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Begleitmaterial zu
»Sommernachtstraum« Ballett von Tim Plegge nach William Shakespeare
Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy, Bernd Alois Zimmermann, John Adams und anderen
Hessisches Staatsballett
für Schülerinnen und Schüler ab der 7. Klasse
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Liebe Lehrerinnen und Lehrer, liebes Publikum,
wir freuen uns, Sie auf den folgenden Seiten auf unsere diesjährige Ballettproduktion
von Tim Plegge einstimmen zu dürfen!
Wir wollen Ihnen mit dieser Mappe die Möglichkeit geben, sich selbst und Ihre Schüler
auf das Stück vorzubereiten. Deshalb finden Sie neben einigen
Hintergrundinformationen auch Anregungen, wie Sie den Theaterbesuch mit Ihren
Schüler*innen vor- und nachbereiten können.
Diese Materialsammlung ist in erster Linie konzipiert für Pädagogen und Pädagoginnen
an Schulen.
Herzliche Grüße,
Nira Priore Nouak, Tanzvermittlung
Dieses Material wurde zusammengestellt mit der Unterstützung von Brigitte Knöß,
Luisa Schumacher und Laura Zur Nieden
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Inhaltsverzeichnis:
Angaben zum Stück 4
Die Besetzung 5
Die Musik 6
Von der Idee zur Choreografie 7
Bilder der Handlung 8
Die Handlung 9
Das Bühnenbild 11
Die Kostüme 11
Dramaturgie 13
Interview mit Tim Plegge 16
Sekundäre Literatur 18
Anregungen zur Vor- und Nachbereitung des Theaterbesuchs 23
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Angaben zum Stück
»Sommernachtstraum«
Ballett von Tim Plegge
nach William Shakespeare
Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy, Bernd Alois Zimmermann, John Adams und anderen
Choreografie Tim Plegge
Bühne Frank Philipp Schlößmann
Kostüme Judith Adam
Dramaturgie Brigitte Knöß
Choreografische Assistenz Uwe Fischer, Gianluca Martorella
Uraufführung am 19. Februar 2017, Hessisches Staatstheater Wiesbaden
Es spielt das Hessische Staatsorchester Wiesbaden. Musikalische Leitung Benjamin Schneider
Premiere am 18. März 2017, Staatstheater Darmstadt
Es spielt das Staatsorchester Darmstadt. Musikalische Leitung Michael Nündel
Dauer ca. 2 Stunden 15 Minuten, eine Pause
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Die Besetzung
Choreografie Tim Plegge
Bühne Frank Philipp Schlößmann
Kostüme Judith Adam
Dramaturgie Brigitte Knöß
Choreografische Assistenz Uwe Fischer, Gianluca Martorella
Puck Guido Badalamenti // Masayoshi Katori
Hermia Ezra Houben // Lara Misó Peinado
Lysander David Cahier // Denislav Kanev
Helena Miyuki Shimizu // Clémentine Herveux
Demetrius Igli Mezini // Tatsuki Takada // Aaron Shaw
Oberon Ramon John // Pablo Girolami
Titania Ludmila Komkova // Carolinne de Oliveira
Egeus Taulant Shehu // Tatsuki Takada
Zettel Denislav Kanev // James Nix
Hochzeitsplaner
Pablo Girolami, James Nix, Gaetano Vestris Terrana, Kristin Bjerkestrand, Elisabeth Gareis //
Aaron Shaw, Jorge Moro Argote, Guido Badalamenti, Polett Kasza, Aurélie Pariarca
Elfen
Seraphine Detscher, Livia Gil, Margaret Howard, Stellina Nadine Jonot, Polett Kasza, Aurélie
Patriarca // Ezra Houben, Miyuki Shimizu, Ludmila Komkova, Kristin Bjerkestrand, Elisabeth
Gareis
Alexander Cyr, Pablo Girolami, Masayoshi Katori, Jorge Moro Argote, James Nix, Gaetano Vestris
Terrana // David Cahier, Aaron Shaw, Ramon John, Taulant Shehu
Hochzeitsgesellschaft
Clémentine Herveux, Carolinne de Oliveira, Lara Misó Peinado, Tatsuki Takada, Jorge Moro
Argote, Masayoshi Katori, Aurélie Patriarca // Ezra Houben, Miyuki Shimizu, Ludmila Komkova,
Taulant Shehu, Aaron Shaw, Guido Badalamenti, Elisabeth Gareis
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Die Musik
Hessisches Staatsorchester Wiesbaden . Musikalische Leitung Benjamin Schneider
Staatsorchester Darmstadt . Musikalische Leitung Michael Nündel
1. Akt
Felix Mendelssohn Bartholdy Ein Sommernachtstraum op. 21, Ouvertüre
Ruy Blas Ouvertüre op. 95
Ein Sommernachtstraum op. 61, Marcia funebre
John Adams Absolute Jest, I. Beginning
Bernd Alois Zimmermann Un »petit rien«, II. Métamorphose lunaire I
Felix Mendelssohn Bartholdy Die Heimkehr aus der Fremde op. 89, Ouvertüre
Alfred Schnittke Gogol-Suite für Orchester, I. Ouvertüre (Bearbeitung: G. Roschdestwenski)
Andrzej Panufnik Lullaby (Kolysanka)
Bernd Alois Zimmermann Suite aus Das Gelb und das Grün, III. Kleiner Walzer
Felix Mendelssohn Bartholdy Ein Sommernachtstraum op. 61, Elfenmarsch
Frank Bridge Berceuse
Bernd Alois Zimmermann Un »petit rien«, IV. Métamorphose lunaire II
Felix Mendelssohn Bartholdy Sinfonie Nr. 3 in a-Moll op. 56 Schottische, I. Andante con moto
Ein Sommernachtstraum op. 61, Scherzo
Bernd Alois Zimmermann Suite aus Das Gelb und das Grün, II. Burleske
Felix Mendelssohn Bartholdy Ein Sommernachtstraum op. 61, Scherzo
Bernd Alois Zimmermann Un »petit rien«, IV. Petite valse lunaire
Alfred Schnittke Gogol-Suite für Orchester, IV. Der Soldatenmantel
Bernd Alois Zimmermann Suite aus Das Gelb und das Grün, IV. Marsch
Un »petit rien«, I. Ouverture des belles de la nuit
Alfred Schnittke Gogol-Suite für Orchester, III. Das Portrait
Franz Schubert
Luciano Berio Rendering for orchestra D 936 A, 1. Allegro
Felix Mendelssohn Bartholdy Sinfonie Nr. 4 in A-Dur op. 90 Italienische, IV. Saltarello: Presto
Ein Sommernachtstraum op. 61, Intermezzo
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2. Akt
Dmitri Schostakowitsch Allein op. 26, Musik zum Stummfilm, Storm Scene: Calm after the
Storm
Frank Bridge The Sea Suite für Orchester, II. Sea Foam
Felix Mendelssohn Bartholdy Ein Sommernachtstraum op. 61, Notturno
Bernd Alois Zimmermann Suite aus Das Gelb und das Grün, VI. Epilog
Dmitri Schostakowitsch Hamlet Suite für Orchester op. 116a, Ball im Palast
(Bearbeitung: Lewon Atowmjan)
Felix Mendelssohn Bartholdy Hochzeitsmarsch, Variationen 1–6 (Bearbeitung: Peter Heidrich)
Ein Sommernachtstraum op. 21, Ouvertüre
Von der Idee zur Choreografie
Ordnung und Chaos einer Sommernacht:
William Shakespeare stellt in A Midsummer Night’s Dream eine geordnete Welt einer
ungeordneten gegenüber. Hier Klarheit, dort Dunkelheit. Hier Kontrolle, dort Triebhaftigkeit.
