Eine Analyse von Anwendungsmöglichkeiten und des
Ablaufs von Coaching im Unternehmen
Coaching – eine nachhaltige Form der Personalentwicklung
„Willst Du im laufenden Jahr ein Ergebnis sehen, so säe Samenkörner.
Willst Du in zehn Jahren ein Ergebnis sehen, so setze Bäume.
Willst Du das ganze Leben lang Ergebnisse sehen, so entwickle die Menschen.“
Kuan Chung Tzu (350-290 v. Chr.), chinesischer Philosoph
Verfasserin: Dr. Silke Mader
Wien, Juni 2011
2
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung ........................................................................................................................................ 3
2 Wie lässt sich Coaching im Unternehmen definieren? .............................................................. 4
2.1 Unterschiede zwischen Coaching, Beratung, Mentoring, Training ........................................... 6
3 Der Einsatz von Coaching im Unternehmen ............................................................................... 8
3.1 Anlässe für Coaching im Unternehmen .................................................................................... 8
3.2 Interner vs. Externer Coach? .................................................................................................. 10 3.2.1 Anforderungen an den Coach .......................................................................................... 10
3.3 Der Einsatz eines externen Coachs ........................................................................................ 12 3.3.1 Besonderheiten von Coaching im Unternehmen ............................................................. 12 3.3.2 Der Einzel-Coachingprozess im Unternehmen ............................................................... 13
3.3.2.1 Phase 1: Auftrags- und Zielerklärung........................................................................... 13 3.3.2.2 Phase 2: Coachvorauswahl ......................................................................................... 13 3.3.2.3 Phase 3: Vorgespräch .................................................................................................. 14 3.3.2.4 Phase 4: Coachingsitzungen ....................................................................................... 15 3.3.2.5 Phase 5: Evaluation ..................................................................................................... 15 3.3.2.6 Fallbeispiele ................................................................................................................. 16
3.3.2.6.1 Bayrischer Rundfunk .............................................................................................. 16 3.3.2.6.2 BMW AG ................................................................................................................ 17
3.3.3 Konfliktcoaching ............................................................................................................... 19 3.3.3.1 Zielkonflikte .................................................................................................................. 20 3.3.3.2 Verteil- bzw. Ressourcenkonflikte ................................................................................ 20 3.3.3.3 Kompetenzkonflikte ...................................................................................................... 21 3.3.3.4 Beurteilungs- bzw. Wahrnehmungskonflikte ................................................................ 21 3.3.3.5 Durchsetzungskonflikte ................................................................................................ 21 3.3.3.6 Beziehungskonflikte ..................................................................................................... 21
3.3.4 Teamcoaching ................................................................................................................. 23 3.3.4.1 Der Teamcoachingprozess .......................................................................................... 24
3.4 Die Führungskraft als Coach .................................................................................................. 26
4 Haltung im Coaching ................................................................................................................... 29
5 Literaturverzeichnis ..................................................................................................................... 31
3
1 Einleitung
Coaching als Personalentwicklungsinstrument hat im Laufe seiner Entstehungs-
geschichte einige Veränderungen erfahren. In den 1970er Jahren wurde Coaching
erstmals von Vorgesetzten als Führungsinstrument eingesetzt. In den 80er Jahren
wurde Coaching dann aus den USA in den deutschsprachigen Raum exportiert.
Verstand man zu diesem Zeitpunkt Coaching vor allem als Einzelbetreuungs-
maßnahme von Top-Managern durch externe Berater, so kam es in weiter Folge zur
weiteren Differenzierung des Coaching-Angebots im Unternehmen (z.B. Team-
coaching bzw. interne Beratung von mittleren und internen Führungskräften).
Ausgehend von diesem Hintergrund widmet sich diese Abschlussarbeit der Analyse
von Anwendungsmöglichkeiten und des Ablaufs von Coaching im Unternehmen.
Eingangs wird im Kapitel 2 der Arbeit der Begriff „Coaching“ im Unternehmens-
kontext definiert. Coaching wird dabei als ein Instrument erklärt, das der
Entwicklung, Unterstützung, Begleitung von Menschen dient. Darüber hinaus fördert
Coaching die Selbstreflexion/-wahrnehmung und gibt durch zielgerichtete Fragen
Hilfe zur Selbsthilfe. In weiterer Folge wird der Unterschied zwischen Coaching,
Beratung, Mentoring und Training dargestellt.
In Kapitel 3 wird zunächst auf die Hauptgründe für den Einsatz von Coaching, die
Frage ob externer oder interner Coach eingesetzt werden soll sowie auf die
Anforderungen eines Coachs eingegangen. Danach werden die unterschiedlichen
Einsatzmöglichkeiten (Einzel-Coaching, Konfliktcoaching, Teamcoaching) eines
externen Coachs sowie der Ablauf eines Einzel-Coachingprozesses im Unternehmen
aufgezeigt. Zusätzlich werden auch Aspekte von zwei unternehmensspezifischen
Coachingprozessen dargestellt. Zur Abrundung wird auch noch auf die Rolle der
Führungskraft als Coach eingegangen.
Im abschließenden Kapitel 4 wird noch auf die Bedeutung der Haltung eines Coachs
hingewiesen. Darüber hinaus werden die Grundhaltungen eines Coachs
entsprechend des systemisch-konstruktivistischen Ansatzes angeführt.
4
2 Wie lässt sich Coaching im Unternehmen definieren?
Auch wenn heutzutage jeder von Coaching spricht, ist dies kein neuer Begriff. Die zur
14. Jahrhundertwende im ungarischen Ort Kocs erstmals hergestellte gefederte Vier-
Räder-Kutsche wurde nach dem Namen der Ortschaft „Kocsi“ benannt. Dieses
ungarische Wort für Pferdefuhrwerk wurde danach in viele europäische Sprachen
übernommen. In Deutsch bedeutet es Kutsche. Der englische Begriff heißt „coach“
und bezeichnet ein zu damaliger Zeit modernes Fortbewegungsmittel, um zu einem
anderen Ort (Ziel) zu gelangen. Erst viel später wurde das Wort „Coach“ auch im
Bereich des Sports bzw. der Wirtschaft (z.B. im Sinne von Begleitung, Unterstützung
und Leistungsoptimierung) benutzt. Eine verbindliche Definition für Coaching gibt es
bis heute noch nicht.1
Die nachstehende Abbildung2 zeigt die Entwicklung des Personalentwicklungs-
instruments Coaching von den 70er Jahren bis heute. Dabei wird von 7 Phasen
ausgegangen. In den 1970er Jahren wurde Coaching erstmals von Vorgesetzten als
Führungsinstrument eingesetzt. In den 80er Jahren wurde Coaching aus den USA in
den deutschsprachigen Raum exportiert. Verstand man zu diesem Zeitpunkt
Coaching vor allem als Einzelbetreuungsmaßnahme von Top-Managern durch
externe Berater, so kam es in weiter Folge zur weiteren Differenzierung des
Coaching-Angebots im Unternehmen (z.B. coaching durch interene Stabstellen oder
Teamcoaching). In der letzten Phase seit 2002 hat insbesondere eine vertiefende
Professionalisierung der Branche stattgefunden.
1 Vgl., Witt-Bartsch A., Becker T., Coaching im Unternehmen, Freiburg, 2010
2 Rauen C. (Hrsg.), Handbuch Coaching, 2005; http://www.coaching-report.de/definition_coaching/ entwicklung
_des_coaching-begriffs.htm
5
Quelle: Rauen C. (Hrsg.), Handbuch Coaching, 2005; http://www.coaching-report.de/definition_coaching/
entwicklung_des_coaching-begriffs.htm
Auf die Frage wie Coaching heute im Unternehmen am ehesten zu definieren sei,
antworteten befragte Personalleiter und -entwickler wie folgt:3
Coaching…
…dient der Entwicklung, Unterstützung, Begleitung von Menschen 83 %
…fördert die Selbstreflexion/-wahrnehmung und gibt durch
zielgerichtete Fragen Hilfe zur Selbsthilfe 79 %
…ist Hilfe zur Selbsthilfe 71 %
…ist eine zielorientierte Prozessbegleitung 63 %
…ist ein interaktiver, personenzentrierter Beratungs- und
Betreuungsprozess, der berufliche und private Inhalte umfassen kann 63 %
…ist eine zielgerichtete Prozessbegleitung 58 %
…kann zu nachhaltigen Veränderungen bei Menschen führen 50 %
3 Vgl., Witt-Bartsch A., Becker T., Coaching im Unternehmen, Freiburg, 2010
6
…dient der Freisetzung persönlicher Potenziale zur Nutzung im
Unternehmen 46 %
…vier Augen, zwei Stunden 21 %
= Beratung 17 %
Quelle: Witt-Bartsch A., Becker T., Coaching im Unternehmen, Freiburg, 2010
Anmerkung: in % der Befragten
Für die Mehrzahl der Befragten dient Coaching im Unternehmen der Entwicklung,
Unterstützung, Begleitung von Menschen. Darüber hinaus sehen die Befragten
Coaching als ein Instrument, dass die Selbstreflexion/-wahrnehmung fördert und
durch zielgerichtete Fragen Hilfe zur Selbsthilfe gibt.
