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München/Deggendorf | 21.09.2016 | 11:37 Uhr
Bayerns Lehrer warnen: Schülern fehlt es an historischer Bildung
von Friederike Gabriel
Solides Grundwissen in Geschichte sollte jeder Schüler vermittelt bekommen, fordert der Geschichtslehrerverband….
Wer war Friedrich Barbarossa? Oder Gustav Stresemann? Was hat sich in Bayern vor mehreren Jahrhunderten abgespielt? Fragen, auf die viele Schüler heute keine Antworten mehr haben. Nicht zum ersten Mal hat am Wochenende der Verband der Geschichtslehrer Deutschlands davor gewarnt, das Fach zugunsten der naturwissenschaftlichen Fächer hintan zu stellen. Auch Bayerns Lehrer warnen, geschichtlichem Wissen zu wenig Bedeutung beizumessen.
Vor allem an den Mittelschulen in Bayern gehe das Fach Geschichte eher unter, so der Geschichtslehrerverband: Weil es in Kombination mit Erdkunde und Sozialkunde unterrichtet werde. Doch hier hält Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands (BLLV), dagegen: "Bei allen Schularten von der Grundschule bis zum Gymnasium gibt es die Tendenz, aktuelle Ereignisse in größere, auch historische, Zusammenhänge einzubetten."
Im Prinzip, findet sie, sollten alle Themen immer im geschichtlichen Kontext betrachtet werden. "Dafür ist der fächerübergreifende Unterricht ein immenser Gewinn." An der Zahl der Stunden – das Fach Geschichte-Sozialkunde-Erdkunde haben bayerische Mittelschüler von der fünften bis zur Abschlussklasse zwei bis drei Stunden pro Woche – habe sich dadurch nichts geändert, betont Fleischmann.
An den bayerischen Realschulen ist Geschichte ein eigenständiges Fach und wird von der sechsten bis zur zehnten Klasse durchgehend in zwei Wochenstunden unterrichtet. "Gott sei Dank", sagt Jürgen Böhm, Vorsitzender des Bayerischen und Deutschen Realschullehrerverbands: "Wir brauchen Geschichtswissen, um die Welt zu verstehen." Historische Zusammenhänge zu kennen sei entscheidend, um etwa Flüchtlingsproblematik oder Extremismus richtig einzuordnen. "Die Freiheiten von heute sind von den Menschen in der Geschichte erkämpft worden" – auch das müsse man den Schülern bewusst machen. Nicht nur das: Naturwissenschaft, Sprachen, alles habe mit Geschichte zu tun – "das ist eines der wichtigsten Fächer!"
http://www.pnp.de/nachrichten/heute_in_ihrer_tageszeitung/bayern/2227655_Geschichte-ist-eines-der-wichtigsten-Faecher.html
Unterrichtsplanung im Fach Geschichte ist eine komplexe Herausforderung und die Planungsebene im historischen Lernen hat eine große Bedeutung.
„Einerseits müssen heterogene Lernvoraussetzungen und Schülerinteressen sowie stetigem Wandel unterworfene gesellschaftspolitische Erwartungen angemessen berücksichtigt werden, andererseits Ergebnisse und Standards der Geschichtswissenschaft sowie Trends der Geschichtskultur. Und nicht zuletzt geht es um die praktische Umsetzung zentraler geschichtsdidaktischer Positionen, die in ihrer bunten Vielfalt-Beispiel Kompetenzdebatte jedoch wohl eher Irritation als Orientierung stiften.“ (Thunemann 2014, 205).
Einen Beitrag zum Thema Unterrichtsplanung zu schreiben ist daher nicht leicht. Geschichtsunterricht ist ein „vielgestaltiges Phänomen“: Die besondere Struktur der Lehrpläne und der Kerncurricula, die jedes Bundesland regelt, die verschiedenen Schulformen, die schnelle Entwicklung unseres Schulsystems (nicht ohne Bremsen) in die Zukunft der Inklusion, begrenzen die Chance ein kleines, deutliches Studium über dieses Thema realisieren zu können.
Seit 20 Jahren ist die Didaktik der Geschichte in Deutschland eine wichtige, autonome, wissenschaftliche Disziplin, die, sich erst seit kurzem „wieder intensiv empirisch auseinandersetzt, bisher weder eine allgemein anerkannte Theorie des Geschichtsunterrichts noch über ein konsensfähiges Konzept der Unterrichtsplanung“ (Thunemann 2014, 205).
Dulcis (?) in fundo gibt es kaum empirische Befunde, die über die Unterrichtsvorbereitung von Geschichtslehrkräften, über Kriterien und Effizienz ihrer Planung zuverlässig Auskunft geben.
„Immer wieder“ – schreibt Oswalt 2016, 8 – „wird im Hinblick auf Unterrichtsplanung die Lücke, die zwischen Fachdidaktik und der allgemeinen Methodik der Schulpädagogik klafft, in der Geschichtsdidaktik bedauert. Während Konzeptionen historischen Lernens durch die Geschichtsdidaktik formuliert werden, übernehmen fachunspezifische allgemeinmethodische Modelle das Zepter, wenn es um die Vorbereitung von Geschichtsunterricht geht“.
Das ist eine Erleichterung (für Lehrer bzw. Referendare in der Ausbildung), da das gleiche Modell für unterschiedliche Fächer angewandt werden kann.
Aber… „Für die Initiierung fachspezifischer Lernprozesse bedeutet es hingegen einen deutlichen Nachteil, wenn es gerade an dieser sehr entscheidenden Nahtstelle an einer Umsetzung von fachlichen Gesichtspunkten mangelt“ (Oswalt 2016, 8).
In der letzten 40 Jahren sind mehrere Beiträge über die „Planung von Unterrichtsreihen im Fach Geschichte“ veröffentlicht worden.
Hans Süssmuth konzipierte zum Beispiel Unterrichtseinheiten demnach anhand von drei Verfahren. Sie waren „die Stufen der struktureschließenden Verfahrens“, „des strukturvergleichenden Verfahrens“ und der „epochal- und kulturübergreifenden Strukturanalyse (Süssmuth 1973, 68). Kontextualisierung im makrohistorischen Rahmen.(Süssmuth 1973, 83).
Weitere Modelle von Annette Kuhn (1997), Schönemann (1998), bis von Borries (2012), der „ in der Qualität der Aufgaben einen Schlüssel zur Gestaltung guten Geschichtsunterricht sieht. Dieser Vorschlag bietet einerseits aber keinen inhaltlich strukturierten Zugang zur Planung von Unterrichtseinheiten“. (Oswalt 2016, 9).