Hier Harmonie, dort Verrücktheit. Hier Vernunft, dort Fantasie. Hier Moral, dort Magie. Diese
Pole konkretisiert Shakespeare im Feenreich des Waldes mit seinem anarchischen Chaos
einerseits und im Herzogtum Athen mit seiner rationalen Ordnung andererseits.
Tim Plegges »Sommernachtstraum«, bleibt im shakespeareschen Universum, auch wenn er das
Geschehen in unsere Zeit und in eine bürgerliche Gesellschaft überträgt. Es sind junge Menschen
an der Schwelle zum Erwachsen-Sein, die er durch eine Nacht voller Überraschungen begleitet.
Vier Jugendliche, die sich selbst verlieren, um sich zu finden, und die schließlich Regeln
akzeptieren, ohne ihre Freiheit preiszugeben.
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Bilder der Handlung
1. Akt
Im Hause Egeus: Hochzeitsvorbereitungen.
Den lieb ich. Den lieb ich nicht.
Nichts wie weg.
Nachts im Wald: Wilde Wesen. Wüstes Treiben.
Was dir ist, soll mir gehören.
Rache mit Zauberkraft.
Auf der Flucht.
In den Schlaf gewiegt.
Verzaubert.
Geweckte Triebe.
Geheime Probe.
Verliebt in einen Esel.
Eifersucht und Liebesrausch.
Bis zur Erschöpfung.
2. Akt
Morgen im Wald: Erlösung und Versöhnung.
Erwachend sich finden.
Traum oder Wirklichkeit.
Hochzeit im Hause Egeus: Stilvoll feiern.
Ein Puppenspiel.
Zauber der Liebe.
Verführerische Kräfte.
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Die Handlung
1. Akt
Im Hause Egeus
Hermia ist sicher, dass Lysander der Richtige ist. Sie liebt ihn und wird von ihm geliebt. Deshalb
widersetzt sie sich ihrem Vater Egeus, der in bester Absicht gerade ihre Hochzeit vorbereiten
lässt. Allerdings hat er einen anderen Schwiegersohn vorgesehen, aber an diesem Demetrius
kann Hermia gar nichts finden, obwohl ihre Freundin Helena ganz verrückt nach ihm ist. Hermia
will tun, was sie für richtig hält: Lysander heiraten. Sie läuft hinaus in die Dunkelheit, weg von
allen Zwängen. Im Wald, wo Gefahr droht und wilde Mächte regieren, wird niemand
Vernünftiges sie suchen, das weiß Hermia.
Nachts im Wald
Auch im Feenreich ist die Ordnung aus den Fugen geraten. Das Herrscherpaar streitet um einen
Elf aus Titanias Gefolge. Rachsüchtig will Oberon seiner Frau einen bösen Streich spielen. Puck
soll ihm dabei helfen und einen Zaubersaft besorgen.
In diese Situation kommen vier hitzköpfige junge Leute: Hermia auf der Flucht vor einer
Zwangsheirat. Gefolgt von Lysander, der seine Geliebte mannhaft beschützen will. Eifersüchtig
läuft Demetrius dem Liebespaar hinterher. Zuletzt kommt Helena, die vor Liebe zu Demetrius
brennt. Alle werden getrieben von Leidenschaft. Ihre Nerven sind überreizt – bereit für die
Magie des nächtlichen Waldes.
Derweil lässt sich die Feenkönigin in den Schlaf wiegen. Auf Oberons Wunsch bespritzt Puck
Titania mit dem Zaubersaft: Sie wird denjenigen lieben, den sie beim Aufwachen erblickt.
Übermütig streift Puck durch den Wald. Er will Unruhe stiften. Als er Hermia und Lysander
schlafend antrifft, bespritzt Puck den fremden Kerl mit Zaubersaft. Immer noch auf der Suche
nach Demetrius, ist Helena ganz verzagt. Unabsichtlich weckt sie Lysander. Im Aufwachen trifft
sie sein erster Blick. Begierde überkommt ihn. Erschrocken stürzt Helena davon. Lysander
hinterher. Hermia erwacht allein.
Auch die Hochzeitsplaner sind inzwischen in den Wald gekommen. Ungestört wollen sie eine
Überraschung vorbereiten. Puck beobachtet sie und findet sein nächstes Opfer: Zettel, ihren
Boss, macht er zum Esel. Als sie das Vieh sehen, flüchten die anderen.
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Auf Oberons Geheiß stört Puck Titanias Schlaf. Ihr erster Blick trifft den Esel. Sie ist von ihm
entzückt. In ungezügelter Lust fällt sie über ihn her.