Im Mittelpunkt des Coaching steht der Mensch mit seinem privaten und beruflichen
Umfeld. Coaching unterstützt die Freisetzung persönlicher Potenziale sowie die
Erarbeitung von Lösungsansätzen und deren Umsetzung. Coaching entfaltet seinen
Nutzen in erster Linie für den Menschen und kann damit auch dem Unternehmen
Vorteile verschaffen. In einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit erarbeitet der
Coachee selbst Lösungsansätze. Dabei setzt der Coach die unterschiedlichsten
Interventionstechniken (wie z.B. aktives Zuhören, Fragetechniken und diverse Tools)
ein. Der Coach kann auch als Prozessbegleiter für seinen Coachee gesehen werden,
der ihn dabei unterstützt seine Handlungs- und Lösungskompetenz
weiterzuentwickeln.
Beim Coaching im Unternehmenskontext werden von einem Coach darüber hinaus
auch oft Feedback sowie Hinweise, Tipps und Tricks aus seiner eigenen Erfahrung
erwartet. Dies führt dazu, dass die Grenze zwischen Coaching und Beratung oft
fließend ist. Oftmals wird vom Coach auch erwartet, dass er wie ein Mediator zur
Lösung von Konflikten mit anderen Personen beiträgt oder als Trainer dem Coachee
neue Verhaltensweisen nahe bringt.
2.1 Unterschiede zwischen Coaching, Beratung, Mentoring, Training
Wie sich Coaching von Beratung, Mentoring und Training unterscheidet, wird in der
nachfolgenden Tabelle ersichtlich:4
4 ebenda
7
Coaching Beratung Mentoring Training
Beteiligte Coach Berater Mentor Trainer
Coachee Kunde Mentee Trainee
Anlässe/
Ziele
Veränderung/Neuorientier-
ung
Unzufriedenheit/Des-
orientierung
Ängste, Stress, Sinnkrisen,
etc.
Defizite, Unklarheiten, etc.
Berufliches und
persönliches Wachstum
Strategische
Neuausrichtung/Neuorgani-
sation
Prozessoptimierung
Kostensenkung
etc.
Mentoring-Programm
für neue Mitarbeiter
Nachwuchsförderung
für
Führungskräfte/Expert
en
etc.
Kennen lernen
neuer
Entwicklungen,
Strategien,
Themen, etc.
Wissenserweiterung
zu aktuellen
Themen
etc.
Vorgehens-
weise
Auftragsklärung
Zielvereinbarung
Coachingsitzungen
(Förderung der Eigen-
Analyse und
Selbstkenntnis durch
Fragestellungen)
Feedback
Umsetzungsbegleitung
Auftrags-/Zielklärung
Bestandsaufnahme/Analyse
Konzeption
Umsetzungsplanung/-
begleitung
Controlling/Reporting
Weitergabe von
eigenen Erfahrungen
Gibt Anregungen
Öffnet Türen
Beantwortet Fragen
Vermitteln von
Kenntnissen und
Fertigkeiten
Bestimmt die Art
und Weise des
Trainings
Sichert den
Lernerfolg
Formen Einzel-, Team-Coaching
Personen-,
prozessorientierte
Beratung
Gespräche/Interviews
Workshops
Einzel-, Gruppenarbeiten
Einzelgespräche
Steht dem Mentee
beratend, fördernd
und unterstützend zur
Seite
Vorträge
Seminare/Training
Handwerk-
zeug
Fragetechniken
Aktives Zuhören/Aktives
Zusehen
Feedback
Lösungsorientierte
Kommunikation
Organistionsentwicklung
TZI, Aufstellung
Etc.
Analyse, Statistik
Konzeption
Maßnahmen- und
Projektmanagement
Controlling/Reporting
Kommunikation
Moderation
Fragetechniken
Etc.
Erfahrungen im
Unternehmen
Kommunikation
Fragetechniken
Eigenes
Unternehmens-
Netzwerk
Etc.
Lehrvortrag/-
gespräch
Rollenspiele
Fallstudien
Videofeedback
Etc.
Quelle: Witt-Bartsch A., Becker T., Coaching im Unternehmen, Freiburg, 2010
8
3 Der Einsatz von Coaching im Unternehmen
3.1 Anlässe für Coaching im Unternehmen
In vielen Unternehmen wird Coaching überwiegend eingesetzt5, um die
Weiterentwicklung von
Unternehmensleitung, Top-/mittleren Managment sowie
Nachwuchsführungskräften,
Team- bzw. Gruppenleitern,
Abteilungen, Gruppen und Projektteams
zu fördern.
Coaching kann jedoch
für alle Mitarbeiter, in jedem Unternehmensbereich und auf allen
Hierachieebenen eingesetzt werden,
Potenziale fördern,
bei der Beantwortung von Wertefragen unterstützen,
die Unternehmenskultur fördern und zu Ergebnisverbesserungen führen.
Auf die Frage was die Hauptgründe für Coaching im Unternehmen seien, antworteten
befragte Personalleiter und -entwickler wie folgt:
Verbesserung von Führungskompetenz, -qualitäten, -verhalten 79 %
Vorbereitung auf die Übernahme einer neuen Aufgabe, Funktion, Rolle
oder/und Position, Führungsaufgabe 75 %
Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich, in der Abteilung, im
Team etc. 63 %
Verhaltensdefizite (soziale Kompetenz, Kommunikation, etc.) 58 %
Persönlichkeits- bzw. Potenzialentwicklung 54 %
Organisatorische Veränderungen 50 %
Folgemaßnahmen aus Mitarbeitergespräch, Feedback, etc. 50 %
Bewältigung von Konflikten 38 %
5 Vgl., Witt-Bartsch A., Becker T., Coaching im Unternehmen, Freiburg, 2010
9
Bedarf an Selbstreflexion und Stärkung der eigenen Wahrnehmung 38 %
Stress (berufliche Überlastung, Burnout, Mobbing) 25 %
Persönlicher Wunsch des Mitarbeiters 21 %
Personalabbau/Outplacement 21 %
Persönliche bzw. private Probleme, die die Arbeitsleistung des
Mitarbeiters beeinflussen 8 %
Verbesserung der Fachkompetenz 8 %
Quelle: Witt-Bartsch A., Becker T., Coaching im Unternehmen, Freiburg, 2010
Anmerkung: in % der Befragten
Allgemeiner betrachtet kann der Einsatz von Coaching, als zielorientierte und
mitarbeiteradäquate Personalentwicklungsmaßnahme den Mitarbeitern dabei helfen,
die gegenwärtigen und zukünftigen Anforderungen im Unternehmen besser zu
meistern. In weiterer Folge kann dies auch zur Befriedigung der Grundbedürfnisse
der Mitarbeiter (z.B. Entwicklung, Anerkennung, Einflussnahme, etc.) und somit in
weiterer Folge zum Unternehmenserfolg beitragen.
Eine Hauptmotivation des Menschen ist es, die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.
Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über die persönlichen Bedürfnisse
und die Bedürfnisse im Unternehmen.
Persönliche Bedürfnisse Bedürfnisse im Unternehmen
Physiologische
Bedürfnisse/Selbsterhaltung
ausreichende Bezahlung, physische
Arbeitsbedingungen
Bedürfnis nach Sicherheit Schutzbedürfnis, Sicherheit,
Geborgenheit, Kündigungsschutz,
Altersversorgung
Soziale Bedürfnisse/Kommunikation Zwischenmenschliche Beziehungen,
Zuwendung, Teamarbeit, Information
Bedürfnis nach Anerkennung und
Achtung
Selbstachtung, -vertrauen, Status, Lob,
Erfolg
Bedürfnis nach Selbstverwirklichung Bedürfnis nach Verwirklichung, Einfluss,
Kreativität, Macht
Quelle: Witt-Bartsch A., Becker T., Coaching im Unternehmen, Freiburg, 2010
10
3.2 Interner vs. Externer Coach?6
Mit dem Einsatz von Coaching im Unternehmen geht auch oft die Frage einher, ob es
besser ist einen externen Coach zu engagieren oder ob es auch möglich ist, dass
jede Führungskraft auch seine Mitarbeiter coacht oder
ein Mitarbeiter der Personalabteilung bei Bedarf das Coaching durchführt.
