, ausgehend von den Notizen der Arvalakten, das Pro-
92
Technisch handelt es sich um ein
plebhcitum,
s.
HÖLKESKAMP
1988, 52,
ABITL
3
mit weiterer Literatur.
93
Liv. 10,6,3-8 (ähnlich
10,8,3);
die Annahme des Gesetzes und erneut die End
zahlen in 10 9 lf. S. 10,6,6: Rogationem ergo promulgarttnt ut
}
cum qu.attu.or au-
gmeS) quattuor pontifices ea tempestate essent placeretque augeri sacerdotum nu-
merum
>
quattuor ponüfices
>
quinque augures^ de plebe omnes
>
adlegerentur.
94
Siehe TAYLOR 1942; BEAKD; NO RT H ; PRICE 1998, 134-137; RÜPKE 2001, 211.
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148
Jörg Küpke
blem noch einmal aufgerollt.
95
Das erlaubt mir, eine eher summarische
Beweisführung vorzulegen, eine Wiederholung, die vor allem dem Ziel
dient, in Erinnerung zu rufen, wie selten die Fälle sind, in denen ein Ein
griff des Kaisers in das Besetzungsverfahren überhaupt greifbar wird. Mei
ne Zusammenfassung wird allerdings den Akzent der MoMMSENschen
Darlegung verschieben: Wo
MOMMSEN
das Gewicht auf die freiwillige
Selbstbeschränkung des Kaisers legt und aus der kaiserlichen Perspektive
heraus das Verfahren darstellt, möchte ich gerade den Ausnahmecharakter
des kaiserlichen Eingriffs und das »Normalverfahren« betonen. Erst damit
wird das zu Beginn vorgeführte Interpretationsmuster kaiserlicher Reli
gionspolitik in das rechte Licht gerückt.
Zunächst einmal ist zu differenzieren. Als Pontifex maximus hatte der
Kaiser, so die
communis
opinio, das Recht und die Pflicht, die Positionen
der Virgines Vestales, des Rex sacrorum und des Flamen Dialis zu beset
zen. Das erstgenannte Recht wurde durch die noch republikanische Lex
Papia modifiziert, nach der der Pontifex maximus eine Liste von Kandi
datinnen zusammenstellte, aus der die Vestales per Losentscheid sortiüo)
ermittelt wurden.
96
Eine prinzipielle-Rücknahme dieser Komplizierung für
die Kaiserzeit ist nicht belegt; wenn Gellius für seine eigene Zeit das Ver
fahren durch einen Senatsbeschluß ersetzt sieht, so liegt nach ihm darin
gerade nicht die Ermächtigung des Pontifex maximus - das Gegenteil ist ja
der Fall -, sondern eine Reaktion auf einen Mangel an Kandidatinnen.
97
Im Falle des Flamen Dialis wird in der Forschung eine Geltung des
Rechtes zur »Ergreifung«
captio)
auch für die beiden anderen Flamines
maiores,
den Martialis und den Quirinalis,
98
oder gar - »unbedenklich« -
für alle Flamines angenommen.
99
Aber auch das widerspricht der Haupt
quelle Gellius, der zwar vom Gebrauch des Begriffes capere beziehungs
weise der Passivform
capi
in bezug auf den Flamen Dialis und nur diesen)
sowie die Augures und Pontif ices berichtet, aber auf
die
explizite Kritik an
diesem Sprachgebrauch von antiquarischer Seite verweist.
100
Allein in der
95
MOMMSEN 1887
1102-1113;
SCHEID 1990
201-214.
96
Gell. 1 12 11. Die Belege bei WISSOWA 1912 510.
97
Gell. 1 12 11-12: Sed Papiam legem mvenimus, qua caveretur, ut pontißcis
maximi arbitrato virgines e populo viginti legantur sortitioque in contione ex eo
numero fiat et
y
cuius virginis ducta erit ut eam ponüfex maximus capiat eaque
Vestae fiat. 12) sed ea sortitio ex lege Papia non necessaria nunc videri solet. nam si
quis honesto loco natus adeat pontificem maximum atque ofjerat ad sacerdotium
filiam suam, cuius dumtaxat salvis reügionum observationibus ratio haberi possit
gratia Papiae legis per senatum fit.
98
So MOMMSEN 1887 1113.
9 9
WISSOWA 1912 510 Anm. 3;
ähnlich
SCHEID 1990 213.
100
Gell.
l 12 15f.
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Kaiserliche Religiönspolitik
149
Erzählung von der Konfrontation zwischen dem plebeischen Pontifex
maximus P. Licinius Crassus und dem Patrizier C. Valerius Flaccus, der
Flamen Dialis werden soll,
101
erscheint der Oberpontifex als autonom
Agierender; die weiteren Quellen, die den Flamen Dialis oder Rex sacro-
rum betreffen, lassen gerade ein kompliziertes Wahlverfahren, in das das
Pontifikalkollegium eingebunden war, erkennen.
102
Faßt man das zusammen, kommt man zu dem Ergebnis, daß sich selbst
theoretisch das Recht des Oberpontifex zur autonomen Nachfolgerbe
stimmung auf die Vestalischen Jungfrauen beschränkte, ein in historischer
Zeit faktisch nicht ausgeübtes Recht, das keinerlei Basis zur Postulierung
weitreichender Ernennungsrechte für andere Priester liefert. In diesem
Punkt ist
MO MMS E NS
Ausdehnung auf die Salier, Pontif ices minores und
verschiedene latinische Priesterschaften
103
zu bestreiten.
In bezug auf die großen, politisch in der Republik zentralen Priester
schaften formuliert MARTHA HOFFMAN LEVIS eine andere
communis opinio:
»I believe that, in order to give the appearance of free elecrions, Augustus al-
lowed the priests to continue the republican practice of nominating candidates
for the tribes to elect. But since both he and later emperors, as members of all
four Colleges, could make nominarions, it is obvious that the new elected priests
met with their approval, and that the actual method of elecrion had litde im-
portance.«
104
In der weiteren Argumentation der verdienstvollen prosopographischen
Untersuchung für die Julisch-Claudische Zeit ist der Kaiser das logische
Subjekt - verfahrensrechtliche Feinheiten spielen keine Rolle mehr. Auch
gegenüber dieser Position gilt es, die begonnene Differenzierung fortzu
setzen. So ist zunächst festzuhalten, daß das gesamte Wahlverfahren sicher
nur die Ponrifices und Auguren betroffen hatte; die Ausdehnung auf die
Quindecimviri sacris f aciundis und die Septemviri epulonum, also auf alle
kaiserzeitlichen
amplissima collegia,
ist möglich, aber nicht belegt. Inner
halb dieses Kreises konzentrierten sich die Kooptationen von Mitgliedern
des Kaiserhauses und präsumptiven Nachfolgern ganz auf die beiden erst
genannten Kollegien.
Als Verfahren für diese Kollegien hat S CH E ID folgenden Ablauf wahr
scheinlich gemacht: Wohl vor dem Senat
105
wurden unter der eidlichen
Erklärung, die Kandidaten seien der Priesterschaften würdig, die nomi-
101
Liv. 27,8.
102
Liv. 40,42; Tac. ann. 4,16.
10 J
MOMMSEN 1887, 1113.
104
HOFFMAN LEWIS 1955,16.
10 5
SCHEID 1990, 208, Anm. 43.
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Kaiserliche Reügionspoliuk
5
stellen. Wie die Arvalakten zeigen, konnte der Kaiser - ähnlich wie ein
abwesender Magister
114
- eine »Briefwahl« vornehmen, das heißt, sein ei
genes Votum -
mea sententia coopto
- zustellen. Das Verfahren ist mehr
mals,
in besonderer Ausführlichkeit unter Hadrian beschrieben worden.
So heißt es für den 25. Februar 118 n. Chr.:
Isdem co(n)s(ulibus) {ante diem quartum) k(alendas) Mart(ias)
in
pronao
aedis
Concordiae
habita
sollemni precfationej
per M. Valerium Trebicium D[ec]ianum mag istrum) in locum [PJ
Metili Nepotis L Iulium Catum ex
Utteris Imp(eratoris) C[aesaris]
Traiani Hadriani Augusti fratrem arualeni
cooptauerunt et ad safcrja uocauerunt ibique tabulae
apertafe
sijgno
[signatae, quodj exprimit kaput Augusti,
[in quibus] scriptum firit:] Impferator) Caesar Traianus
[Hadrianus] Augfustus) fra[tribus arualjibus collegis
suis
[salutem. In
locum
P.
MeJ6U Nepotis
col-
{legajm nobis med sentenftia coopto L] Iulium Catum.
[Adjfuerunt in
collegiö
M.-
Vfalerius Trebßcius
Decianus
magfister),
TL Julius Candidus Caecfilius Simplex,] TL IulfiusJ
Candidus, TL Iulius
Alexander
[Iulianus, L. lulijus
Catus.™
Dieses Votum wurde zu Beginn des Wahlverfahrens verlesen und dürfte
wohl unwidersprochen geblieben sein; selbstverständlich dokumentieren
die inschrifdichen commentarii der Arvalen immer eine damit überein
stimmende Kooptation. Angesichts der schwankenden Ausführlichkeit
der
acta
verbietet sich eine statistische Auswertung; die Pliniusbriefe spre
chen für eine nur gelegentliche kaiserliche Stimmabgabe. Unklar bleibt
aber auch in diesen Fällen die eigentliche Triebfeder hinter dem Votum:
Zwar hätte der Kaiser mit einem solchen Verfahren Kandidaten gegen den
Mehrheitswillen des Kollegiums durchsetzen können - gerade die Form
der Stimmabgabe ließ einen schriftlichen Widerspruch nicht zu, Abwesen
heit erhöhte »die Chance, Gehorsam zu finden« -, aber das kaiserliche
Mit stimm en k önn te auch auf Betreiben vo n M itgliedern des K ollegiums,
ihren Kandidaten durchzusetzen, zurückgehen.
Dio dehnt das Ernennungsrecht auch auf solche Kollegien aus, in denen
der Kaiser nicht Mitglied war. Die Nichtmitgliedschaft des Kaisers trifft
für die meisten K ollegien zu; jenseits der Pontifices un d Au guren ist eine
Mitgliedschaft nur beim Vorliegen expliziter Zeugnisse anzunehmen, für
die Arvalen ist die Mitgliedschaft des Kaisers wahrscheinlich, für die So
dales Augustales durch supernumeräre Dekurien gelegentlich bezeugt. Die
"* AA IS^-S
e b B r iC £ C i ne S P r 0 m a s i s t e r s b e i d e r
Bestallung eines pubS cus.
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Kaiserliche Religionspolitik 153
sprechung der priesterl ichen zu den magistrat ischen Mustern, wenn er-
stere au ch viel m ehr Variabilität - bed ingt du rch die insgesamt viel kleinere
Anzahl von Posit ionen und deren lebenslange Besetzung - bieten.
Die hier vorgelegte Untersuchung legt aber nahe, eine weitergehende
Antwort zu formulieren und zu diesem Zweck auf die Ausgangsfrage nach
den kaiser l ichen Gestal tungsspiel räumen zurückzukommen. Diese Aus
gangsfrage muß angesichts der begrenzten Handlungsmöglichkeiten und
des noch viel begrenzteren Handlungswillens des Ponrifex maxhnus um
formuliert w erd en : Welchen Beitrag leisteten die Priesterschaften zu r E n t
lastung kaiserl icher Entscheidungen?
Unter dieser Perspektive erscheinen die Kollegien auf allen Ebenen als
Mechanismen einer Eli tebildung innerhalb der jeweils eigenen sozialen
Gruppe, sei es als Empfehlung von Kandidaten für einen weiteren
Auf
stieg, sei es als Bestätigung und Überhöhung des durch die magistratische
Karriere längst erworbenen Prest iges. Das galt für den schon als Quästor
kooptierten Augur ebenso wie für den lat inischen Priester mit bis dahin
lediglich centenaren ritterlichen Positionen. Es waren nicht der Kaiser
oder ein von ihm straff organisiertes Spitzelsystem, die allerorten auf Ta
lentsuche gewesen wären. Es war vielmehr eine Fülle von unverbundenen
Gruppen auf unterschiedl ichen Ebenen sowie konkurr ierenden Gruppen
auf gleichen Ebenen, die ein Bild ihres eigenen Ansehens und ihrer eigenen
Aufgabe entwarfen und sich entsprechend ergänzten. Auch hier hatte der
Kaiser Möglichkeiten direkter Einflußnahme, aber es gibt keinen Beleg
dafür, daß er sie extensiv nutzte.
12 0
Und selbst dieses Agieren blieb im
Rahmen der vorhandenen Vakanzen; man wird M O M M S E N zust immen,
daß die Schaffung supernumerärer Plätze für die Mitglieder der kaiserli
chen Familie gerade auf die Initiative des Senates oder der Kollegien zu
rückgehen dürfte.
12 1
Auch die Beschränkung auf die Vakanzen darf nicht
unterschätzt werden: Unter den etwa vierzig Kalatoren der Pontifices und
Flamines der Inschriften von 101 und 102 n. Chr.
12 2
befindet sich der Frei
gelassene des Kaisers Trajan an fünfu ndd reißigster Pos ition; alle vo ran ge -
120
Vgl. - trotz der kaiserzentrienen Schlußbemerkungen (82) - SCHAFER 2000,
62-69,
die die Bandbreite relevanter Patronagebeziehungen für provinziale
Auf
steiger vorfuhrt.
m
MOMMSEN
1887,
lllOf.
Vgl. den Kommentar von
KÖSTEFMANN ZU
T ac
arm.
3,19,1:
Auch hier dürfte es sich um zusätzliche Plätze handeln. Das von Dio 51,20,3
beschriebene kaiserliche Recht zur Schaffung solcher Positionen impliziert gerade
das Recht des Senates (als verleihende Körperschaft) zu diesem Schritt und dürfte,
wie SCHEID (1978) plausibel gemacht hat, auch nur so und begrenzt genutzt wor
den sein.
122
CIL
6,31034 (102);
CIL
6,32445 (101).
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154
Jörg Rüpke
stellten Kalatoren dienten priesterlichen Patronen, die zum Teil schon mehr
als zwei Jahrzehnte im A mt waren; manche der jüngeren Besetzung standen
auch in der fast zwanzigjährigen Regierungszeit nicht zur N eubesetzung an.
Religionspolitik war in dieser Perspektive nicht mehr länger bloßes
Mittel kaiserlicher Sozialpolitik. Vielmehr erscheint in der hier gewählten
(und notwendig engen) Perspektive der Bereich religiöser Spezialisten als
Qin Indikator und Beschleuniger sozialer Prozesse der Elitenbüdung und
internen gesellschaftlichen Schichtung, die jenen breiten Unterbau lieferte,
auf dem die Herrschaftsform des Prinzipats ihre W irkung entfalten konn
te. Zentrale Steuerung ist nur die Spitze des Eisberges gesellschaftlicher
Selbstorganisation.
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158
Ruth Stepper
fernde, gottesdienstliche Handlungen verrichtende Kaiser der landläufigen
Vorstellung von einem Priester gerecht Dabei ist der Kontext des Voll
zugs von religiösen Ritualen bei weitem nicht der dominierende Aktions
rahmen. Abhängig von den einzelnen in seiner Person vereinigten Prie-
sterämtern - der Oberpontifikat war zw ar das wich tigste, aber keineswegs
das einzige kaiserliche sacerdotmm - fungierte der Kaiser vor allem als
Entscheidungsträger in sakralen und rechtlichen Belangen. Auf dieser
Ebene tritt er uns eindringlich in den antiken Quellen entgegen. Beide
Rollen, so unterschiedlich sie auch sein mögen, gehören nach römischem
Verständnis jedoch eng zusammen. Sie machen das Bild eines sacerdos
pMicus vollständig.
Welche Priestertümer der Kaiser im einzelnen bekleidete, gibt Augustus
in seinen Res Gestae an: Pontifex maximus, augur, XV virum sacris faci-
undi% VII virum epulonum
y
frater arvalis, sodalis T itius, feüalis fui? Die
hier aufgelisteten priesterlichen Funktionen hat Augustus sukzessive er
worben und zum Standard für die ihm nachfolgenden römischen Kaiser
gemacht. Darüber hinaus kamen in der Folgezeit Mitgliedschaften in den
Sodalitäten für divinisierte Vorgänger hinzu.
3
Entscheidend ist die Ku
mulation all dieser Priesterwürden. Der römische Kaiser war damit Prie
ster für unterschiedliche Kultbereiche. Er hat alle staatlich maßgeblichen
Kulte im römischen Reich mittels seiner sacerdotia repräsentiert. Kein an-
derer Römer neben ihm war Mitglied in so vielen bedeutsamen Priester
kollegien und dies in führender Position. Lediglich der zum Caesar er
hobene Nachfolger konnte seit Nero in der Regel ähnlich viele Priester
würden aufweisen. Doch einen entscheidenden Unterschied gab es, den
Oberpontifikat. Pontifex maximus konnte nur der römische Kaiser sein.
Eine Doppelbesetzung der höchsten sakralen Würde wurde erst dann ein
geführt, als es zw ei gleichberechtigte August i gab 238 n. Chr.). D er O be r
pontifikat ist demnach sowohl ein Distinktivum als auch die in der Kai
sertitulatur faßbare Formel für das kaiserliche Priestertum schlechthin.
4
In der Forschun g gibt es unterschiedliche M einungen hinsichtlich K om
petenz und Bedeutung des Oberpontifikats. BLEICKXN hat die seit MOMM
SEN behaupteten magistratischen Befugnisse des pontifex maximus als dem
diktionell ausgerichtet gewesen sein, als die von Priestern ohne Probleme möglich
und angebracht.
2
R G 7 .
3
Im einzelnen waren dies die
sodales Augustales, CLzu diales, Flaviales, Had ria-
nales
und
Antoniräani.
4
Von allen Priesterwürden des römischen princeps hat nur der Oberpontifikat
Aufnahme in die Kaiserntulatur gefunden» vgl. PEKRET 1929, 48.
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Der Kaiser als Priester
159
römischen Staatsrecht zuwiderlaufend zu Recht zurückgewiesen und ihm
jede beamtengleiche Gewalt abgesprochen.
5
Demnach konnte ein
pontifex
maximus
hinsichtlich seiner Befugnisse schwerlich in Konkurrenz zu ei
nem hoh en römischen Magistrat treten.
6
BLEICKENS
Ablehnung dieser Per
spektive ist für die Zeit der römischen Republik berechtigt. In der Kai
serzeit jedoch muß dem Versitzenden des Pontifikalkollegiums, dem Kai
ser, eine andere Position eingeräumt werden. Auch wenn sich formalrecht
lich kaum etwas an dem Amt des
ponüfex maximus
geändert hat, muß
man seinem kaiserlichen Inhaber eine andere Autorität zusprechen als dem
republikanischen Vorgänger.
Die sehr zügig unter Augustus erfolgende Integration des höchsten
Priesteramtes in die kaiserliche Titulatur ließ in der Forschung Zweifel
daran aufkommen, ob mit diesem Amt noch konkrete Befugnisse verbun
den gewesen seien/ gerade so, als würde der titulare Rang des Oberpon-
tifikats die Wahrnehmung priesterlicher Aufgaben ausschließen. Es steht
jedoch außer Frage, daß dem Amt des
ponüfex maximus
bis zu seiner
endgültigen Zurückweisung durch Gratian und Theodosius spezifische
Rechte und Pflichten erhalten blieben.
8
Irreführend ist es, den Oberpon-
tifikat lediglich als funktionslose Hülse des römischen Kaisertums zu be
greifen.
9
5
BLEICHEN 1957, 346ff. In der Tradition MOMMSENS stehen J. MARQUARDT und
G. WISSOWA.
Eine von
BLEICHEN
abweichende Position hat
CALONOE 1968, der
im
Oberpontifikat eine Mischform aus Magistratur und sacerdotium sieht. Nach
CA-
LONOE
ist der pontifex maximus
im
Besitz verschiedener magistratischer Befugnisse
Recht zur coercitio, iurisdictio,
ins edicendi ins
agendi
cum
populo für die comitia
acriata
und in bestimmten Fällen für die
comiüa
tributa).
6
Besonderes Gewicht erlangte der Oberpontifikat, wenn sein Inhaber gleich
zeitig eine hohe Magistratur bekleidete.
7
PABST
1997, 176 stellt etwas erstaunt fest, »daß dem Amt Aufgaben erhalten
bleiben«.
8
Dies machte es auch schließlich unumgänglich, den Oberpontifikat doppelt zu
besetzen, als es zwei gleichberechtigt herrschende Augusti im römischen Reich gab.
Unter Pupienus und Balbinus geschah dies zum ersten Mal. Die Existenz zweier
pontifices maximi wertet
PABST
1997, 176 als »contradictio in adiecto«. Da
man
den
Oberpontifikat jedoch funktional zu begreifen hat, würde die Weigerung, die Be
setzung
des
Oberpontifikats an die Zahl gleichberechtigt herrschender Augusti an
zupassen, dem Verständnis des römischen Kaisertums zuwiderlaufen. Es ist dem
nach folgerichtig, wenn es so
viele
pontifices
m aximi wie
Kaiser gab.
9
Diesen Versuch unternimmt
PABST
1997, 177: »Die Qualität
des
ponüfex ma-
ximus, die dem Kaiser qua Kaiser seit dem
3. Jh.
selbstredend eignet, fordert nicht
essentiell, daß er als solcher tätig wird.«
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160
Ruth Stepper
Der U m gan g m it dem Oberpontifikat zeigt, daß er für Interpretationen
einen breiten Raum bot. Zu Zwecken der Selbstdarstellung war er bisher
noch gar nicht benutzt worden.
10
Amt und Titel konnten aufgrund ihrer
Verankerung in. der religiösen Tradition der Röm er einen charismatischen
Wert zugesprochen bekommen.
11
Dieses Potential hat Caesar als erster
genutzt, um seiner Person eine besondere Weihe zu verleihen.
12
Während
R o s s
TAYLOR
den Oberpontifikat als eine Qualifikation für »divine ruler-
ship« ansieht,
15
wendet
TA£GER
dagegen ein, daß man damit die Bedeutung
der charismatischen Elemente dieses Priestertums überschätzen würde, wo
doch das Augenmerk auf dessen politischer und gesellschaftlicher Seite
liegen müsse.
14
Ein gleichlautendes Urteil fällt dieser über den Oberpon
tifikat des. Augustus
15
sowie über die Bedeutung der vier
amplissima col-
legia in der ausgehenden Republik.
16
Die historische Praxis, ablesbar vor
allem an Münzen und Inschriften, gibt jedoch Ross
TAYLOR
recht. Au
ßerdem darf man nicht vergessen, daß die
pontifices
- und allen voran der
pontifex maximus - bei den zahlreichen regelmäßigen Kulthandlungen in
Rom eine bedeutende Rolle spielten und in eindrucksvoller Weise wahr
nehmbar waren
1 7
Art, Kontext und Häufigkeit seiner Präsenz in der Öf
fentlichkeit sind für das Ansehen und den Stellenwert eines Priesters von
zentraler Bedeutung- Daraus läßt sich schließen, daß nicht allein politische
Zwecke, sondern auch charismatisch intexpretierbare Rollenzuweisungen
die Bedeutung des Oberpontifikats ungeheuer steigerten, noch bevor ihn
die Kaiser monopolisierten.
Die exklusive Zugehörigkeit des Kaisers zu den vier höchsten römi
schen Priesterkollegien un d die Mono polisierung des Oberponrifikats, der
fortwährend seit Augustus in der Kaisertitulatur geführt wurde, legen na
he, daß die Position des Kaisers als Priester von eminenter Bedeutung für
10
DEININGER 1972, 991.
11
Bei einem Blick in Ovids Fasti findet man Hinweise, wie der Oberpontifikat
seinen Inhaber Augustus dem Göttlichen näherbringt, vgl. Ov. fast. 3, 415-428; 4,
949-954.
12
Dazu
STEPPER
1999, 174-177.
13
Ross
TAYLOR
1931, 59f. Auch
BERLINGER
1935, 73 gestützt auf
LINK
1910,
55ff.) sieht einen Grund für die Heiligkeit des römischen Kaisers in seinem Amt als
pontifex maximtcs:
»Der Kaiser war das heilige Oberhaupt der römischen Reichs
kirche. Da die Priester sancti sind, waren es auch die römischen Kaiser in ihrem
Pries teramte.«
14
TAEGER 1960, 59 Anm. 42.
15
TAEGER 1960, 123f.
16
TAEGER 1960, 113t
17
VgL etwa Hör. carm. 3, 30, 7ff. .
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Der Kaiser als Priester
161
die Definition des Kaisertums war. Um so mehr mag es auf den ersten
Blick verwundern, daß, wie
ALFÖ LDI
bemerkt, »die priesterlichen Oblie
genh eiten des Kaisers politisc h nicht so folgenschwer [waren], daß sie der
Kaisertracht eine eigene Note aufprägen hätten können. Auch die sakralen
Gerätschaften der großen Priesterkollegien waren, von Privaten ständig
gehandhabt, wenig dazu geeignet, zu Abzeichen der Herrschaft zu wer
den.«
18
Welche Erklärung gibt es dafür? Hinsichtlich der Kleidung ist zu
bedenken, daß der Kaiser, wenn er als pontifex maximus in Erscheinung
trat, kein besonderes Gewand trug- Die traditionelle Kleidung des höch
sten römischen Priesters war die toga praetexta}
9
A m Gew and ließ sich
der Oberpontifikat nicht festmachen. Daher war es auch kaum geeignet,
zeichenhafte Bedeutung zu erlangen. Anders verhält es sich mit den em
blemartigen Priestergeräten simpulum , Utuus, tripus und patera. Insbeson
dere auf Münzen läßt sich seit der späten römischen Republik in ihrer
isolierten Darstellung die Entwicklung zu einer zeichenhaften Verwen
dung dieser Geräte nachweisen.
20
Ein wichtiger Grund, warum jedoch kei
nes dieser Geräte eine konstant dominante Rolle in der Versinnbildlichung
der kaiserlichen Priesterwürde spielte, dürfte darin zu finden sein, daß sich
die stabile Komposition aller vier Geräte als Abbild der quattuor amplis-
sima collegia durchgesetzt hat, in denen der Kaiser viele andere Kollegen
neben sich hatte. Einzig und allein der Obeipontifikat war exklusiv ihm
vorbehalten. Doch dafür hat sich kein eindeutiges Emblem etabliert.
21
Letztlich liegt die fehlende Ausbildung einer speziellen Tracht oder Insi-
gnie für das kaiserliche Priestertum darin begründet, daß es in der antiken
Welt nicht die uns geläufige Trennung von Herrschertum und Priestertum
gegeben hat.
18
ALFÖLDI
2
1977, 142. Er weist darauf hin, daß der Krummstab der Auguren
gewissermaßen eine Ausnahme darstellt, jedoch auch nur für eine bestimmte Zeit.
Vo n Sulla bis Augu stus spielen Augurat und lituus eine prominente Rolle, was sich
auf Münzen und in der bildenden Kunst niedergeschlagen hat. Schon bald aber
büßt der Krummstab seine üisignienhafte Bedeutung ein und reiht sich wieder
unter die anderen Priestergeräte ein,
ALPÖLDI
2
1977, 142f.
19
Mit einem expliziten Hinweis darauf HA Alex. Sev. 40, 9.
20
Vgl. dazu die gut dokumentierte Studie von SIEBERT 1999, 117-136. Danach
läßt sich die Schöpfkelle den
pontifice^
der Krummstab den Auguren, der Dreifuß
den Quindecimviri und die Öpferschale den Septemviri zuordnen.
21
SIEBERT 1999, 133 nennt das
aspergillum
als Zeichen für die Würde des
pon
tifex maximtts. Ebd ., 172 wird jedoch auf eine weitere M öglichkeit verwiesen, w o
nach auch die K ombination v on lituus und simpulum als Amtsabzeichen des pon
tifex maximus gelten kann. Daraus ist der Schluß zu ziehen, daß es kein klar de
finierbares und exklusives Emblem für den pontifex maximus gab.
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162
Ruth Stepper
Den Obeipontifikat des römischen Kaisers ak stadtrömischen Posten
2 U
bewerten, der in der Kaisertitulatur »mitgeschleppt* wurde, wird we
der seiner Bedeutung noch seiner Entwicklung gerecht. Aus welchem
Grund sollte ein Amt, das angesichts seiner lokalen Beschränkung für das
Reichsganze von höchstens sekundärer Bedeutung gewesen sein könnte,
so dauerhaft und ohne Unterbrechung in einer Kaisertitulatur propagiert
werden, die durch die übrigen dort aufgeführten Titel und Befugnisse eine
über die Stadt Rom hinausgehende bzw. reichsweite Geltung signalisiere?
Dieses Amt, das zweifellos ein integraler Bestandteil des römischen Kai
sertums war, läßt sich meines Erachtens nur dann adäquat deuten, wenn
man von einer reichsweiten Zuständigkeit ausgeht Wie sollte man außer
dem die in der Spätantike von der Kirche in Gang gesetzte Auseinander
setzung um das kaiserliche Priestertum verstehen, wenn es sich lediglich
um ein stadtrömisches Amt gehandelt haben soll? Die reichsweite Geltung
wird unter Kaiser Julian am signifikantesten erkennbar. Doch Julian kann
diese nicht erst ins Leben gerufen haben, da er unter dem Druck der nun
dominierenden christlichen Kirche auf vorhandene Strukturen zurückge
griffen hat und diese nicht erst schaffen konnte- Neu ist seine Interpreta
tion des Oberpontifikats, den er zu einer Waffe im Kampf für den alten
Glauben und gegen das Christentum umfunktionierte-
Wahrend in der römischen Republik die einzelnen Kollegien weitge
hend nebeneinander bestanden, ohne in ihrer Gesamtheit bei öffentlichen
Auftritten zum Zwecke gemeinsamer Handlungen präsent zu sein, änderte
sich dies an deren Ende grundlegend.
22
Durch die Einbindung der staat
lichen Priester Roms in den Dienst des neuen Systems seit Augustus wer
den diese als Gesamtheit wahrnehmbar. Bei Prozessionen und Opfern tre
ten sie nun gemeinsam
auf.
23
Die Trennung ihrer unterschiedlichen Funk
tionen oder Zuständigkeiten verliert an Bedeutung, da sie in der Person
des
prineeps
einen gemeinsamen Träger gefunden haben. De r sich bildende
Prinzipat geht mit einer Vereinheitlichung und Hierarchisierung religiöser
Institutionen einher. Erst ab dem dritten Jahrhundert zeichnet sich eine
Wende ab. Während in der Phase der Soldatenkaiser die Erhebung des
Thronnacbfolgers zum Caesar mit dessen Aufnahme in die quattuor am-
plissima collegia verbunden bleibt,
24
was sich anhand von Münzemissionen
22
Dazu
RÜPKE 2001,
231.
23
Anschauliches Beispiel sind die Friese der Ära aris A ugustae.
4
N och Carus 282-283) setzt diese Tradition bei der Caesaxenernennung seiner
beiden Sohne Carinus und Numerianus fort Auch Terricus I. 271-274) und dessen
Sohn Terricus IL, die Vertreter des Gallischen Sonderreiches, propagieren die Zu
gehörigkeit zu den qxattuor amplissima collegia, obgleich mit ziemlicher Sicherheit
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Der Kaiser als Priester
163
mit der Darstellung standardisierter Priestergeräte nachweisen läßt, ändert
sich dies mit der Regierungsübernahme Diokletians. Von nun an vermißt
man die in Form der Priestergeräte symbolisierten Hinweise auf die Auf-
nahme der
Caesares
in die angesehensten Priesterkollegien Roms. Unver
zichtbar hingegen bleibt der Oberpontifikat, auch wenn er unter den
Tetrarchen nicht besonders betont propagiert wird-
25
Bei dem Versuch ei
ner heidnischen Restauration unter Kaiser Julian spielen die einzelnen rö
mischen sacerdotia keine Rolle mehr. Er berufe sich bei seinen Erneue
rungsversuchen des alten Götterglaubens ausschließlich auf den Oberpon
tifikat, auch wenn seine Auffassung von diesem Amt nicht sehr viel mit
dem traditionellen Aufgabenbereich eines pontifex maximvts zu tun hat.
Julians Ideologisierung des Obeip on tif ikats im Widerstreit mit de m C hr i
stentum hat schließlich den Ausschlag gegeben, warum Gratian als christ
l icher Kaiser dieses Amt zurückgewiesen hat, ja zurückweisen mußte. Ju
lian hatte mit dem Oberpontif ikat ein persönliches Glaubensbekenntnis
verbunden. Aus dem höchsten kaiserlichen Priesteramt wurde so eine Be
kenntnisfalle- N u n erst u n d nicht seit der konstantinisch en W ende stell te
sich zwangsläufig die Frage, ob es einem christlichen Kaiser erlaubt sei,
das Amt des pontifex maximus zu besorgen. Die Antwort war ein ent
schiedenes Nein.
26
Doch welche Aufgaben hatte der Kaiser als
pontifex maximus
zu erfül
len? Gab es bevorzugte oder auffallend wichtige Bereiche, in denen er als
höchster Priester Roms ein besonderes Engagement zeigte oder zeigen
konnte? Lassen sich individuelle Unterschiede in der Amtsführung bzw.
in dem sich darin widerspiegelnden Selbstverständnis ausmachen? Wenn
im folgenden vo n'best imm ten Sch werpun kten oberpontifikalen Han delns
ausgeschlossen werden kann, daß sie tatsächlich in die Priesterkollegien aufgenom
men wurden. Tetricus und seine Vorgänger Postumus und Victorinus führen auch
den pontifex 772aximus-Tizd um damit ihren Anspruch auf die Herrschaft über das
gesamte Imperium zu signalisieren, ohne tatsächlich im Besitz dieses Amtes zu sein.
Wollten sie als römische Kaiser wahrgenommen werden, war der Oberpontifikat
obligatorisch.
25
Münzen, die Diokletian und Maximian als pontifices maximi ausweisen, sind
nicht sehr häufig- Der
pontifex maximzcs-Tizel
findet sich in der Münzprägung für
Diokletian ganz vereinzelt im Zeitraum der Jahre 290-292, für Maximian in einem
ähnlichen Zeitraum (290-293). Die Inschriften hingegen beinhalten, sooft die kai
serlichen Äm ter un d Befugnisse aufgelistet werden, meist auch den Oberponöfikat,
so etwa
TLS
615-618 (darunter ein Meilenstein, ansonsten handelt es sich um De-
dikationen aus dem zivilen und militärischen Bereich, darunter die Inschrift eines
Statthalters).
u
Vgl dazu STEPPER
2 2
(im Druck).
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164
Ruth Stepper
die Rede ist, soll nicht bestritten werden, daß es über die hier getroffene
Auswahl hinaus andere wichtige Entscheidungs- und Tätigkeitsfelder der
römischen Kaiser gab, in denen sie als pontifices maximi akt iv wurden.
Doch nicht in allen Bereichen lassen sich die
principe
als höchste Priester
Roms gleichermaßen gut oder angemessen erfassen. Insbesondere das Dar
bringen von Opfern oder die Beteil igung an der Dedikation von Tempeln
sind so selbstverständlich mit ihrer Rolle als pontifex maximus verbun
den,
27
daß in den Quellen nicht eigens oder lediglich punktuell darauf
eingegangen wird. Andererseits gestatten nicht alle durch Quellen hinrei
chend erschließbaren Bereiche, in denen die Kaiser fortgesetzt Entschei
dungen trafen, aussagekräftige Rückschlüsse auf die kaiserliche Amtsfüh
rung.
28
Der hier unternommene Versuch einer Schwerpunktbestimmung in
der oberpontifikalen Praxis des Kaisers erscheint hingegen vor allem dann
sinnvoll , wenn sich mögliche Entwicklungslinien, Konstanten oder Brüche
hinsichtlich der Trad ition aufzeigen lassen. V on diesem Th em a läßt sich die
Erörterung der Frage, ob die Autorität bzw. Zuständigkeit des Kaisers als
pontifex maximus reichsweit Geltung ha tte, nicht trennen- F ü r die Be ur
teilung des kaiserlichen Priesterstatus ist sie zentral und bisher keineswegs
eindeutig beantwortet. Um so wichtiger erscheint es, zur Klärung dieses
Sachverhalts in dem hier vorgestellten Kontext beizutragen.
2. Regeln und Spie l räume be i der In te rpre ta t ion
der Tabuvorschr i f ten des flamen Dialis
W ähr en d des 1. nach christlichen Jahrh un de rts setz ten sich die Kaiser w ie
derholt mit der Frage nach Regeln und Spielräumen bei der Interpretation
der Tabuvorschriften des
flamen Dialis
auseinander.
29
Der Jupiterpriester
17
Bei jeder Neugründung eines Tempels mußten die römischen pontißces neue
Kultsatzungen aufstellen, vgl. ROHDE 1936, S. 125.
28
Eine in den Zuständigkeitsbereich der ponäfices fallende, überaus bedeutsame
Angelegenheit, die das Erb- und Familienrecht betraf waren die in Form der
ar~
rogatio vollzogenen Adoptionen, die eines ponofikalen Gutachtens bedurften. Auf
eine Behandlung der kaiserzeitlichen Praxis in dieser Frage wird hier verzichtet.
Zum Thema Adoption bereitet
CHRISTIANE KUNST,
Universität Potsdam, eine um
fassende Untersuchung vor. Ein nicht zu vernachlässigender, in der Forschung
hinreichend erschlossener Bereich war die Personalp olirik innerhalb der Priester-
kollegien, deren Gestaltung dem Kaiser als höchstem Priester durch ein exklusives
Empfehlungsrecht bei der Wiederbesetzung vakanter Priesterstellen vorbehalten
war. Vgl dazu die prosopographischen Studien von HOFFMAN LETPIS 1955; SCHEID
1978; SIMO N 1973; H AR KISO N 1974; SCHUMAC HER 1973; SCHUMACHER 1978.
29
Zu diesem Priestertum vgl. SIMON 1996.
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Der Kaiser als Priester
165
unterstand traditionell der Aufsicht des pontifex maximus. Augustus sorg
te kurz nach seiner Wahl zum höchsten römischen Priester (6-März 12
v. Chr.)
30
für die W iederb esetzu ng der Stelle des flamen Dialis (11 v . Ch r.),
nac hd em dieses Am t-seit dem Tod des L. Co rnelius Merula (87 v. C hr.)
unbesetzt geblieben war.
31
Augustus ernannte Servius Cornelius Lentulus
Maluginensis, consul suffectus des Jahres 10 n. Chr., der sich jedoch nicht
allein mit seinem angesehenen Priesteramt zufrieden geben wollte. Als
Consular hatte Servius Maluginensis Aussicht auf die Verwaltung der Pro
vinz Asia und versuchte beim Nachfolger des Augustus, Tiberius, eine
Lockerung seiner Amtsbeschränkungen, die ihm eine längere Abwesenheit
von Italien verboten, zu erreichen (22 n- Ch r.) . Tib erius untersag te dem
Antragsteller jedoch die angestrebte Übernahme einer Provinzverwal
tung.
32
Das Amt des
flamen Dialis
verwehrte auch weiterhin seinem In
haber eine aussichtsreiche politische Karriere, im Gegensatz zu den an
deren flamines maiores? Schon kurze Zeit später, nach dem Tod des Ser
vius Maluginensis, m uß te Tiberius aber einräum en, welcher akute Reform
bedarf für den Posten dtsflamen Dialis bestand.
34
Im Jahre 23 wurde über
einen Gesetzesvorschlag beraten, der dem Kandidatenmangel bei der Be
stimmung des Jupiterpriesters abhelfen sollte. Bemerkenswert an dieser
Beratung ist , daß Tiberius Gründe für die drastische Abnahme von Kan
didaten zur Sprache bringt. Der Kreis möglicher Bewerber sei bereits da
durch erheblich beschränkt, weil die ftir den flamen Dialis obligatorische
Eheschließung in Form der confarreatio nur noch selten praktiziert würde.
Außerdem bringe dieses Priestertum für seinen Inhaber und dessen Frau,
die an den priesterlichen Aufgaben Anteil Habe, einen veränderten Rechts
status mit sich, da der Jupiterpriester aus der väterlichen Gewalt in die des
pondfex maximus
überwechsle. Darin lagen für Tiberius die wichtigsten
30
RG 10.
31
SCHEID 1999,14 widerspricht der von WISSOWA
2
1912, 71 vertretenen Ansicht,
daß die so lange Zeit unterlassene W iederbesetzung des Jupiterpriestertum s auf die
Schwierigkeit zurückzuführen sei, geeignete Kandidaten ausfindig zu machen.
Scheid nimmt an, daß Augustus durch seinen konkurrenzlosen Einfluß auf das
Ponüßkalkollegium und den Senat die einer captio vorausgehende nominatio von
drei Kandidaten verhinderte, um dem mit ihm verfeindeten, jedoch als pondfex
maximus
bis 13 v. Chr . amtierenden Lepidus keine Gelegenheit für öffentliche
Auf-
tritte zu geben: »Et sans cette nominatio, le grand pontife ne pouvait pas agir.«
32
Tac. ann. 3, 58 und 3,
71,
2 f.
33
Daraufweist Servius Maluginensis bei seiner Antragsbegründung hin , vgl Tac
ann. 3, 58, 1:
[.-] neque aliud ms suum quam Martialium Quirznaliumque flami-
num:
porro,
si hi duxissent provincia > cur DiaUbus ict vetitum?
34
Tac. ann. 4, 16.
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166
Ruth Stepper
Hindernisse für einen breiteren Bewerberkreis. Da der Beschluß auf eine
Verbesserung der rechtlichen Stellung der flaminica Dialis abzielte,
35
läßt
sich ermessen, daß wohl oft genug die Ehefrauen möglicher Kandidaten
vor dieser Aufgabe zurückschreckten und eine Kandidatur ihrer Männer
für ein Priesteramt, das sie selbst gleichermaßen in die Pflicht nahm, ver
hinderten. Die Bereitschaft zu weitreichenderen Reformen war jedoch ge
ring, was daran erkennbar wird , daß man nichts an den Am tspflichten und
Beschränkungen dieses Priestertums änderte.
3
*
Andererseits wurden durchaus Abweichungen von den Tabuvorschrif
ten des flamen Dicdis unter Tiberius akzeptiert. Als Caligula im Jahre 39
seinen zweiten Consulat antrat, hinderte er den Jupiterpriester daran, den
Eid abzulegen,
37
da für diesen Priester die Ableistung eines Eides generell
als
nefas
galt.
38
Tiberius jedoch hatte dies so praktiziert.
39
Unter Domitian tritt der Jupiterpriester noch einmal in den Mittelpunkt
des Interesses. Der flamen Dialis konnte sich nicht von seiner Ehefrau
scheiden lassen, da die Ausübung seines Priesteramtes an die kultisch
zwingend notwendige eheliche Gemeinschaft mit der flaminica Dialis ge
bunden war. Domitian hat dieses Verbot nicht aufgehoben, die Scheidung
nach einer entsprechenden Anfrage in einem konkreten Fall jedoch ge
stattet.
40
Der Akt der Scheidung wurde unter Anwesenheit der Priester (oi
ispsic;), damit sind wohl die
pontifices
gemeint, und Vollzug vieler schau
derhafter und merkwürdiger Riten durchgeführt. Obgleich der Kaiser da
mit eine Abweichung von der gesetzlichen Norm zugelassen hat, wurden
die Vorschriften und Tabus für den Priester des höchsten römischen
Staatsgottes als grundsätzlich unumstößlich betrachtet, so daß Reformen
nahezu ausgeschlossen waren. Bei der von Domitian erlaubten Scheidung
35
Die Verfügungsgewalt des Jupiterpriesters über seine Frau sollte sich auf die
Verrichtung ihrer priesterlichen Pflichten beschränken. In allen anderen Angele
genheiten sollte
die
flaminica weiterhin der Gewalt ihres Vaters unterstehen. Tac.
ann. 4, 16, 3.
36
Tac ann, 4, 16, 3: igitxr tractatis reügionibus pladtxm instituto flamimtm nihil
demutarz
37
Cass. Dio 59, 13, 1. Zum Thema Kaisereid siehe den in diesem Band abge
druckten Beitrag von H.
CANCIK.
38
Gell. 10,1 5, 31; Plut. Quaest Rom. 44; Liv. 31, 50, 7.
39
Cass. Dio 59,13,1:
neroc
5s
TO-ÜIO
waxeOaotq
CCÜGK XÖV
fxev w o Aio<; iepea
exrötoasv ev i§
crove piQ
ojmöaai (i5i<* 70p Kcri töte, c6o7cep iiti xoö Tißepiou,
xdv öpKOv ercoiofivro) [...].
40
Plut QuaesL Rom.
50:
[...] ö
ispCL>q
w o Aiöq, [...] ööev ovd
y
&7i07i^yaaeca
icp<kepov s^fjv, ö-oSe v v, <h £oucev, £qecmv, ä\X*
£9*
fip.fcv ercSrpevsv
svrex x~
Beiq Aoji£Tiocv6<;. oi 5* iepei^ rcocpevevöVTö TQ TO*5 y&yuov ÖiccXtiosi, icoAXcc
9piK(b ri Kai dXXÖKOxa
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GK\>6pco7ta Spftvteg.
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Der Kaiser als Priester
167
handelt es sich um e ine Ausnahme und nicht um eine Aufhebung der
Regel. Es ist gänzlich un wahrscheinlich daß der geschiedene flamen Dialis
sein Priestertum behalten konnte. Einen Bruch mit den Vorschriften üb er
das äußere Erscheinungsbild
des
Jupi terpr iesters nah m D om it ian
in Kauf
als
er
sich
bei den von ihm
gestifteten
Capitolia,
Wettkämpfen
zu
Ehren
der kapitolinischen Göttertrias in Beg leitung des flamen Dialis zeigte der
jedoch nicht
in
seiner üblichen Kleidung son dern
in
griechischer
Auf-
machung
41
mit Krone
42
die mit den Bildern des Kaisers und der drei ka-
pitolinischen Gottheiten geschmückt war erschien.
43
Dafür mußte er seine
obligatorische Kopfbedeckung galerus mit apex, ablegen die er laut Vor-
schrif t jedoch ununterbrochen zu tragen hatte/
4
Do mit ian hob dis pontifex
maxirmts
diese Regel
auf und
ordnete
sie
seinem eigenen herrscherlichen
Interesse unter. Der Kaiser definierte die Gültigkeit von Vorschrif tea
Was können die hier vorgestellten Begebenheiten über den Kaiser als
pontifex maximus aussagen? Einerseits zeigt sich daß die für das Priester-
tum des flamen Dialis als substantiell anzusehenden Bestimmungen wie
seine räumliche Bindung an Italien oder die eheliche Gemeinschaft mit der
flaminica
seh r stabil wa ren
und
sich gegenüber Reformen
als
unzugänglich
erwiesen. Die Praxis der Vertretung durc h die pontifices bei einer fortdau-
ernden Vakanz
die in der
späten römischen Republik
zu
einer festen
In-
sti tution gedieh war für den Kaiser und pontifex maxirrms nicht akzep-
tabel. Wenn es einen Jup iterpriester gab und für dessen Nachwahl sorgte
der Kaiser dann mußte er auch vor Ort sein um seinen Priesterdienst in
angemessener Weise verrichten zu können. Andere Vorschriften die seine
Kle idung oder bes t immte Handlungen
wie die
Eidesleistung betrafen
wurden hingegen
1
keineswegs als unumstößl ich betrachtet . Man gewinnt
den Eindruck
daß die
Kaiser Abweichungen
von der
Norm gestatteten
w e n n sie selbst die Nutznießer davon waren. In solchen Fällen erscheint
der flamen Dialis mitunter als willfähriges O bje kt in der H a n d des Kai-
sers der als pontifex maxirrms die
Verfügungsgewalt üb er
ihn hat.
Ange -
sichts der herausragenden Bedeutung Jup i ters für den römischen Staat und
41
Sueton spricht
von
Sandalen
und
einer griechisch geschnittenen Purpurtoga.
ALFÖLDI
2
1977
269
geht
von
einem Pallium
aus.
42
AUPÖLDI
2
1977 269 charakterisiert diese Kronen als hellenistische Priester-
kränze.
43
Suet Dom. 4 4: Certamini praesedit crepidatus px?pureaque amictus toga
Graecamcoy capite gestans coronam amream cum effigie levis ac Innonis Minervae-
que adsidentibus Diali sacerdote et collegio Flavialium pari babitu, nisi quod iÜo-
rum coronis inerat et ipsius imago* Zur Deutung dieser Kronen als Büstenkronen
von Agonotheten siehe RUMSCHEID 2000 9f.
44
Gell. 10 15 17: sine apice sub divo esse liptum non est.
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168
Ruth Stepper
Staatskult kann es nicht ve rw un dern daß der
flamen Dialis
in einer be-
sonderen geradezu exklusiven Verbindung zum Kaiser erscheinen sollte.
Viel eindringlicher als in der literarischen Überlieferung läßt sich die
Nähe zwischen Kaiser und
flamen Dialis
in der Ikonographie nachweisen.
Ein prominentes Beispiel dafür ist der Südfries der Ära Pacis Augustae
y
auf
dem uns der flamen Dialis wie auch die anderen flamines maiores {flamen
Martialis
u n d
Quirinalis
sowie der
flamen Julialis)
in der unmittelbaren
Nachbarschaft des ersten Mannes Roms begegnen.
45
Wie stabil diese per-
sonelle Nähe zwischen Kaiser und Priester des höchsten römischen Staats-
gottes war demonstriert ein Relief aus späterer Zeit das Marc Aurel vor
dem Tempel des Jupi ter Capi tolinus nach dem Ende der M arkom annen -
kriege beim Opfer zeigt. Direkt neben ihm im Hintergrund steht der
fla
men Dialis
m it galervis und
apexf
3. Verfahrensweisen bei der Aufsicht über die Vestal innen
Ein weiteres wichtiges Handlungsfeld des Kaisers als pontifex maximus
war die Aufsicht über die Vestalinnen und deren Kultobliegenheiten. Die-
ser Bereich war sehr sensibel und läßt unterschiedliche Ansätze bzw. Ab-
sichten der Kaiser erkennen. Augustus bekannt als Init iator zahlreicher
Reformen zur Wiederbelebung der religio Romana, hat sich in versch ie-
dener Weise für die Vestalinnen und deren Priestertum eingesetzt. Um
anhaltende Nachwuchsprobleme bei den Priesterinnen Vestas zu lösen hat
Augustus die Qualifikationsschwelle für Bewerberinnen drastisch herab-
gesetzt. Seit 5 n. Chr. wurden auch die Töchter Freigelassener zugelassen.
47
W enig Sinn für die kultischen Trad itionen bewies er jedoch als er wenige
Jah re vo rhe r etwa eineinhalb M onate nach seiner W ahl zu m pontifex ma-
ximus, die traditionell in der aedes Vestae aufbewahrten pignora imperii,
die das W ohl un d die Dau erhaftigkeit des röm ischen Staates verb ürg ten
kurzerhand in die domus Augusta auf de n Palatin brach te.
48
Mit seiner späteren oberpontifikalen Fürsorge gegenüber den Vestalin-
nen verträgt sich sein Verhalten während des Bürgerkrieges jedoch ganz
un d gar nicht. O ctav ian scheute sich nicht das bei den Vestalinnen d e-
ponierte Testament seines Gegners Marc Anton gewaltsam in seinen Besitz
45
Dazu KOEPPEL 1987.
46
Siehe KOEPPEL 1986 9ff. Kar. 25 Abb. 29.
47
Cass. Dio 55 22 5.
48
Ov. fast. 3 422
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Der Kaiser
als
Priester
169
zu bringen.
49
Die Priesterinnen der Vesta verweigerten pflichtgemäß die
Herausgabe. Plutarch spricht vom Widerstand der Vestalinnen, als Octa-
vian unter Anwendung von Gewalt in das Heiligtum der Vesta eindrang.
Diesem gravierenden Vergehen gegen das römische Sakralrecht
50
folgte
eine weitere Straftat, als er das Dokument aus dem Vestaheiligtum raubte.
Eines dritten Vergehens machte er sich mit der Veröffentlichung des Te
staments angesichts des noch lebenden Testators schuldig.
51
In einer neu
eren Untersuchung wird unter Hinweis auf die Aussagen der fasti Ovids
die These aufgestellt, daß Octavian das strenge KeuschJbteitsgebot der Ve
stalinnen verletzt hätte.
52
Damit sind sexuelle Übergriffe Octavians auf die
Priesterinnen Vestas gemeint, die sich anhand der Quellen jedoch nicht
belegen lassen. Auch wenn man dieser These eine gewisse Logik nicht
absprechen kann, muß man sich dennoch fragen, aus welchem Grund
Octavian sich an den Vestalinnen vergangen haben soll. Die nachweisbaren
Vergehen Octavians im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Te
staments seines Rivalen hatten handfeste, politisch kalkulierte Gründe.
Welchen Vorteil jedoch hätte ihm der von
K O K TEN
angenommene Inzest
gebracht?
Keines seiner Verbrechen im Zusammenhang mit der gesetzeswidrigen
Veröffentlichung des fremden Testaments wurde strafrechtlich verfolgt, da
der dafür zuständige pontifex maximus Lepidus, der für den Schutz der
Vestalinnen verantwortlich war, in der Verbannung lebte und folglich
nicht eingreifen konnte. Seine Kollegen, die das in seiner Vertretung hätten
veranlassen müssen, unterließen dies entweder aus Gründen der Selbster
haltung oder sahen als Parteigänger Octavians, der selbst seit 48 v. Chr. zu
den pontifices zählte, darüber hinweg. Wir wissen, daß Octavian beim
öffentlichen Verlesen des geraubten Testaments bei den meisten Senatoren
Mißfallen erntete,
53
geahndet jedoch wurde es nicht.
Die gesamte Kaiserzeit hindurch ist erkennbar, daß insbesondere die
Aufsicht über die Vestalinnen ein in verschiedener Hinsicht heikles Thema
war. Wie Augustus bemühte sich auch Tiberius darum, den Dienst einer
49
Plut. Arn. 58, 3; Cass. Dio 50, 3, 4.
50
Die böswillige Schändung des Vestatempels durch das Eindringen eines Man
nes bedeutete eine Stöi-ung
der
öffentlichen Ordnung
und
verlangte eine strafrecht
liche Verfolgung. Zu diesem Delikt vgl. Ov. fast. 6, 450-452; Lact. inst. 3, 20, 3-4;
Serv. Aen. 9, 4, 23-26.
51
Nach der lex Cornelia defalsis vom
Jahre
81 v. Chr. galt die Veröffentlichung
eines Testaments zu Lebzeiten des Testators als ein Kapitalverbrechen, Dig. 48, 1,
1-2 sowie 48, 10, 1-2 und 5.
52
KÖRTEN
1992,
66ff.
5>
Plut. Aat. 58, 3-4.
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170
Ruth Stepper
Vestapriesterin attraktiver zu machen. Sueton überliefert, daß er den Ve-
stalinnen testamentarisch ein Legat ausgesetzt habe.*
4
Als im Jahre 19
n. Chr. zwei Väter ihre Töchter für den Vestadienst anboten, entschädigte
Tiberius die abgewiesene Kandidatin mit einer größeren Geldsumme.
55
Ähnlich belohnte er die Vestalin Cornelia im Jahre 23 für ihren Eintritt in
die Priesterschaft der virgines Vestae.
56
Die Besetzung vakanter Stellen, die
der pontif ex maxim us in Form der captio vorzunehmen hatte, wird uns für
mehrere Kaiser überliefert.
57
Zur Ausübung der patria potestas gegenüber den Vestalinnen gehölte
auch die Bestrafung einer Vestalin, die gegen ihr Keuschheitsgelübde ver
stoßen hat. Aber selten zeigten die Kaiser so viel Eifer wie Domitian, der
in zw ei G erichtsverfahren 83 un d 90 n. Chr.) vier Vestalinnen , darunter
die vestalis maxima
y
mit dem Tode bestrafte.
58
Wie wir von Sueton erfah
ren, sind weder Vespasian noch Titus, obgleich ihnen diese Fälle bekannt
waren, dagegen vorgegangen.
59
Domitian hingegen erwarb sich mit seinem
hartnäckigen Vorgehen den Ruf eines strengen Sittenwächters. Nachdem
die Obervestalin bei dem ersten Verfahren 83 n. Chr. freigesprochen wor
den war, wurde einige Jahre später ein zweites Verfahren angestrengt, das
mit ihrer Verurteilung endete. Sie wurde daraufhin lebendig begraben.
Auch die mitangeklagten und überführten Verführer wurden mit dem
Tode bestraft. Lediglich ein Verdächtiger, dessen Schuld nicht nachgewie
sen werden konnte, kam mit seinem Leben davon. Er wurde in die Ver
bannung geschickt.
60
Zum Vorgehen Domitians ist zu sagen, daß die Hin
richtung einer unkeuschen Vestalin rechtlich m öglich war. A llerdings war
diese Praxis bereits in den Zeiten der römischen Republik außer Gebrauch
gekommen. Was jedoch die Zeitgenossen an der Vorgehensweise Domiti
ans besonders störte, war eine Reihe von Verfahrensfehlern, die sich ein
ebenso streng wie korrekt verfahrender pontif ex maximus nicht leisten
durfte. So sah er von einer Vorladung der angeklagten Obervestalin Cor
nelia ab, die damit keine Gelegenheit hatte, sich zu verteidigen und even
tuell einen Freispruch zu erwirken. Dies wog um so schwerer, als sich der
M
Suet. Tib. 76.
55
Tac. am . 2, 86. .
56
Tac. ann. 4, 16, 4.
57
Neben Tiberius auch für Nero, Tac. ann 15, 22, 2, sowie Trajan, Relief in
Terracina mit
Trajan c pite velato
und einem Mädchen, an dem er gerade die
c ptio
vollzieht
vgl. SIMON 1990, 231.
58
Darüber berichten Suet. Dom. 8 und Plin. episL 4, 11. Zu den Vestalinnen vgl.
STAPLES 1998 und CANCIK-LINDEMAIER 1996.
59
Suet. Dom. 8, f.
60
Suet. Dom. 8, 4.
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Der Kaiser als Priester
171
rechtliche Status einer Vestalin von dem anderer römischer Frauen unter
schied, da sie das Recht besaß, vor Gericht als Zeugin aufzutreten.
61
A u
ßerdem nahm Domitian keine Rücksicht auf das Meinungsbild im ver
handlungsführenden Pontif ikalkollegium.
62
Mit der Urteilsvollstreckung
bea uftragte er schließlich seine Ko llegen, um einem öffentlichen A uftritt
angesichts der, wenn wir den Berichterstattern Glauben schenken dürfen,
emotional aufgeladenen Stimmung in Rom zu entgehen: »Sofort wurden
die
ponüfices
ausgeschickt, um sie verg raben und töten zu lassen« Plin.
epist. 4, 11, 7). Alle diese Verfahrensfehler na hm D om itia n in Kauf um das
Urteil rasch vollstrecken zu können. Es zeigt sich, daß dieser recht nega
tive Eindruck von Domitian nicht allein dem Zerrbild der darüber berich
tenden Autoren zuzuschreiben ist . Auch Statius, der sich mit mehreren
Gedichten panegyrischen Charakters an Kaiser Domitian hervorgetan hat,
spricht von der auffallenden Wachsamkeit Domitians, um verborgene Ge
fahren aufzudecken.
63
Zu einer weiteren Serie von H inric htu ng en meh rerer Vestalinnen kam es
unter Caracalla
y
worüber Cassius Dio berichtet .
64
Die näheren Umstände,
die den Kaiser zur Anwendung seiner
patria potestas
gegenüber den
vir-
gines Vestae
vera nlaß ten, sind nic ht ganz klar. Offensichtlich gerieten die
Priester innen in den Verdacht, das Keu schh eitsgebo t verletzt z u hab en,
was für einen Fall expressis verbis mitgeteilt wird. Cassius Dio kennt auch
die Namen der beschuldigten Vestalinnen.
65
Ungewöhnlich an diesen Vor
fällen ist, daß von mitangeklagten Verführern keine Rede ist. Statt dessen
ist Cassius Dio davon überzeugt, daß Caracalla selbst eine der vier Ve
stalinnen geschändet hat.
66
Als Sch änd un g einer Vestapriesterin empfan den die Zeitgeno ssen zw ei
fellos Kaiser Elagabals Hochzeit mit Aquilia Severa, die sogar
vestalis ma-
xima
gewesen war.
67
Auch Cassius Dio ist empört darüber und rügt, daß
Elagabal sich mit diesem Verbrechen gebrüstet habe, wofür er doch auf
dem Forum ausgepeitscht, ins Gefängnis geworfen und hingerichtet hätte
61
Gell. 7, 7, 2. Tacitus spricht von einer alten Sitte
vetus mos\
Vestalinnen auf
dem Forum und vor Gericht zu verhören, vgl Tac. arm. 2, 34, 4.
62
Davon zeugt der als ohnmächtige Reaktion auf Domitians Vorgehen gedeutete
plötzliche Tod eines pontifex, Helvius Agrippa, im Sitzungsraum des Senats, vgl.
Cass.
Dio 67, 3,
3
2
Angaben nach der Ausgabe von F
OSTER
/
CAJRY,
LCL ).
63
VgL Stat. silv. 1, 1, 35f. und 5, 3,
178: fach
explor tor
opertae.
64
Cass. Dio 78, 16, 1 - 3 .
65
Aurelia Severa, Pomponia Rufina, Cannutia Crescentia, die der Vollstreckung
des Urteils durch Selbstmord zuvorkam, und Clodia Laeta.
66
Cass. Dio 78, 16, 1.
67
Cass. D io 80, 9, 3.
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172
Ruth Stepper
werden sollen.
68
Obgleich sich Elagabal bald nur noch als Priester für den
syrischen Sonnengott Elagabal sah
69
und diesem alles andere unterordnete,
blieb er pontifex maximus und hatte von Amts wegen die Aufsicht über
die Vestalinnen. Er hat nicht nur aufs gröbste gegen römisches Sakralrecht
verstoßen, als er sich mit der Vestalin verheiratete, da er sich aus dieser
Verbindung göttliche Kinder erhoffte,
70
sondern auch seine Aufsichts
pflicht ignoriert. Auch wenn Elagabal auf Druck der Öffentlichkeit diese
Ehe wieder - zumindest für einige Zeit - löste,
71
gab es keine Interventi
onsmöglichkeiten für das Kollegium, einen derartigen Schritt zu verhin
dern oder zu ahnden. Das kaiserzeitliche System mußte auch einen
pon-
tifex maximus ertragen, der gegen die Regeln verstieß.
Fübrungslos un d dam it handlungsunfähig wur de die römische Religion,
als es keinen Kaiser mehr gab, der das Amt
des
pontifex maximus ausübte.
Wer sollte dessen traditionelle Rechte und Pflichten ausüben? Symmachus
hatte sich in zwei Briefen darum bemüht, herauszufinden, wer eine des
Inzests überführte Vestalin,
us
Alba samt ihrem Verführer ihrer gerechten
Strafe zuzuführen berechtigt ist, um damit dem Urteilsspruch des zustän
digen Kollegiums der pontifices von Rom zu entsprechen.
72
Symmachus
war selbst M itglied im röm ischen Pontifikal kollegium und insofern m it
verantwortlich für die Ahndung von Verstößen gegen die sakralen Vor
schriften. Wann genau sich dieser Vorfall ereignete, ist nicht überliefert.
Die betreffenden Briefe stammen jedoch aus der letzten Dekade des vier
ten Jahrhunderts. Zu dieser Zeit war der römische Kaiser bereits nicht
mehr pontifex maximus und dam it auch nicht länger m it der Aufsicht ü ber
die röm ische R eligion befaßt. Symm achus wandte sic h, auf der Suche nach
einem Ersatz für den nicht mehr zur Verfügung stehenden
pontifex ma-
ximus
vergeblich an den
praefectus urbU
die Urteilsvollstreckung vorzu
nehmen. Ob er mit seinem zweiten Schreiben an den praefectus praetorio
Italiae
Erfolg hatte, ist nicht überliefert.
Solange der Kaiser den Oberpontifikat innehatte, kam den Vestaprie-
sterinnen eine außerordentlich große Bedeutung innerhalb des römischen
Kultwesens zu. Nicht nur die Ahndung von Verstößen gegen das Keusch
heitsgelübde, sondern auch das kaiserliche Engagement zur Stärkung die-
68
Cass. D i o 80 9 4.
69
Er wurde als
sacerdos amplissimus
dei invicti
solis lagabali
bezeichnet, vgl.
ILS 9058 Militärdiplom aus dem Jahr 222). In der Münzprägung erscheint er als
summus sacerdos
Aug. so etwa BMC Emp. V 565, 230-233; 585, 333.
70
Cass. D i o 80 9 3.
71
Cass. D io 80, 9, 4 mit dem Verweis, daß er sie später wieder zurückholte.
71
Symm. epist. 9, 147f.
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Der Kaiser als Priester
173
ses Priestertums lassen eine besondere Nähe zwischen dem verantwortl i
chen pontifex maximus un d den Die nerin nen Vestas, ähnlich wie beim
flamen Dialis
erkennen. In der Öffentlicbkeit wurde sie bei zahlreichen
gemeinsamen Auftr i t ten wahrnehmbar. Anlässe dafür waren nicht nur
Opferhandlungen oder Prozessionen, sondern auch Spiele,, selbst wenn
deren Rah men nicht imm er passend war. So hat N e ro ungeach tet eines seit
Augustus bestehenden Verbots
73
die Priesterinnen Vestas sogar zu Wett
kämpfen von Athleten eingeladen.
74
Es wird allerdings auch deutlich, daß
gerade jene Kaiser, denen man sexuelle Ausschweifungen unterstellte, in
Verdacht gerieten, sich obendrein an Vestalinnen vergangen zu haben/
5
Diese Anschuldigungen beruhen nicht unbedingt auf tatsächlichen Vor
fällen, sondern entsprechen häufig auch den in der kaiserzeitlichen Ge
schichtsschreibung greifbaren stereotypen Verhaltensmustern eines
schlechten Kaisers. Die seit Augustus vom Kaiser angestrebte enge Bin
dung der Dienerinnen Vestas an seine Person ist allerdings die Vorausset
zung dafür, daß ihr Schicksal so unauflöslich mit dem seinigen verknüpft
war.
4.
D ie Kont ro l l e übe r das Begräbn i swesen
Über Personalfragen hinaus hatten die pontifices auch konkrete kultische
Angelegenheiten zu regeln. Einer ihrer bevorzugten Tätigkeitsbereiche
war das Begräbniswesen, das sie zu beaufsichtigen hatten. Es gibt zabJrei-
che Anhaltspunkte für Reglementierungen in diesem Bereich, die zeigen,
daß man recht sorgfältig und beharrlich auf die Einhaltung der Begräbnis
od er Um bettungsvo rschrif ten achtete.
Neben all täglichen Genehmigungen für die Anlage von Grabstätten, die
kaum das persönliche Interesse des
pontifex maximns
gefunden haben
werden, gab es auch Fälle, in denen eine besondere Initiative des Kaisers
gefragt war. So versprac h sich D om itian gew iß eine abschreckende W ir
ku ng von seiner Straf aktion gegen einen Freigelassenen , dessen Grab mal er
niederreißen ließ, als sich herausstellte, daß dafür Steine verwendet wor
den waren, die für den Jupitertempel bestimmt gewesen waren.. Gebeine
und Aschenreste des dort bestatteten Sohnes landeten im Meer.
76
Obgleich
73
Laut Suet. Aug. 44, 3 hat Augustus anläßlich der Spiele, die zu Ehren seiner
Übernahme des Oberponrifikats gefeiert wurden, ein Verbot für alle Frauen erlas
sen, den Wertkämpfen der nackt auftretenden Athleten beizuwohnen.
74
Suet. Nero 12, 4.
75
So bei Nero, Caracalla und Elagabal.
76
Suet. Dom. 8, 5.
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174
Ruth Stepper
es sich nicht um einen gewöhnlichen Diebstahl handelte, da das Bauma
terial für den W iederaufbau des Jupitertem pels vorgesehen w ar un d d am it
einem sakralen Zweck diente, erscheint Domitians Vorgehen dennoch
ziemlich hart. Es paßt jedoch zu seiner Haltung, die er, wie wir bereits
gesehen haben, bei der Ausübung seiner Disziplinargewalt gegenüber den
Vestalinnen an den Tag legte.
Aus einer Anfrage des Plinius als Statthalter von Bithynien und Pontus
an Kaiser Trajan geht hervor, daß auch in den Provinzen die Umbettung
von Gebeinen Verstorbener einer Genehmigung bedurfte.