Im Wald umherirrend treffen Hermia und Demetrius aufeinander. Grob weist sie seine
Liebesschwüre zurück. Sie sucht Lysander. Enttäuscht legt sich Demetrius nieder. Puck bespritzt
auch ihn mit Zaubersaft. Im Liebesrausch verfolgt Lysander Helena. Demetrius erwacht, sieht
Helena und verfällt ihr gleichfalls. Völlig ihren Trieben ausgeliefert bedrängen beide das
Mädchen. Hin- und hergerissen von Abscheu und Erregung schwankt Helena zwischen Flucht
und Hingabe. Hermia wird Augenzeugin. Zutiefst verletzt und wütend lässt sie ihrem Kummer
freien Lauf. Die vier gehen aufeinander los. Eine Schlacht entbrennt. Puck hält alle zum Narren,
bis sich das Toben erschöpft. Wie betäubt treiben die vier auseinander. Schließlich fallen sie in
Schlaf. Oberon betrachtet das angerichtete Chaos. Puck hat sein Spiel zu weit getrieben. Er
sortiert die Paare.
2. Akt
Morgen im Wald
Titania wurde zur Geliebten eines Esels. Oberon überkommt Mitleid. Er erlöst Titania vom
Zauber, und beide versöhnen sich.
Auch Lysander wird entzaubert. Beim Erwachen finden sich die richtigen Paare: Hermia und
Lysander, die sich von Anfang an liebten. Helena und Demetrius, wo noch ein bisschen Magie im
Spiel bleibt.
Hochzeit im Hause Egeus
Egeus entdeckt seine Tochter im Wald. Gerührt gibt er ihren Wünschen nach: Hermia soll ihren
geliebten Lysander heiraten. Demetrius wird sein Glück mit Helena finden. Alle verlassen den
Wald. Sie fühlen sich verändert, ohne genau zu wissen, was mit ihnen in der Nacht geschah.
Zettel bleibt allein zurück. Er bekommt seine Menschengestalt wieder, wird sein Befremden aber
nicht los. Wäre er nicht ein Esel, zu glauben, er hätte in der Nacht eine Feenkönigin geliebt?
Zuhause treibt Egeus die Hochzeitsplaner zur Eile an. Freude herrscht. Gäste kommen. Das Fest
beginnt. Die Hochzeitsplaner geben ein Puppenspiel zum Besten. Die Paare erkennen sich.
Erinnerungen steigen auf. War es Traum? War es Wirklichkeit? Die Welt des Waldes ist nicht
verloren.
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Das Bühnenbild
Frank Phillip Schlößmann zum Bühnenbild von »Sommernachtstraum«
Bühnenbild für Ballett ist im wahrsten Sinne des Wortes »ein weites Feld«. Denn es wird Platz
gebraucht, und dennoch ist man auf der Suche was Sinnfälliges und dem Stück entsprechendes
zu finden. Im »Sommernachtstraum« geht es einmal um die reale Welt und zum anderen, um die
Traumwelt der Elfen und Feen, man kann auch sagen um die unbewusste, die un-erlebte Welt.
Zur realen Welt, das 1.Bild
Der Raum hat eine sehr »aufgeräumte« klare Architektursprache. Durchaus ein perspektivisches
Raumzitat der Renaissance (Shakespeare Zeit). Diese reale Welt ist absolut Vernunft gesteuert.
Zur unbewussten, irrealen Welt, 2.Bild:
Diese zweite Welt, die Welt des Unbewussten, die Welt des positiven Chaos, ist permanent um
den Raum des 1.Bildes herum. Der 2. Raum bricht sich zum 2.Bild Bahn und wird in einer
offenen Verwandlung sichtbar.
Die Kostüme
Judith Adam zum Kostüm von »Sommernachtstraum«
Vier junge Menschen geraten in einen Wald voll wilder, anziehender, schön-gefährlicher Elfen.
Während die jungen Leute moderne Straßenkleidung tragen, sind die Elfen farbenfroh verspielt.
Da sie weder Angst, Strafe, Scham oder Kälte kennen, ist ihr Kostüm keine schützende Kleidung,
sondern ein wildes, freies Schmücken mit leuchtenden Farben, Mustern, schönen Stoffen,
glitzerndem Diebesgut. Sie sind gleichberechtigt und das Kostüm unterscheidet nicht in
Geschlechter. Trotzdem gibt es den Elfenkönig Oberon und die Elfenkönigin Titania, die
durchaus an Shakespeares Zeit und die Elisabethanische Mode erinnern, jedoch mit einem
eigenen Augenzwinkern. Gegen die freie und starkfarbige Elfenwelt ist die Hochzeitsgesellschaft
zeitgenössisch konservativ, hochgeschlossen und zugeknöpft.
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Figurien der Kostüme:
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Dramaturgie
Auf eigene Gefahr
Autorin Brigitte Knöß
Das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung ist auf eigene Gefahr grundsätzlich zu jeder
Tageszeit gestattet, auch abseits der Wege und Straßen. Im Wald müssen Hunde außerhalb von
Wegen angeleint sein. (Landesforstgesetz NRW)
Alles geregelt im Wald: Er wird gepflegt und gehegt. Förster überwachen den Baum-, Jäger den
Wildbestand. Ein kartographiertes Wegenetz durchzieht den Forst. Freudig läuft der
Spaziergänger durch die Natur, genießt die frische Luft in dem Bewusstsein, etwas Gutes für
seine Gesundheit zu tun. Erst wenn die Dunkelheit hereinbricht, wird es dem einsamen
Wanderer unheimlich. Was raschelt hier? Was knackt da? Woher all die Geräusche?
Erinnerungen an eigenartige Geschichten kommen ihm in den Sinn, Sagen und Legenden von
verirrten Kindern, verstoßenen Frauen, Unglücklichen. Atavistische Ängste steigen in ihm auf.
Unberechenbar.
Im Mittelalter war nicht beackertes Land Dickicht, Urwald. Nachts war es gefährlich außerhalb
umschlossener Siedlungen, nicht nur, weil Räuber unterwegs waren. Die Nacht gehörte den
Geistern, den Untoten, den Wiedergängern. Im Wald trieben dunkle Mächte ihr Unwesen, und
niemand wäre freiwillig dorthin gegangen.