Schwierigkeiten mit denen Führungskräfte im Rahmen ihrer Tätigkeit als Coach oft
konfrontiert sind umfassen z.B., dass sie
selber oft Teil des Problems sind,
nicht neutral und allparteilich handeln können,
nicht ausreichend zwischen Job und Coach-Mandat trennen,
mit der Angst der Mitarbeiter vor persönlichen Nachteilen rechnen müssen,
sich und ihre Fähigkeiten vielleicht selbst überschätzen,
unzureichende Qualifikation und Ausbildung auf dem Gebiet des Coachings
haben.
Vor allem auf Mitarbeiter von Personalabteilungen trifft das letztgenannte Argument
häufig nicht mehr zu. Immer öfter lassen sich diese zum Coach ausbilden. Vorteile
davon können sein:
frühzeitigeres Erkennen von und professionelleres Reagieren bei
Handlungsbedarf,
größere Sicherheit bei der Unterstützung von Mitarbeitern bei der Lösung ihrer
Probleme,
leichtere Entscheidung, welche Personalentwicklungsmaßnahme (Beratung,
Coaching, Mentoring oder Training) den größten Nutzen für den Mitarbeiter
und das Unternehmen bringt,
zielsichere Auswahl des richtigen Coachs für den jeweiligen Mitarbeiter und
sein Thema,
konsequentes Nachhalten der Umsetzung der Ergebnisse des Coachings,
nachhaltige Stärkung der eigenen Selbstreflexion.
3.2.1 Anforderungen an den Coach
Auf die Frage, was einen guten Coach auszeichne, antworteten befragte
Personalleiter und -entwickler wie in der nachfolgenden Abbildung angeführt. Die
Reihenfolge repräsentiert die Gewichtung der genannten Anforderungen. Dabei geht
6 ebenda
11
hervor, dass von einem externen Coach häufiger eine abgeschlossene
Coachingausbildung sowie Erfahrung als Coach und Methodenkompetenz erwartet
wird als bei einem internen Coach.
Anforderungen an
externe Coachs
Anforderungen an
interne Coachs
1. Abgeschlossene
Coachingausbildung
1. Persönliche/soziale Kompetenz
2. Persönliche/soziale Kompetenz 2. Empathie, Offenheit
3. Erfahrung als Coach 3. Klarheit/Transparenz des
Vorgehens
4. Methodenkompetenz 4. Persönlichkeit/Ausstrahlung
5. Empathie, Offenheit 5. Erfahrung als Coach
6. Klarheit/Transparenz des
Vorgehens
6. Abgeschlossene
Coachingausbildung
7. Psychologisches Know-how 7. Psychologisches Know-how
8. Persönlichkeit/Ausstrahlung 8. Seriosität, Lebenserfahrung
9. Fachliche Kompetenz 9. Methodenkompetenz
10. Sympathie 10. Sympathie
11. Seriosität, Lebenserfahrung 11. Fachliche Kompetenz
12. Beherrschen der Spielregeln im
Unternehmen
12. Führungserfahrung
13. Betriebswirtschaftliches Know-how 13. Beherrschen der Spielregeln im
Unternehmen
14. Führungserfahrung 14. Betriebswirtschaftliches Know-how
Quelle: Witt-Bartsch A., Becker T., Coaching im Unternehmen, Freiburg, 2010
Unabhängig davon, ob interner oder externer Coach – beide haben im Rahmen des
Coachings die gleichen Aufgaben gegenüber ihrem Coachee. Diese sind
1. Grundlage schaffen
Ethische Richtlinien und professionelle Standards einhalten
Auftrag klären, Ziele vereinbaren, Coachingvereinbarungen abschließen
2. Beziehung gemeinsam gestalten
Gegenseitiges Vertrauen aufbauen
Coachingpräsenz
3. Effektiv kommunizieren
Aktiv zuhören
Wirkungsvoll fragen
12
Direkt kommunizieren
4. Erkenntnisse und Ergebnisse fördern
Aufmerksamkeit und (Problem-)Bewusstsein schaffen
Lösungen entwickeln
Ziele planen und festlegen
Mit Fortschritt und Verantwortlichkeit bewusst umgehen
3.3 Der Einsatz eines externen Coachs
3.3.1 Besonderheiten von Coaching im Unternehmen
Vergleicht man Coaching im Unternehmen (durchgeführt von einem externen Coach)
mit Coaching für Privatpersonen, so lassen sich für Coaching im Unternehmen die
folgenden Besonderheiten feststellen:7
Initiator des Coachings (meist der Vorgesetzte), Auftraggeber für den Coach
(z.B. die Personalabteilung) und Coachee (z.B. eine Führungskraft) sind in der
Regel nicht identisch.
Die erste Auftragsklärung und Zielabstimmung erfolgt durch den Auftraggeber
und/oder Initiator mit dem Coach, der anhand definierter Anforderungen z.B.
aus einem Coachingpool ausgewählt wird.
Von der Personalabteilung erhält der Coachee meist ein bis drei
Coachvorschläge zur Auswahl. Auf Basis eines Erstgesprächs kann er sich
dann für einen Coach entscheiden. In dieser Phase hat der Coach auch die
Möglichkeit, mehr über den Coachee und seine persönlichen Ziele für das
Coaching zu erfahren.
Die Auftragserteilung an den Coach erfolgt meistens durch die
Personalabteilung. Dabei werden auch die Ziele, die Vorgehensweise und der
Umfang des Coachingauftrages vereinbart. Haben sich im Erstgespräch mit
dem Coachee andere Ziele ergeben, als diese mit dem Initiator/Auftraggeber
vorbesprochen wurden, so muss dies geklärt werden, damit alle Beteiligten die
gleiche Erwartungshaltung haben.
Zwischen dem Coach und dem Coachee gibt es eine
Vertraulichkeitsvereinbarung und klare Regeln darüber, welche Informationen
an den Vorgesetzten bzw. die Personalabteilung weitergegeben werden.
7 Vgl., Witt-Bartsch A., Becker T., Coaching im Unternehmen, Freiburg, 2010
13
Zum Abschluss der Coachingsitzungen kann es zu Feedbackgesprächen
zwischen Auftraggeber und Coach (ev. gemeinsam mit Coachee) kommen.
Idealerweise sorgen Initiator und Auftraggeber für ein Nachhalten des Erfolges
des Coachings (Zufriedenheit, Lernerfolg, Transfererfolg, Ergebnis).
3.3.2 Der Einzel-Coachingprozess im Unternehmen
Die 5 Phasen des Coachingprozesses im Unternehmen (mit einem externen Coach)
werden in Folge dargestellt. 8
3.3.2.1 Phase 1: Auftrags- und Zielerklärung
In der Auftrags- und Zielklärungsphase geht es insbesondere darum Anlass, Ziele,
Rahmenbedingungen und Evaluation mit allen Beteiligten abzustimmen. Wichtige
Voraussetzung für den Erfolg des Coachings ist, dass der Mitarbeiter das Coaching
auch will. Ist es nicht auf seine Initiative hin entstanden, so sollte ihn im Vorfeld sein
Vorgesetzter bzw. die Personalabteilung über die geplante Personalentwicklungs-
maßnahme informieren.