Planung von Unterrichtseinheiten kommt großer Bedeutung zu und beruht auf den folgenden Punkten (Oswalt 2016, 12):
Das Ziel der Planung ist ein „ (…) Umgang mit Lehrplänen, der Zunächst von einer Analyse der quantitativen und qualitativen Entscheidungen, die einem Curriculum zu Grunde liegen, ausgeht und gleichzeitig den Prozess hin zur Gestaltung eigener Unterrichtseinheiten als konstruktiven, auch kreativen Gestaltungsprozess versteht“. (Owalt, cit., 14).
Die Unterrichtsplanung hat als Objekt Unterrichtseinheiten. Pandel versteht unter diesem Wort einen „thematischen Zusammenhang mehrerer Unterrichtsstunden“, „klar abgegrenzte und klar erkennbare Einheiten für das Bewusstsein der Schüler entstehen“ (2013, 376). Ein Kurs, eine Unterrichtseinheit, eine Lektion „bezeichnet eine thematisch abgeschlossene, methodisch eher lehrgansförmig als offen organisierte Großform“ (Meyer 1987, 114)
Die zunehmende Heterogenität der Lehrpläne in ihrer formaler Gestaltung und der Art und Ausführlichkeit ihrer inhaltlichen Vorgaben macht, wie gesagt, die Planungsaufgabe nicht einfach…
Viele Modelle der Unterrichtsplanung beziehen sich explizit oder implizit auf das sogenannte Berliner Modell, 1972. Dieses Modell, das in seiner klaren Struktur auch mit neueren Unterrichtstheorien mindestens in Teilen kompatibel ist, unterscheidet zwischen Bedingungsfaktoren (anthropogene Voraussetzungen und sozio-kulturelle Rahmenbedingungen) und Entscheidungsfelder. Insgesamt gib es vier Entscheidungsfelder, die Lehrerinnen und Lehrer bei der Unterrichtsplanung berücksichtigen müssen:
ZIELE INHALTE/GEGENSTÄNDE bzw. THEMEN METHODEN MEDIEN
Diese Entscheidungsfelder sind zwar zunächst fachunspezifisch, sie können aber mithilfe geschichtsdidaktischer Kategorien und Begriffe fachspezifisch gefüllt werden.
Bezüglich der Ziele historischen Lernens ist heute weitgehend unstrittig, dass Geschichtsunterrichts vor allem auf die Entwicklung reflektierten Geschichtsbewusstseins ausgerichtet sein sollte.
Durch das Geschichtsbewusstsein, durch die Verknüpfung von der Vergangenheitsdeutung, Gegenwartsanalyse und Zukunftserwartung, wird der didaktische Horizont erweitert, woraus sich geschichtsdidaktische Folgerungen ableiten lassen. Ziel ist es, das Geschichtsbewusstsein anzubahnen, das durch die Vergangenheit einer Gesellschaft konzipiert wird. Das "Wissen" über die Vergangenheit bietet einen Orientierungsrahmen für das gegenwärtige Verständnis.
Dieses Leitziel setzt ein gemäßigt konstruktivistisches Geschichtsverständnis und die Integration verschiedener Wissensformen voraus und es ist maßgeblich für fast alle aktuelle Richtlinien und Lehrpläne:
deklarativ: (Knowing what) das Wissen über Sachverhalte, wie z. B. Fakten und Begriffe. Innerhalb des Langzeitwissens kann zwischen deklarativem und prozeduralem Wissen unterschieden werden.
Prozedural: Es muss immer auf das schon bereits vorhandene deklarative Wissen zurückgreifen. Prozedurales Wissen ist daher das praktisch nutzbare Wissen, welches oft in Gestalt unbewusster Verarbeitungsroutinen auftritt. Das prozedurale Wissen lässt sich in Lernprozesse und Anwendungsprozesse unterteilen
Metakognitiv: = M.) [engl. metacognition; gr. μετά (meta) über, nachgeordnet], [KOG, PÄD], ist nach Flavell (1979b, Flavell et al. 2002) Wissen und Kognition über kogn. Phänomene. Innerhalb der M. kann nach Flavell metakognitives Wissen von metakognitiver Überwachung und Selbstregulierung (Selbstregulation) unterschieden werden. Flavell unterteilt metakogn. Wissen in drei Kategorien: Wissen über Personen, Aufgaben und Strategien. Die Personenkategorie beinhaltet Wissen und Überzeugungen über Menschen als kogn. Verarbeiter. Die Aufgabenkategorie bezieht sich zum einen auf Wissen über die Art der in einer Aufgabe vorhandenen Informationen (z.B. Komplexität, Vertrautheit) und zum anderen auf Wissen über die Anforderungen einer Aufgabe (z.B. freies Erinnern oder Wiedererkennen). Die Strategiekategorie beinhaltet Wissen über versch. Strategien (z.B. externes Speichern von Informationen oder rehearsal). Mit metakogn. Überwachung und Selbstregulierung sind Aktivitäten gemeint, die über den eigenen Fortschritt in einem kogn. Prozess informieren. Metakognitive Überwachung und Selbstregulierung können metakogn. Erfahrungen beinhalten, die kogn. oder affektiv (Affekt, Emotionen) sind (z.B. Aha-Erlebnis oder Gefühl der Unsicherheit). Metakognitives Wissen und Strategien der Überwachung und Selbstregulierung werden i. d. R. bewusst eingesetzt, können jedoch durch Wiederholung automatisiert werden und somit unbewusst ablaufen. Der Begriff metakognitiv wird jedoch zumeist mit bewusstem und überlegtem Denken über Denken gleichgesetzt. Diese Konvention
scheint bes. für die Erforschung von M. sinnvoll, da bewusstes Denken von Untersuchungsteilnehmern kontrollierbar und potenziell verbalisierbar ist. Allerdings scheint es jüngeren Kindern schwerzufallen, ihr Wissen über ihr Wissen bzw. über ihre Strategien zu verbalisieren. Besonders für diesen Fall sind nonverbale Forschungsmethoden geeignet.Die meisten entwicklungspsychol. Studien im Bereich der M. adressieren den Aspekt des Metagedächtnisses. Im Vordergrund steht dabei (1) das Wissen über Variablen, die die Gedächtnisleistung (Gedächtnis) beeinflussen, und (2) das Wissen über Gedächtnisstrategien und deren Anwendung (Schneider, Bjorklund 1998). deklarativ-metakognitives Wissen, Entwicklung.I. w. S. als Denken über Denken spielt M. eine wichtige Rolle innerhalb versch. Theorien bzw. Paradigmen der Entwicklungsps.: M. ist ein zentrales Merkmal der adoleszenten Entwicklungsstufe der formalen Operationen nach J. Piaget (Entwicklung, Stufentheorie nach Piaget, formal-operatorische Entwicklungsstufe). Formale Operationen werden als Operationen über Operationen beschrieben. Weiter hängt M. eng mit dem Konzept der Theory of Mind (mentalistische Alltagspsychologie, deklarativ-metakognitives Wissen, Vorläufer, soziale Kognition, Entwicklung) zus. Hierbei ist das kindliche Verstehen des Zusammenhangs zw. der eigenen Kognition und der Kognition einer anderen Person von Interesse, während im Bereich der M. vor allem das Verstehen der eigenen Kognition interessiert. Im Bereich der Theory of Mind liegt der Forschungsschwerpunkt auf den Ursprüngen und ersten Ausdrucksformen kindlichen Verstehens von Wissen über grundlegende mentale Zustände wie etwa Wünsche, Überzeugungen (Überzeugungssystem), Wissen, Intentionen und Gefühle. Hingegen werden bei der metakognitiven Entwicklung vor allem problemzentrierte und zielorientierte mentale Aktivitäten betrachtet. Daher wird bei der Forschung zur Theory of Mind eher auf jüngere Kinder, bei der metakognitiven Entwicklung eher auf ältere Kinder und Jugendliche fokussiert. Metakogn. Denken spielt eine wichtige Rolle für planvolles und selbstreguliertes Lernen. Dieses Lernen kann sich günstig auf den Lernfortschritt auswirken. Aus diesem Grund ist M. und die Vermittlung metakogn. Kompetenzen auch für die Päd. Ps. von großer Bedeutung.