Warum also läuft Hermia in William Shakespeares »Sommernachtstraum« ausgerechnet in den
Wald? Natürlich, sie hat ihrem Vater und sogar Herzog Theseus die Stirn geboten. Sie hat sich
geweigert, Demetrius zu heiraten, weil sie Lysander liebt. Sie will weg von allen Zwängen, will
tun, was sie für richtig hält: Lysander heiraten. Sie läuft hinaus in die Dunkelheit, weiß, dass kein
Vernünftiger sie dort suchen wird. In ihrer Empörung ist sie frei von Angst vor allem, was im
Wald sein Unwesen treibt. Lysander rennt der Geliebten hinterher, kopflos will er sie schützen,
bei ihr sein. Eifersüchtig folgt ihm Demetrius, denn auch er liebt Hermia. Zuletzt kommt Helena,
die vor Liebe zu Demetrius brennt.
Nur den einen, nur die eine im Blick stürzen vier junge Leute los ins Ungewisse. Und tatsächlich
werden sie von Geistern und Elfen ins Visier genommen, sogar von Puck, dem Gehilfen des
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Feenkönigs Oberon, mit einem Zauber belegt. Die Liebenden erleben eine Nacht wie keine
andere. Ihre Gefühle verwirren sich, werden zum Rausch. Sie begehren sich, verwechseln sich,
kennen sich selbst nicht mehr.
Auch die Handwerker lässt Shakespeare in den Wald gehen. Furchtlos suchen sie dort einen
ungestörten Ort, um ein Festspiel zur Hochzeit ihres Herzogs einzustudieren. Doch gerade Zettl,
der Mutigste von ihnen, wird verzaubert. In der Gestalt eines Esels erlebt er das Unerhörte: eine
Liebesnacht mit der Elfenkönigin Titania.
Der Schlaf überkommt alle – und beim Erwachen dann die Ahnung, dass das kein Traum
gewesen sein könnte. Zettl realisiert das mächtige Gefühl des Neu-Erkannten in sich. Ohne
jedwede Folgen abzusehen, spürt er die Tragweite: »Ich hatte ’nen Traum – s’ geht über
Menschenwitz, zu sagen, was es für ein Traum war. «
Shakespeare zeigt seinem Publikum, dass Legenden völlig unerwartet zum Leben erwachen
können – im Wald oder sonst wo. Ganz anders als gedacht, überwältigend, hinterlässt das große,
unwägbare Andere in jedem von uns seine Spuren, verändert uns auf Dauer. Ebenso wie die vier
jungen Liebenden verwandelt sind, die am Morgen das Unsagbare in sich verbergen. Noch
unbewusst tragen sie ein unschätzbares Wissen in sich. Es wird ihnen nicht verloren gehen, auch
wenn sie sich mit der Ordnung versöhnen und sich vermählen.
William Shakespeare
Um William Shakespeare ranken sich Vermutungen und Spekulationen, denn nur wenige
Lebensdaten sind gesichert. Seine Taufe ist am 26. April 1564 im Kirchenbuch von Stratford-upon-
Avon registriert, einer Stadt mit 1.500 Einwohnern, wo sein Vater John, als wohlhabender Bürger
Mitglied des Rates ist. William besucht die Grammar School, lernt Latein und wird in Grammatik und
Geschichte unterrichtet. Es gilt als sicher, dass der Junge in Stratford Aufführungen durchreisender
Schauspieltruppen erlebt und wohl auch die Mysterienspiele und Moralitäten aus eigener
Anschauung kennt. Die materiellen Umstände der Familie verschlechtern sich offenbar um 1577
erheblich, denn John Shakespeare macht Schulden, verliert seinen Ratssitz und nimmt seinen Sohn
William aus der Schule, um ihn in eine Lehre zu schicken. Weiteres ist nicht dokumentiert bis zum
Jahr 1582, als der 18-Jährige William die acht Jahre ältere Anne Hathaway heiratet. Sechs Monate
später wird ihre gemeinsame Tochter Susanna getauft, knapp zwei Jahre darauf folgt am 12. Februar
1585 die Taufe der Zwillinge Hamnet und Judith. Später verlässt William Shakespeare Stratford und
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ist ab 1590 als Schauspieler und Autor in London tätig. 1593 wird Richard III. uraufgeführt, aber
dann zwingt die Pest zur vorübergehenden Schließung der Theater. Im selben Jahr erscheint sein
Gedicht Venus und Adonis, das er – ebenso wie 1594 das Versepos Lucrezia – dem Grafen von
Southampton widmet und so einen einflussreichen Gönner gewinnt.
In London existieren in dieser Zeit bereits mehrere Theater. Anlässlich einer Aufführung in
Gegenwart der Königin Elisabeth I. wird Shakespeare Ende 1594 als Schauspieler der Lord
Chamberlain’s Men erwähnt. Diese Schauspieltruppe um den Theatermann Richard Burbage ist
neben den Admiral’s Men die bekannteste der Gruppen, die um die Gunst des Publikums buhlen.
1598 feiert der Kritiker Francis Meres Shakespeare als »hervorragendsten Vertreter beider
dramatischer Gattungen«. Shakespeares Erfolge schlagen sich auch finanziell nieder, zumal er als
Teilhaber der Chamberlain’s Men Einfluss auf den Spielplan, die Auswahl und die Ausstattung hat
und am Gewinn beteiligt ist. Sein Geld legt er in Grundbesitz an und kauft am 4. Mai 1597 in
Stratford-upon-Avon das Haus New Place. 1599 beteiligt er sich an der Gründung des Globe Theatre
in Southwark südlich der Themse und wird dessen Miteigentümer.
Als Elisabeth I. 1603 stirbt, endet die Regentschaft der Tudors, und der Sohn Maria Stuarts wird zum
englischen König Jakob I. gekrönt. Weit mehr als »The Good Queen Bess« vor ihm, fördert er das
Theater. Eine königliche Urkunde sichert Lord Chamberlain’s Men, die sich nun The King’s Men
nennen dürfen, Privilegien zu, die Anerkennung und materielle Vorteile mit sich bringen. Ab 1608
spielt die Truppe um William Shakespeare und Richard Burbage außer im Globe auch regelmäßig im
Theatersaal des ehemaligen Klosters Blackfriars. Dieser ist prunkvoll ausgestattet und überdacht,
was ein zahlungskräftigeres Publikum und uneingeschränkten Betrieb im Winter gewährleistet.