Die Anforderungen an den zu coachenden Mitarbeiter (Coachee) umfassen folgende
Punkte:
Wille und Bereitschaft zur Veränderung (idealerweise),
informierter Coachee (Transparenz über Coachinganlass und Ziele des
Coachings),
Bereitschaft, sich darauf einzulassen (offen sein für Coaching),
sich öffnen und bereit sein, etwas von sich preiszugeben,
Selbstreflexion und Selbsterkenntnis zulassen
Vermögen, Hilfe anzunehmen und eigene Ängste mithilfe von Unterstützung
zu überwinden,
Durchhaltevermögen und Bereitschaft, sich mit sich selbst, seinem Tun und
Handeln auseinanderzusetzen
3.3.2.2 Phase 2: Coachvorauswahl
Die Coachvorauswahl erfolgt durch den Auftraggeber. In den meisten Fällen ist dies
die Personalabteilung. Damit sind die folgenden Aufgaben verbunden:
Auswählen von zwei bis drei Coachs z.B. aus einem Coachpool und
Vorklärung, ob sie einsatzfähig sind
8 ebenda
14
Sicherstellen, dass es keine Interessenskonflikte gibt
o Unterschiedliche Coachs für Vorgesetzten und Mitarbeiter
o Unterschiedliche Coachs für Führungskräfte auf der gleichen
Hierachieebene
Klärung der Finanzierung des Coachings
Organisieren des Vorgesprächs zwischen Mitarbeiter und potenziellem Coach
3.3.2.3 Phase 3: Vorgespräch
Im Vorgespräch zwischen Coach und Mitarbeiter steht das persönliche Kennen
lernen und die gemeinsame Entscheidung, miteinander arbeiten zu wollen im
Vordergrund. Für den Mitarbeiter ist es wichtig, Vertrauen zum Coach und einen
Eindruck von dessen Kompetenz zu bekommen sowie vom Coach akzeptiert zu
werden. Für den Coach ist wesentlich, einen eigenen Eindruck von dem zu
coachenden Mitarbeiter und seinen Zielen für das Coaching zu erhalten, Offenheit für
die Zusammenarbeit aufzubauen und darauf zu achten, dass der Coachee ein
echtes Interesse hat, sein „Thema“ anzugehen.
Nach dem Gespräch entscheiden idealerweise beide, ob eine partnerschaftliche
Zusammenarbeit und gegenseitige Akzeptanz möglich ist. Wenn ja, dann stimmen
sich Coach und Coachee gemeinsam ab über
die Definition der Ziele sowie die Evaluation während und nach dem
Coaching,
die Dauer des Coachings, die Termine sowie die Möglichkeit das Coaching
früher zu beenden wenn Ziele erreicht sind,
die Handhabung der Vertraulichkeitsvereinbarung hinsichtlich der
Zusammenarbeit und der Kommunikation mit Dritten,
wie und in welcher Form Vorgesetzte und Personalabteilung informiert
werden.
Im Rahmen der finalen Auftrags- und Zielklärung beim Vorgespräch mit dem
Coachee hat der Coach eine besondere Verantwortung. Diese umfasst:
Abgleichen der tatsächlichen Ziele des Auftraggebers und des Coachees.
Gegebenenfalls sind die Ziele zu spezifizieren. Bei offensichtlichen
Zieldifferenzen zwischen Auftraggeber und Coachee erfolgt eine sofortige
Ansprache und Klärung der tatsächlichen Ziele.
Einschätzung darüber über Coaching das geeignete Instrument ist, damit der
Coachee seine Ziele erreicht.
15
Entscheidung darüber, ob der Coach das Coaching selbst durchführen kann
(Know-how, kein Konflikt mit anderen Aufträgen) oder ob es von einem
anderen Coach beziehungsweise bei krankhaften Erscheinungsformen durch
einen Psychotherapeuten erfolgen muss.
3.3.2.4 Phase 4: Coachingsitzungen
In den Coachingsitzungen werden die Fragestellungen genauer analysiert und
Lösungsmöglichkeiten erarbeitet. Dabei spielt die vertrauliche Behandlung der
Inhalte sowie die Wertschätzung gegenüber dem Coachee eine große Rolle. Der
Coachee gewinnt Klarheit und neue Perspektiven.
Der Coach ist für die Strukturierung der Sitzung verantwortlich. Die Phasen und
Phasenziele der Coachingsitzung bzw. des Coachinggesprächs können sein:9
Phase Ziele dieser Phase
Einstieg ins Coachinggespräch Erklärung des Ablaufs, falls notwendig;
Vertrauen finden
Problemschilderung „Hilf mir mein Problem zu verstehen“ und
Problemeingrenzung
vom Problem zum Ziel Ziele formulieren
Auftragsgestaltung klare Aufgaben- und Rollenverteilung für
Coach und Coachee
Lösungsfokussierung Kriterien für eine „gute“ Lösung finden
Lösungserarbeitung die Kriterien zu einem Lösungsbild
verbinden; Skalenwert ermitteln und sich
die Skala „hinaufarbeiten“
Bildung konkreter Maßnahmen Festlegung: Was genau will der Coachee
(bis) wann tun – und wann überprüft er
seine persönlichen Erfolge?
Quelle: Radatz S., Einführung in das systemische Coaching, Heidlberg, 2010
Bei Wunsch können auch zusätzliche Anregungen aus der Erfahrung des Coachs
eingebracht werden. Darüber hinaus kann am Ende der Coachingsitzung eine kurze
Feedbackrunde gemacht werden aus der hervorgeht was gut war und was beim
nächsten Mal besser gemacht werden kann.
3.3.2.5 Phase 5: Evaluation
Um Nachhaltigkeit zu sichern, werden während, zum Abschluss und auch nach dem
Coaching die Coachingergebnisse anhand der vereinbarten Ziele evaluiert.
Die Evaluation kann z.B. im Rahmen eines gemeinsamen Abschlussgesprächs mit
dem Coachee (Mitarbeiter), dem Coach, dem Auftraggeber (Personalabteilung) und
9 Vgl., Radatz S., Einführung in das systemische Coaching, Heidlberg, 2010
16
dem Initiator (Vorgesetzten) durchgeführt werden. Erfragt werden z.B. die
Zufriedenheit, der Lernerfolg, der Transfererfolg und die erreichten Ziele.
Häufig werden Mitarbeiter und Coach auch noch über einen Feedbackbogen durch
die Personalabteilung befragt. Je professioneller diese Phase gestaltet wird, desto
nachhaltiger ist der Erfolg des Coachings durch den Transfer der
Coachingergebnisse in den Arbeitsalltag. Dabei trägt der Mitarbeiter selbst die größte
Umsetzungsverantwortung. Unterstützt wird er dabei von seinem Vorgesetzten und
der Personalabteilung. Manchmal lohnt sich auch ein Auswertungsgespräch nach 6-
12 Monaten gemeinsam mit dem Mitarbeiter und dem Coach.
3.3.2.6 Fallbeispiele
Viele Unternehmen haben ihren eigenen Coachingprozess definiert. Eine solche
Personalentwicklungsmaßnahme dauert durchschnittlich zwischen 6-12 Monaten und
umfasst 6-12 Coachingsitzungen von je 2-3 Stunden. Die 4-6 Wochen zwischen zwei
Coachingsitzungen nutzt der Coachee, um seine gewonnenen Erkenntnisse und
erkannten Lösungswege in seiner täglichen Arbeitspraxis auszuprobieren. Für diese
Zeit bieten viele Coachs ihren Coachees eine Umsetzungsbegleitung z.B. in Form
von Telefonaten bei Fragen, zusätzlichen Unterstützungsbedarf, etc. an.
In der Folge werden einzelne Aspekte (wie z.B. Einsatzfelder, Anforderungen an den
Coach, Ablauf, etc.) von zwei unternehmensspezifischen Coachingprozessen
dargestellt.10
3.3.2.6.1 Bayrischer Rundfunk
Beim Bayrischen Rundfunk geht es bei rund zwei Dritteln der Coachingmaßnahmen
um Führungsprobleme und in rund einem Drittel werden Führungskräfte bei der
Übernahme von neuen Aufgaben unterstützt.
Die Anforderungen, die der Bayrische Rundfunk an einen Coach stellt, umfassen:
ethisches Verhalten (Transparenz; klare Informationen bei Problemen; kein
gleichzeitiges Coaching von Mitarbeiter und Vorgesetzten bzw. auf der
gleichen Ebene bei Problemen zwischen Abteilungen, es sei denn, alle
Beteiligten sind informiert);
authentisches Auftreten und gutes äußeres Erscheinungsbild (kann der Coach
auch auf einer oberen Führungsebene eingesetzt werden?);
Coach muss zum Unternehmen und seinen Mitarbeitern passen und diese
verstehen;
Coach hat eigene Erfahrungen als Führungskraft und in der Wirtschaft;
10 Vgl., Witt-Bartsch A., Becker T., Coaching im Unternehmen, Freiburg, 2010
17
regionale Präsenz (unter anderem zur Vermeidung zusätzlicher Reisekosten);
Erfahrungen in anderen Unternehmen zur Gewährleistung der Perspektive,
der Sicht von Außen;
Coach muss „Stallgeruch“ haben, z.B. als Berater oder Trainer schon das
haus kennen;
Coach hat Coachingausbildung oder Psychologiestudium
Der Coachingpool des Bayrischen Rundfunks umfasst rund 8-10 Coachs. Davon
führen ca. 4-5 der Coachs rund 80 % aller Coachings durch. Die Coachs sind in der
Regel ehemalige (oder auch noch aktuelle) Trainer aus verhaltensorientierten
Seminaren und stammen aus dem Einzugsbereichs von München, wo das
Unternehmen ihren Sitz hat.