Flavell, J. H. (1979b). Metacognition and cognitive monitoring: A new area of cognitive devel-opmental inquiry. American Psychologist, 34, 906–911.
Flavell, J. H., Miller, P. H. & Miller, S. A. (2002). Cognitive development (4th ed.). Upper Saddle River, NJ: Prentice Hall
Differenzen gibt es jedoch bezüglich der Frage, wie sich die Zentralkategorie Geschichtsbewusstsein angemessen operationalisieren lässt bzw. an welchen Kriterien erkennen können, dass ihre Schülerinnen und Schüler Geschichtsbewusstsein aufbauen und ausdifferenzieren. Mehrere Geschichtsdidaktiker wie Barricelli (2012, 210-211) beziehen sich in diesem Zusammenhang auf Rüsen (2008, 61-114) und seine Theorie historischen Erzählens. Historisches Lernen wäre „ein mentaler Prozess der Sinnbildung über Zeiterfahrung durch historisches Erzählen“ und „im Erzählen von Geschichten (traditional, exemplarisch, kritisch, genetisch), „vollzieht sich“ Rüsen zufolge Geschichtsbewusstsein.
In der Unterrichtspraxis dagegen hat sich stärker der Ansatz von Jeismann durchgesetzt. Jeismann unterscheidet drei Dimensionen des Geschichtsbewusstseins:
Historische Analyse Historisches Sachurteil
Historisches Werturteil
Diese Dimensionen sind für Jeismann „Lernzielkriterien“ zur Planung von Geschichtsunterricht. Das heißt, dass es bei der Vorbereitung von Geschichtsunterricht nicht nur darauf ankommt, die (Re-) Konstruktion oder Analyse bestimmter historischer Fakten in den Blick zu nehmen, sondern es ist auch darüber nachzudenken, wie man die geschichtliche Bedeutung dieser Sachverhalte und ihre heutige gesellschaftliche sowie individuelle Relevanz angemessen zur Diskussion stellen kann.
„Geschichtsbewusstsein ermöglicht nicht nur, es verlangt die Fähigkeit zum Kontroversen Diskurs, der auf der Einsicht in die Partialität und Irrtumsanfälligkeit der eigenen Deutungen und Wertungen beruht“.
Bezüglich des zweitens Entscheidungsfeldes bedeutet das, dass gerade solche Themen, die geschichtskulturell besonders kontrovers verhandelt werden (Diskussionen über Straßennamen, Denkmäler oder missglückte historisch-politisch Vergleiche), für die Planung historischer Lernprozesse von großem Interesse sind. Das heißt natürlich nicht, dass andere Gegenstände vernachlässigt werden sollen, zumal dann, wenn sie durch den Lehrplan vorgeschrieben sind und daher schon aus prüfungspragmatischen Gründen- Stichwort Zentralabitur- behandelt werden müssen. Prinzipiell kommt es bei der Themenbestimmung darauf an, verschiedene Auswahlkriterien (Schülerinteresse, Schlüsselprobleme, Trends der Geschichtskultur, neue Befunde der Geschichtswissenschaft und Vorgaben der Lehrpläne) in ein angemessenes Gleichgewicht zu bringen. Das ist angesichts der wenigen Stunden, die für das Fach Geschichte in der Regel zu Verfügung stehen alles andere als leicht und zwingt dazu über die Relevanz bestimmter Gegenstände genau nachzudenken. Diese Gegenstände müssen dann mithilfe historischer Fragen in Themen verwandelt werden. Die Formulierung „Das Kriegsende in Deutschland“ ist beispielweise noch kein Thema. „Der 8 Mai 1945 – Tag der Niederlage oder Tag der Befreiung?“ dagegen schon. Dass es sich bei solche Formulierungen oft um Zuspitzungen handelt, die der wissenschaftlichen Differenzierung bedürfen, liegt auf der Hand. Für den Unterrichtverlauf ist das aber eher von Vorteil.
Ausgehend von den Zielen und Themen des Geschichtsunterrichts geht es schließlich darum, adäquate und soweit wie möglich fachspezifische Methoden (Erkenntnismethoden, Lehr-Lernkonzepte, Sozialformen usw.) und Medien, (Texte, Bilder
usw. als Quellen und Darstellungen) auszuwählen. Wichtig ist, diese Entscheidungsfelder mit den beiden anderen so eng wie möglich zu verknüpfen. Wenn im Mittelpunkt einer Unterrichtstunde z.B. eine historische Kontroverse steht (Der Versailler Vertag –ein ungerechter Friede?), ist eine Quellenauswahl, die unterschiedliche Perspektiven berücksichtigt, absolut zwingend, und eine Gruppendiskussion ist als Methode dann zweifelsohne besser geeignet als konventioneller Frontalunterricht. Das ist zwar letztlich trivial, aber trotzdem nicht selbstverständlich.