Shakespeare scheint des Rummels müde, vielleicht spürt er auch, dass seine große Zeit zu Ende geht,
weil sich im Theater Veränderungen anbahnen. Aus Italien kommt die Guckkastenbühne nach
England. Kulissen und illusionistische Dekorationen bringen eine neue Sehweise mit, die das
elisabethanische Theater, das ganz aus der Sprache existiert, langsam aus der Mode kommen lässt.
Immer häufiger zieht Shakespeare sich nach Stratford zurück und lebt etwa ab 1611 ständig in
seiner Geburtsstadt, kümmert sich um seinen Besitz und mischt sich in die Lokalpolitik ein. 1616
nimmt er am 10. Februar an der Hochzeit seiner Tochter Judith teil, am 25. März verfasst er sein
Testament, und am 23. April stirbt er im Alter von 52 Jahren. Am 25. April 1616 wird William
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Shakespeare in der Holy Trinity Church von Stratford-upon-Avon beigesetzt.
Die erste Gesamtausgabe First Folio der Werke William Shakespeares erscheint 1623 und umfasst 36
Stücke, gegliedert in 14 Komödien, 10 Historien und 12 Tragödien, jedoch ohne chronologische
Reihenfolge oder Datierung. Schon bald ändern sich die Zeiten: Die Puritaner ergreifen die Macht in
England. Der Shakespeare-Bewunderer König Karl I. wird hingerichtet. Im Namen der Tugend
werden 1642 alle Theater geschlossen.
Interview mit Tim Plegge
Warum »Sommernachtstraum«?
Nach »Aschenputtel« im ersten und »Kaspar Hauser« im zweiten Jahr, wollte ich wieder ein
Handlungsballett auf die Bühne bringen. Der »Sommernachtstraum« reizte mich als Komödie,
zumal die Liebe im Zentrum steht. Für mich als Choreograf rückte unter anderem die Frage nach
dem Humor in den Fokus. Wie übersetzt man das in den Tanz?
William Shakespeare lässt in seinem Stück viele Figuren auftauchen. Das ermöglicht es, alle 28
Tänzer des Ensembles individuell einzusetzen. Allerdings bedeutet es auch, dass wir sehr viel
Bewegungsmaterial entwickeln mussten.
Wo ist der Ausgangspunkt für eine Choreografie?
Das lässt sich so pauschal nicht beantworten, denn die Herangehensweise ist sowohl vom
äußeren Kontext, als auch vom jeweiligen Gegenstand abhängig. Ich merke, dass in meiner
Arbeit verschiedene Ansätze zusammenwirken. Im »Sommernachtstraum« waren Fragen, nach
den Beziehungen der Figuren miteinander, nach deren Gefühlen zueinander, umso wichtiger,
weil sie heftigen Wechseln unterworfen sind. Wie verhalten sich Distanz und Nähe? Wie spiegeln
sich diese Gefühle im Körper? Daraus entstehen weitere Fragen – nach dem Tempo, der
Spannung, der Energie oder dem Rhythmus. Andere Überlegungen sind, wann wir mit einem
Solo, einem Duo oder mit der Gruppe arbeiten. Wo setzt man Schwerpunkte? Wie balanciert
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man die Geschichte aus? Nicht alles kann man von vornherein wissen, vieles ergibt sich erst nach
und nach. Grundsätzlich macht es mir Spaß, mich den Problemen zu stellen und dann Lösungen
zu finden.
Wie arbeitest du mit Musik, mit der musikalischen Struktur?
Die Musikauswahl ist eine der wichtigsten und zugleich eine der schwierigsten Entscheidungen
für ein Ballett, weil die Musik letztlich alles trägt. Der »Sommernachtstraum« verhandelt eine
Reihe von Themen, er spielt in gegensätzlichen Welten, und daraus resultieren unterschiedliche
Klangbilder. Das gilt es, emotional zu erfassen. Schließlich es geht darum, Gefühle zu
transportieren. Deshalb zählt mein erster Höreindruck, mein erster Impuls. Dieser intuitive
Zugang zum Stück ist ganz wichtig, weil man ihn später verliert, indem man anfängt, zu zählen
und Bilder zu kreieren. Man muss sehr viel hören, bis man einen Rahmen, eine grobe Farbe hat,
in die man eintauchen kann. Manchmal beginne ich, ohne Musik zu choreografieren, bevor ich
versuche, mit der Musik oder dagegen zu gehen. Nach und nach entstehen dann einzelne Szenen,
die sich nach und nach zu einem Stück entwickeln.
Welche choreografischen Mittel benutzt du? Könntest du uns ein Beispiel geben?
Ich suche nach Möglichkeiten, Gefühle körperlich zu übermitteln. Und ich strebe danach, eine
Balance finden, zwischen illustrativer mimischer Erzählung und rein körperlicher Erzählung.
Was ist unmittelbarer, was ist uns näher? Eine kleine Geste sagt manchmal mehr als die größte
Bewegung. Mir liegt daran, den adäquaten Ausdruck zu finden. Dabei gehe ich ganz
unterschiedliche Wege. Klar und deutlich sieht man in der Traum-Welt der Liebende und der
Elfen den Tanz auf Spitze und ein Bewegungsmaterial, das eher abstrakt ist. In der anderen Welt
ist die Körpersprache konkreter, hiesiger, mehr in der direkten Rede. Gruppenszenen, die eine
große Kraft entwickeln, kontrastieren mit subtilen Regungen. So können wir den Reichtum
unseres tänzerischen Vokabulars zeigen.
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Sekundär Literatur
A Midsummer Night's Dream
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Peter-André Alt
Traum-Theater
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Der Midsummer Night’s Dream eröffnet den Blick auf die Bühne im Kopf, welche – nach einer
schönen Formulierung von Durs Grünbein – die »Traumration« enthält. Die von deutschen
Lesern lange Zeit als »romantisch« missverstandene Komödie erweist die Macht, die der Schlaf
über den Menschen ausübt, mit einer fast destruktiven Energie. Titania und Bottom [Zettel],
Demetrius und Helena, Lysander und Hermia werden von ihr stets neu erfasst. Sie löst und
stiftet Beziehungen, verhext und versöhnt die Liebenden, zerstört und erneuert soziale
Ordnungen. Die von Puck entfesselte Gewalt der Affekte, die sich im Schlaf der jungen Athener
regen darf, besitzt eine anarchische Dimension.