Nach Abschluss des Coachings befragt die Personalabteilung alle Beteiligten um den
Erfolg des Coachings zu messen. Dabei werden sowohl Coach als Coachee gefragt,
ob das Coaching die erhofften Ergebnisse erbracht hat. Ja- oder Nein-Antworten sind
dabei zulässig; um die Vertraulichkeit zu wahren werden keine Fragen zum Inhalt
gestellt. In einigen Fällen wird auch der Vorgesetzte des Coachees darüber befragt
ob sich die Situation verbessert habe. Die Ergebnisse der Befragung werden nicht
dokumentiert.
3.3.2.6.2 BMW AG
Bei BMW AG wird Coaching insbesondere zur Talentförderung (als integraler
Bestandteil von Nachwuchsentwicklungsprogrammen oder spezifischen
Führungstrainings) sowie zur Bewältigung von beruflichen Problemen (wie z.B.
Workaholismus, übermäßiger Leistungsdruck, drohendes burn-out, etc.) eingesetzt.
Um in den Coachingpool der BMW AG aufgenommen zu werden sind die folgenden
5 Kategorien mit verschiedenen Kriterien zu erfüllen:
Kategorie 1: Ausbildung zum Coach
Welche Ausbildung zum Coach liegt vor?
Welche Weiterbildung im Coaching hat der Coach in den letzten Jahren
absolviert?
Kategorie 2: Erfahrung
Mindestens 3 Jahre Erfahrung als Coach
Nachweis eines eigenen Coachingkonzepts mit schlüssiger Darlegung des
Coachingansatzes
18
Reflexion zum eigenen Coachingkonzept
Kategorie 3: Hintergrund und Qualifikation
Managementwissen und Verständnis für die Abläufe und Prozesse in einem
global tätigen Unternehmen
Kenntnisse und Erfahrungen in betriebswirtschaftlichen Abläufen
Praktisch-psychologischer Hintergrund, z.B. Grundkenntnisse in
psychologischer Diagnostik
Klarheit zum Thema „Abgrenzung von Coaching zu Therapie“
Kategorie 4: Werte
Persönliche Werte und Wertehaltungen passen zur Unternehmenskultur,
insbesondere zu den 12 Grundüberzeugungen der BMW Group
Kategorie 5: Persönlichkeitsaspekte
Erkennbare soziale Kompetenzen
Fähigkeiten zur realistischen Selbsteinschätzung (regelmäßige Reflexion der
eigenen Arbeit durch Supervision)
Stimmigkeit in punkto Coachingkonzept und Coachingmethodenrepertoire
Das Qualifikationsprofil orientiert sich auch an den Kriterien des PAS 1029 –
„Kompetenzfeld Einzelcoaching“ (PAS = Publicly Available Specification; angelehnt
an DIN-Normung). Zur Prüfung ob ein Coach diesem Qualifikationsprofil entspricht
werden einerseits die vorliegenden Unterlagen (standardisiertes Coachingprofil, das
auszufüllen ist) herangezogen und andererseits führen mindestens zwei Vertreter
aus der BMW Bildungsakademie ein zweistündiges Interview mit dem Coach. Erfüllt
der Coach die Anforderungen wird er folgendem Cluster zugeordnet:
Führungscoaching
Persönlichkeitscoaching
Teamcoaching
Interkulturelles Coaching
Organisationscoaching
Bei BMW AG werden alle Coachings in den folgenden 6 Phasen durchgeführt:
19
Phase 1: Bedarfsermittlung (Bedarf wird festgestellt, Führungskraft wendet sich an
Personalabteilung)
Phase 2: Auswahlgespräch (Führungskraft und Coachee prüfen mindestens 2
Coachs in einem Auswahlgespräch)
Phase 3: Coachauswahl (auf Basis der Vorgespräche wird Coach ausgewählt,
wichtig ist, dass Coachee mit dem Coach effektiv und effizient zusammenarbeiten
kann, um die angestrebten Ziele des Coachings zu erreichen)
Phase 4: Auftragsklärung (es wird eine Zielvereinbarung zwischen Coach und
Coachee/Führungskraft getroffen)
Phase 5: Coaching plus Monitoring (Durchführung des Coachings inkl. Ständiges
Monitorings in Bezug auf die Zielvereinbarung)
Phase 6: Abschlussgespräch (zwischen Coach, Coachee und Führungskraft bzgl.
Zielerreichung und Umsetzungsplanung; vertrauliche Themen werden nicht
besprochen; bei Bedarf kann zusätzlich noch ein Review-Termin miteinander
vereinbart werden)
Im Rahmen der Zielvereinbarung werden folgende Punkte vereinbart:
Entwicklungsziele (Ziele mit beruflichem Fokus und persönliche
Entwicklungsziele)
Dauer und Ablauf (Häufigkeit/Intervalle, zeitlicher Gesamtrahmen)
Formen der Coachingsitzungen (Gespräche, E-Mail, Telefonate)
Vereinbarungen zur Zwischenbilanz des Coachings
Zeitpunkt einer Review-Besprechung
Zu unterzeichnen ist die Zielvereinbarung von Führungskraft, Coachee und Coach.
3.3.3 Konfliktcoaching
Da Konflikte in Unternehmen alltäglich sind, wenden sich immer häufiger
Unternehmen/Führungskräfte/Mitarbeiter mit dem Anliegen „Konfliktlösung“ an einen
Coach oder Mediator.
In der Literatur ist eine Vielzahl von Konfliktdefinitionen zu finden. Eine Möglichkeit
„sozialen Konflikt“ zu definieren lautet wie folgt11:
11 Vgl., Glasl F., Konfliktmanagement, Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater, 9. Auflage,
2010
20
„Ein sozialer Konflikt ist eine Interaktion zwischen Aktoren (Individuen, Gruppen,
Organisationen usw.), wobei wenigstens ein Aktor eine Differenz bzw.
Unvereinbarkeiten im Wahrnehmen und im Denken bzw. Vorstellen und im Fühlen
und im Wollen mit dem anderen Aktor (den anderen Aktoren) in der Art erlebt, dass
beim Verwirklichen dessen, was der Aktor denkt, fühlt oder will eine Beeinträchtigung
durch einen anderen Aktor (die anderen Aktoren) erfolge“
Dabei gilt insbesondere zu beachten:
Unter Interaktion wird ein aufeinander bezogenes Kommunizieren oder
Handeln verstanden.
Zusätzlich zur Unvereinbarkeit im Denken/Vorstellen/Wahrnehmen muss auch
ein entsprechendes Realisierungshandeln (z.B. verbale Kommunikation) dazu
kommen. Sollten sich nur Denk- und Vorstellungsinhalte widersprechen, ohne
dass es zu einer Aktion kommt, so ist kein sozialer Konflikt gegeben.
Es muss auch eine Unvereinbarkeit im Gefühls- bzw. im Willensleben
vorherrschen.
Zumindest eine Partei erlebt die Interaktion so, dass sie die Gründe für das
Nicht-Verwirklichen der eigenen Gedanken, Gefühle und/oder Intentionen der
anderen Partei zuschreibt.
Begibt man sich auf die Suche nach der Ursache des Konfliktes, so lassen sich die
häufigsten Konfliktarten12 in Unternehmen wie folgt unterscheiden:
3.3.3.1 Zielkonflikte
Zielkonflikte entstehen bei Uneinigkeit über die Ziele. Häufige Ursachen für einen
Zielkonflikt sind mangelnde Absprache und mangelnde Koordination. Werden die
unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten im positiven Sinne eingesetzt,
können dadurch gute Lösungen entstehen. Vorraussetzung dafür allerdings wäre,
dass ein Konsens für das gemeinsame Ziel hergestellt werden kann und dass
Konkurrenzsituationen ausgeräumt werden.