PRINZIPIEN DER UNTERRICHTSPLANUNG
Im Zusammenhang mit den Entscheidungsfeldern der Unterrichtsplanung sind mindestens drei Prinzipien zu berücksichtigen, die für Geschichte als Konstrukt und die Anbahnung eines reflektierten Geschichtsbewusstseins konstitutiv sind und die daher bei der Planung historischer Lernprozesse eine zentrale Rolle spielen:
GEGENWARTS/ZUKUNFTSBEZUG MULTIPERSPEKTIVITÄT
PROBLEMORIENTIERUNG
1) Wenn man ein gemäßigt konstruktivistisches Geschichtsverständnis vertritt und Geschichte als den „Zusammenhang von Vergangenheitsdeutung, Gegenwartsverständnis und Zukunftsperspektive“ (Jeismann 1985) begreift, dann muss man bei der Unterrichtsplanung vor allem darüber nachdenken, welche Bedeutung bestimmte historische Ereignisse und Entwicklungen für die Gegenwart und Zukunft von Schülerinnen und Schülern haben. Als das internationale Wirtschaftssystem vor einigen Jahren in eine tiefe Krise geriet, erinnert DER SPIEGEL (18/2009) an das Jahr 1929 und titelte „Wiederholt sich die Geschichte doch?“. Bergmann zufolge handelt es sich hier um einen „Gegenwartsbezug als Sinnzusammenhang“. Es wird also die Frage aufgeworfen, ob vergangene und gegenwärtige Entwicklungen zumindest teilweise vergleichbar sind und, wenn ja, welche Konsequenzen sich daraus für zukünftiges Handeln ergeben.
Eine andere Option besteht darin, einen „Gegenwartsbezug als Ursachenzusammenhang“ (Bergmann 2007, 104-105) herzustellen. Hier könnte man z.B. von der Frage ausgehen, warum die Bundesregierung (erst) seit 2006 sogenannte Integrationsgipfel veranstaltet, und sich im Anschluss daran mit dem Thema Migration befassen
2) Das zweite für die Anbahnung eines reflektierten Geschichtsbewusstseins konstitutive Prinzip der Unterrichtplanung geht ebenfalls auf Klaus Bergmann zurück. Multiperspektivität bedeutet, dass bestimmte „historische Sachverhalte aus den Perspektiven verschiedener beteiligter und betroffener Menschen dargestellt und betrachtet werden“. (2007b, 65) Idealtypisch unterscheidet Bergmann drei Dimensionen:
Die Multiperspektivität aus der Vergangenheit stammender Quellen Die Kontroversität quellenbasierter historischer Darstellungen (z.B.,
Ergebnisse der Geschichtswissenschaft)
Pluralität der (Wert-) Urteile
Die drei „Dimensionen“ werden von Schülerinnen und Schüler hinsichtlich bestimmter historischer Sachverhalte entwickelt, wenn sie sich selbst mit Multiperspektivischen Quellen und Kontroversen Darstellungen auseinandersetzen.
3) Das dritte Prinzip geschichtsdidaktischer Unterrichtsplanung hat Ute Effelmann etabliert (2012, 67-70). Wer problemorientiert unterrichtet „lehnt es prinzipiell ab, Fertigkost zu verabreichen“. Organisationsprinzip des problemorientierten Geschichtsunterrichts sind vielmehr die „in Gegenwartserfahrungen entstandenen historischen Fragen, welche die Lernenden selber stellen“. Genuin historische Fragen zielen nicht nur auf die Vergangenheit, sie beziehen sich auch auf Gegenwart und Zukunft. Problemorientierung und Gegenwarts- sowie Zukunftsbezug hängen als Prinzipien eng miteinander zusammen. Dass die von Uffelmann favorisiert Orientierungsprobleme der Gegenwart (z.B. Krieg und Frieden, Wohlstand und Armut, Wirtschaft und Umwelt, Migration) in der Praxis des Geschichtsunterrichts nicht zuletzt angesichts curriculare Zwänge oft eher Schattendasein fristen, lässt sich allerdings wohl kaum bestreiten. Trotzdem sind Uffelmanns Überlegungen als regulative Idee der Themenbestimmung ausgesprochen wichtig. Unabhängig davon sind für die Unterrichtsvorbereitung aber mindestens noch drei weitere Problemtypen relevant (Barricelli 2007, 82-84), deren mögliche Bedeutung von Fall zu Fall genau auszuloten ist:
Forschungsprobleme (z. B. Warum zerbrach das Imperium Romanum? Warum kam Hitler an die Macht? Warum zerbrach die Weimarer Republik?)
Probleme der Vergangenheit (z.B. 1848/49 Großdeutsche oder kleindeutsch? Frühling der Völker?
Probleme der Urteilsbildung (Wie bildet man historische Werturteile? Und woran erkennt man ihre Qualität?).
GESCHICHTLEHRERKOMPETENZEN UND STRATEGIEN DER UNTERRICHTSVORBEREITUNG
Die Diskussion über Geschichtslehrerkompetenzen steckt nach wie vor in ihren Anfängen. Dennoch ist kaum zu bestreiten, dass Geschichtslehrerinnen und Lehrer neben allgemeindidaktischen Fähigkeiten vor allem über fachdidaktische und fachwissenschaftliche Kompetenzen sowie über ein fundiertes historisches Wissen verfügen sollten. Angesichts komprimierter Studiengänge, verkürzter Referendariate und der äußerst begrenzten Zeit, die für die Planung von Geschichtsunterricht meist zur Verfügung stehen, ist das ein hoher Anspruch. Abschließend sollen daher fünf Strategien der Unterrichtsvorbereitung skizziert werden, deren Relevanz bzw. Effizienz zwar empirisch nur zum Teil abgesichert ist, die aber doch eine große Plausibilität für sich beanspruchen können.
SCHULBÜCHER ALS AUSGANSPUNKT: Das ideale Schulbuch gibt es bekanntlich nicht. Trotzdem ist es pragmatisch, bei der Unterrichtsplanung von dem auszugehen, was das Schulbuch zur Verfügung stellt. Hilfreich kann es sein, zu einem Thema zwei oder drei Schulbücher zu vergleichen. Häufiger als erwartet, wird man dann vielleicht feststellen, dass man auf die Erstellung eigener Arbeitsmaterialien manchmal verzichten kann, zumal dann, wenn man auch das Schulbuch selbst zum Gegenstand der Kritik macht.