77
Die Gründe
für ein derartiges Vorhaben konnten verschiedener Natur sein. Plinius gibt
an, daß vor a l lem al tersbedingte oder durch Überschwemmungen verur
sachte Schäden an den Gräbern eine Umbettung erforderlich machten. Da
er jedoch im Zweifel war, ob er eine entsprechende Erlaubnis von sich aus
erteilen könnte, wandte er sich an Trajan und bat ihn in seiner Eigenschaft
als pontifex maximus um eine verbindliche Auskunft. Im kaiserlichen Re
skript
73
wurde ihm empfohlen, sich an das Vorbild seiner Amtsvorgänger
zu halten, um je nach Lage des Falls eine Erlaubnis zu erteilen oder zu
verweigern. Trajan begründete diese Vorgehensweise, die Plinius die Ent
scheidung überließ, damit, daß es für die Provinzialen unzumutbar wäre,
sich in solchen Fällen eigens an die römischen
pontifices
zu wenden. Es ist
verständlich, daß Trajan bzw. das römische Pontifikalkollegium nicht
selbst die Genehmigungsverfahren von Provinzialen in die Hand nehmen
wollte. Schon aus arbeitsökonomischen Gründen war es geboten, die Ent
scheidungsbefugnis an den jeweiligen Statthalter zu delegieren. Neben den
unmittelbaren Umwelt- oder Witterungseinflüssen gab es aber auch an
dere Gründe, die zu einer Umbettung der sterblichen Überreste Verstor
bener führten. In zwei Grabinschriften wird darauf verwiesen,
79
daß die
Toten, Freigelassene des Kaiserhauses, fern der Hauptstadt verstorben sind
und bestattet wurden, um später nach Rom überführt zu werden.
80
Es war
durchaus übl ich, anderswo verstorbene Angehörige der domus Augusta
nach Rom zu überführen.
81
Eine entsprechende Genehmigung erteil te der
Kaiser o der das Pontif ikalkollegium in Ro m .
82
Ein besonders gut doku-
77
Plin. epist. 10, 68.
78
Plin. epist. 10, 69.
79
ILS 1685 und 1792.
80
Bei ILS 1685, datierbar in die Zeit Marc Aureis, ist davon die Rede, daß den
Verstorbenen dessen Ehefrau bestattet hat und reüquias eins permissu imp. ipsa
pertidit
consecr vitque £../. In ILS 1792 ist das Todesdatum angegeben
12.
August
117) und die Überführung für das Jahr 130 vermerkt.
81
Vgl dazu SCHUMACHER 1976, 136f. mit weiteren Belegen für Überführungen.
82
So auch bei den hier genannten Inschriften: permissu imp ILS 1685), ex per-
missu collegii pontif ic. ILS 1792).
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Der Kaiser als Priester
75
mentierter Fall begegnet uns in TL Claudius Zosimus, der das Amt eines
Vorkosters bei der kaiserlichen Tafel unter Doroitian bekleidete, in Mainz
verstorben ist und dort begraben wurde, was sich inschriftlich belegen
läßt,
83
Eine weitere Grabinschrift, die auf denselben Zosimus hinweist,
gibt es in Rom.
84
Demzufolge wurde Zosimus später nach Rom überführt,
auch wenn dies auf dem dort von seiner Ehefrau und Tochter aufgestellten
Grabstein nicht eigens vermerkt ist:
85
Angesichts der Größe des Imperium Roman um darf es nicht ver wun
dern, daß römische Maßstäbe in der Begräbnispraxis nicht ohne weiteres
überall eingehalten wurden. Immer wieder gab es Verstöße gegen geltende
Vorschriften. So erließ Kaiser Antoninus Pius ein generelles Bestattungs
verbot für Tote innerhalb der Stadtgrenzen:
intra urbes sepeliri mortuos
vetuit? D iese s Verbot hatte offensichtlich eine reichsweite Geltung, w ofür
der Plural urbes spricht. Unter Marc Aurel wurden die Bestattungsvor
schriften unter dem Eindruck der Pest verschärft. Insbesondere die eigen
mächtige Anlage von Grabstätten auf Landgütern wurde untersagt. Dieses
Verbot, das die augenblickliche Situation erforderte, wurde über die Dauer
der Seuche hinaus aufrechterhalten. Der Biograph Marc Aureis berichtet,
daß es bis z u seiner Z eit in Kraft geblieben sei.
87
Derlei Gesetzesinitiativen
des Kaisers sind formalrechtlich gesehen nicht unmittelbar mit seinem
Amt als
pontifex maximus
zu begründen, da der höchste Priester Roms
traditionell keine gesetzgeberische Gewalt hatte. Dennoch wird erkenn
bar, daß er damit die von den pontifices ausgeübte Kontrolle und die an
gestrebte Vereinheitlichung des Begräbniswesens aus seiner Verantwor
tung als pontifex maximus heraus effektiv gestalten wollte. Die genannten
Verbote entspringen damit seiner oberponuf ikalen Fürsorge in einem Be
reich, der eine strenge Aufsicht erforderte, da sich in der Praxis Verstöße
gegen die geltenden Vorschriften häuften. Davon zeugt eine Reihe kaiser
licher Verordnungen, wie sie Constantius IL
88
und Julian
89
erlassen haben,
um der Beschädigung bzw. Zerstörung von Gräbern entgegenzutreten.
Julian schließlich beharrte auf einer strikten Trennung der Sphäre des To-
83
Zu Inschrift und Interpretation
SCHUMACHER
1976.
84
CIL VI 9003 = ILS 1796.
3
Eine plausible Begründung für die späte Überfulining des Zosimus nach Rom
i t t SCHUMACHER 1976, 141.
HA Pius 12, 3.
87
HA Marc. Anton.
13,
4:
quando quidem caverunt ne quis viHae adfabricaretmr
sepidchrum.
88
CTh. 9, 17, 1-4.
89
CTh.
17, 5.
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176
Ruth Stepper
des von der Welt der Lebenden bei der Durchführung von Begräbnisfei
erlichkeiten. Deshalb ordnete er an daß die Bestattung eines Toten aus
schließlich nach ts nach Sonn enuntergang ode r vor Sonnenaufgang zu er
folgen habe.
90
Von den Beschlüssen des Pontifikalkollegiums zur Genehmigung einer
Bestattung konnte durchaus auch ein Kaiser selbst betroffen sein. Äußerst
ungehalten reagierte der Senat als bekannt wurde daß Pertinax den toten
Commodus in das Mausoleum Hadrians überführe und damit für eine
ordnungsgemäße Bestattung gesorgt hatte: senatus adclamavit: >Quo auc-
töre sepelierunt? parririda sepultus eruatur trahatur<?
1
Ein Senator mel
dete sich zu W ort u n d stellte fest daß die Be stattun g des erm or de ten
Commodus gegen den Bescheid der
pontifices
verstoßen habe und deshalb
als unrechtmäßig zu betrachten sei: Iniuste sepultus est. qua ponüfex dico
hoc collegzwn pontificum dick?
1
Im Anschluß daran beantragte derselbe
Senator und ponüfex w oh l in Übereinst imm ung m it dem Kollegium die
damnatio memoriae für den toten Kaiser.
93
An diesem Vorfall läßt sich
ablesen w an n das Ko llegium in der Käiserzeit übe rhaup t no ch u nabh ängig
vom ponüfex maximus agieren konnte. Gerade dann wenn ein ungeliebter
Kaiser den Tod gefunden hat und der neue Kaiser noch nicht sicher im
Sattel saß war der Augenblick gekommen um sich von kaiserlichen Di
rektiven zu befreien. Genutzt hat es allerdings wenig da Commodus von
Septimius Severus dennoch konsekriert wurde.
94
5.
Die Frage nach der Reichwei te des ka ise r l ichen Oberpont i f ika ts
Insbeson dere die W iederbesetzung vakanter Priesterstellen in R om die
der Kaiser in seiner Eigenschaft als ponüfex maximus veranlaßte wird
m itun ter als Indiz dafür gewertet daß dessen Zuständigkeit a n die Stadt
Rom gebunden blieb.
9S
Was jedoch die Reichweite der Kompetenzen des
90
Ebd.
91
H A Comm . 20 2.f.
92
HA Comm. 20 3.
93
HA Comm. 20 4 f.
94
AE
1951
75.
95
So PABST 1997 176: »Daß noch Constantius IL ohne Bedenken
replevit nob ili-
bus sacerdotia ist für uns hier vor allem deshalb beachtenswert weil es wie bei
Gratian anläßlich einer Visite der Hauptstadt geschah die Aktualisierung des Pon-
tif ex-maximus-Amtes mithin an die mr s gebunden gedacht wurde.« Ebd. 177 wird
betont daß der Kaiser »aufgrund des Sakralrechts nur in Rom in der Lage wäre«
sein Amt ls pontifex maximus auszuüben.
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Der Kaiser als Priester
177
ganzen Kollegiums anbelangt, so blieb diese bereits in republikanischer
Zeit nicht auf die Stadt Rom beschränkt. Für die latinischen Nachbarstäd
te ist bekannt, daß die dortigen Priesterschaften nach der Eroberung durch
Rom nicht aufgelöst, sondern dem römischen Pontifikalkollegium unter
stellt wurden,
96
was noch am Ende des 4. Jahrhunderts bei der Verurtei
lung einer Vestalin aus Alba durch die römischen pontißces gängige Praxis
war.
97
Einen direkten Hinweis auf die sich weiterentwickelnde Zentrali
sierung des Sakralwesens beim Pontifikalkollegium Roms bietet der im
zweiten Jahrhundert n. Chr. lebende Sextus Pompeius Festus mit der No
tiz,
daß die römischen
pontißces
die Oberaufsicht über die
municipalm
sacra
hatten.
98
In der neuesten Forschung wird betont, daß sich mit der politischen
Expansion auch die religiöse Kontrolle Roms räumlich ausdehnte. Unter
dem Eindruck des Krieges gegen Hannibal in Italien wurden auch Vor
zeichen außerhalb Roms und Italiens zur Kenntnis genommen und ent
sühnt.
99
Das Auftreten der Prodigien läßt sich in drei geographische Be
reiche einteilen: Die Stadt Rom, Italien und Gebiete außerhalb Italiens,
100
Im Jahr 218 v. Chr. wurde das zu dieser Zeit noch aus zehn Mitgliedern
bestehende Kollegium der quindeämviri aufgrund verschiedener schlech
ter Vorzeichen, die bis aus Gallien vermeldet wurden,
10 1
beauftragt, die
Sibyllinischen Bücher einzusehen.
10 2
Für das Jahr 203 v. Chr, berichtet
Livius von Prodigien aus Antium, Capua, Reate, Anagnia, Frusino und
Arpinum , denen m an mit
hostiae maiores
begegnete,
10 3
Das Kollegium der
pontißces
benannte die Götter, denen geopfert werden sollte.
10 4
Die Praxis
96
Vgl
WISSOWA
2
1912,
5 9ÖL
Später wurden die Priester dieser Gemeinden vom
Kaiser
als ponafex maxirrms
ernannt; vgl. ebd., 489 und 521.
97
Dazu Symm. epist.
9 147f.
98
Vgl. das von ihm epitomierte Werk De sigpificatu verborum s. v. mwucipalia
sacra
p. 146 Lindsay).
99
Zum Prodigien wesen in republikanischer Zeit
ROSENBERGER
1998.
100
Je weiter entfernt ein ProcÜgium beobachtet wurde, um so unschärfer wurde
die Ortsangabe gehandhabt. Prodigien in Rom wurden durch die Angabe bestimm
ter Plätze oder Tempel genau lokalisiert. Für Gebiete in Italien wurde die jeweilige
Stadt angegeben, während es für
das
Vorzeichen aus der Provinz lediglich
»in Gal-
lia«
heißt. Eine Übersicht über die geographische Verteilung der Prodigien findet
sich
bei
WÜLKER
1903, 94-101; vgl. auch
MACBAIN
1982, 107-117. Über Ursachen
und Sinn von Prodigien vgl.
ROSENBERGER
1998, 25ff.
101
Liv. 21, 62, 1-5. [...] et in allia lupum vigili glactittm ex vagina raptum abs-
tulisse. Liv. 21, 62, 5.
102
Liv. 21, 62, 6.
103
Liv. 30, 2, 10-13.
104
Liv. 30, 2,13.
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178
Ruth Stepper
der römischen Republik beweist damit hinreichend, daß auße
r
römische
Prodigien offiziel l anerkannt werden konnten.
105
Nachdem das Handeln
Roms weit über die eigenen Stadtgrenzen hinausreichte, ist es nur logisch,
auch den priesterl ichen Aktionsradius an die neuen Gegebenheiten anzu
passen.
Voraussetzung für diese Entwicklung war die erfolgreiche militärische
Expansion Roms. Im vierten, vielleicht sogar erst zu Beginn des dritten
Jah rhun derts v. Ch r. Fall v o n Tarent) nahm R o m den N am en Italien auf
und verwendete ihn im Rahmen seiner expansionist ischen Propaganda.
106
Im jurist ischen und rel igiösen Bereich wurde das römische Fallrecht den
territorialen Realitäten, die sich aus den Eroberungen ergeben hatten, an
gepaßt. De m nach durf te
derpontifex maximus
die Stadt R om , nicht jedoch
Italien verlassen-
10 7
Auch der von Kaiser Tiberius im Zusammenhang mit
der oben behandelten Anfrage, des flamen Dialis zitierte Fall des pontifex
maximus L. M etellus, der dem flamen MartiaUs-und Consul des Jahres 242
v. C hr . A. Postum ius Albinu s verb ot, zu m bevorstehen den Entsch ei
dungskampf gegen die Karthager nach Sizilien aufzubrechen,
108
beweist,
daß zu dieser Zeit Italien und keineswegs die Stadt Rom als maßgeblicher
Handlungsraum der römischen Pries ter gal t . An den Grenzen I tal iens en
dete deren Akt ionsradius . Den erwähnten Antrag auf Übernahme einer
Statthalterschaft begi-ündete der flamen Dialis gegenüber Tiberius damit ,
daß es keinen hinreichenden Grund gebe, dem Jupiterpriester zu verbie
ten, Italien zu verlassen* Diese Beschränkung gab es nach Aussage des
poli tisch a mb itionierten flamen Dialis für die Priester des Mars und Qui-
rinus nicht . Ihnen wurde eine Provinzverwaltung zugestanden-
109
Im Krieg
gegen Karthago hatte diese Vorschrift jedoch noch Bestand, als der flamen
Martialis
A. Postumius Albinus aus Rücksicht auf seine sakralen Pflichten
nicht nach Sizilien ziehen durfte. Man darf davon ausgehen, daß es eine
entsprechende Reform gab, die dem flamen Martialis eine größere Bewe
gungsfreiheit einräumte. Ein Grund für das Zustandekommen dieser Än
derung des Wirkungskreises könnte auch darin l iegen, daß man in Rom
105
So auch RUOFF-VÄÄNÄNEN 1972.
10 6
CA TAIA NO 1971, 807.
107
GABBA
1978, 13; vgl. Liv. 28, 38,
12:
[„] quia sacrorum cura pontificem ma-
ximum in Italia retinebat 205 v. Chr.)
108
Tac ann. 3, 71, 3 .
109
Tac ann. 3, 58, 1: frustra.vulgatum di itans non Heere Dialibus egredi Italia
neque aliud ius suum quam Martüäium Quirinaliumque flaminum: porro si hi
duxissent pravinciaSy
cur Dialibus id vetitum? nulia de
eo
populi
scica>
non in
lihris
caerimoniarum
reperiri.
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Der Kaiser als Priester
179
uriter Umständen bei der Definition des priesterlichen Handlungsraumes
über I talien hinauszugehen bereit war.
11 0
Im Falle des flamen Dialis der
für den Kult des höchsten römischen Staatsgottes zur Verfügung zu stehen
hatte, blieben die Grenzen Italiens jedoch verbindlich. Es gab allerdings
eine Zeit, in der auch das Priestertum des flamen Dialis e ine Neuinter
pretation hinsichtlich seines Amtsbereiches erfuhr. Noch Livius überlie
fert die alte Bestimmung: fhzmini Diali noctem unam manere extra urbem
nefas est.
m
Die nich t allein in der Be wa hru ng des Alten sich erschöpfend e
Tätigkeit der pontifices läßt sich an diesem Beispiel besonders gut veran
schaulichen. Unter Umständen war man bereit , Neues zuzulassen und in
das traditionelle Gefüge zu integrieren.
112
Die Kaiser jedoch billigten in
der Regel Neuerungen nur dann, wenn sie ihren herrschaftspolitischen
Interessen oder Vorstellungen entgegenkamen.
Die Gleichsetzung bestimmter Städte in den Provinzen mit i talischen
Gemeinden durch das sogenannte ins Italicum
m
verschafft K larheit da r
über, auf welchen rechtlichen Grundlagen die Erweiterung der priesterli
chen Zuständigkeit Roms über I talien hinaus erfolgen konnte. Dieses
rechtliche Verfahren scheint unter Augustus geschaffen worden zu sein,
indem man eine alte religiöse Praxis formalisierte, die erlaubte, ein Stück
erobertes Land außerhalb der Halbinsel für »italisch« zu erklären, um dort
beispielsweise Auspizien vornehmen zu können.
114
Mit diesem Privileg
110
Dann würde sich die Frage stellen, ob man tatsächlich vom »kaiserzeitliche[n]
Fortleben eines engeren Italienbegriffs« sprechen kann, vgl. TARPIN 2001, 3.
111
Liv. 5, 52, 13.
1X1
ROHDE 1936, 127 spricht diese beiden Seiten der Tätigkeit der pontifices an:
»Erst aus dem eigentümlich römischen Verhalten gegenüber dem Alten, das sich
bewährt hat, ist dann als Zweites die Entstehung einer D oktrin zu begreifen, die die
einzelnen Tatsachen des Kultes miteinander in Zusammenhang brachte und Schlüs
se daraus zog, die bei Neuschöpfungen, mochten diese nun in den Bezirk des
staatlichen oder des privaten Götcerdienstes gehören, wirksam werden und dem
Neuen den Charakter des Althergebrachten zu geben vermochten. Dieses Zweite
ist die nonnbildende Tätigkeit der pontifices; sie trat in ihrer äußeren Erscheinung
zuiück hinter der ersten vornehmeren, doch ist ihr Einfluß nicht hoch genug an
zuschlagen.« Diese »normbildende Tätigkeit« der pond fices war gerade zu einer
Zeit gefragt und mehrheitsfähig, in der Rom als überaus erfolgreich expandierende
Macht über die Grenzen Italiens hinaus begann, das Mittelmeer zu erobern. Dazu
bedurfte es bestimmter Voraussetzungen, ROHDE 1936, 133.
113
Die genaue Bedeutung des italischen Rechts ist umstritten. Die einzig wirklich
sichere Komponente des ius Itaticum ist die Identifikation eines Territoriums mit
italischem Grund, mit allen Begleiterscheinungen in rechtlicher und sozialer Hin
sicht, wie Tacitus ann. 13, 30, 1) betont. Zu diesem Thema siehe FERENCZY 1982.
114
Serv. Aen. 2, 178; vgl. dazu CATALANO 1978.
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180
Ruth Stepper
gingen die julisch-claudische Dynastie, die Flavier und die Antonine spar
sam, die Severer freigebiger um.
11 5
Im Ergebnis läßt sich festhalten, daß der
Zuständigkeitsbereich der römischen pontißces und ihres Vorsitzenden in
dem Maße wuchs, in dem sich die außenpolitisch erfolgreiche römische
civitas selbst räumlich vergrößerte.
Seit der
constitutio Antoniniana
von 212/13,
116
durch die alle freien
Reichsbewohner zu römischen Bürgern wurden, waren die römischen
pontißces
ohn ehin reichsweit für bestimm te unter pontifikale Verantwort
lichkeit fallende familien- und erbrechtliche Entscheidungen zuständig.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt muß man von einer für das gesamte Reich
geltenden Handlungsbefugnis der römischen
pontißces
sprechen. In der
Praxis hat jedoch häufig der Kaiser die Entscheidungsgewalt über derlei
Angelegenheiten monopolisiert.
117
Ein untrügliches Indiz dafür, daß der Kaiser als
pontifex maximus
reichsweite Verantwortung übernahm, bietet die Vorgehensweise Kaiser
Julians. Sein Programm einer Erneuerung der alten Götter und Kulte hat
er unter Berufung auf seine Stellung als
pontifex maximus
in die Tat um
zusetzen versucht. Rom als Bezugspunkt seines Handelns spielte dabei
keine Rolle. Er verstand sich als oberster Priester des gesamten römischen
Reiches. Deshalb sah er sich auch berechtigt, allen Priestern in den Pro
vinzen Anweisungen und Verhaltensempfehlungen zu geben, wie seine
Briefe dokumentieren.
11 8
Es gibt kein vergleichbares Zeugnis aus der frü
hen oder hohen Kaiserzeit, in dem der Kaiser in ähnlicher Weise reichs
weit aktiv geworden wäre. Bislang haben die Kaiser immer auf eine An
frage hin reagiert, um Entscheidungen zu treffen. Julian war der erste
Kaiser, der vo n sich aus in seiner Priesterrolle ak tiv wurde und dabei völlig
neue Wege ging. Zudem wird nirgendwo erkennbar, daß sich Julian als
Vorsitzender eines Kollegiums verstand, mit dem er sich viele Aufgaben
teilen konnte. Diese Loslösung von Strukturen, Verfahrensweisen und In
halten ermöglichte ihm erst eine Neudefinition seines Oberpriestertums.
So gelang es Julian, sich als ein von den Göttern Berufener zu stilisieren,
119
der mit seinem Amtskollegen des ersten und zweiten Jahrhunderts kaum
noch etwas gemeinsam hatte. Dieses völlig gewandelte Selbstverständnis
115
Dig. 50, 15.
116
Siehe WOLFF 1976.
117
So gab es seit Diokletian die arrogatio per rescriptum principis ̂ d.h. ein ex
klusives Arrogationsrecht des Kaisers. Ein Beispiel dafür bietet CJ
47 (48). 5.
118
Dazu lul epist. ZZ und 89 b Bidez-Cumont.
119
SoKo-övrd y avoci
diä xobq zoi>c,
äp isp£oc
n£\\crcov
[...]. Iul. epist. 89 b
Bidez-Cumont, 298 d.
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Der Kaiser als Priester 181
als pontifex maximus ist ein Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen.
Die seit dem dritten Jahrhundert anhaltende Romferne der Kaiser hat den
Grund dafür gelegt. Aber auch das Christentum mit seinem Religionsver
ständnis hat entscheidend zu Julians Haltung beigetragen* Seine Auffas
sung von einer reichsweiten Verantwortung als Priester kann er jedoch
nicht erst selbst kreiert haben, da sich der alte Glauben bereits auf dem
Rückzug befand. Hier muß Julian auf vorhandene Gegebenheiten zurück
gegriffen haben, wie sie sich lange vorher, in trajanischer Zeit, fassen las
sen. In der bereits erwähnten Anfrage des Plinius an Kaiser Trajan hin
sichtlich von Umbettungsgesuchen der Provinzialen
12 0
gewinnt die auch in
den Provinzen anerkannte Autorität des Kaisers als pontifex maximus
deutliche Konturen. Plinius ist sich nicht sicher, ob er eine Umbettung
von sich aus gestatten könne, da er weiß, daß in solchen Fällen in der
Heimat die
pontißces
zu fragen sind:
[...] quia sciebam in urbe nostra ex
eins modi causis collegium pontificum adiri solere
y
te, domine, maximum
pontificem consulendum putavi
y
quid observare me velis-
Im Hinblick auf
unsere Fragestellung ist von Belang, daß Plinius Trajan ausdrücklich in
seiner Funktion als
pontifex maximus
anspricht. Plinius erhält den Rat,
sich an das Vorbild der früheren Statthalter zu halten, um je nach Lage des
Falls eine Erlaubnis zu erteilen oder zu verweigern.
12 1
Trajan begründet
dies damit, daß es für die Provinzialbevölkerung kaum zumutbar wäre
(Durum est iniungere necessitatem provincialibus pontificum adeundo-
rum\ sich in solch en Fällen eigens an die röm ischen
pondfices
zu wenden.
Er sagt hingegen nicht, daß in der Provinz die römischen Begräbnisvor
schriften keine Gültigkeit hätten oder daß er für diese Angelegenheit nicht
zuständig wäre* Ganz im Gegenteil, Trajan reagiert ohne Vorbehalte auf
diesen Appell an seine priesterliche Autorität und kommt zu einer prak
tikablen Lösung, die er Plinius nahelegt. Da der
pontifex maximus
nicht in
allen Fällen dieser Art überall im Reich persönlich eine Genehmigung
erteilen kann, muß er diese Aufgabe delegieren. Wenn Plinius nun nach
der Maßgabe Trajans Genebmigungen erteilt oder vorenthält, dann tut er
dies mit Berufung auf die Autorität des Kaisers als pontifex maximus.
Aufschlußreich ist, w ie sich die reichsweit geltende Zuständigkeit des Kai
sers als pontifex maximus durchsetzte. Nicht der Kaiser hat die Initiative
ergriffen oder von sich aus eine Verantwortung reklamiert, sondern der
Übereifer mancher Statthalter gab den Anstoß, die oberpontifikale Verant
wortung des Kaisers reichsweit zur Geltung zu bringen. Dahinter steckt
120 plin. epist. 10, 68.
i2i plin. epist. 10, 69.
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182
Ruth Stepper
die allgemein verbreitete Vorstellung und Erwartung einer universalen
Entscheidungsgewalt des Kaisers, auch in seiner Eigenschaft als oberster
Sachwalter der römischen Religion.
Deutliche Hinweise, die für die reichsweite Zuständigkeit des kaiserli
chen Obeipontifikats sprechen, bieten die Inschriften. Den im Zusam
menhang mit der Überführungspraxis im Begräbniswesen bereits erwähn
ten Grabinschriften aus dem zweiten Jahrhundert
122
ist zu entnehmen, daß
die Verstorbenen, in beiden Fällen Freigelassene des Kaiserhauses, fern
von Rom bestattet,
ni
später nach Rom überführt wurden. Für unsere Fra
gestellung ist besonders aufschlußreich, daß in beiden Fällen vermerkt
wurde, wer die Genehmigung für eine Überführung der sterblichen Über
reste der Toten erteilt hat. Während dies in der älteren Inschrift
ex per-
missu collegü ponüfic[um]
m
geschah, wird in der zeitlich später datierba-
ren Inschrift der Kaiser genannt {permissu impferatorisj).
12 5
Daraus geht
unzweideutig hervor, daß die römischen pontifices bzw. der ponüfex ma-
xirrms reichsweit in Aktion traten. Wenn sie dies nicht immer und überall
taten, dann liegt dies daran, daß der Kaiser, wie das Beispiel des trajani-
sehen Reskripts zeigt, praktikable Alternativen gefunden hat, um seine
Kollegen in Rom zu entlasten und um den Provinzialen zeitraubende Ver
waltungswege angesichts der gebotenen Eile bei Bestattungen zu ersparen.
Daß der kaiserliche Oberpontifikat die Grenzen Roms und Italiens
sprengte und reichsweit Gültigkeit erlangte, hängt mit einer Entwicklung
zusammen, die sich als Romanisierung des religiösen Systems bezeichnen
läßt
126
und die Durchdringung des Imperiums und seiner verschiedenen
Gemeinschaften mit dem römischen Religionssystem meint. Rom hat sei
nen eroberten Gebieten und Völkerschaften auch im Hinblick auf Prie-
stertümer und religiöse Organisation die eigenen, römischen Maßstäbe
und Vorstellungen auferlegt.
127
Das geschah zweifellos vor allem aus
machtpolitischen und herrschaf tserhaltenden Erwägungen heraus. Es hatte
jedoch den Nebeneffekt, daß der Kaiser schließlich seine Autorität als
122
ILS 1685 und 1792. Den Hinweis auf diese Inschriften verdanke ich Herrn
Professor
PETER HERZ
(Regensburg).
123
In dem einen Fall (ILS 1792) handelt es sich bei dem Todesort um Selinus
(Kilikien), das zweite Beispiel (ILS 1685) nennt Carnuntum.
124
ILS 1792.
125
ILS 1685.
126
GORDON
1990 240ff.
spricht von »Romanization of religion«.
127
Dazu gehörte u.
a.die
Angleichung der sozialen Struktur der örtlichen Prie
sterschaften an römische Maßstäbe und die Übernahme römischer Gegebenheiten
im Priesterwesen, das grundsätzlich keine Priesterkasten kannte. Beispiele aus ver
schiedenen Regionen bietet
GORDON
1990.
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Der Kaiser als Priester
183
pomifex maximus
überall im Reich ungehindert zur Geltung bringen
konnte.
Neben einer geographischen Ausdehnung der Zuständigkeit der römi
schen
pontißces
gab es andere Bestrebungen, die auf eine inhaltliche K om
petenzerweiterung zielten. D ie im Jahre 47 de n römischen
ponüfices
über
tragene Revision und Pflege der
Etrusca disciplina,
die Kaiser Claudius
veranlaßt hat, ist ein lehrreiches B'eispiel für diese Tendenz.
128
Mit derlei
Maßnahmen beabsichtigten die Kaiser, die Kontrolle der zunehmend als
brisant eingestuften Wahrsagekunst zu zentralisieren und jede davon aus
gehende Gefahr für das Herrschaftssystem zu bannen,
129
wenngleich Clau
dius eine andere Begr ündu ng angab: Er w olle dam it gewährleisten, daß die
Kunst der Haruspices nicht in Vergessenheit gerate. Beide Zielrichtungen,
sowohl die geographische wie auch die inhaltliche Ausdehnung der ober-
pontif ikalen Autor ität, ergänzen sich. D ie Zuständigkeit des
pontifex ma
ximus
sollte konkurrenzlos sein.
6. Ergebnis
Wie sich gezeigt hat, war der Kaiser in vielfältiger Weise als
pontifex ma
ximus
tätig und wahrnehmbar. Gerade die Verschiedenheit seiner Aufga
benbereiche konnte er nutzen, um im kultischen Bereich unangefochten
zu dominieren. Als Inhaber der
patria potestas
hatte
der pontifex maximus
eine besonders enge Verbindung zum
flamen Dialis
und zu den
virgines
VestaleSy
die aufgrund ihrer Priesterämter für Jupiter und Vesta außeror
dentlich exponiert waren. Deutlich wurde auch, daß der Kaiser Angele
genheiten des Pontifikalkollegiums in zunehmendem Maße monopolisier
te.
Auch wenn das Kollegium, wie in der Vergangenheit, bei der Verur
teilung vo n Vestalinnen mitwirkte, kam es imm er weniger auf die Meinung
der priesterlichen Kollegen des Kaisers an. Diese Entwicklung läßt sich
nicht ausschließlich mit dem Dominanzanspruch des Kaisers begründen.
Die Bevölkerung, aber auch beflissene Statthalter haben diesen Trend be
schleunigt, wie bei der Behandlung des Begräbniswesens gezeigt werden
konnte. In seiner Funktion als Priester hatte der Kaiser die Möglichkeit,
eigene Akzente zu setzen. Er konnte sich, wie Domitian, als strenger Sit-
128
Tac. ann. 11, 15.
129
Später haben die Kaiser diese Gefahr durch generelle Verbote von Wabrsagerei
und Astrologie einzudämmen versucht. Mit diesem Thema befaßt sich eingehend
FÖGEN 1993.
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184
Ruth Stepper
tenwächter und unnachgiebiger Rächer sakraler Vergehen gebärden. An
dere haben sich in der Rolle eines von Strafen absehenden moralischen
Vorbildes gefallen, wie zum Beispiel Trajan, in bewußter Abgrenzung von
seinem ungeliebten Vorgänger. Im
Panegyricus
unternimmt Plinius den
Versuch, den Oberpontifxkat im Sinne einer ethisch-moralischen Forde
rung umzudeuten.
13 0
Die seinem Inhaber zukommende Aufgabe, als Ord
ner und Bewahrer des römischen Kultwesens tätig zu werden, blieb un
verändert. Auch der eindeutig zum Christentum sich bekennende Con-
stantius IL hat für die Wiederbesetzung vakanter Stellen in den Priester
schaften gesorgt.
131
Es sollte uns jedoch nicht verwundern, daß sich im
Vergleich einzelner Kaiser zum Teil signifikante Unterschiede in der ober-
pontif ikalen Praxis belegen lassen, vor allem in b ezu g auf deren Selbstver
ständnis als höchste Priester Roms. Hier gab es einen Spielraum, den jeder
Kaiser für sich nutzte.
13 2
Dies konnte ihm um so wirkungsvoller gelingen,
da er als
pontif ex maximus
für das gesamte Reich zuständig war.
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130
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Trajans Frau Plotina als geeignete Frau des pontifex maximu s, Plin. paneg. 83, 5.
131
Symm. reL 3, 7:
replevit nobilibus sacerdoti^.
132
Insofern möchte ich der von RÜPKE in seinem hier abgedruckten Beitrag über
»Kaiserliche Religionspolitik und priesterliche Rekmtierungsmechanismen: Über
legungen zur Elitenfbrmation am Beispiel der Sodalitaten des Herrscherkultes in
Antomnianischer Zeit« vertretenen Ansicht widersprechen, wenn er pauschal von
»begrenzten Handlungsmöglichkeiten und [einem] noch viel begrenzteren Hand
lungswillen des Pontifex maximus« spricht.
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Arvalb rüder u nd Kaiserkult
Zur Topographie des römischen Kaiserkultes
von
BABETT EDELMANN
1 Einleitung
In seinem Buch
Romulus et e freres
nennt
JOHN SCHEID
die Akten der
römischen Arvalbruderschaft eine Fundgrube an Informationen über die
politische Instrumentalisierung religiöser Systeme in der römischen Kai
serzeit.
1
Daran anknüpfend, stellt die Autorin im folgenden die Frage,
welche religionspolitische Aussagekraft die Akten des Arvalkollegiums in
der julisch-claudischen Epoche vor dem Hintergrund kultischer Topo
graphie besitzen. Im Mittelpunkt stehen dabei zwei Problemstellungen:
Zum ersten soll exemplarisch veranschaulicht werden, in welchem Um
fang man von politischer Instrumentalisierung religiöser Zeremonien spre
chen kann, und wie sich die jeweilige ideologische Ausrichtung einzelner
Kaiser in der rituellen Topographie niederschlug. Zum anderen soll die
Untersuchung zeigen, welche relativierenden Informationen sich gewin
nen lassen, wenn man die topographischen Informationen der Arvalakten
mit den literarischen Quellen kontrastiert.
Der eigentlichen Untersuchung werden einige einleitende Bemerkungen
zum Kollegium der Arvalbrüder vorangestellt, die in knapper Form die
Geschichte der Bruderschaft in republikanischer Zeit, ihre Rolle im Sy
stem der augusteischen Reformen und ihre Bedeutung für den Kaiserkult
skizzieren. Im Anschluß daran werden Kontinuitäten und Diskontinui
täten innerhalb der zeremoniellen Topographie des Kaiserkultes anhand
der Beispiele des
Iuppiter-Optimus-Maximus-
und des
Divus-Augustus-
Tempels dargestellt. In einem dritten Punkt wird das Problem der Dis-
1
SCHEID. 1990, 749f.
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190 .
Babett Edelmann
krepanz zwischen rein l i terarischen Quellen und den Arvalakten am Bei
spiel des Apollo-Palatinus-Tempels un d der Ära Providentiae beleuchtet.
Den Abschluß der Ausführungen bildet schließlich der Versuch, eine Ant
wort auf die Fragen zu geben, warum das augusteische >Großprojekt< des
Forum Augusti mi t dem Mars-Ultor-Tempel einen lediglich schw achen
Niederschlag in den Arvalakten fand und welche Schlüsse man daraus
ziehen kann.
2 Das Pr ies te rkol legium der Arva len
Wären die Marmortafeln, in welche die Arvalbrüder* ihre jährlichen Pro
tokolle
3
einmeißeln ließen, in den Kalköfen des Mittelalters und der frühen
Neuzeit verschwunden, so wären wir auf die äußerst spärlichen literari
schen Quellen über diese Priesterschafc angewiesen.
4
Der erste Beleg für
die Existenz des Kollegiums stammt aus der späten Republik, Varro dis
kutiere in seinem Werk De lingua Latina die Etymologie der Bezeichnung
fratres Arvales un d stellt sie in den K on text landw irtschaftlicher K ulte.
Das dabei von ihm verwendete Präsens
faciunt
legt die Verm utung nahe ,
daß die Priesterschafc in den 40er Jahren des ersten vorchristlichen Jahr
hunderts noch lebendig war, wenn sie sicherlich auch nicht zu den bedeu
tendsten religiösen Gruppen der Republik gehörte.
5
Die Zeremonien der
Bruderschaft konzentrierten sich auf die Dea Dia, deren genaue Herkunft
und Charakter sich nicht präzisieren lassen. Das Hauptfest der Göttin im
Monat Mai hatte eine stark bäuerliche Färbung, was in die Richtung eines
Fruchtbarkeitskultes weist .
6
1
SCH EID 1990; OLSHAU SEN 1981.
3
Die Protokolle der Arvalpriester liegen in neuester Ausgabe bei SCHEID 1998
vor.
4
Varro 1.1. 5, 85; Plin. na t. 18, 6; Gell. 7, 7, 8; Fulg. m yth. 9; Min. FeL 25, 12;
Paul. Fest. 5L; Macr. Sat. 3, 5, 7; Pseudo-Philoxenius s. v. Arvales Sodales.
5
Die Arvales fratres werden in der
lex Dom itia
aus dem Jah r 103 v. Ch r. nicht
unter den Priesterschaften aufgeführt, die sich durch Volkswahl ergänzen
(vgl.
LAT
TE 1967,395f.). Auch d ie in die Jahre 36 bis
21 v .
Chr. datierten Fasten der Arval-
brüder weisen auf eine eher geringe Bedeutung hin (Fasti Arval. [Inscr. It. XIII 2,
30-46]).
Generell ist die Geschichte dieses Priesterkollegiums während der Repu
blik weitgehend unbekannt. Aufgrund sprachlicher Besonderheiten des von ihnen
deklamierten Liedes, welches das Protokoll des Jahres 218 überliefert, kann man
allerdings vermuten, daß die Bruderschaft bereits vor dem Ende des
4.
Jahrhunderts
v. Chr. aküv und folglich älter als die vier
amplissima
collegia war.
6
Das Heiligtum der Göttin befand sich außerhalb Roms am fünften Meilenstein
der via Campana rechts des Tiber. Zu den Ausgrabungen vgl BROISE 1987.
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Arvalbrüder und Kaiserkult
191
Die augusteische Restauration dieses Kultes, die in die Jahre 29/28
v. Ch r. datiert werden m u ß / führte - soviel kann m an mit Sicherheit sa
gen- zu entscheidenden Veränderungen sowohl der kultischen Aktivitä
ten der Bruderschaft als auch ihrer sozialen Zusammensetzung. Die Ar-
valen und ihre Riten erscheinen von diesem Zeitpunkt an ganz auf die
Regierung und die familiären Angelegenheiten des Kaisers abgestimmt,
während der Kult der Dea Dia dahinter zurücktritt Dies darf allerdings
nicht zu dem Schluß verleiten, die kultische Tätigkeit der fratres Arvales
habe zwei völlig verschiedenen Inhalten gegolten,
8
nämlich einerseits dem
Fruchtbarkeitskult der Dea Dia und andererseits der Sorge um den gött
lichen Segen für das Kaiserhaus. Diese beiden religiösen Konzepte waren
vielm ehr - wi e noch zu zeigen sein w ird - eng m iteinan der verf lochten.
Die augusteische Reform des Arvalkollegiums und seine Inanspruch
nahme für den Kaiserkult beruhten im wesentlichen auf zwei Aspekten:
zum ersten dem Grundgedanken einer archaischen Sodalität und zum
zweitön dem zelebrierten Fruchtbarkeitskult , in dessen Mittelpunkt die
Dea Dia stand.
Daß die Priesterschaft der fratres Arvales mit ihrem Kult der Dea Dia
als archaische Sodalität aufgefaßt werden muß,
9
belegen ihr Carmen, ihr
kultischer Tanz sowie der r i tuelle Ausschluß von Eisen aus dem Hain der
Göttin. Da die Bruderschaft darüber hinaus aiüologisch in enge Verbin
dung zu Romulus gestellt wurde,
10
ist anzunehmen, daß ihr hohes Alter
bereits in der Antike geglaubte Realität war bzw. als solche angesehen
werden sollte. Innerhalb der augusteischen Religionspolitik ordnete sich
die Arvalbruderschafc gemeinsam mit den Titiusbrüdern und den Fetialen
in eine Re ihe neugestalteter Kultgem einschaften ein, die archaische V or
bilder imitierten.
11
Daneben bot die Kultgemeinschafc einer archaischen
Sodalität
12
in mehrfacher Hinsicht Anknüpfungspunkte für die augustei-
7
SCHEID 1990,
690-694.
8
Vgl. OLSHAUSEN 1981, 822, der keinen direkten inneren Zusammenhang zwi
schen beiden Kulten sieht.
Ulpian nennt die Gruppe der Arvalbrüder Sodales (überliefert bei Pseudo
Philoxenius s. v. Arvales Sodales). Vgl. auch SCHEID 1990, 35-39, 699ff.
10
Vgl Anm. 14.
11
Mon. Anc. 7, An dieser Stelle weist Augustus selbst ausdrücklich darauf hin,
daß er neben den vier
amplissima collegia
auch Mitglied in den Bruderschaften der
Arvalen, Titier und Fetialen war.
12
Im Übergang von der Republik zum Prinzipat ist ein allgemeiner Trend bzw.
ein Interesse für das Modell archaischer Sodalitäten erkennbar. Erinnert sei bei
spielsweise an die Luperci, die Salii, die Augustales oder die Claudiales. Bis ins
3. Jahrhundert finden sich 25 Sodalitäten, die den Kult der verstorbenen Kaiser
versahen.
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192
Babett Edelmann
sehe Reform polit ik.
Ein
großes Potential
lag
vermu tl ich
in den
traditionell
engen Bindungen zwischen Mitgliedern dieser Gemeinschaften, die ver
wandtschaftlichen Beziehungen nachgebildet waren. Das kann damit er
klär t werden,
daß in
archaischer Zeit
die
Sodalitäten
bis
dahin rein genti-
lizisch ausgerichtete Kultgemeinschaften ablösten.
13
In Übere ins t immung
damit beschreibt der - mit großer Wahrscheinlichkeit aus der Kaiserzeit
s tammende - a i t iologische Mythos der K u l tg ründung die Arvalen als M i t
glieder einer Familie. Es he ißt , Romulus sei nachdem se ine Nährmut te r
Acca Larentia einen ihrer zwölf Söhne verloren hatte, selbst an dessen
Stelle getreten, und so seien die Mi lchbrüder zu den Arvalbrüdern ge
worden.
14
Augus tus t ra t se iner Fu nktio n als erstes M itglied der vornehmen
Bruderschaft entsprechend
als
neuer R omulus
auf.
15
Laut Sueton
und Cas-
sius Dio strebte Octavian zwischen seinem Sieg bei Act ium und dem Jah r
27 v. Ch r. eine Assimilation an Romulus an und e rwog in dieser Phase
sogar
die
Ü be r na hme
des
Rom ulus -Namens .
16
Poli t isch bedeutsamer
er
scheint, daß sich im Kreis der Arv albrü der eine große Zahl früherer Ge g
ner des Augustus fanden, frühere Proskribierte, unter ihnen Pompeianer
und Anhänge r
des
An ton ius .
1 7
Vor
d iesem Hintergrund sind
die
Arval
brüder als Repräsentanten einer neuen Einigkeit im archaischen Kult zu
verstehen. Das Kollegium wu rde ein Auffangbecken für ehemalige Feinde
u n d
bot
Augus tus
die
Möglichkeit , diese Männer durch soziale Auszeich
nung an sich und das neu e politische System zu b inden. Die Re form dieser
Sodalität konnte der römischen Elite also nur schmeicheln, unterstr ich sie
doc h
die
pseudo-familiären Band e zwischen No bili tät
und
Pr inzeps.
In der bäuer l ichen Ausprägung des Dea-Dia~¥Lulzes liegt das zweite
Motiv
für
seine Instrumentalisierung
im
Herrscherkult .
18
In der
landwir t
schaftlichen Komponente spiegelte sich
die von
Augustus p ropagier te
Er
neuerung traditioneller altrömischer Werte, wie sie auch Vergil in seinen
Georgica
preist, die etwa zeitgleich mit der Reform der Arvalpriesterschaft
13
Vgl. WISSOWA 1912 481.
14
Diese Erklärung stammt
von dem
tiberianischen Juristen
Masurius Sabmus
(Gell.
7 7 8
Plin. nat.18, 6). VgL auch SCHEID 1975,
321ff.
15
Zum Versuch einer Assimilation an den mythischen Stadtgründer in der sog.
>Romulus-Periode< des Augustus vgl. KORNEMANN 1938
81-91;
ALFÖLDI 1971
36ff.
16
Suet. Aug. 7; Cass. Dio 53, 16 5.
17
SCHEID 1975 16-108.
18
SCHEID 1990, 708ff. Es war also durchaus nicht
so,
daß die agrarische Dimen
sion des Arvalkultes zugunsten des Herrscherkultes zurücktrat. Vielmehr war das
Gegenteil der Fall: Sie wurde zu einem entscheidenden Faktor bei der politischen
Instrumentalisierung des Dea-Dia-Kulzes.
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Arvalbrüder und Kaiserkult
193
im Ja hr 29 v. C hr . vollendet w ur de n. Vergil feiert im zw eiten Bu ch d ie
Rückkehr zum goldenen Zeitalter des bäuerlichen Lebens im alten Rom,
das charakterisiert ist durch Frieden und Wohlstand. Parallel dazu weist
das Zeremoniell des Maifestes der
Dea Dia
den Kult der Arvalbrüder als
Ritual aus, das auf das Gedeihen der Ernte ausgerichtet war. Die agrari
sche Komponente im Kult der Dea Dia fügte sich folglich genau in das
polit ische Programm der Jahre nach Actium ein. Hier wurde das Ideal der
Georgica in kultische Dimensionen umgesetzt. Die Vorstellungen, die dem
reorganisierten Kult der Dea Dia zugrunde lagen, deckten sich also mit
den großen ideologischen Themen der Jahre 29/28 v. Chr.: Pietas in Form
von Restauration des Kultes und der Tempel, Romulus-Nachfolge und Pax.
3 K on t i nu i t ä t e n und D i s ko n t i nu i t ä t e n
Kapitol
Augustus rühmt sich in seinem Tatenbericht, er habe den kapitolinischen
IupptteT-Hem-pel
mit gewaltigem Aufwand wiederherstellen lassen.
19
Im
Zuge dieser Maßnahme verwandelte er das zentrale Staatsheiligtum Roms
zu einem auf Kaiser und Kaiserhaus ausgerichteten Zentrum des neuen
Kultes.
20
Die Akten des Arvalkollegiums geben ein Bild davon, daß das
Kapitol die Kultstätte war, die von den Arvalbrüdern in ihrer Eigenschaft
als Priester des Herrscherkultes am häufigsten frequentiert wurde.
In der Regel fanden im Tempel des Iuppiter Optimus Maximus jährlich
am 3. Jan uar die vota für das Wohlergehen des Kaisers statt. Ferner op
ferten die Arvalbrüder dort am Geburtstag der Kaiser und ihrer lebenden,
verstorbenen oder divinisierten Familienmitglieder. Bedeutende Tage für
die Regierung der Herrscher wie der dies imperii, d ie Üb ernah m e von
Konsulaten oder der tribunicia potestas, der Einzug in Rom, die Verlei
hung des pater-patriae-Titek ode r der Tag der Ad op tion wurd en - je nach
Herrscher verschieden stark - in die Zeremonien der Arvalbrüder einbe
zogen, wenngleich eine deutliche religionspolitische Akzentverschiebung
19
CapitoHum
et Pompeium theatrum utrumque opus
impensa
grandi refed sine
väla inscriptione
nominis mei.
(Mon. Ana 20).
20
Augustus entfernte eine Vielzahl der auf dem Kapitol aufgestellten Ehrensta
tuen (Suet. Cal. 34, 1) und nahm eigene Statuenweihungen vor. Zu den wichtigsten
Neuerungen baulicher Tätigkeit in der area Capitolina gehörten sicherlich der
luppiter-Tonans-Hempd (Cass. Dio 54, 4, 2) und der Rundtempel für Mars Ultor
(Cass.
Dio 54, 8,3). Beide Bauwerke waren in ihrer Entstehung und Bedeutung mit
Person und Politik des Augustus verbunden.
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194
Babetc Edelmann
unter den einzelnen Kaisern zutage tritt, deren Tendenzen im folgenden
erläutert werden sollen.
Die kultischen Aktivitäten
der
Arvalen
auf dem
Kap itol un ter Tiberiu s
belegen,
21
daß
dieser
den
Herrscherku l t eher
eng
begrenzte.
Nur
seine
wichtigsten Lebensdaten, die seines Vorgängers Augustus und se iner M ut
ter Livia wurden
mit
O pf ern gefeiert. D arü be r hinaus fanden lediglich aus
Anlaß einer Erkrankung kurz vor seinem Tod außerordentliche vota
statt.
22
Demgegenüber lassen
die
kultischen A ktivitäte n un ter Caligula
23
ins
gesamt eine deutliche quantitative Ausweitung der kapitolinischen Zere
monien erkennen. Zwar knüpf te er mit Opfern am Geburtstag des Au
gustus
und der
Livia
an
t iberianische Gepflogenheiten
an die
k aiserliche
Familie scheint unter seiner Regentschaft aber eine völlig neue kultische
Würdigung erfahren zu haben. Das Kapitol rückte er dabei in den Mi t
te lpunkt
der
kultischen Verehrung
des
Kaiserhauses
und der
Dynast ie .
Neben seinem Vater Gennanicus und se iner Mutter Agrippina I. w u r de n
seine Großmutter Antonia sowie seine vierte Frau Milonia Caesonia an
ihren Geburtstagen
mit
Op fern geehrt . A uc h
der
G ebur ts tag
des
Tiberius
w u r d e als offizieller Festtag beibeha lten,
24
wenngleich Caligula die D ivi -
nisierung seines Vorgängers n ich t vollzog.
25
Die Verm utung liegt nahe, daß
darüber hinaus auch Caligulas Schwester Drusilla
-
aufgrund
der
be son
deren Beziehung zu ihrem B ruder - an ihrem Geburtstag von den Arvalen
geehrt wurde.
Auch die Feiern für den Kaiser selbst wurden erheblich ausgeweitet:
D er dies imperii, der Einzug in Rom und der Tag der Ann ahm e des pater-
patriae-Tnels
wurden
von den
Arvalpriestern jährlich
mit
Opfern
auf dem
Kapitol gefeiert.
Daß
auc h tagesp olitische Ereignisse
im
Zeremoniell
der
Arvalbrüder ihren Niederschlag fanden, zeigt sich in Opfern anläßlich der
Aufdeckung
der
V erschwörung
des
Lentulus Gaetulicus
im
Jahr
39.
F ür die Reg ierungszeit des Claudius
26
s ind Zeremonien auf dem Kapitol
lediglich aus Anlaß der V erleihung des pater-patjiae-Tizels und am Ge
burtstag des Augustus belegt. Dies ist zum einen auf die äuß erst spärliche
Fundlage für die Regierungsjahre des Claudius zurückzuführen, auf der
anderen Seite
muß man
annehmen,
daß die in den
l i terarischen Qu ellen
2 1
SCHEID 1998 7-24.
22
Ebd., 21; vgl. auch SCHEID 1990, 312f.
23
SCHEID
1998 25-42.
24
Cass. D io 59, 3, 7.
25
Zu Caligulas Vorgehen in der Frage der DivJnisierung des T iberius vgl. ebd.
26
SCHEID 1998 43-54.
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Aryalbrüder und Kaiserkult
195
dokumentierte Zurückhaltung dieses Kaisers in kultischen Angelegenhei
ten auch zu einer Reduzierung der arvalischen Aktivitäten führte.
N e r o
2 7
hingegen dehnte den Umfang der Opfer wieder beträchtlich aus
und stellte vor allem seine Person, weniger seine Familie oder Vorgänger,
in den Mittelpunkt. Sein Geburtstag, Gelübde für sein Heil und seine
glückl iche Rückkehr sowie Amtsübernahmen und Imper ien bi ldeten den
Schwerpunkt der Opferzeremonien. Tagespolit ische Anlässe spielten zu
sätzlich eine besondere Rolle.
28
Templum Divi Augusti
In der sakralen Hierarchie des Arvalkultes stand das
Templum Divi Au-
gusti unmittelbar hinter dem Kapitol. Die Aussage Suetons über das Brük-
kenprojekt Caligulas
29
un d die Ortsangab e
in Palatio*
0
der Arvalakten be
stätigen die Lage des Heiligtums in der Talsenke zwischen Kapitol und
Palann.
Die Daten der Opferzeremonien der Arvalbrüder beziehen sich unter
Caligula hauptsächlich auf den vergöttlichten Augustus. Die obligatori
schen Zeremonien der Arvalbrüder erfolgten an seinem dies imperii, an
läßlich der Konsulatsübernahme und am Tag seines Einzugs in die Stadt
nicht nur - wie bereits ei-wähnt - auf dem KapitoL, sondern auch vor dem
Heiligtum des vergöttl ichten Augustus. Da unter Caligula auch die übri
gen in den Arvalakten bezeugten Kultstätten in engem Bezug zu Augustus
standen,
31
l iegt der Schluß nahe, Caligula habe versucht, sich unter Aus
klammerung des Tiberius unmittelbar in die Tradition des ersten Prinzeps
zu stellen, um dadurch seine Herrschaft zu legitimieren.
32
27
Ebd., 55-95.
28
Dazu zählen beispielsweise außerreguläre Gelübde
pro
saltae
et
reditu
Neron is.
29
[...] super templum Divi Augusti ponte transmisso Palatmm CapitoUwmque
coniuxit.
(Suet. Cal. 22, 9).
30
HÄNLEIN-SCHÄFER 1985,124 gelang
es,
plausibel nachzuweisen, daß die in den
Ai-valakten bezeichnete Lage des Tempels in Pabuio als Angabe der Region gedeu
tet werden muß. Es handelt sich hier um die regio
X, Palatiwru,
die sich bis in die
Talsenke des Forums erstreckte.
31
Als Beispiele seien hier nur die
ara
Providentiae,
die
ara Paris
oder das Stand
bild des Augustus am Marcellustheater erwähnt.
32
Diese enge Bezugnahme auf Augustus wird u. a. durch ein Opfer am
23.
April
38 n. Chr. sehr deutlich (SCHEID 1998, 30, Z.
26).
Dabei opferten die Arvalbrüder
vor einer Statue des Augustus beim M arcellustheater. Der
23.
April war der
Tag
der
Dedikation des Kultbildes durch Livia und Tiberius im Jahr 22 n. Chr. (vgl. auch
Cass.
Dio 59, 3, 7).
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96
Babett Edelmann
In ähnlicher Weise scheint Nero den Bezug zu Augustus gesucht zu
haben, dehnte er doch sogar die jährlichen vota auf den Tempel des Divus
Augustus aus un d feierte eben so wie Caligula die Jahrestage seines K on
sulates und seines
dies imperii
nicht nur auf dem Kapitol, sondern auch im
Augustustempel. Die Bedeutung der Arvalbrüder für die Inszenierung von
Opfern aus aktuellem polit ischem Anlaß spiegelt sich in einem Opfer am
23. Jun i 59. A n diesem Tag vollzogen die Ai-valbrüder Op fer auf dem
Kapitol, im Augustustempel und auf dem Augustusforum- Grund dieser
Opferprozession durc h die gesamte Stadt w ar die Sorge u m das W ohl des
Kaisers und seine Rückkehr nach Rom, das er nach der Ermordung Agrip-
pinas im März verlassen hatte.
33
Vor allem Caligula und Nero nutzten das Prestige, das sich mit dem
Augustustempel verband, um ihren Herrschaftsanspruch an bedeutenden
Tagen der Dynastie - im besonderen an solchen Tagen, die einen Bezug zu
Augustus herzustellen vermochten - durch Opfer zu legitimieren und sich
in die Tradition des ersten Prinzeps zu stellen. Die Person des Augustus
spielte mithin als Legitimationsargument im Herrscherkult seiner Nach
folger eine zentrale Rolle.
Die psychologische Komponente öffentlicher Sakralhandlungen, wie sie
die Arvalbrüder zelebrierten, darf nicht unterschätzt werden. Das legen
auch die Opfer der Arvalen auf dem Kapitol und im Tempel des Divus
Augustus anläßl ich der Rückkehr Neros nach der Ermordung seiner Mut
ter nahe. Die Botschaft, die dadurch vermittelt wurde, lautete: Rechtfer
t igung der Tat im Namen des Augustus und Sanktionierung dieser und
künftiger Maßnahmen kraft dynastischer Tra<dition.
Die Einbindung der Arvalbruderschaft und ihrer religiösen Kulthand
lungen in den Herrscherkult eröffnete den römischen Herrschern also
zum einen die Möglichkeit, die sich von Kaiser zu Kaiser wandelnden
polit isch-dynastischen Ausrichtungen nach außen zu tragen, zum anderen
boten sie aber auch ein flexibles Instrumentarium, das in der Lage war,
kurzfristig auf tagespolitische Ereignisse zu reagieren und vor allem durch
die kultische Topographie gezielt Botschaften an die Öffentlichkeit zu
transportieren. Die polit ische Inanspruchnahme der Arvalbruderschaft be
saß darüber hinaus aufgrund ihrer lokalen Ungebundenheit
34
e inen mani-
pulativen Spielraum, der es ermöglichte, je nach Maßgabe der Erforder
nisse eine den kultischen Ereignissen angemessene und deren Aussage un
terstützende Topographie zu wählen.
33
Tac. A nn. 14, 10, 3; 14, 13, 1; vgl. auch SCHEID 1990, 394-400.
34
Erst ab dem Jahr
7
n . Chr. scheint der Tempel der Concordia auf dem Forum
Komanum
dem Kollegium der Arvales
fratres
als stadtrömischer Sitz zugewiesen
worden zu sein (SCHEID 1998, 146ff.)-
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Arvalbrüder und Kaiserkult
197
4 Diskrepanzen zwischen den historischen Quel len
und den Arvalakten
Aedis Apollims
Das erste Beispiel der
Aedis Apollinis^
soll den Fall einer Kultstätte
auf-
zeigen, die in den literarischen Quellen als Zentrum des Kaiserkultes dar
gestellt ist, in den Arvalakten aber nicht erwähnt wird.
36
Die literarischen
Quellen zum Tempel des
Apollo Palatinos
vermitteln den Eindruck, diese
Kultstätte sei - vor allem wegen ihres engen Bezuges zum Haus des Au
gustus - als eine der zentralen Stätten des Herrscherkultes konzipiert wor
den. In den Arvalakten der julisch-claudischen Epoche erscheint der Tem
pel des palatinischen
Apoll
jedoch lediglich ein einziges Mal irn Juni 15
n.Chr. anläßlich der Kooptation eines neuen Mitglieds der Bruderschaft.
Im Spiegel der Arvalakten scheint der
Apoll-Tempel
also keine zentrale
Bedeutung für den Kaiserkult der julisch-claudischen Epoche besessen zu
haben Eine Erklärung dieser Diskrepanz zwischen literarischen Quellen
und Arvalakten könnte in der von Augustus in den Jahren vor und nach
Actium präferierten
37
hellenistischen Prägung des A^o//-Kultes vermutet
werden.
Apoll
nahm für ihn in dieser Phase eine zentrale Position als der
Gott ein, der das neue Zeitalter symbolisierte.
3
* Das unterstreichen auch
die Münzemissionen der Jahre vor 27 v. Chr.,
3
* die eine Angleichung der
Bildnisse vo n Apoll und Augustus erkennen lassen.
40
Daneben verzeichnen
35
Als wichtigste Beispiele seien hier nur Ov. fast. 4,
953f State Palatvnae laurus
y
praetextaque queren /stet domus: aetemos tres, habet una deos\ Asc on. tog. can d 80
his temporibus
...
nobüissima
und Vell. 2, 81, 3
ab eo (Au gusto) singidari extrttctttm
munificentia, est
zitiert. VgL auch Mon. Ana 4, 1; Prop. 2, 31, 9f£j Plin. nat 34, 24,
32; Suet. Aug. 29, 3; los. bell. lud. 2, 81; Ov. trist. 3, 1, 60; Serv. Aen. 8, 720; Verg.
georg. 3. Der Tempel des palatinischen Apoll war aus Anlaß des Sieges von Nau-
locho s gegen Sex. Pom peius gelobt wo rde n Cass. Dio 49, 15, 5). Seine Ded ikation
fand am 9. Okto ber 28 v . Chr. statt. Cass. Di o 53, 1, 3; Fasti Arval. [Inscr. It. XIII
2, 37]).
3 6
Vgl. C ARE TTON I 1988; GR OS 1993.
37
Die nach dem Muster hellenistischer Palast-Heiligtümer - vor allem dem der
pergamenischen Ak ropolis, die gleichzeitig W ohnsitz der Attaliden un d Tempel der
Athena war - errichtete Anlage des
Apollo-Palatinus-Tempeh
unterstreicht diese
Annahme vgl ZANKER 1983).
38
D ie Ü berführung d er sibyllinischen Bücher auf den Palatin Suet. Aug . 31)
sowie die Saecularspiele 17 v. Chr. zeugen von dieser Bedeutung des palatmischen
Apoll für Augustus.
39
LlEGLE 1991.
4 0
Vgl. A LF ÖL DI 1973, 51; LAMBRECHTS 1988.
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198
Babett Edelmann
die Fasten der Arvalbrüder einen Festtag am 9. Oktober - also dem Tag
der Weihe des Apo//-Tempels ~ eines Jahres vor 21 v. Chr.
41
Dieser Festtag
belegt, daß die Arvalbrüder zu dieser Zeit als Träger des Kaiserkultes sehr
wohl auch dem palatinischen
Apoll
opferten, diesem Gott also in den 20er
Jahren des ersten Jahrhunderts v. Chr. noch eine besondere Rolle im kul
tischen Ritual der Arvalbrüder zugedacht war. Danach aber tauchen -
abgesehen von der Kooptation des Jahres 15 n. Chr. - weder Apoll noch
sein palatinischer Tempel in den Akten der Axvalbruderschaft wieder auf.
Daher drängt sich der Eindruck auf, Augustus habe ein Seheitern seiner
griechisch-hellenistisch geprägten apollinischen Politik der frühen Jahre
sowohl auf dem religiösen als auch auf dem politischen Sektor befürchtet
und daraufhin den Versuch zugunsten einer formal eher republikanisch
konservativen Politik aufgegeben. Das bedeutete, daß in der Folgezeit der
Apo//-Kult hellenistischer Ausprägung zumindest im Rahmen der Vereh
rung des Prinzeps und seiner Familie traditionell römischen oder neuen
augusteischen Göttern weichen mußte.
Dieses politische Umdenken des Augustus nach dem Jahr 27 v. Chr.
zeigt sich auch im Umgang mit dem Kult des
Divus Iulius.
Der Bau des
Divus-Iulius-Üem peh
auf dem F orum fiel noc h in eine Zeit, in der die
Anlehnung an das Erbe des vergöttlichten Caesar stark propagiert wurde.
Die Errichtung des Augustus-Mausoleums, des Apo//-Tempels und des
Pantheon s ergeben gemeinsam m it dem Bau dieses neuen Tempels das Bild
eines Plans, in dessen Mittelpunkt die Errichtung einer Monarchie nach
hellenistischem Modell stand. Nach Actdum und der Überwindung der
Gegner, spätestens aber nach de m Januar 27 v. Chr. galt es, eine neue
innenpolitische Ordnung zu errichten, die der Sonderstellung des Augu
stus eine dauerhafte Basis verlieh. Die neue Machtposition war nicht ohne
Kompromisse und Zugeständnisse an Senat und Aristokratie zu halten.
Dieser Situation hätte die kultische Verehrung Caesars sowenig entspro
chen wie die Einbeziehung des
Apoll
in den Herrscherkult. Daher spielte
der
Divus Iulius
im Kaiserkult der Arvalen ebensowenig eine Rolle wie
der Apollo Palatinus.
Ära Providentiae
Mit d em Altar der
Providentia
kehrt sich das bisher vorgegebene Schema
um ,
d. h. hier liegt eine offensichtlich bedeutsame Stätte des He rrsch er
kultes vor, die uns in den literarischen Quellen nicht begegnet. Die
ara
41
Fasti Azval. Inscr. It. 20 D 2, 37).
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Arvalbrüder und Kaiserkult
199
Providentiae
ist lediglich auf einer M ün ze au s tiberischer Ze it belegt, auf
der vor allern ihre Ähnlichkeit mit der
ara Pacis
auffallt.
42
Für die Zeit Caligulas sind zwei Zeremonien an dieser Ara nachgewie
sen,
43
die über die Lage des Altars und seine Bedeutung Aufschluß geben
kö nne n. Vo r a l lem das D atu m des 26. Ju ni, an d em die Arvalen i m Jahr 38
n. Chr. ein Opfer an der
ara Providentiae
darbrach ten, rüc kt dabei in den
Mit te lpunkt der Erwägungen.
Bis vor wenigen Jahren wurde aufgrund der numismatischen Beweise
als hypothetisches Jahr der Errichtung bzw. Dedikation des Altars der
Providentia
das Jah r 29 n. C hr . angen om me n, das 25. Jahr nach der A d
opt ion des Tiber ius. Diese Vermutung wurde jedoch durch das von WER
NER
ECK
1996 publizierte
senatus consultum
über den Prozeß gegen
Cn.
Calpitrnius Piso aus dem Jahr 20 n. Chr. widerlegt.
44
In diesem Senatsbe
schluß heißt es, der Name des Piso sei aus dem Titulus einer Statue des
Germanicus zu entfernen, welche die
sodales Augustales »in campo ad
aram Prouidentiae«
45
aufgestellt hätten . D er Altar m u ß folglich spätestens
am Todestag des Germ anicu s, dem 10. O kt ob er 19 n. Ch r. , bestanden ha
ben. Es stell t sich' daher die Frage nach Zeitp un kt u n d G ru nd seiner E r
richtung. Die Arvalakten liefern einige Anhaltspunkte für die Beantwor
tung, vor allem, wenn man arvalische Kulthandlungen an der
ara Provi
dentiae
mit jenen an der
ara Pacis
vergleicht. A m
30.
Jan uar un d am 4. Juli
38 n. C hr . fande n Opfer an der
ara Pacis
statt. Dab ei han delte es sich beim
4.Juli um den Jahrestag ihrer Stif tung
[dedicatio)
im Jahr 13 v .C h r . /
6
wa hrend der 30. Janua r 9 v. C hr. den Tag ihrer Weihe constitutio) mar
kierte.
47
Das Opfer der Arvalen am 26-Juni 38 n. Chr. könnte nun - par
allel dazu ~ den Jahrestag der Stiftung der
ara Providentiae
gefeiert haben.
Da wir annehmen können, daß Caiigula den Jahrestag der Adoption seines
wenig geliebten Vorgängers, dessen Divinisierung er , wenn nicht verhin
dert , so doch zumindest nicht wirklich forciert hat/
8
nicht zum Anlaß für
42
BMCRomEmp I, 139ff. Nr. 146-450.
43
Am 26. Juni 38 n. Chr . fand ein Opfer
in
campo grippae
ad aram Prouiden-
tiae Augustae
statt (SCHEID 1998, 30, Z.56), das den Jahrestag der Adoption des
Tiberius feiert (4 n. Chr.) (vgl. Vell. 2, 103, 3). Eine zweite Zeremonie wurde zwi
schen dem 16. und 25. Oktober 39 n. Chr.
ad aram Proaidenüa{e Augustae]
ver
zeichnet (SCHEID 1998, 37, Z.5). Die Vermutung, der Anlaß habe in Zusammen
hang mit der Verschwörung des Lenculus Gaetulicus gestanden, scheint sinnvoll
(Cass.
Dio 59, 22, 5; Suet. Cl. 9).
44
E C K 1996.
45
Ebd., 45.
46
Fasti Amit. (Inscr. It. XIII 2, 176).
47
Fasn Praen. (Inscr. It. X11I 2, 116f.).
48
Cass. D io 59, 3, 7.
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2
Babett Edelmann
Opfer gewählt hat, und weil die
Providentia Augusta
die Voraussicht des
ersten Prinzeps für den Erhalt der gesamten Dynastie symbolisierte, .läßt
sich die These aufstellen, Tiberius selbst habe die
ara Providentuie
in Ver
bind ung z um Tag seiner A do pti on gesetzt . In diesem Fall wurde sie am
26. Jun i entw eder gestiftet o der geweiht. N u r so erklä rt sich, daß C aligula -
parallel zum Opfer am Stiftuixgstag der
ara Paris
- auch am Stiftungstag
der
ara Providentuie
ein O pfe r vo n de r Ai-valpriesterschaft dar brin ge n
ließ.
Daraus ergeben sich einige Schlußfolgerungen für die Einbindung der
ara Providentuie
in de n HeiTScherkult. Bei de r Verehru ng de r
Providentia
handelte es sich um einen Kult der klugen Voraussicht des Augustus, der
mit der Regelung seiner Nachfolge für den Staat Sorge getragen hatte. Daß
eine Statue des Germamcus bei dem Altar stand, kann nicht verwundern,
hatte doch Augustus vorausschauend dafür gesorgt, daß Tiberius - even
tuell sogar am selben Tag seiner Adoption durch Augustus, am 26. Jun i, -
Germamcus adoptierte. Die
Providentia
be zo g sich also nicht n u r auf die
direkte Nachfolge des Augustus, sondern auf den Erhalt der julischen
Dynast ie überhaupt .