3.3.3.2 Verteil- bzw. Ressourcenkonflikte
Diese Art von Konflikte entsteht durch Uneinigkeit über die Zuteilung von Personal,
Material und Kapital. Ursachen dafür sind z.B. mangelnde Ressourcen, ungerechte
Verteilung, mangelnde Wertschätzung und mangelnde Wahrnehmung. Wichtig zur
Vermeidung solcher Konflikte wäre eine möglichst große Offenheit und Klarheit
herbeizuführen über die zur Verfügung stehenden Mittel, deren Verwendung und die
Notwendigkeit dazu sowie Varianten inklusive deren Vor- und Nachteile aufzuzeigen.
12 Vgl., Netzwerk.CH; Konfliktarten in Unternehmen; http://www.netzwerk.ch/site/index.cfm?id_art= 55164
&vsprache=DE
21
3.3.3.3 Kompetenzkonflikte
Kompetenzkonflikte entstehen vor allem in Organisationen, die stark hierarchisch
gegliedert und stark reglementiert sind. Während Kompetenzträger auf ihre Rechte
pochen, fühlen sich andere Beteiligte eingeengt oder unterdrückt und überschreiten,
unbewusst oder bewusst, ihre eigenen Kompetenzen. Sehr oft geht es dabei nicht
um Sachliches sondern es steht Ansehen, Einfluss- und Machtstreben im
Vordergrund. Rahmenbedingungen wie z.B. flache Hierarchien, Einsatz von
Kompetenzen als Werkzeug und nicht als Belohnung sowie Kompetenzen dorthin zu
delegieren wo sie benötigt werden tragen zur Vermeidung solcher Konflikte bei.
3.3.3.4 Beurteilungs- bzw. Wahrnehmungskonflikte
Diese Konflikte ähneln den Zielkonflikten, denn Ziele werden in der Regel auf Basis
von Beurteilungen gesetzt. Ursachen für Beurteilungs- bzw. Wahrnehmungskonflikte
sind z.B. mangelnde Information, unterschiedlicher Kenntnisstand, unterschiedliche
Einstellungen sowie die mangelnde Fähigkeit, sich in andere hineinversetzen zu
können. Wichtig zur Vermeidung solcher Konflikte wären z.B. Transparenz, das
Aufzeigen von Alternativen sowie das Offenlegen von Entscheidungskriterien.
3.3.3.5 Durchsetzungskonflikte
Durchsetzungskonflikte sind oft Folgekonflikte von den oben beschriebenen
Konfliktarten. Weitere Ursachen für diese Art von Konflikten sind: Komplexität der
Aufgaben, Uneinheitlichkeit der Aufgaben, Fehlende Transparenz, Unvollständigkeit
der Aufträge, nicht erreichbare Ziele, nicht befähigte Umsetzungsträger und
Beziehungskonflikten zwischen Entscheidungsträgern und Umsetzungsträgern.
3.3.3.6 Beziehungskonflikte
Sie sind Folge von Uneinigkeit in der Beziehung und Kooperation zwischen
Menschen und gelten nicht als eigenständige Konflikte, sondern setzen sich aus
Teilen anderer Konfliktarten zusammen. Dabei handelt es sich z.B. um
Generationskonflikte, Geschlechterkonflikte, Herkunftskonflikte und Minderheiten-
konflikte. Diese zu vermeiden ist eine große Herausforderung für Unternehmen. Sie
beginnen bereits bei der Rekrutierung und setzen sich in vielen, scheinbar
belanglosen Maßnahmen bis hin zum alltäglichen Verhalten fort.
In der Praxis kommen meist Mischformen vor, die beispielsweise
zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter,
zwischen Mitarbeitern, innerhalb von Abteilungen bzw. Teams,
bei Mobbing,
zwischen Unternehmen und Mitarbeiter,
zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat,
innerhalb der Geschäftsführung,
im Kreise der Gesellschafter bzw. Partner,
bei Veränderungen der Unternehmensorganisation,
22
bei Integration von Unternehmensteilen sowie
bei Nachfolgeregelungen
auftreten können.13
Kommt nun ein Coachee mit dem Ziel „Konfliktbewältigung“ zu einem Coach, so gilt
es zunächst zu erfragen, welche Rolle der Coachee im Konflikt einnimmt. Ist er Teil
eines Konfliktes oder ist er Drittpartei?14
Der Coachee ist eine Konfliktpartei: So gilt es zu klären wer die anderen
Parteien sind und ob diese sich des Konflikts nach Meinung des Coachees
ebenfalls bewusst sind. Wären sie bereit an einer Konfliktlösung
mitzuarbeiten, würde dafür die Mediation in Frage kommen. Entsprechend
dem österreichischen Zivilrechtsmediationsgesetz15 ist Mediation wie folgt
definiert: „Mediation ist eine auf Freiwilligkeit der Parteien beruhende Tätigkeit,
bei der ein fachlich ausgebildeter, neutraler Vermittler (Mediator) mit
anerkannten Methoden die Kommunikation zwischen den Parteien
systematisch mit dem Ziel fördert, eine von den Parteien selbst verantwortete
Lösung ihres Konfliktes zu ermöglichen.“ Bleibt der zukünftige Prozess – aus
welchen Grünen auch immer – auf die Arbeit mit einer Partei ausgerichtet und
soll diese vor allem dabei unterstützt werden, Handlungsmöglichkeiten
auszuloten und die hohen psychischen Anforderungen in einer
Konfliktsituation besser bewältigen zu können, dann kann von
Konfliktcoaching gesprochen werden. Der Coach benötigt dabei ein solides
Wissen, wie Konflikte zu diagnostizieren sind und welche Verhaltensweisen
die Bewältigung von Konflikten fördern, d.h. vor allem den Klienten dazu zu
befähigen, sich in die Seite der anderen Konfliktpartei einzufühlen, um aktuell
und in Zukunft kompetenter mit Konflikten umgehen zu können. Aus ethischer
Sicht sollte sich ein Coach nicht für Anliegen wie z.B. „Machen Sie mich fit,
dass ich die anderen besser über den Tisch ziehen kann“ missbrauchen
lassen.
Der Coachee ist Drittpartei: Möchte der Coachee im Konflikt z.B. zwischen
Mitarbeitern intervenieren, so gilt es zu klären, inwieweit der Klient auch
persönlich betroffen ist, d.h. ob die Übernahme einer allparteilichen Rolle
möglich wäre und von den Parteien akzeptiert würde. Der Coach benötigt
dafür Kenntnisse und Fähigkeiten der Konfliktkommunikation bzw. Mediation
und erarbeitet mit dem Coachee wie dieser durch Vermittlung den Dialog
zwischen den Streitparteien wieder in Gang bringen kann.
13 Vgl., Mediation & Wirtschaft – Fachverband für Wirtschaftsmediation e.V., Interne Konflikte in Unternehmen
und Organisationen; http://www.mediation-und-wirtschaft.de 14
Vgl., http://www.trigon.at/downloads/Coaching/Konfliktcoaching.pdf
15 http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20002753
23
Wenn geklärt ist, wer die Konfliktbeteiligten sind, wie deren Beziehung beschrieben
werden kann und dass ein Coachingprozess gestartet werden soll, gilt es vor allem
die grundsätzliche Einstellung des Coachees zu Konflikten kennen zu lernen,
Streitpunkte aufzulisten und
Geschichte und Eskalationsstufen des Konflikts abzuprüfen.
3.3.4 Teamcoaching
Im Teachcoaching16 geht es darum ganze Teams zu stärken, damit sie ihre Aufgaben
im Unternehmen besser erfüllen können. Das Team wird von einem strukturierten
und methodischen Vorgehen, das die Zusammenhänge eines Problems sichtbar
macht und lösungsorientierte Handlungsoptionen eröffnet, begleitet.
Teamcoaching hilft den Teams, eine verbesserte gemeinsame Gangart zu finden und
eröffnet die Chance, neue Sichtweisen zu erschließen, blinde Flecken zu erkennen
und die individuellen und gemeinsamen Handlungsmuster zu erweitern.
Dieser Prozess kann je nach Hierachie und Führungsebene beispielsweise folgende
Anlässe, Themen und Ziele umfassen:
kritische Führungsprobleme,
Konflikte, Krisen, organisationspolitisch heikle oder strategische
Entscheidungen,
Entwicklung wichtiger Organisationsbereiche,
Entwicklung eines Teams,
Begleitung von Veränderungsprozessen
Teamcoaching ist nicht zwangsläufig immer erfolgreich. Stolpersteine von
Teamcoaching können sein:17
Der Ernst der Teamprobleme wird von den Verantwortlichen unterschätzt. Das
zur Verfügung stehende Budget reicht für mehr als eine oberflächliche
Standortbestimmung nicht aus. Dies kann sich negativ auf die Motivation der
Teammitglieder auswirken.