Im Midsummer Night’s Dream gebiert der Schlaf eine unsteuerbare Welt der Gefühle und mit ihr
die subversive Kraft eines Verwandlungszaubers, der Liebende zu Hassenden, Ungeliebte zu
Geliebten, Esel zu Engeln, Elfenköniginnen zu Närrinnen machen kann. Wenn der Schlaf einen so
massiven Einfluss auf den Menschen ausübt, dann darf sich niemand auf die Zuverlässigkeit der
Erfahrung berufen. Demetrius formuliert am Ende die Einsicht in die Gesetze des Spiels, dessen
Objekt nicht allein er geworden ist: »Are you sure ⎮ That we are awake? It seems to me ⎮
That yet we sleep, we dream.« (»Seid ihr denn des Wachens auch gewiss? Mir scheint's, wir
schlafen ⎮ Wir träumen noch.«) Nur folgerichtig lautet Demetrius’ Aufforderung an die jungen
Athener, während des gemeinsamen Gangs zum Herzog über die Bilder ihrer Träume zu
»plaudern«. Der Dialog erscheint als Mittel, den verwirrenden Figuren der Nacht durch Sprache
eine kommunizierbare Gestalt zu verleihen.
Bottom ahnt, dass die Erkenntnis der Wahrheiten, die das Geschehen verbirgt, das Maß
menschlicher Denkfähigkeiten überschreitet: »I have had a dream, past the wit of man to say
what dream it was (... )« (»Ich hatte 'nen Traum – ’s geht über Menschenwitz, zu sagen, was es
für ein Traum war.«) Zur Einsicht, dass die Geheimnisse des Schlafs undeutbar bleiben, gesellt
sich schließlich der Hinweis auf die Möglichkeiten der poetischen Erinnerung, die festhält, was
unerklärlich scheint: »I will get Peter Quince to write a ballad of this dream: it shall be called
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Bottom's Dream, because it hath no bottom; and I will sing it in the latter end of play, before the
Duke ( ... )« (»Ich will den Peter Squenz dazu kriegen, mir von diesem Traum eine Ballade zu
schreiben: sie soll Zettels Traum heißen, weil sie so seltsam angezettelt ist, und ich will sie gegen
Ende des Stücks vor dem Herzoge singen.«) Das Imaginäre kennt keine Zeit und keine
Geschichte. Dort, wo der Traum in die Wirklichkeit eindringt, droht er zugleich die Spur der
Erinnerung zu tilgen. Daher müssen sich Demetrius und Bottom dazu zwingen, den
phantastischen Gespinsten ihrer Träume eine Gestalt zu verleihen, in der sie aufgehoben und
kommuniziert werden können. »Erzählung« und »Ballade« bilden die Medien, die den Traum zur
Mitteilung bringen.
Die Poesie vermag aufzubewahren, was sich den Kapazitäten des Verstandes entzieht. Sie
vermittelt einen Einblick in das verwirrende Innere eines imaginären Kosmos, wo Traum und
Wirklichkeit nicht geschieden sind. Was sie uns vorführt, eröffnet den Blick auf eine Gehirnwelt,
in der Träume und Phantasie, Realität und Erfahrung zusammenwirken. Diese Perspektive
beschwören auch die Schlussverse des Midsummer Night’s Dream mit dem beredten Hinweis auf
die Spiegellogik des Theaters, von dessen suggestiven Traumbildern die Zuschauer gebannt
werden, weil sie das Innere ihres Kopfes zeigen: »If we shadows have offended, ⎮ Think but
this, and all is mended, ⎮ That you have but slumber’d here, ⎮ while these visions did appear
⎮ And this weak and idle theme, ⎮ No more yielding but a dreame (...)« (»Wenn wir Schatten
euch beleidigt, ⎮O so glaubt – und wohl verteidigt ⎮ Sind wir dann –: ihr alle schier ⎮ Habet
nun geschlummert hier ⎮ Und geschaut in Nachtgesichten ⎮ eures eignen Hirnes Dichten.«
Peter-André Alt, aus: Der Schlaf der Vernunft, Literatur und Traum in der Kulturgeschichte der
Neuzeit, München 2002
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A Midsummer Night's Dream
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Jan Kott
Liebes-Quartett
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Die erste Aufführung des »Sommernachtstraum« soll in einem alten Londoner Palast
stattgefunden haben, in einem spätgotischen Haus mit Hof, an den sich ein Garten anschloss, wo
man lustwandeln konnte. Schwerlich kann man eine bessere Szenerie für die wirkliche
Handlung des Sommernachtstraums finden. Es ist bereits spät in der Nacht, und das Fest geht zu
Ende. Alle Trinksprüche sind ausgebracht worden und die Tänze beendet. Im Hof stehen noch
die Pagen mit den Laternen. Aber im anliegenden Garten ist es dunkel. Durch das Tor gleiten
langsam verschlungene Paare. Der spanische Wein war schwer, die Liebenden sind
eingeschlafen. Jemand ging vorbei, der Saft spritzte aus der Blume, der Knabe erwachte. Er sieht
das Mädchen nicht, das bei ihm schläft; er hat alles vergessen, selbst, dass er das Fest mit ihr
verlassen hat. In der Nähe befindet sich ein anderes Mädchen, es genügt, den Arm
auszustrecken, schon hat er ihn ausgestreckt, schon eilt er ihr nach.
Bei Shakespeare ist die Plötzlichkeit der Liebe immer überwältigend. Die Faszination auf den
ersten Blick, die Vergiftung vom ersten Sich-berühren der Hände. Die Liebe stürzt herab wie ein
Habicht, die Welt versinkt, die Liebenden sehen nur sich.
Die Kommentatoren haben seit langem bemerkt, dass die Partner dieses Liebesquartetts kaum
voneinander unterschieden sind. Die Mädchen unterscheiden sich eigentlich nur durch Wuchs
und Haarfarbe. Dem ganzen Quartett fehlt die Deutlichkeit und Unwiederholbarkeit, die
Shakespeare schon mehrmals erreicht hatte. Die Liebenden sind auswechselbar. Aber vielleicht
ging es gerade darum? Es scheint immer, dass es bei Shakespeare nichts Zufälliges gibt. Puck
geht nächstens im Garten um und an den Paaren vorbei, die sich kreuzen und auswechseln.