Das führt wiederum zu der Frage, wann beschlossen wurde, dieser au
gusteischen Eigenschaft einen Kult zu stiften und einen Altar zu errichten.
Es ist möglich, daß Adoption und Beschluß über den Bau des Altars in
dasselbe Ja h r 4 n. C hr . fielen. N ac h dem To d d er potentiellen E rbe n C .
un d L. Caesar muß te beto nt we rden, daß die Dyn astie fortleben werde
und die Voraussicht des Augustus nicht versagt hatte.
49
Als Standort des Altars wird gemeinhin die der
ara Paris
gegenüberlie
gende Seite der
via Flaminia
auf dem
campus Agrippae
angenommen. Es
49
Dagegen argumentiert ECK, es sei angesichts der unglücklichen Nachfolgere
gelung 4 n. Chr. für Senat und Prinzeps untypisch gewesen, die hypothetische
Nachfolge noch zu Lebzeiten des Augustus mit einem Altar zu ehren. Er hält es für
wahrscheinlicher, daß der Altar zwischen Herbst 14 und 17 n. Chr. errichtet wur
de.
Dafür spräche, so ECK, auch die Nichterwähnung des Baus in den Res Gestae,
die zuletzt 13 n. Chr. überarbeitet wurden (ECK 1996, 200). Dem ist jedoch ent
gegenzuhalten, daß auch andere gesicherte augusteische Altäre keine Erwähnung in
den
Res Gestae
fanden. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang eine mögliche
Ergänzung der
Fasti Praenestini,
die
RÜSSEL SCOTT
für den
17.
Januar vorschlägt,
d. h. den Tag, für den seit MOMMSENS Ergänzung die
dedicatio
einer
ara numinis
Augusti angenommen wird (Inscr. It- XIII 2 ,115). SCOTT geht- anders als M O M M -
SEN - davon aus, daß es sich hier nicht um den Jahrestag der Dedikation einer
ara
numinis Augusti handele, sondern um den Tag, an dem im Jahr oder 7 n. Chr. die
ara Providentuie
von Tiberius geweiht worden sei, was angesichts einer Stiftung am
26L Juni 4 möglich erscheint (SCOTT 1982, 441).
8/19/2019 Hubert Cancik, Konrad Hitzl, Hrgs. (2003). Die Praxis Der Herrscherverehrung in Rom Und Seinen Provinzen. Tübin…
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Arvalbrüder
und
Kaiserkult
201
wird dabei stets von einem engen architektonischen und propagandisti
schen Zusammenhang zwischen beiden Bauwerken ausgegangen.
50
Die
Ausführungen
von
EDMUND BUCHNER
zur ara Pacis
haben indes deutlich
gemacht,
daß
dieser Altar
in
direkter Beziehung
zum
Horologium
des
Augustus stand und sogar topographisch in dessen Liniensystem einbe
zogen war.
51
Darüber hinaus haben bereits
die
Ausgrabungen
1937 ge-
zeigt, daß der Altar 35 m von der via Flaminia entfernt lag. Diese Entfer
nung ist zu groß, als daß von einem architektonischen Gesamtkonzept von
ara acis
und
ara Providentuie
auszugehen wäre. Ferner
ist
kein Sinn darin
erkennbar, auf der Rückseite der ara Pacis einen zweiten Altar ähnlicher
Bauweise
zu
errichten.
Die
Annahme,
die
ara Providendae
sei in die
Park-
und Gartenanlage
des
campus Agrippae
landschaftlich eingebunden
ge-
wesen, erscheint daher weitaus wahrscheinlicher, zumal die ara Providen
tiae
nur
ihren Eigenwert eingebüßt hätte, wäre
sie in den
topographisch
und ideologisch aufeinander abgestimmten Komplex der
ara Pacis und der
Sonnenuhr eingebunden worden.
Die Altäre der Pax Augusta
und der
Providentia Augu sta standen
wie
kaum
ein
anderes Bauwerk
für die
kultische Verehrung
des
Augustus
zu
seinen Lebzeiten. Sie symbolisierten nicht nur den Frieden und die Vor
aussicht
bzw.
eine
Are
göttlicher Vorsehung, sondern Au gustus selbst trat
als
die
Person ifikation dieses Friedens
und
dieser Vorsehung
auf. Die Op-
fer der fratres Arvales unter Caligula an diesen Altären schlugen gleichsam
eine Brücke
zu
Augustus
und
dienten somit
der
Legitimation
der
eigenen
Herrschaft. Caliguks Weg zur Apotheose verlief also über die A bstraktio
nen, die seine Vorgänger etabliert hatten. Schon darin wird deutlich, daß es
nur
ein
kleiner Schritt
vom
Kult
für Pax und Providentia zum
Kult
für
Augustus selbst
war.
Daher
ist
schwer vorstellbar,
daß die
Masse
der Be-
völkerung die intellektuelle Trennlinie zwischen der Verehrung der Ab-
straktionen
des
Kaisers
und der
kultischen Verehrung
des
Kaisers selbst
vollzog.
52
50
VgL u. a. R O D D A Z 1984 127; TORELLI 1999 166.
5 1
B U C H N E R
1976.
52
Außer
den
Altarbauten
für Pax
Providentia
und
Gens IuUa sind
in
den über
lieferten Fragmenten der Arvalakten k eine Altäre als Ku lt- und O pferstatten belegt.
Die großen literarisch
und
epigraphisch b elegten augusteischen A ltäre
wie die ara
Fortuna Reducis
oder die ara
Cereris Matris
et
O pis Augustae
werd en dort nicht als
Kultstätten aufgeführt.
Sie
dürften aber durch ihre
auf den
ersten Prinzeps zuge
schnittene Erscheinung das Gesamtbild des Herrscherkoltes in Rom mitgeprägt
und einen entscheidenden Beitrag
zur
Visualisierung seiner kultischen Sonderstel
lung geleistet haben.
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2 2
Babett Edelmann
5
fratres Arvales
- P riestersc haft m it Son der Status?
Abschließend sollen die Arvalbrüder noch einmal als Träger des Kaiser
kultes in den Mittelpunkt rücken und der Frage nachgegangen werden, ob
diese stadtrömische Priesterschaft tatsächlich die Sonderstellung besaß, die
die einmalige Quellenlage glauben macht. Sind die Akten der Arvalen also
überliefert, weil sie tatsächlich eine außergewöhnliche Stellung im römi
schen Kaiserkult besaßen, oder verdanken sie ihre heutige Bedeutung nur
dem Umstand, daß ihre Akten überliefert sind? Eine Antwort auf diese
Frage ergibt sich, wenn man die Rolle des Augustusforums im Zeremo
niell der Arvalbrüder beleuchtet.
Daß Augustus die Anlage des Forums mit dem Tempel
des Mars Ultor
als zentrales Projekt betrachtete, entnehmen wir seinen
Res GestaeP
D a
he r ist es - w ie im Fall des
Apollo-Palatinus-Tem pels
- verwun derlich, daß
in den Arvalakten nur zwei Opferzeremonien auf dem Augustusforum
verzeichnet sind, die beide in die Sommermonate des Jahres 59 n. Chr.
fallen,
54
daß also weder Tiberius noch Gaius oder Claudius den Arvalen
den Auftrag erteilten, hier zu opfern.
Einen Erkläningsansatz bietet eine Inschrift der Salier am Tempel des
Mars Ultor die über die Rolle dieser Priesterschaft im Kult des Mars
Auskunft gibt.
55
Die Inschrif t berichtet davon, daß die Gebäude der pa-
latinischen Salier - Aufbewahrungsorte der heiligen Waffen des Mars -
von den
pontifices
der Vesta wiederhergestell t wurden. Diese Nachricht
läßt sich so deu ten , da ß die Waffen in der Kaiserzeit wo hl nic ht m eh r - wie
zu republikanischer Zeit - in der
regia
aufbewahrt wurden, sondern im
neu errichteten Tempel des
Mars Ultor
auf dem Forum. Diese lokale Ver
änderung könnte aus einer Neuorganisation des Salierkultes unter Au
gustus resultiert haben, der spätestens mit der Übernahme des Ober-
pontifikats 6. M är z 12 v. Ch r.) die sakralrechtliche K om pe ten z für eine
derartige Neuerung besessen hätte. Die Neuordnung sah demzufolge eine
stärkere Anlehnung des Salierkultes an den Kult des
Mars Ultor
vor . Daß
besonders die in der Inschrift erwähnten palatinischen Salier davon be
troffen wa ren, erklärt sich aus der k ultischen Praxis, de nn d ie palatinischen
Salier waren gemeinsam mit dem
flamen Martialis
dem Mars als Priester
schaft zugeordnet. Es wäre für Augustus also naheliegend gewesen, gerade
dieser hoch angesehenen Priesterschaft die neue Kultstätte zuzuweisen.
56
53
Mon. Anc. 21.
54
SCHEID 1998, 71.
55
CIL VI 2158 = ILS
9 ;
vgl.
HERZ
1996.
56
H E R 2 1996, 268.
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Arvalbruder und Kaiserkult
2 3
Die Nachr icht in den
Res Gestae
von der Aufnahme des Augustusnamens
in das Salierlied
57
ist ein weiteres Indiz dafür, daß Augustus auch zu dieser
SodaKtät enge Verbindungen pflegte und daß möglicherweise auch die pa-
latinischen Salier auf Kaiserkult und Kaiserhaus ausgerichtet wurden. Hat
ma n hier also die- kultische N euo rgan isatio n einer archaischen Priester
schaft mit speziellen Funktionen im Kaiserkult nach dem Modell der Ar
valbrüder anzunehmen? Betrachtet man die ideologische Gestaltung und
Symbolik des Augustusforums, ist es durchaus denkbar, daß die palatini-
schen Salier mit ihrem Umzug auf das Forum Augustum eine verstärk te
Einbindung in den Kaiserkult erfuhren, eventuell unter einem militäri
schen Aspekt.
58
Trifft diese Hypothese zu, fiele ein relativierendes Licht
auf die Arvalbrüder, da anzunehmen wäre, sie seien eine unter vielen auf
den Kaiserkult ausgerichteten Priesterschaften und Sodalitäten gewesen,
die ihren Sonderstatus heute lediglich dem Umstand verdankt, daß ihre
Akten überliefert sind. Die Anzahl der auf den Herrscherkult bezogenen
Kulthandlungen müßte entsprechend um ein Vielfaches erweitert und die
Frage nach der kultischen Zurückhaltung des Augustus in Rom neu be
werte t werden.
Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus möglich, daß die kulti
sche Topographie des Herrscherkultes in Rom, wie sie uns in den Arval-
akten entgegentritt, lediglich einen Bruchteil der Realität vermittelt.
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57
Mon. A na 10.
58
Der militärische Aspekt ergäbe sich aus der Verbindung der alii mit dem G ott
Mars.
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egionale Studien
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Kaiserkult und Kaiserverehrung in den Koina
des griechischen Mutterlandes
von
K A J A H A R T E R - U I B O P X T U
Eine der offensichtlichsten Änderungen im öffentlichen Leben der grie
chischen Polis in der Kaiserzeit war die Einführung des Kaiserkultes. Epi
graphische literarische und archäologische Quellen geben Auskunft über
die Organisation der Feierlichkeiten für die neuen Götter und die Bauten
zu deren Ehren. Dieses Phänomen soll hier auch auf der Ebene der Koina
untersucht werden um die Frage erörtern zu können wie sich diese den
Poleis übergeordneten Institutionen verhielten. Zu erwarten sind dabei -
soviel sei vorweggenommen - die Einführung neuer Priesterämter ebenso
wie die Einrichtung von Feierlichkeiten. Genauso sollen die Quellen zur
Kaiserverehrung auf genom men w erden we nn de nn eine scharfe T rennung
dieser beiden Phänomene möglich ist. Ehrenstatuen und Feierlichkeiten
bei denen die göttlichen Kaiser im M ittel pu nk t stehen kö nn en - auch
wenn Kulthandlungen nicht dezidiert erwähnt sind - Licht auf die Ein
stellung der Koina zum Kaiser in Rom werfen. Eine Gegenüberstellung
der Quellen zum Kaiserkult mit den Quellen zu anderen Kulten und dem
politischen Bereich der Koina soll Aussagen zur Stellung des Kaiserkultes
in den einzelnen Koina ermöglichen.
1
Im Mittelpunkt meines Beitrages
steht damit weniger eine Studie der möglichen Formen und religiösen
As pek te des Ka iserku ltes wie er vo n den verschieden en Ko ina gepflegt
wu rde sondern eine Un tersu chu ng der Au sw irkun g der Einführung des
Kaiserkultes auf die Koina. Die Träger des Kultes sind dabei von größerem
Interesse als die Ge ehrte n dah er w erde n auch Fragen nach der Selbstver
waltung Rechtsprechung und ähnlichen öffentlich-rechtlichen Gebieten
gestellt.
1
Die Idee zur vorliegenden Studie entstand im Rahmen meines Habilitations-
vorhabens »Lokale Autonomie und römische Einflußnahme. Die Verfassung und
Verwaltung der Poleis der römischen Provinz Achaia«.
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210
Kaja
Harter-Uibopuu
Zunächst werden die landschaftlichen Organisationen des Mutterlandes
anhand dreier Beispiele untersucht: das Koinon der Thessaler, das Koinon
der Boioter und das Koinon der Eleutherolakonen.
2
Dabei sind vor allem
die Stellung der Mitgliedsstädte innerhalb des Koinons und ihr Verhältnis
zur Bundesleitung von Interesse, die sich auch in einer interessanten Ge
wichtung der Kultaktivitäten widerspiegeln: Neben den Bundesstaaten,
die als Vertretung einzelner Poleis auch in der Kaiserzeit weiterlebten,
existierten auch überregionale Verbände, in denen Poleis ebenso wie Bun
desstaaten zusammengeschlossen waren. So stehen im zweiten Teil der
vorliegenden Studie die Panachäer, die Amphiktyonie von Delphi und das
Panhellenion im Mittelpunkt. Auch in diesen Organisationen wurde der
Kaiserkult eingeführt, im Falle des Panhellenion bildete er sogar den Kern
der Bundesaktivitäten.
In der gebotenen Kürze soll auch das Problem eines »Provinzialland-
tages« der Provinz Achaia angesprochen werden. Die meisten anderen
Pro vinzen des römischen Reiches hatten eine Provinzialversamm lung, die
Hauptträger des Kaiserkultes war und eine Vertretung der Städte gegen
über dem Kaiser wahrnahm. Warum läßt sich weder unter den landschaft
lichen Organisationen noch unter den überregionalen Verbänden die Vor
machtstellung eines einzelnen ausmachen, der als
concilium Achaiae
ange
sprochen werden könnte? Ein kurzer historischer Rückblick und ein Aus
blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse sollen im jeweiligen Fall die
möglichen Gründe für den vorherrschenden Pardkularismus verdeutli
chen.
Die landschaftl ichen Organisationen
Sowohl auf der Peloponnes als auch in Mittelgriechenland - also dem
Kerngebiet der späteren römischen Provinz Achaia - beherrschten wäh
rend des Hellenismus Bundesstaaten das politische Geschehen. Ihr Wei
terleben und ihre Entwicklung sind für das 2 und 1.Jh. v.Chr. unter
sucht, eine eingehende Studie zu den Koiia in der Kaiserzeit fehlt derzeit
noch.
3
Für diese Zeit der Eingliederung Griechenlands in das Imperium
Romanum stellt sich vor allem die Frage nach den Funktionsweisen der
Koina in politischer Abhängigkeit und deren Tätigkeitsbereichen.
2
Das Koinon der Achaer, das in der zu untersuchenden Zeit die meisten Zeug
nisse hinterlassen hat und zu den aktivsten Organisationen des Mutterlandes
gezählt werden kann, ist Gegenstand einer noch unveröffendichten Studie von
A. HUPFLOHER.
3
MARTIN 1984.
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Kaiserkult und Kaiserverehmng
211
Das Thessalische Koinon
197 v. Chr., nach der Niederlage bei Kynoskephalai, mußte Makedonien
alle griechischen Gebiete an Rom abtreten, darunter auch Thessalien.
4
196
v. Chr. wurde das Thessalische Koinon wieder gegründet, wobei es keine
direkten Hinweise auf römische Einflußnahme auf die Gestaltung der
Bundesverfassung gibt. Interessant ist aber, daß Livius von einem Ein
greifen des Flamininus in die Stadtverfassungen in Thessalien berichtet, in
denen er den Rat und die Richterstellen nach dem Vermögen besetzte.
5
Das Koinon selbst scheint seit dieser Zeit keine primäre Bundesversamm
lung mehr besessen zu haben, die Entscheidungen wurden von einem Syn-
edrion von Repräsentanten gefällt, das unter der Leitung eines Strategos
stand.
6
Beachtlich ist die Sonderstellung, die Thessalien um die Mitte des
2.
Jh. v. Chr . innehatte: es behielt die v o n F lamininus zugesicherte Freiheit
auch nach seiner Angliederung an die Provinz Macedonia und wurde 146
v. Chr. nicht aufgelöst.
7
31 v. C hr . gelangte Thessalien unter Octavians Kontrolle, der es zum
Eckstein seines G riechenlandprogramm es machte. Bereits 27/6 v. Chr. war
er selbst Strategos des Koinons (IG EX 2, 415b) und schlug diesem die
Gebiete der Ainanen, Oitaier und Doloper zu. Seit dieser Zeit führte das
Koinon - um den Kaiser zu ehren - den Namen
Sehasteon
Verschiedene
Gründe werd en für Augu stus Interesse an Thessalien genannt, darunter
die Mög lichkeit, eine Kontrolle für Makedonien zu haben, der große land
wirtschaftliche Reichtum in den Ebenen und die Ressourcen für die Ka
vallerie. Darüber hinaus bestanden zumindest seit Flamininus
>
Eingreifen
in die Stadtverfassungen gute Kontakte zwischen der herrschenden Schicht
in Thessalien und dem römischen Senat.
8
Die Institutionen des Koinons in der Kaiserzeit sind bekannt: die Ent
scheidungsfindung oblag dem Bundesrat (Synedrion),
9
der unter der Lei
tung eines eponymen Strategen stand, welcher durch Inschriften und
Münzen gut belegt ist. Dazu findet sich ein Grammateus als stellvertre
tender Leiter. Im Hipparchos und im Tarantinarchos haben sich alte mi
litärische Ämter erhalten, wenn auch der genaue Aufgabenbereich nicht
bekannt ist.
10
Weiterhin wurd en der Kult der Athena Itonia in Philia -
4
Pol. 18,44,3; Liv. 33,30,2.
5
Liv. 34,51,4-4.
6
MARTIN 1984, 12 64.
7
LASSEN 1938, 219-220; MARTIN 1984,
38ff.
6
BUKKER 1993, 5ff; HEIJLY 1980, 35; zur weiteren Geschichte siehe HABICHT
1987.
9
SEG 37, 492 und 493
10
HELLY 1980, 37ff.
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212
Kaja Hairer-Uibopuu
hierbei handelt es sich wohl um das Bundesheiligtum - und des Zeus
Eleutherios vom Koinon gepflegt Die Münzprägung Thessaliens in der
Kaiserzeit zeigt, daß stets eine Bundesprägung vorgenommen wurde, in
der die Münzen nach den Stra tegen dat ier t wurden. Neben Münzen mit
Kaiseipor trä ts werden auch Münzen ohne dieses geprägt, sogenannte
pseudoautonome Münzen. Zu Zei ten des Augustus, Tiber ius und Clau
dius findet sich zusätzlich ein für Griechenland einzigartiger Münztyp, der
lediglich das Po rträ t und die Um schrif t Thessalon Sebasteon trägt, ein Zei
chen für das Selbstbewußtsein des Koinons.
11
Die Tatsache, daß die Bun
desprägung bis in die Zeit des Gallienus vorherrschend war, zeigt den
engen Zusammenhalt der thessalischen Städte und die relativ starke Stel
lung des Koinons.
Zu den Aktivitäten des Koinons wird neben der Selbstverwaltung stets
die Gerichtsbarkeit angeführt, die durch zwei Textzeugnisse belegt ist. IG
IX 2, 261 enthält Regelungen in einem Grenzstreit zwischen den beiden
thessalischen Städten Kierion und Metropolis. Sie hatten sich an den rö
m ischen Legaten C. Po ppa eus Sabinus g ewandt, der seinerseits dem
Grammateus des Synedrions des thessalischen Koinons ein Schreiben zu
kommen ließ, in dem er das Synedrion aufforderte, die Angelegenheit al
leine zu entscheiden. Daraufhin fand vor dem Synedrion eine Verhandlung
statt , deren Ausgang in einer geheimen Abstimmung bestimmt -wurde.
Deutlich zeigt der Text, daß in den Augen des römischen Legaten das
Koinon selbst für die Verwaltung seiner Gebiete zuständig war, vor ver
allgemeinernden Aussagen muß aber gewarnt werden, da im Fall der Strei
t igkei ten zwischen Lamia und Hypata der römische Amtsträger , der Pro-
consul unter Hadrian, den Konflikt selbst entschied und von einer Mit
wirkung des Koinons, das zu dieser Zeit sicher noch bestand, nicht ge
sprochen werden kann.
12
Auch der zweite Text zur Ger ichtsbarkei t des
Koinons, D 48,6,5,1 Marcianus libro quarto decimo institutionum) muß
mit Vorsicht gelesen werden. In einem Reskript an das Koinon der Thes-
saler stell t Hadrian fest , daß in Fällen der Anwendung von vis zunächst
über diese geurteil t werden mußte, bevor der eigentliche Eigentumsstreit
geklärt werden konnte. Daß diese Stelle Gerichtsbarkeit des Koinons be
lege,
13
scheint überinterpretiert, denn es ist keinesfalls anzunehmen, daß
Eigentumsstreit igkeiten aus der Kompetenz der Poleis vor ein Bundesge
richt gezogen worden waren. Das hieße nämlich, daß ein Großteil der
11
BURRER 1993, .
12
ILS 5947a, contra BURRER
1993,
16.
13
BUR RER 1993, 15.
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Kaiserkult und Kaiserverehrung
213
alltäglichen Prozesse um konkurrierende Ansprüche nicht von den nor
malen Gerichten der Polis sondern von Bundesgerichten, die aus Abge
sandten verschiedener Poleis zusammengesetzt waren und nicht immer
tagten, hätten entschieden werden müssen. Das aber ist höchst unwahr
scheinlich. Mit großer Sicherheit belegt aber die Quelle einen Fall, in dem
die thessalischen Städte in ihrer Anfrage an den römischen Kaiser durch
das Koinon vertreten worden waren, eines der Rechte der Provinzialland-
tage.
14
Die Quellen zum Kaiserkult und zur Kaiserverehrung im Thessalischen
Koinon sind äußerst spärlich. Es ist nicht bekannt, in welcher Stadt das
Zentrum des Kaiserkultes des Koinons beheimatet war, es bieten sich mit
Larisa un d H y p at a zwei Städte an. Larisa - das vo n Strabon 9,5,3) als
bedeutende Stadt bezeichnet wird - war weiterhin Zentrum des Landes
un d Ha up tstad t des Bundes, hier w urd e der vom Ko inon organisier te Kult
des Zeus Eleutherios gefeiert.
1S
Möglicherweise stehen damit auch die in
IG IX 2 614 b erwähnten Kaisareia in Verbindung. Über die Organisation
des Ago ns un d des dazu gehö rende n Festes ist allerdings nichts beka nnt, so
daß über die Kultpraxis im Rahmen dieses Ereignisses keine Aussagen
getroffen werden können. Als sicher hat zu gelten, daß die Bundesämter
des Thessalischen Koinons durch die Einführung eines Archiereus erwei
tert wurden. Dies belegt SEG 19, 402, eine Ehreninschrift der Amphik-
tyonie von Delphi für den thessalischen Archiereus Andronikos aus Me
tropolis. Im Unterschied zu den kleinasiatischen Koina hatte dieser Arch
iereus aber nicht die Leitung des Bundes, die weiterhin beim Strategen
verblieb.
SEG 19, 402: το κοιν[όν τον] | Α μφ ικτυ[όνω ν Ά ν]δρόνεικο[ν — ]ο δώ ρο υ
Θ [εσσ αλον]
p
Μ ητροπο λ[είτην] αρχιερέα τοϋ κ[ο ινο^ το ν Θ εσ]σ<χλ<3>ν κα ι
άγ[ω νοθέτην τ<3>ν] Π υθίω ν, τ χ \ ς [εις αυτούς] εύνοιας κ[αι τής προς τον]
|
10
θεον ειχ7[εβείας και]
|
τής ά λλη [ς αρετής] 3νεκα .
vacat
6
Die Statuengruppen IG IX 2 606 und 607 zeugen von der Verehrung der
Kaiser Claudius, Vespasian und Domitian durch das Thessalische Koinon,
wobei allerdings nur die Inschrift für Clau dius vo n einem Go tt spricht IG
IX 2, 606 a:
[Θ εσ σ α λ ο ί Κ λ α ύ ]δ ιο ν Κ α ίσ α ρ α [Γ ερ μ α ν ικ ο ν ] Σ εβ α σ το ν
θεόν ,
17
die beiden anderen Inschriften enthalten keine Hinweise auf -
sicher nicht in Abrede gestellte -
Göttlichkeit der Kaiser.
14
DEINDJGER
1965,
I6lff
15
Die Spiele wurden unter Augustus erneuert: IG IX 2 , 531 un d 532, u. a.
u
Das Koinon der Amphiktyonen ehrt) den Thessaler Andronikos, Sohn des
-doros,
aus Metropolis, Archiereus des Koinons der Thessaler und Agonothet der
Pythien wegen seines Wohlwollens ihnen gegenüber, seiner Frömmigkeit gegen
über dem Gott und seiner übrigen Tugend.
17
Die Thessaler ehren) Claudius Caesar Germanicus Augustus, den Go tt.
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214
Kaja Harter-Uibopuu
Als zweites mögliches Zentrum des Kaiserkultes wird Hypata genannt,
aus dem zahlreiche Archiereis stammen. Betrachtet man diese Inschriften
aber genauer, zeigt sich, daß es sich bei den genannten Amtsträgern nicht
mit Sicherheit um Archiereis des Koinons handelt, wahrscheinlich hatten
sie dieses Amt in der Polis Hypata inne, wo der Kult der
Tbeoi Sebastoi
im
frühen 2. Jh. n. Chr. eingeführt worden war.
18
Zusammenfassend läßt sich zu den Verhältnissen in Thessalien sagen,
daß der Kaiserkult - obwohl das Koinon selbst in anderen Bereichen sehr
aktiv war - nicht gut belegt ist. Es scheint, als ob die Verehrung und der
Kult der Kaiser eher Angelegenheit der einzelnen PoKs als des gesamten
Koinons war. Untypisch für die Verhältnisse im kaiserzeitlichen Grie
chenland waren die weitreichenden Kompetenzen des Koinons. Der
Grund dafür wird sicher in der Bevorzugung in augusteischer Zeit aus
wirtschaftlichen und militärischen Überlegungen zu suchen sein.
Das oiotiscbe Koinon
Im Unterschied zum Thessalischen Koinon wurde das Boiotische Koinon ,
in dessen Reihen sich stets Widerstand gegen die Machtübernahme durch
Rom gefunden hatte, 146 v. Chr. aufgelöst und wahrscheinlich 140 y. Chr.
wieder hergestellt.
19
Später finden sich keine direkten Beweise für die Exi
stenz des Koinons bis in die Zeit der Thronbesteigung Caligulas. Die In
schriftengruppe IG VII 2711-2713 aus Akraiphia ist das erste und ausführ
lichste Zeugn is z u den Verhältnissen im Boiotisch en Ko inon im 1. Jh.
n. Chr. Gemeinsam mit den anderen Koina Mittel- und Zentralgriechen
lands (den Panachäern, vgl. unten) wollte das Boiotische Koinon zur
Thronbesteigung Caligulas eine Gesandtschaft nach Rom mit den gebüh
renden Glückwünschen für das Wohlergehen des neuen Kaisers entsenden.
Allerdings reichten die finanziellen Mittel des Koinons dazu nicht aus und
so drohte ihm das Ausscheiden aus dem Dachverband. Dies wurde von
Epam einondas, Sohn des Epam einondas, einem Bürger vo n Akraiphia ver
hindert, der die Gesandtschaft auf eigene Kosten unternahm und auch für
die Reisekosten seiner Begleiter aufkam. IG VH 2711 enthält eine Samm
lung von Dekreten, in denen auf diese Vorgänge Bezug genommen wird.
18
SEKUNDA 1997, 216ff. Vgl. z. B. IG IX 2, 32 und 44. Einen Einblick in die
Organisation des städtischen Kaiserkultes gewährt SEG 36, 545 Q eine Freilas
sungsinschrift aus Edbinos. Hierin ist vorgesehen, daß die Hälfte der Einkünfte aus
den üblichen Freflassungsgebühren an die Priester und Agonotheten der Augusti
zu übergeben sei (Z. 4ff.).
19
MARTIN 1984,
178-229;
ROESCH 1965, 71f.; SALMON 1994, 229f.
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Kaiserkult und Kaiserverehrung
215
Darunter findet sich auch ein Ehrendekret des Boiotischen Koinons, das
als wertvolle Quelle für die Verhältnisse im Koinon dient und von den
Verantwortl ichen des Koinons an die Amtsträger von Akraiphia gesandt
worden war (Z .51-77) .
2 0
D ie entscheidungsf indend e In stanz , also de n Rat des K oinon s, b i ldeten
die Naopoioi , Amtsträger, die in der ausgehenden Klassik und im Helle
nismus für den Ne uba u u nd den Erhal t von Tempeln im K oinon zuständig
gewesen waren.
21
Das vorl iegende Psephisma wurde in einer Sitzung an
läßlich der Pamboiotia erlassen. Auch Pausanias erwähnt, daß die Sitzun
gen der Boioter im Heil igtum der Athena Itonia bei Koroneia stat tfanden,
wo die Pamboiotia tradit ionellerweise durchgeführt wurden (9,34,1). Der
Schreiber des Synedrions, der für die Übergabe des Psephisma an die
Akraiphrer mitverantwortl ich zeichnete, wird in IG VII 2871 als Gram-
mateus Naopoion bezeichnet und hat gleichzeit ig das Amt des Epimeletes
der Pamboiotia^ (Z. 2- 4) . Diese enge Verb indun g der Bu ndesleitun g m it
den tradit ionellen Agonen und das Fehlen anderer Nachrichten zum Koi
non legen den Schluß nahe, daß die Ausrichtung dieses Festes, neben dem
die anderen ehemaligen Bundesfeste wie z. B. die Ptoia zurücktreten muß
ten, die primäre Aufgabe des Koinons und somit auch ein Mittel der Iden
t ifikation der Boioter gewesen war. Direkte Nachrichten zum Kaiserkult
im Rahmen dieses Festes sind nicht erhalten.
Auch im Boiotischen Koinon wurde aber das Amt eines Kaiserpriesters
eingeführt, wie der Grabstein IG VII 3426 (Chaironeia) beweist:
öcyaQili
TOOTI. vacat
<t>Xaßiav Aocveucav
TTJV
öcpxiepsiocv
|
Sia ßiou
TO13 TE
KOIVOS
BoicDtcöv Tfjq
| Tca>via<;
AQilvÄq KOCI
xoi3 KOIVOS
<J>aficscöv
£6voi>;
Kai
Tf^q 'Ou-ovoiaq xä>v |
EkXr\va>v
Ttapcc
T<&
Tpcupoüvup,
TTJV
| öcyvoraTriv
iepacpöpov
xf\c, ayiac,
Eicnj5cx^ i e p a a v
8iöc
ßtot>
TfV;
ÖCTO
£eipi&So<;
|
EioiSoq-
6 ßoKöräpxrj«; xo
y' KCCI
ccpxi£peti<; I
10
Siä ßtou
TÜÖV
Zeßacrcäv
KOCL
Tfjq
^aji7cpox(dTTj<;) | Xccipcovecöv KÖ\£<ÖC Xoyicrng IV. Ko<ti>p. | Ae^irato«; Tf^v
7Ä.DicüTdTr|v jUT^TEpa |avii|fi7]<; ocpiani«;
SWEKOC £K rt\
Kaxöc tcc<;
|
SiaOfJKaq
£vroXfi<;-/o xK^9i^jmxTi) ß(o-ü^fj<;) 5(fi|io'ü).
22
20
OLIVER
1971, 22l£f; OLrvER 1989, 69-77 (m it weiterführender Literatur);
D E I -
NINGER 1965, 90f.
21
SCHACHTER
1994,
82ff
22
Gutes Glück Flavia Laneika, Archiereia auf Lebenszeit des Koinons der Boi
oter der Itonia Athena und des Koinons des Volkes der Phoker und der Homonoia
der Hellenen beim Trophonion, geweihteste Hieraphoros der heiligen Isis, Prie
sterin auf Lebenszeit der Isis von Siris. Der Boiotarch zum dritten Mal und Arch-
iereus auf Lebenszeit der Sebastoi und Logistes der berühmten Stadt der Chai-
roneier Cn. Cornelius Dexippos (für) die süßeste Mutter zum besten Andenken
dem Auftrag des Testaments folgend. Auf Beschluß des Rates und des Volkes.
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216
Kaja Harter-Uibopuu
Während
die
bestattete Flavia Laneika wohl Oberpriesterin
des
Kultes
der
Athena Itonia bei Koroneia war und eine Identifizierung als Kaiserprie-
sterin nicht als gesichert angenommen werden kann, war ihr Sohn Cn.
Cornelius Dexippos Archiereus
der
Sebastoi
auf
L ebenszeit
-
möglicher
weise des K oinons - und Logistes der Po lis Chaironeia. Darüber hinaus
trägt
er den
Titel Boiotarches.
War der
Boiotarch früher
als
Leiter
des
Koinons hauptsächlich mit militärischen Befugnissen ausgestattet, so
scheinen seine Aufgaben nunmehr
im
kultischen Bereich
zu
liegen.
Da das
A m t
-
ebenso
wie
das
Amt des
Phokarchen
im
phokischen Koinon
-
erst
im
3.
Jh. n. Chr. eingeführt wird, könnte hier eine bew ußte Nac hahm ung
der anderen griechischen Koina vorliegen,
die mit dem
Asiarchen, Bithy-
niarchen, Galatarchen
und -
geographisch viel näher
-
Makedoniarchen
Kaiserpriester besaßen, deren Titel sofort
die
Wirkungsstätte erkennen
ließ,
23
Über diese Nennung
von
Priesterämtern hinausgehende Quellen
zum Kaiserkult finden sich für das boiotische K oinon nicht, ebensow enig
können Monumente
der
Kaiserverehrung festgestellt werden,
die vom
Koinon geweiht worden waren.
Auf
der
anderen Seite zeigen
die
einzelnen Poleis Boiotiens sehr rege
Kaiserverebrung
und
einen ausgeprägten Kaiserkult Hier
sei in
Kürze
auf
die Inschrift IG VII 2713 ver wiesen.
24
Epameinondas, inzwischen Archie
reus
der
Augusti (wohl
der
Polis Akraiphia)
auf
Lebenszeit, stellte
in
sei
ner Heimatgemeinde den Antrag, Kaiser N er o, der sich durch seine Frei
heitserklärung
in
Korinth
um die
griechischen Poleis verdient gemacht
hatte, göttliche Ehren zuteil werde n
zu
lassen. Ihm sollte ein Altar
mit der
Aufschrift »Dem Zeus Eleutherios Nero für alle Ewigkeit« geweiht wer
den,
darüber hinaus sollten Agalmata
im
Ptoion aufgestellt werden. Auch
aus anderen Städten sind zahlreiche Belege
für
Kaiserkult
und
K aiserver-
ebrung erhalten, eine gesonderte Aufstellung würde allerdings
den
Rah
men
der
vorliegenden Studie sprengen.
25
Der Befund,
daß die
gemeinsamen Aktivitäten
des
Koinons deutlich
hinter den einzelnen Interessen der Poleis zurücktreten, findet sich auch in
anderen Bereichen.
So
prägten
die
einzelnen boiotischen Städte Bronze-
münien, eine Bundesprägung analog
zu
der
des
Thessalischen K oino ns
ist
für die Kaiserzeit in Boiotien nicht mehr nachzuweisen. Die Quellen be
legen,
daß die
Poleis direkt
mit Rom in
Verbindung traten, ohne sich
auf
23
IG VII 3426, IG IX 1, 218; IG XII 3, 531 und 53Z DEININGER 1965 zu den
Priestertümem
der
anderen Koina.
24
Auf das Ehrendekret für Epameinondas IG VII 2712 geht A CHANIOTIS in
diesem Band ein.
25
FOSSEY 1991, 97-118.
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Kaiserkult und Kaiserverehrung
217
eine Vermittlung durch
das
Koinon
zu
verlassen.
26
Einen besonderen Fall
stellt die inschriftlich erhaltene Korrespondenz zwischen Hadrian und der
Polis Koroneia über Reparaturen
am
Kopaisdamm dar.
27
Deutlich zeigt
sich der Parükularismus auch
im
Verhalten
der
Städte
bei der
Suche nach
einem Gesandten
für die
K omm ission
zu
Caligula. N ich t
das
Koinon
in
tern berät über eine geeignete Person und .nimmt
die
Entschuldigung
der
einzelnen Mitglieder entgegen,
die
Städte treten vielmehr einzeln beim
Dachverband auf und bringen ihre Argumente dort vor. Deutlicher kann
die Schwäche
des
Koinons kaum mehr gezeigt werden.
Im Vergleich zu Thessalien zeigt das Boiotische Koinon ein anderes
Bild: abgesehen von der Organisation der Pam boiotia lassen sich keine
Wirkungsbereiche
des
Ko inons festmachen, Boiotien scheint
in der
Kai
serzeit aus unabhängigen Poleis bestanden
zu
haben,
die
auch ihr V erhält
nis
zu
Rom selbst
in
der Hand hatten.
Ein
Grund für dieses Verhalten mag
in
der
mangelnden Förderung
des
Koinons durch
Rom
liegen,
es war
geduldet, erhielt aber nicht die Unterstützung,
die
dem T hessalischen K oi
non zugedacht
war. Die
fehlende Unterstützung
des
Koinons durch
die
boiotischen Poleis wird
in IG VII
2711
mit der
wirtschaftlichen Lage
be
gründet, dies zeigen zumindest für das
1.
Jh.
n.
Ch r. auch andere Qu ellen.
Wo bereits
das
Geld
für den
Erhalt
der
eigenen Polis fehlt,
ist an
Kon
tributionen für ein Ko inon nicht
zu
denken. Äh nlich w ie im Thessalischen
Koinon
ist
auch hier der Kaiserkult nicht Angelegen heit
des
Bundes, auch
wenn
die
Einrichtungen dafür vorhanden waren.
Es
scheint,
als ob der
wesentlich lebendigere Kult und die Verehrung
der
Kaiser vornehmlich
in
den Poleis
zu
finden waren.
Das Koinon
er
Eleutherolakonen
Einen Sonderfall unter den Koina der Kaiserzeit stellt das Koinon der
Eleutherolakonen dar. Nach
der
Au flösung
des
Achäischen Koinons
146
v. Chr. erhielt Sparta
den
Status einer civitas foederata,
die
lakonischen
Küstenstädte aber wurden
in
einem eigenen KOIVÖV
TCÖV
AaK Eöcajiovicöv
zusammengefaßt. 21 v. Chr. reorganisierte Augustus den Bund als Koinon
der Eleutherolakonen und galt damit als Garant für die W iederherstellung
der alten Freiheit.
28
2 6
FOSSEY 1979, 554ff.
27
IG VII 2870; (XrvER 1989, 253ff.
28
CHRIMES
1952, 435-441;
BOWERSOCK
1965, 91ff.
KAHRSTEDT
1954, 203-216:
VgL IG V 1, 1160.
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218
Kaja Harter-Uibopuu
An der Spitze des Koinons stand ein Strategos, nach dem auch die städ
tischen Dekrete von Gytheion datiert waren (vgl IG V 1, 1161 und 1167).
Dazu ist aus den Zeiten des Lakedaimonischen Koinons ein Tamias belegt.
Pausanias nennt als Versammlung ein Synedrion, das wohl auch hier einen
Bundesrat darstellte (Paus. 3,21,7). Eine Bundesversammlung ist nicht be
legt. Zumindest für die Zeit des Lakedaimonischen Koinons ist auch eine
gemeinsame Bundesprägung belegt, die den engen Zusammenhang der
Städte deutlich macht. Gemeinsame Agone wurden beim Heiligtum des
Apollon bei Asopos für Artemis Kyparissia gefeiert eventuell auch beim
Bundesheiligtum des Poseidon am Tainaron. Weitere Texte über politische
oder administrative Tätigkeiten der Eleutherolakonen sind nicht überlie
fert. Auch die Nachrichten zur Kaiserverehrung sind spärlich. Der Bund
weihte Nerva eine Statue in Gytheion (IG V 1, 1161, vgl. unten), ähnliche
W eihungen sind auch aus den einzeln en P oleis bekannt (z. B. IG V 1,
1237).
IG V 1, 1161: AütoK[p Topa] ] Nspowv Kca<7[oc]|[p]a Eeßoccrcöv xö| KOWÖV
T<E>V
*E^£[\>]p6epo?iaK<bv(Dv
| <rcpocTTTyo*övTO<; |
'EmvsuaSa TO\)
|
<tnXoxocpswo*o
vacat
9
Von größtem Interesse für die Praxis der Kaiserverehrung sind aber die
beiden Texte SEG 11, 922 und 923. Dabei handelt es sich um einen Brief
des Tiberius an die Gytheaten und einen Beschluß der Polis aus dem Jahr
15 n. Chr., ein Kaiserfest abzuhalten. Die detaillierte Ordnung des Festes
ist für das Mutterland einmalig und ermöglicht Aufschlüsse über den tat
sächlichen Ablauf der Feiern für die Kaiser.
30
Zunächst stellen die beiden Texte die vorliegende Studie allerdings wie
der vo r das Problem» daß es sich dabei um e in Dekr et der Polis G yth eion
und einen Brief an dieselbe Polis handelt. Dennoch wird gerade in diesen
Texten die enge Verbindung zwischen Koinon und Polis klar. Der Stra
1
tege , der in SEG 11, 923, Z. 33 genannt ist, ist sicher der Stratege des
Koinons, da die Polis Gytheion selbst keinen Strategen sondern Ephoren
hatte. A n drei Stellen im Text wird das Ko inon direkt angesprochen: Li via
wird als Tyche des Koinons und der Stadt verehrt (Z. 9f.), des C. Iulius
Eurykles als Euergetes des Koinons und der Stadt gedacht und sein Sohn
C. Iulius Lakon wird
KTISSJJXÜV,
Pfleger der Wache und des Schutzes des
Koinons und der Stadt genannt (Z. 19-22). Dennoch bleibt festzuhalten,
29
Imperator Nerva Caesar Augustus- Das Koinon der Eleutherolakonen unter
dem Strategen Epineikidas, Sohn des PKlochareinos.
30
OLIVER 1989, 58-65 mit den maßgeblichen Editionen und weiterführender
Literatur.
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Kaiserkult und Kaiserverehrung
219
daß keinerlei direkte Mitwirkung von. Amtsträgem des Koinons an den
Feierlichkeiten festzustellen ist.
Die Organisation der Kaisareia hatte der Agoranomos von Gytheion,
das Fest selbst dauerte acht Tage und bestand aus Opfern, einem Umzug
und Agonen. Von den acht Tagen standen fünf Tage im Zeichen der kai
serlichen Familie: Der erste Tag war Augustus, der als Theos Soter Eleu-
therios angesprochen wird, geweiht (Z. 7f.), der zw eite dem Tiberius
(Z. 8f.), der für sich in dem Brief SEG 11, 922 göttliche Verehrung ablehnt,
der dritte der Livia als Tyche der Stadt und des Koinons (Z. 9f.). D er
4.
Tag der Feiern ist der Nike des Germanicus geweiht, der 5. der Aphro
dite des Drusus, der 6. dem Flamininus, der die Gebiete der spartanischen
Küstenstädte von Sparta losgelöst hatte; dann folgen die Gedenktage für
die Familie des Eurykles. Z.27 bis 30 regeln die Opfer, die nach dem
Festzug beim Kaisareion für das W ohl der Principes und der Götte r abge
halten werden sollen.
Gerade die vorliegende Inschrift zeigt den engen Zusammenhang zwi
schen Kaiserkult und Kaiserverehrung. Natürlich ist sie nicht als direktes
Zeugnis für den Kaiserkult sondern für die Kaiserverehrung in Gytheion
heranzu ziehen, da die O pfer - w ie Z. 29 deutlich sagt - nicht den vergött-
lichten Kaisern selbst dargebracht werden, sondern für ihr Wohl.
31
D e n
noch sieht Tiberius selbst in den Beschlüssen der Polis durchaus göttliche
Ehren für Augustus, wenn er Gytheion mitteilt:
32
SEG 11, 922 Z. 17-20: [£]<p
T
otc; üjxftc; £ toavG>v xpoöTJKSiv OT<o)^ajLLßdvco KCCI
KOWQ
rcäcvrocc;
v8p6|rco*u<;
KCCI
icaqc xf|v
\>J.ISTEPOCV
nöhiv £^capexo\>^
(piA oostv
TÖR JJSTESSI TÖ)V
tot* | £p,oöftcrcpd«; sie, ßbtavxa
TÖV KÖCJXOV
suspTEOiftv
TCCC;
Gsou; itpercofoac; |
TIJ.I <̂
can:ö<; <5s dpKOtyica xerte;
{.letptcotepav; te KCCI vepe>7isioi,<;.
33
31
Z.
29:
\)7t£p *cf[
TÖV I^JXÖVCDV
Kai 6sß>v acorrpica; Kai öäövo-o Tf\q r\yzy,o-
viaq atixßv 5icqxovficj. - Für das Heil der Hegemones und der Götter und die
ewige Dauer ihrer Herrschaft.
32
Ob dem einfachen Besucher der Kaisareia in Gytheion ein gradueller Unter
schied der Ehren für den Gott Augustus, den Kaiser Tiberius und die Tyche der
Livia auffiel und er somit in der Lage war, zwischen Kaiserkult und Kaiservereh
rung scharf zu unterscheiden, mag dahingestellt bleiben.
33
Diesbezüglich lobe ich Euch und nehme an, daß es sich ziemt, daß alle Men
schen gemeinsam und Eure Stadt insbesondere die den Göttern zukommenden
Ehren für die Größe der Wohltaten, die mein Vater der ganzen Welt gegenüber
erwiesen hat, uneingeschränkt einhalten. Ich jedoch selbst begnüge mich mit maß
volleren und menschlichen Ehren.
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22
Kaja Harter-Uibopuu
Zwei rechtshistorische Phänomene sollen im Zusammenhang mit der Kai
serverehrung hier noch angesprochen werden. Zunächst sind in dem De
kret der Polis Strafsanktionen für die mangelhafte Durchführung der Fei
erlichkeiten enthalten. Der Agoranomos mußte - wie jeder griechische
Amtsträger - Rechenschaft über seine Amtsführung ablegen, dabei stand
jedem Bürger vo n G yth eion eine Popularklage frei, bei deren Einbringung
er selbst kein Vermögensrisiko trug. Wenn die Verdingung von Schauspie
lern und die Beibringung der heiligen Geräte nicht zur Zufriedenheit der
Polis verliefen, standen als Strafen nicht nur Amtsunfähigkeit für die Zu
kunft, sondern auch die Konfiskation der Güter aus (Z. 15). Diese Straf
androhung erscheint sehr streng, der Regelfall waren doch Geldstrafen, die
einen festgesetzten Betrag oder ein Duplum nennen. Derartiges findet sich
in den Z. 30-32, in denen dem Agoranomos und den Ephoren eine Strafe
von 2000 Drachmen für die heilige Kasse angedroht wird, wenn der Fest
zug und die Opfer nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurden. Auf eine
ordentliche Durchführung der Kaisareia, die wohl als wichtigstes Fest der
Polis Gytheion zu gelten haben, -wurde demnach größter Wert gelegt. Der
stark fragmentierte Beginn der Inschrift SEG 11, 922 ist ebenfalls für den
Rechtsbistoriker von größtem Interesse: auch hier wird Vermögenseinzug
angedroht, dazu Ächtung, Atimie und Straffreiheit für denjenigen, der den
Atimos tötet. Als Delikt sind hier sicher nicht mehr Verwaltungsvergehen
anzunehm en, w ie w ir sie in SEG 11, 923 kennengelernt haben. Die Schärfe
der Sanktion läßt hier möglicherweise an Tempelraub oder ein ähnliches
Vergehen denken, vielleicht steckt auch - wie L.
W ENG ER
vermutet - eine
griechische Parallele zum
crimen maiestatis
dahinter, einen Zusammen
hang mit der Kaiserverehrung legt jedenfalls der anschließende Brief des
Tiberius nahe. Jedenfalls zeigt dieses Zeugnis, daß Plutarchs Bemerkung,
die griechischen Poleis hätten in der Kaiserzeit auch das Recht besessen,
Atimie zu verhängen, den Tatsachen entspricht, das Fragment zeigt, wie
weit die Gerichtsbarkeit der griechischen Polis gehen konnte.
Natürlich ist der Erhalt derart detaillierter Texte zur Kaiserverehrung
als Glücksfall zu bezeichnen, aber gerade sie zeigen, daß das Verhältnis
von Kaiserverehnmg durch das Koinon und durch die einzelnen Poleis
deutlich zu Ungunsten des Koinons lag. In Gytheion, der bei weitem
mächtigsten Stadt des Koinons, wäre durchaus die Möglichkeit vorhanden
gewesen, das Koinon in die Kaisareia einzubinden oder die vorhandenen
Mittel für die Durchführung von Spielen des Koinons zu nutzen- Den
noch entschied sich die Polis dafür, das Fest alleine durchzuführen und
damit auch das Wohlwollen des Kaisers eher auf sie selbst als auf das
gesamte Koinon auszudehnen. So zeigt sich auch in den Weihungen, daß
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Kaiserkult und Kaiserverehrung
221
die einzelnen Poleis bei weitem aktiver waren als das gesamte Koinon, von
dem lediglich die Aufstellung einer Statue des Ne rv a überlief eit ist (IG V
1,
1161, siehe oben).
Zusammenfassung
Im ersten Abschnitt meiner Studie habe ich drei sehr verschiedene Koina
vorgestellt, die unterschiedlich geprägt und ausgeformt sind. Während die
Thessaler als polirisch und administrativ aktiver Bund in der Kaiserzeit
auftreten, trifft für die Boioter das Urteil einer Umwandlung eines ehe
mals bedeutenden Bundesstaates in ein Koinon zur Erhaltung und Pflege
eines Kultes (hier der Athena Itonia) zu. Bei den Eleutherolakonen scheint
der Kult eher eine untergeordnete Rolle zu spielen, der Zusammenschluß
der Periökenstädte dürfte vor allem wirtschaftlicher und politischer Natur
gew esen sein, soviel lassen die w enig en Q ue llen erkennen. D ie Stellung des
Kaiserkultes und der Kaiserverehrung ist in allen drei Koina nicht heraus
ragend. Vor allem die Thessaler und die Boioter zeigen deutlich, daß der
Kaiserkult zwar in den Städten sehr gut ausgebildet ist, das Koinon aber -
trotz vorhandener Einrichtungen und Ämter - hier keine deutlichen Spu
ren hinterlassen hat. Auch die Organisation der Kaisareia in Gytheion
zeigt zwar eine Verbindung zum Koinon, die Durchführung bleibt aber
allein der Polis überlassen. Keines der drei Koina zeigt Ansätze dazu, über
seine natürlichen Grenzen ausgreifen und in irgendeiner Are eine Vertre
tung der ganzen Provinz erreichen zu wollen oder den Kaiserkult der
Provinz überregional organisieren zu wollen. Derartige Bestrebungen wä
ren eher von den überregionalen Organisationen zu erwarten, die nun im
zweiten Teil der Studie besprochen werden sollen.
Die überregionalen Organisationen
N ac hd em sich gezeigt hat, daß keine der landschaftlichen Organ isationen
den Wunsch oder die Möglichkeit hatte, über ihre Grenzen hinaus zur
Vertretung großer Teile oder der ganzen Provinz zu werden, sollen nun
drei überregionale Organisationen u ntersucht werd en. A uc h in Zeiten der
Pax Romana,
als die Idee einer Symmachie obsolet geworden war, gab es
mehrere interessante Zusanunenschlüsse landschaftlicher Organisationen,
deren Ziele hier erläutert werden sollen.
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Kaja Haiter-Uibopuu
ie Panacbäer
Bereits für das Ja h r 34/33 v. Chr . ist ein Zusammenschluß von fünf m it
telgriechischen Koina erwähnt,
die M.
Iun ius Silanus ehren
IG II
2
4144,
Athen . Den Boiote rn , Euböern, L okrern , Ph ok em und D o re m schließen
sich in weiterer Folge die Achäer an, so daß sich der Verband zur Zeit der
Thronbesteigung Caligulas
in dem
Dekre t
zu
Ehren
des
Epameinondas
von Akraiphia und in dem Begleitschreiben des Verbandes an die A m t s
träger von Akraip hia als Έ λ λ η νες und Π οΰνέλληνες beze ichnet und dam it
das Ziel, als Vertretung
der
Griechen anerkannt
zu
werden, deutl ich macht
IG VII 2711, Ζ . 10-16).
34
Im Unterschied
zu den
vo rhe r genannten landschaftlichen Org anisatio
nen handelte
es
sich hier aber nicht
um
eine Vertretung einzelner Poleis
oder ähnlicher Staatswesen, sondern um einen Dachverband von Födera
t ionen.
Das
Koinon stand unter Leitung eines Strategos
IG VII 2711,
Z. 1), seine Versammlung wird in den Texten als Synedr ion ode r Synodo s
bezeichnet IG VII 2711 , Z. 7 . Ein weiteres sicher belegtes Amt des Ver
bandes
ist der
G rammateus.
Aus
Epidauros
ist ein
Ehrendekre t
für T. Sta-
tilius Timokrates erhalten IG IV l
2
, 80/81 , der sich um das Koinon in
schwierigen Zeiten verdient gemacht hatte.
In dem
D ekre t,
das in
das Jah r
66
n. Chr .
datiert w ird, w ird
der
imm er stärker werden de Einfluß
des
Achäischen Koinons spürbar: Die Versammlung -wird nun Π οΰναχαϊκον
συνέδριον Ζ . 14) genannt, trägt aber weiterhin den offiziellen N am en
»Koinon
der
Achäer, Boioter, E uböer, Lo krer, P hok er
und
Dorer« . Na ch
dem Ende des 1. Jh . n. Chr . sind keine weiteren N ach rich ten zu diesem
Dachverband erhalten, der Versuch, eine gem einsame Vertretun g eines
Großteiles der Provinz mit relativ geringer Institutionalisierung du rch
zuführen, scheint gescheitert. Auffällig ist, daß von Anfang an einzelne
Poleis an dem Synedr ion nicht te ilnahmen, so fehlen Athen und Sparta,
aber auch die Eleutherolakonen oder die Th essa ler schlösse n sich den
Mittelgriechen nicht an, so daß von einer geregelten Vertretun g der gesam
ten Provinz nicht gesprochen werden kann.
35
Ein gemeinsamer Kult des Dachverbandes ist ni ch t überliefert, dies
scheint für die rein administrativ gesehene Insti tution nic ht notw endig
gewesen
zu
sein. Auch
zur
Kaiserverehrung sind
die
Qu ellen d ü nn gesät:
das einzige direkte Zeugnis ist eine Weihung einer Statue des Claudius in
Koroneia, die durch den Dac h verba nd erfolgte IG VII 2878 . A ufschluß -
34
MARTIN
1984, 600-602 und 612-613;
DEININGER
1965, 88-90;
OLIVER
1971,
221-237; OLIVER
1978 1),
185-188
3 5
O L IVE R
1978 1), 188.
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Kaiserkult und Kaiserverehrung
3
reich ist aber ein in der Inschriftengruppe von Akraiphia erhaltener Brief
des Caligula (IG VI I 2711, Z. 21-4 2). Er dankt für die erwiesenen Ehrun
gen anläßlich seiner Thronbesteigung und lobt die vorzügliche Einstellung
und Frömmigkeit der Griechen. Darüber hinaus ersucht er darum, die
Anzahl der für ihn beschlossenen Statuenweihungen zu beschränken und
sich mit der Aufstellung vo n Statuen in den großen panhellenischen H eilig
tümern von Olympia, Delphi, Isthmia und Nemea zu begnügen. Allerdings
erlaubt der Text keine Aussage darüber, ob es sich nun um Psephismata des
Dachverbandes oder seiner einzelnen Mitglieder handelt. Spezielle Kaiser
priester scheint das panachäische Koinon nicht besessen zu haben.
Die Amphiktyonie von Delphi
Nachdem das Heiligtum des Apollon in Delphi den Tiefstand des späten
Hellenismus im ausgehenden
1.
Jh. v. Chr. überw unden hatte, berichtet
Pausanias ausführlich über die Geschichte der Amphiktyonie zu Beginn
der Kaiserzeit und die Umgestaltung des Rates (10,8,3-5).
36
In zumindest
drei Etappen erfolgte dabei die Änderung der Stimmverhältnisse im Rat
der Amphiktyonen. Zunächst wurde unter Augustus Nikopolis als neues
Mitglied aufgenommen, das 10 Stimmen auf Kosten der Malier, Ainanen,
Phthioten, Perrhaiber, Doloper und Magneten erhielt. Auffallend ist, daß
er das Stimm Verhältnis innerhalb der bestehenden Reg eln änderte und ke i
ne neuen Ratsstimmen einführte. Sicherlich war es nicht sein Plan, eine
Art Provinzialvertretung zu schaffen, vielmehr wird man davon ausgehen
müssen, daß er seiner neu gegründeten Stadt Nikopolis auf diese Weise
Anerkennung zumindest in Mittelgriechenland verschaffen und ihr Ein
fluß auf internationalem Gebiet ermöglichen wollte.
37
Die Amphiktyonie
selbst blieb weiterhin eine lokale Organisation, die für die Verwaltung der
beiden Heiligtümer bei den Thermopylen und in Delphi sowie für die
Durchführung der Pythia verantwortlich war. Unter Nero muß es zu ei
ner Aufwertung der Stimm en der Thessaler gekom men sein, w ie F D III 4,
302 berichtet. Auch dieser Kaiser kannte die Verhältnisse in der Amphik
tyonie genau und kontrollierte sie. Gegen diese Aufwertung wurde dann
Einspruch erhoben, und so traf Hadrian in einem Brief an die Stadt Delph i
Anordnungen über die Aufteilung der Stimmen und die korrekte Abhal
tung der Pythien.
38
* MARTIN 1984, 647ff. (und Appendix V)
;
DAUX 1975, 348-362; FLACELI£RE
1971, 168-186; SANCHEZ 2001, 426-436 mit ausführlicher Diskussion des For
schungsstandes und weiterführender Literatur
y7
V. a.
DAUX
1975, 352-360.
9
OLIVER 1989, 183-190; SANCHEZ 2001, 428^36; FLACELD RE 1971, 171ff.
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4
Kaja Harter -Uibopuu
FD
III 4 302 col. II Ζ 1-6:
[κα]θ' μέντοι
χρή
ιζ ο ν ϊν κατά τού[ς] νόμους,
[εί]σ[ήνε/καν] | γνώ μην
εις την
λα μ προ τάτην σ [ύγ]κλητον εισηγη[σ άιιε]νρι
τας ψήφους
ας
πλέονα ς τα>[ν] άλλω ν έχου σ ιν Θ εσ[σα ]λ[οΐ Α ]θη αίοις
και
Λ ακ εδαΐΐοννο[ι]ς δια νεμη θή ναι
καιτοα[ς]
Ράλ[λα ι]ς πό λεσ ιν,
ϊνα η
κοινόν
πά ντ[ω ]ν τα>ν Έ λλ/r [νω ν
το
συνέ|δρ[ι]ον.
39
U m die Stimmen der Aitoler und von Nikopol i s werde er sich - so ver
sprach
der
Kaiser
-
persönlich in Delphi kümmern. Damit sprach Hadrian
erstmals den Wunsch an auch die Griechen des Mutterlandes in einem
Koinon vereint zu sehen, er wollte dazu - mit M odifikationen - die Am-
phiktyonie von De lphi als bereits bestehende Insti tution verwenden. Al
lerdings scheint dieser Plan nicht funktioniert zu haben, da in der Am-
phiktyonie
von
jeher
zu
viele griechische Staaten nicht vertreten waren.
Auch
die
uneinheitliche Verteilung
der
Stimmen
war
einer gemeinsamen
Vertretung abträglich. Darüber hinaus wird zur Zeit der U m w a nd lung der
Amphiktyonie im Jahr 129 n Chr. bereits das Panhel lenion zumindest in
Planung gewesen sein,
das
dann
die
Rol le
der
gemeinsamen Vertretung
übernehmen sollte.
40
Ob nun die Umgestal tung, die Hadr ian in Angriff
nehmen wollxe, auch so durchgeföbxt wurde oder die Zus t immung der
Amphiktyonen nicht fand,
ist
n icht bekannt .
Als
sicher
ist
jedenfalls fest
zuhal ten,
daß zu
Pausanias Zeiten
die
Spartaner nicht
mit
eigenen Stirn-,
m en im Rat ver t re ten waren. Zwar wurde die Gesam tzahl der A mph i k
tyonen auf 30 angehob en, dafür w urde n aber die Makedonier in das Ko i
non aufgenommen. Sie erhielten ebenso wie die Thessaler und N ikopol i s
je 6 S t imm en, je zwei St immen ha t ten die Phoker, Delphier , Dorer, Ionier ,
Boioter und Lokrer . Die Amphik tyon ie war zu e iner Ver tre tung Nord-
und Mittelgriechenlands geworden.
41
Natürlich erhielt
das
prestigereiche Heiligtum
in
Phokis immer wieder
Zuwendungen von Seiten der Kaiser, die dort auch einen idealen Ort der
Selbstdarstellung vor e inem großen griechischen Publikum vorfanden.
Pausanias berichtet von der Aufstellung der Kaiserstatuen in der M armaria
(10,8,6),
do rt diente, woh l die Tholos als Kaisertempel. Zuständig für den
Kaiserkult waren sowohl ein Hiereus oder Archiereus als auch der Epi-
meletes des Koinons, wobei das Priesteramt neu e ingeführt wurde, wäh
rend das Amt des Epimeletes als Festbesorger schon vor der Kaiserzeit
39
So wie es notwendig war gemäß den Gesetzen, berichteten sie dem herausra
genden Senat, und schlugen vor, daß die überzähligen Stimmen der anderen, die die
Thessaler halten, unter den Athenern, den Spartanern und anderen Städten verteilt
werden sollten, damit es ein gemeinsames Synedrion aller Hellenen sei.
40
SPAVFORTH 1999, 342ff.
41
DATO 1975, 362; SANCHEZ 2001, 458ff.
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Kaiserkult und Kaiserverehrung
5
existierte. N u n w urd en lediglich die Ko m peten zen dieses Am tsträgers er
weitert.
42
Die beiden Ämter sind z. B. in der Ehreninschrift für Nero be
legt:
FD III4, 258:
[Ν έρω να Κ λαύ]δ[ιον] Κ λαυδ[ίου Κ αί][σ]α ρρς Σ εβα σ τσ ϋ κα ι
Γ ερμ αν[ι]| [κ]οΌ Κ αίσ αρο ς έ*ηΌ νον
7
θεού Σεβασ[[τ]οΌ ά ^ γο νο ν, Κ αίσ αρ α,
Σ εβα[σ]Ρτόν, Γ ερμανικό ν, α ρχιερέα, δη|[μ α]ρ χική ς εξου σ ίας, α υτο
κρά τορ α , το κοινόν το ν Α μφ ικτυόνω ν. | vacat
0 05m
έπι ιερέω ς τα>ν Σ ε
βα σ τώ ν κα ι επιμ ελη τού | Α μφ ικτυόνω ν Π ο Λ ίο υ Μ εμμίου Κ λεάνδρου.
43
D ie Inschriften IG IV 590, Ζ . 16 u n d IG IX 2 44 belegen darüber hinaus
die Einführung des Amtes eines Helladarchen, der wohl auch priesterliehe
Aufgaben zu erfüllen hatte und parallel zum Helladarchen des Achäischen
Koinons existierte.
44
IG IX 2, 44,
Ζ 1-9 (Hypata): [ή] πό λις Ύ πα τα | Τ . Φ λα ουίου Κ ύλ|λου υίόν
Ε ύβίοτον p τον α ρχιερέα [κ]αί άτω νοθέτην το ν Σεβαστό ν | Θ εό ν έπι τοις
δύ ο στεφ ά[νοις και άγο)]νοθέτην το ν μεγάλω ν Π υθίω ν και
folium
έλλαδάρχτ|ν τον εύεργέτην.
45
Auch für die Amphiktyonie von Delphi ist man also bei der Rekonstruk
tion des Kaiserkultes auf Ämternamen angewiesen, weitere Quellen exi
stieren nicht. So verneint denn
S ANC HEZ
die Existenz eines offiziellen Kai
serkultes der Amphiktyonie gänzlich und sieht in den erwähnten Hiereis
und Archiereis Priesterämter, die in einer Polis ausgeübt wurden..
46
Zur
relativ guten Kenntnis der Verehrung der Kaiser in Delphi tragen der hohe
archäologische Forschungsstand und die gute Erhaltung der epigraphi-
schen Quellen bei.
42
SANCHEZ 2001, 437fL: Die Kompetenzen
es
Epimeletes lagen vor allem im
Bereich der Finanzverwaltung u nd der Verwaltung des Heiligtums, darüber hinaus
vermittelte er auch zwischen der Amphiktyonie und den römischen Amtsträgern.
43
Nero Claudius, Sohn es Claudius Caesar Augustus, Enkel es Germanicus
Caesar, Nachfahre
es
göttlichen Augustus, Caesar Augustus Germanicus, Ponti-
fex, Träger der tribunicia potestas, Imperator. Das Koinon der Ampbiktyonen.
Unter dem Priester der Augusa und Epimeletes der Ampbiktyonen Publius Mem-
mius Kleandros. VgL Syll.
3
813 Β Ζ . lff.
4 4
VgL OLTVER 1978 (2), lff. und PU EC H 1983, 15ff.
45
Die Polis Hypata (ehrt) T. Flavius Eubiotos, Sohn des T. Flavius Kyllos, den
Archiereus und Agonothetes der Divi Augusti bei den zwei
Kränzen, Agonothetes
der großen Pythien, Epimeletes des Koinons der Ampbiktyonen und Helladarcb,
den Euergetes.
Vg
SEKUNDA 1997, 216.
46
SANCHEZ 2001, 442. Ein eigener Kaiserkult der Ampbiktyonie sei nicht not
wendig gewesen, da mit Ausnahme der Tbessaler alle Mitglieder an dem Kult in
Acbaia teilgenommen hätten. Er folgt damit der von
PUECH
1983 angesprochenen
These einer Provinzialversammlung im Rahmen
es
Achäischen Koinons.
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226
Kaja Harter-Uibopuu
as Panbeilenion
Nachdem das panhellenische Ideal bereits
in
Delphi formuliert w ord en
war, wu rde 131/2 n. Chr. in Athen ein Heiligtum gew eiht, in dem H adrian
mit Zeus Panhellenios verehrt wurde. Dieses wurde von einem Synedrion,
den Panhellenen, verwaltet,
die
aus verschiedenen Bereichen Griechen
lands, Kleinasiens und anderer griechischer Gebiete stammten und sowohl
Poleis als auch Ethne vertraten. Insgesamt zeugen zumindest 54 epigra-
phische Texte von dieser Organisation, die provinzübergreifend eine Ver
sammlung aller »echten Griechen« sein sollte.
47
Allerdings stammen be
reits aus den 70er Jahren des 2. Jh. n. Chr. die ersten N achrichten vo n
finanziellen Schwierigkeiten des Koinons, gegen Ende des Jh. scheint
es
fast unmöglich, Teilnehmer für die Panhellenia, die penteterischen Spiele
des P anhellenions, zu finden. Im 3. Jh. verliert sich dann die Spur dieser
groß angelegten Organisation.
Heftig diskutiert wird in der Forschung die Frage, auf wessen Idee das
Panhellenion gegründet wurde. Während
JONES
die Meinung vertritt, hier
läge eine rein griechische Idee zu Eh ren ihres W ohltäters Hadrian vor ,
nimmt
SPA^JORTH
an, daß die Initiative vom Kaiser oder dessen Umge
bung ausgegangen sein muß. Die Gründung sei dann vor allem von den
Griechen an Had rians H of betrieben w or de n, darüber hinaus hätte Ath en ,
das als neues Zentrum des Synedrions aller Griechen ausersehen war, gro
ßes Interesse gehabt, da es neben der Ehre auch wirtschaftlichen
Auf
schwung damit verbunden sah.
48
Die Möglichkeit, als Mitglied aufgenommen zu werden, bestand grund
sätzlich für alle Griechen, sofern sie in Zweifelsfällen nachweisen konnten,
daß sie vo n griechischen S tädten aus dem Mutterland abstamm ten, w ie
Inschriften für Kyrene und Magnesia am Mäander belegen.