HISTORISCHE KONTROVERSEN ALS FOKUS: Geschichtsunterricht lebt von geschichtswissenschaftlichen und geschichtskulturellen Kontroversen. Wegen ihrer Aktualität bzw. kurzen geschichtsdidaktischen Halbwertzeit werden gerade letztere in Schulbüchern jedoch nur begrenzt berücksichtigt. Für Lehrerinnen und Lehrer ist es daher gut, nicht nur einen Blick in die Forschungskapitel einschlägiger „Grundrisse der Geschichte (Historiker-Kontroversen) zu werfen sondern auch geschichtskulturelle Debatten in Zeitungen und Internetforen so intensiv wie möglich zu verfolgen. Das erleichtert es, Gegenwartsbezüge in den eigenen Unterricht zu integrieren.
SCHÜLERFRAGEN ALS SCHLÜSSELFAKTOR, FÜR GUTEN GESCHICHTSUNTERRICHT: Es ist also nicht nur erkenntnistheoretisch, sondern auch aus Gründen der Motivation sinnvoll,
bei der Unterrichtsplanung von denjenigen Fragen auszugehen, die Schülerinnen und Schüler selbst stellen. Zwar sind diese Fragen eher selten im engeren Sinne historische Fragen, aber sie lassen sich historisch profilieren und geben darüber hinaus Aufschluss über lernpsychologische relevante Schülervorstellungen.
LERNAUFGABEN ALS SCHÜSSELFAKTOR: Ein zweiter Schlüsselfaktor guten Geschichtsunterrichts sind offenbar Lernaufgaben. Lernaufgaben beschreiben, mit welchen Fragestellungen sich Schülerinnen und Schüler beschäftigen, sie konkretisieren Unterrichtsziele, -methoden und –Medien, sie sind – die Schnittstelle zwischen Unterrichtsangebot und –Nutzung und damit zugleich Katalysatoren individueller Lernprozesse. Für einen gelingenden Unterrichtsverlauf ist es also wichtig, der Formulierung dieser Aufgaben (Operationalisierung, Verständlichkeit, Differenzierung, Anforderungsniveau etc.; in fachspezifischer Hinsicht Ausrichtung auf historische Werturteilsbildung und Reflexion) genügend Aufmerksamkeit zu schenken.
GESCHICHTSDIDAKTISCHE REFLEXION ALS FACHLICHER VERSTÄNDIGUNGSPROZESS: Erste qualitative empirische Befunde deuten darauf hin, dass es hinsichtlich des fachspezifischen Kerns von Geschichtsunterricht (Was heißt überhaupt, historisch zu lernen bzw. zu denken?) zwischen Lehrer- und Schülerperspektiven zum Teil eine erhebliche Kluft gibt. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, dass sich Lehrer und Schüler regelmäßig darüber verständigen, worauf es ihnen im Geschichtsunterricht eigentlich ankommt. Das erleichtert bzw. präzisiert die Unterrichtsplanung und schafft gute Voraussetzungen für die Anbahnung eines reflektierten Geschichtsbewusstseins.
PHASEN DES UNTERRICHTSVERLAUFS
Jeder Unterricht bedarf einer klaren Struktur. Daher teilt man Lehr-Lernprozesse in Verschiedene Phasen ein. Weit verbreitet ist der Dreischritt
Einstieg-Erarbeitung-Ergebnissicherung.
Dieser Dreischritt ist jedoch nicht fachunspezifisch, er hat Geltung für alle Unterrichtsfächer.
Wir werden einige Unterrichtstypen kurz darstellen. Wichtig ist der Unterricht fachspezifisch zu profilieren, dann kann man vom Prozess historischer Erkenntnis
ausgehen und einzelne Geschichtsunterrichtsstunden bzw. Sequenzen in folgende Phasen unterteilen:
HEURISTIK HISTORISCHE URTEILSBILDUNG
HISTORISCHE REFLEXION
1) Am Anfang historischer Lehr-Lernprozesse stehen im Idealfall historische Fragen. Historische Fragen zielen auf den bereits erwähnten Zusammenhang von Vergangenheitsdeutung. Gegenwartsverständnis und Zukunftsperspektive. Historische Fragen sind somit Ausdruck historischer Orientierungsbedürfnisse, sie steuern die Auswahl von Quellen und Darstellungen und sind Voraussetzungen historischer Hypothesenbildung.
2) In der Erarbeitungsphase geht es darum, ausgehend von historischen Fragen und Hypothesen, historische Werturteile zu bilden. Unter dem Begriff des Werturteils versteht man die Entwicklung bzw. Prüfung von Stellungnahmen zu bestimmten historischen Fakten und zwar in der Weise, dass zwischen den Fakten selbst, ihrer Bedeutung im Horizont der Vergangenheit und ihrer gegenwärtigen Relevanz eine sinnvolle Beziehung hergestellt wird. Konkret heißt das: Schülerinnen und Schüler erarbeiten oder überprüfen durch äußere und innere Kritik multiperspektivischer Quellenensembles zunächst historische Analysen (Wie hat sich ein gewisses historisches Ereignis aller Wahrscheinlichkeit nach zugetragen?), sie entwickeln dann im Modus der Interpretation historische Sachurteile (Welche Ursachen und Folgen hatte dieses Ereignis? WER HAT DAVON PROFITIERT? Wem hat es geschadet?) und sie bilden im Anschluss daran auf der Basis von Analysen und Sachurteilen historische Werturteile (Wie lassen sich bestimmte Ereignisse und Entwicklungen aus heutiger Sicht bewerten? Inwiefern sind sie für Gegenwart und Zukunft relevant?). Abschließend geht darum, diese Urteile darzustellen bzw. zu diskutieren.
3) In der Phase der Ergebnissicherung kommt es zum einen darauf an, dass Schülerinnen und Schüler ihren Lernweg bzw. ihren historischen Erkenntnisprozess nachvollziehen und auswerten. Zum anderen sollte sie ihren Standpunkt reflektieren und verstehen, warum man möglicherweise auch zu völlig anderen Werturteilen gelangen kann, wenn Werteurteile hinsichtlich zugrundeliegender Normen und Perspektiven reflektiert werden, entwickeln sie sich Wertargumentationen. Die dritte Phase des Unterrichtsverlaufsdient also nicht nur bzw. nicht in erster Linie der Sicherung bestimmter Kenntnisse, sondern vor allem dem Kompetenzaufbau und der Entwicklung eines reflektierten Geschichtsbewusstseins.