Helena liebt Demetrius, Demetrius Hermia, Hermia Lysander. Dann verfolgt Lysander Helena,
Helena Demetrius, Demetrius Hermia. Diese mechanische Richtungsänderung der Begierden
und die Auswechselbarkeit der Partner dient nicht nur der Intrigenknüpfung. Die Reduktion der
Person zum Liebespartner scheint mir das charakteristischste Merkmal dieses grausamen
Traums zu sein. Und vielleicht das modernste Merkmal. Der Partner trägt keinen Namen mehr,
er besitzt nicht einmal mehr ein Gesicht. Er ist nur am nächsten.
Jan Kott, aus: Titania und der Eselskopf, in: Shakespeare heute, Berlin 2002
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A Midsummer Night's Dream
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Klaus Reichert
Liebes-Quartett
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Hermia und Lysander haben sich ewige Liebe geschworen; Helena liebt Demetrius, und der
wiederum liebt Hermia. Aber mit einem Schlag ist alles anders, nachdem Puck den beiden
Herrchen das Liebesadrenalin in die Augen geträufelt hat. Jetzt verfolgen sie die verachtete
Helena mit ihren Schwüren, jetzt erst – sagen sie, ›wissen‹ sie – haben sie die wahre Liebe
gefunden, die frühere war Trug, Wahn und Verblendung, und nur der Zuschauer – wie Puck und
Oberon ein Voyeur – ›weiß‹, dass das eine Illusion ist. Aber ist es eine? Was Shakespeare hier
vorführt, lässt sich kaum als Komödie der Irrungen leichthändig entwirren. Denn die Sprache
der Liebhaber ist jetzt ebenso falsch wie sie es vorher war oder aber ebenso wahr. Die
›Wahrheit‹, nach ›Liebe‹ das häufigste Wort im Stück, ist eben, was einer davon hält. Im
Augenblick. Denn nachher ist alles wieder ganz anders. Im Exhibitionismus der Gefühle kommt
Liebe als der brutale Egoismus derer, die sie zu empfinden vermeinen, zum Ausdruck. Die
Andere, das geliebte Wesen, spielt dabei keine Rolle, oder nur in der Erniedrigungsform des
Lustobjekts. »Wer bist du?« ist keine Frage, die sich stellt. Und ebenso unmäßig, wie sie Helena
verhimmeln, schlagen die Herrchen verbal auf die eben noch geliebte Hermia ein, in einer
hassverzerrten Wut, die einen das Fürchten lehrt über die Abgründe in liebenden Seelen. Und
die Frauen? Sie sind gleichermaßen entsetzt von den Sprachen der Liebe wie des Hasses. Sie
fühlen sich verhöhnt, mißhandelt und setzen sich zur Wehr mit einer Vehemenz, die zeigt,
welche ungeheuren Energien bis hin zur Tätlichkeit wie Furien aus ihnen ausbrechen können.
Diese Frauen passen in kein elisabethanisches Weiblichkeitsbild und sind wohl nur vorstellbar
unter der Voraussetzung eines Traums, der die einstudierten Ordnungen der Geschlechter
wieder auflöst und im Träumenden den unheimlichen, ungekannten Anderen ans Licht bringt.
Das Tempo der Liebes- und Hassszenen ist von einer so atemberaubenden Geschwindigkeit, die
die Bilderfluchten in Träumen suggeriert.
Die zärtlichsten Liebesworte auf der Bühne findet Titania – unverstellt, ohne weibliche Scham,
ohne den Lustaufschub der Liebesrhetorik – für einen Esel. Hier sind alle Spannungen gelöst, das
Hässlichste verwandelt sich unterm Blick der Liebe zum Schönsten, Tierlaute werden als
mendelssohnsche Musik vernommen und das Paar vereinigt sich in holdem Einverständnis. Und
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diese einzige ›echte‹ Liebesszene im Stück ist ihre eigene Parodie, die bösartige
Zurschaustellung der Gefühle einer verblendeten Frau durch einen in seinen Besitzansprüchen
nicht befriedigten Ehemann. Nur: Was durch diese bestialische Vermischung hindurchscheint,
ist der aufs Animalische reduzierte Sexualtrieb, der in den Träumen jede Grenze überschwemmt,
sogar die der Gattungen. Als der böse Zauber endlich von Titanias Augen genommen ist, glaubt
sie geträumt zu haben: »What visions have I seen«, Aber Oberon zeigt nur auf den schlafenden
Bottom: »Da liegt deine Liebe«, was heißen soll: es war kein Traumgespinst, sondern war (und
ist) so real wie der, der dort liegt, dieses Bild für die inneren Urwälder. Der andere Blick ist nur
der verleugnete eigene.
Dass ›Wirklichkeit‹ und ›Traum‹ sich nicht (mehr) trennen lassen, zeigt sich auch auf der
anderen Spielebene. Theseus und Hippolyta samt Gefolge erscheinen im Wald, »von Hunden
rings umheult«, auf daß das Jagd- und Verfolgungsthema, das Reißen einer Beute, nicht
vergessen werde, vom »harmonischen Zwist« des Gebells ist die Rede, von klangvoller
Dissonanz. Vor diesem Hintergrund erscheint die Ordnung wiederhergestellt, den
unbotmäßigen Liebenden ist vergeben, wie in einer Komödie zu erwarten. Der Zauber ist von
Lysanders Augen genommen, so dass er wieder ›seine‹ Hermia liebt; der Zauber ist von
Demetrius' Augen nicht genommen, so dass er dabei bleibt, Helena zu lieben: als er mit eigenen
Augen sah, sah er falsch – jetzt, da er mit anderen, mit bezauberten Augen sieht, sieht er richtig
und ›wahr‹. Größer kann die Verwirrung über richtig und falsch, wahr und verblendet kaum
sein, die von Shakespeare nicht aufgelöst wird. Hermia hat noch eine ferne Ahnung, dass etwas
geschah, was sie anders sehen lässt: »Mir ist, ich säh dies mit geteiltem Auge, / Dem alles doppelt
scheint ... « Und auch Helena hat etwas gelernt über die Fremdheit zwischen Liebenden;
Demetrius ist ihr »Mein und auch nicht mein eigen«. Die Männer haben nichts begriffen. Nur
Bottom. Bottom wacht auf, als alle davon sind aus dem Wald, und begreift, dass er nichts
begriffen hat: »Ich hatte einen Traum. Es geht über Menschenwitz, zu sagen, was für ein Traum
es war. Der Mensch ist ein Esel, wenn er sich einfallen lässt, diesen Traum zu deuten.«
Klaus Reichert, aus: Der fremde Shakespeare, München, Wien 1998
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Anregungen zur Vor- und Nachbereitung des Theaterbesuchs
Mögliche Fragen zu Vorbereitung
Um was geht es in »Sommernachtstraum«?