49
Auffallend ist
aber, daß z. B. Städte wie Ephesos und Smyrna dem Panhellenion fern
blieben. O b der Grund dafür in Schw ierigkeiten mit der Un terord nun g
unter die Vormachtstellung Athens zu suchen ist oder in der Überlegung,
daß eine Teilnahme an dieser Organisation nicht notwendig sei, ist heute
nicht mehr zu entscheiden. Jedenfalls scheint die Möglichkeit, am Panhel
lenion teilzunehmen, dazu geführt zu haben, daß sich zahlreiche Städte in
den Randgebieten der griechischen Welt mit ihren Wurzeln beschäftigten
und die in der Diplomatie bereits in früheren Zeiten oft angeführten Ver-
4 7
OLIVER
1978 1), 189fL;
SPA V FOR T H-WA L KE R
1985, 78ff.; dies. 1986, 88ff.;
WÖRRJLE 1992, 337£f.; JONES 1996, 29ff.;
S P A V F O R T H
1999, 339ff.
4 8
JONES 1996 , 30ff.; dagegen
S P A W O R T H
1999, 343f.
49
Kyrene: OLIVER 1989, N r. 120, 27 5-2 78 ; Magnesia: IG II
2
1091.
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Kaiserkult und Kaiserverehrung
227
wandtschaftsverhältnisse erneut erforscht und öffentlich gemacht wurden.
Dam it war eine neue Identifizierungsm öglichkeit gegeben,
die ein
Gefühl
der Zusammengehörigkeit entstehen lassen sollte.
50
Die wichtigste Aufgabe
des
Panhellenions
war die
Durchführung
des
Kaiserkultes- Dazu war das Amt des Hiereus eingeführt, der
in
den Texten
gut bezeugt
ist.
G emeinsam
mit dem
Archon
der
P anhellenen
und dem
Agonothetes der großen Panhellenia leitete er das Koinon, wobei der Brief
an
die
Aizaneten belegt,
daß die
drei Ämter auch
in
Personalunion
von
einem Mann gehalten werden konnten.
51
OGIS 504, Z. 1-3: 'O ocp^cov
xßv
nccveXXfivcüv icori iepetic; 6eo-Q A Spiaw ö
n[aveXXriv{o o]
|
Kori &ycövo9sTr|<; xtöv jjsyöctaöv naveM,r|vCcöv Tixcx;
[OX&ßioq KtiXXoq]
Kai oi
UCCVZXXT^QC
AiCavEixtöv xf^i ßou&fii
KCCI
xfl)[i
Sfjjacoi xcapav].
52
Zunächst wurde
der
Kult
nur für
Hadrian Panhellenios durchgeführt,
nach seinem Tod wurde sein Nachfolger
in
den Kult integriert, in weiterer
Folge auch
die
Th eoi Sebastoi. Eine Inschrift
aus
Aizanoi zeigt deutlich
die Nähe des Panhellenions
zu
Eleusis, dessen Mysterien für Hadrian per
sönlich große Bedeutung hatten. In Eleusis errichtete das Panhellenion
für
seinen Gründer zwei Bögen mit Inschriften. Auch
zu
einem zweiten grie
chischen Heiligtum
ist
ein Naheverhältnis nachzuw eisen: dem He iligtum
des Zeus Eleutherios
und der
Hom onoia
in
Plataiai,
wo
weiterhin
die
Eleutheria durchgeführt wurden.
53
Das
Panhellenion hatte aber auch
ei
gene Agone,
die
großen Panhellenia,
die
erstmals
137 n.
Ch r. unter
der
Leitung des Agonothetes ausgetragen wurden.
Die Vertreter
der
Städte trugen den N am en Panhellenes
und
trugen
-
wie eine Inschrift aus Aizanoi ausweist
-
wohl Kronen mit Kaiserbüsten,
wie sie auch die provinzialen Priester trugen.
54
Der Text SEG 29, 127 zeigt,
daß zumindest
in
Athen
die
Wahl zu m Panhellen
an
bestimmte Voraus
setzungen geknüpft war,
da er
Gerichtsverfahren über
die
korrekte Aus
wahl anspricht. Das Amt wird
in
Inschriften immer wieder voll Stolz von
seinen Trägern genannt und scheint
-
zumindest
zu
Beginn
-
großes Pre-
50
JONES 1996, 43ff.
51
SPAVFORTH 1999, 344ff.
52
Der Archon der Panhellenen und Priester des göttlichen Hadrian Panhellenios
und Agonothetes der großen Panhellenia, T. Flavius Kyllos und die Panhellenen
großen den Rat und das Volk der Aizainten. VgL
SEKUNDA
1997, 213f.
53
Zu Eleusis:
SPAWFORTH-WALKER
1985,100-103;
JONES
1996,
36ff.; SPAVFORTH
1999, 344ff.;
Zum Kult von Plataiai:
JONES
1999,
45ff.
54
WÖRKLE
1992, Nr.
4,
mit
Abb.; der
Text der Inschrift ist in eine Krone einge
schrieben, die zwei Kaiserbüsten ausweist.
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228
Kaja Harter-Uibopuu
stige gehabt zu haben. Mit Sicherheit wird man annehmen können, daß
hier auch ein neues Betätigungsfeld für die griechische Nob ilität geschaf
fen worden war.
55
Über die kultischen Funktionen des Panhellenions hinaus ist vor allem
Selbstverwaltung zu erfassen, der Rat beschäftigte sich mit der Aufnahme
neuer Mitglieder und Ratsherren.
56
Einmischung in allgemeine politische
Belange scheint nicht stattgefunden zu haben, ebensowenig läßt sich ge
meinsames Auftreten nach dem großen Erdbeben in Smyrna und Rhodos
erkennen, obwohl Rhodos sicher Miglied des Panhellenions war.
57
Damit
weist das Panhellenion einerseits durch die herausragende Stellung des
Kaiserkultes Ähnlichkeit zu den anderen Provinziallandtagen auf, ande
rerseits fehlen aber die allgemein-politischen und rechtlichen Belange, die
diese Koina auch ausmachten.
Der größte Unterschied zu den Provinziallandtagen des griechischen
Ostens ist aber bereits in der Grundlage der Mitgliedschaft zu fassen. Das
Panhellenion war nicht auf die Provinz Achaia beschränkt, sondern darauf
angelegt, die Versammlung aller Griechen zu sein, die Hadrian wohl be
reits in seinem Brief an die Delphier angesprochen hatte. Dennoch zeigt
sein frühes Scheitern, daß die gebotenen Identifikationsm öglichkeiten
nicht Grund genug waren, eine enge Verbindung über einen längeren Zeit
raum aufrecht zu erhalten.
SPAVFORTH
merkt
an,
daß die Organisation des
Panhellenions nicht G riechenland zeige, w ie es war, sondern w ie Hadrian
es gerne sehen wollte.
58
Zusammenfassung
Der Kaiserkult und d ie Verehrung der Kaiser wa ren in Griechenland -
bedingt durch die Abwesenheit eines Provinziallandtages - anders orga
nisiert als in den anderen griechischen Provinzen. Am stärksten durchge
staltet erscheint das Koinon in der Provinz Asia. Die Provinzialvertretung
war die führende Kraft im Kaiserkult und scheint stets den Vorrang vor
den einzelnen Städten gehabt zu haben, die sich ihrerseits bemühen, Pro-
5 5
SPA W OR TH -W ALK ER 1986, 104f.
56
Die von OLIVER 1970 veitretene Ansicht, daß das Panhellenion in Ath en auch
als Gerichtshof für Berufungen fungiert habe, läßt sich nicht halten, da die Quellen
nur von Entscheidungen innerhalb des Panhellenions sprechen (vgl.
JONES
1996,
38f.).
5 7
SP AW ORT H-W ALK ER 1986, 90f.;
Jones
1996 , 42f.
5
* SP AV FO RT H 1999, 351f.
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Käiserkult und Kaiserverehrung
229
vinzialtempel errichten zu dürfen. Ein interessanter Fall ist auch Kreta das
bereits im Hellenismus ein Koinon hatte das politisch ausgerichtet war. In
der Kaiserzeit präsentierte es sich dann genau so wie auch der Landtag in
Asien es stand unter der Leitung eines Archiereus war mit dem Kaiser
kult beschäftigt und hatte auch die Möglichkeit römische Amtsträger in
Rom anzuklagen. Auch in Zypern stand der Kaiserkult im Vordergrund
darüber hinaus sind neben Ehrungen verdienter Mitglieder keine Aktivi
täten überliefen. Ahnliches gilt auch für das Koinon der Makedonen-
59
In den Gebieten der Provinz Achaia war - soviel ist als Ergebnis der
vorliegenden Studie festzuhalten - der Kaiserkult wesentlich mehr auf der
Ebene der Polis angesiedelt. Das beste Beispiel dafür ist wahrscheinlich
das Koinon der Eleutherolakonen in dem die mächtigste Stadt Gytheion
die Möglichkeit gehabt hätte das Koinon selbst in seine Kaisareia einzu
binden diese aber - trotz erwiesener Verbindung des Festes zum Koinon -
alleine durchführte. Die Änderung in der Struktur der Koina durch die
Einführung eines neuen Priesteramtes zumeist eines Archiereus ist zwar
greifbar aber nicht prominent. Insgesamt kann also eine detaillierte Studie
zum Kaiserkult in den Koina der Provinz Achaia nicht nur von diesen
selbst ausgehen sondern muß vo r allem den Kaiserkult in den Poleis er
fassen um Vergleichsmöglichkeiten zu schaffen und zeigen zu können wo
Zentren oder Lücken vorhanden waren. Der Partikularismus scheint tief
verwurzelt zu sein und muß in jedem Einzelfall auf politisch-historischer
und wirtschaftlich-sozialer Basis untersucht werden. N u r so wird man die
Stellung des Kaiserkultes im griechischen Mutterland richtig bewerten
können.
59
Zur Provinz
Asia: S R F. PKICE
Rituals and Power Cambridge
1984;
zu den
anderen Koina immer noch: J.
DEINENGER
Die Provinziallandtage der römischen
Kaiserzeit.
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Kaiserverehrung und Kaise rkul t
1
in der Provinz Sicil ia
Traditionen - Formen - Organisation
von
H E I K E K U N Z
1 Hellenistische Traditionen und römische Elemente
1 1 Hellenistische Traditionen
Die Kaiserverehrung auf Sizilien knüpfte auf verschiedenen Ebenen an
Traditionen der hellenistischen Herrscherverehrung an. Auf der Basis der
Quellen lassen sich konkret folgende Bereiche benennen:
1 1 1 Syrakus als Zentrum der Herrscherverehrung
Das Reich König Hierons IL umfaßte kein zusammenhängendes Territo-
rium, sondern neben Syrakus noch die kleineren Städte Agyrion, Akrai,
Heloros, Herbessos ?), Kentoripe, Leontinoi, Megara Hyblaia, Neton
und Tauromenion. In diesen Städten sind die Spuren für Herrschervereh-
rung spärlich: So fehlen etwa Ehrenstatuen für den König, deren Existenz
man gleichwohl voraussetzen darf da Hiero n w oh l mit der dortigen Bau-
tätigkeit in Verbindung stand.
2
Von einer zentralen Verehrung in Syrakus
1
Die Terminologie versteht Kult analog zu der antiken Bezeichnung
cultus
als
offiziellen rituellen Dienst am Kaiser, während Verehrung
veneratio)
einen Akt
der Ehrbezeigung und Huldigung darstellt, der entweder außerhalb des offiziellen
Programms oder aber in Formen mit geringerer religiöser Symbolkraft vor allem
durch die Errichtung von Ehrenstatuen oder Ehreninschriften) stattfindet.
Vene-
ratio kann in antikem Sprachgebrauch jedoch auch den Überbegriff zu beiden Be-
reichen bilden.
2
In Neton
n nnten sich
die Epheben
des
Gymnasiums nach Hieron
II.
IG XIV
240).
In Akrai können das Theater und das Bouleuterion in die Zeit Hierons II.
datiert werden Bauherr oder Geldgeber sind nicht bekannt). Agyrion erfahr eine
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34
Heike Kunz
kann daher nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Syrakus aber war
Königsresidenz: Hier befand sich der Palast Hierons IL, Hofhaltung und
•Repräsentation verliehen seiner Präsenz in Syrakus besonderen Ausdruck;
es is t anzunehmen, daß sich dies auf Art und Umfang der Herrscherver
ehrung auswirkte.
Für die Zeit des Provinzstatthalters C Verres ist die Beleglage hingegen
etwas erfreulicher: Verres wurde in Syrakus laut Cicero auf einer Inschrift
als patronus und als soter der Insel Sizilien verehrt;
3
seine Funktion als
Amtsträger der römischen Provinz Sicilia mit Amtssitz in Syrakus ist da
mit direkt verknüpft . Ihm zu Ehren wurde in Syrakus auch ein jährl iches
Fest gefeiert: Syracusanam quidem civitatem ut abs te adfecta est ita in te
esse animatam videmns, apud quos etiam Verria illa flagitiosa sublata sunt.
Etenim minime conveniebat ei deorüm honores haberi qui simulacra deo
rüm abstulisset ... .
4
»Die Gemeinde Syrakus jedenfalls sehen wir gegen
dich gesinnt, wie sie von dir behandelt worden ist , bei welchen auch das
schändliche Verres-Fest aufgehoben worden ist . Denn es gehörte sich kei
neswegs, jemandem gött l iche Ehren zu erweisen, der Götterbi lder ent
wendet hat te«.
D as Verres-Fest w a r zue rst in M essana au s de r Abgaben freiheit , die
C . Verres dieser Ge m einde gew ährt hatte , entstanden- In Syrak us w ur de n
die Verria dan n auf A no rd nu ng des C . Verres eingeführt un d ersetzten
dort die Marcellia, ein Fest für M. Claudius Marcellus (den Eroberer von
Syrakus 212 v. Chr-).
5
Ein Verres-Fest wurde folglich nicht nur in Syrakus,
sondern auch in anderen Städten Siziliens gefeiert; es kann nicht als Beleg
für eine zentrale Verehrung in Syrakus gewertet werden.
Auch wenn die Gleichsetzung des Verres-Festes mit gött l ichen Ehren
bei Cicero im Zeichen einer Polemik steht, dürfte das Fest Opfer für den
Prov inzstatthalter eingeschlossen hab en . A ls Beispiele für weitere Feste zu
Ehren von römischen Provinzstat thal tern führt Cicero nämlich die Mucia
und Marcellia an - Feste zu Ehren des Q. Mucius Scaevola, Proconsul von
Asia im Jahre 97 v- Chr., sowie des M- Claudius Marcellus zusammen mit
Neuausstattung (Diod. 16,83,3). Hieron bemühte sich allgemein um Heiligtümer
und Gymnasien, warum also nicht auch um die der kleineren Städte seines Reiches
(Moscbion fr. 1,1).
3
Cic. Verr. 2,2,154:
haque eum non solum PA3TRONV M illius insuhce
y
sed eti~
am SOTERA insaiptum vidi Syracusis: »Daher bezeichnet ihn eine Inschrift, die
ich in Syrakus gesehen habe, nicht nur als Patronus dieser Insel, sondern auch als
Soter.«
4
Cic. Verr. 2,4,151.
5
Verria in Messana (Cic. Verr. 2,4,24;
151:
durch C. Verres vom Geld des He-
raklios in Syrakus eingeführt).
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Kaiserverehrung und Kaiserkult
235
dem Geschlecht der Marcelli , unter denen auch Provinzstatthalter von
Sicilia waren. Bei den Mucia, die erfreulicherweise auch inschriftlich belegt
sind, handelte es sich, wie vermutlich bei den Marcellia und Verria auch,
um einen Agon,
6
in dessen Verlauf
thydai
dargebracht wurden; auch an
den jährlichen Spielen zu Ehren der Marcelli fanden Opfer
sacra)
und
Festmähler epula). s t at t / O b C . Verres jedoch einen Kult m it Priester un d
Tempel besaß, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden.
Die Verehrung des Provinzstatthalters in der Provinzhauptstadt inner
halb eines auf die gesamte Provinz zielenden Kontextes erlaubt vielleicht
die Hypothese, daß sich in Syrakus auch das Zentrum des Kaiserkults der
Provinz Sicilia mit Kultstätte befand, auch wenn es keine direkten Zeug
nisse dafür gibt: Vollzog also der Provinzstatthalter in Syrakus die
vota
publica
am 3. Ja nu ar für das He il des Kaisers, jbei dene n im N am en un d
6
Die MODKisia (oder Sco^pia Koa Mowfeia auf zwei Statuenbasen in Per-
gamon; später allgemeiner: Euergesia) sind das erste Fest, das für einen römischen
Provinzstatthalter belegt ist (IvOl 327- IGR TV 188; OGIS 439); es handelte sich
um thymelische und szenische Spiele, die vermutlich durch ein Dekret des
koinon
von Asia eingerichtet worden waren und in einem Rotauonsprinzip in mehreren
Städten Asiens abgehalten wurden.
K. J.
RIGSBY,
Provincia Asia, in: Transactions
and Proceedings of the American Philological Association 118, 123-153, bes. 141-
149.
Weitere Beispiele für die Verehrung römischer Magistrate im
2./1.
Jh..v. Chr.:
M. Annhis, in Macedonia 117 v. Chr. durch einen Reiterwetckampf geehrt (Syll.
3
700); L. Valerius Flaccus, Spiele in Tralles 90 v. Chr. (Cic. Place. 52, 55-56, 59);
T. Q. Flamininus, dem »Befreier« von Griechenland, Kult durch Opfer und Prie
ster in Chalkis (Plut. Flamininus 12,7; 16,5ff.); Q. Tullius Cicero, Ciceros Bruder,
lehnt als Proconsul von Asia einen für ihn vorgesehenen Tempel ab (Cic. ad Q. fr.
1,1,26 , ein Ehrendenkmal der Ciceronen (für M. Tullius Cicero und Q. Tullius
Cicero) befand sich auf Samos: H .
KYKIELEIS,
Führer durch das Heraion von Sa-
mos,
Athen 1981, 96. Eine Inschrift für Q. TuJJius Cicero aus Klaros bei K.
TU
CHELT, Frühe Denkmäler Roms in Kleinasien, Teil L Roma und Promagistrate,
Tübingen 1979, 165.
7
VgL Cic. Veix. 2,2,51: ...
ad eum diem quae saais epufosque opus essent
... »...
was für diesen Tag an Opfern und Festmählern nötig sei ...«. Daß Agone als solche
in Sizilien bekannt waren, zeigen die folgenden Beispiele: Tauromenion (IG XIV
422;
434: Pythia), A itne (schol. Pind. O . 6,161: Aitnaia); Syrakus (Diod. 11,71 für
Zeus E leutherios); schol Theok. 7,106: £v
C*QX\X£L
für die Epheben eines Gym
nasiums); diese Wettkämpfe ahmten die Großen Spiele in Griechenland nach, nur
der Agon ev
CTCIXACCK;
stellt eine Lokalvariation dar (vgl I.
RINGWOOD ARNOLD
1960, 248). Die Agone, die in der Kaiser zeit in Rom (Capitolia) und Italien (z. B.
Neapolis: Sebasta/Augustalia bzw. Puteolit Eusebeia) so beliebt wurden, stehen
unm ittelbar in dieser Tradition; sie haben ihre Vorbilder nicht nur in Griechenland,
sondern vor allem auch in Italien und wohl auch
Sizilien.
Das Programm der Spiele
variierte kaum, so daß reichsweit eine gewisse Einheitlichkeit festzustellen ist
(s. L RING WO OD ARN OLD 1960, 251).
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236
Heike Kunz
zum Wohle der Provinz ein Opfer gelobt und das letztjährige Gelübde
eingelöst wurde?
1.1.2 Urbanistik und Herrsch er Verehrung
Die Tradition der Herrscherverehrung im urbanistischen Kontext ist für
Sizil ien durch die Errichtung von Statuen dokumentiert: In Syrakus weiht
das Volk eine Statue des Gelon (des Sohnes von Hieron IL) an Zeus Hella-
nios;
8
sie war vermutlich im Bereich des Heiligtums des Gottes, vielleicht
aber auch an einem ande ren öffentlichen Platz - wie etwa der Ag ora -
aufgestell t . Der Kult des Zeus Hellanios dürfte durch Pyrrhos, den König
der M olosser in Epeiro s, 278 v. C hr . nach S izilien gelangt sein.
9
H ie ron
etwa wurde auf Münzen häufig zusammen mit Zeus dargestell t ; es ist
jedoch weder eine Assoziation mit dem Gott bezeugt noch Herrscherkult
durch die Erwähnung eines Priesters oder die Abbildung eines Altars oder
Tempels.
10
Ob für Hieron IL ein Agon veranstaltet wurde, ist nicht be
kannt; als wahrscheinlich kann aber gelten, daß Theaterspiele auch zu sei
nen Ehren abgehalten wurden; daß man dort auch für ihn opferte, wäre
möglich.
11
Eine eherne Statue des M. Claudius Marcellus sowie vergoldete Statuen
des CVerres und seines Sohnes sah Cicero im Rathaus von Syrakus;
12
Statuen des CVerres befanden sich in ganz Sizil ien auf Marktplätzen
8
Syll.
2
428: 6 8ccp,o<; TÖ)V ZupaKOaicöv ßaatXscc T^Xcova ßacnXeoc; lepcovoq
. Ali E^ocvicoi-
9
P. R. FRANKE, Die antiken Münzen von Epirus, Bd. 1, Wiesbaden 1961, 273;
W. GIESECKE, Sicilia Numismatica, Leipzig 1923, 111, 132, 158.
10
Philistis, die Gattin Hierons IL, hingegen ist auf Münzdarstellungen mit De
meter assoziiert, trägt gleichzeitig aber die Züge der Königin Arsinoe, der Gattin
des Ptolemaios IL Philadelphos (W. GIESECKE, Sicilia Numismatica, Leipzig 1923,
147,
Nr. 1-4), Die Installation eines Herrscherkultes durch den Herrscher selbst,
wie zeitgleich in Ägypten praktiziert, ist für Hieron IL eher zweifelhaft. Die mi
litärischen Erfolge begründeten zwar das Königtum von Hieron IL, mit seinen
Niederlagen gegenüber Rom aber büßte er an Machtstellung ein (s. auch H. BERVE
1959,
58-59). Seine Kontakte zu Ägypten regten daher wohl zur Nachahmung
bestimmter religiöser Vorstellungen an (Assoziation mit einem Gott; dies allerdings
ist nichts Revolutionäres in der griechischen Welt), führten aber wohl oicht wie
do rt zur Einrichtung eines Kultes mit Kultstätte und Priesterschaft (der Vater von
Ptolemaios IL wurde als Theos Soter, der König und die Königin als Theoi Adel-
phoi, Arsinoe auch als Thea Philadelphos verehrt).
n
Die Cunei in der Cavea des Theaters von Syrakus waren nämlich nach Hieron,
seiner Gattin Philistis, seinem Sohn Gelon, dessen Gattin Nereis sowie bestimmten
Göttern (z. B. die Theoi Pantes) und Heroen benannt (Syll.
2
429). Diese Tradition
setzte sich auf Sizilien auch in der Kaiserzeit fort: Theaterspiele fanden zu Ehren
des Kaisers und lokaler Gottheiten statt.
12
Cic. Verr. 2,2,50.
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Kaiserverehrung und Kaiserkult
237
(z. B. eine Reiterstatue und ein Ehre nbo gen in Syrakus
13
) und in Heilig
tümern.
14
Das Verhältnis von Ehrenstatuen und Göttl ichkeit wird an der folgen
den Textpassage aus der zweiten Verrine Ciceros deutlich:
Non crederem
hoc de statiris nisi iacentis revulsasque vidissem, propterea quod apud omrds
Graecos hie mos est ut honorem hominibus habitwn in monumentis eius
modi non nulla religione deorum consecrati arbitrentur}
1
»Ich w ürd e das
mit den Statuen nicht glauben, wenn ich sie nicht hätte liegen sehen, zu
Boden gestürzt, deshalb nicht, weil bei allen Griechen dieser Brauch
herrscht, daß sie meinen, daß die Ehre, die den Menschen durch solche
De nk m äler gil t, du rch eine gewisse Götterv erehru ng geweiht sei-«. Eh ren
statuen konnten nach Cicero von den Griechen als göttl ich betrachtet wer
den, wenn sich die Menschen gern an die Taten der geehrten Person erin
nerten; sie konnten aber auch wieder entfernt werden, wenn sich negative
Erfahrungen eingestellt hatten, d. h. die W ahrne hm ung der Ehren statuen
als göttlich und nichtgöttlich oszillierte mit den Verdiensten der betreffen
den Person.
16
Die Verehrung des Kaisers und der Mitglieder der Kaiserfamilie durch
Ehreninschriften und Statuen - gestiftet von Privatpersonen oder von der
städtischen Gemeinde - ist für Sizilien auf dem städtischen Forum be
zeugt.
17
Statuen und Reliefs befanden sich in Theater und Amphitheater;
als Beispiel sei hier eine Säulenbasis mit dreiseitigem Relief auf einer Plin-
13
Cic. Verr. 2,2,154, vgl einen Ehrenbogen für Augustus bei R.J. A.
WILSON
1990,
113 Aam. 337.
14
Cic. Verr. 2,2,158 :...
in
aedibus sacris ... Statuen des C. Verres in Heiligtümern
könnten die Vorläufer für das örtliche Nebeneinander von Lokalkulten und Kai
serkult bzw . Kaiserver ehrung in der Kaiserzeit gebildet haben (s. Kap. 3.1).
15
Cic. Verr. 2,2,158.
16
Auch in Rom kannte man die Ehrung bedeutender Feldherren im Triumphzug
sowie die Errichtung von Ehrenstatuen; besonders bedeutende Männer der Ge
schichte Roms (wie Rom ulus) konn ten als göttlich betrachtet werden; in Tempeln
(wie dem des luppiter Feretrius auf dem Kapitol) wurden etwa die von einem
Feldherrn im Zweikampf erbeutenden Waffen geweiht; da dieses Phänom en aber in
Widerspruch zu einer strengen republikanischen Haltung stand und in Rom mit
gewisser Skepsis betrachtet wurde, schreibt es Cicero hier nur den Griechen zu.
17
Das früheste Beispiel einer Weihinschrift an einer Statuenbasis, gestiftet von
der Privatperson P(ublius) M(arcius?) Annieius an ein Mitglied der Kaiserfamilie
(G Caesar) stamm t vom Forum in Agrigent und ist zwischen 17 v. Chr. und 4
n. Chr . zu daueren: Eine Seite der asis trägt die Aufschrift G CAESARIAVGVS-
TI
F üio), die andere
VOTVM CAESARIS FILIO:
E
E MIRO,
UAtüvitä della
Soprintendenza archeologica di Agrigento (anni 1980-84), in: Kokalos
30/31,
1984/85,
453-465, hier 464-465.
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238 Heike Kunz
the aus Catina vom Ende des 2/ A nf an g des 3. Jh. n. Chr. genannt, die vo n
der Frontseite der Bühne des Theaters stammt; das Relief nimmt Bezug
auf einen militärischen Sieg eines römischen Kaisers über Barbaren: Das
Frontbild zeigt eine Trophäe, die von zwei Niken getragen wird, an den
Seiten sieht man jeweils männliche und weibliche Gefangene, vermutlich
aus einem Triumphzug eines Krieges gegen die Germanen (vielleicht ge
führt von Marcus Aurelius gegen die Markomannen oder Caracalla gegen
die Alamannen). Im Gymnasium von Agrigent, das Hermes und Herakles
geweiht war, weisen Inschriften hochrangigen städtischen Persönlichkei
ten Sitzplätze zu; aus einer von ihnen läßt sich wohl entnehmen, daß das
Gymnasium zu Ehren des Augustus bestand.
18
1.13 »Städtebund« und Herrscherverehrung
Die Städte des Reiches von Hieron IL besaßen eine gemeinsame Münz
prägung: Dies bezeugt das Ethnikon 2IKEAI&TAN als Münzbeischrift,
die den »Sikelioten« die Münzhoheit zuweist. Häufiges Motiv ist das als
Demeter verschleierte Haupt der Philistis, der Gattin Hierons II.
19
Die
Darstellung, die Philistis als Gottheit zeigt, ist der des Portraits der Kö
nigin Arsinoe, der Gattin des Königs Ptolemaios II. Philadelphos, ange
glichen.
20
In der Zeit des Statthalters C. Verres repräsentierte ein commune Siciliae
als Vertretung der sizilischen Gemeinwesen die Provinz nach außen; es
stiftete vergoldete Ehrenstatuen für C. Verres außerhalb Siziliens (nämlich
in Rom ) im Nam en der Provinz.
21
Erst wieder in der Spätantike findet sich
das commune Siciliae in einem Brief des Quintus Aurelius Symmachus aus
dem Jahr 378/379 n. Chr.; er ist an den praefectus praetorzo Galliens, Ita
liens und Afrikas und späteren Konsuln Decimus Magnus Ausonius, den
18
Es handelt sich um zwei Reihen Kalksteinsitze: im nördlichen Sektor, westli
che Reih e lautet die Inschrift: vac. 0 ? [— ] Kcricrapa A-ayo-ocrov
<pX L\xzvoq
Aoa>
Kiox> TSTvatioo [A]OX>[KI]O"D oio'ö r<xpi[ ] ; im südlichen Sektor derselben R e ih e
vac. [ ] 5a)ä>v <5s <x[v5]pä>v[ J im südlichen Sektor, östliche Reihe: [— ]
SE^TO-O *E[-]axio*ü [2eJ;|V|o[-o -DioiS T]ofKpox> AOTÖKIOC; [ — ] Q im nördlichen Sek
tor derselben Reihe: AOX>KIO-D vio[c — ] o [—7op.vaoiap%o<; xcöv TS e<pf\ßcov KOCL
v$]arcepcöv TOÜC ccv{K]kvca<;Tä)v iöuov *Ep|icfci
KOCL HpaicXs[t]
(AE , 1996, 809, vgl.
R. J. A .
WILSON
1996,
87;
Sextus Rufus ist als
duumvir
von Agrigentum auf einer
Münze bezeugt, die nach 2 v. Chr. zu datieren ist, da sie Augustus als
pater patriae
bezeichnet. D ie Inschrift h ier datiert also zwisc hen 2 v. Chr. und 14 n. Ch n R. J. A
W IL SO N 1990, 43 f ig. 3 2c) .
19
W . GIESECKE, Sicilia Numismatica, 1923, Leipzig, 147, Nr. .1-4.
2 0
H . BERVE 1959, 69, 79.
21
Cic. Verr. 2,2,114; 145; 154.
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Kaiserverehrung und Kaiserkult
239
berühmten Dichter und Lehrer der Rhetorik, gerichtet :
Ambrosium de
summ atibus provincialis fori ad dominos et principes nostros Siciliae com
mune legarit varis instructum mandatis
>
quae spectare Visa sunt bonum
publicum?
1
»Das
comm une Siciliae
entsandte Ambrosius an unsere Herren
und Vorgesetzten, einen der wichtigsten Leute des provinzialen Gerichts
wesens, und stat tete ihn mit verschiedenen Aufträgen aus, die man in be-
zug zum öffentlichen Wohl zu stehen glaubte.« Das
commune Siciliae
schickte einen Delegierten, eine herausragende Persönlichkeit des sizili-
sehen Gerichtswesens, an den kaiserl ichen Hof;
23
es fungierte demnach
ganz offensichtl ich als M edium der K om m un ika tion zwischen Kaiser und
Provinz. Funktionen im Bereich des Kaiserkults sind indes nicht belegt .
Die in einer kaiserzeitlichen Inschrift erwähnten
ceivitates Siciliae,
die au
ßerhalb der Provinz eine Ehrenstatue st iften,
24
sind vielleicht mit dem
commune Siciliae
identisch.
1J.A Verehrung des Herrschergeschlechts
Der Sohn Hierons IL, Gelon, der noch vor seinem Vater 216/215 v. Chr.
starb,
25
is t auf Münzen ebenso wie sein Vater mit dem Diadem der helle
nistischen Könige dargestellt
26
und erhiel t Ehrenstatuen.
C Claudius Marcellus
{praetor
des Jahres 80 v, C hr . un d Provinzstat t
halter von Sicilia 79 v. Chr.) wurde in Syrakus durch ein Fest geehrt, das
sich auf das Geschlecht und den Namen der Marcell i , beginnend mit
M. Claudius Marcellus, erstreckte;
27
in derselben Stadt wurden Statuen für
C. Verres, desse n Vater u n d dessen Soh n errichtet.
23
22
Syrom. epist 1,17.
23
F . SARTOFI, II
commune Siciliae
nel tardo impero, in: Klio
63,
1981,2, 401-409,
hier 404.
24
Die ceivitates Siciliae stiften C. Plautius Rufus, legatus pro pr(aetore), in Au-
ximum im Picenum eine Weihinschrift, weil er die Provinz beschützt habe
(pro-
vincia
defensa): ILS 926.
25
Hie ron s Tod tra t im Frühjahr 215 v. Chr . ein.
26
B. V. HEAD,
Historia Num morum . A Manual of Greek Nuniismatics, Oxford
1911
2
, 184.
27
Cic. Verr.
2,2,51:... quem Uli diemfestum cum recentibus beneficiis
C
M arcelli
debitum reddebant, tum generi nommi familiae Marcellorrum maxima voluntate
tribuebant.
»... diesen Fesnag begingen sie sowohl als Dankesschuld für die jüng
sten Wohltaten des C- Marcellus, vor allem aber widmeten sie ihn mit höchster
Bereitwilligkeit dem Geschlecht, dem Namen, der Familie der Marceller«.
2S
Cic. Verr. 2,2,145:
Syracusana civitas, ut eam potissimum nominem, dedit ipsi
statuam
-
est bonos
-
etpatri- bella haeepietatis et quaestuosa simulatio
-
etfüio
-
ferri hoc potest, hunc enim puerum non oderant. »Die Gemeinde von Syrakus,
damit ich sie zuallererst nenne, gab jenem eine Statue - das ist eine Ehre - und
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24
Heike Kunz
W ährend H iero n IL und C Verres auf Sizilien zw ar vielleicht O pfe r
empfingen, jedoch nicht sicher eine feste Kultstätte und Priester besaßen,
wurde für Augustus - wie auch im griechischen Osten - schon zu Leb
zeiten ein Kult installiert: Eine Münze von Halaesa aus augusteischer Zeit
nennt einen
flamen Augusti
Paccius Maximus.
29
Ein weiterer Beleg ist die
bereits erwähnte Inschrif t vom Gymnasium in Agrigentum: Sie kann zwi
schen 2 v. Chr. und 14 n. Chr. datiert werden und erwähnt einen
flamen
L. Egnatius. Eine Inschrift von Thermae Himeraeae aus augusteischer Zeit
bezeugt Kult für Augustus und Livia (nicht Iulia Augusta) und erwähnt
zugleich Tiberius als Adoptivsohn: Ära imp(eratori) Cae[s(ari) A u-
g(usto)]/et Livfiae ...]/ matri [Tib. Caes(aris)] / imp(eratoris) Cae[s(ans)
Aug(usti) f(&i)p
0
»Ein Altar dem Caesar Au gustus und der Livia . . , M u t
ter des Tiberius Caesar, des Sohnes des Imperator Caesar Augustus.«
12 Römische Elemente
Die Lares Augusti und der Genius Augusti wurden mit Reform des La
renkultes 7 v. C hr . in Ro m au ch auf Sizilien verehrt. D ies bez eug t eine
Inschrift aus Lipara:
31
[Larjibus Augusteis et Genio Caesafris] I [Libjero-
rumque eins
G
Publilius [C. l(ibertus)] I [Piljargurus, sevir primus et prior.
»Den augusteischen Laren und dem Genius Caesars und seiner Kinder
C Publilius Pilargurus, Freigelassener des Gaius, erster
sevir
zu Beginn
des Jahres.« Bei den Kindern muß es sich nicht zwingend um Gaius und
Lucius, die Enkel des Kaisers Augustus» handeln, denen 4 n. Chr. in Rom
ein Kult eingerichtet wurde; die Rekonstruktion der-Inschrif t nimmt je
doch ein frühes Datum an.
M it dem Kaiser assoziierte G ot th ei t auf Sizilien ist Iupp iter: So z. B .
bezeugt durch einen männlichen Torso aus Catina, der Teil einer Kaiser
statue de r iulisch-claudischen D yna stie aus de r 1. Hälfte des 1. Jh . n. C hr .
(eher Tiberius als Claudius) war; die Statue ahmt die Darstellungsweise
des Iuppiter Capitolinus nach und war möglicherweise in einem Gebäude
für den Kaiserkult aufgestellt.
32
L ivia wu rd e auf Sizilien, z. B. auf e iner
seinem
Vater - das ist eine schöne und einträgliche Vortäuschung von Kindesliebe -
und dem Sohn - das kann man ertragen, diesen Knaben nämlich haßten sie nicht.«
2
ABuRNETT, Rom an Provindal Coinage, Bd. I, 1992, no .
633;
vgl. R.J.A.
WILSON 1990, 43 f ig. 32b: Paccius Maximus als duumvir und flamen, auf späteren
Münzen nur noch als flamen,
30
CIL X 2,7340.
31
AE, 1939,
346
a.
32
Catania, Castello Ursino, Marmor inv. nr. 146, collezione Biscari, gefanden
1737 auf dem Areal des convento di Sant* Agostino.
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Kaiserverehrung und Kaiserkult
241
Inschrift aus Gaulus/h. Gozzo (einer kleinen, Malta vorgelagerten Insel),
aber auch auf Münzen aus Panhormus
3 3
ebenso wie in Italien
34
und an
deren Provinzen des Imper ium Romanum
3 5
mit Ceres assoziiert.
D ie Fasti Am iterni n otie ren als Fest a m 3. Septem ber »Sizilien«. D er
Sieg des Augustus bei Naulochos über Sextus Pompeius wurde bis zum
Verbot unter Caligula mit einem Fest begangen;
36
Münzen aus Panhormus
verweisen auf diesen Festtag wohl ebenso wie auf den
dies natalis
des
Augustus.
37
Auf Sizilien hatte es Feiern zu Ehren des Geburtstages eines
Herrschers schon lange vor Augustus gegeben: Bereits für die Zeit des
T im ol eo n (seit 345/44 v. C h r. in Sizilien) sind sie den Q uelle n nach für
ganz Sizilien bezeugt.
38
2 Die Her r sche rvor s t e l lung
Die Herrschervorstellung variierte nach den jeweiligen Verdiensten bzw.
nach den progranunatischen und religionspolit ischen Zielsetzungen. Der
Selbstdarstellung der Herrschaft Hierons IL etwa wurde durch prächtige
Bauten in Syralcus Aus dru ck verliehen; daru nter sind vo r allem die E rrich
tung des Tempels des Olympischen Zeus und eines riesigen Altars für
33
R. J. A. WILSON 1990, 44 fig.34b: mit Patera und Szepter (Avers), Widder
(Revers).
34
Die Münzprägung Roms fertigt 15/16 n. Chr. ähnliche Motive wie das in
Anm. 33 für Sizilien genannte: R. J. A. WILSON 1990, 44 fig. 34b.
35
E. BARTMAN, Portraits of Livia: Imaging the Imperial Woman in Augustan
Rome, Cambridge 1999, z. B. 107: Lepcis Magna (Statue); 103: Caesaraugusta, Hip-
po Regius und Cypius (Münzen).
36
Acäacae Siculaeque victoriae: Suet. Cal. 23,1
37
Nach G. MANGANARO, La Sicilia da Sesto Pom peo a Diocleziano, in: AN RW
II 11.1, 1988, 3-89; hier 55f., wurde augusteisches aes aus Rom, das bereits zirku
liert war, als öffentliche Gabe, in Details verändert, in Sizilien unter Tiberius erneut
ausgegeben: Dargestellt waren u. a. ein kleiner (Lorbeer-)Zweig, die Lyra und der
Steinbock, d ie vielleicht auf den
dies natalis
des Augustus hindeuten; andere Mün
zen mit der Darstellung von Schiffsbug und Aphlaston weisen auf die Siege bei
Actium und Naulochos. Die Münzen sind auf ca. 21 n. Chr. datier bar un d bezeu
gen vielleicht die Durchführung von Feierlichkeiten zu Ehren des Divus Augustus
auf Sizilien.
38
N ep . Timoleon 4,4: proelia maxima natali suo die feck omnia. Quo factum est,
ut eins diem natalem festwn haberet universa Sicilia.
»Die größten Schlachten
schlug er alle an seinem Geburtstag. Daher kam es, daß ganz Sizilien seinen Ge
burtstag zum Fest hatte«; vgl. P. H E R Z , Kaiserfeste der Prinzipatszeit, in: ANRW
n 16.2, 1978, 1135-1200.
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4
Heike Kunz
Zeus E leutherios zu nennen.
59
C Verres wurde in Syrakus als Soter geehrt,
weil er sich im Kampf um die Seeräuber verdient gemacht hatte.
40
Eine
römische Münzserie zwischen 119 und 138 n.Chr. feierte den adventus
des Kaisers Hadrian in Sizilien und ehrte ihn als
restitutor Siciliae*
1
3 Lok a le E i nb ind un g des Ka i se rku l ts
3.1 Die municipia Latinae condicionis Centuripae und Halaesa als
Beispiele für Kaiserkultstätten in umgebauten hellenistischen Stoai
Aus Centuripae stammt ein Gebäudekomplex, der verschiedentlich als
edificio degli Augustales, d. L als Au gustalgebäud e interpretiert w ord en
ist.
42
Direkt an das Forum, das nicht im topographischen Zentrum der
Stadt lag, grenzt eine Stoa, deren erste Bauphase der hellenistischen Zeit
zuz ure ch nen ist ; die heu te sichtbaren Reste der Säulenh alle stam m en je
doch aus der mitt leren Kaiserzeit . In einem Raum hinter den Säulen wur
den mehrere Portraits des Kaiserhauses gefunden (von Augusrus, Ger-
manicus, dem jüngeren Drusus und einem unbekannten Pr inzen aus iu-
lisch-claudischer Zeit) . Eine Inschrif t aus dem l.Jh. n.Chr. , die einen
quattuorvir Augustalis
nennt, wurde unmittelbar außerhalb der südlichen
Mauer dieses Raums entdeckt.
43
Im 2. Jh. n. Ch r . wu rde der Raum durch
eine Mauer nach Norden hin abgeschlossen und in vier kleinere Räume
unterteilt: drei lagen zum Forum hin, ein vierter nach Westen dahinter. Im
» Z. B. Diod. 16,83,2.
«oC ic.Verr. 2,4,154.
41
H .
MATTTNGLY,
Coins of the Roman Empire in the British Museum, Bd. 3,
1966,
p. 496; 526. A. HOLM, Geschichte Siziliens im A lthermm, Bd. 3, Berlin 1878,
Nr. 75: Auf dem Revers Hadrian und die vor ihm stehende personifizierte SiciJia,
Schale und Ähren haltend; zwischen ihnen ein brennender girlandenumkranzter
Altar mit Opfertier. Hadrian erhebt die rechte Hand zum adventus-GestuSy Sidlia
opfert am Altar.
VgL
J . LEHNEN
1997, 219;
neben lokalen Unterschieden reichsweit
einheitliches adventus Zeremoniell: z. B. 195 und passim.
42
R J . A. WILSON 1990,111-113, 297 mit Anm. 91; G. LIBERTINI, Nuove inda-
gini sulle costruzioni presso il mulino Barbagallo, in: Notizie degli Scavi di Anti-*
chitä 1953, 353-368.
43
AE, 1955, 193, tiberianisch? [Numim Domus A]ugus[ti] / [sajcrum L. Cd-
pitfrmjus Apthonetus, Ullvir Ajtgustalis.
»Dem Numen des Hauses des Augustus
geweiht, Calpurnius Apthonems, Ullvir Augustalis.« Als alternative Ergänzung
wird von G . MANGANARO, La Sidlia da Sesto Pompeo
a
Diocleziano,
in :
A N R W I I
11-1,1988,
3-89; hier 47 vorgeschlagen: [Larib ns) A jugxsftis] / [sa]crwn / L. Cd-
pu[rni]iis Apthonetns, Ullvir Augustalis.
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Kaiserverehrung und Kaiserkult
43
Norden entstand ein neuer Gebäudeteil , der mehrfach als Podiumtempel
interpret ier t w ord en ist , da er durc h Stufen im No rd en und- zum Fo rum
hin erreichbar w ar und somit über dem Niveau des Fo rum lag; diese De u
tung ist nicht zweifelsfrei gesichert; auch eine Büste des Hadrian wird mit
diesem Teil der Anlage häufig in Verbindung gebracht; ob zu Recht, ist
nic ht zu entscheiden. Vo n der Au sgrabun gszon e s tammen auch Fragm ente
einer Kaiserstatue mit Brustpanzer, ohne daß die Fundstelle genauer be
kannt wäre Die Frage lau ter Wurde der Kaiserkul t
zuerst
innerhalb der
Stoa praktiziert und später im neu errichteten Podiumtempel? Der ur
sprüngl iche Kul t raum wä re dann zum W ohn - und Versammlungsraum des
collegium der quattuorviri Augustales geworden, so zumindest das Votum
einiger Arch äologen, daru nter R . J . A .
W I L S O N .
Wenn dies summt, wäre es
ein seltenes und kleines Beispiel für ein Augustalgebäude im romischen
Reich, das sonst nur für Ital ien und Dakien
4 4
bezeugt ist.
In Halaesa wurde eine L-förmige hellenist ische Stoa aus dem
2 .
Jh .
v. Ch x. m it rechteckigen R äum en an de r Rückseite jedes Flügels e ntdeck t.
Zwischen 50 un d 120 n. Ch r. w urd e ein Rau m m it M armorfuß boden aus
gestattet, ma n fand d arin den Sockel ein er m arm orn en Statuenbasis. K leine
rechteckige oder runde Basen für Votive und Statuetten in jedem Raum
des westl ichen Flügels und Weihinschriften machen die Deutung der Räu
me als
saceüa
wahrscheinlich. Eine Inschrift nennt den Kult der Ceres,
45
andere erwähnen die Theoi Pantes oder die Concordia August i :
46
E in be
reits bestehendes sacellum wurde also im 1. Jh. n. Chx. vielleicht dem Kai
serkult geweiht . Dies würde auf ein ört l iches Nebeneinander von Kaiser
kul t und t radi t ionel len Kil l ten deuten/
7
3.2 Fürsorge der lokalen Kaiserkultpriester (Augustales)
für andere Lokalkulte
Seit 12 v. C hr . w ur de n die Augu stales in vielen Ko lonien u nd M unizipie n
im Westen des Imperiums für den Kult des Genius Augusti , des Numen
Aug ust i un d der Lares Aug ust i nach dem Vorbi ld der s tadtrömischen
ma-
gistri vici
eingesetzt. Auf Sizilien variierte ihr
collegium
zwischen vier und
sechs Mitgliedern.
44
In Scolaciurb, Misenum, Ostia, Herculaneum, Rosellae, Otricoli, Tivoli (Italia)
und Sannizegethusa (D ada) R J . A. WILSON 1990, 297 -mit Anm .
91.
45
A E , 1973, 273.
46
AE , 1973,267; AE , 1973,271: [Concojrdiae Aug vstae) [sacr wn)] /[— ZJetbas
sevfir Attg.J. .
47
Zur Stoa
in
Halaesa insgesamt
s.
R. J. A . WILSON 1990, 46-47.
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44
Heike Kunz
Die Augustales engagierten sich auch in lokalen Kulten, dies galt nicht
nur für Sizilien, sondern war allgemein übliche Praxis. Ein Beispiel ist die
oben genannte Weihinschrift aus Halaesa vom Ende des 2./der 1. Hälfte
des
3 .
Jh . n. C hr. an der B asis einer Statue der Ceres :
Cereri acr(um).
Iulius Acilius Her/mes, pro bonor(e) seviratus d(onum) d(edit) d(edica-
vit).**
»D er Ceres gew eiht Iulius Acilius He rm es, gab zum Gesc henk un d
weihte dies für die Ehre seines Amtes als sevir.« Die Statue der Ceres,
offensichtlich kein e Kult-, son de rn eine Votivstatue, w a r in einem de r kle i
nen bereits erwähnten sacella der Stoa an der Westseite der Agora aufge
stellt.
In Panhormus errichtete ein
sevir
dem Gott Mercur einen Altar , hier
handelte es sich also um die Einrichtung eines Kultes:
M- Ulpius Italici
lib(ertu ) Eutycbus aram et basim Mercuri, pr(op)ter summam bonoraruim,
pro seviratu pecunia sua posuit d(ecurionum) d(ecreto).^ »M. Ulpius Eu -
tychus, Freigelassener des Italicus, errichtete einen Altar und eine Basis für
Mercur, wegen einer Ehrenabgabe für sein Amt als
sevir
50
auf eigene Ko
sten und auf Beschluß der Decurionen.«
4 Organisa t ion des Kaiserkul t s
Im Jahre 32 v. C hr . sc hw or die ganze Prov inz Sicilia in einer gem einsamen,
zentral geschaffenen Formel auf Augustus.
51
Dieses Datum steht vielleicht
in Zusammenhang mit der raschen Verbreitung des Kultes für Augustus
auf Sizilien; der Eid dürfte an den entstehenden Kultstätten
52
zu bes t imm
ten Zeitpunkten abgelegt worden sein.
•«AE, 1973, 273.
49
CIL X 2,7267.
50
Bei der
summa honoraria
handelte es sich um Gelder, die ein Augustale bei
Am tsantritt entrichtete; vgl. D. LADAGE 1971, 116.
51
Res gestae divi Augusti
25: Iuravit in mea verba tota Italia sponte sua, etme
belli quo vici ad Actiwn ducem depoposcit. Iuraverunt in eadem verba provinciae
Galliae Hispaniae Africa Sicilia
Sardinia. »Ganz Italien schwor freiwillig auf meine
Worte, und forderte mich als Führer in dem Krieg, in dem ich bei Actium gesiegt
habe.
Auf dieselben W orte schworen die gallischen Provinzen, die beiden Hispania,
Africa, Sicilia, Sardinia.«
52
Auf Sizilien ist Kaiserkult erst nach der Zeit des Augustus für
vici
und
emporia
bezeugt (z.
B.
CIL X 2,7212, gefunden in Mazara del Vallo, vicus von Lilybaeum,
auf der Piazza Grande beim Haus der Chiaximonti; G. MANGANARO, Die Villa von
Piazza Armerina, Residenz des kaiserlichen Prokurators, und ein mit ihr verbun
denes Emporium von Henna, in: D.PAPENKJSS/V.M. STROCKA [Hrsg.], Palast
und Hütte, Mainz 1982, 493-513; hier 504-506, doch ist ein Zusammenhang mit
dem Kaiserkult nicht ganz sicher). Träger des Kaiserkults in der Provinz Sicilia
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Kaiserverehrung und Kaiserkult
245
Die den Augustales übergeordneten Priesterschaften für den Kaiserkult
auf Sizilien waren flamen und sacerdos. Diese beiden Ämter jedoch waren
einander gleichrangig.
53
Das Amt eines
flamen
ode r
sacerdos
-wurde häufig
von Mitgliedern der städtischen Führungsschicht bekleidet, doch auch das
Amt eines
sevir Augustalis,
das meist vo n Freigelassenen besetzt w ur de ,
galt als Ehrenamt.
In der Priestertitulatur lassen sich für Sizilien wie für die anderen west
lichen Provinzen lokale Variationen besonders zu Beginn der Kaiserzeit
feststellen; Sizilien aber hebt sich dadurch hervor, daß dort der Titel fla
men früh verbreitet war.
54
Die frühe griechische Inschrift vom Gymnasi
um in Agrigent (s. o. Anm. 18) begreift (pTiö^iev gar als lateinisches Lehn
wort und übersetzt nicht ins Griechische zurück. Dies steht im Gegensatz
zum griechischen Osten des Römischen Reiches, wo
flamen
meist der
Bezeichnung iepeuc; tot> a 8ß aarc n3 entspricht.
55
W ähre nd die M ün ze aus Halaesa (s. o.) einen flamen Augusti nennt ,
macht die an anderer Stelle bereits erwähnte Inschrift aus Gaulus/h. Goz-
zo die lokale Variation gegenüber stad trömisch er Titu latu r deutlich: Cereri
Iuliae Augustae divi Augu ti
y
matri Tiberii Caesaris Augusti, Lutatia C .
f(ilia) sacerdos Augustae zmp(eratoris) perpet(ui\ uxor M. Livi M. f(ilii)
Qui(nti) Optati flaminis G[a]ul(itanorum) Iuliae Augusti imp(eratoris)
perpet(ui) cum vfiro et] liberis s(ua) p(ecunia) consacravit.
56
»Der Ceres
Iulia Augusta des vergöttl ichten Augustus, Mutter des Tiberius Caesar
Augustus, weihte Lutatia, Tochter des Gaius, Priesterin der Augusta und
des Imperator auf Lebenszeit , Gattin des M. Livius Quintus Optatus,
Sohn des Marcus, Flamen der Gaulitaner, der Iulia und des Augustus Im
perator auf Lebenszeit dies mit ihrem Mann und ihren Kindern auf eigene
Kosten.« D er. Titel Iulia Au gu sta w ur de Livia nach dem W illen des A u
gustus verliehen, daher ist die Inschrift zwischen 14 n. Chr. und 42 n. Chr.
waren nach den erhaltenen Inschriften und Münzen meist die städtische Elite: So
stiftet die ganze Gemeinde, ein Magistrat oder ein Priester auf Beschluß der De-
curionen; es kann jedoch davon ausgegangen werden, daß die breite Bevölkerung
am Kult beteiligt war (z. B durch den Eid auf den Kaiser, der an den einzelnen
Kaiserkultstätten geleistet wurde) .
'* VgL D. LADAGE 1971, 14, 43.
54
D .
LADAGE
1971, 44: In der Baetica etwa fand sich zunächst nur ein
ponüfex
Augusti.
In Rom war Antonius seit 40 oder 39 v. Chr.
flamen divi Iidt\
während
Augustus nur durch den Kult der Lares oder des Genius Augusti verehrt wurde. In
Sizilien orientierte man sich beim Kult für Augustus vielleicht am Vorbild C- Iulius
Caesars und kombinierte es mit dem Augustustitel.
* D. LADA GE 1971, 14.
56
CIL X 2,7501.
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246 Heike Kunz
zu datieren; da Livia hier explizit Mutter des Tiberius Caesar Augustus
genannt wird, stammt die Inschrift vermutlich aus tiberianischer Zeit. Die
Weihung an Livia (Iulia Augusta), also an ein weibliches Mitglied der
Kaiserfamilie, vollzog die Priesterin zusammen mit ihrem Ehemann. Die
Ehegatten teilten sich auch das Priesteramt: Beide waren Priester sowohl
für Augustus als auch für Iulia Augusta. Ein Unterschied bestand jedoch
in der Priesterti tulatur: Die Frau war
sacerdos
y
nicht
flamimca Gaulita-
norum
y
eine lokale Variante, die für Ro m n icht bek ann t ist. De r Zu satz
eines Ethnikons war hingegen häuf ig im Imper ium Romanum Ebenso
fällt auf, daß die weiteren Zusätze hinter dem einfachen Priestertitel nicht
ganz analog gebildet sind (sacerdos Augustae vs. flamen Gaulitanorum
Iuliae
bzw.
sacerdos imp(eratoris) perpet{ui)
vs.
flamen Augusti imp(era-
toris) perpet(ui)),
vielleicht handelt es sich hierbei um Auslassungen aus
Platzgründen. Bei beiden Priestertiteln wurde indes nicht auf die Ergän
zung imperator perpetuus verzichtet: Spielten in diesem K ult für A ug ustu s
tatsächlich dessen militärische Leistungen eine Rolle oder war der Titel
nur ein äußeres Zeichen der Anerkennung für militärische Erfolge, mit der
sich die städtische Gemeinde hervortun und die Gunst des amtierenden
Kaisers erwerben wollte? Eine Kenntnis der stadtrömischen Titulaturen
darf für die Inschrift vorausgesetzt werden: Diese wurden hier wohl be
wußt durch einen Zusatz erweitert . Die genaue Zeit , in der Gaulus mu-
nicipium
wurde, läßt sich leider nicht bestimmen.
57
E in Zusammenhang
der Inschrift mit dem Wunsch nach einem höheren Status für die Stadt ist
hypothetisch.
Spätere Inschriften aus Sizilien weisen ka um lokale Be son derh eiten auf:
Aus Mazara del Vallo, einem vicus von Lilybaeum, ist ein flamen divorum
Aitgustorum peipetuus*
bek annt, in Messana wird auf einem G rabstein
eine flaminica divae Augustae erwähnt.
59
Bei aller Vorsicht im Hinblick
auf die spärliche Quellenlage darf vielleicht die These gewagt werden, daß
die Priestertitulaturen auf Sizilien schneller und stärker stadtrömischem
Einfluß unterlagen als in manchen anderen westlichen Provinzen.
57
Die Inschriften, die m unidpium oder decuriones erwähnen, sind spät: CIL X
2,7502-
7503.
58
C IL X 2,7212.
59
Messiae Przscifil iae) Crispinae
laminicae
divae Aug(ustae) ex testamento Mes
st Modiani patris Modianus frater. CIL X 2,6978, gefunden an der Seite der Pforte
des Frauenklosters S. Gregorio.
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Kaiserverehiung und Kaiserkult 247
5 Zusammenfassung
Rom machte in hellenistischer Zeit durch die Ausdehnung seines Herr
schaftsgebiets über Italien hinaus zuallererst in Sizilien unmittelbar und -
nicht zuletzt durch die Verehrung römischer Magistrate - nachhaltig Be
kanntschaft mit der Herrscherverehrung.
Die Kaiserverehrung auf Sizilien kann in verschiedenen Bereichen auf
hellenistische Traditionen zurückverfolgt werden. Kaiserkult und Kaiser
verehrung sind auf Sizilien vor allem auf munizipaler Ebene bezeugt.
Durch die Einbindung des Kaiserkults in das dortige lokale Traditions-
gefüge variierte seine Ausübung im Bereich der Gestaltung von Kultstät
ten ebenso wie wohl in weiten Teilen der Kultpraxis. Über die Kultpraxis
an reichsw eiten Festen für de n K aiser (z. B. de m
dies natalis)
oder der
adventu -Feier
kö nn en für Sizilien keine verläßlichen Aussagen gemach t
werden; viele Komponenten des
adventus-Zeremomells
aber wa ren w oh l
reichsweit einheitlich. D ie Ein setzu ng vo n Augustales für den. K ult der
Lares Au gust i und des N um en A ugu st i läßt römischen Einfluß erkennen,
das Priestercollegium war aber in die lokale städtische Tradition eingebun
den. Die Titulatur der kaiserzeitlichen Priesterschaften war nicht einheit
lich, orientierte sich aber - von bestimmten Fällen abgesehen - insgesamt
stärker an stadtrömischem Vorbild als in manchen anderen westlichen
Provinzen. Hinsichtlich der Gestalt von Kaiserstatuen oder der Assozia
tion von Mitgliedern des Kaiserhauses mit bestimmten Gottheiten folgte
man dem stadtrömischen Muster . Durch die Zentrale vorgegeben und
reichsweit verbreitet war der Eid auf den Kaiser.
Der Kaiser selbst wurde temporär im Zusammenhang mit der gesamten
Provinz erwähnt und gefeiert. Dem Provinzstatthalter kam vielleicht bei
Kultakten, die er stellvertretend für die ganze Provinz ausführte, eine be
sondere Rolle zu.
Vermutlich war der Kaiserkult der einzige Kult in Sizilien, der auf der
Ebene der Praxis eine lokale, eine reichsweite und - durch Einbeziehung
des Provinzstatthalters und vielleicht des commune Siciliae - eine provin-
ziale Komponente besaß.
8/19/2019 Hubert Cancik, Konrad Hitzl, Hrgs. (2003). Die Praxis Der Herrscherverehrung in Rom Und Seinen Provinzen. Tübin…
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48
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Kaiserkult
und Urbanistik
Kultbezirke für römische Kaiser in kleinasiatischen Städten*
von
JÜRGEN Süss
In den Städten des Römischen Reichs entstanden zahlreiche Bauwerke zu
Ehren römischer Kaiser von ganz unterschiedlicher Form. Wo wurden die
Kaiserkultstätten errichtet, in welcher Gestalt wurden sie erbaut und wie
veränderten sie das Stadtbild? Gab es signifikante Unterschiede zwischen
den Städten oder Gleichförmigkeit?
Diesen Fragen wird im Folgenden anhand von städtischen und provin-
zialen Sebasteia, also Kaiserkultstätcen im öffentlichen Raum nachgegan
gen. Diese Studie konzentriert sich auf die römischen Provinzen Asia und
Galatia einschließlich der Region Pisidia, die sich durch Dichte an Bei
spielen auszeichnen und zugleich Kontraste stärker hervortreten lassen, als
es die Beschränkung auf eine einzige Provinz erlauben würde Private
Kultstätten oder Kulteinrichtungen von Vereinen werden hier nicht be
rücksichtigt, ebenso wenig sog. Kaisersäle in Thermen und Gymnasien.
1
Auch eine Betrachtung des Kaiserkultes in den alten Heiligtümern der
Götter wird an dieser Stelle ausgespart.
Kaiserkultstätten, also Bauwerke zu Ehren römischer Herrscher mit ei
ner kultischen Funktion,
2
prägten das Stadtbild von der frühen Kaiserzeit
Für wertvolle Anregungen möchte ich mich ganz besonders bei A. CHANIOTIS
und R.
STIJPPERICH
bedanken. Zu allen bier vorgestellten Beispielen findet sich
ausführlich Literatur im Literaturverzeichnis am Ende des Artikels sowie in
J.
Süss,
Kaiserkult und Stadt. Kultstätten römischer Kaiser in Asia und Galatia Diss. Mün
chen 1995), veröffentlicht auf Mikrofiche 1999.
1
Zu Thermen und Gymnasien: Süss 1999, 105 ff.
2
Zum Kaiser-)KuIt: A. CHANIOTIS in diesem Band; s. auch PRICE 1934 passim;
T H .
PEKARY,
Das römische Kaiserbild in Stadt, Kult und Gesellschaft = Das rö
mische Herrscherbild) Berlin 1935) und M. CLAUSS,
Kaiser und Gotc Stuttgart-
Leipzig 1999) passim. Zum Kult gehören vor allem an einem Altar dargebrachte
Opfer, Priester und Kultstatuen.
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25
Jürgen Süss
bis mindestens weit ins 3. Jh . hinein. Gil t die Ch arakterisierung des Se-
basteions vo n Alexandria, welche Philon 40 n. C hr . vorn ahm , auch für
andere Kaiserbezirke? Er schreibt, dass das Sebasteion hoch bzw. an er
höhter Stelle erbaut ((istecöpoq i8pi)TOa), am größten QiEyiOTOq) und am
sichtbarsten sei ( zi<pave<yz<X'zoq)? Auch die Münzprägung in Kleinasien
spiegelt durch die häufige Abbildung von Neokorietempeln den großen
Eindruck wider, den diese auf die Menschen der Kaiserzeit ausübten.
4
Topographisch sind für Kaiserkultbauten fünf Schwerpunkte zu erken
nen: Agora, Haupts t raße, Akropol is , Theater bzw. ähnl iche Festbauten
und Hafen.
Die Schwerpunkte sind mit der Funktion des jeweil igen Baukomplexes
eng verflochten. Erwähnt seien hier nur die Prozessionen eines Herr
scherfestes auf den H aup tstraß en, die Versamm lungen der Bevölkerung im
Theater anlässlich eines Kaiserfestes wie in Oinoanda,
5
das Theater als
Endpunkt einer Prozession wie in Gyxheion,
6
Aufführungen ebend ort
oder Sportwettbewerbe im Rahmen von Kaiserspielen in Stadien und Am
phi theatern.
7
Die Bauten müssen folglich stets in einem lebensräumlichen
3
Phil, leg. ad Gaium
151
f.: Zum Gesamtkomplex zählte ein Tempel des Caesar.
Der im Bau befindliche, zunächst Antonius zugedachte Tempel wurde unter Au
gustus als Teil des Forum Iulium fertig gestellt und in den späteren Quellen auch
als Sebasteion bzw. Kaisareion bezeichnet. Dazu G. ALFÖLDY, SHAW 2, 1990,
43
ff.; s. auch BAITY 1991, 602. Zur Lage: G. H Ö L BL , Geschichte des Ptolemäer-
reiches (Darm stadt 1994) 268 (s. Karte 3).
4
B. BUKRELL, Neokoroi. Greek Cities of the Roman East (Diss. Harvard Uni-
versity 1980). Bei vielen in Frage kommenden Bauwerken für den Kaiserkult er
geben sich nicht unerhebliche Schwierigkeiten hinsichtlich der Identifikation, Lo-
kalisation und des Status. Identifikation: Wem genau war ein Tempel geweiht?
Kann überhaupt von einem Kaiserkultbau gesprochen werden oder stand die Ver
ehrung eines Gottes im Vordergrund? Lokalisation: Der bauliche Kontext der Kai
serkultstätten ist aufgrund von Zerstörung und mangelnder Untersuchung oft nicht
ausreichend geklärt. Zudem wurden die meisten Kaiserbauten, die durch Münz
bilder, antike Literatur oder Inschriften bekannt sind, nicht entdeckt, stehen also
für eine urbanistische Untersuchung nicht zur Verfügung. Status: Handelt es sich
bei einem Kaiserkultgebäude um einen munizipalen, provinzialen oder privaten
Baukomplex? Eine genaue Analyse mittels Survey, Anfertigung von Karten und
Plänen sowie Bestandsaufnahme der ausgegrabenen bzw. zugänglichen Reste
könnte zumindest teilweise Abhilfe stammen.
5
A.
CHANIOTIS
in diesem Band.
6
Zum Theaterbezug: CLAUSS 1999, 330: Prozessionen führten über möglichst
viele öffentliche Plätze sowie vorbei an zentralen Gebäuden, wofür Gytheion
(Achaia) ein besonders guter Beleg ist Dazu: PRICE 1984,
111;
HÄNLSTN-SCHÄJER
1985, 160 ff. (mit Lit.).
7
CLAUSS 1999, 331 .
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Kaiserkult und Urbanistik 251
Zusammenhang gesehen werden, um sie historisch r ichtig beurteilen zu
können ,
8
1.
Agora
Die meisten Kaiserkultbauten weisen einen räumlichen Bezug zu einem
Marktplatz auf. Man kann drei Gruppen von Bauwerken unterscheiden:
Kultraum, Tempel und Altar. Als erstes wird der sog. Kaiserkultraum in
einer Agorahalle behandelt.
LI Kaiserkultraum in einer Agorahalle
In
Epbesos
lag an der nördlichen Agorahalle, der Basilike Stoa, als östliche
Appendix ein großer Saal (Abb. 1) . Die überlebensgroßen Sitzstatuen des
Augustus und der Livia, die in diesem Raum in einer Grube gefunden
wurden und auf dem rückseitigen Podest gestanden haben dürften, die
Bauinschrift der Halle mit einer Weihung an Augustus und die kaiserliche
Familie sowie die Übereinstimmung mit Beispielen aus dem übrigen Rö
mischen Reich können als Indizien für eine Verwendung des Saales als
Kultraum gewertet werden.
9
8
Vgl. auch A .
CHAN IOTIS*
Beitrag zur Ritualpraxis des Kaiserkultes im Osten in
diesem Band.
9
Zu den in der bilinguen Weihinschrift überlieferten Begriffen »ßactf-ticfi
CPXOÖS« bzw. »basilica« und zur Weihung an die Stadtgöttin Artemis sowie an Au
gustus und Tiberius: D.
KNIBBE
- H .
ENGELMANN
~ B .
IPLIK<JIO6LU,
Ö Jh 62,1993,
Hauptbl.
148
f. Nr.
80.
Zur Architektur: FOSSEL-PESCHI. 1982. Einen Beweis für
die Bestimmung des auch Ostchalcidicum genannten Saales gibt es nicht. Zu Bei
spielen für Kulträume aus dem Westen, etwa aus Pompeji, Fanum und Lucus Fe-
roniae:
BAITY
1991 passim. Ein Tribunal als Hinweis auf die Gerichtsfunktion ist
nur in Rom sicher nachgewiesen. Zum pronaon aedis
Augnsü
des Vitruv in Fanum
vgL auch A.
NÜNNEKXCH-ASMÜS,
Basilika und Portikus (Köln 1994) 10, 99 ff. Zu
den Statuen in Ephesos:
P .
SCHERKER in: H . Thür
(Hrsg.),
»... un d verschönerte die
Stadt...«. Ein ephesischer Priester des Kaiserkultes in seinem Umfeld, SoSchrÖAI
27 (Wien 1997) 94 ff. spricht von einer »Bergegrube«, die beim Umbau in ein
byzantinisches Peristylhaus vielleicht im
6.
J k angelegt wurde. Auch Basen für die
Statuen der beiden Stifter, C. Sextilius PoUio und seine Gattin Ofillia Bassa, hat
man im Bereich der Halle ausgegraben. Sie könnten ebenso im Raum der Kaiser
bildnisse aufgestellt gewesen sein wie auch in der Haupthalle der Basilike Stoa.
