Gesundheitskampagnen auf nationaler Ebene am
Beispiel der Kopfpauschale
Thomas KunkelChirurgischer Assistenzarzt, Berlin
Erweiterter Vorstand imVerein demokratischer Ärztinnen und
Ärzte e.V.
Global – Gerecht – Gesund
Perspektiven internationaler Gesundheit
17./18.09.2010, Berlin
Die sogenannte „Kopfpauschale“
= einkommensunabhängige, sog „kassenindivudelle Zusatzbeiträge“
Konzipiert im ersten und zweiten Referentenentwurf der Regierungskoalition
Soll Arbeitgeber von vermeintlich steigenden „Lohnnebenkosten“ entlasten und „Finanzierungslücken“ der gesetzlichen Krankenversicherung schließen
Interessenslage – Die Befürworter
CDU+FDP Arbeitgeberverbände Ärzteschaft bzw. deren Vertreter
Interessenslage – Die Kritiker CSU befürchtet unverhältnismäßige Belastung
der „Mittelschicht“ Verband der privaten Krankenkassen
befürchtet Konkúrrenz der GKV Eine breite, heterogene Masse
parlamentarischer und außerparlamentarischer Parteien, Organisationen und Einzelpersonen – in Umfragen zwischen 50 und 75% der Bevölkerung
Parlamentarische Opposition – Partei die Linke I
Hauptkritikpunkte an der Kopfpauschale:
• Gegen das Ende der paritätischen Sozialversicherung
• Benachteiligung einkommensschwacher Haushalte
• Steuerfinanzierter Sozialausgleich „macht das halbe Land unverschuldet zu Sozialfällen“
• Unverhältnismäßiger Bürokratismus
Kampagnenziele:• Einführung einer Kopfpauschale
verhindern• ein breites gesellschaftliches Bündnis zur
Einführung einer Solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung herstellen und diese als Alternative zur Kopfpauschale auf die politische Agenda setzen
• in regionalen und lokalen Bündnissen zur Verbesserung der gesundheitlichen Vorsorge und Versorgung als öffentliches Gut beitragen.
• Zielparameter:• Steigerung der Kompetenz-Werte der
Partei in Umfragen, Steigerung der Medienpräsenz
• Abgrenzung von den Positionen der SPD allgemein bekannt zu machen
• Motivation der Mitglieder für Infostände und Veranstaltungen zum Thema Gesundheit
• Die Zahl der Neueintritte von Bürgerinnen und Bürger, die im Gesundheitsbereich arbeiten und gesundheitspolitisch in der Partei aktiv sind, steigt deutlich.
Parlamentarische Opposition – Partei die Linke II
Zielgruppen• Eigene Mitgliedschaft (ca. 78.000
Personen)• Politische Organisationen
unmittelbar Betroffener, wie Gewerkschaften, Sozialverbände und PatientInnenvertretungen, Versicherte, Väter, Mütter, Sportlehrerinnen und pflegebedürftige Menschen u.a.
• Beschäftigte im Gesundheitsbereich
• Interne Zielgruppen: Multiplikator_innen, also Mitgliedschaft , Angestellte, Fraktionen, Senatorinnen und Senatoren
• Medien
Aktionen im Rahmen der Kampagne
• Seit Frühjahr 2010 zahlreiche Informationsveranstaltungen, Stände und Podiumsdiskussionen auf lokaler und regionaler Ebene.
• Herstellung und Verbreitung von Broschüren, Kampagnenmaterialien wie Sticker, Buttons, Postkarten usw.
Parlamentarische Opposition – SPD: „Nein zur Kopfpauschale – Ja zu einer
guten Gesundheitsversorgung für alle“ Hauptkritikpunkte an der
Kopfpauschale:• Ungerecht, Kosten für Geringverdiener
steigen und Bezieher hoher Einkommen tragen weniger bei.
• Sozialer Ausgleich nur noch durch Bittstellerei beim Staat möglich.
• Führt zu „Drei-Klassen-Medizin“ - gute medizinische Leistungen sind nur noch über private Zusatzversicherungen zu bekommen. „Holzklasse" für Arme, gute Versorgung mit privatem Aufschlag für diejenigen, die es sich leisten können, und Luxusklasse für Reiche.
Aber: Die SPD hatte als Regierungspartei 2006 der Einführung von Zusatzbeiträgen bereits zugestimmt, „auf Druck der Unionsparteien“ wie sie selbst sagt, jedoch mit einer Obergrenze von max 1% des Einkommens.
Kampagnenziele:• Oppositionsarbeit• Bündnisarbeit mit den Gewerkschaften Zielgruppen• Sozialdemokrat_innen,
Gewerkschafter_innen, gezielt auch Prominente „Zugpferde“ neben SPD-Spitzenpolitikerinnen auch Kulturschaffende wie z.B. Dieter Hildebrand u.a.