Bei einer unklaren Führungssituation oder einem schwachen Vorgesetzten tritt
der Coach an die Stelle der Teamleitung. Dadurch wird es für diese schwierig,
16 Vgl, http://komunariko.at/coaching/teamcoaching
17 Vgl., http://www.iasag.ch/docs/artikel.lammers.teamcoaching.pdf
24
ihr Gesicht zu wahren und sich im Alltag, in Abwesenheit des Coachs
durchzusetzen.
Die Rolle der Führungskraft im Teamcoaching wird ungenügend geklärt: Es
muss deutlich sein, dass die Fachperson verantwortlich ist für die Moderation
und damit für die momentane Führung der Teamgespräche, aber dass die
Führungskraft der Boss ist und bleibt.
Einzelne Teammitglieder fühlen sich vom Coach nicht gesehen oder ernst
genommen und leisten aktiv oder passiv Widerstand gegen die entwickelten
Pläne und Lösungen. Der Coach muss solche Blockaden im
Entwicklungsprozess erkennen und korrigieren können.
Menschen tendieren grundsätzlich dazu, Fehler bei anderen Menschen zu
suchen. Dies birgt das Risiko einer Eskalation.
3.3.4.1 Der Teamcoachingprozess
Eine Möglichkeit den Teamcoachingprozesses zu gliedern, wäre wie folgt:18
1. Auftragsanbahnung/Aquisegespräch
2. Auftragserteilung und vertiefte Auftragsklärung
3. Vorabgespräch mit der Führungskraft
4. Vorabworkshop mit den Mitarbeitern
5. Teamentwicklungsworkshop mit dem gesamten Team
6. Begleitendes Coaching der Führungskraft
7. Follow-up Workshop mit dem gesamten Team
In den ersten beiden Schritten werden der Rahmen und die Möglichkeiten für den
kommenden Prozess geklärt. Manchmal finden Schritt 1 und 2 auch im selben
Gespräch statt.
Im Vorabgespräch mit der Führungskraft geht es darum, gemeinsam die Situation
des Teams zu analysieren, die Ziele klar zu definieren und einen Überblick über
mögliche Stolpersteine und Herausforderungen zu bekommen. Am Ende des
Gesprächs (nach 1-2 Stunden) hat der Coach ein erstes Bild der Teamsituation und
die Führungskraft hat genug Vertrauen in die Fähigkeiten des Coachs gewonnen, um
beim Teamentwicklungsworkshop auch in „heißen“ Prozessphasen dem Coach die
Moderation des Gruppenprozesses zu überlassen.
18 Vgl., Schaider A., Haltung und Verhalten im Teamcoaching, Graz/Wien, 2007
25
Der Vorab-Workshop (ca. 2-4 Stunden) mit den Mitarbeitern wird ca. ein bis zwei
Wochen vor dem Teamentwicklungsworkshop, meist im firmeninternen
Besprechungsraum, durchgeführt. Es geht darum das Team in seinen eigenen
Räumen kennenzulernen, Vertrauen aufzubauen und eine positive Grundstimmung
für die geplante Teamentwicklungsveranstaltung zu schaffen. Die Führungskraft leitet
den Vorab-Workshop nur ein und zieht sich dann zurück. Dies gibt dem Team die,
Freiheit auch die „heißen“ Themen zu nennen. Sollte es keine Möglichkeit geben,
einen Vorab-Workshop mit den Mitarbeitern abzuhalten, so können auch zu Beginn
des Teamentwicklungsworkshops 2-3 Stunden für das Kennen lernen zwischen
Team und Teamcoach, Vertrauensaufbau, sowie Sammlung der Themen eingeplant
werden. Statt eines Vorab-Workshops kann es auch zu Einzel- oder
Gruppeninterviews kommen.
Der Teamentwicklungsworkshop dauert zwischen 1,5 bis 3 Tage und sollte in einem
Seminarhotel in der Natur stattfinden, damit sich die Teilnehmer auf die
zwischenmenschlichen und sachlichen Themen des Teams konzentrieren können.
Je stärker der Fokus der Veranstaltung auf der Klärung zwischenmenschlicher
Konflikte liegt, desto eher sollte auf lange Indoor-/Outdoor- oder Kreativübungen
verzichtet werden. Das Hauptaugenmerk sollte auf die Klärung der konfliktreichen
Themen gelegt werden. Ab einer größeren Teilnehmerzahl (z.B. ab 11 Teilnehmer)
ist es sinnvoll zu zweit zu arbeiten, vor allem wenn heftigere Konflikte zu erwarten
sind. Am Ende des Workshops sollten die zu den verschiedenen Themen getroffenen
Vereinbarungen schriftlich fixiert werden und den Teilnehmern zugesendet werden
(z.B. mittels Fotoprotokoll).
Das begleitende Coaching der Führungskraft widmet sich meist Themen wie
„persönlicher Führungsstil“ bzw. „Umgang mit herausfordernden Situationen bzw.
Mitarbeitern“. Um die Allparteilichkeit des Coachs besser zu wahren, kann darüber
nachgedacht werden das Führungscoaching von einem anderen Coach durchführen
zu lassen. Bei guter, transparenter Abgrenzung der Rollen ist es aber auch möglich,
dass nur ein Coach den ganzen Prozess begleitet.
Im 3-4 stündigen Follow-up Workshop in den Räumlichkeiten des Unternehmens –
meist einige Monate nach dem Teamentwicklungsworkshop – wird die Umsetzung
der getroffenen Vereinbarungen nochmals gemeinsam überprüft, Erfolge gefeiert,
aktuelle Themen besprochen und geklärt, sowie neue Vereinbarungen getroffen.
Durch die Tatsache, dass das Team schon von Beginn des Prozesses an weiß, dass
es einen Follow-up Workshop geben wird, werden die Vereinbarungen von
vornherein realistischer und durchführbarer ausfallen.
Der soeben dargestelle Teamcoachingprozess wird in der nachfolgenden Abbildung
noch einmal grafisch dargestellt.
26
Quelle: www.isg.eu in: Schaider A., Haltung und Verhalten im Teamcoaching, Graz/Wien, 2007
3.4 Die Führungskraft als Coach19
Wenn die Führungskraft im Rahmen ihr Führungstätigkeit Coachingaktivitäten
einsetzt, geht es darum, ein vertrauensvolles Klima und den bestmöglichen Rahmen
zu schaffen, in dem ihre Mitarbeiter ihre Eigenmotivation finden, aktivieren und
steigern können. Coaching heißt dabei „fordern und fördern“, nicht „Liebsein und
Verwöhnen“. Coaching ist in diesem Fall auch ein gemeinsamer Entwicklungs-
prozess zwischen dem Vorgesetzten und dem Mitarbeiter, der endet, wenn das
gemeinsame Ziel erreicht ist. Meist ist aber die Zusammenarbeit zwischen
coachender Führungskraft und Mitarbeiter von einer Aufeinanderfolge von vielen
Coachingprozessen geprägt.
Mögliche Anlässe für Coachinggespräche werden in der Folge beschrieben.
Ein Mitarbeiter hat ein Problem und kommt damit zur Führungskraft
Normalerweise stellen Führungskräfte in einer solchen Situation relativ rasch eine
„Diagnose“ über die Ursachen des Problems, haben die beste Lösung für den
Mitarbeiter, um sein Problem zu beseitigen und weisen ihn an, diese Lösung in einer
bestimmten Form umzusetzen. Die Führungskraft als Coach versucht hingegen im
Zuge eines Coachinggesprächs herauszufinden, was das eigentliche Problem ist,
das oftmals tatsächlich hinter dem Thema steckt. Sie unterstützt den Mitarbeiter
dabei, seine Gründe für das Problem und die für ihn optimale Lösung unter
19 Vgl., Haberleitner E., Deistler E., Ungvari R., Führen, Fördern, Coachen, München, 2007
27
Berücksichtigung der vereinbarten Ziele und vorgegebenen Rahmenbedingungen zu
finden.