SCHERRER vermutet, dass der Raum erst in tiberischer Zeit nach dem schweren
Erdbeben an der Westküste Kleinasiens angefügt wurde und die kultische Vereh
rung des Tiberius mit einschloss. Somit wäre Augustus erst postum in diesem Saal
verehrt worden. BALTY
1991
erwähnt diesen Saal nicht.
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5
Jürgen Süss
Der Saal in Ephesos war in die dreischiffige Halle vollständig integriert
und ganz auf diese ausgerichtet. Die kostbare Ausstattung des großen
Raumes wie auch die prächtige Gestaltung der gesamten Halle machten
das Beispiel zu einem exponierten Platz der kaiserlichen Verehrung.
10
Die Frage, ob Augustus und Livia lediglich aufgrund der Weihung der
Stoa an diesem Platz vereh rt w ur de n od er auch aufgrund agoraspezifischer
Abläufe (etwa dem Ableisten eines Eides oder dem Durchführen von
Kulthandlungen an Feiertagen) oder ob ganz andere Absichten bestanden,
kann nicht beantwortet werden.
Ein weiteres mögliches Beispiel für einen Kaiserkultsaal gibt es aus dem
damals zur Provinz Asia gehörenden
Tbera.
11
Auch hier stand die einer
Inschrift zufolge ebenfalls »Stoa Basilike« (im Sinne von >kaiserliche Stoa<)
genannte Halle, die aus dem Hellenismus stammt, an einer prominenten
Stelle der Agora (Abb. 2).
1?
Die Stoa wu rde im 2. Jh . n. Ch r. währ end einer
ID
Der Saal zeichnet sich aus durch Größe (Breite: 16,30 m, Tiefe: 13,30 m) und
großzügige Marmorverkleidung, wie aus Befestigungslöchern hervorgeht. Dazu
FOSSEL-PESCHL 1982, 42 ff.
11
Weitere Beispiele sind aus Iasos und Priene überliefert. Zu Iasos: G. PTJGLIESE
in: Studi su Iasos di Caria, BdA Suppl. 31-32, 1985, 151 ff. Zu Priene: Süss 1999,
13
ff. (mit Lit.). Hier kommt für den Kaiserkult, der nicht unumstritten ist, die
mittlere Exedra der Nordhalle in Frage, die sich u. a- dadurch von den anderen
Räumen und Exedren auszeichnet, dass sie eine umlaufende marmorne Bank nied
riger Höhe aufweist. Als Funktion ist entweder eine Sitzgelegenheit oder ein Platz
für Statuen zu erwägen. Diesen Hinw eis verdanke ich A. v. KIENLIN, der die Halle
neu untersucht hat. Der Eingang der Exedra wird durch Stirnpfeiler gesäumt. Die
Halle wurde im 2. Jh. v. Chr. errichtet. Ein nachweislicher Umbau der Exedra ist
nicht datierbar. Aus der Inschrift OGIS 458 aus Priene geht hervor, dass die Ka
lenderreform des Augustus auf einer Mannorstele im nicht entdeckten Temenos
der Roma und des Augustus in Pergamon, dem Hauptkultort der Provinz Asia,
sowie Kopien davon in den Kaisareia der Vororte eines Verwalmngsdistrikts zu
veröffentlichen seien (£v
TCCCS
<pr[yovpkvcci<; xßv SioiKfjc^GOv 7cöX£Oiv)- Neben
Pergamon waren in jener Zeit die Distriktvororte, in denen der Statthalter Gericht
hielt, Ephesos, Tralles, Smyma, Sardeis, Mylasa, AJabanda und Adramyttion, nicht
aber Priene, das nur eine überregionale Bedeutung als Polis des Panionions inne
hatte. Die Abschrift des Kalenderbeschlusses, die in Priene an der fraglichen Exedra
entdeckt wurde, zeigt aber, dass dieser auch in anderen Städten publiziert wurde
(neben Priene auch in Apameia, Eumeneia und Dorylaia). War die Exedra in Priene
also nicht doch ein Kultraum des Augustus oder des
divus
IHIIHS} Z U den Haupt
orten der Verwaltungsbezirke
(dwiKticiq/conventHs):
R.
HAJENSCH,
Capita provin-
dämm. Statthaltersitze und Provinzialverwalmng in der römischen Kaiserzeit
(Mainz 1997) 298 ff. - In Tiiasos scheint die Verkleidung eines Raumes in einer
hellenistischen Stoa mit Marmor mit der Einführung des Augustuskultes eng zu
sammenzuhängen. Dazu HÄNXEDNT-SCHÄFER 1985, 155 f.
12
Thera: BALTY 1991,
391
ff. In diesem innen 7,38 m x 10,10 m großen Raum
-wurde auch ein Podium für eine oder mehrere Statuen freigelegt.
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Kaiserkult und Urbanistik 253
umfassenden Umbaumaßnahme um einen Saal ergänzt, welcher der Kai
serverehrung diente, ohne den Umfang des Gebäudes zu verändern
(Abb.
3).
13
Das Ergebnis erinnert an das bereits besprochene frühkaiser-
zeitliche Beispiel aus Ephesos. Evidente Reste von Kaiserstatuen fanden
sich in Thera allerdings nicht.
In Thera - insgesamt recht gut erforscht - wurde nirgends ein neu er
richtetes Gebäude für den Kaiserkult festgestellt. Nur ein hellenistischer
>Dionysos-Tempel< am Marktplatz wurde in der frühen Kaiserzeit zu ei
nem Kaisertempel umfunktioniert und später wohl als a[pxaio]v
Kccia[öc]p£iov bezeichnet.
14
Ein Neubau ist in Thera für den Kaiserkult
dagegen offenbar nie errichtet worden. Der römische Kaiserkult scheint
folglich nach allem, was wir heute wissen, nicht zu einem tief greifenden
Wandel des dortigen Stadtbildes gefühn zu haben. Dies sieht in vielen
Städten ganz anders aus, wie an den nächsten Beispielen deutlich wird.
1 2 Tempel
Erheblich auffälliger als ein Kultraum erweist sich im Bereich einer Agora
ein Herrschertempel. Als Beispiele seien der C. und L. Caesar-Tempel in
Eresos und der Markttempel in Ephesos angeführt.
Der Tempel für C. und L. Caesar in Eresos stand an der auffälligsten
Stelle der dortigen Agora, wie aus einer Inschrift ausdrücklich hervorgeht
(sv TO£> £7a9ocvE0xdxcp TOTtcp xaq TOpa<;). En tdeckt wurd e der Tempel
bislang jedoch nicht.
15
Die ursprüngliche Weihung des Tempels auf der oberen Agora in
Ephe-
sos
und seine Datierung sind dagegen umstritten (Ab b. 1). Mittlerweile
geht man meist von einer Weihung an divus Iulius aus, doch erscheint auch
Augustus nach wie vor nicht völlig ausgeschlossen. Jedenfalls dürfte heute
13
BALTY
1991, 598, der vermutet, dass im
2. Jh.
in diesem Raum in Thera ein
Amtslokal für Gemeinderäte eingerichtet wurde, obwohl es dort bereits ein Rat
haus (identisch mit dem Theater) gab. Er begründet dies mit einer von ihm ange
nommenen Reduzierung der Rätezahl auf 100 im Osten, so wie dies im Westen des
Reiches bezeugt ist (ebenda 393).
14
IG XII 3, 326; WrrscHEL 1997, 29 ff., 45 f. (mit Lit.), während der hier be
sprochene Raum in der Stoa wohl als >neues Kaisareion<, veov Kccio peiov, ver
standen worden sein dürfte.
15
IG XII Suppl.
124,
ROBERT 1979,180 Nr. 320.
In der
Inschrift ist die Rede von
einem Naos und Temenos für C. und L. Caesar, Adoptivsöhne des Augustus, die
.17 v. Chr. von Augustus adoptiert wurden, aber schon 2 bzw. 4 n. Chr. starben.
C
Caesar
war in Eresos zudem
o. 2 n. Chr. eponymer Prytane.
Zur
Topographie
von resos s. G. P.
SCHAUS
- N . SPENCER, AJA 98, 1994, 411.
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54
Jürgen Süss
seine Fu nk tion als römischer Herrsch erkulttem pel kau m me hr in Frage zu
stellen sein, wurde er früher doch auch als Isis- und Antonius-Tempel
interpretiert.
1
* Wir haben damit eine Variante vor uns, wie wir sie im We
sten, so etwa in Pula,. Äu gst, Os tia ode r Terracina, häufig an treffen, die
enge Verbindung von Kaisertempel und Marktplatz.
17
Des W eiteren gab es auch entsprech ende Tempel in der Nä he einer A go
ra, was insgesamt den häufigeren Fall darstellt.
Zurückgegriffen wird erneut auf ein Beispiel aus
Ephesos
- auf den Do-
mitian-Tempel, der in der unmittelbaren Nachbarschaft der oberen Agora
errichtet w urd e (A bb . 1). Dies er Na o s w eist einen deutlichen optischen
Bezug zur Agora auf - seine Front war nach Osten zum Marktplatz ge
wandt -, wenngleich er sich in einem eigenen Bezirk befand und als pro-
vinzialer Tempel eine andere Bestimmung hatte als etwa das Beispiel aus
Eresos oder der in einen Kaisertempel umgewandelte >Dionysos-Naos< in
Thera, die beide dem kommunalen Bereich zuzuordnen sind. Eine Aus
nahme würde hingegen der Sakralbau auf der oberen Agora in Ephesos
bilden, sofern dessen Deutung als Tempel des
divus Julius
zuträfe. Denn
dieser besaß, wie literarisch bezeugt ist, eine provinziale Aufgabe.
18
Die wichtigste Eingangsseite des Domitian-Heiligtums ist statt dessen
die N ord seite, die einem Vorplatz an der Ku retenstraße zuge keh rt ist. Am
bekanntesten von dieser nach Norden weisenden Prachtfassade des Hei
ligtums sind die Stützfiguren, welche orientalische Barbaren repräsentie
ren.
19
16
Zu den unterschiedlichen Deutungen: Süss 1999, 37 ff. Speziell zur Interpre
tation als Tempel eines ägyptischen Kultes zuletzt kritisch auch: J. C. WALTERS im
H KOESTER (Hrsg.), Ephesos, Metropolis of Asia, Harvard Theological Studies 41
(1995) 293 ff.
17
Die genannten Beispiele mit unterschiedlicher Disposition sind Augustus ge
weihte Tempel. Pola: G. FISCHER, Das römische Pola (München 1996) 19. Äugst:
M TRUNK, Römische Tempel in den Rhein- und westlichen D onauprovinzen, For
schungen in Äugst 14 (Äugst 1991) 153
ff
Terracina: HÄNUSIN-SCHÄFER 1985,26 f.,
135
ff
Ostia: ebenda
27
f., s. auch Kaisertempel in Aventicum (Avenches): M VER
ZAG
Un temple du culte imperial, Aventicum II (Lausanne 1978) 41.
18
Cass. Dio 51,20,6: Augustus gestattete schon 29 v. Chr. die Einrichtung des
provinzialen Heiligtums des
conventus civium Romanorum
für
dea Roma
und
di-
vus
Julius in Ephesos.
19
Süss 1999, 43 ff. Das Heiligtum ist erst nach der
damnaäo memoriae
Domi-
ti>n? fertig geworden. Um Trajaa und der römischen Öffentlichkeit nicht zu miss
fallen, wird man die ideologischen Aussagen am nun den Theoi Sebastoi geweihten
Tempel auf Trajan ausgerichtet haben. Zu vermuten ist m. E. eine Deutung von
Stiitzfiguren und jetzt im Museum von Selciik aufgestelltem Altar auf Trajan,
wohingegen V. M. STROCKA, IstMitt 38, 1988, 294 Anm. 13 für die flavische Zeit
plädiert
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Kaiserkult und Urbanistik
55
1 3 Altäre
Auch große Altäre zu Ehren der Kaiser sind in Kleinasien vereinzelt nach
gewiesen, etwa im Bereich der Rathäuser.
20
Die so genannte Ära Augusti im Rathaushof von Milet , das am häufig
sten zitierte Beispiel, lässt sich jedoch nur aufgrund einer Indizienkette mit
dem Kaiserkult in Zusammenhang bringen, die an dieser Stelle nicht aus
geführt werden kann.
21
Wie das Doppelmonument in Ephesos zu rekon
struieren und zu deuten ist, das man als Ort eines Kaiseraltars interpretiert
hat, lässt sich ohne genaue Bauaufnahme ebenfalls nicht lösen.
22
Ergebnis: An den Marktplätzen Kleinasiens finden sich für die Kaiserver
ehrung oft Räume in oder an repräsentativen Säulenhallen, seltener
uf-
fällige Tempel und gelegentlich sehr wahrscheinlich auch große Prunkal
täre. Die Beispiele sind in der Regel als städtische Anlagen zu bezeichnen.
Häufig gibt es auch abgeschlossene Bezirke im Nahbereich einer Agora
und damit ebenfalls im politischen Zentrum einer Stadt. Dass ein beste
hender Tempel am Hauptplatz einer Stadt auch umgewidmet werden
konnte, legt sehr wahrscheinlich das Beispiel aus Thera nahe. Kaisertempel
auf der Agora sind in Asia und Galatia gleichwohl selten nachzuweisen.
2. H a u p t s t r a ß e
Der Faktor Hauptstraße wird anhand von Beispielen aus Aphrodisias, Sel-
ge und Sagalassos beleuchtet.
Aphrodisias weist mit seinem Sebasteion
23
einen Kaiserbezirk auf, der im
Umkreis der dortigen Agora an der wichtigsten Straße errichtet wurde
20
Beispiele, die hier nicht erörtert werden, liegen vor aus Tralleis, Herakleia am
Latmos und Alabanda. Dazu P. SCHERRER in: H. Thür (Hrsg.), »... und verschö
nerte die Stadt ..«. Ein ephesischer Priester des Kaiserkultes in seinem Umfeld,
SoSchrÖAI 27 (Wien 1997) 94.
21
Typologische und epigraphische Argumente sprechen eher für einen Monu
mentalaltar (des Augustus, des Apollon Didymeus und der Hestia Boulaia) als für
ein Ehrengrab bzw. Heroon: K. TUCHELT, IstMitt 25, 1975,
12
ff. Zu den For
schungsmeinungen ausführlich: Süss 1999, 32 (mit Lit.).
22
SCHERRER
a-O.
94
präferiert einen Altar für Augustus und Artemis und schlägt
vor, das berühmte Amazonenrelief diesem Bezirk und nicht dem Artemision zu
zuordnen. Dann ergäbe sich eine Parallele mit Milet, wo der >Altarbau< historisie-
rend-mythologische Darstellungen zeigt (Süss 1999, 205 ff.). Zum Doppelmonu
ment
als
Unterbau für zwei Tempel
des divus ulius
und der
dea
Roma: Etwa GROS
1996, 112.
23
Zur
Benennung:
J.
M .
REYNOLDS, Ruler-cult at Aphrodisias in the late Repub-
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256
Jürgen Süss
(Abb.
4). Der Kaiserbezirk war Ap hro dite Prom etor (Venus Genetrix),
den Theoi Sebastoi (julisch-claudisches Kaiserhaus) und dem Demos von
Aphrodisias geweiht. Es handelt sich um eine private Stiftung zweier her
ausragender Familien aus Aphrodisias.
24
Das Sebasteion war ein abgeschlossener Bezirk. Es bestand aus Propy
lon,
Seitenhallen mit den berühm ten Figurenreliefs, schmalem H of und
Tempel auf hohem Podium als dem wichtigsten Gebäude. Das Heiligtum
grenzte nicht nur an die bedeutendste Nord-Südstraße, sondern war auch
auf die Agora im Westen mit ihrem Hauptzugang und Vorplatz nahezu
exakt axial ausgerichtet. N ic h t weit davo n entfernt lagen zudem die zw eite
Agora der Stadt im Südwesten und das Theater im Süden. Die Haupt
straße führte im Norden in die Nähe des Hauptheiligtums der Stadt, des
Aphrodite-Tempels, und zum nur wenig jüngeren Stadion.
Der Kaiserbezirk erstreckte sich damit an einem der zentralsten Punkte
des Stadtgebietes im Umkreis der großen öffentlichen Plätze. Er war ver
kehrstechnisch und räumlich eng verbunden mit den kommunalen und
religiösen Hauptgebäuden der Stadt. Gleichwohl führte das Temenos
schräg auf die Hauptstraße und nicht im rechten Winkel wie die meisten
anderen Bauten der Stadt.
25
Einige Details der Architektur sind in diesem Zusammenhang
auf
schlussreich: Das Propylon im Westen, das ohne durchgezogene Mauern
errichtet wurde, ließ von der Straße aus den Blick auf die Vorderseite des
auf einer Terrasse etwas erhöht gebauten Tempels in exzellenter Weise zu.
Die Seitenhallen, eigentlich Scheinportiken, erinnern mit ihren drei Etagen
Hc andunder the Julio-Claudian
emperors,
in: A. SMALL (Hrsg.), uler and Subject:
The cult of the mling power in classical antiquity, JRA Suppl. 17 (1996) 44 mit
Verweis auf Inschrift CIG 2839, wohl eine Grabinschrift aus dem
3. Jh.,
in der ein
SsßocoTEiö«; VCCCK;
genannt wird.
24
R. R. R.
SMITH, JRS 77
1987,
SS
ff.;
ders., JRS 7S
1988, 50 ff,-
REYNOLDS
a.O.
43 ff. mit älterer Lit., welche die Stadtgötün Aphrodite im Sebasteion (»processio-
nal way«) als »ancestress« der
gens
Itdia auffasst; R. R. R. SMITH, Britannia 13,
1982,
278 Anm, 8.
25
Für die Schrägstellung des Sebasteions fehlt eine überzeugende Erklärung.
Zum >Atriumhaus< aus spätrömischer Zeit, das sich im Norden der Anlage befin
den K. T.
ERIM
in: Ch. Roueche - K. T. Erim (Hrsg.), Aphrodisias Papers, JRA
Suppl. 1 (1990) 13, 15 (religiöse, halbreligiöse oder offizielle Funktion); R. R. R.
SMITH, JRS
80, 1990, 127. F.
HUEBER in: ROUECHS - ER IM
(Hrsg.) a.O. 102 ver
mutet für die auffallige Abweichung ein altes Heiligtum in der Nachbarschaft
Dagegen R. R.R. SMrrH, AJA 101, 1997, 10 ff. und
S. MITCHELL,
JHS 119, 1999,
ArchRep 1998-99, 162, die vorschlagen, dass sich das Sebasteion in einem älteren
Viertel, dem ein anderes Raster zugrunde lag, erhob. Oder sollte die dortige Fels
barre geschickt für den Tempel ausgenutzt werden?
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Kaiserkult und Urbanistik
57
an die Kaiserforen Roms, wobei jedoch kein Kaiserforum mit drei Etagen
bekannt
ist.
Aufgrund
der
geringen Breite
des
Platzes zwischen
den
Scheinportiken und der großen Hö he der Seitenbauten wurde die per
spektivische Wirkung, also
die
Lenkung
des
Blickes
auf den
Sakralbau,
noch einmal verstärkt Treppen am Eingang trennten das sakrale Areal
vom profanen Verkehr an der H auptstraße und leiteten zum etwas höher
gelegenen Pflaster des Kaiserbezirks über.
Dass die Nachbarschaft zu einer Agora nicht zwingend war, zeigen die
beiden nächsten Beispiele aus Pisidien.
In
Selge
sind die Reste eines inschriftlich als Aelius-Caesar-Tempel
identifizierten N aos entdeckt worden (Ab b. 5).
2
*
In
dieser Stadt bestand
zwar
ein
verkehrstechnischer Bezug
des
Kultbaus
zur
oberen Agora m it
tels der Prachtstraße, die beide Baukomplexe verband. Doch der Tempel
lag am anderen Ende der Trasse, also nicht im unmittelbaren Um kreis der
Agora. In der N achbarschaft des N a os befand sich dagegen ein repräsen
tatives Stadttor aus hellenistischer Zeit. Zudem sehen wir an diesem Exem -
pel, dass Kaisertempel nicht immer
in
einem abgeschlossenen Areal,
sei es
Agora oder Kaisertemenos, gebaut wurden, sondern auch direkt an einer
Straße errichtet sein konnten. Dies kam wiederum der unmittelbaren Wir
kung
auf die
Straße zugute.
Die Hauptstraße war indes kein urbanistischer Wert an sich, wie ein
Blick auf agalassos lehrt (Abb. 6). In dieser Stadt wurde der Antoninus-
Pius-Tempel zwar
an der
wich tigsten Nord-Südstraße errichtet, aber
auf
einem Plateau in der Unterstadt, das sich dadurch auszeichnet, dass es eine
besonders große Fernwirkung ermöglichte.
27
Wir finden hier wie in
Aphrodisias wieder einen eigenständigen, abgeschlossenen Kultbezirk vor,
im U nterschied zur karischen Polis aber war dieser weniger eingeengt.
Ungeachtet dessen führte
die
Straße,
an
deren Südteil sich
der
Bezirk
ausdehnte, zur unteren Agora hinauf, wo der Apollon-Tempel, der wich
tigste Sakralbau der Stadt in dieser Zeit, sowie das >Odeion<,
28
das Nym-
26
A.
MACHATSCHEK
-
M. SCHWARZ, Bauforschungen
in
Selge,
IK 37
(Bonn 1981)
94
ff.
Aelius Caesar wurde 136
zum
Prinzen erhoben, starb aber schon knapp zwei
Jahre später, was
einen Anhaltspunkt
für das
Baudatum liefert.
Vor dem
Stadttor
erstreckte sich
die
größte Nekrop ole
der
Stadt.
2 7
PRICE
1984, Nr. 129; M.
WAELKENS
1990, AnatSt 40, 190 ff.
28
BAXTY
1991, 523
f.
vermutet
im sog.
Odeion
ein
Bouleuterion, während sich
etwa L. VANDEPUT, Sagalassos
IV
(1997)
22 f.
aufgrund eines
in den
letzten Jahren
an
der
oberen Agora
von
Sagalassos ausgegrabenen Gebäudes,
das
überzeugend
als
Bouleuterion gedeutet wird,
zur
Funktion
des
Baus
an der
unteren A gora zurück
haltend äußert.
Zu den
G rabungen
an der
oberen Agora: Sagalassos
V
(2000) 256
ff.
Zur unteren Agora: M. WAELXENS, AnatSt 44,1994,177 ff4 M. WAEIXENS - D . PATJ-
WELS
-
J. VAN DEN BERGH,
Sagalassos III 1995) 27 ff.
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58
Jürgen Süss
phaion und das prächtigste jemals in Sagalassos errichtete Badegebäude
anzutreffen waren. Unweit des Antoninus-Pius-Heiligtums befand sich -
ähnlich w ie in Selge - zud em ein Stadttor,
29
vor dem sich eine große Ne-
kropole an den Hängen eines Hügels ausbreitete, was ebenfalls eine Par
allele zu Selge darstellt. Die Straße, die in Sagalassos durch das Stadttor
f Ohne, endete gew issermaßen in der N ek ropo le. Sie hatte in erster Linie
eine repräsentative Funktion, was sich auch darin zeigt, dass der Weg so
steil war, dass an zwei Stellen Treppenstufen eingefügt waren. Die Straße
war damit nicht für den Warenverkehr konzipiert.
Kann man die untere A gora als >Handelszentrum< beze ichnen , so gru p
pierte sich das politische Zentrum an der oberen Agora, an welcher das
Rathaus platziert war. So großartig die Fernwirkuag des Kaisertempels
gewesen sein muss, so ungünstig war der Bauplatz, was Wind und Wetter
anbelangt. Aber dieser Nachteil wurde genauso gerne in Kauf genommen
wie die Randlaee.
30
Ö ^
Ergebnis: Viele Kaiserkultbauten entstanden in Kleinasien an den Haupt
straßen, den Lebensadern der Städte. Einige befanden sich zentral in der
Nähe der Agora, andere dezentral am Stadtrand, dann aber mit um so
mehr betonter visueller Wirkung. Fast alle Tempel waren von der Straße
aus gut zu sehen. Ihre Sichtbarkeit war eminent wichtig. In Selge lag ein
Beispiel ohne Temenos vor, so dass sich die architektonische Wirkung auf
die Straße unmittelbar entfalten konnte. In Aphrodisias ermöglichte dafür
die besondere Architektur des Propylons die nahezu freie Sicht von der
Straße auf den Sakralbau.
3. Akropol i s
Der älteste nachweisliche Kaisertempel, der in Kiemasien auf einem Berg
]*>, ist aus Ankyra in Galauen bekannt. D ie Wirkung des do ru gen Seb a-
steions, bestehend aus einem pseudodipteralen oktastylen Tempel, >st am
ehesten mit den alten Akropolistempeln im Mxttelmeerraurn zu verglei
chen. Doch wurde im antiken Ankara nicht der eigentliche Stadtberg als
Bauplatz für den Roma und Augustus geweihten Tempel ausgewählt, son-
29
Dazu Sagalassos IV (1997) 264. Eine Stadtmauer besaß Sagalassos offenbar
nicht.
30
Auffällig ist außerdem, dass das in der erhaltenen Gestaltung jüngere Theater
genau auf den Kaisertempel ausgerichtet zu sein scheint, was einer näheren Be
trachtung Wert wäre. Zum Bezug Kaisertempel und Theater allgemein: s. u. Nr. 4.
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Kaiserkult und Urbanistik
59
dem eine nicht weit davon entfernte, etwas niedrigere Erhebung, die zur
damaligen Zeit offenbar nicht bebaut war.
31
Die Front des provinzialen Tempels war nach Südwesten gerichtet , also
nicht auf den al ten Stadtkern, sondern auf die große Ebene unterhalb der
Stadt , was weniger mit kult ischen Gründen als vielmehr mit der dadurch
stärkeren Fernwirkung erklärt werden dürfte. Es ist gut denkbar, dass der
Hügel, der später von einem Stadtviertel bedeckt wurde, bereits in augu
steischer Zeit für die Gründung einer römischen Neustadt vorgesehen
w or de n w ar. Die wenigen bislang ausgegrabenen Reste stammen allerdings
erst aus der mitt leren Kaiserzeit . Einen räumlichen Zusammenhang könn
ten hing ege n ein H ip p od ro m i7ttc68pO|io<;) sam t eine m Fe stpla tz
rcocvfiyupi^), die in der am Tem pel an gebra chten Priesterinschrift erw ähn t
sind, aufgewiesen haben. Für diese Einrichtungen stellte derselbe Stifter
Baugelände zur Verfügung. Festzustellen ist hingegen heute allein ein axia
ler Bezug vom Kaisertempel zum Theater an der Akropolis, das etwas
jünger, aber wohl noch in die frühe Kaiserzeit zu datieren ist.
32
Hervorzuheben ist an dem Beispiel aus Ankyra die räumliche Verbin
dung von Kaisertempel und - sehr wahrscheinl ich - mehreren Fest
spielorten.
Auch die frühkaiserzeitliche Anlage in
ntiocbeia npoq
ntcn,8tQc, einer
augusteischen Kolonie im Grenzgebiet von Galatien und Pisidien, die mit
hoher Wahrscheinlichkeit dem Kult des Augustus diente, breitete sich auf
einem der höchsten Punkte des Stadtgebietes aus.
33
Noch deutl icher als in
Ankyra befand sich der Bezirk in Antiocheia über der eigentlichen Stadt.
Eine Stichstraße, die das Heil igtum mit der wichtigsten Nord-Süd- und
West-Oststraße verband und wohl von der Agora ausging, führte genau
zum Hei l ig tum
hinauf
w o sie in einen Vorplatz m ündete A bb . 7).
34
Ein
M
D. KRENCKER
-
M. SCHEDE,
Der Tempel in Ankara Berlin 1936);
HANLEIN-
SCHAFER
19 S5,1S5 ff. A 42. Das berühmte und für die Fun ktion des Kaisertempels
bezeichnende Monumentum Ancyranum erstreckt sich über die Innenseiten der
Ante n bis zu r Außenseite der südlichen Cellawand. Eine Inschrift m it der Aufzäh
lung von Kaiserpriestem wurde an der Stirnseite der NW-Ante entdeckt. Zu Akro
polis und zum Begriff ctKpavgl. M .
WÖRRLE
- W.
WURSTER,
Chiron 27,1997,422.
32
S.
u. Nr. 4.
3>
K.
TUCHELT
in:
R .
M.
BOEHMER
- H .
HAUPTMANN
Hrsg.), Festschrift K. Bit-
te l I 19S3)
5 1
ff.;
HÄNLEIN-SCHAFER
1985, 191 ff. A 4 3 ;
M.TA§LIALAN,
Pisidian
Antiocheia Istanbul 1997) 14
ff ; F. RUMSCHEID,
Untersuchungen zur kleinasiari-
schen Bauornam entik Mainz 1994) I
6
f.,
15
ff.; II 4 Nr.
13.
Eine Weihung an
Kybele, Men Askaenos oder die kapitolidsche Trias im Sicne eines Capitoliums ist
unwahrscheinlich. D az u Süss 1999, 70.
34
Nach den inschriftlich überlieferten Nam en zweier Straßen oder Plätze
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260
Jürgen Süss
besonders prächtiges Propylon, das auf einer großen Freitreppe am Ende
der Straße emporragte, leitete zum Kaiserbezirk über, der aus einer axial
symmetrischen Platzanlage mit zweistöckigen Säulenhallen bestand. In der
Mittelachse erhob sich, etwas nach hinten versetzt, der Tempel auf einem
Podium. Hervorstechendes und singuläres Merkmal ist die den Tempel
umgebende halbrunde Portikus.
35
Der Bauplatz dieser Säulenhalle wurde
unter großem Aufwand aus dem Fels herausgeschlagen.
Verschiedene Ausstattungsdetails und Einrichtungen weisen in Anti
ocheia auf die Siegesideologie des Augustus hin: So die Darstellung von
besiegten Barbaren und des Capricornus, die zum Propylon des Kaiser-
temenos zu rechnen sind, ferner Spiele mit dem Namen Actia und eine
Victoria am wohl damals neu geschaffenen Kultbild des alten Stadtgottes
Men.
36
Sichtbarstes Zeugnis der Kaiserverehrung war jedoch der Tempel.
Er manifestierte die führende Stellung des Augustus in seiner Doppelfunk
tion als Koloniegründer und Herrscher eines Weltreiches.
Vielleicht das imposanteste urbanistische Beispiel, das in Kleinasien je
mals zu kultischen Ehren römischer Kaiser verwirklicht wurde, ist das
Traianeum von
Pergamon
Das Heiligtum, das Zeus Philios, Trajan und
später auch Hadrian bestimmt war, lag nur wenige Meter unterhalb des
Gipfels des 200 m aus der Umgebung ragenden Burgberges.
37
Es thronte
demzufolge hoch über dem Stadtgebiet. Die Akropolis von Pergamon
wird von Aristides in einer Rede auch treffend als »Gipfel der Provinz«
bezeichnet.
38
Erst die ausgedehnten Substruktionen ermöglichten die Er-
(flÄOTEia) wird der Voiplatz unterhalb des Heiligtums als »Plateia des Tiberius«
gedeutet und der Tempelbezirk
als
»Plateia des Augustus«
(TASLIALAN
a.O.). Doch
bezeichnet der Begriff
pl tei
meist eine große Straße, wie D.
HENNIG,
Chiron 30,
2000, 586 gezeigt hat, so da ss die antike Benennung des Tempelbezirks unbekannt
bleibt.
35
Die Bauweise einer halbkreisförmigen Halle ist von italischen Cavea-Portiken
bereits aus der Republik bekannt. In Verbindung mit einem Tempel gibt es halb
runde Portiken nur aus Vernegues (A.
GKENIER,
Manuel d'archeologie gallo-ro-
maine III1 [Paris
1958] 280
ff.) und Orange (M.-E.
BELLET,
Orange antique [Paris
1991]
42 ff.), die aber beide jünger datiert werden. In Orange steht
der
Sakralbezirk
im Zusammenhang mit einem Forum. Außerdem ist eine halbrunde Kiyptoporu-
kus aus Köln, vielleicht zum Ubieraltar gehörig, bekannt
(M. TRUNK,
Römische
Tempel in den Rhein- und westlichen Donauprovinzen, Forschungen in Äugst 14
(Äugst 1991)201 K 1 4 . - A n der vermutlichen Agora ist in Antiocheia ein Bou-
leuterion identifiziert worden. Dazu M.
TA§LIALAN,
Pisidian Antiocheia (Istanbul
1997).
36
Süss 1999, 241 ff.
37
Zum Beinamen »Philios« des Zeus:
HALFMANN
2001, 50.
38
Rede XXIII 13 (Hom onoia): »c orcsp
KOIVTI TK KOp ucpfj
w o £0vau<;«. Diese
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Kaiserkult und Urbanistik
261
bauung der großen Platzanlage am steil abfallenden Hang. Die vorgeblen
dete mächtige Terrassenmauer war weithin sichtbar.
Sowohl der Tempel als auch die U-förmig angeordneten Säulenhallen
wa ren d er Talseite zugek ehrt . De r imm ense Aufwand für die E rrichtun g
lässt sich nur mit dem Bestreben erklären, eine möglichst große Fernwir
ku ng zu erzielen Abb . 8).
39
Weder das alte. Stadtze ntrum an den H äng en des Burgberges no ch die
römische Neustadt in der Ebene wurden als Bauplatz für das Traianeum
ausgewählt. Dafür wurden aber optische Bezüge über große Entfernungen
zu verschiedenen öffentlichen Plätzen und Bauwerken hergestellt: Etwa zu
den großen Straßen nach Südwesten, wie der Heiligen Straße zum As-
klepieion, oder zum Bezirk mit dem kaiserzeit l ichen Theater , Amphithea
ter und Stadion, des Weiteren zur in der Hauptachse des Tempels gelege
nen, heute Büyük Alan genannten Platzanlage und möglicherweise auch
zu r drit ten Agora, die im Bereich de r römischen N eus tadt v ermu tet w ird.
40
Nicht zuletzt bildete der Neokoriebezirk sicher nicht zufällig auch einen
räumlichen Zusammenhang mit dem hellenistischen Theater in der Ober
stadt.
41
Das Traianeum lag somit nicht Im polit ischen und verkehrstechnischen
Zentrum der Polis. Es befand sich sogar so abseits vom Stadtleben, dass
die Prax is, wich tige Inschriften do rt aufzustellen, n u r wen ige Jahrze hn te
überdauerte und von anderen Heiligtümern wie vor allem dem Asklepiei-
on übernommen wurde .
4 2
Hinter den vielen Raumbezügen ist in jedem
Fall ein sehr durchdachtes urbanistisches Gesamtkonzept zu vermuten.
Rede wurde im Rathaus von Pergamon gehalten, als wohl der Landtag der Provinz
Asia in der Stadt tagte
C H .
A.
BEHR,
P. Aelius Aristides. The Complete Works 2
[Leiden 1986] 28).
39
»An keinem anderen Ort des Burgberges konnte man mit einer besseren Fern
wirkung des Tempelbaus rechnen«, stellte W. RADT, Pergamon. Geschichte und
Bauten, Funde und Erforschung einer antiken Metropole Köln 1988) 243 treffend
für das Wahrzeichen des antiken wie touristischen Pergamon fest; s. auch DEKS.,
Pergamon. Geschichte und Bauten einer antiken Metropole Darmstadt 1999)
9 f.
40
Die früher Gurnellia, heute Büyük Alan genannte Platzanlage gehört zur Eu-
menischen Stadt, belegt durch die Zugehörigkeit zum eumenischen Raster, besitzt
aber römische Stützgewölbe. Dazu
U . WULF,
IstMitt
94,
1994,143 f.;
RADT
a.O. Z7
- Die Existenz einer dritten Agora kann aus einer Inschrift gefolgert werden
CH.
HAB I C HT, AVP
VIII 3 [Berlin 1969] Nr. 30), in welcher der Bau eines Propylons
genannt wird. Denn an den beiden gut untersuchten hellenistischen Agorai ist kein
kaiserzeitliches Propylon nachweisbar. Zur vermutlichen Lage der römischen Ago
ra: WUL F a. O. 158.
41
S u. N r. 4.
42
Süss 1999 79.
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262
Jürgen Süss
Ergebnis: Kaiserkultstätten, die auf einer natürlichen Erhebung in der
Stadt errichtet wurden, erzielten eine besonders große Fernwirkung, was
gelegentlich aber zu Lasten der Zentralität ging. Die überragende Stellung
des Kaiserkultes wird auch dadurch deutlich, dass in der Kaiserzeit nur
noch wenige Tempel auf einem beherrschenden Hügel in Kleinasien er
richtet wurden. Wenn dies allerdings erfolgte, dann handelt es sich meist
um ein mit der Verehrung des Kaisers in Verbindung stehendes Bauwerk,
so dass man hierbei fast von einem >Privileg< des Kaiserkultes sprechen
könnte.
4.
Theater, Stadion, Hippodrom und Amphitheater
Bereits im Zusammenhang mit dem auf einem Hügel angelegten Roma-
Augustus-Tempel von Ankyra kam zur Sprache, dass verm utlich ein Fest
platz -und ein Hippodrom in der Nähe des Sakralbaus erbaut wurden.
43
Dies muss bereits kurz nach der Errichtung des Tempels erfolgt sein. Von
beiden Bauwerken fehlt bislang jegliche Spur. Erhalten hat sich hingegen
ein etwas jüngeres Theater, das in etwa auf den Tempel ausgerichtet ge
wesen zu sein scheint, worauf schon weiter oben hingewiesen wurde.
44
Ein Theater aus hellenistischer Zeit, das in enger Verbindung mit einem
Kaisertempel stand, wurde dagegen beim Erörtern des Traianeums von
Pergamon bereits gestreift. Dieses befand sich nur wenige Meter schräg
unterhalb des Kaiserheiligtums und verschmolz aus der Ferne betrachtet
zu einer baulichen Einheit mit dem Neokorietempel.
Ein Vorbild aus Kleinasien für diese Verknüpfung von hellenistischem
Theater und Kaisertempel liegt möglicherweise aus der karischen Stadt
Stratonikeia
vor (Abb. 9).
45
43
Die beiden Bauten werden in der Priesterinschrift des Tempels aufgeführt
(OGIS 533), aus der hervorgeht, dass der Kaiserpriester Pylaim enes, Sohn des letz
ten galatischen Königs Amyntas, Gelände dort zur Verfügung gestellt hat, wo der
Tempel lag und der Festplatz und das Hippodrom gebaut wurden. Zuletzt etwa
H . HALTMANN,
Chiron
16, 1986, 39 ff.
44
Zur Datierung: S. MITCHELL, ArchRep 1984-85, in: JHS 105,1985,98. - In der
Reisebeschreibung von M. KINNEIR, Reise durch Kleinasien, Armenien und Kur
distan in den Jahren 1813 und 1814, aus dem Englischen vo n F . A
UKERT
(Weimar
1821) 64 werden in Ankara die Ruinen eines Amphitheaters bei einem Hügel nahe
der großen Ebene erwähnt Ob es sich hier nicht auch um aas frühkaiserzeitliche
Stadion handeln könnte oder das Stadion in der Nähe dieses Amphitheaters lag,
lässt sich heute nicht mehr feststellen,
45
Allgem ein zur Stadt: D N P 11 (2001) 1047 s. v. Stratonikeia N r. 2 {H. KA>-
LETSCH).
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Kaiserkult und Urbanistik
263
Die Weihung des Tempels in dieser Polis geht sehr wahrscheinlich aus
zwei im unmittelbaren Umkreis des Bauwerks entdeckten Inschriften mit
der Nennung eines Kaiserpriesters und einer weiteren mit der Nennung
eines Sebasteions hervor.
46
Die epigraphischen Quellen sowie die Bauor
namentik des Tempels fuhren in die frühe Kaiserzeit.
47
Obgleich weniger gut untersucht als andere Städte, lassen sich auch hier
wesentliche städtebauliche Giundzüge erkennen. Aus ihnen wird die Be
deutung des Faktors Theater besonders deutlich. Der größte bekannte
Tempelbezirk innerhalb von Stratonikeia wurde über dem Stadtgebiet,
vielleicht auf dem höchsten Punkt des bebauten Teils, unmittelbar ober
halb des hellenistischen Theaters an der Akropolis angelegt
48
Das Heilig
tum weist einen axialen Bezug zu diesem auf. Das Theater bildete dem
nach den Übergang vom Sakralbezirk zum eigentlichen Stadtgebiet mit
dem kommunalen Zentrum. Weite Teile der Stadt wurden dem von den
Wohnvierteln und wichtigsten öffentlichen Gebäuden aus gut sichtbaren
Tempel untergeordnet. Dabei führte eine urbanistische Achse von Naos
und Theater über die Agora mit dem Rathaus bis zum Haupttor der Stadt
im Norden.
49
Ein bemerkenswertes Ensemble aus tiberischer Zeit bietet auch Pesri
nous in Galatien (Abb. 10). Es besticht durch eine Kombination aus thea
terartigen Sitzstufen zu beiden Seiten einer Treppe sowie einem Heiligtum
für einen römischen Kaiser (Augustus als Provinzgründer oder Tibeiius),
wofür es in Kleinasien bislang keine Parallele gibt.
50
44
Die beiden folgenden Inschriften wurden vor dem Tempelfundament im Nor
den der Terrasse entdeckt und gehörten wohl einst zu den Tempelanten: IvStrato-
nikeia II2, IK 22^ (Bonn 1990) Nr. 1305a (Archiereus der Kaiser Melas aus Hiera-
kome); IvStratonikeia II 1, IK 22,1 (Bonn 1982) Nr. 1017 (Archiereus der Kaiser).
Die Schriftform spricht für die frühe Kaiserzeit: E. VARINLIOGLU, EpigrAnat 12,
1988, 79 ff» Ein Sebasteion w ird ex plizit in der Inschrift IvStratonikeia I, IK 21
(Bonn 1981) Nr. 227 Z. 9 aufgeführt, zu der keine Fundortangabe vorliegt.
47
Zum Tempel: MERT 1999, 24 ff., 261 ff.. Die Auswertung der Ornamentik er
gibt eine augusteische Bauzeit.
48
Zum Theater, das wohl aus dem 2. Jh. v. Ch r. stamm t: MERT 1999, 15, 22;
s. auch R.
ÖZGAN,
Die Skulpturen von Stratonikeia, Asia Minor Studien 32 (Bonn
1999) 10. Es ist zu vermuten, dass während der Errichtung des Tem pels auc h Teile
des Theaters erneuert wurden.
49
VgL MERT 1999, 16, nach dem das Stadttor mit einer großen Brunnenanlage in
der überliefeiten Form frühseverisch zu datieren ist. Doch muss an dieser zentralen
Stelle, sofern die Stadtmauer älter ist, wohl schon in einer früheren Phase ein Tor
angenomm en w erden.
50
M . WAELKENS, EpigrAnat 7, 1986, 37 ff. (auch zur Weihung).
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264
Jürgen Süss*
Die breite Treppe führte genau zur Tempelvorderseite; Unterhalb der
Stufenanlage erstreckte sich ein nur wenig später errichteter Platz, der laut
M.
WAELKENS,
welcher Tempel und Umgebung eingehend untersuchte, als
Handelsagora z u deuten ist. D er Platz öffnete sich danach zur w ichtigsten
Nord-Südstraße am Ufer des kleinen Flusses Gallos.
51
Alle vorgestellten
Gebäude reihten sich wie in einer Kette auf. Sie wiesen, unterstützt von
einem natürlichen Hang, ähnlich wie in Stratonikeia oder Pergamon, eine
ausgeprägte Höhenstaffelung auf. Diese reichte von der Handelsagora un
ten bis zum Heiligtum oben. Der peripterale Sakralbau wurde zusätzlich
noch durch einen mehrstufigen Unterbau, ein weiteres typisch kleinasia
tisches Element neben dem Stufenunterbau, aus dem Platzniveau deutlich
herausgehoben. D er Tempel erhob sich auf einem der höchsten Punkte des
bebauten Stadtgebietes.
In der - verglichen mit den Städten an der Westküste Kleinasiens - eher
kleinen Stadt Pessinous beherrschte das Ensemble aus theaterartiger Stu
fenanlage und Tempel das Siedlungsgebiet eindrucksvoll. Es stand als
prächtige Kulisse bei Festspielen wie auch Prozessionen zur Verfügung.
Für die Gesamtwirkung wichtig ist, dass der frei, stehende Tempel auf das
neue römische Stadtzentrum ausgerichtet war. Es ist zu vermuten, dass
Pessinous, Vorort einer großen Region/
2
mit der Erbauung des Ensembles
auf Ankyra, die Hauptstadt Galatiens, mit dem gewaltigen provinzialen
Augustus-Tempel reagierte.
53
Ergebnis: N ic ht selten ist in Kleinasien ein Zusammenspiel v on Kaisertem
pel und Theater bzw . theaterartiger Anlage sow ie Stadion und H ipp od ro m
und in Pergamon auch Amphitheater zu verzeichnen. Gelegentlich wur
den sogar mehrere Festbauten in die Planungen mit einbezogen (Ankyra,
Pergamon). In einigen Fällen hat sich überdies eine architektonische Ein
heit aus Theater und Kultbau herausgebildet, die dadurch eine besonders
eindringliche urbanistische Wirkung erzielte. Teils hat man ein bestehen
des Theater mit in die Planungen einbezogen (Pergamon, Stratonikeia),
teils eine theaterartige A nlage m it dem Tem pel gemeinsam konzipiert (Pes
sinous). Das Zusammenspiel von Theater und Kaisertempel traf mehr für
51
Zur
Topographie:
DNP 9 (2000) 6 8 f.
s. v.
Pessinus
K. STROBEL).
52
Pessinous war Vorort der Tolistobogier, eines der drei keltischen Stämme Ga
latiens. Dazu
S. MITCHELL,
Anatolia. Land, Men and Gods in Asia Minor II (Ox
ford 1993) 20 ff.
53
[IVL Lojllios aus Pessinous, der 32 n. Chr. in Ankyra als provinzialer Kaiser
priester amtierte, könnte in Pessinous zu den treibenden gesellschaftlichen Kräften
in der Errichtung des Tempelbezirks zu Ehren eines römischen Kaisers gehört
haben. Dazu S. MrrcHELL, Chiron 16, 1986, 32 f.
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Kaiserkult und Urbanistik
265
provinziale An kyra und Pergam on) un d regionale Ku ltstätten Pessinous)
zu als für städ tisch e Stratonikeia).
54
5. Hafen
Der Hafen bzw. ein von der Küste aus gut zu sehender Platz bildete seit
jeher einen wichtigen Standort für Tempel. Dies gilt auch für Kultbauten
zu Ehren römischer Kaiser. Schon das eingangs erwähnte Sebasteion in
Alexandria wurde sicher nicht zufällig am Hafen errichtet.
55
D as älteste Beispiel der Pro vin z A sia für einen K aiser bau m it Bezug auf
die Küste liegt aus
Eresos
vor, w o ein mu nizipaler Aug ustus-Tem pel N a-
os) errichtet wurde, der in der schon zitierten Inschrift bezeugt ist, ar
chäologisch aber noch nicht nachgewiesen werden konnte. Aus der For
mulierung »beim Hafenemporion« ETU TCÖ Ä,i[a£va xcb £jo.[7copt]cp
56
) lässt
sich ein Handelsmarkt in der unmittelbaren Nachbarschaft erschließen, so
dass der Hafen nicht als alleiniger Standortfaktor zu gelten hat.
Im 2. Jh . entstanden zw ei außergewö hnlich große Bauko mp lexe zu E h
ren des Kaiser/Hadrian in der Nähe eines Hafens in
Ephesos
wie auch in
Kyzikos
Beide Beispiele gehören zu den größten je gebauten Kaiserkult
stätten. Zumindest im Fall von Ephesos handelt es sich um einen Neo-
korietemp el. In dieser Polis befand sich der 85 x 5 7 m gr oß e H adria n-
Tempel in der Nähe des Hafens am Rande der Stadt, überdies an einem
erst in der Kaiserzeit erschlossenen S tadtviertel Ab b. 11). ÄhnJich verhält
es sich in Kyzikos.
57
Ergebnis: Die räumliche oder optische Verbindung von einem Kaisertem-
pel zu einem Hafen, die sich in Asia bislang vor allem in Eresos und
Ephesos, aber auch in Kyzikos nachweisen lässt, verfolgte ebenfalls das
Ziel, einen entsprechenden Bau effektvoll aus dem Stadtbild herauszuhe
ben. Die Wirkung entfaltete sich insbesondere dem, der sich diesen Poleis
vo n See he r nähe rte. ^
54
CLAUSS 1999, 331.
55
Phil. leg. ad Gaium
151 £ :
Das Sebasteion lag »gegenüber den Häfen mit guten
Ankerplätzen«.
56
ROB ERT 1979, 180 N r. 320; RO BER T 1980, 5 f.
57
Zu Ephesos: S KAR WIESE in; SCHERRER Hrsg.) 1996,177,186. Zur Bedeutung
des Hafens von Ephesos allgemein: H. ZABEKLICKY, Preliminary Views o£ the
Ephesian Harbor, in: H. KOESTER Hrsg.), Ephesos, Metropolis o£ Asia, Harvard
Theological Studies 41 1995)
2 1
ff. - Zu Kyzikos: SCHULZ/WINTER 1990,33 ff.
Vermutlich handelt es auch hierbei um einen Neokorietempel ebenda 50 f,),
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266
Jürgen Süss
Schlussbetrachtung
1
Topographische Schwerpunkte
Die Kaiserkultbauten verteilten sich in Asia und Galatia weit über den
öffentlichen R aum . D och lassen sich (Schwerpunkte erkennen im Bereich
der Agora, der Hauptstraßen, der Akropolis, des Theaters oder ähnlicher
Festbauten sowie des Hafens.
2,
Urbanzstische Prinzipien
Sebasteia wurden mit Hilfe ihrer Lage und Gestaltung deutlich aus dem
Stadtbild herausgehoben und regelrecht (inszeniert.
58
Sie befanden sich
meist an einem zentralen Ort. Die Heiligtümer wurden bewusst dort plat
ziert , w ^jie lO fe^ che i i^u sai iun en ka m en , w o ein Höchstmaß an Öffent
lichkeit hergestellt wurde- Anders aüsgeHrückt, man hat sie dort erbaut,
wo sich das öffentliche Leben abspielte, wo sich die Bewohner der Poleis
aus kultischen, politischen, wirtschaftlichen, festlichen und privaten An
lässen trafen.
Zu den bevorzugten Mitteln, mit denen die optische Präsenz und In
szenierung erreicht wurde, gehörten Axialität, H o h e g s ^ ä ^ g ^ ^ M o g ^
n^jualitar^m D ie ausgeprägte A m li tä t innerhalb
der Kaiserkultstätten sowie zwischen Kaiserkultbau und Stadt wurde er
zielt durch große Prachtstraßen, Treppen- und Sitzstufenanlagen, Theater,
lange Säulenhallen und prachtvolle Eingangstore, Elemente, die auch mit
der Funktion der Bezirke bei Kaiserfesten bzw. Festumzügen zu tun ha
ben dürften.
Die Höhenstaffelung, nicht nur innerhalb des Temenos, sondern auch
innerhalb des Stadtgebietes, reichte über Straße, Vorplatz, Tor, Treppe,
Hofareal und Altar bis hin zum Tempel, für dessen Heraushebung aus
dem Stadtgebiet neben den künstlichen Baumitteln nicht selten auch eine
natürliche Erhebung geschickt ausgenutzt wurde.
N ich t weniger markante M erkm ale sind schließlich die Monum entalität,
die der gesamten Anlage wie auch die einzelner Teile, und die prächtige
Ausstattung (reichhaltige Ornamentik, Figurenschmuck, Bogenarchitek-
tur, Marmorverkleidung), die hier jedoch nur beiläufig erörtert werden
konnten.
58
Bezüglich der Inszenierung ist eine Parallele zur Entwicklung der Feste, ins
besondere der Prozessionen (A.
CHANIOTIS
in diesem Band), zu beobachten.
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Kaiserkult und Urbanistik
267
3
Formale Vielfalt
Eine individuelle Betrachtungsweise von Kultgebäude und Stadt ist unum
gänglich, da kaum einheitliche Bautypen und standardisierte Baulösungen
festzuste llen sind und die Stiftung der Kaiser kultstätten und ihr A usseh en
im Übrigen auch eng mit den Honoratioren vor dem Hintergrund der
jeweiligen Stadt- und provinzpolitischen Situation zusammenhing.
59
Man
könnte die Einflussnahme der Auftraggeber an den Kaiserkultstätten ge
nauer zeigen, was in diesem Rahmen aber nicht beabsichtigt war.
Nicht nur die Bauwerke, sondern auch die Bauplätze und die Art der
Verbindung mit den Nachbargebäuden, ganz zu schweigen von hier nicht
vorgeführten Baudetails, fallen trotz gewisser Grundmuster sehr verschie
den aus. Aber nicht nur der Vergleich innerhalb einer Provinz, sondern
auch der Vergleich zwischen Provinzen ist aufschlussreich, denn es erge
ben sich wesentliche UntersdÜjgde. Eine Gegenüberstellung von Asia und
Galatia verdeutlicht den Aufwand, den die weniger hellenisierten und fi
nanzschwächeren Gebiete am Rande der römischen Welt betrieben, um
einen zentralen öffentlichkeitswirksamen Platz im repräsentativen Ge
wand zu schaffen. Die Städte Galatiens taten sich zudem gerade in der
frühen Kaiserzeit parallel zu einem Urbanisierungsschub in der Errichtung
prachtvoller Bauwerke zur Huldigung römischer Herrscher hervor.
Auf-
fällige U nterschiede kön nte man auch zu anderen Prov inze n auf zeigen. Es
sei nur darauf hingewiesen, dass in Pamphylien der Kaiserkult hauptsäch
lich in den vorhandenen Göttertempeln praktiziert wurde und das Stadt
bild demzufolge nie derart verändert hat wie in Asia und Galatia.
60
4.
Netz aus Kaiserkultstätten
Allmählich überzog antike Städte ein Netz aus sehr unterschiedlich ge
stalteten Kaiserkultstätten, die nur in einer Gegenüberstellung historisch
richtig beurteilt werden können. Die Wirkung erschließt sich nicht allein
aus der Untersuchung der Sebasteia selbst, ihrer Architektur und ihrer
Ausstattung, sondern vor allem aus der Untersuchung des gesamten Stadt
raumes. Wie wichtig dies ist, ging aus der Inschrift aus Eresos hervor, in
der drei Herrscherkulttempel aus gleicher Zeit erwähnt werden, und be
stätigte sich in der Erörterung der archäologisch gut überlieferten Seba
steia. Dabei ist das Wechselspiel der in den wichtigeren Städten im Laufe
59
Wie auch
HALFMANN
2001, 93 in seiner Studie zur allgemeinen Entwicklung
von Pergamon und Ephesos festgestellt hat.
60
J
NOLLS,
Side im Altertum I, IK 43 (Bonn 1993)
22
ff.
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268
Jürgen Süss
der Zeit in großer Zahl entstandenen Baukomplexe für den Kaiserkult von
besonderer Bedeutung. Erinnert seien nur die vielen Beispiele aus Ephe-
sos.
Von einer städtebaulichen ^s ai n tk onze guon , d. h. der Berechnung
der Wirkung von Gebäuden aufeinander, rauss stets ausgegangen werden.
/ /
H
JL^ J p
y andel des Stadtbildes
Der römische Herrscherkult führte in Asia, Galatia und Pisidia zu einem
massiven Wandel des Stadtbildes. Die Errichtung von Kultgebäuden zu
Ehren der Kaiser ist mitunter die vorrangigste städtebauliche Aufgabe der
Kaiserzeit von Augustus bis ins
2.
Jahrhundert. Es vollzog sich eine Ver
schiebung im Raumgefüge antiker Städte zugunsten der Bauten zur Ver
herrlichung römischer Machthaber. Immer wieder neue und noch präch
tigere Bauwerke feierten die Kaiser. Der Kaiserkult führte allerdings nicht
in allen Gemeinden zu einer so tiefgreifenden Veränderung des Stadtbildes
wie in Pergamon oder Ephesos, Ankyra oder Pessinous und Stratonikeia
oder Aphrodisias. In Thera, ähnliches gilt wohl auch für Priene, hat der
sonst so präsente Kaiserkult nicht zur Errich tung neuer Gebäude, sondern
lediglich zur Umwidmung und Umgestaltung existierender Bauwerke ge
führt. Aus dieser Tatsache kann indes keine Zurückhaltung gegenüber dem
Kaiserkult gefolgert werden, vielmehr ist sie mit der allgemeinen städte
baulichen Stagnation dieser Gemeinden zu erklären.
Eine derart umfangreiche Veränderung des Stadtbildes, wie sie in den
meisten hier vorgeführten Gemeinden durch die Errichtung von Sebasteia
erreicht wurde, ist auch vor dem Hintergrund der gerade für Kleinasien so
bezeichnenden Städterivalität, der Frage nach dem ersten Rang in der P ro
vinz, der Bewilligung von weiteren Neokoriekulten durch den Kaiser und
der weithin geschätzten Lobreden auf die Städte zu sehen. Die Verände
rung ist keineswegs nur als Loyalitätsbekundung und Ausdruck der zu
nehmenden Romanisierung zu werten, sondern vielmehr als Vehikel für
die Glorifizierung der eigenen Stadt. Sie unterstreicht den Glanz und die
Einmaligkeit in Abgrenzung von anderen kleinasiatischen Gemeinden, mit
denen man im Wettstreit stand. In den Kaiserkultstätten manifestierte sich
das tatsächliche oder angestrebte Ansehen einer Stadt innerhalb einer Pro
vinz bei unterschiedlichsten Anlässen. Die W irkung auf
ie
Bewohner und
Besucher einer Polis muss weit über Kaiserfeste hinaus gegangen sein.
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Abbi ldungsnachwe i se
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1: na ch P R I C E 1984, 139 Abb. 3.
Abb. 2: nach W. H O E P F N E R Hrsg .) , D as dorische Th era V Berlin 1997),
Fa l tb la t t P lanl .
Abb.
3 : nach B ALTY 1991, 392 Abb. 194.
Abb.
4: R. R. R.
S M I T H
1995. A JA 99, Taf. 1 nach S. 44 .
Abb.*
5:
N O I X E
Hrsg.)1991 , A bb . S. 137.
Abb.
6: M : WAELKENS - S. M I T C H E L L - E . O W E N S 1990. AnatSt 40, 186
Abb.
1.
Abb. 7: eigene Skizze auf de r Gru ndlag e vo n M. T A § U A L A N 1993. In: IV-
Müze kurtama kazilan semineri , Marmeris 1993, Abb. 1.
Abb. 8: nach U . W U L F 1994. IstMitt 44, 173 Abb. 7c.
Abb. 9: eigene Skizze auf der Gru nd lage vo n tX Ö N E N 1986. Karien. Iz-
mir, 54, dessen Plan wiederum in weiten Teilen auf G. E. B E A N 1974.
Kleinasien 3. Jenseits des Mäa nd er. Karien mi t d em Vilayet M ugla.
Stutegart, 95 A bb . 10 Zeic hnung P. TR EM AUX) zurückgeht . Auf dem
ursprünglichen Plan fehlen Theater und Tempel.
Abb. 10: P. LAM B R EC HTS 19 71. De Brug 4, Faltb latt.
Abb. 11:
W , O B E R L E I T N E R U . a. 1978. Fu nd e aus Epheso s un d Sam othrake.
Wien, Plan S. 14 f.
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1 = Basilikc Stoa, 2 = Kaiserkultraum,
Pry taneion,
4
= Boulcutcrion,
5
= „Doppelmonument ,
6 = Agoratempel,
7
= Domitian-Tempel
Abk 1 Ephesos, Plan der oberen Agora
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Kaiserkult un d Urbanistik 273
Abb. 2
Thera, Plan der Stadt
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27 4 Jürgen Süss
(b = hellenistische Phase, c = kaiserzeitliche Phase)
Abb.
3
Thera, Grundriss der Basilike Stoa
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Kaiserkult
und
Urbanist ik
275
1 = Sebasteioa, 2 = Agora mit Bouleuterion,
3
- N-S-Straße, 4 - Aphrodite-Tempel,
5
=
zweite Agora,
6 =
Theater, 7
=
Tetrastoon,
8 =
Badeanlage, 9 = „Basilica , 10 = Badeanlage,
= Stadion
Abb
4
Aphrodisias, Plan der Stadt^
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276
Jürgen Süss
A Kesbelion
(a
zs
Zeustempel, b = Antentemp el)
B ,Klosterberg'
C ,Nordkuppe' (a
Ä
Podiumtempel,
b = 3^sil^a% c = Stadttor zum Nord tal)
D Stadtmauer
E Stadion
F Theater
G Untere Agora
H Nord nekrop ole beim Theater
I Säulenstraße
J Stadionthermen
K N ym phäum
L Ob ere Ag ora (a = G eschäf tsgebaude,
b - ,Schräge Stoa', c = Od eio n,
d - Tychaion, e = Agora nomion )
M Osmekropole
N Zollhaus*
O JBasüica extra muros
r
im Nordtal
p Qu elle (Kiralsuyu)
Abb
5 Selge, Plan der Stadt mit Kaisertempel (C a)
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Kaiserkult und Urbanisrife
77
Abb 6 Sagalassos Plan der Stadt
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78
Jürgen Süss
1.
Westliches Stadttor
2.
Hauptstraße (Cardo Maximus)
3.
Theater
4. Hauptstraße (Decumanus Maximus)
5. Säulenstraße
6. ,liberius-PIatz'
7. Propylon
S. ,Au£ustus-Platz
f
9. Kaisertempel
10.
Nymphaeum
11. Palaestra
12. Badeanlage
13. Ratha us/Odeion (?)
14.
Kirche
15.
Kirche des Heiligen Paulus
16.
Byzantinischer Bau
17.
Südliches Stadttor
IS .
Aquädukt
Abb. 7
A n r i o c h e i a p r o *
Pisidia
Plan der Stadt
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Kaiserkult und Urbanistik
279
.
raianeum
. N.
Abb. 8
Pergamon,
lan der
Stadt
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28
ürgen Süss
Abb 9 Stratonikeia, Plan der Stadt
Abb 10
Pessinou s, Rek onstruk tion der Tempel-Theateranlage
(umbiegende Sitzstufen beiderseits der großen Treppe nicht eingezeichnet)
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Kaiserkult und Urbanistik 281
1
H WctiW.
Hatantor
Z tol r tnra» Hafantor
3 SOanohs» Kofe^tor
4 Hafeomagazlnft
S A i t o d i a r *
0 0>2>nttnta«rM Sbdtmauar
7 V)erenuj«noou
8 Hafentt torrne
10 V</ulonu*fwüliai
41 K id i1<* ) t«mo*
4 3 H o n * *
44 Ok togoo
49 Hnrt t f iau» 2
46 HoOChaü» 1
47 HaiQneusgaase
4 9 Ny m p h a» u m T f * w i
5 0 R w d b g u
1? A t r i um Hnn-narum
Cornt tmiananun
12 KptonnadBnvort iof
13 KMt tUaM'cao
14 fezatsohof lc*» P«aia
16 Olympiakm (7)
1a Apo lW«mp»l (7 )
17*
i . ynJmac tach» S todtmwjw
1« Heroon (7)
1 9 v < d * a < f f u i i u i B ^ n
20 Kor»»» ««*»» S tadt to r (7 )
91 HanricjeBtar
52 M«mmiüsm(muni«nt
$4 RundOreb
95 PouluaOrotto
57 NQkfopale
59 iDksnmpdi (?)
59 Monwtrort und Nymphaum deft Sexi lUu» P
f lO WssBerschlof t de* C. LaettnluD Baeaus
21 Stadion
22 Bjao ntm laCtar Statthaft «rpartiBT (7)
23 StPdJOfvnvBB
2 4 Th o f t t o t f t t w w a l i m
2 » S t r » ß * X e r
26 TDmier
27 u<*whau»
» R f l n MK h a r S l B t t f i u t i l M l M t ( 7)
29 Mtnrvsnr t r t f l o
30 Agon»
81 PiV»no»on
62 Twnpr f do r D w f l omo un d ctoo O lvua k
69 8ow)wj t«rto( i
64 8asUfca
65 $09. Vanusbad
66 /
s
OMon#
67 Stra0Qnbrurinen
66 Sog. U ikAsarob
60 0»ff lyrnn<ulum
70 MagnMkkChaa Tor
31 gooWamar
32 VUaatttroOe
03 SArftpiDfempsl
$1 KUaoua-MÜhHdf lteo tor
X CelBtaWbdathek
30 MonumBAaial ter
57 MokrqooJo
06 St 'sBtf i tor
3 0 W o h n h a i u
40 SehoiAsii idachefm»
4££. ü Ephesos, Plan
der Stadt
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Herrscherkult und Christuskult*
von
CH RIS T O PH AUFFART H
1 Selbstvergöttlichung und Monotheismus
LI Die Forschung zum Kaiserkult antwortet auf die Zeitgeschichte
des
20
Jahrhunderts
»Aus der Sicht des frühen Christentums war der scbJimmste Missstand im
Römischen Reich der Kaiserkult. Ehrenbezeugungen, die Gott allein zu-
standen, durften nicht Menschen erwiesen werden.« So beginnt 1980 der
Forschungsbericht im ANRW von Donald Jones.
1
Das ist, so will ich
zeigen, nicht die Sicht des frühen Christentums, sondern die Sicht zu-
nächst einmal einer Generation von Theologen auf das frühe Christentum,
die diese Exklusivität und das Gegeneinander aufmacht: Eine Generation,
die die Nürnberger Reichsparteitage vor Augen hatte und die drei Männer
im Feuerofen aus Daniel 3 dagegen las. Das geschieht schon in der pro-
testantischen Bekennenden Kirche mit der Erklärung von Barmen 1934,
These 2 und 3. Niemöller hat das auf die Formel gebracht: »Die Herren
dieser Welt kommen und gehen. Unser Herr kommt,«
2
Und es geschieht
aus der Rückschau, indem die Generation, die »politische Religionen«, wie
das ein Exilant benannte,
3
aus eigener Erfahrung erlebte hatte und nun
* Der Beitrag ist Werner Gauer zur Emeritierung gewidmet.
Dank an Pascale Kahr für Recherchen und an Alexandra Wisniewski für die Mit-
arbeit an der Redaktion.
1
JONES 1980,1023: From the perspective of early Christianity, the worst abuse
in the Roman Empire was the imperial cult. Honors which should be reserved for
God alone could not be bestowed upon men.
1
Vg die knappen Bemerkungen bei KARRER 1998, 341.
3
Begriffsgeschichte bei HUTTKER 1999, der zeigt, dass der Begriff nicht von
Erich/Eric Voegelin Stockholm 1938) erfunden wurde, sondern gleichzeitig von
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S4
Christoph Auffarth
eigene Fehler und Versäumnisse auf das persongewordene Böse projizier
te, zur eigenen Entschuldigung die Sakralisierung der Macht behauptete:
Ein Tyrann missbrauche die Religion un d setze sich an die Stelle vo n G ott ,
Verehrung erheischend/ Das sei Pseudo-Religion, Religionsersatz, polit i
sche Religion, Aber schon in der Zeit des Aufkommens des Nationalso
zialismu s gab es die berü hm te K ontrov erse zwischen C arl Schmitt un d
Erik Peterson über die von Schmitt so genannte »Polit ische Theologie«.
5
Schmitt,.bald der »Kronjurist« des NS> sieht in der Struktur der katholi
schen Kirche mit dem Zentrum der einen Wahrheit eine notwendig mon
archische Struktur, die auch in politischen Gebilden trägt: nicht Konsens
und Kompromiss, sondern die Entscheidung für oder gegen die Wahrheit
bildet den Kern der Polit ik, ihre Theologie. Der Inhalt der Wahrheit da
gegen ist nicht Gegenstand der Struktur. Grob gesagt, die Diktatur ist die
angemessene Staatsform, nicht die liberale Demokratie. - Dem setzte sein
Freund und gerade zum Katholizismus konvertierte Peterson zwei
Auf-
sätze entgegen über den christl ichen Kaiserkult (Augustus und Euse-
bius/Konstantin), in denen er als christlichen Vorbehalt gegen jede Herr-
schervergotcung setzt, dass die Herrschaft Gottes in der Eschatologie jede
triumph alistische menschliche Herrschaftsauffassung aufhebe. D am it sei
die politische Theolog ie erledigt. Petersons U ntersu chu ng en üb er den
Monotheismus/Kaiserkult bilden das historische Material, mit dem er die
strukturelle Verwandtschaft von Katholizismus und Faschismus abwehrt-
6
Am historischen Thema des Kaiserkultes werden Posit ionen in der Zeit
geschichte eingenommen.
Meine Aufgabe sehe ich darin,
- diese Engführung aus den Erfahrung en des frühen 20. Jh . au fzubrechen
hin zu einer systematischen Religionswissenschaft, die die scheinbar
eindeutige Systematik des jüdischen und von den Christen übernom
menen Mo notheism us in die antike Disk ussio n zurückfuhrt (Religions
systematik).
mehreren, so besonders von Frederick Augustus Voigt, in die Diskussion geworfen
wurde. Aktuell ist die Diskussion in apologetischer Absicht erneut initiiert von
H. MAIER, so in seinem Büchlein Politische Religion. Freiburg 1995.
4
E . STAUFSER
1964 voller Anspiel gas; etwa
S
304-314 »Der Untergang der
Alten Welt un d die europäische Sendun gier Kirche«.