• Erreichbarer Radius ca 512.000 SPD-Mitglieder plus ca. 2-3 Millionen Gewerkschaftsmitglieder
Aktionen im Rahmen der Kampagne• In erster Linie Unterschriftenkampagne. • UnterstützerInnen bisher > 135.000• Darüber hinaus lokale und regionale
Veranstaltungen, Informationsmaterialien
Außerparlamentarische Opposition – DGB-Aktionsbündnis „Köpfe gegen die
Kopfpauschale“ [www.stoppauschale.de] Hauptkritikpunkte an der
Kopfpauschale:• Aufkündigung der
Paritätischen Finanzierung• Pro Bürgerversicherung• Pro prozentuale Beteiligung
und 50% Arbeitgeberbeitrag• Stärkung der GKV• Kampagnenziele:• Maximalste Breitenwirkung
mit potentiell 25 Millionen erreichbaren Bürgerinnen und Bürgern, überparteilich
Außerparlamentarische Opposition – DGB-Aktionsbündnis „Köpfe gegen die
Kopfpauschale“ [www.stoppauschale.de] Zielgruppe / Beteiligte• Alle DGB-Gewerkschaften, Sozial- und
Wohlfahrtsverbände, Frauen- und Jugendverbände, Ärzte- und Migrantenverbände sowie politische Interessengruppen, prominente „Zugpferde“
• Parteiunabhängig, wird aber in den Kernforderungen von der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Partei DIE LINKE politisch unterstützt.
• Bündnispartner:o Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V.o Armut und Gesundheit in Deutschland e.V. o Bundesverband der Migrantinnen in Deutschland o Campact e.V. Kampagnen für eine lebendige Demokratie o Deutscher Bundesjugendring (DBJR) o Deutscher Gewerkschaftsbund o Föderation Demokratischer Arbeitervereine (DIDF) o Deutscher Frauenrat o DGB-Gewerkschafteno Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in
Deutschland e.V. o Katholische Arbeitnehmerbewegung Deutschlands e.V. o Medico International e.V. o NaturFreunde Deutschlands e.V. o NaturFreunde Jugend o Sozialistische Jugend Deutschlands - Die Falken o Sozialverband Deutschland e.V. o Sozialverband VdK Deutschland e.V. o Verein Demokratischer Ärztinnen und Ärzte o Volkssolidarität Bundesverband e.V.
Aktionen im Rahmen der Kampagne:
• Unterschriftenkampagne• Lokale und regionale
Informationsveranstaltungen• „Aktion Glaubwürdigkeit“ -
Protestbriefe an CSU-Abgeordnete um Widersprüche innerhalb der Union auszunutzen
• Online-Petition an den Bundestag
Campact: „Kopfpauschale stoppen“ (inzwischen beendet)
In Kooperation mit Ver.di, Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten, Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte, Diakonie Bundesverband, Gesundheit-Berlin, IPPNW, Katholische Arbeitnehmerbewegung, Arbeitskreis Frauengesundheit, BundesArbeitsGemeinschaft der PatientInnenstellen und –Initiativen
Aktionen: Online-Film, Unterschriftensammlung, Aktionen bei
der Sitzung der Gesundheitskommission, Flashmob-Aktionen während des NRW-Wahlkampfes
Teilnehmer/innen im Rahmen der Aktionen: 140386
VDÄÄ: „Ärzte gegen Röslers Rezepte“
Kritik:Vorschlag des Ministers ist unsozial und unausgegoren
Reine Unterschriftenaktion Zielgruppe: Dezidiert
Ärztinnen und Ärzte (ca. 300.000 in Deutschland)
Gesundheitsminister Rösler mit Ärztefunktionären,
Ärztetag, Mai 2010 in Dresden
VDÄÄ: „Ärzte gegen Röslers Rezepte“
Radius: Einige tausend Ärztinnen und Ärzte direkt
über Mitgliedschaft, Mailinglisten usw. erreichbar
Über Ärzteblattartikel indirekt potentiell >300.000 LeserInnen erreicht
Fazit: In fast der selben Laufzeit wie andere Kampagnen nur 551 Unterschriften.
• Gründe für die Diskrepanz: o Begrenzte direkte
Mobilisierungsfähigkeit des VdÄÄo Ausdruck der politischen Einstellung
weiter Teile der Ärzteschaft zur schwarz-gelben Gesundheitspolitik
Aktueller Stand Entwurf der Regierungskoalition vom 11.08.2010 sieht
weiterhin Einführung pauschaler Zusatzbeiträge ab Januar 2011 vor.
Außerdem: Kopfpauschale ist nicht das einzig unsoziale Element in der aktuellen Gesundheitsreform neben einigen anderen „Schweinereien“ wie Festschreibung des Arbeitgeberanteils, Abkehr vom Sachleistungsprinzip und Stärkung der PKV.
Die Entscheidung des Bundestags und Bundesrates im Herbst steht aus
Widerstand formuiert sich weiterhin am 29.09. Europäischer Aktionstag, im Herbst zahlreiche Veranstaltungen und Aktionen seitens vieler eben genannter Organisationen geplant.
Keine weitere Belastung der Lohnabhängigen!Wir zahlen nicht für deren Krise!
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