HEURISTIK: Historische Fragen, Suche nach Quellen/Darstellungen, Hypothesen
HISTORISCHE URTEILSBILDUNG: Historische(s) Analyse, Sachurteil, Werturteil, historische Darstellung
HISTORISCHE REFLEXION: Erkenntnisprozess, Standpunkt
Einige auffällige Punkte:
Titel (manchmal gibt es eine reine Nennung des Gegenstands („Französische Revolution“) oder Epocheneinordnungen („Zeitalter der bürgerlichen Revolution“) oder einen interpretativen Aspekt. Natürlich braucht jedes Wort, das gewählt wird, eine explizite Erläuterung während der Behandlung des Themas!
Die Kompetenzorientierung hat den inhaltlichen Planungsprozess für Lehrer nicht immer vereinfacht. So finden sich inhaltliche Vorgaben oft sowohl in den Kerncurricula als auch in den einzelnen Teilkompetenzen, was die Übersicht erschwert und wahrscheinlich am Ende ehre die Leitfunktion des Schulbuchs. Die Zusammenstellung inhaltlicher Vorgaben gleich dort eher einem Puzzlespiel.
Die Differenzen in der Ausführlichkeit der Angaben in den einzelnen Lehrplänen bilden einen sehr unterschiedlichen Ausgangspunkt: Bei dem Beispielthema „Französische Revolution“, reicht das Spektrum von der mehr oder weniger reinen Nennung des Themas bis hin zur einer zweiseitigen Auflistung detaillierter Teilaspekte. Auch die Art der Angaben differiert zwischen den Lehrplänen der einzelnen Bundesländer erheblich
Welche Deutungshinsichten und Problemhorizonte werden vom Lehrplan genannt? Kontext und Narrationen. Welche Epochenkontexte oder umfassende Narrationen
mit welchem „Subjekt“ (Nationen, Zivilisationen etc.) sind leitend für den Zusammenhang, in den ein Thema historisch eingebettet ist? Eine Lehrplanheit, die z.B. nur „Französische Revolution“ heißt, macht einen solchen Zusammenhang eventuell nicht explizit.
Wahrnehmungsdimensionen- Welche Blickwinkel oder Wahrnehmungsdimensionen strukturieren das Thema? Politische Geschichte, Sozial-, Alltagsgeschichte, Kulturgeschichte, Umweltgeschichte oder Geschlechtergeschichte..
Raumdimensionen. Welche Raumbezüge werden gefordert oder empfohlen - von globalgeschichtlichen, europäischen, nationalen, regionalen Aspekten?
Fallbeispiele – Welche Vorschläge zur Profilierung des Themas durch Fallbeispiele enthält der Lehrplan, zu Persönlichkeiten, Teilereignissen etc.?Geschichtsunterricht findet wie historisches Denken generell auf einem Zeitkontinuum eines stetig wandernden Gegenwartspunktes statt, aus dem heraus das Verhältnis zur Vergangenheit genauso wie die Zukunftserwartung von Zeit zu Zeit neu bestimmt werden muss.
Die Medien, die solche Veränderungen anzeigen, sind vielfältig. Geschichtsunterricht bezieht sich auf diesen Prozess der Transformation gesellschaftlicher Erinnerung und nimmt auf unterschiedliche Wiese an ihm teil. Er soll Schüler dazu anregen, Geschichte als Teil der Lebenswelt und ihrer eigenen Identität zu begreifen.
Stundentypen:
PROBLEMTYP
Wichtig: wie wird die Leitfrage gestellt?
Gemäß der Vielfalt problemorientierter Betrachtungsweisen können etwa folgende Themen im Zentrum stehen:
Gegenwartsbezug als Strukturanalogie oder Gegenwartsgenese Kontroversität historischer Betrachtung: konkurrierende Perspektivierungen
historischer Themen Zeitgenössische Perspektiven und epochenspezifische Probleme
Titelformulierungen: Fragen, die sich nicht mit einem JA oder einen NEIN beantworten lassen, alternative Begriffspaare, die sich auf historische Urteilsbildung beziehen, enthalten eine Diskrepanz, die zur Auseinandersetzung einlädt.
1. Eine Herrschaft nach den Grundsätzen der Revolution? Napoleons Herrschaft – Anspruch und Wirklichkeit?
2. Unsere Revolutionen – Eure Revolutionen? Nationales Gedenken in den USA, Frankreich, Deutschland im Vergleich.
3. Die Shoa- Wie konnte es zu diesem Zivilisationsbruch kommen?
EREIGNISTYP
Zentrum dieses Stundentyps bildet ein historisches Ereignis. EREIGNISSE SIND HISTORISCHE BEGEBENHEITEN, DIE ALS DENKWÜRDIG ANGESEHEN WERDEN, WEIL SIE EINE GESCHICHTLICHE VERÄNDERUNG HERBEIFÜHREN.
Zu Ereignissen können unterschiedliche Handlungen zusammengefasst werden. Ereignisse sind UNWIEDERHOLBAR UND EINZIGARTIG UND MÜSSEN DESHALB IN RAUM UND ZEIT MARKIERT WERDEN. SIE SIND URSACHE UND FOLGE ZUGLEICH. DAS EREIGNIS HAT EINE POSITION in Gesamtthema der Unterrichtseinheit. Es kann den Anfang, den Höhepunkt oder das Ende eines Prozesses beschreiben. Alle Ereignisse haben ein Vorher und ein Nachher, sie gewinnen ihre Bedeutung durch den Zusammenhang einer historischen Erzählung. Ereignisse sind Bausteine historischer Erzählungen und stehen im Laufe der Zeit im Schnittfeld vieler unterschiedlicher Erzählungen, sie werden im Laufe der Zeit um immer mehr Bedeutungen angereichert.
Sie werden deshalb zu „Knotenpunkten“ zwischen unterschiedlichen Deutungen der Geschichte.
So kann etwa die (Selbst) Krönung Napoleon I 1804 im Dom von Notre Dame in sehr unterschiedliche Erzählungen eingebettet werden –etwa eine genetische, die fragt, welche Ursachen zu diesem Ereignis führten, das in so krassem Gegensatz zu den ursprünglichen Idealen der Französischen Revolution stand; eine biographische Erzählung, die die Krönung als Scheitelpunkt einer beispiellosen Karriere darstellt, oder eine mikrochronologische Erzählung, die Schein und Wirklichkeit einander gegenüberstellt, indem die Krönung durch die zwei Tage später stattgefundene Verteilung der Adlerfeldzeichen an die Truppen auf dem Marsfeld ergänz wird, die ihren persönlichen Treueschwur auf den Kaiser ableisteten („Heereskaisertum“) usw.