5
B . NICHTVEISS
1992. R.
HARTMANN
1978,
S 203-221.
E .
PETERSON.
1933;
1935.
C. SCHMITT. Politische Theologie. Berlin 1922. C . S C H M H T 1932; 1970.
Grundlegend anders, nämlich als inhaltliche Bearbeitung der europäischen Politi
schen Theologie die drei Bände der Berliner Religionswissenschaftler um Jacob
Taubes: 1983-1987.
6
Besonders das Büchlein Eiikson 1926, das ihn zum Schülerkreis der Religi
onsgeschichtlichen Schule gehörend ausweist.
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Herrscherkult und Christuskult
285
- Die se antike Disk ussion w ird in zw ei Fällen besprochen, einem Fall vo n
jüdischem W iderstand Caligula in Jerusalem) und einem Fall vo n
Selbstdarstellung des Kaisers N er o in Korinth) und der Stellung der
Christen im ersten Jahrhundert zu Anspruch und Gottesbild.
- Darauf ist in den einzelne n kultischen Form en die Christologie un d der
Christuskult zu vergleichen. Ich werde dabei die Frage der salutatio
versus
adoratio
in den Vordergrund stellen.
- Für die Bestim mu ng des Verhältnisses von Herrsche rkult und C hri
stuskult sind die vielen Gemeinsamkeiten und die Stellen der Konfron
tation spezifisch dieser Kultformen zu beobachten.
7
Das Thema, das die Organisatoren der Tagung vorgegeben haben, fordert
die Frage nach dem Kult. Und hier, in der Tat, erschließt sich das
-
zentrale
Problem. Die Frage ist falsch entwickelt, wenn das Christentum in dieser
Frage mit dem Judentum zusammengeworfen wird. Es ist nicht das an-
ikonische Judentum, das in der Bilderverehrung und dazu noch in der
kultischen Verehrung eines Menschen sich durch die fremde Religion ver
letzt fühlt. Sondern: Das Christentum bildet sich als eine eigene Religion
heraus, indem es den Kult des Christus entwickelt. Kaiserkult und Chri
stuskult laufen also von der Religionssemantik und -pragmatik her paral
lel; in der Religionssystematik lassen sich Ko nku rren zen erkennen, aber
auch die Möglichkeit, den Kaiserkult zu harmonisieren mit dem Chri
stuskult. Die Konstantinische Wende führt in der Beziehung fort, was
schon angelegt war. Diese ausgebaute Stufe der institutionalisierten Inte
gration von Kaiserkult und Christuskult seit Konstantin hatte in der Wei
marer Republik zu einer - oft gerade nicht den Nationalsozialismus be
jahenden - Begeisterung für die geradezu religiöse Anz iehung vo n Macht
menschen geführt, so bei Ernst H. Kantorowicz und Andreas Alföldi.
8
Sie
ist jüngst wieder ausführlich dargestellt worden von dem letzten Assisten
ten A lföld is, so dass eine wissenschaftsgeschichtliche Tradition vo n der
Weimarer »Ergriffenheit« durch die
medestas
bis in die Gegenwart führt.
9
1.2 Monotheismus systematisch und Monotheismus kultisch
In der theologischen Fragestellung haben sich zuletzt zwei Diskussions
punkte ergeben, die für das hier zu bearbeitende Thema von zentraler
Bedeutung sind: Die Frage, wie strikter Monotheismus und die Christo-
7
Eine Übersicht bei
KLAUCK
1996, 62-70.
DERS.
1992, 115-143.
KANTOROWICZ
1929-1931; 1998.
ALFÖLDI
1934/1935.
9
KOLB-2001.
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286
Christoph Auffarth
logie vereinbar sind, und wie - damit zusammenhängend - das Problem
der Gottwerdung eines Menschen gestaltet , begründet und ri tuell so re
präsentiert werden kann, dass es nicht zum Tabubruch wird. Oder gerade
zum Tabubruch eingesetzt wird, um eine neue Religion abzutrennen. Das
sind zw ei Positionen, die in neu en A rbe iten v o n Samuel Vollen we ider un d
Gerd Theißen vertreten werden.
10
Ist die Christologie als konsequent in
der Tradition des Jud ent um s zu versteh en (Vollenweider) od er brich t sie
mit dieser Tradition (Theißen)?
Vollenweider bildet eine Liste von fünf Eckpunkten. Diese - so seine
Ausgangsthese - »konstituieren die Einzigkeit Gottes, die meist mit Ho
heit, Transzendenz und Heiligkeit einhergeht. Der eine Gott trägt einen
heiligen Namen,
- er schuf Himmel un d Erd e,
[Gott als Schöpfer]
- er thron t als W eltenherrscher übe r allem, [Weltherrschaft]
- er schafft Heil für sein Volk, [Gott als Reuer]
- un d ihm allein geb ührt kultische Vereh rung und An be tun g {Verehrung
und Anbetung]-
All dies kommt den vielen Göttern und Göttinnen der
Umwelt Israels nicht zu« (S.25). Religionssystematisch wäre der letzte
Satz richtig gedacht (weil diese Sätze nur dem einen Gott zukommen);
in der Religionssemantik des Kultes erweist er sich als falsch.
Vollenweider beschreibt das wissenschaftsgeschichtlich als »Renaissance der Re
ligionsgeschichte« in der nunm ehr drit ten Welle, Dabei greift er nicht zurück auf
die religionsgescbichtliche Schule in ihrer Zusammenarbeit zwischen Theologen
und Klassischen Philologen, sondern benennt nur einen Exponenten, Rudolf
Bultmann, der uflhistorisch ein jo hanneisch es Christen tum dem (fünfhundert
Jahre älteren klassischen) Griechentum gegenüberstellt und so seine Dialektische
Theologie mit historischem Material bestätigt. So erklärt Bultmann die Chri
stologie religionsgeschichtlich aus dem gnostischen Urmenschen.
Als nächste Stufe benennt Vollenweider die These, dass für die Ausbildung der
Christologie die Weisheit die entscheidende Rolle spielt, eingebettet in ein schon
vom Hellenismus ergriffenes apokalyptisch geprägtes Judentum des Zweiten
Tempels.
Dagegen wandte sich die dritte Generation, die für die Christologie das apo
kalyptisch-mystische Judentum mit Visionen und Himmelsreisen maßgeblich
ansieht, wieH enoch, Qum ran 4 und 11, Hekhalot-Literatur. D ie Angelologie
wird zu einer Größe, aus der sich auch die Christologie speist.
»Das Postulat der neue ren R eligionsgeschichte, w onach die gesamte C hr i
stologie im Wesentlichen schon im Judentum präexistiert, lässt sich in den
Texten verifizieren.« (Vollenw eider 33 f.). H ie r w ird ein G egeneinande r
ko nstru iert, das Textevidenz ode r Exegese gegen »die« Religionsgeschichte
VOLLENWEIDER
2QQ2;
THEISSEN
2QQQ.
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Herrscherkult und Christuskult
287
setzt, aber nicht mehr gegeneinander ausspielen will, weil sie von unter
schiedlichen Perspektiven das gleiche Ergebnis erreiche. Religionswissen
schaft ist gar nicht berücksichtigt; mit Religionsgeschichte ist vielmehr
eine Richtung innerhalb der theologischen Exegese gemeint, die eher ver
gleichend als philologisch arbeitet. Die theologische Wissenschaft nach
Au schw itz en tdeckte die jüdische »Wurzel« des Christentum s un d ver
suchte, die Christologie und das Abendmahl folgerichtig aus dem Juden
tum abzuleiten und das »Auseinandergehen der Wege« auf eine nach-
neutestamentliche Zeit zu verschieben. Religionsgeschichte bedeutet aber
weniger, die Tradition vom Endpunkt her zu rekonstruieren, sondern syn
chrone Entwicklungen der verschiedenen Traditionen miteinander zu ver
gleichen und das Gleiche und das Verschiedene zu benennen. Das antike
Christentum als antike Religion ist die historische Fragestellung; das anti
ke Christentum als Vorstufe zum heutigen Christentum ist ein theologi
sches Erkenntnisinteresse, aus dem »das Urchristentum« als eine normie
rende und utopische Größe hervorgeht.
11
13 Jüdischer Widerstand gegen den Kaiser kult:
Caligula in Jej-usalem
In der theologis.chen Eröffnung der Fragestellung wird eine historische
Situation als die Normalsituation beschrieben, die das Imperium Roma-
nu m als M ilitärdiktatur in den Gegensatz zu m jüdischen W iderstand stellt ,
der religiös motiviert ist. Polirische Herrschaft mit dem Missbrauch reli
giöser Symbole steht gegen religiösen Widerstand, der missbräuchlich sich
in polirische Bereiche gedrängt hat. Beide Formen sind illegitim,
- die messianische A nm aß un g der Kaiser
- wie der nation ale, politische Messianismus d er Ju de n,
so dass als einzige legitime Form in dieser Situation der Christus hervor
geht, der vor dem römischen Statthalter zwar bekennt, er sei der Juden
Könis, aber hinzusetzt: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt.«
12
11
A IX IE R 1993.
12
»Bist Du der Juden K önig - Du sagst es« Mk 15 ,2 (synoptische Parallelen M t
27,12;
Lk
23,
3) - Dagegen steht
das
»Mein Reich ist nicht von dieser Welt« bei Joh
18, 36. Das »Reich« wurde später räumlich verstanden als transzendentes »Him
melreich«, während der Wortlaut
basileia
die Autorisierung der Herrschaft (durch
aus auf Erden) im Auge hat. R. BULTMANN: Johannes-Evangelium ([KEK 2
1C
; zu
erst 1941) 506-508 [und im Ergänxungsheft die Anmerkung zu S.
506].
Dort
schreibt Bultmann: »Aber es liegt für Pilatus doch anders als für die* die Welt
vertretenden Juden, deren Vater der Teufel ist, und die deshalb auf Mord und Lüge
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288
Christoph Auffarth
Ein historisches Ereignis zeigt allerdings, dass diese apologetische Deu
tung eine Differenz aufbaut, die die entscheidenden Punkte nicht trifft. Es
soll als Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen zum Verhältnis von
Kaiserkult und Christuskult dienen: Der Versuch des Caligula, im Tempel
von Jerusalem ein Bild aufstellen zu lassen, u n d d ie R eak tio n d er Ju de n auf
diesen Versuch. Religionswissenschaft bedeutet, nicht nur die Intentionen
der Planer und Macher zu untersuchen, sondern besonders auch die Re
zeption der Kultteilnehmer zu beschreiben, die Operationalisierung in
Ritualen und die traditionelle religiöse Semantik die sich als widerständig
erweist durch die kultische Kompetenz der Rezipienten gegenüber beab
sichtigten Brüchen. Im Fall des Caligula in Jerusalem sind folgende Ebe
nen zu unterscheiden:
- Der Kaiser,
- der für die Ausfü hrung zustä nd ige lokale röm ische Beamte,
aus sind ([so undifferenziert sein Hinweis auf Joh] 8, 44). Zu ihnen gehört Pilatus
als Vertreter des Staates nicht, wie sich sofort zeigt (V. [Vers] 38): Er erklärt den
Juden, daß er keine Schuld Jesu feststellen kann, die seine Verurteilung begründen
könnte. Es gibt also in der Tat [Bukmann fallt wieder aus seiner Rolle als Kom
mentator heraus] diese Möglichkeit: der Staat kann sich auf den Standpunkt stellen,
daß ihn die Frage nach der
aX fßZMX
nichts angeht [Weimarer Verfassung zur N eu
tralitätspflicht des Staates in Weltanschauungsfragen]. ... Pilatus hat die Möglichkeit
der Anerkennung abgewiesen und die Möglichkeit.der Neutralität gewählt. Wird er
sie festhalten? Kann er es? Denn so viel ist klar: wenn Jesu Anspruch den Staat als
solchen nicht trifft, wenn seine ßaoiteia auch nicht in Konkurrenz mit weltlichen
politischen Bindungen tritt, so läßt sein Anspruch doch, da er jeden Menschen
trifft, die Welt nicht zu r Ruhe kommen und erregt so die Sphäre, innerhalb deren
der Staat seine Ordnung aufrichtet. Denn die ßaoiXsia ist nicht eine gegen die
Welt isolierte Sphäre reiner Innerlichkeit, nicht ein privater Bezirk der Pflege re
ligiöser Bedürfnisse, der mit der Welt nicht in Konflikt kommen könnte.« Buk-
mann formuliert auf die Situation seiner Zeit hin: Die Welt (Sünder, Juden) ver
sucht den Staat auf ihre Seite zu ziehen. Im NS sei der Staat dieser Versuchung
erlegen, selbst religiöse Ansprüche zu erheben und religiöse Bedürfnisse zu befrie
digen. Aber es gebe die Möglichkeit der Neutralität des
Staates.
- Zu »Neutralität«
als ideologischer
Begriff
bes. bei Carl Schmitt, s. R. Koselleck, HW Ph 6(1984),
78
f. S. SCHULZ N T D 4
12
,1972,
229:
»Sein Königtum trägt im Unterschied zu den
römischen Caesaren keinen weltpolitischen Charakter, stellt also keine Gefahr für
Rom dar. Die apologetische Absicht ist deutlich: der römische Staat kann die Chri
sten nicht verfolgen, weil ihre Lehre nich t das römische Staatsrecht tangiert«. Diese
These hat ih ren H intergrund darin, dass Schulz den Verfasser des Johannes-Evan
geliums als »einen gnostisierenden Heidenchristen« versteht, der wie seine Ge
meinde der Brüder »der Welt absagen und von ihm [dem Gesandten Gottes] schon
jetzt das ewige Leben, das Licht der Welt und die Wahrheit [empfangen]«; S. 12.
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Herrscherkult und Christuskult 289
- die Jerus alem er Elite politisch o hn e Rechte ; sie weiß aber, mit religiösen
Rechtsti teln geschickt römische Beamte in Bedrängnis zu fahren und
vermag so auch politische Einflüsse geltend zu machen,
- eine Re form gru pp e in Palästina,
13
- die Ju de n in de r D iasp ora erklären sich solidarisch un d de r greise Sp re
cher der Alexandrinischen Juden, Philo, fuhrt eine Gesandtschaft nach
R om.
14
Der Kaiser Caligula verlangt zunächst von den Juden, dass in Synagogen
Bilder von ihm aufgestellt würden als Loyalitätsbeweis ihrer Staatstreue.
15
Zwei Gesandtschaften nach Jerusalem im Mai des Jahres 40 führen nicht
zur Rücknahme, sondern sogar zur Verschärfung: Caligula will seine dik
tatorische Du rchsetzu ngsk raft beweisen, indem im Tempel von Jerusalem
ein Bild aufgestellt werden soll und der Jerusalemer Tempel umgeweiht
werden soll für Zeus Epiphanes Gaius.
16
D er legatus Syruie Petronius,
1 7
weiß, dass die Maßnahme die explosive
Situation verschärfen würde und taktiert verzögernd. Ebenso der König
von Iudaea, Agrippa L
13
Ab er auch in Rom wird die Krit ik laut. Folgt m an
Eusebios" Kirchengeschichte dann habe der Senat seine ablehnende Hal
tung zum Ausdruck gebracht, indem er die jüdische Gesandtschaft ihren
Protest vorlesen ließ und in schriftlicher Form öffentlich zugänglich
machte.
19
D ie Jerus alem er Elite m acht das Vo rhabe n öffentlich un d dram atisiert
es.
Das Bild wird »das Gräuel der Verwüstung« genannt:
20
Das aktuelle
13
Die Jesusbewegung ist nicht auf den Tempel als religiöses Symbol fixiert, aber
auch nicht in dem Maße Tempel-feindlich wie die Essener. VgL Luk. 13, 31-35; Mt
23, 37-24, 2. Umfassend DÖPP 1998.
14
Besonders die Schrift Philo leg.
[ή π ρεσβεία π ρο ς Γ άιον],
Übersetzung und
Kommentar von F. W. KOHNKE: Die Gesandtschaft an Caligula, in: Philo von
Alexandreia, Die Werke in deutscher Übersetzung, hrsg. von L.
COHN U.
a.,
Band 7, Berlin 1964, 166-266. Der knappe, aber sehr sorgfältige Kommentar ist
dankbar benutzt ohne Zitat.
15
Philo, leg. 132-161.
16
Ich verwende der Einfachheit halber als Namen des Kaisers Gaius den spöt
tischen Namen Caligula »Stiefelchen«. Zum Caesarenwahnsinn im Kontext des
Kampfes des Publizisten Ludwig Quidde gegen Kaiser Wilhelm IL s. KLOFT 2001.
17
Zum Vorgänger L. Vitellius (7c). RE-S 9(1962), 1733-1739, der sich nur retten
kann, indem er die Proskynese einführte. P. Petronius RE 19,1(1937), 1199-1201
[Nr. 24, IL HA NSLIK]; DNP 9(2000),
671
f. [Nr.
4].
1$
Philo, leg. 261-329.
19
Eus. Hist.eccl. 2. 18,8.
20
Β δέλυτμα τής έρημ ώ σεω ς, das bedeutet »das
Gräuel, das die Verödung des
Heiligtums verursacht« (BAUER/AJLAND
[
6
1988]
275 f., do rt fälschlich gleich auf den
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29
Christoph Auffarth
Ereignis wird so mit einem anderen historischen Ereignis übereinander
gelegt, der makkabäischen Revolution. Wie eine Kopie über ein Original
gelegt, behauptet das Wort für das Bild, hier geschehe das gleiche wie
damals und es werde auch das gleiche folgen wie damals.
Wie
in der
makkabäischen Krise das Buch Daniel den Aufruf zum Aufstand als hi
storische Erzählung vierhundert Jahre zurückverlegte, als der Seleukide
Antiochos Epiphanes IV. mit dem berüchtigten Bild des Zeus im Jerusa
lemer Tempel im Jahre 167 die Revolution der Makkabäer provozierte.
21
Das ist Aufruf zum Martyrium für die Religion der Väter.
Dem gegen über w ird in der Jesusbew egung als den »Auserwählten« eine
andere Maxime ausgegeben: »Flieht in die Berge «
22
Wartet das Ende ab
und kehrt dann wieder zurück in eure Orte
Grundlegende Opposi t ion dagegen macht e ine Gruppe, von der man
eher Anpassung erwarten könnte: die Diaspora-Juden des hellenistischen
Alexandreia, angeführt vom greisen Philosophen Philo. Allerdings sind
auch hier die Unterschiede zwischen historischen Ereignissen und Taten
wie de m P og rom gegen die Ju de n in Alexandreia des Jahres 38 α Ch r. , der
Gesandtschaft nach Rom und der Schrift des Philo quellenkritisch zu be
achten. Ich kommentiere hier nur einige der Argumente aus der Schrift .
Philo
hält dem Kaiser tadelnd vor:
(1) Anfangs seiner Regierung erhofften sich alle, er werde »Retter und
Wohltäter« Σ ω τη ρ κοά εύερτέτη ς leg. 22) sein. Da s ist in voller A n
erkennung der römischen Herrschaft über die Völker gesagt als einer
Zeit des Friedens und des Glücks für die gesamte Oikumene (leg.
8-13). Doch dann ändert nach einer Krankheit der Kaiser sich völlig,
der Friede wird zur Anarchie ( leg. 16-20).
(2) Gaiu s/Caligula will sich selbst zu m G o tt machen (leg. 76-1 13; leg. 20 1;
332;
338 έκθ έω σ ις),
2 3
erst ind em er sich kleidet als H alb go tt 78- 92 ),
apokalyptischen Antichrist bezogen). Mt 24, 15 »Wenn ihr also das Gräuel der
Verwüstung seht, von dem der Prophet Daniel gesagt hat, dass es am heiligen Ort
steht, dann sollen die Leser aufpassen.« Der Bezug auf Daniel (Kapitel 9 ,27;
11,31;
12,11) ist hier im Sinne noch ausstehender Prophetie formuliert, obwohl es dort als
Erzählung auftritt.
21
»Gräuel der Verwüstung« wieder 1 Makk 1, 54; 6, 7.
22
M t. 24, 15-28 mit den Parallelen Mk 13,
14-23;
Lk 21, 20-24. Die sogenannte
»kleine synoptische Apokalypse« kennt den Bildschatz der Apokalyptischen Be
wegung, aber sie lehnt es ab, diesen Fall als das Kommen des Menschensohns zum
Weltgericht zu interpretieren, sondern empfiehlt unterzutauchen. »Das Ende« wäre
dann das Ende des Kaisers Caligula und seiner Aktion im Jerusalemer Tempel.
Grundlegend für dieses Verständnis ist das Kapitel bei THEISSEN 1983, 133-176.
23
Kritisch auch die römischen und griechischen Autoren: Sueton Gai.
22; 33;
52;
Dio 59. 26,5-28,8. Josephus ant. 18. 256; 19.4 und 11.
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Herrscherkult und Christuskult
291
dann als Götter selbst (93-113). Philo kritisiert das nicht aus dem Ar
gument, es gebe nur den einen Gott, sondern bleibt im polytheisti
schen Schema. Antbropomorphe Gestaltung Gottes ist möglich, Ab
stufungen der Göttlichkeit sind gegeben; aber wer von sich behauptet,
er sei Gott, muss es auch durch Leistungen (&p£Tcri 91) und göttliches
Verhalten nachweisen. Zu den Attributen, die sich Caligula für seine
Ikonographie zulegt, gehört die Strahlenkrone des Apollon (leg. 103,
s. u.).
(3) Erst als C aligula sich mit dem Go tt d er Juden m isst, indem er sein Bild
an die Stelle des bildlosen
JHVH
in Jerusalem setzen will, kommt das
Thema Monotheismus auf. Doch auch hier bleibt Philo im römischen
Muster: kein griechischer König, kein römischer Kaiser hat verlangt,
dass sein Bild im Tempel aufgestellt werde, erst recht nicht der wahre
Wohltäter Augustus (kg- 137-161). Religiöse Polemik wendet Philo
nur gegen die »Tiergötter« der Ägypter (leg. 163).
(4) Der Monotheismus
J H V H S
und die Schöpfung der Welt durch ihn:
»A llein die Juden glauben dass
ein
G ot t sei, der Vater und der Schöpf er
der Welt.« (leg. 115) Der Monotheismus ist aber kein prinzipieller
Monotheismus.
24
Die Argumentationslinie lässt sich etwa folgender
maßen als Klimax erkennen: Herrscher als Hirten bewirken Göttli
ches, sie ernten dafür die Unsterblichkeit (leg. 91; 192, 369); Halbgöt
ter mit begrenzten Segenswirkungen; richtige Götter; der eine Gott.
Seine Prädikate »Vater« und »Schöpfer« sind traditionelle Titel; die
»Einzigkeit« behauptet nicht als Negativaussage die Ungöttlicbkeit der
anderen Götter. Caligula maßt sich an, den einen Gott zu verdrängen,
ist aber nicht einmal der untersten Stufe von Göttlichkeit gewachsen.
(5) Üb erzo gen ist des Gaius Anspruch m it der Einfuhrong der Proskynese
im H of zeremon iell (leg . 116). D iese r R itus widerspreche röm ischem
Freiheitsgefühl.
25
Damit gleichzeitig fordert Caligula den Titel des
Despoten SzcmöTr\c/dominus).
2
*
Klaus Wengst hat deutlich gemacht, wie in den neutestamentlichen
Schrif-
ten zwei Haltungen der römischen Herrschaft gegenüber zu finden sind:
24
Zu Schöpfung vertritt Philo eher stoische Ideen von der Ewigkeit der Welt,
s. Philo Band 7, 402 f. Erzeugung der Welt in sexueller Vermahlung mit Wissen
Phil. ebr. 30 f; 61, vg l Plat. Tim 50 d; 51 a.
25
Vgl. leg. 352. Kritische Berichte über die Proskynese vor Gaius Dio 59. 24,4;
25,8;
29,5; Suet. Gai.
55,1;
Sen.
benef
2. 12,1.
26
Caligula verlangt
ie
Anrede
leg. 208; 237;
Aurel.Vict. 3.9,12, vgl
KOHNKE
zur
Stelle ( .205, Anm.2).
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9
Christoph Auffarth
Fundamentalopposition auf der einen Seite, Zustimmung zur römischen
Friedensordnung als Gottes Geschenk auf der anderen Seite. Oder die
theologische Kurzformel Apokalypse 13 gegen Römer 13.
27
Diese Kurz
formel ließe sich auch in die Zeitgeschichte des 20. Jh. übersetzen: Beken
nende Kirche gegen Deutsche Christen, Die naive Übertragung der Zwei-
Reiche-Lehre auf die Nationalsozialistische Herrschaft soll hier nicht das
Thema sein.
28
Die Fehlübersetzung des Herrschaftsanspruchs Jesu vor Pi
latus als »Himmelreich«, eine Herrschaft transzendent zu dieser Welt und
utopisch, bot die billige Entschuldigung. An dem Fall Caligula im Jeru
salemer Tempel muss weiter differenziert werden. »Das frühe Christen
tum« ist Teil einer hellenistisch geprägten Kultur, die sich nicht durch eine
programmatische Auseinandersetzung mit dem Kaiserkult definiert. Kon
flikte zwischen Kaiserkult und Christengemeinden, in denen sich der Kai
serkult als ein »harter« erwies, gab es. Aut Christus aut Caesar. Aber das
gewöhnliche war der »weiche«, der Kaiserkult, den man harmonisieren zu
können glaubte, dem zugunsten man aber entscheidende Elemente der
Weltgestaltung aufgab.
29
Das frühe Christentum ist eine Vielzahl lokaler Gemeinden, die sich in
den verschiedenen Theologien der vier Evangelien, der paulinischen Mis
sionsgemeinden, der apokalyptischen Gemeinden mehrerer Richtungen
ausbildet, während andere wie die gnosrischen Gemeinden und propheti
sche Gemeinden keine Majorität, keine Aufnahme in den Kanon finden.
N ac h dem extremen Fall in Jerusalem, einem Stück »harten« Kaiserkult,
konzentriere ich mich auf eine Stadt, in der der »weiche«, alltägliche Kai
serkult auftritt und in die polytheistisch strukturierte Stadt eingeordnet ist,
die Reaktion der Juden ist dort nicht zu erkennen, wohl aber die der
Römer (die dort keine Untertanen, son dern Bürger sind) und die der Ch ri
sten.
Der Fokus auf die lokale Religion erlaubt, die Ausnahmestellung der
Monotheisten zu untersuchen.
27
WENGST 1986; dazu die wichtige Rezension von LÜDEMANN/BOTEFMA^JN.
28
Dokumentiert sind einige Aufsätze der Debatte über das Widerstandsrecht im
NS im Nachhinein, also nach dem Zweiten Weltkrieg, aber ohne die zeitgeschicht
liche Einordnung, bei SCHREY 1969; WOLF 1972.
19
KLAUCK 1992, 141-143.
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Herrscherkult und Christuskult 93
2 Ko r in th - e ine loka le Bes tandsaufnahm e
2.1 Eine römische Stadt also ohne Kaiserkult?
Korinth ist eine zentrale Stadt als Station der meisten Verbindungen von
Rom in den Osten und umgekehrt. Caesar lässt die Stadt, die 146 v. Chr.
ebenso zerstört worden war wie Karthago als Symbol, dass die römische
Herrschaft keine Gegner duldet, 44 neu gründen als eine
Colonia
für seine
Veteranen. W äh ren d alles neu un d röm isch wird , scheint das Ensem ble der
kultischen Einrichtungen in der Mitte der Stadt dem äußeren Bild und den
N am en n ach eine W iederherstellung der griechischen He iligtümer zu sein
von der Bedeutung her aber eine römische Vereinnahinung).
30
Eine Ein
richtung für den Kaiserkult fand nicht wie in Athen seine Institution, wo
das Tempelchen für Roma et Augustus klein aber unübersehbar auf der
Akropolis plaziert wurde, auf der Agora ein Kaisareion stand
31
und ein
Vestakult eingerichtet wurde.
32
In Korinth in der neuen Basilica begegnen
alltäglich Statuen der kaiserlichen Familie, die aber nicht sakral aufgestellt
sind.
33
In einer anderen Arbeit habe ich plausibel zu machen versucht, dass
der erste neue Tempel in der römischen Kolonie den Kult der Stadtgöttin
Aphrodite aufnimmt, zugleich aber dem Kaiserkult insofern dient, als er
einen Kult der besonderen Schutzgöttin der julisch-claudischen Kaiser
familie darstellt, den Kult der Venus Genetrix. Eine M ünzem ission der
Duumvirn von Korinth zeigt einen hexastylen Podiumstempel mit der
Inschrift auf dem Arcbitrav G E N T I I U L I A E .
3 4
Als These daraus formuliert:
Die römischen Bürger von Korinth sind in ihrer Aufnahme des Kaiser
kultes durchaus nicht so zurückhaltend, wie der erste Anschein vermuten
lässt. Kaiserkult erscheint unter einem anderen Namen. Zudem scheint
mir eine These von Mary Hoskins Walbank gut begründet zu sein: Wenn
man über die Straße vom Lechaion-Hafen die Stadt betrat, richtete die
Straße den Blick auf eine große Statue auf dem
Forum/Agora:
Erhalten
sind Reste der Basis, einer Bank von drei Metern im Quadrat, auf der eine
runde Trommel die Standfläche in etwa zweieinhalb Metern Höhe für eine
Kolossalstatue bot. Die Weihung gilt dem vergöttl ichten Augustus von
30
AHFFARTH
2QQ2.
31
H O F F
1994. Guter Überblick bei
KANTIRIA
2001.
32
KAJAVA 2001.
33
Exzellent HOSKINS
1996;
HOSKINS 1989. BÖSCHUNG
2002,
64-66.
34
AMANDRY mit einem Datum 32/34 n. Chr,, verteidigt bei HOSKINS 1996, 204;
213, die die Emission in Verbindung bringt mit den Jubiläen für den zwanzigsten
Todestag des Augustus/Regierungsantritt des Tiberius; sechzigstes Jahr der
res
pu-
lic restituta
und fünfzigstes der
ludi saeadares.
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94
Christoph Auffarth
den Augustalen: [divo A]vGvs[to]
SACRVM
[avJGvsTALES.
35
Diese Statue
fängt den Blick und leitet ihn weiter nach Westen in Richtung auf den
einzig neuen römischen Tempel E. Wie wäre die Statue zu bezeichnen?
Eine Kultstatue wohl nicht, dazu fehlt eine Abgrenzung; die Bank zeigt
häufige Benutzung. Doch lässt sich an Kalenderfesten der Kaiserfahulie
mit temporären Ku lteinrichtungen w ie Tragaltar, und Weihrauchständern
denken. Mit dem Won
SACRVM
ist die Statue auch kein »Denkmal«. Die
Umlenkung der Blickrichtung
36
verweist auf den neuen Tempel, der zur
Zeit des Paulus also gerade erst acht Jahre gebaut war. Lange Zeit hatten
die römischen Siedler ohne einen Tempel, einen eigentlich »römischen«
Tempel gelebt. Die junge christliche Gemeinde würde nie einen Tempel
haben.
37
Gemeinsam konnten die Menschen dieser Epoche, ob römische
Herren oder christliche Untertanen, sich darauf berufen, dass es nicht auf
das Gebäude oder den materiellen Aufwand für den Kult ankam, sondern
dass das Haus Gottes im Herzen der Menschen sei: die heilige Gemein
schaft sei der Tempel Gottes. Das greift griechische Ideen von der Ethi-
sierung der Religion auf, ob bei Seneca ep.mor 41 oder Paulus 1 Kor 3,
16 f.
38
Der Kaiserkult war in Korinth eher dezent, aber dennoch prominent.
Nero in Korinth
Ein Ereignis in Korinth zeigt wieder die Ambiguität von herrscherlicher
Freigiebigkeit und Verpflichtung zu kultischer Verehrung. Kaiser Nero
3 9
hält in Korinth im N ove m be r 67 eine R ede , die in der Inschrift v on Akrai-
phiai in Boiotien dokumentiert ist:
40
35
Corinth VIII3 , N r.
5 Kent); das
Monum ent Corinth I 3,142-143 Scranton).
HOSKINS 1996, 210 f.
36
Grundsätzlich methodisch
CAKCIK
1985/86.
3 7
LANCI 1997.
38
U.
BÖRSE:
va6q. EWNT 2 1981), 1122-1126 mit weiteren Parallelen.
39
TAEGER
1957/1960, 2, 303-320.
JONES
1980, 1029-1032. Zur Reise des Nero
nach Griechenland s.
HALFMANN
1986, 173-177.
40
ILS 8794 = SIG
3
814 = Smallwood Doc 64. M.
HOIXEAUX
1888 ; 1889.
DEISS-
MANN
1908)
1923, 301 mit Anm. 8. O UV ER 1971 GAIXIVAN 1973. PRICE 1984, 82 f.
GRIFFEN
1984, 208-220.
BERGMANN,
1998, Text und Übersetzung 140-144; dazu
gehörige M ünzen für
Nero liberator
202-206.
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Herrscherkult und Christuskult
Α υτοκρά τω ρ Κ αίσ αρ λέγει: «Τ ής εις με εύνοι
α ς τε κα ι ευσ έβειας άμ είψ ασ θα ι θέλω ν τη ν εύγε-
νεσ τά την Ε λλ ά δα κελεύω πλείσ τους κα θ' δ[σ]ο[ν]
ενδέχεται έκ ταύτης τής έπαρχείας παρΐναι
ις Κ όρινθον τη πρ ο τεσ σ άρ ω ν καλα νδώ ν Δ ε
κεμβρίω ν»,
Σ υνελθόντω ν τω ν δχλω ν εν εκκλη σ ία προσ εφ ώ -
νησεν τα υπογεγραμμένα·
«Ά προσ δόκη τον ύμ εϊν, άνδρες Έ λλη νες, δω ρεάν,
10 ει κα ι μηδέν πα ρά τής έμής μεγοΛ οφ ροσύνης
άνέλπιστον, χαρ ίζομ αι, τοσ αύτην δσ ην όύκ έχω ρή -
σ ατε αίτείσ θα ι. Π άντες οί την Ά χα ία ν και τήν £ω ς
νύν Π ελοπόννησον κατοικούντες Έ λλη νες
λάβετ' έλευθερίαν άνισ φ ορίαν η ν ούδ' εν ,τοίς εύτυ-
χεστάτοις υμώ ν πάντες χρόνοις εσχετε·
ή γαρ άλλοτρίοις ή άλλήλοις έδουλεύσατε.
Ε ίθε μεν ούν ά κμ αζούσ ης τής Ε λλάδος πα ρειχό-
μην ταύτην τήν δω ρεάν, ϊνα μου πλείονες άπ ολ-
αύω σ ι τής χάριτος* διό κ αι μέμφ ομ αι τον α ιώ να
20 πρ οδαπα νήσ αντά μ ου το μέγεθος τής χάριτος.
Κ αι νύν δε ού δι* έλεον υμ άς, ά λλ α δι εΰνοιαν ευερ
γετώ , αμ είβο μαι δε τους θεούς υμ ώ ν, ώ ν και δια
γης και διά θα λά ττης αίεί μου προνοουμένω ν πε-
πείραμ αι, ότι μοι τηλικα ύτα εύεργετεϊν παρέσχον.
Π όλεις μεν γάρ κα ι άλλοι ήλευθέρω σαν ηγεμόνες,
[Ν έρω ν δε μόνος κα ]ί έπαρχείαν».
Ό άρχιερεύς τω ν Σεβαστώ ν διά β ίου και Ν έρω νος
Κ λαυδίου Κ αίσα ρος Σ εβασ τού Ε παμ εινώ νδας
Έ πα μεινώ νδου είπεν· προβεβουλευμένον έαυ-
30 τφ είναι προς τε τήν βουλήν κα ι τον δή μ ον
έπιδή ό τού π αντός κόσ μου κύρ ιος Ν έρω ν αυτο
κράτω ρ μέγιστος, δη μ αρχικής εξου σ ίας το τρις
και δέκατον αποδεδειγμένος, πατήρ πατρίδος,
νέος 'Ή λιος έπιλά μ ψ ας τοις Έ λλ ησ ιν, προειρημέ-
νος εύεργετεϊν τήν Ε λλά δα , αμειβόμ ενος δε
κα ι ευσεβώ ν τους θεούς ημ ώ ν πα ρισ τανομένους
α ύτφ πά ντοτε έπι πρό νοια κα ι σ ω τήριο; τή
ν
άπο
παντός τού αιώ νος αύθιγενή κα ι αυτόχθονα έλευ
θερίαν πρότερον άφ αιρεθεΐσαν τώ ν Ε λλήνω ν έίς
40 κα ι μόνος τώ ν α π ' αιώ νος αυτοκράτω ρ μέγιστος
φ ιλέλλην γενόμενος [Ν έρω ν] Ζ ευς Ε λευθέριος έδω -
κεν, έχαρίσατο, άποκατέστησεν εις τήν αρχαιό
τητα της αυτονομίας και ελευθερίας προσθείς
τή μεγάλη κα ι άπροσ δοκήτω δω ρεφ κα ι άνεισφ ο-
ρίαν, η ν ουδείς τώ ν πρότερον Σ εβαστώ ν όλοτελή
έδω κεν· δι* δή πάντα δεδογμένον είναι τοις τε άρ-
χουσ ι και συνέδροις κα ι τφ δήμ ω κα θιερώ σαι μεν κα
τά το πα ρόν τον προ ς τφ Δ ιί τφ Σ ω τήρι βω μόν, έπι-
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96
Christoph Auffarth
γράφ οντας* Δ ιϊ Έ λευθερίφ [Ν έρω ν]ι εις αίΦ να, κοα.άτάλμ α-
50 τα εν τφ να φ τσϋ Α πόλλω νος τού Π τω ιου ουνκαθει-
δρύοντας τοχς [ή μον] 7υατρίοις θεοις [Ν έρω νος] Δ ιός
'Ε λευθερίου κοά θεάς Σ εβαστής [Μ εσσ αλίνης? ϊνα
τού τω ν οΰτο>ς τελεσθέντω ν κ αι ή ημ ετέρα πόλις
φοάνηται ΐί σ α ν τειμ ή ν κα ι ε-ύσέβειαν έκπεπλη ρω -
κυΐα εις τον τοϋ κυρ ίου Σ εβα σ τοί [Ν έρω νος οίκον] ,
είναι δε έν αναγραφ ή τδ ψ ή φ ισ μ α π α ρ ά τε τφ Δ ύ τφ Σ ω -
τήρι έν τϋ ά γορό; έν σ τήλη κοα έν τφ Ιερφ του 'Α 7υόλλο>
νος τοΟ Π τω ΐου,
Neros
vangelium
für die Griechen
Edikt
des Imperator Caesar: In dieser Absicht, dem edlen Hellas das mir erwiesene
Wohlwollen und die Pietas(?) zu erwidern, wünsche ich, daß so viele Angehörige
dieser Provinz wie möglich am 27. November nach Koiinth kommen.
Als die Menge sich versammelt hatte, hielt er [Kaiser Nero] die folgende Rede:
»Ein unerwartetes, wenn auch von meiner Großherzigkeit durchaus nicht uner-
hoffbares Geschenk, Männer von Griechenland, mache ich euch, so groß, dass ihr
es nicht zu erbitten wagtet. Ihr Griechen alle, die ihr Achaia und die bisher so
genannte Peloponnes bewolint, empfangt Freiheit und Steuerbefreiung, die ibr alle
auch in euren glücklichsten Zeiten niemals besessen habt: denn ihr war: immer
untenan, sei
s
gegenüber
Fremden,
sei es untereinander. Wie gern w ürde ich dieses
Geschenk in einer Zeit der Blüte Hellas anbieten, damit noch mehr Menschen
meine Gnade genössen Daher tadle ich auch die Zeit, die die Größe meiner Gnade
vorzeitig beeinträchtigt hat. Aber auch jetzt bin ich nicht aus Mitleid euer Wohl
täter, sondern aus Woblgesonnenheit, auch als Dank gegen eure Götter, von denen
ich zu Lande und zu Wasser stets Fürsorge erfahren habe, daß sie mir die Möglich
keit gegeben haben, in diesem Maße wohltätig zu sein. Denn andere Herrscher
haben Städten die Freiheit gegeben, allein Nero jedoch einer ganzen Provinz«.
Der lebenslange Oberpriester der Augusti und des Nero Claudius Caesar Augus
tus, Epameinondas, Sohn des Epameinondas, sprach: Er habe für den Rat und die
Volksversammlung folgende Bescblussvorlage vorbereitet:
Weil der Herr der ganzen Welt, Nero Imperator Maximus, designiert [sie] zur
13.
tribunicia potestas pater patriae der den Griechen als neue Sonne erstrahlt,
beschlossen hat, Hellas eine Wohltat zu erweisen, in Erwiderung [der Wohltaten]
und in Verehrung, unserer Götter, die ihm immer mit Fürsorge und Schutz zur Seite
gestanden haben, und die seit Ewigkeiten ureigene und autochthone Freiheit, die
zuvor den Hellenen entrissen worden war, er, der eine und einzige seit Ewigkeit,
der größte Imperator und Philhellene, Ne ro Zeus Eleutherios, gegeben, geschenkt,
nein, wiederhergestellt hat in den alten Zustand der Autonomie und Freiheit und
dem großen und unerwarteten Geschenk auch die Steuerfreiheit zugefügt hat, die
keiner der früheren Augusti vollständig gewährt hat:
Deshalb haben Magistrate, Rat und Volk beschlossen» den gegenwärtig dem Zeus
Soter geweihten Altar (um-)zuweihen durch die Inschrift: >Dem Zeus Eleutherios
Nero in Ewigkeit< und im Tempel des Apollon Ptoios zusammen mit den Bildnis
sen unserer heimischen Götter KuJxbilder des Nero Zeus Eleutherios und der Dea
Augusta [Messalina?] zu errichten, damit durch diese Einrichtung auch unsere Po-
lis dem H aus des He rrn Nero Augustus jede Ebre un d Pietas erweise.
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Herrscherkult und Christuskult
297
Dieser Beschluß soll in der Agora auf einer Stele beim Zeus Soter und im Heilig
tum des Apollon Ptoios aufgezeichnet werden.
Die Inschrift enthält folgende Elemente:
Ankündigung des Kaisers, dass er an einem besrimmten Datum den Griechen ein
Geschenk machen wolle.
Die Rede Neros auf der Versammlung in Korinth (Zeile 10-26).
Anrede.
Das angekündigte Geschenk: die Freiheit und Steuerbefreiung.
Das Geschenk ist nicht aus Mitleid, sondern a ls Gegengabe dafür anzusehen, dass
Eure griechischen Götter mit ihrer
Providentia
mir, Nero, die Möglichkeit ge
geben haben, die gesamte Provinz zu befreien.
Der O berpriester der Augusri und des Nero, Epameinondas f. Epameinondae stell
te darauf folgenden An trag (Zeile
27-53):
In Anerkenntnis der Gabe des Kaisers,
die er aus Gnade den Menschen, aus Dank den Göttern erweist, möge die Ver
sammlung beschließen, einen Altar zu errichten für Zeus, den Retter/Heiland.
Auf der Weihinschrift soll stehen: Für Zeus Eleutherios Neron auf immer. "Wei
ter sollen Bilder in den Tempel des boiotischen Zentralgottes Apollon Ptoios
gestellt werden neben die traditionellen griechischen Götter: des Zeus Eleuthe
rios Neron und der Göttin Augusta Messalina.
Die Einlösung der Ehre
undpietas
(53-57) in Fo rm der Aufstellung des Altars und
der Bilder soll dokumentiert werden in zwei Inschriften auf der Agora und im
Heiligtum des Apollon Ptoios.
D e r Ka iser ha tte, verm utlich bei den O lym pisch en Spielen (Juli/Aug ust)
des gleichen Jahres, die Ankündigung veröffentl icht und zur Versamm
lung eingeladen. Dass er dazu (gegen die übliche Terminiemng) eine Son-
derv eran staltung de r Isthm ien organisieren ließ, w ar als An spielung auf die
erste »Befreiung Griechenlands« durch einen Römer gedacht, nämlich die
des Titus Flam ininus 196 v. Ch r., jedenfalls erinne rn Sueton
41
und P lu t -
arch
42
daran. Die Rede lässt in ihren rhythmischen Klauseln das rhetori
sche Können des Kaisers aufblitzen,
43
ist also wohl Wortlaut des zentralen
41
Zuvor schon auf Rhodos, der Insel des Helios, auf N ero angewendet i j . 53
AnthoLPal 9. 178.
BERGMANN,
Strahlen 1998 hat dazu
s S
142 im Register keinen
Beleg (außer dem für Caligula S. 127) obwohl er in der Akraiphiai-Inschrift so
genannt wird (Bergmann übersetzt »als neue Sonne«) und in einer Inschrift aus
Sagalassos in Pamphylien IGR III 345 = Smallwood Docs 146 vorkom mt. Rhodos
208-210.
42
Sueton, Nero 24: ecedens deinde provinciam
universam libertate donavit si-
mulque
iudices
civitate Rom ana et
pecunia
grandi. Quae benefida e medio stadio
Istbniorum die sua ipsa voce pronuntiavit. Dazu KIERTORP 1992, 93.
43
Plutarch, Tirus Flaimninus 12,13 sagt ebenfalls, dass Nero ebenso wie damals
Flarnininus in unmittelbarem Anschluss an die Isthmien die Griechen autonom und
frei gelassen habe. Nero habe das persönlich auf der Agora von der Bema/Rostra
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298
Christoph Auffarth
Passus. Von der kaiserlichen Kundgebung zu unterscheiden ist der Antrag
des griechischen Kaiserpriesters, der teils den kaiserlichen Anspruch zu
rücknimmt, in der Wirkung aber diesen noch übertrifft.
Einige Elemente seien im Blick auf den Vergleich zum Chxistuskult
aufgegriffen:
1) Die Gnade Gottes wird indirekt vermittelt durch den Kaiser: Das G e
schenk ist nicht zu erwarten oder gar selbstverständlich, nicht als Ge
gengabe zu einer Leistung, die die Menschen/Griechen dem Kaiser
erwiesen hätten. Eine Gegengabe α μ ε ί β ο μ α ι , also Reziprozität in der
Gabenökonoime, ist es gegenüber Gott, Nero sagt höflich: gegenüber
»euren« Göttern. Verlangen können es die Menschen nie. Nur emp
fangen.
2) Das Geschenk ist reine Charis.
3) Das Geschenk besteht in Entlassung aus der Sklaverei in die Freiheit
und Entbindung von der Zahlungspflicht.
4) Die Zeiten sind glücklicher als die glücklichsten Zeiten je. Sie sollen
andauernd sein α ι ώ ν ) .
5) Sie stellen eine Rettung dar: wie in einer Schlacht wider Erwarten
durch unsichtbares Eingreifen Gottes das Schicksal sich wendet.
6) A ls der eine und der einzige übertrifft Nero alles menschlich Mögliche:
Ε ϊ ς κ α ι μ ό ν ο ς .
7) Der menschJiche Retter erweist sich als Gott: und erhält Gottes Na
men Gleichsetzungs-Cbxistologie).
8) Die Institution einer Priesterschaft verstetigt die Verehrung des Gott
menschen.
2 3 Christen in der römischen Stadt Korinth
Etwa 16 Jahre vor diesem Ereignis hielt sich Paulus in Korinth auf
44
A b -
gewiesen v on der jüdischen Synagogengemeinde richtet er einen Hauskult
ein, eine Mahlgemeinschaft mit einem »Opfer«, dessen Empfänger ein ver-
göttlichter Mensch ist. In seinen Briefen auf die Fragen der Gemeinde
zeigt sich, w ie die Praxis des Kultes Religionssemantik), die Lebensfüh
rung Religionspragmatik; jüdisch gesprochen die Halacha) noch keine
feste Form erhalten haben. Paulus macht es den Christen in Korinth mög-
herunter erklärt vor der versammelten Menge sprechend. Plutarchi Vitae parallelae
III 2).
44
WILAMOWITZ im Lesebuch II 2
3
1909),
58
f. zensiert den wohl doch nicht
kaiserlichen) Verfasser, hier dürfe nicht έ κ χ χ ρ χ ε Ο α stehen, sonst wurde die Klausel
zerstört, spater rügt er einen falschen Konjunktiv.
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Herrscherkult und Christuskuk
299
lieh, in der städtischen Gesellschaft zu leben und nicht »aus der Welt
auszuwandern« (1 Kor 6,10). Der Kontakt mit >Götzendienern< ist ebenso
unvermeidlich wie Teilnahme an Religion. Denn Polytheismus ist Teil der
städtischen Öffentlichkeit, dem man nicht ausweichen kann. Das gelingt,
indem Paulus Religion neu definiert. Große Teile des alltäglichen Poly
theismus werden als nicht zur Religion der Christen gehörig ausgegliedert.
Sie haben keine religiöse Bedeutung mehr für d ie Christen. Es gelten kaum
Regeln der Lebensführung, wenn sie nur nicht den wenigen Grundprin
zipien der Religionssystematik widersprechen.
Von Paulus haben wir die früheste Bezeugung des zentralen Rituals des
Abendmahls und der Taufe, die frühesten Glaubensbekenntnisse für den
Christuskult. Der Kaiserkult kommt dort nicht vor. Es ist zwar überzo
gen, wenn Richard Rothaus die Differenzierung zwischen Christen und
Heiden erst in der Phase der Monumentalisierung des christlichen Kultes
nach Konstantin zu einer fest definierten Grenze kommen Iässt.
45
Denn
der »harte« Kaiserkult forderte wohl - zeitlich und lokal begrenzt - zu
solchen Abgrenzungen auf. Aber das Leben der Christen in der polythe
istisch strukturierten Stadtgesellschaft wie Korinth war (nicht durch
»Kompromisse« ) nur durch die Neudefinition dessen möglich, was für
Christen Religion sei. In diesem formativen Prozess des Christentums sind
die innovativen Elemente methodisch von zentraler Bedeutung, dort wo
der theologisch gebildete Jude Paulus die jüdische religiöse Tradition ver
lassen mus& Wo er für die Christologie in der Ebene unter den philoso
phisch abgeklärten, aber für die Religionspraxis unbrauchbaren Begriff des
obersten oder einzigen Gottes kultisch brauchbare Fonnen sucht. Dort ist
der Rückgriff auf die Denkfonnen, Sprache, kultischen Titel, rituellen
Fo nn en der praktizierten Religion, d. h. der polytheistischen »Sprache« zu
untersuchen. Dabei wird der Abschnitt über die Mächte, auch eine Aus
einandersetzung mit der Ordnungsmacht Rom, in 1 Kor 6, 1-8 bedeut
sam.
4
*
45
MURPHY-O'CONNOR
1996, 28 dauert April 50 bis September
5 n Chr
Mit
Gespür auch für religionswissenschaftliche Fragestellungen die Kapitel über Ko
rinth 252-322.
46
ROTHAUS
2000, 93-104 Christiamzing the city.
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3
Christoph Auffarth
ottestitel für Nero im Vergleich zu cbristologiscben Titeln
Die Zahlen der letzten Spalte geben die Häufigkeit dieser Wörter im NT an, die der anderen
Spalten die Zeilen der Inschrift.
Religiöses Verhalten
Ε ύερτετεΐν
αμ είβομ αι
Χ άρ ις
Δωρεά
Μ εγαλοφροσύνη
Ε υτυχία
Α ιώ ν
Ε υσ έβεια
Ε ύνοια
Π ρόνοια
Σ ω τηρία
Ε λευθερία
Ζ ευς ελευθέριος
Κ ύριος του κόσ μου
Ν έος ή λιος
Ε ϊς κ α ι μ όνο ς
Ά ρχιερεύς Priester
Menschen
Nicht menschlich: 14
2
54 gegenüber Neros .
Familie
οίκος)
2
16 έδουλευσατε
Nero
Götter
21 22
24
35
22 .
35 23
11
12
19
20
nicht έλεος
43
18
44
10
40
49
36
21
7
4 7
37
Der Altar
des
Zeus
oter wird Nero ge-
widmet 48
25f.: Nero tut mehr,
als Herrscher können
38
43
41
49
51
31
3 4
4 8
26
39 £
27
Im NT
4x
-
147x
33x
115x
21x
2x
3x
69x ohne
σ φ ζειν
37x sowie
ösegeld
Sklaverei
häufig
7x, z.B.
Mt
17,
2
häufig
v a Hebr.
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Herrscherkult und Christuskult
301
3 Kult der Kaiser und Kult des Christus
3 1 Anrede
Um mit einer Gottheit kommunizieren zu können, ist es nicht nur höchst
bedeutsam, ihren Namen zu kennen, sondern auch Anrede und Titel zu
wissen und in der korrekten Form zu verwenden.
49
D avo n strikt zu unterscheiden ist die Ablehnun g der Juden, den Na m en
Gottes zu gebrauchen. Um auch nicht aus Versehen den Namen Gottes zu
missbrauchen, sprechen die Juden anstelle des Gottesnamens, auch wenn
er in heiligen Schriften notiert als Tetragramm
JHWH
geschrieben steht,
grundsätzlich den Titel »Herr« Adonaj. Ein besonderes Problem stellt
dabei die reiche magische Praxis dar, die insbesondere im Judentum Pa
lästinas nach dem Untergang des Zweiten Tempels zum Vorschein
kommt.
50
In der Entwicklung der Vergöttlichung des Jesus zum Christus ist der
Aufbau einer Nomenklatur ein wichtiger Schritt. Von der Anrede Rabbi
und Rabbuni oder Meister didaskale hebt sich ab, wenn Jesus mit Titeln
angesprochen wird, die keinem Menschen zukommen. Ob die Verwen
dung dieser Titel immer schon heißt, dass das entsprechende Wort erst
»nach Ostern gebildet« wurde, ist eine These und Methode der dialekti
schen Theologie. Hoheitstitel wären demnach von der Gemeinde dem be
reits vergöttlichten Christus nachträglich in die Ü berlieferung über* sein
Leben eingefügt worden: Die großen Titel, die Ferdinand Hahn in dem
Standardwerk bearbeitet hat,
51
sind neben »dem Menschensohn« der Titel
des »Kyrios«, »Christos«, »Davidsohn«, »Gottessohn«. Die neueren Ar
beite n waren in der Tendenz der Th ese gew idmet, die Ge nese der Titel aus
dem Wirken Jesu oder gar aus seinem »Selbstverständnis« abzuleiten, d. h.
«ine jüdische Tradition zu rekonstruieren. Die zeitgenössischen Quellen
der Essener vom Toten Meer haben seit ihrer Entdeckung und langwieri
gen Bearbeitung die Perspektiven der Forschung weitgehend absorbiert
und das zu Recht. Neben die diachronen Perspektiven vom vorhelleni
stischen Judentum zum rabbinischen Judentum als Verständnishorizont
47
Pronoia/
Providentia
bes. auf alexandrinischer Münze d.J. 56/57 bis 59/60
BERGKANN
1998, 157-164 mit einer Besprechung der These von J.-P.
MARTIN,
Providentia 158 ff.) »Fürsorge für Ägypten«.
4 3
W EN GS T1 986 , 97f. .
49
GLADIGOV 1202 1238.
50
H.-J.
BECKER: in: P. SCHÄFER
Hrsg.): 2002,
i.
Dr.
51
HAHN
1963; die fünfte Auflage, im Text nahezu unverändert, enthält eine Aus
einandersetzung mit der Forschung S.443-488.
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3 2
Christoph Auffarth
einer der jüdischen Reformgruppen des 1. Jh. IL Ζ erschließt sich in ihnen
synch ron das zeitgenössische Judentum , oder besser eines der Judentümer,
sowohl in den Schriften der Essener wie in der Erarbeitung des Jerusale-
mef Talmuds.
Demgegenüber ist die Frage fast abhanden gekommen, wie sich die
Hoheitstitel für den Christus zu den Hoheitstiteln für den Caesar verhal
ten, mehr noch: wie Modelle der Göttlichkeit von Menschen eine Sprache
der m ythologische n Erzählung und der bildlichen Darstellung finden, dar
unter
- die Himm elfahrt;
52
- das sidus Iulium und die mikro-makrokosmische Beziehung von Herr
scher und. Stern.
Ad olf Deissmann hatte für die Sprache n och d ie Breite der Titel als grund
legend angesehen, die die religiöse Sprache der Zeit zur Verfügung hat.
53
Er nannte:
-
Θ ε ό ς ,
- θ ε ο Ό υ ι ό ς ,
- κ ύ ρ ι ο ς ,
54
- β α σ ι λ ε ύ ς ,
5 5
ε ξ ο υ σ ί α , κ ρ ά τ ο ς , δ ύ ν α μ ι ς , δ ό ξ α
- σ ω τ ή ρ τ ο Ό κ ό σ μ ο υ ) ,
5 6
- ά ρ χ ι ε ρ ε ύ ς ,
5 7
- ε ύ α γ ^ έ λ ι ο ν ,
58
- π α ρ ο υ σ ί α ; ε π ι φ ά ν ε ι α
5 9
Dabei hat doch Martin Hengel zeigen können, wie massiv das Judentum
auch in Palästina bereits hellenistisch durchtränkt war. Die Ausgrabungen
52
BOHNET 2002.
53
DEISSMANN 1923: Christus und die Caesaren: die Parallelität der technischen
Sprache des Christus- und des Cäsarenkultes, 287-324. Etwa gleichzeitig die
grundlegende Arbeit des Latinisten EDUARD NORDEN 1913.
54
DEISSMANN 1923,298-310 m it wichtigen Beobachtungen, dass
im
Westen zwar
erst mit dem »Dominat« dieser Titel für die Kaiser zur Standardanrede wird, im
Osten aber schon viel früher vorhanden ist, bes. für Nero in Ägypten.
55
DEISSMANN 1923, 310-311.
56
DEISSMANN 1923,311-312.
Johannes Ev
4,42;
Joh 4 ,14.
Zum
Fest
der oteria
in Delphi als Initialzündung für eine Rettung und Epiphanie und ihre Rezeption in
Augusteischer Klassik, s.
AUEFAKTH
1990; die Aufnahme in den hellenistischen
Herrscherkult dokumentiert die Inschrift aus Chios ABSA 77 1982), 79-82;
S. PRICE 1984, 41.
57
DEISSMANN 1923, 312.
5S
DEISSMANN
1923, 313;
3 6
f. mit der Kalender-Inschrift aus Priene 9 n.Chr.)
OGIS 458.
59
DEISSMANN 1923, 314-321.
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Herrscherkult und Christuskult
3 3
in Israel haben das Mal tun Mal bestärkt. Die Monographie von Belayche
üb er Judaea n ach den Aufständen lässt deutlich we rden , dass sich die E po
che des jüdisch en Krieges un d des Bar Kochba-A ufStands exzeptionell
heraushebt. Für den »Sohn Gottes« ist deutlich geworden, wie das he
bräische Wort »Sohn« noch Berufung und Beruf bezeichnen kann und
dieses nicht naturalistische Modell in den ältesten Evangelien in der Taufe
auch dargestell t ist , während sich die mythologische Metapher der über
natürlichen Zeugung bei Lukas an dessen Stelle drängt. Sowohl in der
Geburtsgeschichte des Augustus, diejenige Alexanders des Großen imitie
rend, wie in der Jesu ist das deutlich, beide sind nachträglich angefügt.
60
Kultisch bedeutsam aber ist, dass der Gottestitel auf den Kaiser wie auf
den Christus übertragen wird. In der hellenistischen Anthropomorphie
nicht so aufregend wie in der jüdischen Tabuisierung des Gottes-Namens.
Hen gel denk t sich eine geradlinige En tsteh un g aus Psalm 11 0,1 und Pro v.
8, 22), ohne dass Mysterienreligionen eine Bedeutung gehabt hätten. Der
blo ße Titel Ktipioq absolut, nich t m it Genetiv) für G o tt sei eigentlich
nicht griechisch,
61
eher entspreche er dem syrischen baai
62
Aber doch: In
den frühen Belegen für die griechische Übersetzung der Thora findet sich
als ketiv für den Gottesnam en noch das Tetragramm J H W H .
6 3
Tertullian
will dominus lieber auf den religiösen Bereich des Gottestitels beschrän
ken, gibt diese Ehre aber dennoch den Kaisern: Augustus imperii forma-
tor ne dominum quidem did se volebat. E t hoc enim dei est cognomen.
dicam plane imperatoren dom inum sed more comm unis sed quando non
cogor ut dominum dei vice
dicamf
D e r Beleg aus Ph ilo zeigt obe n 1.3
§ 5), wie umstrit ten dieser Titel war, wenigstens in Rom.
6 0
HE NG EL 1975. AUFFAKTH 1998.
61
Die Untersuchung müsste noch feiner vorgehen. W. BUKKERT
1996.
Die Belege
für etwa Asklepios sind nicht unbedeutend.
62
HENGEL 1975, 120-130; zu den Mysterienreligionen die Beleg-Sammlung von
FOERSTER, ThWNT 3, 1038-1056. Dort 1054 »Es gibt keine Stelle, wo ein auf
den Kaiser angewandtes Kupto«; für sich allein den Kaiser als Gott bezeichnet
Wenn der Kaiser nicht als Gotc KÜptog ist, so kann er als KÖpiot; Gott sein... [es
folgen Belege]«;
63
So J. A.
FITZMEYER,
EW KT 2 1981), 815 die Belege für Küpio«; als G ott, 816
die LXX hat Kupioq erst in christlichen Handschriften des 4. und
5.
Jh.s; Kupio«;
auf
Jesus,
den nachösterlichen
Jesus,
übertragen 817.
64
Apologeäcum 34, 1. C .B EC KER übersetzt »Augustus, der Gestalter des Impe
riums, wollte nicht einmal >Herr< genannt werden. Denn das ist ein Beiname Got
tes.
Ich könnte allerdings den Kaiser >Herr< nennen, aber nur im allgemein üblichen
Sinne; nur wenn ich nicht gezwungen werde, ihn H err an Gottes Statt zu nennen.«
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3 4
Christoph Auffarth
3.2 Die Einzigkeit Gottes
Die Nero-Inschrift zeigt an einer Stelle eine für unsere Fragestellung ent
scheidende Aussage über die Exklusivität, die mit einer Aussage im 1 Kor
interferiert: Die Aussage von der »Einzigkeit«: Zeile 26 wird unterschie
den zwischen den vielen Herren, die schon einmal Freiheit geschenkt ha
ben und der Einzigartigkeit des Nero, der alleine in der Lage ist, eine
gan ze Provinz z u befreien. In der Antwortrede des Priesters 39 f. wir d das
verstärkt durch »Dieser Eine und er allein« (Sic;
KOa \\6voq).
Paulus im 1 Kor hat eine ähnliche Aussage in bezug auf den Christus
getroffen: »Denn wenn auch Götter angesprochen
65
werden, sei es im
Himmel oder auf Erden, wie es ja wirklich viele Götter und viele Herren
gibt, so ist es für uns (nur der eine Gott, der Vater, aus dem alles ist und
wir zu ihm, und der eine Herr, Jesus Christus, durch den alles ist und wir
durch ihn« (1 Kor 8, 1-6, hier 5 f.).
66
In beiden Fällen steht die Aussage
der Einzigkeit im Bewusstsein, dass es auch andere Herren gibt, die den
An spru ch erheben könn ten, aber dank des M achtbew eises hat sich gezeigt,
dass die Macht des Herrn Je sus /N ero ihn als einzig erweist. U n d während
es in Neros Redeteil noch um eine weltliche Rivalität geht, hat der Priester
durch die Gleichsetzungschristologie das (sie;
KOCI
juövoq) die Identität des
Menschen Nero mit dem Gott Zeus Eleutherios aussagen können. Paulus
hatte die Aussage durch einen entsprechenden Syllogismus erreicht: Es
gibt andere Götter, aber nur einen Gott für uns; es gibt andere Herren,
aber für uns nur den einen Herrn, der als Sohn die göttliche Autorität
repräsentiert. Das kyrios ist der
Begriff
der menschliche Herrscher und
göttliche Macht in einem Wort aussagen kann.
Die religionsgeschichtliche Untersuchung der »Tradition« dieser Aus
sage erschrickt über die Aussage des Paulus. Denn man erwartet von Pau
lus und der frühchristlichen Mission anderes: die Aussage des Monothe
ismus. Es gibt nur den einen, lebendigen Gott. Paulus verwendet aber
nicht einfach die Nichtigkeitsaussage zum Polytheismus, der die Exklu
sivitätsaussagen zum sog. Monotheismus jüdischer Gottesprädikte aus
zeichnet.
67
Wie Paulus in der Frage des Genusses von Fleisch die Existenz
65
Gewöhnlich wird teryou^vot9eoi übersetzt »sogenannte Götter«. Aber in dem
Kontext ist das »angeblich, in Wirklichkeit aber nicht« durch den folgenden Satz
»in Wirklichkeit gibt es« unwahrscheinlich. Ich verwende also die Bedeutung bei
LSJs.v. X€ryö>ni4.
66
SCHRÄGE
1995, 215-251.
WOLFF
1996.
KLUMBIES
1992, 128-131; 148-153.
67
Die notwendigen Differenzierungen bei Stob 1996 seien vorausgesetzt. Leider
gibt es keinen Nachfolger für die umfassende Untersuchung von
PETERSON
1926.
Die Arbeit von
KLUMBIES
1992 untersucht nur die zeitgenössischen jüdischen
Theologen als Vergleichsmaterial zu Paulus.
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Herrscherkult und Chiistuskult
3 5
anderer G ötter toleriert für d ie Religionspragmatik und- nur we nn aus
drücklich d ie Religionssystematik in Frage steht, den Status conf essionis
trifft, so auch in der Aussage der Einzigkeit: Für die Lebenswelt gilt der
Polytheismus als Wirklichkeit. Für die Kultgemeinde ist der Gott Ihr
Gott, allein und einzig. Im Kult der Isis ist diese »henotheistische« Zu
wendung besonders ausgeprägt.
68
Angelos Chaniotis, als großer Kenner der Epigraphik, hat auf einen Sitz
im Leben für die Formel hingewiesen.
69
si<; xai JLI.6VO<; komm t häufig vor,
wenn ein Sieger in einem Agon geehrt wird. Es gab viele Wettbewerber
alle mit ihrer Chance. Aber durch den Sieg ist der Gewinner einzigartig
geworden. Wenn Nero als großer Rennfahrer die Proklamation der Frei
heit bei eigens dafür organisierten Isthmien verkündet, dann ist dieser Sitz
im L eben gut nachzuvollzieheiL
70
Wenn Paulus die Formel benutzt, gerade
im Korintherbrief, so war ihm der Sitz im Lebe n m öglicherweise auch
geläufig; er verwendet ja auch sonst Metaphern aus dem Sport.
71
Es ist
jedenfalls keine theologisch-systematische Aussage, sondern aus der Re-
ligionspragmarik des städtischen Polytheismus zu verstehen: Übertrump
fung, nicht Exklusivität
Von Wortuntersuchungen muss der Weg zur Verwendung im Kult ge
hen.
Dort aber der praktizierte Kult und nicht (bzw. erst dann) theolo
gische Reflexion.
Mit der Frage nach der kultischen Verehrung sind wir an dem Punkt, an
dem die sprachliche Einkleidung in griechische Sprache und Metaphorik
nicht mehr einfach als die jüdische Traditionen, fortführend begriffen we r
den kann. Christlicher Kult stellt, so spitzt das Gerd Theißen zu, »Ta
bubrüche« dar, die Ekel bei Juden erregen. Die Taufe als symbolischer
Selbstmord, das Abendmahl als symbolischer Kanibalismus lassen sich
nicht aus jüdischer Tradition erklären.
72
Damit ist eine religionshistorisch
präzise Frage bestimmt, die über die alte, antikatholisch-protestantische
bzw. modernistische These hinausführt, der Kult oder die Sakramente,
68
VERSNEL
1990, 1-38.
AUTFARTH:
Henotheismus. HrwG 3, 1993,
1 4
f.
69
Diskussionsbeitrag nach dem Vortrag: Die Formel ist im agonischen Kontext
belegt. Beispiel
IG
VII2172, Zeile
24
(1.
Jh.
n. Chr.) =
CHANIOTIS
(in diesem Band)
Text 6.
70
Die Münzemission der Duoviri von Korinth aus der Zeit des Nero mehrfach
adventus
und
dlocutio
Caesaris; bei einem Typ ist Nero im Tempel der Victoria
dargestellt (20 A. 147). Sikyon prägt Münzen mit der, Umschrift NE[PON] KAI
ZEYE
EAEYOEHOX:
AMANDRY
1988, 14-26.
71
Bes. 1 Kor 9, 24-27, vgl.
G. DAUTZENBERG:
y v, EWKT s. v. 1(1980), 59-64.
Dort
6
f. auch zum Wortfeld.
72
THEISSEN
2000, 171-254.