Die Führungskraft ist unzufrieden mit den Leistungen des Mitarbeiters
und/oder erwartet von ihm ein verändertes Verhalten
Üblicherweise werden Vorgesetzte den Mitarbeiter kritisieren und Anweisung geben,
wie er sich künftig anders zu verhalten hat. Auch im Coachinggespräch sagt die
Führungskraft sehr klar, was sie am Verhalten des Mitarbeiters stört (Feedback) und
stellt konkret dar, was sie von ihm erwartet. Entscheidend ist jedoch, dass sich die
Führungskraft als Coach zuvor selbst reflektiert, um seinen Anteil am Zustand des
Systems und dementsprechend am Verhalten des Mitarbeiters zu erkennen. Sie
hinterfragt sich selbst, was die Tatsache, dass ihn das Verhalten des Mitarbeiters
stört, mit ihm als Person zu tun hat und reflektiert, ob ihre Kritik/Erwartungen für die
Zielerreichung angemessen sind oder ob ein persönliches Motiv dahinter steckt. Die
Führungskraft als Coach tritt dem Mitarbeiter mit Akzeptanz gegenüber und ist
interessiert daran zu erfahren, wie denn dieser die Situation sieht und beurteilt.
Gemeinsam wird ein Weg gefunden, wie der Mitarbeiter die Erwartungen der
Führungskraft erfüllen kann, ohne dabei eigene Bedürfnisse und Vorstellungen
aufzugeben.
Ziele vorgeben oder vereinbaren
Meist gibt es in einem Unternehmen jede Menge vorgegebene Ziele (z.B.
Umsatzziele). Im Rahmen eines Coachings können Mitarbeiter dann offen und fair
über Vorgaben und Rahmenbedingungen von ihrer Führungskraft informiert werden
und in weiterer Folge können gemeinsam die für den Mitarbeiter optimalen Wege
zum Ziel bzw. sein Nutzen der Zielerreichung erarbeitet werden.
Sind Ziele in manchen Bereichen frei wählbar, so kann der Mitarbeiter mit Hilfe des
Coachs herausfinden, welches Ziel ihm so erstrebenswert erscheint, um zusätzliche
Anstrengungen und mögliche Misserfolge beim Lernen von Neuem in Kauf zu
nehmen. Weiters kann auch wie bei vorgegebenen Zielen der optimale Weg zum Ziel
entwickelt und vereinbart werden.
Entwicklung
Entwicklung ist ganz allgemein ein typischer Coachinganlass. Dabei kann z.B. der
Mitarbeiter an die Führungskraft mit dem Wunsch herantreten, die weiteren
Entwicklungs- und Karriereschritte gemeinsam festzulegen oder die Führungskraft
vermutet im Mitarbeiter noch ungenutztes Potenzial und regt ihn an, mit ihrer
Unterstützung die Entwicklung dieser Potenziale in Angriff zu nehmen. Auch die
Integration neuer Mitarbeiter wird mit Coaching an die Bedürfnisse der Mitarbeiter
und der Organisation angepasst.
28
Begleitung (von Veränderungen)
Coaching ist auch dann sinnvoll und möglich, wenn es um die Begleitung des
Mitarbeiters geht – z.B. in Phasen starker Veränderungen im Unternehmen. Im
Coaching wird der Status quo auf dem Weg zum Ziel und natürlich die Zielerreichung
selbst festgestellt (und gefeiert). Darüber hinaus hinterfragt die coachende
Führungskraft regelmäßig die Befindlichkeit der Mitarbeiter bzw. den Stand der
Beziehung zwischen ihr und jedem einzelnen Mitarbeiter.
29
4 Haltung im Coaching20
Da auch ein Coach immer aufgrund irgendwelcher Überzeugungen und Werte
handelt, ist es wichtig, dass er/sie sich diese bewusst macht. Verschiedene
Ansätze21, denen ein Coach folgen kann, beinhalten verschiedene Überzeugungen,
Grundhaltungen und Kernwerte. Folgender Grundwert findet sich allerdings in
nahezu allen Ansätzen wider und ist nahezu unverzichtbar für einen konstruktiven,
sinnvollen Umgang mit Menschen:
Jeder Mensch ist wertvoll und hat eine kreative, schöpferische Natur, die in
ihrem tiefsten Kern gut und liebenswert ist.
Folgt ein Coach dem systemisch-konstruktivistischen Ansatz, so handelt er
entsprechend der folgenden Grundhaltungen:22
Die objektive Wirklichkeit gibt es nicht – sie entsteht im Auge des Betrachters
Niemand kann objektiv beobachten: Beobachter sind Teil ihrer Beobachtung
Autopoiese – Selbstgestaltungsmöglichkeiten für lebende Systeme, oder: Wir
können niemanden in eine bestimmte Richtung verändern
Alles Handeln macht Sinn für den Handelnden – in dem Augenblick, in dem er
handelt
Menschen „sind“ nicht, sondern „verhalten sich“
Probleme sind Konstrukte, die zeit- und situationsabhängig nur von den
betroffenen Personen in ihrer Wirklichkeit wahrgenommen werden
Probleme entstehen durch problemhafte Beschreibungen, Erklärungen und
Bewertungen
Wir können die Probleme anderer weder verstehen noch lösen. Der, der ein
Problem hat, der hat auch die Lösung – und niemand sonst.
Ein Mensch ist grundsätzlich fähig, sein Problem selbst zu lösen. Dazu
braucht er seine eigene Zeit, seinen eigenen Rhythmus.
Probleme bedürfen angemessener Anerkennung, Akzeptanz und
Wertschätzung
20 Vgl., Schaider A., Haltung und Verhalten im Teamcoaching, Graz/Wien, 2007
21 Schaider führt z.B. folgende Ansätze an: systemisch-konstruktivistischer Ansatz, Thomas und Schulz von
Thun, prozessorientierte Psychologie nach Arnold und Amy Mindell und den provokativen Stil nach Frank Farelly 22
Vgl., Schaider A., Haltung und Verhalten im Teamcoaching, Graz/Wien, 2007 und Radatz S., Beratung ohne
Ratschlag, Systemisches Coaching für Führungskräfte und BeraterInnen, Wien, 2009
30
Der Coachee ist selbst Experte seiner Wirklichkeit. Es sollten ihm keine
Hypothesen aufgedrängt werden.
Der Coachee entscheidet, was eine gute Lösung ist
Kein Coaching ohne Auftragsklärung
Alles ist mit allem vernetzt, alles hat auf alles einen Einfluss. Es gibt also
niemals nur eine Ursache. Zirkulär-kausal denken heißt „im Kreis denken“.
Es ist immer wichtiger, das Ziel und die Lösung beschreiben zu lassen, als
über das Problem und dessen Ursachen zu reden. Problem-Gerede schafft
Probleme. Lösungs-Gerede schafft Lösungen.
Das Problem hat nichts mit der Lösung zu tun. Das Problem ist das Problem.
Die Lösung ist die Lösung.
Wo es keine eindeutigen Antworten gibt, müssen Entscheidungen getroffen
werden. Wer eine Entscheidung trifft, trägt dafür die Verantwortung.
Problemlösungen können durch hilfreiche Verstörungen von außen angeregt
werden – der Coach trägt die Verantwortung für die Intensität und Art der
Verstörung.
Der Coachee ist verantwortlich für die Inhalte – der Coach für die Gestaltung
des Prozesses.
31
5 Literaturverzeichnis
Glasl F., Konfliktmanagement, Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und
Berater, 9. Auflage, 2010
Haberleitner E., Deistler E., Ungvari R., Führen, Fördern, Coachen, München, 2007
Mediation & Wirtschaft – Fachverband für Wirtschaftsmediation e.V., Interne Konflikte
in Unternehmen und Organisationen; http://www.mediation-und-wirtschaft.de
Netzwerk.CH; Konfliktarten in Unternehmen; http://www.netzwerk.ch/site/index.cfm?
id_art= 55164 &vsprache=DE
Radatz S., Einführung in das systemische Coaching, Heidlberg, 2010
Radatz S., Beratung ohne Ratschlag, Systemisches Coaching für Führungskräfte
und BeraterInnen, Wien, 2009
Rauen C. (Hrsg.), Handbuch Coaching, 2005; http://www.coaching-report.de/
definition_coaching/ entwicklung_des_coaching-begriffs.htm
Schaider A., Haltung und Verhalten im Teamcoaching, Graz/Wien, 2007
Witt-Bartsch A., Becker T., Coaching im Unternehmen, Freiburg, 2010
http://www.iasag.ch/docs/artikel.lammers.teamcoaching.pdf
http://komunariko.at/coaching/teamcoaching
http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesn
ummer=20002753
http://www.trigon.at/downloads/Coaching/Konfliktcoaching.pdf
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