1) Die Heeresreform des Marius (107 v.Chr.)- Lösung eines Problems und/oder erste Etappe auf dem Weg zur Alleinherrschaft?
2) Ohne die Erfindung der Dampfmaschine keine Industrialisierung?
3) Die Hitler-Ludendorff-Putsch am 9.11.1923- Die Gegner der Republik machen mobil
Strukturtyp
Gemeint sind jene Stunden, die von Strukturgeschichte als methodische Herangehensweise) ausgehen, die einer Gesellschaft zu Grunde liegenden Strukturen, ihre Konstanz oder ihre Wandel in den Blick nehmen. Strukturgeschichte meint somit eine Synthese vom wirtschaftlichen, sozialen, mit politischen, aber auch geographischen Betrachtungsweisen.
Fragen oder Thesen beziehen sich auf:
Beschränkungen oder Möglichkeiten von Lebensperspektiven oder Handlungsoptionen einzelner Personen oder Sozialer Gruppen im Kontext von Strukturen.
Fragen von Macht und Einfluss innerhalb bestimmter politischer Strukturen und des Verhältnisses von formellen und informellen Einflussnahmen (influenza.. auf. Akk) und Machtoptionen.
Fragen nach der Wirkung bestimmte sektorale Bereiche auf andere (Religion auf Politik, Wirtschaft auf soziale Verhältnisse etc.).
Beispiele
1. „Sie gehörten ganz auf Vaterland“ – Die spartanische Staat- und Gesellschaftsordnung
2. Senat und Volk von Rom: Wer herrscht in der Römischen Republik?3. Pax Romana- Zivilisierung oder Unterdrückung? Gesellschaft, Wirtschaft, und
Verwaltung im Römischen Reich zur Zeit des Prinzipats
Prozesstyp
Im Zentrum der Betrachtung steht ein historischer Prozess, der sich in einer Abfolge von Ereignissen oder Entwicklungen spiegelt und von einem historischen Zeitpunkt an verfolgt und eingeordnet wird.
In Prozessen wird historisch das Zusammenwirken unterschiedlicher Handlungszusammenhänge oder anderer „Impulse“ beschrieben, die in der Regel von ihrem Ende her zu einem einheitlichen Vorgang zusammengefasst wird. Prozesse sind also immer auch gerichtet. Prozesse sind also immer auch gerichtet. Krisen etwa stellen Prozesse an, deren Anfang, Höhepunkt und Wendepunkt sowie deren Ende prinzipiell datierbar sind.
Prozesse können sich in wenigen Stunden abspielen und nur eine kleine Gruppe von Menschen betreffen –etwa bei politischen Entscheidungsprozessen – oder sich über mehrere Jahre oder Jahrzehnte oder auch Jahrhunderte erstecken (Kubakrise im Oval Office 1962..).
Prozesse können sich auf einen Aspekt beziehen (Nationsbildung) oder ein ganzes Bündel an Veränderungen beinhalten (Modernisierungsprozesse).
Fragen können folgende Aspekte enthalten:
Widersprüche der am Prozess beteiligten Personen….
Infragestellung der Alternativlosigkeit des Prozesses. Frage nach zentraler Weichenstellung und den Alternativen, versäumten Chancen…
Prüfung der Wirksamkeit einzelner Impulse und deren Einfluss (z.B. wirtschaftliche oder soziale Konflikte, Raum…)
Beispiele für Formulierungen:
1. Anpassung oder kulturelle Leistung? – Die Menschen verändern ihre Lebensweise in der Jungsteinzeit
2. Die Krise der Römischen Republik – Warum entmachtet sich der Senat selbst?
3. Krise ohne Ausweg? – Die Ursachen der Französischen Revolution
Kontexttyp
Das Thema wird in vielfacher Hinsicht aus seiner Inselbildung gelöst und mit zuvor und danach behandelnden Themen in einen Zusammenhang gebracht.
Kontextualisierung bedeutet, das Verhältnis von Text und Kontext, eine notwendige Operation historischen Verstehens. Weit voneinander entfernt liegende Sachverhalte werden sinnvoll miteinander verknüpft. Das kann in verschiedenen Reichweiten und Hinsichten geschehen – aktuell gibt keine Systematik. Ein Vorschlag geht von der Möglichkeit einer Raum- und zeitgliedernden Kontextualisierung aus.
Zeitgliedernde Kontextualisierung: Zäsuren und Epochengrenzen werden sichtbar und das historische Phänomen wird ein einen größeren Merkmalzusammengang gebracht. Das Aufzeigen eines Zusammenhangs geht einher mit der Einbettung in Narrationen die makrogeschichtlichen Kontexte herstellen.
Die Kontextualisierung im Raum kann bedeuten:
Die Parallelisierung unterschiedlicher Handlungsräume. Parallel auf einer Ebene (z.B. die Revolution 1848 in Wien und Berlin) oder vertikaler Perspektivwechsel (z.B. die Revolution 1848/49 in Deutschland und im Großherzogtum Baden)
Entfaltung unterschiedlicher Handlungsszenarien. Über große Räume (Kriege…) mit der Neuordnung ganzer Weltreligionen, Geschehensräume mit unterschiedlichen Zentren (Revolutionen), Diffusionsgeschichten (z.B. Ausbreitung von Krankheiten…), Geschichte von Interaktionen zwischen den Räumen
Zusammenbinden von Räumen: Chance den „nationalen“ oder „europäischen“ Container der historischen Betrachtung zu öffnen und mit anderen historischen Perspektiven zu ergänzen.
Titelformulierungen sollten den raum- und zeitgliedernden Zusammenhang markieren, den sie herstellen. Er kann Räume übergreifen oder in Beziehung setzen oder Epochenfragen oder zentrale Fragen in den Mittelpunkt stellen.
Beispiele:
1. Politische Revolutionen und Industrialisierung – warum kann man von einer Doppelrevolution sprechen?
2. Radikaler Einschnitt in der Menschheitsgeschichte – Die Industrialisierung in Europa
3. Viele Wege zum gleichen Ziel?= Nationalstaatsbewegungen in Europa.
Profilierungstyp
Zwei unterschiedliche Verfahren:
Historische Vergleiche durch Generalisierung und Typisierung wird die Erhellung mit einem anderen historischen Phänomen hergestellt (z.B. Revolutionsvergleiche) und Fallbeispiele verdeutlichen einen historischen Zusammenhang durch einen konkreten Fall.