8/19/2019 Hubert Cancik, Konrad Hitzl, Hrgs. (2003). Die Praxis Der Herrscherverehrung in Rom Und Seinen Provinzen. Tübin…
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306
Christoph Auffarth
griechisch
mysteriaP
insgesam t sei der grund legen de Sündenfall, in de m
sich die Kirche mit ihren Mittlern und als Mitt lerin zwischen den Gläu
bigen und seinen Gott schob/
4
Deissmann versuchte noch zu retten mit
der Unterscheidung des Christuskultes von der Christusmystik des Pau
lus.
75
33 Proskynese
Im griechisch-römischen Selbstverständnis ist das Ritual der Unterwer-
fung/Proskyn ese ein Zeichen orientalischer Tyrannei. N u r einem ko nn ten
die Griechen die Proskynese erweisen, den Göttern.
7 6
Noch Origenes ver
bietet eine Anbetung des Christus.
77
Die Gebete sollten an Gott gerichtet
sein, allenfalls im N am en C hri sti. Das ist als Interp retation sform el für da s
Neue Testament auch an vielen Stellen so zu verstehen. Aber es gibt auch
eindeutige Abweichungen, wo Christus die kultische Verehrung empfängt,
die Gott allein zusteht.
78
So bei der Him melfah rt Lk 52: N ach de m de r
auferstandene Christus in den Himmel aufgenommen worden war, heißt
es:
»Sie beteten ihn an 7CpocKUvf[CcevT£<; ocutov und kehrten zurück nach
Jerusalem m it großer Freude.« Die Unte rsuc hu ng der Stellen, an denen das
Wort TCpooKWStv für Christus verwendet wird,
79
ergibt zwei Gruppen,
73
ysteria
u -wc ip ia
ls
das kirchliche Wort für die »Sakramente« nach
KXAUCK
1995,
79f seit dem
4.
Jh. in dieser Bedeutung.
74
1907 verbot die Katholische Kirche in der Bulle
lamentabili
solche moderni
stischen Ketzereien und jeder Kleriker musste sich ab 1. Sept. 1910 mit einem Eid
verpflichten, solche die Kirche in Frage stellenden Behauptungen nie zu predigen:
DENZINGER, Enchiridion 1990, 3401-3466 lamentabili mit den zu verdammenden
Sätzen über die Sakramente und die Kirche 3440-57 und dem Eid Sacrorum
anti
stitum 3537-3550. Der Eid wurde erst nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil
1967 aufgehoben. Wesentlich richteten sich die Verdammungsurteile gegen Alfred
Loisy, I/fivangile et Tfiglise, Paris 1902. Zu Hamack und Loisy, der wie andere
Modernisten Hamack als Vorbild sah, s. WETCIAUFF 2001.
75
DEISSMANN 1923,327 »G rübelnd starrt die Cbristologie in das leere G rab; die
Christuskontemplation des Apostels Paulus blickt leuchtenden Auges in die Zu
kunft«, weiter oben »Cbristolatrie« und »Christusmystik«.
76
VERSNEL
1995 auf der Grundlage von
F.
T.
VAN STRATEN:
Did the Greeks
Kneel before their Gods? 1974).
77
Origenes, Il sp i suxflq 15, 1, zit. bei
LOHTCNK
176 A/l .
78
In der Apg. 10 ,25 f. des Lukas verbietet Petrus ausdrücklich, vor ihm nieder
zufallen, das gebühre Gotc allein. Oder die berühm te Szene, wo Paulus und Silas als
Götter in menschlicher Gestalt angebetet werden Apg. 14, 8-18. LOHFINK 164
sucht nach den Stellen, w o »eine wirkliche
Anbetung
im latreutischen Sinri, wie sie
nur Gott zukommt« nachzuweisen sei.
79
H O R S T 1932. H GREEVEN ThWNT 6, 759-767; vgl. 10, 1250.
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Herrscherkult und Christuskult
3 7
die der Evangelien sprechen retrospektiv von der Anbetung Christi als er
noch auf der Erde weilte, die der Offenbarung und Paulinen proleptisch
vom endzeitlichen Gottesdienst für Christus.
80
Lohfink kommt zu der
Auffassung, dass diese Proskyhese und die Hymnen wenn vielleicht auch
nicht direkt die Christolatrie wiedergeben, so doch dieses Ritual der (ei
niger) urchristlichen Gemeinden voraussetzen. Theologisch entschärft er:
»Die Proskynese vor dem erhöhten Christus (ist) letzten Endes keine iso
lierte Anbetung der Person Christi, sondern Anbetung des sich in Chri
stus offenbarenden Gottes. «
$1
Nur, das gilt eben auch im Wesentlichen für
die Formen des Kaiserkultes.
3A Das Opfer
Theißen macht »das Überschreiten von Tabuschwellen in den urchristli
chen Sakramenten«
82
an Taufe und Abendmahl fest. Sicher, es sind sym
bolische Handlungen, aber die mitgeführte Bedeutung, also die Deutungs-
gebung, muss sich in Denkbares einfügen, sonst sprengt die Reform den
bisherigen Rahmen, aus der innerjüdischen Reformbewegung wird durch
ein eigenes, neues Symbolsystem
83
der Schritt zu einer eigenen Religion
vollzogen, die die ake Religion zur negativen Identität aufbaut.
Das Ritual der Aufnahm e unter die Christen, die christliche Taufe, ist in
zweifacher Hinsicht auffällig. Einmal sind die Traditionsfäden in die jü
dische Tradition sehr dünn. Zum andern ist die berühmte Erzählung von
der Taufe Jesu und seine Erwählung zum Gottessohn eingeleitet mit dem
Hinweis, dass die Wassertaufe christlich ersetzt würde durch eine Geist
taufe. Das geschieht aber nicht: der Aufnahmeritus erfolgt in dem Was
serritus. Und als Deutung wird das Ritual noch dazu als Selbstmord dar
gestellt. Es gibt nur eine Form der religiös legitimen Selbsttötung,
kid
dusch ha schem?
A
Paulus nennt die Taufe Römer 6,1 ein »Begräbenwer-
den«. Ausgerechnet von dort, wo die Unreinheit das Leben bedroht, soll
das neue Leben der Ch risten seinen An fang nehmen D ie Hinrichtung am
Kreuz und das Vermodern im Grab, schlimmere Entehrung und Kata
strophe kann es nicht geben.
80
LOH HNK 1974.
81
LOHFINK 1974, 178.
82
THEISSEN 2000 186. .
83
THEISSEN 2000, 173-177.
84
AUFFARTH 2002b, 123-150 die Makkabaer. Aus der
Zeit Jesu
der Märtyrertod
des Rabbi Akiba, der mit dem Namen Gotces auf den Lippen
(bzw.
da der Name j a
nicht ausgesprochen werden darf dehnt er das ahad »ein einziger« so lange, bis er
sein Leben aushaucht): LOENHAKDT; OSTEN-SACKEN 1987, 40-65.
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3 8
Christoph Auffarth
Das Ende
des
Opfers ,
des
blutigen Opfers, müsste hier anschließen: eine
Identitätsaussage,
die für die
Entzauberung
und
Ethisierung
der
Religion
ein entscheidendes Datum darzustellen scheint, aber falsch
mit dem
C h r i
s tentum
und mit der
Zers törung
des
Jerusalemer Tempels
70 n. Chr. in
Zusammenhang gebracht wird.
85
Die
Christen hätten
die
Spiritualisierung
gewollt , die Jude n hät ten sie gezwungenermaßen aufgenommen. Das ist
falsch:
D e n n
irn
Juden tum
war die
Ablösung
des
blutigen Op fers we itgehend
schon
vor der
Ze rs törung
des
Tempels vollzogen.
Die
Kultzentral isat ion
in Jerusalem reduzierte
das
Opfe rn
von
Tieren
auf die
Wallfahrten
und
profanisierte/entsakralisierte
die
Tier tötung außerhalb Jerusalems
- mit
religiösen Regeln, aber ohne Priester.
Der
Synag ogen-G ottesdienst rück te
an Stelle
der
sakralen Tiertötung
am
Al tar
die
Lesung
der
T h o r a
in die
Mitte.
Die
Akedab (»Isaaks Opferung«) kann
den
Thora-Schrein schm ük-
ken,
86
die
Synagoge bleibt aber
ein
Versammlungsraum
für die
Gemeinde
kne eth
keine Heilige Stätte
und
ohne Altar.
87
Auch
in der
»griechischen«
und
erst recht
der
»römischen« Religions
praxis hatte
das
blutige Opfer seine Bedeutung eingebüßt.
Die
Frage
der
Tempelmetzgereien führt zwar
zu
einer auffälligen Verbindung
von
\\ YsXkovlmacellum
und
Kaiserbildnischen, besonders
in
Pompej i . Aber
sie sind bau lich z w ar
irn
gleichen Gebäude, doch gerade nicht aufeinander
bezogen.
83
In der
Gesetzgebung kann
man
erkennen,
wie im
U m k r e is
des
8s
R.
GIRARD:,
Les choses cachees; dt. Das Ende der Gewalt. H .
WENSCHKFWTTZ
1932. Das wieder bei
THEXSSEN
2000 ,193, der die Zerstörung des Jerusalemer Tem
pels gleichsetzt
mit
dem Ziel
der
Christen,
den
Kult
zu
überwinden. D azu zitiert
Theißen
das
Ebionäer-Evangelium
frg. 6
»Ich
bin
gekommen,
das
Opfer abzuschaffen,
und
wenn
ihr
nicht ablasst
zu
opfern, wird
der
Zorn
von
euch nicht
lassen.« und Theißen kommentiert: »Denn vieles spricht dafür, dass der Tod Jesu
erst
in
seiner Deutung
als
O pfertod
das
Ende
der
jahrhundertealten Opferpraxis
bewirken konnte.«
Die
Kontrollfrage müsste lauten:
Hat das
Judentum
ein
ver
gleichbares Äquivalent
zu dem nun
nicht mehr möglichen Opferkult geschaffen?
Meines Erachtens
war das
Judentum längst
-
spätestens seit
der
Zerstörung
des
Ersten Tempels
und der
Unmöglichkeit,
in
Babel Opfer auszuführen
- in der Al
ternative des »Sinai« zum »Zion« zu einer Religion geworden, die nicht auf einen
heiligen
Ort
angewiesen
ist,
sondern
in der
Schrift potentiell universell. Statt
des
Altars steht
die
Schrift
im
Zentrum
86
So in der Synagoge von Dura, aber auch sonst
oft
in
Synagogen.
Zur kultischen
Zuordnung zum Altar in einer typologischen Auslegung analog zum Kreuzestod
Jesu, wie sie etwa der Fußboden der Kathedrale von Siena zum Ausdruck bringt,
s.
F. OHLY
1977, 171-273, hier 217-219.
87
AUFFAXTH
2001,235-257. Zur Synagoge das Handbuch von
LEVUSTE
2000.
88
KOCH 1999 beruhend auf der umfassenden Aufarbeitung von C.
DE
RUYT
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Herrscherkult und Christuskult
3 9
Kaiserkultes und der vom Kaiser praktizierten Religion das blutige Opfer
reduziert wird bis hin zum Verbot der blutigen Opfer nicht durch die
christlichen Kaiser, sondern bereits vorher Theologische Opferkritik und
Ethisierung treffen allerdings nicht die Opferpraxis; Rituale sind träge.
Die Metaphorik des Opfers dagegen blüht. Das Opfer in Form von
Wachskerzen, von Geldopfer etwa nimmt dort , wo Rituale durch neue,
andere ersetzt werden oder wo sie verboten werden, dessen Stelle ein; das
blutige Opfer wird mythisch dazu erzählt als »Bedeutung«. Das Blutopfer
der Märtyrer ist bereits in der Apokalypse mit dem himmlischen Altar
verknüpft .
89
Aber nun das Tabu: Für Juden ist der Genuss von Blut eine ekelerre
gende Vorstellung- Fleischnahmng ist nur dann koscher, wenn das ge
schlachtete Tier vollständig ausgeblutet ist, d.h das Herz muss noch so
lebendig sein, dass es das Blut herauspumpt. Insofern verschieden von
anderen antiken Schlachtformen. »Ersticktes«, wie das nicht vollständig
ausgeblutete genannt wird, dürfen Nicht-Juden essen.
90
Das Blut darf un
ter keinen Umständen genossen werden. Wenn Jesus in den Einsetzungs
worten, wie es die Überlieferung, auf die sich Paulus in seinem 1. Brief an
•die Korinther bereits beruft,
91
die Jün ger aufford en, den Bech er zu trink en
mit den Worten »Dies ist mein Blut, nehmet und trinket«, dann ist das der
Tabubruch. Die Vorstufen, die der Jude Jesus gesagt haben kann, sind der
Blutritus, der mit dem »Blut des Vertrages Gottes mit seinem Volk« be
siegelt.
92
Dazu kommt als Verweis auf den eigenen Tod der Vergleich zwi-
1983.
Das macellum in Pompeji stellt demnach eher die Ausnahme dar, wenn dort
1,
ein eigener Kultraum für den Kaiserkult eingerichtet ist, und 2. im
m acellum
selbst geschlachtet wird.
59
Apk 6,9 mit dem im NT'häufigen Neologismus 8\)oiacnr|piov, der an die
Stelle von ßcojiög (im NT nur einmal beim Altar des unbekannten Gottes) tritt,
dazu vgl KLAUCK (zuerst 1980) 1994, 239-244.
90
Die anti-jüdische Polemik machte daraus, die Juden hätten Ausländern »Aas«
oder »verdorbenes Fleisch« angedreht, CRÜSEMANN 1987.
91
1
Kor. 11,23 »Denn ich
habe
vom Herrn übernomm en, w as ich überliefere: >In
der Nacht, da ...<-« THEISSEN 2000, 187: »Die Einsetzungsworte kursierten schon
im Judenchristentum. Paulus, ein Judenchrist, kenn t und tradiert sie.«
92
Ex 24, 5 Moses lässt Stiere schlachten und sammelt das Blut in einer Schüssel.
Die Hälfte des Blutes sprengt er an den Altar, die andere Hälfte auf das Volk (das
somit zum Heiligtum Gottes wird), nachdem er die Urkunde des Bundes (in den
Kapiteln zuvor waren die Zehn Gebote von Gott persönlich aufgeschrieben dem
Mose übergeben worden) vorgelesen und das Volk darauf verpflichtet hatte. »Das
ist das Blut des Bundes, den der Herr aufgrund aller dieser Worte mit euch ge
schlossen hat.« Wichtige Einwände gegen eine Deutung nur aus dem Opfer und
speziell dem Blutritus am Hilasterion/Bundeslade, auf das Paulus Römer 3, 25
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310
Christoph Auffarth
sehen dem gebrochenen Brot und dem getöteten Körper , dem W ein und
dem Blut des gewaltsamen Todes. Ab er d as Blut trinken, ist für den Juden
Jesus unden kbar Dies st mein Blut , übersteigt jüdische Grenzen^
3
Fazit:
Chris ten,
die
nicht
aus der
jüdischen Tradit ion stam mten, h aben
das
H e r
renmahl
im
Sinne antiker* Op fervorstel lung um gede utet .
4 C h r i s t u s k u l t
u nd
Kaiserkul t
(1)
Das
Ziel dieses Aufsatzes kann nicht
das
gewalt ige T hem a
in der dif
ferenzierten Debatte zweier Wissenschaften ausbreiten. Vielmehr soll
ten
die
Forschungen wieder aufeinander bezogen werden.
Die
C h r i -
stologie w ir d auf gebaut w enig er
als
W idersp ruch
und
Gegensatz
zum
Kaiserkult , eher
in der
religiösen »Sprache« dieser re volu tionä ren
Kultform.
(2) Revolutionär soll besagen, dass
man
n ich t
von
einer »Übernahme«
oder gar Kont inui tät des hellenist ischen H errsche rkultes sprechen
kann, sondern gegen die traditionelle religiöse Sprache der al ten Eli
ten
94
und der
kul tischen Ko m peten z
der
Ku lt teilnehm er etablieren
die
neuen Eli ten eine neue Kultsprache.
(3) Dabei
ist
eine Krise
der
traditionellen Kultsprache-
im
Hin tergrund:
Monothei smus
ist
zwar systematisch denkbar, aber kultpragmatisch
verlangt
er
nach Mitt lern.
Die
Ferne
des
einen Gottes,
die im
Hel le
n i smus
und der
Kaiserzeit beklagt wird,
95
kann sich entwickeln, weil
komplementär zwischen
den
M enschen
und dem
einen Got t eine
ge
stufte Mittlerschaft entsteht
von
Kul tgöt tern, H albgöt tern, Engeln
(mit Archangeloi , himmlischen Heerscharen, Dienerengeln, gefallenen
Engeln)
96
und
Menschen,
die
dank ihrer Leistung
von
G o t t
mit Un
sterblichkeit ausgestattet werden.
Die
zunä chst erst
mit
der Apo theose
im Bestat tungsri tual beginnende kul t ische Verehrung wird mytholo-
anspielt und die bei Stuhlmacher zu einer biblischen Theologie geführt hat), bei
BERGER 1998, 66-73.
9
* Das »ist« in dem Satz würde in dem hebräischen/aramäischen Nominalsatz
auch nicht vorkommen. Luther
in der
berüchtigten Szene
des
Marburger Religi
onsgesprächs betont das »ist«, um den nu r memorativen Charakter der Zwinglianer
zu widersprechen, was ihm den Vorwurf des Kannibalen einbringt.
KÖHLER
1929,
106; BRECHT 1986, 315-324.
9 4
CANCIK 1996.
95
FRENSCHKOWSKI 1995/97.
96
AUFPARTH
2002c.
8/19/2019 Hubert Cancik, Konrad Hitzl, Hrgs. (2003). Die Praxis Der Herrscherverehrung in Rom Und Seinen Provinzen. Tübin…
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Herrscherkult und Christuskult
311
gisch in die Biographie nickprojiziert. Die kultische Verehrung des
Verstorbenen überträgt sich auf die lebenden Träger des Caesartitels,
die zugleich als Herrscher menschlicher Kritik ausgesetzt sind, als
Caesar aber eine übermenschliche Mittlerfunktion zu erfüllen haben.
(4) Marianne Bergmann hat deutlich gemacht, dass Repräsentation im
Namen und im Bild nicht einfach als Identität mit Gott verstanden
werden
darf.
97
(5) Die jüdische Kritik des Philo am kaiserlichen Anspruch auf göttliche
Vereitlung macht deutlich, dass auch innerhalb des Judentums der
Glaube an den einen Gott Israels Mittler und andere Götter nicht
ausgeschlossen sind. Dennoch werte ich die Vergöttlichung des Chri
stus mit Theißen als Tabubruch, auch wenn Formen und Namen mit
jüdischen Präzedenzfällen begiündet werden. Die Christologie und die
unterschiedlich gestuften Gottesprädikate und Gleichsetzungschristo-
logie gehen als kultische Realisierung über das Denkbare der Tradition
hinaus. Zwischen Mittlerschaft und Identität mit Go tt wird nicht mehr
. . getrennt. Kyrios Christos, Gott mit dem Beinamen Christus.
(6) Der entscheidende Unterschied in der Entwicklung der kultischen
Ansprüche.der Menschen im Kaiser- und im Christuskult scheint mir
in folgendem zu liegen: In der Christologie ergibt sich eine Trennung
von den menschlichen Zügen leichter, weil nicht auf den deifizierten
Kaiser ein neuer Kaiser folgt, so dass die Menschlichkeit,und Sterblich
keit dauernd in Konflikt steht zu der transpersonalen Entwicklung des
»zweiten Körpers« des Kaisers, des divinisierten Kaisers als Gott.
Demgegenüber wird aus dem Gruppenmessianismus der ersten Gene
ration der Jesusbewegung, in der die Apostel als Gruppe den messia-
nischen Anspruch weiterführen,
9S
in der Diaspora zunehmend der
Kultgott Christus, der in den kultischen Formen den Personenkult der
Kaiser aufnimmt, dabei aber ohne die kritischen Einwände gegen einen
menschlichen Nachfolger die transzendente Natur des göttlichen Men
schen hin zum menschgewordenen Gott behaupten kann.
9 7
BERGMANN 1998.
* THEISSEN 1987.
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Beobachtungen zur Verehrung des christlichen Kaisers
in der Spätantike
von
P E D R O B A K C E L Ö
I
Blickt man mit den Augen des Historikers auf die constantinische Dyna
stie, so fällt auf, daß am Anfang und am Ende dieser geschichtsträchtigen
Regierungszeit ,
die-
als Sy no ny m für d en Siegeszug des Chr isten tum s gilt ,
eine dezidierte Parteinahme für das Heidentum steht .
1
Der Dynas t iegrün
der Constantius L hat in seinem Reichstei l pfl ichtgemäß die von Diode-
t ian begonnene Verfolgung der Christen mit getragen, und Julian, der letz
te Vert reter des Herrscherhauses , hat nach Kräften versucht , durch Hint
ansetzung des Christentums die in Bedrängnis geratenen tradit ionellen
heidnischen Kulte zu beleben. Doch so sehr die miteinander konvergie
renden Pole dieser Epoche im auffäll igen Kontrast zu ihrem Innern ste
hen, sind sie für die vorherrschende rel igionspoli t ische Atmosphäre der
constanrinischen Zeit einerseits symptomarisch. Andererseits belegen sie
einen Ausnahmezustand, der den Spannungsbogen dieser rel igiös äußerst
aufgewühlten Epoche beschreibt , die insgesamt durch eine fortschreitende
Verchrist l ichung des römischen Reiches charakterisiert ist . Constantin und
seine Nachfolger Constantin II. , Constantius IL und Constans haben sich
1
Zur Religionspolirik der constantioischen Dynastie
vgl. J.
Bleicken, Constantin
der Große und die Christen. Überlegungen zur ConstanüDischen W ende, München
1992;
S. Corcoran, The Empire of the Tetrachs. Imperial Pronouncements and
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79-93;
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1989, 301
ff.;
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32
Pedro Barcelo
durch die bewußte Ablehnung der heidnischen Rituale zur christ l ichen
Lehre bekannt und ihre Integration in die religiös polytheistisch geprägte
Landschaft des römischen Reiches ermöglicht. Darüber hinaus haben sie
durch die gezielte Begünstigung dieses Glaubens eine Einigung des Rei
ches auf dieser Grundlage erstrebt Insbesondere die lange Regierungszeit
des Constantius IL, in der sich die Entwicklung zum Staatskirchentum
anbahnte, gibt davon Zeugnis.
2
Es ist bem erkensw ert , daß die divergierenden Parteinahm en in K ultan -
gelegenheiten innerhalb derselben Dynastie eine erstaunlich große Mei
nungsdisparität in Glaubensfragen zur.Folge hatten. Jedes Mitglied des
constantinischen Hauses verkörperte ein anderes religiöses Bekenntnis.
Während Constantius L als Ajahänger des traditionellen Heidentums an
gesehen werden kann, vertrat sein ebenfalls heidnischer Enkel Julian eine
philosophisch-theurgische Haltung, die sich deutlich von dem Soldaten
glauben seines Großvaters unterschied. Pendelte Constantin zwischen ni-
cäanischer Orthodoxie und Arianismus hin und her, so galten seine Söhne
Co nstan tin IL un d Constans als stramm ortho do x, wä hren d C on sta n
tius IL eine gemäßigte arianische Position einnahm, die im Kontrast zum
extremen Arianismus seines Mitregenten und Cousins Gallus stand. Kann
angesichts dieses großen Spektrums religiöser Optionen überhaupt von
einer die Dynastie als Ganzes charakterisierenden kultischen Haltung die
Rede sein? Die Frage läßt sich nur mit Blick auf den Aufstieg des con
stantinischen Hauses in der diocletianischen Ära beantworten,, der von
einer ungewöhnlichen religionspolitischen Dynamik erfüllt ist. Damals
erlebten K ultangelegenheiten eine bis da hin un be ka nn te Z usp itzu ng , die
zur Präzisierung des eigenen Standortes zwang und damit scharfen Kon
trastierungen Vorschub leistete.
3
An ders ausge drückt: Zu B eginn des
4.
Jah rhu nd erts w ird das persönliche religiöse Beken ntnis für die füh ren
den Männer des römischen Reiches zu einer Überlebensfrage.
Die Profilierungsmöglichkeiten der römischen Principes waren ohnehin
angesichts vielfacher Sachzwänge (Rücksichtnahme auf die Forderungen
des Senats, des Heeres, der Provinzen, der stadtrömischen Bevölkerung
Zu dieser Thematik vgl.
C.
Pietri, La politique de Constance II: Un premier
»cesaropapisme« ou rimitatio Constantini?, in: I/Eglise et TEmpire au IVe siecle
(Entretiens Fondation Hardt
34),
Genf 1989, 113-172;
P .
Barcelo, Constantius IL
und seine Zeit. D ie Anfänge des Staatskirchentums, Stutegart 2003 (im Druck).
3
Zur religionspolitischen Lag? im römischen Reich zu Beginn des 4. Jahrhun
derts immer noch lesenswert H. Gregoire, La >conversion< de Constantin le Grand,
RUB 36,
1930/31,
231-272; W. Kuboff Diokletian und die Epoche der Tetrachie,
Frankfurt a. M. u. a.
2001,
246 ff.
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Beobachtungen zur Verehrung des christlichen Kaisers 321
etc.) eher gering. Hinzu kommt die überaus hohe Erwartungshaltung an
die Arbeitskapazität des Staatsoberhaupts, das als Patron, Schlichter, Ver
walter, Richter, Feldherr, Repräsentant , Priester u. v. m. auftreten und da
bei stets das »Richtige« tun mußte. Wollte ein Kaiser die besondere Note
seiner Regierung unterstreichen, so ließ sich dafür das weite Feld der Re
ligionspolitik aktivieren. Hier war das Reservoir an Gestaltungsmöglich
keiten groß. Anpassung und Unterscheidung sind die Schlagwörter, unter
denen sich die einschlägigen Maßnahmen subsumieren lassen. Thronan
wärter konnten durch die eine Kont inui tät begründende Anknüpfung an
ihren Vorgänger ihren eigenen Herrschaftsanspruch legit imieren (Ha-
drian-Trajan) oder sich als Glied einer neu zu begründenden Tradit ion
darstel len, wie dies etwa Alexander Severus durch eine Abwendung von
der Kultpolitik seines unmittelbaren Vorgängers Elagabal tat.
4
In der Auswahl der gött l ichen Leitbilder und ihrer Instrumentalisierung
als Sp rac hro hr ihres He rrschaftsan spruch es ha tten die Kaiser weitgehend
freie Hand. Es bilden sich unverkennbare Merkmale heraus, die das eigen
ständige Profi l der Herrscher kennzeichnen.
5
Parallel dazu verdeutlichen
Alltagsempfindungen, ablesbar etwa an der Ikonographie in der Sarko
phagkunst , wo im Gegensatz zu der Betonung des Ornaments in der
vorangegangenen Zei t nun die Akzentuierung des Individuums in seinem
Bezug zur Gött l ichkeit dominiert , daß solche Haltungen in al len Ge
sellschaftsschichten Akzeptanz fanden.
6
Diese, einen allgemeinen Trend
anzeigenden Entwicklungen wurden durch die Handlungsweise der Re
gierenden verstärkt . Die vermehrten Gestal tungsmöglichkeiten der kaiser
l ichen Kultp.oli t ik wurzelten in den henotheist ischen bzw. monotheist i
schen Strömu ngen , die sich ab der M itte des 3. Jahrhunderts al lmählich das
Wohlwol len der Führungsschichten erworben hat ten und s ich nun
unauf-
haltsam ausbreiteten. In ihnen manifestierte sich ein gewandeltes religiöses
Gefühl insofern, als einige Kaiser begannen, bestimmte Kulte vehement zu
propagieren und den anderen vorzuschreiben.
7
Aurel ians Inanspruchnah-
4
G. H. Halsberghe, Le culte de Deus Sol Invictus a Rome au 3e siecle apres
J. C, in: ANRW II 17,4, Berlin/New York 1984, 2193.
5
Zu Com modus als Hercules, bzw. zu Elagabal als Sonnengott von Emessa vgl.
P.
Barcelo, Die Macht des Kaisers - Die Macht Go ttes: Alleinherrschaft und M o
notheismus in der römischen K aiserzeit, in: P. Barcelo (H g.), Contra quis ferat
arma deos? Vier Augsburger Vorträge zur Religionsgeschichte der römischen Kai
serzeit, München 1990, 87-89.
6
K. Fittschen, Marburger W inckelmannsprogramm 1983/4, 129; P. Brown, Per
son und Gruppe im Judentum und Frühchristentum, in: P. Aries, G. Duby (Hg.),
Geschichte des privaten Lebens I: Vom Römischen Imperium zum Byzantinischen
Reich, Frankfurt 1989, 245 ff.
7
Besonders anschaulich in diesem Zusammenhang ist die fiktive Maecenas-
8/19/2019 Hubert Cancik, Konrad Hitzl, Hrgs. (2003). Die Praxis Der Herrscherverehrung in Rom Und Seinen Provinzen. Tübin…
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3 Pedro Barcelö
me von Sol Invictus als vor al len anderen Gottheiten herausgehobenem
Garanten seiner Herrschaft bzw. die Bildung der tetrarchischen Herr
scherfamilie der Jov ier-H ercu lier, dere n M ach tanspru ch keine Infragestel
lung durch abweichende Kulte (Christentum) duldete, markieren den
Ausgangspunkt der rel igionspoli t ischen Posit ionierung der constantini-
schen Dynastie. Aurelian und Dioclet ian spielen für die Entwicklung und
Ausformung des rel igionspoli t ischen Bewußtseins Constantins eine zen
trale Rolle. Gemeint sind freilich nicht die individuellen religiösen Über
zeugungen der Betroffenen, sondern ihre Kultprogramme und ihr
Wunsch, den eigenen Machtanspruch unter das Zeichen einer dem jewei
l igen Herrscher nahestehenden Gottheit zu stel len. Es verstärken sich die
Bemühungen der Regierungszentrale, eine einheitssriftende Religion zu
etablieren. Ihre Funktion war, einerseits die stets legitimationsbedürftige
Kaiserherrschaft zu stützen, andererseits die Solidaritätsbande innerhalb
der Reichsbevölkerung zu intensivieren. Durch die Einführung eines für
die gesamte Bevölkerung des Reiches verbindlichen Gottesdienstes sollte
die bedrohte innere Einhei t des Imperiums s innfäl l ig überwunden wer
den.
3
Der Kaiser als höchste Kultautorität des Reiches spielte dabei den
Part einer Gestal tungs- und Kontroll instanz, in seiner Person l iefen aber
auc h vielschichtige K onverg enzlinien zusam me n. Da er selbst als G o tt galt
und dementsprechend Verehi-ung genoß, bildete er gewissermaßen die
Schnit tmenge zwischen menschlicher Natur und gött l icher Wirkkraft .
9
Besondere Brisanz erlangte jede vom Kaiser geförderte Gottheit , weil sie
einen prominenten Platz im tradit ionellen Pantheon erhiel t , das heißt ein
emphatisches Bekenntnis zur amtierenden Regierung abgab. Gleichzeit ig
galt die Regel: D er gö tt l iche K aiser, der zugleich M ensch w ar, ve reh rte die
Götter und wurde gleichzeit ig als Gott verehrt . Die doppelte Natur des
Herrschers spiegelte sowohl die Reziprozität im Verhältnis von Religion
und Staat , als auch das Gleichgewicht zwischen der menschlichen Sphäre
und der tradit ionellen Götterwelt wider. Dieses System der menschlich
gött l ichen Kompatibil i tät wurde durch die auf die Ausschließlichkeit ihrer
Rede, die Cassius D io überliefert (52, 36), in welcher der Kaiser aufgefordert wird,
den Glauben seiner Untertanen zu normieren.
8
Sehr deutlich kom mt dies bei den religionspolitischen Maßnahmen der Tetrar- -
chen zum Ausdruck, vgl. F. Kolb, L'ideologia tetrarchica e la polirica religiosa di
Diocleziano, in: G. Bonamente, A. Nestori (Hg.), I crisriani e Hmpero nel IV se-
colo.
Collloquio sul Cristianesimo nel mondo antico, Macerata 1988,
17
ff.; ders.,
Herrscher Ideologie in der Spätantike, Berlin 2001, 25 ff.
9
M. Clauss, Kaiser und Gott. Herrscherkult im römischen Reich, Stuttgart
1999,
229
ff.
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Beobachtungen zu r Verehrung des christlichen Kaisers 323
Gottesvors tel lung ausgerichteten Kul topt ione n neg ien. Daher, zw ang die
monotheist ische Struktur des christ l ichen Glaubens dazu, diese jahrhun
dertealten Verhaltensparameter zu überdenken.
Fragen wir nach den Veränderungen, die das Aufkommen des Christen
tums als Leitreligion der Kaiser der constantinischen Dynastie für die
Kultpraxis des römischen Reiches bewirkte, so ist zunächst festzuhalten,
daß die christ l ichen Herrscher vor der Notwendigkeit standen, die sakrale
Verortung des Kaisertums neu zu definieren. Dies ergab sich aus der Tat
sache^ daß der Kaiser in seiner Doppelrolle als Gott und Pontifex Maxi
mus stets den zentralen Platz innerhalb der »sacra publica« innehatte. Der
christ l iche Herrscher durfte hingegen keinen gött l ichen Rang beanspru
chen. Vielmehr hatte er nun darauf zu achten, wie er unter den veränder
ten Bedingungen agieren un d dabei wah rgenom men w erd en w ol l te . Ferner
mußte er zu erkennen geben, wie mit ihm umzugehen sei Damit ist die
Frage n ach der Relevanz des Kaiserkultes im 4. Jah rhu nd ert aufgeworfen.
I I
Wegen seiner ungeheuren Machtfülle, die ihn in die Lage versetzte, Wohl
fahrt und Frieden zu st iften, Glück oder Verderben über seine Untertanen
zu bringen, erfuhr das römische Staatsoberhaupt kultische Verehrung. Seit
Caesar galten die an der Spitze des weltumspannenden Imperiums stehen
den Herrscher als Götter, da sie ähnlich wie diese, das Schicksal des Rei
ches und seiner Bewohner beeinflussen konnten
1 0
Ein Großteil der Be
völkerung sah in der Person des Imperators eine auf Erden wandelnde
Gottheit (deus praesens), weswegen viele seiner öffentlichen Auftritte wie
die Epiphanie eines Gottes gestaltet und mit einem Pomp gefeiert wurden,
der an Gottesdienste erinnerte.
11
Es wurden ihnen Altäre, Kul te und sa
krale Feste geweiht.
12
Dankbare Untertanen weihten Ehreninschriften, auf
denen die Göttlichkeit des regierenden Kaisers und seiner Vorgänger ge
priesen wurde. Mitglieder aller Gesellschaftsschichten (Senatoren, Ritter,
Provinzialen, Freigelassene usw.) opferten vor ihren Bildern und erwiesen
10
Vgl. M. Clauss, Kaiser und Gotc, 223.
11
Den Einzug Vespasians in Rom hat Flavius Josephus, Bell. Jud. VII 71, fol
gendermaßen beschrieben.-^ 7c6A.iq
rix;
vs&qfjv <yt£<pava>p.&T:a>v
KOCI
Gujiiauotwv.
12
Zur Feier des Kaiserkults in den Städten der Ostprovinzen
vgl.
P. Herz, Herr
scherverehrung und lokale Festkultur im Osten des römischen Reiches (Kai
ser/Agone) in: H Cancik/J. Rüpke (Hg.), Römische Reichsreligion und Provinzial-
religion, Tübingen 1997, 239-264.
8/19/2019 Hubert Cancik, Konrad Hitzl, Hrgs. (2003). Die Praxis Der Herrscherverehrung in Rom Und Seinen Provinzen. Tübin…
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3 4
Pedro Barcelo
ihnen die gleiche Ehrfurcht wie den unsterblichen Göttern. Nach ihrem
Tod erfolgte die Konsekration und damit die Aufnahme in den Staatskult .
Im Vollzug des Kaiserkultes erblickte man einen untrüglichen Loyalitäts-
beweis gegenüber den maßgeblichen staatserhaltenden Insti tut ionen: Re
l igion und Kaisertum. Besonders wichtig war diese Form der öffentl ichen
Bekundung im Hinblick auf das Militär, das während des 3. Jahrhu nder t s
die zuverlässigste Stütze des zerbröckelnden Reiches bildete. Aus der Per
spektive der Führungsschichten war die Erhaltung dieser Nahbeziehung
zwischen Kaiser und Heer, die durch den Kaiserkult eine Bestätigung er
fuhr, eine unerläßliche Voraussetzung für den Bestand des Reiches.
13
Seit
Augustus s tel l te der Kaiserkul t auch eine bewährte Form der Kommuni
kation zwischen der fernab l iegenden kaiserl ichen Machtzentrale und den
in den Provinzen des Reiches zerstreuten staatstragenden Schichten der
Gesellschaft dar. Zugleich bedeutete der Vollzug des Rituals die Anerken
nung der Kaiserherrschaft durch die Opfernden. Forderte ein Kaiser, wie
etwa Decius, seine Untertanen auf, eine supplicatio zu vollziehen, so tat er
dies nicht, wie eine auf die Verfolgung der Christen einseitig fixierte Optik
glauben mache n m öch te, um Dissidenten zu disziplinieren, sondern* er
handelte in der Absicht, einen erdrückenden Beweis der Solidarität seitens
der Reichsbevölkerung gegenüber der Reichsführung zu erhalten.
14
Es
ging dabei pr imär um die Erlangung von Zust immung, weniger um die
Abgrenzung der - nennen wir sie einmal - unloyalen Bürger. Durch eine
derartig großangelegte Mobilisierung sollte Konformität mit dem Kaiser
dem onstriert w erden. D e r Appe ll w a r aus de r Sicht des Kaisers notw endig ,
um den vielfältigen Krisen (Einfall fremder Völker, wirtschaftliche Pro
bleme, Bürgerkrieg etc.) , die das römische Weltreich erschütterten, durch
einen Akt der innenpoli t ischen Geschlossenheit zu begegnen.
Eine entscheidende Voraussetzung für den Kaiserkult war die Gött l ich
keit des Princeps. Manche Herrscher vermochten auf divinisierte Ahnen
zu verweisen u nd galten folglich als Na chfahren eines Go ttes. Wer sich wie
etwa Vespasian, Septimius Severus oder die meisten Herrscher des 3. Jah r
hunderts nicht auf einen gött l ichen Vater berufen konnte, mußte die eigene
Göttl ichkeit durch herausragende Taten unter Beweis stel len. Das System
beruhte auf einer Kombination von Leistungsfaktoren sowie auf der Fil ia-
13
G.Alföldy, Die Krise des römischen Reiches und die Religion Roms, in:
W. Eck (Hg.)> Religion und Gesellschaft in der römischen Kaiserzeit, Kolloquium
zu Ehren von
F.
Vittinghoff, Köln/Wien 1989, 53-102.
14
R. Selinger, Die Religionspolitik des Kaisers Decius. Anatomie einer Christen
verfolgung, Frankfurt a. M./Berlin 1994; G. Gottlieb, Christentum und Kirche in
den ersten drei Jahrhunderten, Heidelberg 1991,
102
ff.
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Beobachtungen zur Verehrung des christlichen Kaisers 325
tion und auf der Identifikation der Betroffenen mit einer anerkannten
Gottheit des römischen Pantheons. Daraus result ierte eine dynamische
Wechselbeziehung; Der Kaiser als Gott akzeptierte, förderte und verehrte
die anderen Götter, die wiederum die Göttlichkeit des Kaisers nicht in
Abrede stel l ten (pax deorum). Bekannte sich aber ein Kaiser zum Chri
stentum, so konnte er schlecht den eigenen Vater dem christlichen Gott als
gleichberechtigte Gottheit zur Seite stellen. Dies verbot die monotheisti
sche Ausrichtung der christ l ichen Lehre mit der Unteilbarkeit ihrer Got
tesvorstel lung, welche die Menschen in einer in dieser Hinsicht unüber
brückbaren Distanz zum christ l ichen Gott sah. Allerdings wird die bald
einsetzende Trinitätsdiskussion das Problem zusätzlich verschärfen. Mit
der ihnen eigenen Behutsamkeit , die aus der Skepsis der Umwelt gegen
über ihrer Glaubensbotschaft result ierte, verbanden die Christen die Ab
lehnung der Gottheit des Kaisers stets mit der bedingungslosen Anerken
nung seiner Herrschaft . Ihre führenden Köpfe wurden nicht müde, eine
Ergebenheitsbezeugung nach der anderen an die Adresse des römischen
Kaisers zu richten, w ie dies der im
2.
Jahrhu nde rt wirken de ant iochenische
Bischof Theophilos tat:
Also will ich lieber den Kaiser (als die Götter) ehren, nicht indem ich ihn anbete,
sondern indem ich für ihn bete. Den wirklichen und wahren Gott bete ich an,
wohl wissend, daß der Kaiser von ihm bestellt ist. Du fragst m ich nun: Waium
betest Du nicht den Kaiser an? - Weil er nicht geschaffen wurde, um angebetet
zu werden, sondern um mit der ihm rechtmäßig zustehenden Ehre verehrt zu
werden. Denn er ist nicht Gott, sondern ein Mensch, der von Gott eingesetzt
wurde, nicht um angebetet zu werden, sondern um ein gerechter Herrscher zu
sein.
15
Die ersten christlichen Kaiser standen vor einer ambivalenten Situation.
Sie durften keineswegs außer Acht lassen, daß ihr kaiserliches Amt mit der
Pflege des ' t raditionellen K ultes untren nba r verw oben w ar. Als Pontifex
Maximus oblag ihnen die Fürsorge für die romische Religion.
16
Darun te r
zählte für den G roß teil des 4. Jah rhu nde rts s ow oh l die heidn ische als auc h
die christ l iche Kultausübung. Da das Christentum mitt lerweile den Status
einer religio licita genoß, standen seine Gottesdienste ebenso wie die heid-
15
PG VI 1040-1041. Weitere Belege bei J. Lehnen, Zwischen A bkehr und H in
wendung. Äußerungen christlicher Autoren des 2. und 3. Jahrhunderts zu Staat
und H errscher, in: R. v. Haehling (Hg.), Rom und das himmlische Jerusalem. Die
frühen Christen zwischen Anpassung und Ablehnung, Darmstadt 2000, 15 ff.
16
Vgl. Dazu R. Stepper, Augustus et sacerdos. Untersuchungen zu m römischen
Kaiser als Priester, Potsdamer Altertumswissenschafcliche Beiträge 6, Stuttgart
2003 (im Druck).
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326
Pedro Barcelo
nischen Bräuche unter dem Schutz des römischen Staates. Daraus erklärt
sich die Handlungsweise der christlichen Herrscher, die als pflichtbewußte
Supervisoren der heidnischen Kulte agierten, daneben als Förderer und
Protektoren der Christen auftraten. Offenbar erregte ein solches Verhalten
keinen Widerspruch bei den Zeitgenossen, selbst dann nicht, als bestimmte
Kaiser (Co nstan tius IL, Gratian , The odosius) ihre christ lichen Präferenzen
immer deutl icher betonten. Die Kraft der Tradit ion, die Neuheit der Si
tuation sowie die Evidenz einer heidnisch gesinnten Bevölkerungsmehr
heit l ießen keine dramatischen Änderungen der eingespielten Kultprakti
ken erwarten. Wie ihre Vorgänger wurden auch die christlichen Kaiser als
Götter angesehen, denen gemäß der tradit ionell bewährten Formen ge
huldigt wurde. Dagegen werden die Christen, die ihnen ihre neu gewon
nene Freiheit verdankten, schwerlich etwas einzuwenden gehabt haben.
Mit der von Galerius in Serdica (311) erwirkten und von Licinius in Ni-
komedia (313) bestät igten Tolerierung ihrer Religionsausübung waren die
Christen ohnehin von der Verpfl ichtung zum Kaiserkult , da wo sie noch
bestand, grundsätzl ich befrei t . Für diejenigen tradit ionsbewußten Unter
tanen, die an den überlieferten Ritualen festhielten, änderte sich zunächst
nichts. Dies bestätigen eine Reihe von epigraphischen Zeugnissen, aus de
nen die Gött l ichkeit von Constantin,
1 7
Valentinian
18
un d Theodos ius
1 9
her
vorgeht, sowie zahlreiche Passagen aus den offiziellen Reden des Themi-
stios,
in denen die gött l ichen Kaiser Constantius IL, Valens und Theodo
sius überschwenglich gefeiert werden.
2 0
17
CIL VI 1151=31248=D 707; CIL VIII 7974: NÜMINI | CONSTANTINI
SAN | CTISSIMI
•
ET
|
INVICTISSIM
18
AE 1987, 435; CIL V III 10489=11024=D 779: DIVINA STIRPE | PR O -
GE NIT O | D N VALEN TINIA | N O - AU G | FORTISSIMO | PRINC IPI F/1
VIVIVS BENE | DICTVS ». p | PRESES • P • T -NV | M INI MAIESTA | T IQ •
EIIVS SEM | PER DEVOTVS
19
CIL VI 1730= D 1277: FLAVIO STILICHONI INLVSTRISSIMO VIRO |
MAGISTRO EQVITVM PEDITVMQVE | CO M ITI DOMESTICORVM
TRIBV NO PRA ETO RIAN O | ET AB INEV NTE AETATE PER GRADVS
CLARIS | SIMAE MILITIAE AD CO LVM EN GLORIAE | SEMPITERNAE ET
REGIAE ADFINITATIS EVECTO | PROGENERO DIVI THEODOSI CO
MITI DIVI | TH EO D OS I AVGVSTI I N OMNIBVS BELLIS | AD QV E V IC
TORIIS ET AB EO IN ADFINITATEM | REGIAM COOPTATO ITEMQVE
SOCE RO D N | H O N O RI AVGVSTI AFRICA CONSILIIS EIVS | ET P RO -
VISION E LIBERATA | EX SC; vgl. dazu J. Ernesti, Princeps christianus und
Kaiser aller Römer. Theodosius der Große im Lichte zeitgenössischer Quellen,
Paderborn u. a. 1998, 89 ff.
20
M . Clauss, Kaiser und Gott, 210-212.
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Beobachtungen zu r Verehrung des christlichen Kaisers 327
Angesichts der prekären religionspolitischen Verhältnisse, die aus der
zunehmenden Verchrist l ichung des römischen Reiches result ierten, ergab
sich das Problem, wie sich der immer mehr als Christ fühlende Herrscher
verhalten sollte, um einerseits sein christliches Gewissen zu beruhigen
bzw. die Gefühle seiner christ l ichen Untertanen nicht zu verletzen und
andererseits nicht in einen unüberbrückbaren Widerspruch zur heidni
schen Bevölkerung zu geraten. Überl ieß man der Bevölkerung die Init ia
tive oder erließ der Kaiser neue Verfügungen, um den kultisch-zeremo
niellen Umgang mit ihm zu regeln? Für die Klärung der Frage, ob der
christ l ich gewordene Herrscher auf die Anbetung der eigenen Gött l ichkeit
verzichtet hat, bietet sich die Biographie Constantins geradezu an, weil
nirge ndw o heidnische un d' christ liche Ansch auunge n so unm ittelbar
auf-
einander treffen wie hier. Strittig bleibt allerdings, ab wann Constantin als
christ l icher Herrscher in dem uns hier interessierenden Sinne angespro
chen werden kann. Ganz bestimmt war dies nicht im Jahr 312 oder un
mittelbar danach der Fall .
21
Folgt man den Berichten der christlichen
Schriftsteller (Eusebios von Caesarea), so erhält man zwar den Eindruck,
die christliche Gesinnung Constantins habe stets seine Rolle als Imperator
maßgeblich geprägt, doch gibt es Gegenbeispiele, die eine allzu christen-
lastige Haltung des Kaisers relativieren. So etwa, als Constantin auf die
Anfrage der Stadt Hispellum, ihm und seiner Familie einen Tempel mit
dazu gehörigem Kult zu weihen, positiv reagierte:
Daß in ihrer (der Stadt) M itte auch ein Tempel für das Flavische, das heißt unser
Geschlecht, wie ihr es wünscht, von großartiger Wirkung errichtet wird, das
gestatten wir. Dabei wird zur Auflage gemacht, daß der Tempel, der unserem
Namen geweiht ist, nicht durch betrügerische Verbrechen irgendeines Aberglau
bens übel befleckt wird.
Die Tempeldedikation war die Gegenleistung der umbrischen Stadt Hi
spellum dafür, da ß C on stan tin sie im Zug e einer Verwaltungsreform zu r
Provinzhauptstadt erhoben hatte. Daß die im letzten Absatz des Textes
angesprochene Vermeidung von Aberglauben (superst i t io) mit einem Ver-
21
P. Barcelö, Constantins Visionen zwischen Apollo und Christus, in: Huma
nitas - Beiträge zur antiken Kulturgeschichte, Festschrift für Günther Gotdieb
zum 65. Geburtstag, P, Barcelö/V. Rosenberger (Hg.), München
2001,
.5
8
f.; vgl.
auch T. G. Elliot, The Christianity of Constantine the Great, Scranton 1996, 61 ff.
22
CIL XI 5265= D 705: [...] IN CVIVS GREMIO | AEDEM QVOQVE FLA-
VIAE HOC EST NOSTRAE GEN | TIS VT DESIDERATIS MAGNIHCO
OPERE PERFICI | VOLVMVS EA OBSERVATIONE PERSCRIPTA NE
AE|DIS NOSTRO NOMINI DEDICATA CVIVSQVAM CON|TAGIOSE
SUPERSTITIONIS FRAVD1BUS POLLUATUR.
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3 8
Pedro Barcelö
bot jeglicher Opferpraktiken gleichzusetzen sei, ist unwahrscheinlich.
Schauen wir auf die zwischen 306 und 323 vor Constantin gehaltenen
Lobreden, die ein zuverlässiges politisches Barometer für die vorherr
schende Stimmung bilden, so zeigt sich auch hier keine substanziel le Än
derung in der Wah rnehm ung des Kaisers du rch seine Hofgesellschaft. Fü r
die Heiden blieb Constantin ein Gott , für die Christen eine verehrungs
würdige Persönlichkeit , die sich der besonderen Gnade des christ l ichen
Go ttes erfreute. In den ersten zwa nzig Jah ren seiner Regierung gibt es eine
beeindruckende Reihe von Stimmen, die ihn als Gott preisen (Inschriften,
Bilder, M ünz en etc.). U n te r diese Stimmen - in unterschiedlichen Br e
chungen und Zusammenhängen - s ind vornehmlich die der heidnischen
Panegyriker zu zählen.
23
Außerdem vernehmen wi r den Wunsch der Pro
vinz Af rica, nach Ein rich tun g eine r Priesterschaft sam t Kult für das H a u s
Constantins, wie der zeitgenössische Historiker Aurelius Victor vermerkt:
Ferner wurde in Afrika für das Flavische Geschlecht ein Priesteram t eingerichtet
und der Stadt Cirta, die infolge der Belagerung durch Alexander verwüstet war,
nach ihrer Wiederherstellung und Ausschmückung der Name Constantina ge
geben.
24
Ebenfalls von Bedeutung für seine Wahrnehmung als Gottkaiser ist die
Errichtung einer Kolossalstatue in Rom sowie die auf der Spitze einer
Porphyrsäule angebrachte Statue des Stadtgründers von Constanrinopel,
die im Zen trum der neuen Residenz s tand und m it der Cons tant in als G ot t
gefeiert wurde.
2 5
Allerdings wird ab der Mitte der zwanziger Jahre der
diesbezügliche Befund deutlich spärlicher. Die Einweihungsrituale von
Constantinopel und die al lerdings erst nach seinem Tod erfolgte Konse
kration sind die auffälligsten Stationen der heidnischen Rezeption seiner
Herrscherpersönlichkeit . Aus diesen Notizen ergibt sich, daß im eindeutig
christl ich geprägten letzten D ez en niu m seiner Herrschaft , im Verhältnis .
zu den zahlreichen Bekundungen der Zeit davor, weniger tragfähige Zeug
nisse vorliegen, die ihn als G o tt darste llen. Dies ka nn k ein Zufall sein. M an
wird dahinter die kaiserl iche Regie vermuten dürfen. Die Erklärung kann
nur darin liegen, daß er sich seit 326 primär als Christ empfand und es
daher unterl ieß, vor al lem dort , wo er dies selbst bestimmen konnte, die
23
Belege bei M. Clauss, Kaiser und Gott,
196-201;
zu Theodosius vgl. J. Eraesti,
Princeps cbrisrianus und Kaiser aller Römer, 335 ff.
24
Aurel. Vict. 40, 28: Statuae
locis
quam
celeberrimis qu rum plures
ex
uro
out
rgente e
sunt; tum per Africam sacerdotium decretum FUviae genti Cirtaeque
oppido quod
ohsidzone
Alexandri
conciderat reposito
exornatoque nomen Con-
st ntin inditunu
25
M. Clauss, Konstantin der Große und seine Zeit, München 1996, 91 f.; 108 f.
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Beobachtungen zu r Verehrung des christlichen Kaisers 329
eigene Gött l ichkeit hervorzukehren.
2 6
Auf der anderen Seite ließ er es ge
schehen, daß sowohl seine eigene als auch die Göttlichkeit seiner Vorfah
ren weiter öffentl ich und im ganzen Reich propagiert wurde. Nehmen wir
als ein Beispiel dafür den bei Sirmium dem Imperator christianissimus
C on stan tius II . gew idm eten M eilenstein aus den SOiger Jah ren des
4.
Jah r
hunderts :
Der Imperator Caesar Flavius Julius Constantius, der Ehrfürchtige, vom Glück
Gesegnete, Augustus, Allerhöchster Sieger, immerwährender Triumphator, des
Gottes Constantinus, des besten und allerhöchsten Princeps (Sohn), der Götter
Maximianus und Constantius Enkel, des Gottes Claudius Großenkel, Pontifex
Maximus, Oberster Germanen- und Alamannenbesieger, Oberster Adiabene-
besieger, im
32,
Jahr der tribtinicia potestas, dreißigmal Imperator, siebenmal
Consul, Vater des Vaterlandes, Proconsul, ließ, nach Befestigung der Straßen,
Wiederherstellung der Brücken und Rückgewinnung des Staates, Steine setzen
alle fünf Meilen quer durch
Illyricum.
Von Atrans am Flusse Savus 246 Meilen.
27
W ir tun gu t daran , keine allzu strikten ch ristl ich-heidnischen Trenn ung s-
l inien zu ziehen, um die Selbsteinschätzung oder die Außenwahxnehmung
des in einer noch mehrheit l ich heidnischen Umwelt regierenden christ l i
chen Kaisers zu erfassen. Die bipolare Gegebenheit der Situation verhin
derte die Ausprägung von eindeutigen Verhaltensweisen. Ein Beispiel da
für wäre die von Porphyrios vollzogene Gleichsetzung der christ l ichen
Engel mit der heidnischen Götterwelt :
Denn wenn ihr behauptet, daß Engel bei Gott stehen, leidensunfähige und un
sterbliche und in ihrer Natur unzerstörbare Wesen, die wir Götter nennen, weil
sie der Göttlichkeit nahestehen, was streitet man sich da um Namen; oder muß
man nicht hier lediglich einen Unterschied in der Benennung annehmen? Ob wir
diese Wesen nun Götter oder Engel nennen, das macht keinen Unterschied.
2
*
M an w a r als Ch ris t ein Stück wei t He ide un d um gekeh rt . Dies läßt s ich am
Vorgehen des christ l ich erzogenen Kaisers Julian, der danach zum Hei-
26
Belege bei I. Karayannopolos, Konstantin der Große und der Kaiserkult, in:
A. Wlosok (Hg.), Römischer Kaiserkult, WdF 372, Darmstadt 1978,
494ff.
27
C IL III3705 : M
•
P
•
V
|
IMP CAES FLA IVL
[
CONSTANTTVS PIVS FEL
[
AUG VICTOR MAXIMVS | TRIUMFATOR AETERNVS | DIVI CONSTAN-
TINI OPTIMI | MAXIMIQUE PRINCIPIS DIVO|RVM MAXIMIANI ET |
CONSTANTI NEPOS DIVI
|
CLAVDI PRO NEPO S P ON TI |FEX MAXIMVS
GERMANICVS
|
ALAMAN ICVS MAXIMVS
|
GERM MAX GOTH ICVS
|
MA
XIMVS ADIABIN MAX | TRIBVNICIAE POTESTATIS | XXXII IMP XXX
CONSVLI VII | P P PROCVNSVLI VHS MVNIT|IS PONTIBVS KEFECTI |
RECVPERATA KE PVBLICA
|
QVN ARIOS LAPIDES PER IL
|
LYRICVM FE-
CIT
|
AB ATRANIE AD FLUMEN
|
SAVVUM M ILIA PASSUS
|
CCCX LVI.
2
* Fragment 76.
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33
Pedro Barcelö
dentum konvertierte, exemplarisch aufzeigen. Viele seiner in Briefen und
Reden benannten heidnischen Posit ionen sind vom christ l ichen Gedan
kengut inspiriert.
29
Zwar entwickeln sich mit der Zeit bezüglich des zeremoniellen Um
gangs mit dem Kaiser neue Formen, die den Bedürfnissen eines immer
stärker zum Christentum tendierenden Herrschers gerecht zu werden ver
suchten, aber diese lassen niemals vergessen, wo sein früherer Platz ge
wesen war. In dem Maße wie die kultische Verehrung der kaiserlichen
Person nachläßt , wird den Symbolen der kaiserl ichen Macht verstärkt ge
huldigt (adoratio purpurae). Einen Eindruck davon vermittel t die
Hof-
haltung des Constantius IL
30
Von besonderem Interesse ist sein Verhalten
gegenüber d en He iden anläßlich seines Rom aufenthaltes im Jah re 357, das
vorher belastet gewesen war und in dem Verbot der Opferhandlungen im
Jahre 356 einen negativen Höhepunkt erreicht hatte.
31
Unter dem Ein
druck der in Rom sehr lebendigen heidnischen Tradit ion revidierte der
Kaiser seine kurz davor erlassenen antiheidnischen Maßnahmen, Der Hei
de Symmachus lobte die tolerante Poli t ik Constantius ' IL, die in Kontrast
zum rigorosen Vorgehen Gratians gesetzt wird, folgendermaßen:
Dieser (Constantius IL) hat den vestaHschen Jungfrauen keines ihrer Privilegien
weggenommen, er hat den Senatoren Priesterämter zugewiesen, er hat den rö
mischen Kulten ihre Zuschüsse nicht verweigert und er ist durch alle Straßen der
Ewigen Stadt hinter den erfreuten Senatoren einhergeschritten... obwohl er
selbst einer anderen Religion anhing, hat er die unsere dem Reich erhalten.
32
29
VgL etwa den an einen unbekannten heidnischen Priester abgesandten Brief
(Ep.
48), der als Musterbeispiel für Julians Bestrebungen, christliches Gedankengut
in die angestrebte heidnische Reichskirche zu integrieren, gelten kann.
30
Vgl. Am m. Marc. XV 4, 3; CT h. V III 7,4 ; vgl. auch C. Pietri, La politique de
Constance II , 150.
31
C Th. XVI 10, 6; X VI10 , 4.
52
Relatio III 7;
Accipiat aeternitas vestra alia eiusdem principis facta
>
quae in
usum dignius trahat Nihil ille decerpsit sacrarum virginum
privilegtis
decrevit no-
bilibus
sacerdotia
Romanis caerimoniis non negavit inpensas et per omnes vtas
aeternae urbis
laetum
secutus senatum
viditplacido
ore delubra
legitinscriptafasti-
giis deorum nomina percontatus templorum origines estj miratus est conditores
cumque
alias religiones ipse sequeretur
has servavit imperio.
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Beobachtungen zur Verehrung des christlichen Kaisers 331
II I
Die Genese des Kaiserkultes entsprang unterschiedlichen Wurzeln. Die
ursprünglichere bediente das Bedürfnis einzelner Städte, Landschaften
oder Bevölkerungsgruppen, dem Herrscher, der bestimmte Leistungen für
sie erbracht hatte, dafür zu danken. Durch die Stiftung von Tempeln,
Kultfeiern u. ä. hiel t man die Erinnerung an die erwiesene Wohltat wach
un d schöpfte zusätzl ich Hoffnung, in Zu ku nft we itere Gu nstbew eise z u
erhalten. Eine andere Strömung des Kaiserkultes ging von den herrschen
den Eli ten aus, die dem regierenden Kaiser Akzeptanz, Kontinuität und
Erfolg verheißen woll ten. Dies äußerte sich in der routinemäßigen Hul
digung des Staatsoberhaupts anläßlich seines Regierungsantrittes, seines
Geburtstages, seiner errungenen Siege oder sonstiger Feierlichkeiten durch
die staatstragenden Gruppen des Reiches: Senatoren, Curialen, Soldaten.
Beide Quellen des Kaiserkultes, nennen wir die eine leistungsbezogen, die
and ere inst i tutionell , spielen noch im 4. Jh. eine Rolle und kom m en w äh
rend dieser Zeit unterschiedlich zum Tragen. Während Constantin im Fal
le von Hispellum die dankbaren Bewohner Umbriens, die ihn als Gott
anbeteten, gewähren ließ, versuchte er bei den von ihm selbst veranstal
teten offiziellen Anlässen, auf die Bedürfnisse der in Glaubenssachen ge
spaltenen Gruppen einzugehen. So ließ er für seine heidnischen Soldaten
ein theistisches Gebet verfassen, das von Eusebios
3 3
tradiert worden ist .
Möglicherweise stammt es aber von Lactanz,
34
der über eine ähnlich lau
tende Anrufung der höchsten Gottheit durch Licinius anläßlich seines
Kampfes gegen Maximin (313) berichtet.
N ur Dich kennen wir als Go tt, Dich erkennen wir als König. Dich rufen wir als
Helfer an. Von Dir haben wir unsere Siege erhalten, durch Dich sind wir
kräf-
tiger als die Feinde, Dir wissen wir uns zu Dank verpflichtet für die bereits
erwiesenen Wohltaten, auf Dich als den Geber zukünftiger Wohltaten hoffen
wir. Wir alle sind Bittsteller vor Dir, wir flehen Dich an: Du mögest unseren
Kaiser Constantin und seine gottgeliebten Kinder möglichst lange für uns wohl
behalten und siegreich am Leben bewahren.
Auffällig ist zunächst der Ort, wo laut kaiserlicher Anweisung das Gebet
verrichtet werden sollte »das offene Land vor den Städten«, das heißt, es
dürfte nicht im Fahnenheil igtum der Garnison, wo die Götter- und Kai
serbildnisse aufbewahrt wu rden , gesprochen w or de n sein. Offen bar w oll te
man damit den herkömmlichen Kaiserkul t umgehen. Angerufen wird eine
» Euseb. VC IV 20.
H
De mort. per s, XLVI 6.
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33
Pedro Barcelö
anonyme höchste Gottheit , die sich durch Sieghaft igkeit auszeichnete.
Nament l ich erwähnt werden nur Constant in und seine Kinder , die s ich
der Förderung und Wirkkraft Gottes erfreuen und als Garanten des Er
folges gefeiert werden. Das Gebet, das die Nahbeziehung zwischen Gott
und Kaiser betont, steht in der Tradit ion der für Christen und Heiden
geltenden religiösen WertvorsteUungen, Ein entsprechender Beleg findet
sich bei Lactanz,
55
in dem die Identifikation zwischen christlichem Gott
und christ l ichem Kaiser nahezu vollkommen ist :
Gott, der ewige Geist, ist in jederlei Hinsicht von perfekter und vollkommener
Kraft. Wenn dies wahr ist, so ist es zwingend, daß er ein einziger ist. Denn die
Macht oder die absolute Kraft gewährleistet die ihr eigene Festigkeit ... Wer
wollte bezweifeln, daß derjenige der allmächtigste König ist, der die Herrschaft
über den ganzen Erdkreis besitzt?
Möglicherweise ersetzte die von Constantin verordnete Anrufung der
höchsten Got thei t die herkömmliche Opferhandlung. Dennoch überwie
gen die heidnischen Anspielungen: Gott und Kaiser werden auf eine her
vorgehobene Ebene gestel l t , was den heidnischen Soldaten, die darin eine
tradit ionelle Kulthandlung erblickt haben dürften, die Akzeptierung der
Neuerung erleichterte. Entscheidend aber ist die Mehrdeutigkeit des Ge
betsinhalts. Dieser ermöglichte es auch christlichen Soldaten, die in der
Gebetsformel eingeschlossene Herrscherverehrung mitzumachen. Neben
Gebeten gehörten auch Opfer und Prpskynese zum Vollzug des Herr
scherkultes. Für die Christen hatte die Opferhandlung den Beigeschmack
der Idolatrie, während die Proskynese als unbedenklich angesehen wurde.
Möglicherweise sind die von Constantin und seinen Söhnen erlassenen
Opferbeschränkungen ein Zugeständnis an christ l iche Kreise, die keine
Schwierigkeiten sahen, den Kaiser kniefällig zu verehren,
36
Selbst zu. der
35
Div. Inst. I 3 , 3-5 vgl. dazu M . T. Fögen, D ie Enteignung der Wahrsager.
Studien zum kaiserlichen Wissensmonopol in der Spätantike, Frankfürt 1993, 216.
Div. Inst. II 2-5: nam si deus, qui omnia condidit et idem dominus et idem pater
est,
unus necesse
est, ut idem sit
caput idemque fons rerum
[-.]
sie
in
hoc
m nndi re
publica nisi unus fuisset moderator qui et conditor out soluta fuisset omnis haec
moles
aut ne
condi quidem omnino
potuisset.
36
Euseb. VC II 44.
CTh. XVI 10 4: IDEM AA : AD TAVRUM P RAEFECTUM) P RAETORIO).
Placuit omnibus locis adque urbibus universis claudi protinus templa et accessu ve-
tito omnibus licentiam delinquendi perditis
abnegari.
Volumus etiam eunetos saen-
fieiis
abstinere,
Quod si quis aliquid forte
huiusmodi pei-petraveriL,
gladio ultore
stematur. Facultates etiam
perempti
fisco decernimus vindiazri
et
shmiliter +adfligi+
reaores provinciarum, si faänora vindicare neglexerint. DAT. KAL. DEC: CON~
STANTIO IUI ET CON STANTE III AA: CONSS.; XVI 10 6: IDEM A ET
8/19/2019 Hubert Cancik, Konrad Hitzl, Hrgs. (2003). Die Praxis Der Herrscherverehrung in Rom Und Seinen Provinzen. Tübin…
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Beobachtungen zu r Verehrung des christlichen Kaisers 333
Zeit , als das Bekenntnis zum Christentum nicht ganz ungefährl ich war,
bemühten sich die Christen, als beflissene Untertanen des Kaisers zu gel
ten. Die Vorstellung einer gottgewollten Kaiserherrschaft wird ein Ver
haltensaxiom der frühen Kirche. Tertullian brachte es auf die Formel:
Ein Christ ist niemandes Feind, am wenigsten des Kaisers. Da er weiß, daß
dieser von Gott eingesetzt wurde, muß er ihn notwendig lieben, fürchten, ehren
und seine Erhaltung wünschen.
37
Wenn schon der strei tbare Kirchenmann von seinen christ l ichen Mitbrü
dern eine solche Respektbezeugung gegenüber einem heidnischen Kaiser
verlangte, um wie viel mehr mußte einem christ l ichen Kaiser Verehrung
seitens seiner christlichen Untertanen zukommen? Weil der Kaiser als
Gott galt, gebührte ihm nach heidnischer Anschauung kultische Vereh
rung, womit das herrschende politische System stabilisiert wurde. Götter
kult und Kaiserkult verschmolzen zum Staatskult . Dem christ l ichen Kai
ser gebührte auch aus christlicher Sicht, wenn auch in anderer Form, Ver
ehrung, weil er die christ l iche Gemeinde zusammenführte und zum Voll
zug des richtigen Gottesdienstes anwies. Die Herstellung der Einheit des
christlichen Kultes war angesichts der in dogmatischen Fragezi tief ge
spaltenen Kirche (Donatisten, Arianer etc.) eine Leistung, die höchste An
erkennung hervorrief.
38
Schlichtete der christliche Kaiser innerhalb der
zerstri t tenen christ l ichen Kirche, so verdiente er dafür verehrt zu werden:
A uc h für den christl ichen Kaiser w ar die ihm zuteil gew ordene H uldig ung
eine Frage der Etikette und zugleich eine Dankbarkeitsbezeugung für er
brachte Leistungen im Bereich der Kircheneinheit. Doch daneben sollte
nicht übersehen werden, welchen Reiz die arianische Trinitätsdeutung auf
einen christ l ichen Herrscher ausüben konnte. Hatte nicht der Arianer Eu~
sebios von Caesarea den gött l ichen Logos und den Kaiser in einem Atem
zug genannt und Constantin und seine Söhne als Abbild von Gottvater,
Logos und Geist hingestel l t?
39
Das System des Subordinatdanismus bot
sich für Identifikationen an, die gemäß der arianischen Formel eine Posi
t ionierung des Kaisers auf einer unterhalb von Gottvater befindlichen
(etwa vergleichbar mit Christus) Ebene ermöglichten. Wenn Christus we-
IVLIVANVS CAES.
oena capitis
subiugayi
praecipimtts eos,
quo*
operam sacrificiis
dare vel
colere
dmulacra
constiterit.
DAT XI KALL
MART.
MED IOLANO)
CONSTANTIO A VIII ET IVUANO CAES. CON SS,
37
Ad Scapulam 2, 6.