Woher kennst Du die Geschichte: Film, Tanz, Buch, Comic, Zeichentrick, Hörspiel?
Welche Umsetzung fandst Du schön und warum? Welche hat Dir nicht gefallen?
Welche Figur gefällt Dir am besten und wieso?
Welche Figur würdest Du gerne sein?
Wie ist das Ende der Geschichte?
Welche Tanzveranstaltungen hast Du schon besucht?
Fragen zur Nachbereitung:
TIPP Die +1 Regel bei der Nachbereitung
Um zu vermeiden, dass eine Schülerin oder ein Schüler eine Aussage wiederholt, weil die
Erfahrungen ähnlich sind, kann man »+ 1« sagen. Damit sagt man, dass man eine ähnliche
Erfahrung gemacht hat, ohne es erzählen zu müssen. Dies bietet auch schüchternen
Schüler/innen die Gelegenheit, sich zu äußern und Ihnen die Möglichkeit, gezielt nochmals
nachzufragen.
Welche Momente der Aufführung wirken bei Dir besonders nach?
Was ist Dir in Erinnerung geblieben?
Wie könnte man die Geschichte / die Inszenierung einem Außenstehenden
in wenigen Worten erzählen?
Wie ist die Stimmung? Fröhlich, traurig, lustig, spannend, usw.?
Verändert sich diese Stimmung? Wodurch?
Gibt es mehr Soli (Einer Allein), Duos (zu Zweit) oder Gruppen-Szenen?
Was erzählt Dir das Bühnenbild (beachte den Hintergrund, die Seiten, die Höhe, den
Boden, die Farben)? Wo könnte das Stück überall spielen?
Was haben die Kostüme über die Figuren und ihre Beziehungen zueinander erzählt?
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Welche Rolle, glaubst Du, spielt das Licht? Was wurde deiner Meinung nach damit
erzählt?
Was war für Dich das Highlight? Hast Du Dich auch gelangweilt? Wann? Warum?
Wie endet das Stück? Findest Du das passend so? Oder welchen Schluss hättest Du
ausgesucht?
Warum glaubt ihr, spielt man dieses Stück heute? Hatte es etwas mit eurer Realität zu
tun?
Eine Bewegungsaufgabe in kleinen Gruppen (3 – 4)
Jeder in der Gruppe versucht sich an eine Bewegung zu erinnern und diese zu
wiederholen, die Ihr/ Ihm sehr gefallen hat. Danach sollen alle Bewegungen
aneinander/miteinander verbunden werden (3-4 Bewegungen) -nach 10 minütiger
Erarbeitungsphase soll das Ergebnis den anderen Kleingruppen gezeigt werden
Sprechen Sie im Anschluss an die Präsentationen über die unterschiedlichen
Präsentationen
Einige Tipps zu Theaterbesuch
Im Theater gibt es einige grundsätzliche Dinge, die es vor dem gemeinsamen Theaterbesuch zu
beachten gilt:
→ Das Abendkleid
Viele Menschen ziehen sich gern schön an, wenn sie ins Theater
gehen. Sie wollen den Schauspieler/innen, Sänger/innen und Musiker/innen ihren
Respekt erweisen oder selbst auch ein bisschen glitzern. Es macht natürlich Spaß,
die schönsten Teile aus dem Kleiderschrank hervorzuholen, ist aber kein Muss.
→ Das Essen
Ihr könnt euch vorstellen, wie sehr es Dich, aber auch den/die Schauspieler/innen stören würde,
wenn in ganz leisen oder traurigen Szenen plötzlich jemand im Publikum in einen knackigen
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Apfel beißen würde. Und dann stellt euch vor, dass jemand neben euch eine fürchterlich
knisternde Tüte auspackt... Essen und Trinken ist im Theater grundsätzlich nicht erlaubt.
→ Das Fotografieren
Auch das Fotografieren ist nicht erlaubt. Wenn ihr Bilder von einer Inszenierung haben wollt,
schaut auf unsere Homepage. Da gibt es eine Bildergalerie und einen Trailer zu fast jeder
Inszenierung. Wie sollen sich denn die Schauspieler/innen und Sänger/innen auf ihren Text und
ihre Töne konzentrieren, wenn ständig irgendwo ein Handy klingelt? Also schaltet bitte vor dem
Zuschauerraum das Handy aus oder schaltet den Flugzeugmodus ein, bevor man von allen Seiten
vorwurfsvoll angesehen wird.
→ Das Klatschen
Der Applaus spielt für die Darsteller/innen eine ganz besondere Rolle. Je lauter und länger er
erklingt, desto besser ist die Inszenierung beim Publikum angekommen. Scheue dich also nicht,
nach der Vorstellung laut und ausgiebig zu klatschen, wenn es dir gefallen hat.
→ Das Programmheft
Ein Programmheft mit Hintergrundwissen zur Inszenierung könnt ihr an der Kasse oder beim
Einlasspersonal für 3€ erwerben. Dort findet ihr z. B. Interviews mit dem/der Regisseur/in oder
Informationen zum Stück und zum Autor. Im Internet findet ihr auch zu jedem Stück eine kurze
Inhaltsbeschreibung.
→ Das Quasseln
Für eine gute Theateraufführung müssen sich Zuschauenden und Darstellenden konzentrieren.
Wenn ihr mit eurer Sitznachbarin oder eurem Sitznachbar quatscht, dann stört das nicht nur die
Darsteller auf der Bühne, sondern auch alle anderen, die zuschauen wollen.
→ Die Vorstellungsdauer
Wie lange ein Theaterstück dauert und ob es eine Pause gibt, kann man an der Kasse und beim
Einlasspersonal erfragen oder im Programmheft nachlesen. Um einen Theaterabend im Vollen
zu beurteilen, ist es wichtig ihn bis zum Schluss zu erleben. Vorzeitiges Verlassen des Saals stört
außerdem die Tänzer und Zuschauer.
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