Fallanalysen:
Gehen auf das Bedürfnis nach Anschaulichkeit und Wirklichkeitsnähe ein. Ein konkreter Fall wird in Beziehung zu einem allgemeinen Thema gesetzt. Die Spannung zwischen Besonderen und Allgemeinen wird besonders im Fallbeispiel Region deutlich (Fallbeispiel: Verlauf der Revolution von 1848/49 regional und örtlich unterschiedlich – im Gegensatz zum Allgemeinen: Passivität der Gewerkschaft).
Die Betrachtung von Teilereignissen ergeben komplexe Fragestellungen. Z.B. Inwiefern stehet der „Sturm auf die Bastille“ am 14.07.1789 für die Französische Revolution? Differenzierungen durch unterschiedliche Perspektivierungen.
Besondere Fragen entstehen durch die Behandlung einer Person in der Geschichte, es geht um die Frage nach ihrem Einfluss auf den historischen Prozess.
Hilfreich ist wenn der Titel die Korrelation zwischen Allgemeinden und Besonderem herstellt
Beispiele:
1. Warum Scheitert der Traum von der Republik? – die Revolution von 1848/49 in Baden
2. Friedrich Ebert und Paul Hindenburg – zwei Repräsentanten derselben Republik?
3. Wie werden „normale“ Männer zu Mördern? Das Polizei-Bataillon 101 und die „Endlösung“ in Polen
Vergleiche:
Vergleiche untersuchen historische Phänomene nach Ähnlichkeiten oder Unterschiede. Das Verfahren sucht Gemeinsamkeiten (generalisierende Analyse) und Individuelles (typisierender Vergleich). In den Lehrplänen kommt oft der analytische Typ vor (z.B. Vergleich von Revolutionen) und vermehrt der verstehende Vergleich (z.B. dem Vergleich von Weltbildern in Europa und China). Vergleicht man aufeinanderfolgende Ereignisse, vermischen sich oft Vergleichs- und Verflechtungsaspekten (Wechselseitige Einflussnahmen und Austauschprozesse).
Diese Betrachtungsweise kann nationale Perspektiven auflösen und in eine multiperspektivische Sichtweise münden (z.B. ein Vergleich der französischen ohne Beziehungsaspekte ist unvollständig, weil Menschen und Ideen einwirken.
Der Titel sollte den Aspekt nennen unter dem die historischen Phänomene verglichen werden.
Beispiele:
1. Kindheit in Athen und Sparta – Warum werden Kinder unterschiedliche erzogen?
2. Vorreiter und Nachzügler – der Vergleich der Industrialisierung in England und Deutschland
3. Abschottung oder Europäisierung? Ein Vergleich Chinas und Japans zur Zeit des Imperialismus.
Methodentyp
Gemeint sind Stunden, in denen spezifische Verfahrensweisen (RITI) historischer Erkenntnisgewinnung (ESTRATTO DI CONOSCENZA) Grundlagen (BASE) der Quelleninterpretation anhand (IN BASE A plus gen.) spezifischer Gattungen(GENERI) und des Umgangs (der- RAPPORTO) mit der Vielfalt historischer Darstellung geübt oder vertieft werden.
Die Kompetenzorientierung historischen Lernens führt verstärkt zu diesem Stundentypus, der Gattungs- und Interpretationskompetenz bei Schülern fördern soll. Im Rahmen einer Unterrichtseinheit besitzt eine solche Stunde neben der Übung genereller methodischer Zugänge durchaus auch inhaltliche Funktionen:
Dies (QUESTO) wird durch die Auswahl der Beispiele sichergestellt, die von der inhaltlichen Signifikanz durch die Repräsentativität der Quellengattung der der historiografischen Darstellungsform für den thematischen Schwerpunkt ausgeht (BASARSI).
Die Quellen müssen medial repräsentative Gattungen für die Epoche darstellen und sich auf besonders signifikante Aspekte des Themas beziehen (etwas auf jemanden/etwas beziehen lassen. Quellen entstehen (SI FORMANO) in bestimmten historischen Kontexten, wirken wiederum auf sie und stehen in einem spezifischen gesellschaftlichen Kommunikations- und Wirkungszusammenhang. Betrachtet man etwas exemplarisch „Karikaturen“ beim Thema „Französischen Revolution“, dann rücken neben Aspekte der Interpretation Fragen nach der Entstehung, Verbreitung und Wirkung der politischen Publizistik in den Blick. Insofern werden so auch Mediengeschichtliche Fragen relevant.
Auch die Untersuchung von Geschichte als Darstellung bleibt eingebettet in den thematischen Zusammenhang. So ist die Übung der Arbeit mit Geschichtskarten dann angebracht, wenn das Thema eine intensive Auseinandersetzung mit Raumaspekten nahelegt (Reichsbildungen, Kriege, Migration, Entdeckungen usw.).
Die Übung interpretativer Verfahren von Quellen und dem Umgang mit Darstellungsformen von Geschichte macht den Schülern deutlich, wie ihnen im Kontext spezifisch historischer Fragestellung Sinn entnommen werden kann. Durch den Ausbau dieses methodischen Wissens stützen solche Stunden die Anwendung und Reflexion interpretativer Verfahren im thematischen Kontext.
Um die große Klarheit zu erreichen, nennen die Titel methodenorientierter Stunden die Quellengattung oder die Darstellungsform und die an ihnen zu übende Verfahren (Am Beispiel von...). Ergänzt werden kann der Titel durch den besonderen Akzent, durch die spezifische Charakteristik, die Aussagekraft oder die Eigenschaft, unter der die jeweilige mediale Form betrachtet werden soll. Zudem kann auch das jeweilige Niveau markiert werden, unter der eine methodische Herangehensweise geübt wird.
Beispiele
1. Mit spitzer Feder gezeichnete Kommentare – Politische Karikaturen an Beispielen aus der Französischen Revolution interpretieren
2. Warum zerfällt das Reich der Karolinger? Anhand von Geschichtskarten historische Prozesse nachvollziehen
3. Die Finanzen des Staates und das Verhältnis von Einkommen und Lebensmittelpreisen vor der Französischen Revolution – Eine Krisensituation anhand von Statistiken analysieren
BIBLIOGRAFIE
H. Thünemann, Planung von Geschichtsunterricht, (H. Günther-Arndt/M. Züldorf-Kersting, Geschichtsdidaktik, Berlin 2014 (6. Überbearbeitete Neuauflage)
V. Oswalt, Planung von Unterrichtseinheiten. Wie man Geschichte (an)ordnen kann, Schwalbach /Ts. 2016