3
* H- Leppin, Von Constantin dem Großen zu Theodosius II. Das christliche
Kaisertum bei den Kirchenhistorikern Socrates, Sozomenus und Theodore:, Göt-
ringen
1996,
42 ff.
39
Euseb. Laus Const. I 7.
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4
Pedro Barcelö
sensähnlich und nicht wesensgleich mit Gottvater war, zudem irgendwann
geschaffen, also nicht vor aller Zeit vorhanden gewesen war, dann bekam
ein exzeptioneller Mensch - etwa der Kaiser - die Gelegenheit, sich ihm
anzugleichen. Constantin und vor al lem sein Nachfolger Constantius II. ,
der zum Arianismus neigte, war in einer Familie von Göttern aufgewach
sen. Großvater und Vater waren konsekriert worden. Es ist also nur fol
gerichtig, wenn sich der Kaiser jener Richtung innerhalb des Christentums
anschloß, die ihm den größtmöglichen sakralen Rang verhieß-
40
Ab den 30er Jahren des
4.
Jahrhunderts koexis t ier ten mehrere miteinan
der vielfach verwobene, aber dennoch vom Bewußtsein ihrer spezifischen
religiösen Eigenart erfüll ten Bevölkerungsgruppen (Heiden, orthodoxe,
donatist ische, arianische Christen, Manichäer etc.) . Die spätantike Welt
zeichnete sich durch eine bemerkenswerte Komplexität aus. Über al les
Trennende hinweg bildeten Christen und Heiden eine durch kulturelle,
soziale, politische, wirtschaftliche und menschliche Bande verbundene und
aufeinander angewiesene Gemeinschaft. Wie ähnlich christliche und heid
nische Anschauungen sein konnten, läßt sich an der Biographie des Fir-
micus Matexnus aufzeigen. Trotz seines Konfessionswechsels verzichtete
er nicht auf den Großteil seiner Grundüberzeugungen, die jenseits des
momentan ausgeübten rel igiösen Bekenntnisses fortbestanden.
41
Auch
Synesios von Kyrene ließe sich hier einreihen.
42
Der Vielschichtigkeit der Verhältnisse vermochten eindimensionale In
i t iat iven nicht gerecht zu werden. Dies hatten die Verfolgungsedikte des
Diocletian und Galerius verdeutl icht , die auch deswegen scheiterten, weil
sie mit al lzu simplen Methoden versuchten, ein al lzu komplexes Problem
anzugehen. Der christ l ich gewordene Constantin mußte folglich mit der
Realität eines religiös geteilten Reiches umgehen. Er tat dies, indem er sich
auf al tbewährte römische Grundsätze besann: Leben und leben lassen, so
könnte die Kurzformel der pragmat ischen Staatsklughei t der Römer lau
ten, wonach die als bürgerfreundKch apostrophierten Principes stets ge
handelt hatten. Als Beispiel wäre Trajans gelassene Haltung in der Chri
stenfrage zu nennen.
4 3
Es machte wenig Sinn, der heidnischen Bevölke-
40
K. Groß-Albenhausen, Constantius II, in: M. G au ss (Hg.), Die römischen
Kaiser, München 1997,
331;
L. W. Baxnard, Athanase et les empereurs Constantin
et- Constance, in: G Kannengiesser (Hg.), Politique et theologie chez A thanase
dAlexandrie, Paris 1974,
I40f.
41
M.
T. Fögen, Die Enteignung der Wahrsager, 278 ff.
42
W .
Hag),
Arcadius Apis Im perator. Synesios von Kyrene und sein Beitrag zum
Herrscherideal der Spätantike, Stutegart 1997, 10-20.
43
P . Barcelö, Reflexiones sob re el tratamiento de las minorias por pa rte del em-
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Beobachtungen zu r Verehrung des christlichen Kaisers 335
rung die eigenen christ l ichen Vorstel lungen zu verordnen. Hier agierte
Constantin äußerst behutsam, zeigte sich stets bestrebt, einen Konsens zu
erzielen. Dies galt insbesondere gegenüber den unterschiedlichen christli
chen Gruppierungen, die er mittels Kompromissen zur Einheit verpfl ich
ten woll te. Gegenüber der heidnischen Bevölkerung nahm er das Amt des
Pontifex Maximus wahr und l ieß die tradit ionellen Kulte unbehell igt .
Gleichzeit ig nahm er sich als Person so weit zurück, wie dies, ohne An
stoß zu erregen, möglich war. Doch weder er noch seine Nachfolger ver
boten den Kaiserkult. Wir besitzen ein aufschlußreiches Zeugnis aus dem
Jahr 360, das uns verdeutlicht, wie der römische Kaiser, hier ist es der noch
offiziell als Christ geltende Julian, vom alamannischen Klientelkönig Va-
domar als »deus« angesprochen wurde.
44
Eine ausdrückliche Einschränkung des Kaiserkultes wurde von Kaiser
Theodosius IL erst im Jahr 425 verfügt. Es gab aber Vorboten dazu, etwa
die im Jahr 382 von den Kaisern Gratian, Valentinian II. und Theodosius I.
an den Dux der Osrhoene Palladius erlassene Verfügung,
45
in der festge
stel lt wird, daß die in den heidnischen Tempeln aufbew ahrten G ötterbilde r
(simulacra) auf Grund ihres künstlerischen Wertes, nicht aber nach ihrer
göt t l ichen Wirkkraft bewei tet werden sol l ten. Diesen Faden nahm Theo
dosius II. auf, der daraus folgerte:
Wenn jemals unsere Statuen und Büsten aufgestellt werden, sei es an Festtagen,
wie es Brauch ist, oder an gewöhnlichen Tagen, soll der Statthalter ohne die
gunstbeflissene Erhebung der »adoratio« dabei sein, damit der Schmuck für den
Tag oder für den Ort und für unsere Erinnerung an ihn beweist, dass die Ge
genwart sich genähert hat. Auch die bei den Spielen aufgestellten »Götterbilder«
sollen zeigen, daß unsere Gottheit (numen) und die Lobesreden nur in den
Herzen und in den geheimen Gedanken der Herbeieilenden weiterleben. Wenn
perador romano: Trajano y los cristianos, in: C. Rabassa/R. Stepper (Hg.), Erstes
europäisches Kolloquium der Forschungsgruppe Religion, Macht, Monarchie: Hei
lige Herrscher - göttliche Monarchien, Castellön 2002.
u
Amm . Marc. XXI 3, 5:
Iulianum autem assidue per litteras dominum et Au-
gustum appellabat et deum.
45
CTh. XVI 10, 8: IDEM AAA. PALLADIO DVCI OSDROENAE.
Aedem
olim
frequentiae dedicatam cetui et iam
populo
quoque communem, in qua simu
lacra feruntur posita artis pretio quam divinitate metienda iugiter patere pub lici
consilii auctoritate decernimus
neque
huic rei obreptivum officere sinimus
oraculum.
Ut conventu urbis et frequenti coetu videatur, experientia tua omni votorum cele-
britate
servata auctoritate nostri
ita
patere
templum perm ittat
oraculi,
ne
illic pro-
hibitorum usus sacrificiorum huius occasione aditus permissus esse credatur.
DAT.
PRID. KAL. DEC. CONSTANTINOP(OLI) ANTONIO ET SYAGRIO
CONSS.
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336
Pedro Barcelö
ein Kult die Würde der Menschen überschreitet, wird er für die überirdische
Gottheit (numen) bewahrt.
4
*
Betrachtet man den Wortlaut des einschlägigen Gesetzes, das die kultische
Anbetung des römischen Kaisers problematisierte, so gibt dieser unzwei
deutig zu verstehen, daß mindestens bis zu diesem Zeitpunkt die rel igiös
aufgeladene Verehrung des Herrschers üblich war. Der kryptische Wort
laut gibt dennoch deutlich zu erkennen, daß Statuen, Büsten oder Kaiser-
portrai ts bei Festtagen öffentl ich aufgestel l t und verehrt wurden, woraus
sich folgern läßt , daß unbeschadet der Hinwendung der römischen Herr
scher zum Christentum der Kaiserkult seine große Bedeutung beibehielt .
Was sich jedoch bereits sei t Co nsta ntin , n oc h deutl icher aber unte r, seinen
christ l ich erzogenen Nachfolgern abzeichnete, war ein Rückzug von der
traditionellen Kultpraxis bei gleichzeitiger Intensivierung der Präsenz bei
christ l ichen Veranstal tungen (Gottesdienste, Bischofssynoden, Kirchen
einw eihunge n etc.). Je sich tbar er die A bw esen heit des Kaisers beim Voll
zug der heidnischen Rituale wurde, desto mehr verengte sich der Spiel
raum f
r
den Kaiserkult . Mit dem Verzicht auf die Bekleidung der Würde
des Pont i fex Maximus durch Grat ian und Theodosius war ein Höhepunkt
im Prozeß der Distanzierung des Kaisers von der tradit ionellen Religion
erreicht , was einer Fortsetzung des Kaiserkultes letzt l ich den Boden ent-
I V
Man könnte vermuten, daß mit der Beseit igung der Gött l ichkeit , des Im
perators die Hindernisse für den Vollzug des Kaiserkultes für die Christen
entfal len wären Doch so einfach lagen die Dinge nicht . Abgesehen davon,
daß die christ l ichen Herrscher offenbar nicht daran dachten, einen derar-
* CTlu 15,44 = CJ I 24,2r IM ?. TH EOD(OSIVS) A. ET VAL(ENTINI)ANVS
CAES.
AETIO P(RAEFECTO) P(RAETORIO).
Si quando nostrae statuae vel
imagines eriguntur seit
diebtts, ut adsolet festh sive
communibus
y
adsit index sine
adorationis amibitiöSQ
fastigio,
ut orjuimentum diei vel loco et nostrae recordationi
sui probet acessisse praesentiarru
j
Ludis quoque sbmtlacra proposita tantum in ani-
mis concurrentwn mentisque secretis nostrwn numen et laudes vigere demonstrent;
excedens
adtura homimtm dignitatem
svtperno
numini
reservetur. DAX II I NON
MAL THEOD(OSIO) A XI ET VAL(ENTINIANO) CAES. CONSS.
47
R. Stepper, Zum Verzicht Kaiser Gratians auf den Oberpontffikat, in: C. Rabas-
sa/R. Stepper
(Hg.),
Erstes europäisches Kolloquium der Forschungsgruppe Religion,
Macht, Monarchie. Heilige Herrscher - götdiche Monarchien, Castellön 2002.
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Beobachtungen zur Verehrung des christlichen Kaisers
tigen Vorstoß zu unternehmen, ist keineswegs sicher, ob dies auch wirk
lich von ihnen erwartet wurde. Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß erst
Theodosius II. im Jahre 425 mit äußerst unkonkreten Formulierungen zur
Beendigung des Kaiserkultes aufforderte, indem er die eigene Gottheit
leugnete, so muß man fragen, warum in den zurückliegenden 100 Jahren
christlichen Kaisertums nichts dergleichen geschah. Die Antwon darauf
kann nur lauten, daß dazu keine Notwendigkeit bestand.
Überblickt man die Zeugnisse, die sich mit dem Thema der Kaiservereh
rung im 4. Jahrhundert auseinandersetzen, so ergibt sich, daß mit der Re
gierungsübernahme christlich gesinnter Herrscher keine radikale Ände
rung der überlieferten Formen des Kaiserkultes einherging. Der Geburts
tag, der Regierungsantritt, die Siege, die runden Regierungsabschnitte de-
cennalia, vicennalia, tricennalia) der Herrscher wurden vom Senat, den
Curien und den zahllosen Städten des Reiches, von den Militäigarnisonen
und vo n P rivatpersonen unter Rückgriff auf die üblichen Zerem onien be
gangen. Die Anbetung der Kaiserbildnisse, der Vollzug von Opferhand
lungen vor den Göttern und der göttlichen Majestät des regierenden Herr
schers, die Darbringung von Gelübden für die Wohlfahrt des Reiches und
seines Oberhaupts waren Bestandteile eines eingespielten Rituals. Mochte
sich der fernab weilende Herrscher mehr oder weniger prononciert als
Christ empfinden, es ist unwahrscheinlich, daß die hundertfachen Zere
monien der Beteiligten darauf Rücksicht nahmen, genauer, überhaupt vor
der Notwendigkeit standen, darauf Rücksicht nehmen zu müssen. Dies
wäre nur dann der Fall gew ese n, we nn die Zentralregierung diesbezügliche
Direktiven erlassen hätte. Doch darüber schweigen unsere Quellen, wor
aus wir folgern können, daß der Kaiser seine Untertanen einfach gewähren
ließ.
Er schritt gegen d ie kultische Verehrung seiner Person nicht ein, weil
sie nicht als unüberbrückbarer Widerspruch empfunden wurde. Er ließ es
auch geschehen, daß auf Meilensteinen und Ehreninschriften seine Gött
lichkeit und die seiner Vorfahren verkündet wurde und ebenso ließen die
christlichen Nachfolger ihre christlichen Vorgänger nach heidnischem Ri
tual konsekrieren. Dabei konnte man ins Feld führen, daß es sich um zwei
getrennte religiöse Systeme handelte, mit völlig unterschiedlichen
egrif-
fen für das Göttliche. Heidnische Götter waren Bestandteile eines über
wundenen Geschichtsabschnitts, ihre Verehrung hatte aus christlicher
Sicht mit Pietät oder Traditionsbewußtsein, weniger mit- Re ligion im
christlichen Sinne zu tun. Die Huldigung einer Kaiserbüste etwa galt nicht
dem Gottkaiser, sondern der Majestät des Herrschers. Christliche Vor
denker wie Gregor von Nazianz
48
oder Ambrosius von Mailand
49
erblick-
48
Or. IV 81.
4
* Exameron VI 57.
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8
Pedro Barcelö
ten in der Anbetung des Kaisers eine historisch gewachsene Notwendig
keit. Sie entschärften ihre für Christen explosive Brisanz, indem sie auf die
Äußerlichkeiten des Rituals verwiesen, wom it sie die Sprengkraft der gött
lichen Natur des Kaisers herunterspielten.
Es ist eines der erstaunlichsten religionspolitischen Phänomene des
4. Jahrhunderts, wie am Beispiel des Constantius IL sichtbar wird, daß der
seiner Göttlichkeit entsagende, nun christlich gewordene römische Kaiser
zwar die Richtlinien der Glaubensausübung bestimmte, aber damit keinen
wirksamen Konsens innerhalb der Kirche zu stiften vermochte.
50
Seine
kultische Leitungsfunktion wird zwar formal anerkannt; tatsächlich aber
durch das Verhalten der Bischöfe ausgehöhlt, womit sie dem Herrscher
zunehmend aus den Händen gleitet Unter dem Deckmantel von- theolo
gischen Streitigkeiten manifestiert sich Dissens zwischen antagonistischen
christlichen Gruppierungen, lodert ein Konflikt um brüchig gewordene
Loyalitäten. Wir erleben ein Tauziehen um die Beanspruchung der höch
sten religiösen Autorität: Stand ein häretischer Kaiser höher als ein Kle
riker, der vom Bewußtsein erfüllt war, die richtige Form der Gottesver
ehrung zu verkünden? Deutlicher als in der Vergangenheit erlebte die
römische Gesellschaft ab der Mitte des 4.
Jahrhunderts eine tiefe Kluft
zwischen Politikgestaltung und Kultverwaltung. Wenn maßgebliche Bi
schöfe ihre Treue zu einer bestimmten dogmatischen Lehrmeinung höher
stellten als ihre Gehorsamspflicht gegenüber dem Kaiser, dann zerbrach
damit eines der wirksamsten Bande, das Politik und Religion zusammen
hielt. Mit der Verbreitung derartiger Kultgewohnheiten entwickeln sich
neue Formen religionspolitischen Handelns. Bischöfe und Kaiser wettei
fern um die Gunst des einen unteilbaren Gottes. Bestand am Anfang eine
Are Äquidistanz, so verkürzen sich die Wege zugunsten der Kirchen
repräsentanten. In früheren Zeiten waren die Herrscher hinsichtlich der
Monopolisierung der »sacra publica« so gut wie konkurrenzlos. Die An
erkennung und Durchsetzung des christlichen Gottes erforderte ein neues
Beziehungsgeflecht, aus dessen Zentrum der Kaiser immer mehr verdrängt
wurde. Heilige Männer, Bischöfe bzw. theologisch geschulte Experten tra
ten als Sprachrohr des göttlichen Willens auf und handelten als unbestrit
tene Autoritäten in Kultfragen. Damit war der Kaiser nicht mehr die
höchste und unanfechtbare Instanz, sondern eben nur eine Au torität unter
anderen. Mit dem Verlust der eigenen Göttlichkeit und der Verdrängung
50
Vgl. Dazu R. Klein, Constantius IL und die christliche Kirche, Darmstadt
1977;
P. Just
Imperator et episcopus - Zum Verhältnis von Staatsgewalt und christ
licher Kirche zwischen dem ersten Konzil von Nicaea 325) und dem ersten Konzil
von Konstantinopel 381), PAwB 8, Stuttgart 2003 im Druck).
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Beobachtungen zur Verehrung des christlichen Kaisers 339
des Kaisers ans dem Zentrum der Kultpoli t ik ging ihm ein beträchtl iches
Stück an poli t ischem Gestaltungspotential verloren. Schwindende Macht
verringerte die Notwendigkeit der Verehrung ihres Repräsentanten, bis
diese schließlich im Westteil des römischen Reiches irrelevant wurde. Be
kanntl ich ging Byzanz andere Wege und so konnte sich dort die Vereh
rung des Kaisers anders gestalten und vor allem länger behaupten.
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Register
Topographisches Register
Abonouteichos
3, 13,
Achaia . 76, 210, 225, 228-2 29. 250.
296.
Acrium
34, 85, 192-19 3, 197-1 98.
241. 244,
Adramytrion
252,
Ägy p-ten, -tus 9-1 0, 49, 74, 85-8 6,
236,
301-302,
Afiica 35, 3 9 ^ 0 , 42, 136, 138-139.
141,
238, 244, 328,
Agiigent 237 -238 , 240, 245,
Agyrion
233,
Aitne 235,
Aizanoi 20, 227.
Akrai
233,
Akraiphia i) 10-11. 35. 38. 76. 214-
216, 222-223. 294, 297.
Alabanda 252, 255.
Alba 172, 177,
Alexandri-a,
-en 5. 9- 10 . 31 , 74, 85,
250, 265. 290,
Caesar-Tempel 250.
Forum Iulium
250,
Sebasteion 250, 265,
Amiternium 73,
Anagnia 177,
Ankara —> Ankyra
Ankyra
258 -259 . 262, 264 -265 , 268.
Roma-Augustus-Tempel 25 -259,
262, 264,
Theater
259.
Antiocheia Pisidien) 259-260,
Agora 259-260,
Bouleuterion 260,
Kaiserkulttempel 259-260.
Plateia
des
Augustus
260.
Plateia d es Tiberius 260,
Antium
177,
Apame i)a 37. 252,
Aphrodisias
12, 104, 255 -258 , 268,
Aphrodite-Tempel 256.
Atrium-Haus 256,
Sebasteion 255-256,
Stadion
256.
Aquitania 140,
Aritium
34-3 7, 72,
Arles 75.
Arpinum
98, 177.
Asia / Asien 35 -3 7, 42, 49. 100, 104,
138,
141, 165. 228-229, 234-235.
249,
252, 255, 261, 265-268,
Asopos 218,
Assos 35-39.
Athen 6, 222. 226 -228 , 293.
Roma-Augustus-Tempel
293,
Äugst 254,
Auximum 239,
Avenches -> Aventicum
Aventicum
254
Babylon
39,308,
Baetica
245.
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342
Register
Bargylia
10.
Bergama —> Pergamon
Beziers 105.
Bithyni-a,
-en 19. 37-38. 141. 174.
Boiotien 76. 216-217. 294.
Byzanz 61.339.
Caesaraugusta
241.
Caesarea
327. 333.
Cannae 36.
Capua 177.
Camuntum
182.
Catina
238.240.
Centuripae 233. 242.
Chaironeia 215-216.
Chalkis 235.
Chios
302.
Chrysopolis
60.
Qrta 328.
Constantina 328.
Constantinopel —> Konstanrinopolis
Creta
et
Cyrenaica
140.
Cyprus —> Zypern
Dakien 134.243.
Delphi
210. 213. 223-226. 302.
Marmaria 224.
Didyma 13.
Dory-laeum,
- aia 37. 252.
Dougga
75
Dura Europos 50. 308.
Echinos
214.
Elaia
111-112.
Eleusis
227.
Emessa
321.
Epeiros
236.
Ephesos
6. 9. 19. 226. 251-255 . 265.
267-268.
Artemision
255.
BasilikeStoa
251-252.
Domirian-Tempel 254.
Doppelmonument
255.
Kuretenstraße 254.
Markttempel
253.
Obere Agora 253-254.
Epidauros
8. 22. 222.
Eresos
253-254. 265. 267.
Augustus-Tempel
265.
C und L. Caesar-Tempel 253.
Eumeneia
37. 252.
Fanum 251.
Firanlar 19.
Frusino
177.
Galari-a,
-en / galatisch
32-33.
42.
249. 255. 258-259. 262-264. 266-268.
Galli-a, -en 35. 177. 238. 244.
Gallos Fluß)
264.
Gangra 32-33.36-37.
Gaulus (= Gozzo) 241. 245-246.
Germania 134. 137.
Gytheion
5. 16.
218-221.
229. 250.
Hadrianopolis 60.
Halaesa
240.243-245.
Hellas
296.
Heloros 233.
Herakleia
am
Latmos
255.
* Herbessos
233.
Herculaneum 243.
Hippo Regius
241.
Hispania
35. 100. 104. 134. 136. 138.
244.
Hispellum
327. 331.
Hypata
212-214.225.
Iasos
12. 18. 252.
Ioulis
21.
Isernia
72
Israel
86.286.303.311.
Isthmia
223.
Itali-a, -en 35. 69. 91. 165. 167. 17 7-
179. 182. 235. 238. 241. 243-244.
247.
8/19/2019 Hubert Cancik, Konrad Hitzl, Hrgs. (2003). Die Praxis Der Herrscherverehrung in Rom Und Seinen Provinzen. Tübin…
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Topographisches Register
343
Iudaea
289.303.
Jerusalem 39. 85. 285. 287-292. 302.
306. 308.
Kalindoia
16. 18.
Karrhai 53.
Karthago
39. 41 . 178. 293.
Kentoripe -» Centuripae
Kierion
212.
KiKkien
182.
Klaros
235.
Köln 260.
Ubieraltar
260.
Koloe 14.
Konstanrinopolis 61 . 63. 65-66. 328.
Korinth
105. 216. 235. 285. 293-294.
296.
298 299. 305.
Basilica
293.
Forum / Agora. 293.
Lechaion-Hafen
293.
Koroneia
215-217.222.
Korope 3.
Kos / koisch 9.1 5. 17.
Kreta
6.228.
Kynoskephalai 211.
Kyrene
97. 104-107. 109-111. 116-
117. 226. 334.
Kysis
8.
Kyzikos
265.
Lamia 212.
Larisa
213.
Leontinoi 233.
Leptis Lepcis) Magna 105. 241..
Lipara
240.
Lokroi
80.
Lucus Feroniae
251.
Lugdu-num,
-nensis
101. 137. 140.
Lusitaai-a,
-en 34-35 . 42.
Lilybaeum
244. 246.
Lyon —» Lugdunum
Lyttos
6.
Magnesia
am
Mäander
9. 226.
Mainz 175.
Macedonia / Makedonien 211. 235.
Mallos
3.
Malta 241.
Megara Hyblaia
233.
Messana
234.
Metropolis 212-213.
Milet
10.255.
Ära
Augusti
255.
Misenum 243.
Moesia
138.
Myla-sa 252.
Mytilene
6. 10.
Narbo 30.
Naulochos
197.241.
Nemea 223.
Neton
233.
Nikomedeia
143.326.
Nikopolis
223-224.
Kisibis
59.
Nola 75.
Oinoanda
8-9. 16. 18. 250.
Olymp 75.
Olympia
102. 223.
Orange
75 260.
Ormelai
17.
Osrhoene
335.
Ostia 243.254.
Otricoli
243.
Palästina
289. 301-302.
Palmyra *
134.
Pamphylien 267.297.
Panhormus
241.244.
Pannonia
135.137-138.
Paphlagonien 13.32-33,
Parma
105.
Pedtaelissos 20.
Peloponnes
210. 296,
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344
Register
Pergamon 7. 10. 49. 98 .1 00 .1 03 .1 11 -
116.
235. 252. 260-262. 264-265.
267-268.
Agorai 261.
Asklepieion 98. 103. 111-11 6. 261 .
Bouleuterion 261.
Eum enische Stadt 261.
Roma-Augustus-Temenos 252.
Theater 262.
Traianeum 260-261.
Pessinous 19. 263 -265 . 268.
Phazimon —» Gangra
Philadelpheia 12.
Philia 211.
Phokis 224.
Picenum 239. •
Pisidi-a, -en 249. 257. 259 . 268 .
Plataiai 227.
Pola 254.
Pompeji 251.308-309.
Po nto s / Pon tus 13. 141. 174.
Praeneste 33.
Priene 37. 252. 268. 302.
Puteoli 235.
Reate 177.
Rh odo s 228. 297.
Rom(a) V -V L VIII. 14. 30. 32. 37 -40 .
42.
48-49. 54. 62. 65. 69-70. 72. 76.
91.
97-99. 101. 113. 133-134. 140.
145. 157. 160. 162-164. 171-172.
174-182.
184. 190. 193. 196. 201.
203.
211. 214. 216-217. 229. 235-
238. 240-241. 245-247. 251. 257.
288-290. 293. 301. 303. 330.
aedes Vestae 168.
aedis Ap ollinis 197.
Ap ollo Palatinus-Tempel 190.
197-198. 202.
Ära Cereris Matris et Opis Augus-
tae 201.
Ära Fortunae Reducis 20 1.
Ära Gentis Iuliae 201.
Ära Nu m inis Au gusu 30. 200.
Ära Pacis Augu stae 30. 54. 162.
168. 195. 199-201.
Ära Providentiae 190. 195. 1 98 -
201.
Augustus-Forum 54. 58. 190. 2 0 2 -
203.
Augustus-Mausoleum 198.
campus Agrippae 200 -20 1.
Capitol 38. 99. 101. 193 -196 . 237.
Concordia-Tempel 196.
Divu s Augustus-Tempel 189. 19 5 -
196.
D ivu s lulius-Tem pel 198.
For um Romanum 99. 196. 198.
Iuppiter-Tempel 173 -17 4. 193.
Iuppiter Feretrius-Tempel 237 .
Iuppiter Tonans-Tem pel 193.
Kapitol -» Capitol
Marcellustheater 195.
Mars Ultor-Tem pel 53 -54 . 58. 65.
101.
190. 193. 202.
Palatin 91. 195. 197.
Panth eon 62. 101. 113. 198.
Regia 202.
Rosellae 243.
Sagalassos 255. 25 7-2 58 . 297.
Antoninus-Pius-Tempel 257-258.
Apollon-Tempel 257.
Bouleuterion 257-258.
Nymphaion 257-258.
sog. Od eion 257.
Theater 258.
Thermen 258.
Samos 32. 105. 23 5.
Sardeis 14.252.
Sardinia 35. 244.
Sarmizegethusa 243.
Scolacium 243.
Selin(o)us 62. 182.
Selge 255.257-258.
Aelius-Caesar-Tempel 257.
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Topographisches Register 345
Serdica 326.
Siciüa 35.233-247.
Siena 308.
Sikyon 305.
Siris 215.
Sirmium 329.
Sizilien / sizilisch -» Sicilia
Smyrna 104. 226. 228. 252.
Spanien / spanisch -» Hispania
Sparta 217.219.222.
Stratonikeia 7. 14-15. 262-265. 268.
Syrakus 233-237. 239. 241-242.
Syria 135.
Tainaron 218.
Tarent 80.178.
Tarraco 104.
Tauromenion 233. 235.
Terracina 170.254.
Thasos 252.
Thera 252-255.268.
Dionysos-Tempel 253-254.
Stoa Basilike 252.
Thermae Himeraeae 240.
Thermopylen 223.
Thessalien / thessalisch 211-214. 217.
Thyatteira 3. 17. 19.
Thysdrus 134.
Tibur 145. 243.
Tivoli -•» Tibur
Tralle(i)s 235. 252. 255.
Umbrien / umbrisch 327. 331.
Veleia 105.
Vernegues 260
Zypern 229.
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346
Register
Personen und Götxernamen
Acca Laren tia 192.
A. Claudius Charax 113.
Adonis 15.
Aelius Caesar 257.
Aeliu s Saoterus 143.
Agrippa -> Vipsanius Agrippa
Agrippa I. (Iudaea) 289.
Agrippina 21. 194. 196.
Ahura M azda 7.
Alexander d. Gr. 3 0 3 .
Alexander Severus -» Severus Ale
xander
Alexandros von Abono uteichos 3-4 .
13.
Am brosius v on Mailand 337.
Amphilochos 3.
Am yntas (Galatien) 262.
Andronikos (von M etropolis) 213.
An onym us 135. 139.
An tigono s Gonatas 90.
An tiocho s IV. Epiphanes 290 .
Antonia 194.
An tonine / antonini(aoi)sch 50. 52.
54-55 .
57. 131. 133. 137. 146. 152.
180.
Anton inus Pius 9. 21 .
53.-71.
74. 134.
137.
141. 175.
Antonius
—
Marc Anton
Aph rodite 8. 104. 219 . 256. 293 .
Aphrodite Prometor 256.
Ap ollo(n) 3. 6-9 . 11. 13. 16. 21. 88.
9.1.
97. 105. 108. 116-117. 198. 218.
223.
291.
Apo llon Did ym eus 255.
Ap ollon Nisyrites Soter 11.
Ap ollon Ptoios 29^-297.
A po llo Palatinus 197-198.
Ap olloo ios vo n Kalindoia 16. 18.
A . Postumius Albinus 178.
Appian 74.
Aquilia Severa (= Vestaün) 171 .
Archytas 80.
Ares 21.
Aristarch vo n Samos 89.
Aristides 260.
Ar sinoe 19. 236. 238 .
Artemis 6. 14. 251 . 255.
Artemis Epiphanes 11.
Artem is Kindyas 10. .
Artem is Kyparissia 218 .
Ask lepios 3. 13. 17. 111. 115. 303 .
Ask lepios Soter 111. 113.
Ateius 72.
Ath e-na, -ne 6. 37. 197.
Athena Itooia 211 . 215 -216 . 221 .
Atia 91.
Attalo s II. 115.
Attalo s III. 111 -11 2. 115.
Atticus 98.
Au gustin(us) 41. 83,
Augustus V I- V H . 6. 10. 16-17. 21.
29 37.
49. 52 55. 58 59. 62. 69 75.
77,
84-85. 88.
90-91.
99. 101. 104.
10^107. 110. 134. 141. 144. 158-
162.
165. 168 169. 173. 179. 191
198. 200-203. 211-213. 217. 219.
223.
237 238. 240 242. 244 246.
251 255. 258 260. 263. 265. 268.
284. 291. 293-294. 303. 324.
Aug ustus Germanicus -> Caius Cae
sar
Aurelian(us) 65. 32 1-3 22.
Aurelia Severa (= Vestaün) 171 .
Aurelius Victor 328.
Balbinus 159.
C . Aelius P. f. Domitianus Gaurus
135.
141.
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Personen- und Götternamen
47
Caesar 30. 32 . 51 . 69. 72. 74 -7 5. 99.
101.
106. 160. 198. 245. 250. 252-
255. 293. 323.
Caesar Au gustus --> Au gustus
Caius Caesar 21 . 31 . 35 -3 8. 70. 74. 85.
91.166. 194-196. 199-202. 214. 217.
222-223.
241. 285. 287-292. 297.
Caligula ~» Ca ius Caesar
Cannu üa Crescentia (= Vestalin) 171.
Caracalla 53 . 57. 144-145 . 171. 173 .
238.
Carinus 162.
Carus 162.
Cassius D io 73-74 .143.15 0-15 2.171 .
192.
322.
Castor 29.
C.
Aufidius C. f. Victorinus 135. 139.
142.
C .
Bruttius C . f. Praesens 135. 138.
142.
C. Caesar 200. 237. 240. 253.
C C laudius Marcellus 239 .
Ceres 241.243-245.
Cerialis An icius 101 .
Christus -» Jesus Christus
Cicero 88. 90. 98 -99 . 103. 234 -237 .
C .
Iulius Caesar -> Caesar
C .
Iulius Eurykles 21 8-2 19 .
C .
Iulius Lak on 218.
Claudius 21. 31. 54 . 71. 85. 91. 183.
194. 202. 212-213. 222. 240.
Claudius Gothicus 64- 65.
Clod ia Laeta (= Vestalin) 171 .
C n . Calpurnius Piso 199.
C n . Cornelius Dex ippos 215-21 6.
Com mo dus 51 -52 . 55. 61. 133. 138.
143.
145-146. 176. 321.
Constans 31^-320.
Constantin(us) / konstantinisch 51.
55-57.
59-61.
63-65. 284-285. 300.
319-320 . 322-3 23. 326-328. 33 1-
336.
Constanün(us) IL 31^-320 .
Constantius I. Chlorus 51 . 64 -65 .
319-320.
Constantius IL 57. 59. 61. 175 -176 .
184. 319-320. 326. 329-330. 334.
338.
Cornelia (= Vestalinnen) 170.
C.
Plautius Rufus 239.
C . Popp aeus Sabinus 212.
C .
Publilius Pilargurus 240 .
Crispina 138.
C. Rubellius Blandus 107.
C Sextilius Po llio 25 1.
C . Valerius Flaccus 149.
C .
Verres -> Verres
Dalmatius -»Delmaüus
Damas vo n Milet 10.
Da niel (Prophet) 290 .
Daphnos 18.
D ea Aug usta Messalina -» Messalina
Dea Dia 190-193.
Decimu s Magnus Ausonius 238.
Dec ius 73. 324.
Delmatius 61.
Demeter 236.238.
Dem eter Karpophoros 21.
Dem etrios Poliorketes 91.
Dem osthenes v on Oinoanda 8. 18.
Did ius Iulianus 53. 135. 140.
D io -» Cassius D io
D io Ch rysostom os 81. 90..
Diocletian(us) 51. 59. 163. 180. 3 1 9 -
320. 3 22. 334.
Diodotos 12.
Dio gen es (von Aphrodisias) 104.
Diokletian / diokleüanisch —* D io -
cletian
D ion vo n Prusa 88. 90.
D ion yso s / dionysisch 19. 34. 77. 253.
Diotogenes
80-81.
83. 89.
Divus Antoninus Pius -> Anton inus.
Pius
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48
Register
Divu s Augustus -> Augustus
D ivu s Iulius - » Caesar
D ivu s Vespasianus -» Vespasian
Domitian
70-71.
76. 91. 166-167.
170-171. 173-175. 183. 213 . 254.
Drusilla 31. 71. 194.
Dr usu s 30. 219.
Drusus minor 105. 242.
Ekphantos 80. 82.
Elagabal 19. 53 . 171 -17 3. 32 1.
Epam(e)inondas von Akraiphia(i) 1 0 -
11 . 214 . 216 . 222 . 296-297 .
Epineikidas 218.
Eusebios / Eusebius 284. 289. 327.
331.
333.
Euxenos 11. 12.
Faustina die Jüngere 145.
Faustina Pharia Sos istolos 10.
[-] Fidus A [- ] Gallus Paccianus 135.
140. 142.
Firmicus Maternus 334.
Flamininus 21 1. 219. 235 . 297.
Flavia Laneika 21 5-2 16 .
Fla via M eliune 113-1 16.
Flavianus Heka todoros 7.
Flavius Eutolmius 12.
Flavius Josephus 323 .
Frontinus 150.
Furius Philocalus 49. 54 -6 0. 64 -6 7.
Galerius 59. 326. 334 .
GalKenus 212.
Gallus 320.
Gellius 148.
Gelon 236.239.
Germanicus 35. 37.1 44 .194 .199 -20 0.
219.
242.
Glykon 3-4 . 13.
Gordianus III. 64 -65 .
Gratian 159. 176. 326. 330. 33 5-3 36 .
Gregor vo n Na zian z 337.
Hadrian 8.
19-21.
62-63. 71. 74. 91.
98.
103. 111-116. 136. 141. 151. 176.
212.
217. 223-224. 226-228. 242-243.
260. 265. 321.
Hadrian Panhellenios 227 .
Hannibal 177.
Hannibalianus 61.
Hekate 14-15.
Hekate Soteira 17.
Heliogabalus - » Elagabal
Helios 297.
He lvius Agrippa (= Pontifex) 171.
He lvius Pertinax 53 .
Herakles 10.
77
238.
Heraklios 234.
Hercules 145-146. 321 .
Herennius 73.
He rm es 10. 238 .
Hermogenes 11-12.
Herodas 15.
He sua Boulaia 255.
Hieron II. 233-234 . 236. 238-2 41.
Hilleid.Ä. VI.
Homonoia 227.
Honorius 12.
Horaz 29-32 . 42 . 90 .
Hydatius 61.
Is i s 215.254.305.
Iulia Au gusta -> Livia
Iulius Acilius Her me s 244 .
luppiter
40-41. 101. 164-167. 178.
183.
189. 240.
luppiter Capitolinus 38. 240 .
luppiter Op um us Maxim us 36. 72.
189.
193.
Jesus Christus 86-8 7. 283 . 287 -290 .
292.
298. 301-304. 30 6-311 . 333.
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Personen- und GÖtcemamen
349
Julian 162-163. 175. 180-181. 31 9-
320. 329-330. 335.
Jupiter -> Iuppiter
Kallixenos 5.
Kambyses (und Praexaspes) 84.
Kleanthes 80. 89.
Konstantin -» Constantin(us)
Konstantinos Porphyrogennetos 63.
Kybele 34.259.
Lactan2 331-332.
Laelius 32.
L.
Annius L. f. Ravus 143. 145.
L.
Caesar 200. 240. 253.
L.
Cornelius Merula 165.
L.
Cuspius Pactumeius Rufinus 112.
L.
Dasumius P. f. Tullius Tuscus 135.
137. 142.
L.
Domitius Alexander 328.
L.
Egnatius 240.
Lentulus Gaetulicus
1 94 199
Lepidus 165. 169.
Liber 29.
Licinius
60-61.
63. 326. 331.
Livia 21. 31. 54. 104. 194-195. 218 -
219. 240. 245-246. 251-252.
Livius 147. 177. 179. 211.
L. Metellus 178.
L. Octavius Cornelius P. Salvius P. f.
Iulianus Aemilianus 135-136. 142.
Lucan 29. 32.
Lucilla 143.
Lucius Verus 52. 61. 139. 141-142.
144.
Lukas 303. 306.
Lukian 3. 13.
Lutatia -> M. Livius Quintus
Luther 310.
L.
Valerius Flaccus 235.
L.
Venuleius Apronianus Octavius
135-136. 142.
L.Vitellius 289.
Macrianus 53.
Maecenas 73. 321.
M. Annius 235.
Marc
Anxon
34. 168. 192. 245. 250.
254.
Marcus Aurelius 52. 55-56. 71. 109-
110.
133. 135. 137. 140. 142. 144-
146. 152. 168. 174-175. 238.
Mark Aurel -» Marcus Aurelius
Mars 178. 202.
Masurius Sabinus 192.
M. Aurelius Cleander 143.
M. Aurelius Daphnous Kataplous 12.
Maxenrius 60.
Maximian 57. 163.
Maximin(us) 331.
M. Claudius Marcellus 234. 236. 239.
M. Didius M. f. Severus Iulianus -»
Didius Iulianus
Menandros (von Aphrodisias) 104.
Men 260.
Men Askaenos 259.
Mercur 244.
Messalina 296-297.
Messalla 35.
Milonia Caesonia 194.
M. Iunius Silanus 222.
M. Livius Quintus 245.
[MLo]llios 264.
M. Nonius M. f. Macrinus 135. 138.
Moses 39.309.
M. Pontius M. f. Laelianus Larcius Sa
binus 135.
M. Sufenas Proculus 106-107.
M. Tullius Cicero -» Cicero
M. Ulpius Eutychus 244.
M. Vettulenus Sex. f. Civica Barbaras
135.
139.
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350
Register
Ne optolem os Markos 12.
Nereis 236.
N ero / neromsdr 21. 32.
70-71.
7 5 -
76.
79. 83-84. 87-88.
90-91.
101.
158.
170. 173. 195-196. 216. 223.
225. 285. 294. 29 6 29 7. 300. 302 .
304-305.
N e r o liberator 294.
N ero Zeus Eleutherios -> Zeus
Eleutherios Nero
Nerses 59.
Nerva 218.221.
Nike(n) 219-238.
Numerianus 162.
Octavian -»Augustus
OfilliaBassa 251.
Origenes 306-
O vid 90.160. 169.
Paccius Maximus 240.
Palladius 335.
Paulus 86. 294. 29 8-2 99 . 304 -307 .
309.
Pausanias 215. 218. 22 3-22 4.
Pax 193.201.
Perennis 143.
Persaios SO.
Pertinax 140.176.
Petrus 306.
Phaeton 90.
Philisns 236.238.
Philo(n) 87- 250. 28 9- 29 1. 303 . 31 1.
Philochareinos 218.
Pietas 193.
PUatus 287-288.292.
P. Liciuius Crassus 149.
Plinius der Ältere 77 -7 8. 83.
Plinius Secundus 37 -38. 83. 101-1 02 .
150-151.
174. 181. 184.
Plotina 184-
Plutarch 87-89. 169. 220 . 297.
P. M. An nieius 237.
Polemius Silvius 49-5 0. 54-5 7. 64-6 6.
Pollux 29.
Pom pon ia Roifina (=.VestaIin) 171.
Porphyr ios 329.
Poseidon 218.
Postumus 163.
Potens 18.
P. Petronius 289.
Probus 65.
Providentia 200-201.
Ptolem aios Epiphanes 86.
Ptolem aios IL Philadelphos 236. 238.
Publius M emm ius Kleandros 225.
Pupienus 159.
Pylaimenes 262.
Pyrrhos 236.
Q . Aurelius Sym machu s —» Sym ma-
chus
Q. M ucius Scaevola 234.
Q. Pompeius Q. f. Senecio Fuscus Saxa
Vryntianus Sosius Priscus 135.
141-142.
Q . Pom peius Q . f. Sosius Priscus 13 5-
137. 142.
*Q. Tullius Cicer o 235.
Quirinus 77. 178.
Re 88.
Rom a 16. 32. 145. 252. 254 -255 . 258.
Rom ulus 29. 191 -193 . 237.
Salus 30.
40-41.
Sarapis 8.
Scipio 36.
Seneca 75. 79 -8 5. 87. 294.
Sepum ius Severus 53. 176. 324.
Seivius 72.
Servius Cornelius Lentulus Malugi-
nensis 165.
Severus Alexan der 53. 321 .
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Personen- und Götternamen
351
Sexxus
Pom peius 197. 241.
Sextus Pom peius Festus 177.
Sextus Kufus 238.
Silas 306.
Sol
88 .91 .
Sol-A pollo 70 . 75.
90-91.
Sol-Helios 88.
Sol Invictus 322.
Sosandros 14-15.
Sphairos 80.
Starius 31 . 171 .
Sthenidas 80.
Stobaios 79 -80. 82.
Strabon 213.
Sueton 30. 36.
77.
100-103. 170. 192.
195. 297.
Sulla 161.
Symm achus 172. 238. 330.
Synesios 334.
Tacitus 35. 71 . 76 -7 7. 100. 104. 171.
179.
Tarrutenius Paternus 143.
Tenull ian 39-42.303.333.
Tetricus I. 16 2-1 63 .
Tetricus IL 162.
T. Flavius Eub iotos 225 .
T. Flavius K yllos 225. 227.
T. Flavius T. f. Sulpicianus
s
142.
Themisrios 326.
Theod osius I. 159. 326. 335-3 36.
Th eodo sius II. 335 . 337.
Theokrit 15.
Theophilos 325.
Tiberius 30. 35. 74. 76-7 7. 97. 10 0-
111. 117. 152. 165-166. 169-170.
178.
194-195. 199-200. 202. 212.
218-220. 240-241. 246. 251. 263.
293.
Ti. Claudius M enogen es 20 .
Ti. Claudius Zosim us 175.
Timokrates 11.
Timoleon 241.
Titus 152. 170.
Tityrus
75.
T. Pomponius Proculus Vitrasius Pol-
lio 135. 137,
T. Q . Flau) minus -» Flamininus
Traian / traianisch 6. 12. 37 -3 8 . 53 .
7^ S
60-63. 70. 83.
SS.
112. 153.
170.
174. 181. 184. 254. 260. 321.
334.
Trajan -•». Traian
T. Statilius Tim okrates 222.
Tullia 98.
Tyche 218-219.
Ulpian 191. ,
Vadomar 335.
Valens 326.
Valentinkn 326.
Valenrinian II. 33 5.
Varro 72.190.
Venus 145.
Venus Genetrix 256. 293 .
. Vergil 75. 192-193.
Verginius Rufus 150.
Verres 234-240.242.
Verus —» Lucius Verus
Vespasian 71. 78. 99. 170. 213. 3 2 3 -
324.
Vesta 34. 168-1 70. 172-173 . 183. 202 .
293.
Victoria 260.305.
Victorinus 163.
Vipsanius Agrippa 62 . 101.
Vitruv 251.
Zeus 6. 14-16. 20. 8 6. 10 2 . 236. 290.
297.
Zeus,
kapitolinisch -> Iuppiter Ca -
pitolinus
Zeus Ask lepios Soter 113. 115.
Zeus Anadotes 20.
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352
Register
Zeus Eleutherios 21 .
Zeus Epiphanes Gaius 289.
Zeus Dodcnaios 21.
Zeus Eleutherios 212 213. 227.
235.
242. 304 305.
Zeus Eleutherios Nero 76L 216.
296 297.
Zeus Hellanios 236.
Zeus Megistos 21.
Zeus Olympios
21.
241.
Zeus Panhellenios 226.
Zeus Patroos 21 . 104.
Zeus Philios 112. 260.
Zeus Sabazios 17.
Zeus Sosipolis 9.
Zeus Soter 12. 36 37. 76 . 296 297.
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Begriffs- und Sachregister
353
Begriffs- und Sachregister
Abendmahl 287. 299. 305. 307.
Achäer / Achaier 35. 210. 222.
Actia 260.
Adoptivkaiser 132.
adoratio purpurae 330.
adventus VI. 47. 242. 247. 305.
aedes 98-102. 105.
Ägypter / ägyptisch 8.
81.
86-88. 254.
291.
Ästhetisierung 14-16. 21.
Agon(e) 6-7 .10-11 .20.2 13. 215.21 -
219.
227. 235-236. 305.
Agonothet, -en, -es -^ Kultpersonal
Agora 236. 244. 250-261. 263-266.
293.297.
Agoranomos 219-220.
Ainanen 211. 223.
Aitnaia 235.
Aitoler 224.
Aizaneten 227.
Akraiphier 215.
Akropolis 197. 250. 258-260. 263.
266. 293.
Alaman-nen, -nisch 238. 335.
Alexandrinisch(e Juden) 289-290.
Altar VI. 10. 16. 20.
29-31.
33. 76.
107.
199-201. 216. 241-242. 244.
249.
251. 254-255. 260. 266. 294.
296-297. 308-309. 323.
Amphiktyonen 223-225.
Amphiktyonie 210. 213. 223-225.
Amphitheater 237. 250. 261-262. 264.
Annona 35.
apex 167-168.
Apotheose -»Divinisierung
Archiereia 17. 215.
Arch-iereis, -iereus 17. 213-216.
224-225. 229. 263. 296-297. 302.
Archon 227.
Aretalogien 13.18.
Aretalogoi -> Kultpersonal
Aria-ner, -nismus, -nistisch 320.
333-334.
Arval-akten / -brüder(schaft)
-> Fratres Arvales
As 40.
Asiarch 216.
Asklepieion 8. 15. 98. 111-116. 261.
aspergillum 161.
Athener 224.
Athlophoren — Kultpersonal
Atimie / Arimos 220.
Atcaliden 115. 197.
Augurat / Augur(en) 41. 132. 136-
137. 141. 147-151. 153. 158. 161.
Augustalen -> Sodales Augustales
Augustalia 52.235.
Augusti / Augustus 10-11. 20. 135.
140.
158-159. 214^ 216. 225. 296-
297.
Auspizien 179.
Axial(ität) 256. 259-260. 263. 266.
Bankett -> Kulthandlungen
Bar Kochba-Aufstand 303.
Bild(erkult) 288-291.
Bithyniarch 216.
Boiotarch(es) 215-216.
Boioter / boiotisch 35. 38. 215-216.
221-2 22 224. 297.
Bouleuterion 14-15. 233. 236. 253.
255. 257-258. 260-261 . 263.
Bundesprägung (etc.) 212. 216. 218.
238.
Byssos VI.
Byzantinisch 251.
Caesar(en) 42-4 3. 52-53 . 61 .15 8.1 62 -
163.288.292.302.311.
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354
Register
Capitoli-a
7
-um 167. 235 . 259 .
Ch risten , -tum) / christlich V I I -
VIII. 84.101-102.110.157.162-163.
181.
184. 283-288. 292. 294. 298-
299. 305. 308-310. 319-320. 322-
330.
332-338.
Christianer 32.
39-41.
43.
Christolo-gie, -gisch 86. 28 5-2 87 .
298-300. 306. 310-311.
comm itinent 34. 39. 42.
comm une Siciliae 23 8-2 39 . 247.
Com pital-Kult 30. 42.
Concordia Augusri . 243.
coirfarreario 165.
constitun o Antoniniana 180.
Consul, -es, -n 35. 49. 10 1.1 33 . 13 6-
139.141-142. 238.
consul suffectus
—>
Suffektkonsul
crimen maiestaris 220.
cultus (Terminologie etc.) 10. 21 . 23 3.
Curator aedium sacrarium 136. 139.
cursus honorum 131-1 32.
Dadouchos
— Kultpersonal
damnatio 64. 73. 75 -76 . 176. 254.
Delphier 224.228.
delubrum 98. 100.
Demos 20 . 104 . 256 .
Demostheneia 8.
Diadem 239.
dies imperii 37 -38 . 43 . 47. 51 . 53. 55.
57 . 59. 193-196. 331. 337.
dies natalis 6-7. 47. 51 -5 3. 59 -6 0.
62-65.
241. 247. 331. 337.
diva / divi / divus V I-V II. 43. 70 -72 .
75.
S7
91. 134. 144. 225.
Divinisierung / divinisien VII. 71 -78 .
98-99.
110. 114. 134. 144-145. 158.
194.
310-311. 324. 328. 334. 337.
Doloper 211.223.
Don atisten / donatistisch 333 -334 .
Dorer 222.224.
Dromenon 3.
Edom 39.
Ehrenstatue (Theorie) —> Kultstatue
(Theorie)
Eid 29- 44 . 244 -245 . 247. 252.
Eiko nop horos -» Kultpersonal
Eleutheria 227.
Eleutherolakonen 218. 22 1-22 2.
Em otionalität .V. 26 8. 322.
Epangel(e)ia 18.
Epheben 233.235.
Ephoren 218.220.
Epimeletes 215.224-225.
Epulone 140.
Eschatologie 284.
Essener. 289.301-302.
Etrusca disciplina 183.
Euböer / Euboier 35 .2 22 .
Euergesia 235.
Euergetes 218. 22 5.
Euko smos -> Kultpersonal
Eusebeia 235.
Exegetes
—> Kultpersonal
fanum 98.
Fasri Am iterni 52. 73. 24 1.
Fasri Praenestini 30 . 49 . 54 . 20 0.
Feierlichkeiten -» Kulthandlungen
Feria-le, -lia 33 . 38. 50. 53 . 55. 57-5 8.
Fernwirkung ' 257 -259 . 261 -26 3.
Fest -•* Kulthandlungen
Festplatz 259.262.
Fetiale(n) / Feualitat 135. 139. 158.
191.
ferialis -» Fetia le
Fla-m en, -mines -> Kultpersonal
flamen Dialis 148-14 9. 164-1 68.
173.178-179. 183.
flamen IuliaJis 168 .
flamen Martialis 14 8.1 68 .17 8. 202.
flamen Quirinalis 148. 168. 178 .
flaminica Dia]is 166-1 67 .
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Begriffs- und Sachregister
355
Haminica 246.
Ka vier / flavisch 132. 180. 254 . 3 2 7 -
328.
Fluch 34 . 36-37 . 42 .
Forum 30. 41. 237 .242 -243 .250. 257.
260.
Fratres Arvales 50 .13 2. 141. 14 7. 15 0-
151. 158. 189-203.
Galatarch 216.
galerus 167-168.
Gebet -» Hy mn us
Geburtstag —
dies natalis
Gelübde -> Vota
Geni-en, -us (Augusti) 30. 39 -40 .
42-43 . 240. 243. 245.
Genslul ia 256.293.
Gerichts-barkeit, -funktion 212 . 251 .
Germanen 238.
Grammateus 211 -21 2. 215. 222.
Gym nasi-en, -um 233 -235 . 238. 240.
245.
249.
Gyrheaten 218.
Hafen 250. 265-26 6. 293.
Haru spices 41 . 183.
Hauptstraße 250 . 255-2 58. 266.
Heilstätte 3.
Hekatombaion 6.
Hekatomben 13.
Helladarch 225.
Heorte
—
Kulthandlungen
Heroen VII. 236.
Heroon 255.
Hethitisch 33.
Hierapho ren -» Kultpersonal
Hiere is / Hiereus -» Kultpersonal
Hierop hant -> Kultpersonal
hieros nom os 5.
Hipparchos 211.
Hippodrom 259.262.264.
Histo ria Aug usta 51. 55. 134. 145.
Hoheitstitel 302-303.
Homonoia 215.
Horkos 36.
Hor ologium Augusti 91. 201.
H ym -ne , -nen, -no s, -nus VII. 3. 5.
10.
12-15. 18-19. 29. 34. 41-42. 71.
306-307. 331-332.
H ypö ph etes -» Kultpersonal
imperator perpetuus 24 5-2 46 .
Ionier 224.
Isthmien 297 . 305.
iu s Italicum 179.
Jovier-Herculier 322.
Juden / jüdisch VI. 31. 84-85. 2 8 4 -
285. 287-292. 301-305. 307-311.
Judentum VII. 285 -287 .301-3 02. 308.
311.
Kaisareia (= Spiele) 11. 213 . 21 9-22 1.
229
Kaisarei-a, -o n (= Anlage) 219. 250.
252-253.
293.
Kaiserkult im Unterschied zu Kaiser
verehrung 219. 221 . 319-33 9.
Kalathephoren —> Kultpersonal
Kalender 33. 47- 67. 252. 294 .
-> Fasti (...)
Kanephoren -> Kultpersonal
Ka pitolinische Trias 259.
Karisch 257.262.
Karthager 178.
Keltisch 264.
Kenotaphe 98.
Keryx —> Kultpersonal
Kleidophoren -> Kultpersonal
K oi-na, -no n 35. 38. 209-2 29. 235.
K oin on der Achaier 35. 210. 217.
222. 225.
K oino n der Am phiktyon en 225.
K oin on der Boioter 35. 38. 210.
214-217. 221.
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356
Register
Ko inon der Eleutherolakonen 210.
217. 229.
Koinin der Euboier 35.
Ko inon der Lakedaimonier 218.
Ko inon der Lokrer 35.
Ko inon der Makedonen 229.
Ko inon der Panachäer 223.
Ko inon der Phoker 35. 216.
Koino n der Thessaler 21 0-2 11 .
213-214. 216-217. 221.
Kom istes -> Kultpersonal
Konsekration
—>
Divinisierung
Konsulat 133. 136-1 37. 193. 195.
Konsuln -> Consu ln
Kontrolle 69. 71.
77
79. 90. 146.
Kopaisdamm 217.
Kranz / Kränze V I. 8-1 0. 15. 16. 143.
167. 225.
Krone(n) 8- 9. 18. 167. 227. 291 .
Kulthandlungen V- VI II. 5-7. 10- 12 .
14-15. 17. 19-20. 29. 40-42. 71-72.
75-76. 102. 110. 116. 134. 168. 173.
191. 194-196. 198-202. 209. 213.
218-223.
234-236. 240-242. 246-
247. 249. 252 264. 266. 268. 294.
298-299. 305-310. 323-328. 330-
333/335-338.
Kultpersonal VL 3. 8-1 1. 14. 16. 20.
100.
134. 137. 141. 144-145. 148-
149. 152-153. 158. 165. 168. 172.
213-215. 224-225. 227. 240. 245-
246.
Kultstatue (Theorie) 9-1 0. 12. 75.
97-104. 115-116. 236-237. 249. 294.
Lak onisch -> Spartaner
Lampadophoren -> Kultpersonal
Lararien 42.
Laren / Lares (Au gusti) 30. 240 . 243 .
245. 247.
Legatus Aug usti pro praetore H O
H L -
Legatus pr o praetore 239.
Legatus Syriae 289.
leges annales 132.
lex sacra 6.
lituus 161.
Logistes 215-216.
Lokrer 35 .222.224.
Loy alität 32. 34. 43 -44 .
Luperci 191.
macellum 308-309.
Magneten 223.
Makedoniarch 216.
Makedonier 224.
Makkabäer 290. 307.
Malier 223.
Manen 32.
Manichäer 334.
MarceUi 235. 239.
Marcellia 234-235.
Markomannen 168.238.
Marktplatz -> Agora
Martialici —» Spiele
M astigophoroi -> Kultpersonal
M eineid 31. 36-37.
Messianismus 287. 311.
Metro(i)on 8.
Moiren 14.
Molosser 236.
M onotheis-mu s, -tisch 42. 283-2 85.
291-292.
304. 310. 321. 323. 325.
Mucia 234-235.
M ysterien, eleusinisch 3 -4 .
Mysterien (...) VII. 3. 1 8- 19 . 227. 303.
306.
Naopoioi 215.
Nemea 12.
N eo ko rie (...) 112. 250. 26 1-2 62 . 265.
268.
Neptunalia 48.
Neu pythagore-isch, -ismus 79- 80.
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Begriffs- und Sachregister
57
Numen (Augusti)
29-31.
75-76. 243.
247.
335-336.
Oberpontifi-kal, -kat - * pontif ex ma-
ximus
Oitaier 211.
Olym pische Spiele 29 7. .
Opfer -»Kulthandlungen
Orakel - VII. 3.
Ordo sacerdotum domus Augustae
143-145.
Or do sacerdotum dom us divinae 146.
Ostraka 9.
Paiane 13.
Paidonomos 15.
Paidophylakes 15.
Pamboiotia 215. 217 .
Panachäer 210. 21 4. 22 2.
Panathenaia 6.
Panhellen 227. •
Panhelle-nen, -nion, -nisch 210. 2 2 3 -
224.;226
r
22
Panhellenia 226-227.
Panionion.
;:
252.
Pantes f heoi 236. 243.
Pantheon -322 325.
Paphlagonier 34.
Papy-ri, ~rus 50. 55 .
Parthenos
<
37. 39.
Panher / parthkch 52. 54. 57 -58 .
61-6r~~~'
patera 161.241.
pater farinlfas 43 .
pater patm e'
:
43. 193-194. 238. 296.
Patrizier-Öl 136-138. 141-142. 149.
Patronus.234.
Pax Roman*—221.
Performanz
J
;7 performativ 15. 21 .
7 7 - 7 9 . ^
Peripherie - 38.
Perrhaiber 223.
Perser / persisch 86 -87 .
Pharao 74. 88 .
Phokarch 216.
Phoker 35 .215.222.224.
Phthioten 223.
pietas / Pietät V. 63. 184. 29 6-2 97 .
337.
pignora imperii 168.
Pisonisch 70.
Platonisch
S7
Plebejer / plebeisch 133. 135. 147.
149.
Politische Religion 283 -284 . 338-3 39.
Polycheis-mus, -tisch 29 1-2 92 . 299.
304-305. 320.
Pompe 5-6.
Pompeianer 192.
Pompeianisch 42.
pontifex maximus 30. 33 . 140. 14 7-
149. 153. 157-165. 167-170. 172-
177.
180-184. 323. 325. 335-336.
Pontifex / Pontifices 132. 135-13 8.
141.
144. 147-149. 151-153. 157.
160-161. 164. 166-167. 169. 171-
183. 202. 245.
pontifices maximi
—> pontifex maxi
mus
Pontifikat -»Pontifex
praefectus cohortis 141.
praefectus fabrum 141.
praefectus praetorxo Italiae 172.
praefectus urbi 172.
Prätorianer(präfekt) 12. 35. 53 . 143.
Primipilus 32.
Procurator Au gusti 74.
Prodigi-en, -um 71. 177-178.
Prokonsul(at) 136 -139 . 141. 212. 235.
Prophet 3.
Prorrhesis 3.
Proskynese 306-3 07. 332.
Prothytes -» Kultpersonal
Providentia 297. 30 1.
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358
Register
Provinziallandtage 228.
Prozession • -> Kulthandlungen
Prytane 253.
Psephisma(ta) 215. 22 3.
Ptoia 11.215.
Ptoion 216.
Ptolemäer 74. 81.
Ptolemaia 5. 9.
Purpurgewand VI. 9. 167.
Pyrphoren -» Kultpersonal
Pyxhia / Pytbien 213. 223. 225. 235 .
Pyrhisches Orakel 36 .
Quattuorvir(i) Au gusta-les, -lis 2 4 2 -
243.
QuindecimvirQ sacris faciundis 132 .
138-139. 141. 147. 149. 158. 161.
177.
Rathaus -> Bou leuterion
Recht 168-171. 176. 179. 220.
Regierungsantritt -» dies imperii
Reichsreligion - » Zentrale und Ze n
tralst / zentral / Zentrum
Rekursivität von Ritualen -> Ritual(e)
Religionstopographie 18 9-2 03 . 22 1.
242 249-268.
Restitutor 242
Re x sacrorum 148-149 .
Rhetorik V I 239.
Ritter(lich) 141-1 42 . 153 .
Ritual(e) V. VIL 3- 9. 12 -1 4. 17 -18 .
20-2L 29. 32. 39. 41-42. 288. 291.
299. 306-307. 309-310. 320. 324.
326 .328. 336-338.
Ritualtransfer -»Ritual(e)
Ritus -» Ritual(e)
sacel-la, -lum 243.
Sacer-dos, -dotes -> Kultpersonal
sacerdoti-a, -um 131 . 15 8-1 59 . 163.
176.
sacra publica 7 2 131. 323. 338.
Sakralisierung 284. 29 3-2 94 . 29 8-2 99 .
Sali-er, -i 137. 143-1 44 . 149. 191.
202-203.
SaKus Co llum s 141.
Salus C aesaris 40-41.
Sasaniden / sasanidisch 54. 59 .
Schlange(ngott) 3 . 91 .
Sebastei-a, -on 33. 39. 249 -250 . 2 55 -
256.
258. 263. 265-268.
Sebastoi / Sebastos 33. 21 5-2 16 .
Sebastoi Theoi
—»
Theo Sebastoi
Sebasto lo-goi, -go s - * Kultpersonal
Sebastopho-roi, -ros - » Kultpersonal
Septemviri epulon um 132. 149 -150 .
158.
161.
Severer / severisch 4 2 50. 5 2 .5 7 .1 8 0.
263.
Sevir Augustalis 24 4-2 45 .
Sibyllinische Büch er 177. 197.
Sikelioten 238.
simpulum 161.
Skenetrien 11.
Skeptrophoren - » Kultpersonal
Sodales / Sodalität(en) 131 . 13 5-1 37 .
139-140. 144-146. 158. 191-192.
Sodales Anton iniani 134 -142 . 144.
152.
158.
Sodalis An torinianu s -» Sodales
Antoniniani
Sodales Antoniniani Veriani -» So
dales Antoniniani
Sodales Augustales 100. 15 1-15 2.
158. 191. 199. 242-245. 247. 294.
Sodales Claudiales 158. 191 .
Sodales Flaviales 158.
Sodales Hadrianales 13 6-1 42 . 152.
158.
Sodalis Hadrianalis - * Sodales
Hadrianales
Sodales Hercu lani 145.
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Begriffs- und Sachregister
359
Sodales Marciani Antoniiiiani Com-
modiani Helviani Severiani Antoni-
niairi 146.
Sodales T itü 191.
Soknopaios-Heiligtum 47.
Sonnengott )
87-91.
172. 321.
Soter 234. 2 4 1 302.
Soteria 302.
Spartaner 217. 224 .
Spiegel 81 . 83.
Spiele -> Fest
ludi Adiabem ci 57. 66.
ludi Persici 54. 58 -5 9. 66.
ludi Martiales 53. 58-5 9. 65.
lud i Martialici -» ludi Martiales
ludi Rom ani 144.
lud i saeculares 29 3.
lud i Sarmatici 55 -56 . 58. 66.
Spiritualisierung 13. 41 . 308. •
Spondophoren -»Kultpersonal
Staatskirchentum 320.
Stadi-en, -o n 250. 256. 261 -262 . 264.
Stephanephoros -> Kultpersonal
Strafe 220.
Strate-ge(n), -go s 21 1-2 13 . 218. 222 .
Styx 31.
Suffektkonsul(at) 135-1 38 . 140. 165.
Synag ogen (...) 289. 298. 308.
Synedrion 211 -212 . 215. 218. 222.
224. 226.
Synnaos 111. 115.
Synodos 222.
Tamias 218.
Tarantinarchos 211.
Taufe 299. 303 . 305. 307.
Temenos 25 2-2 53 . 256-2 58. 260. 266.
templa / temp lum 97- 100 . 102. 105.
195.
Tetrar chen / tetrarchisch 51. 54 -59.
71.
163. 322.
Thargelira, -o n 6.
Th ea Philadelphos 236.
Theater VI. 16. 75. 233. 236 -238 . 250.
253.
256. 258-259. 261-264. 266.
Th eoi Adelph oi 236.
Th eoi Pantes -» Pantes Th eoi
Theoi Sebastoi
20-21.
214. 227. 254.
256.
Theolo-ge(n), -gie / theologisch
77
79. 85-87. 284-287. 299. 304-305.
309. 338.
Theolo-goi> -go s - » Kultpersonal
Th eos Soter 236.
Theos Soter Eleuther ios 219.
Thermen 249.
Thessaler 221-225.
Tholos 224.
Thora 303. 308.
Thron 8.
Thysia(i) 6.10.235.
Tiüusb rüder -+ Sodales Tirii
toga praetexta 161 .
Tolistobogier 264.
Tribunal 251.
rribunicia potestas 193. 225. 296.
tripus 161.
Tropaeum Traiaoi 63.
Trophonion 215.
Umbrisch 327.
Urban i-stik, -stisch 236. 249 -25 0.
257. 260-261. 263-264. 266-267.
veneratio (Terminologie etc.) 10. 21 .
233.
Verria 234-235.
Verwaltung 212.
Vestalia 48.
Vestalin(nen) 132. 148 -149 . 168 -17 4.
177. 183.
Virgines Vestales -> Vestalinnen
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36
Register
Vota 42 193-194. 196. 235. 337.
Weihinsdbriften Bedeutung) 11-12.
Weihung -»Kulthandlungen
Wetckampf -» Kulthandlungen
Zentrale 38. 247. 322. 324. 337.
Zentralität / zentral / Zentrum 154.
26 2 266. 308. 322.
328.
339.
Zeusstatuen 14-15. 102.
Zwölf götter 9.
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Adressenliste der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Prof Dr Dr
Christoph Auffarth
Universität Bremen
Fachbereich
9 /
Religionswissenschaft
Postfach 330440
D-28334 Bremen
E-Mail: [email protected]
Prof
Dr Pedro Barcelö
Lehrstuhl
für
Geschichte
des
Altertums
der Universität Potsdam
Historisches Institut
Am Neuen Palais
10
D-14469 Potsdam
E-Mail: [email protected]
Prof Dr Hubert Cancik
Philologisches Seminar
der Universität Tübingen
Wilhelmstraße
36
D-72074 Tübingen
E-Mail: [email protected]
Prof Dr Angelos Chaniotis
Seminar für Alte Geschichte
der Universität Heidelberg
Marstallhof 4
D--69117 Heidelberg
E-Mail: [email protected]
Babett Edelmann
Lehrstuhl
für
Alte Geschichte
der Universität Regensburg
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362
Adressenliste
Postfach 101042
D-93040 Regensburg
E-Mail: [email protected]
Dr. Kaja Harter-Uibopuu
Kommission für Antike Rechtsgeschichte
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Postgasse 7/4
A-1010 Wien
E-Mail: [email protected]
rof
Dr. Peter Herz
Lehrstuhl für Alte Geschichte
der Universität Regensburg
Postfach 101042
D-93040 Regensburg
E-Mail: [email protected]
PD Dr. Konrad Hitzl
Institut für Klassische Archäologie
der Universität Tübingen
Schloß Hohentübingen
Burgsteige 11
D-72070 Tübingen
E-Mail: [email protected]
Heike Kunz
Philologisches Seminar
der Universität Tübingen
Wilhelmstraße 36
D-72074 Tübingen
E-Mail: heike [email protected]
Matthias Peppel
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