“Warum und wie sollte Folterung strafbar gemacht werden?” Kimmo Nuotio Professor im Strafrecht,...
-
Upload
cundrie-langhorst -
Category
Documents
-
view
103 -
download
0
Transcript of “Warum und wie sollte Folterung strafbar gemacht werden?” Kimmo Nuotio Professor im Strafrecht,...
“Warum und wie sollte Folterung strafbar gemacht werden?”
Kimmo Nuotio
Professor im Strafrecht, Helsinki Universität
Bern, 5. Oktober, 2009
07.10.2008professor Kimmo Nuotio 2
Warum?
Folter als eine Straftat gegen die Menschenwürde? Eine
Beeinträchtigung eines sehr elementären Rechtsguts Folter: die Einmischung des öffentlichen Gewalts
(Staatsmacht) ist wesentlich Es wäre ganz unmöglich, eine normative Theorie von
Rechtsstaat ohne eine effektive und absolute Folterverbot
zu rekonstruieren. Folterung ist ein Zeichen von brutaler,
illegitimer Staasgewalt Mr. Cock(1949):”it would be better for the society to
perish than for it to permit this relic of barbarism to
remain.” Jeremy Waldron, Jurisprudence for the White House Geschichte; Strafprozess. PJA Feurbach, Pihlajamäki.
07.10.2008professor Kimmo Nuotio 3
Warum?
Folterverbot beinhaltet das Recht des Einzelnen, nicht
gefoltert zu werden. Foltern um Erkenntnisse zu bekommen, Foltern um
Geständnisse zu erlangen als paradigmatischer Beispiel Folterverbot: besonders wichtig während eines
bewaffneten Konflikts oder einen Ausnahmezustand.
especially needed. Nicht derogierbar. Eine absolute
Verbot. Völkerrecht und internationales Recht sind zwei
unterschiedlichen Kontexte. Folter als
Menschenrechtsverletzung oder als eine Verletzung des
humanitären Völkerrechts. Unterschiedliche Definitionen.
Wie? UNO-Anti-Folterkonvention von 1984
Eigentlich die erste und die wichtigste Definition. Artikel 1 Im Sinne dieses Übereinkommens bezeichnet der
Ausdruck "Folter" jede Handlung, durch die einer Person
vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen
oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr
oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu
erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von
ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen oder…
07.10.2008professor Kimmo Nuotio 4
UNO Konvention 1984
„.. um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu
nötigen, oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von
Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese
Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des
öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher
Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung
oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem
Einverständnis verursacht werden.“ „Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die
sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen
ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind.“
07.10.2008professor Kimmo Nuotio 5
UNO-Konvention
Artikel 4 (1) Jeder Vertragsstaat trägt dafür Sorge, dass nach
seinem Strafrecht alle Folterhandlungen als Straftaten
gelten. Das gleiche gilt für versuchte Folterung und für
von irgendeiner Person begangene Handlungen, die eine
Mittäterschaft oder Teilnahme an einer Folterung
darstellen. (2) Jeder Vertragsstaat bedroht diese Straftaten mit
angemessenen Strafen, welche die Schwere der Tat
berücksichtigen.
07.10.2008professor Kimmo Nuotio 6
Folterung als Straftat?
Was bedeutet diese Verpflichtung zu kriminalisieren
eigentlich? Muss man eine besondere Folterungsstraftat einführen? Die Überwachungsorgane haben dies gefordert, aber
viele Staaten behaupten, dass eine solche Verpflichtung
nicht von Völkerrecht abgeleitet werden kann. Z.B. die nordischen Staaten: Norwegen, Dänemark,
Schweden, Finnland.
07.10.2008professor Kimmo Nuotio 7
Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten
Artikel 3 – Verbot der Folter Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder
erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen
werden.
Eine sehr breite Judikatur im EGMR. Seit Mitte-Ende 1990 Folterung gesondert behandelt
07.10.2008professor Kimmo Nuotio 8
EMRK
Im System der EMRK ist Folter die grobe Form
unmenschlicher Behandlung. Die erste Entscheidung, in der ein Vertragsstaat
ausdrücklich des Folterns schuldig befunden wurde, ist
vom Jahr 1996 (Aksoy v. Türkei). Der Fall hatte mit den Handlungen der kurdischen
Organisation PKK im Nordosten der Türkei zu tun. Die
türkische Regierung verteidigte sich, indem sie die
außergewöhnlichen Zustände betonte. Der EMGR
akzeptierte dies nicht, sondern unterstrich die
Grundsätzlichkeit der im Artikel 3 der EMRK
ausgedrückten Werte für eine demokratische
Gesellschaft.
Das Unterscheidungskriterium
Ein wesentliches Kriterium ist die absichtliche
Verursachung von besonders schlimmen Leiden. Dass
man ausdrücklich von Folter spricht, enthält ein
besonderes Stigma. Die Grenzziehung ist oft von Fall zu
Fall unterschiedlich wegen der Vielfältigkeit der
Situationen und dem speziellen Charakter der Definition
von Folter. Die Tendenz in der Interpretation der
Menschenrechtskonvention ist die Ausweitung, nicht die
Einschränkung, der Definition von Folter. Die Rechtspraxis des EGMR ist umfangreich. Der EGMR
hat u.a. die spezielle jus cogens-Stellung des
Folterverbots im internationalen Recht hervorgehoben.
Internationales humanitares Recht
Neben dem Menschenrechtsreglement gehört das
Folterverbot zum internationalen humanitären Recht. Foltern kann eine Tatform des Verbrechens gegen die
Menschlichkeit darstellen. In diesem Zusammenhang wird
die Folter in den internationalen Konventionen nicht
definiert. Die Genfer Abkommen aus dem Jahr 1949 legen fest,
dass Foltern als schwerer Verstoß gegen das humanitäre
Recht zu betrachten ist, der strafbar sein muss.
Rom-Statut
Im Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs
(IStGH) werden das Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und das Foltern als dessen Teil dagegen
definiert. In diesem Zusammenhang ist Folter laut Artikel 7 Punkt
(e) des Statuts „intentional infliction of severe pain or
suffering, whether physical or mental, upon a person in
the custody or under the control of the accused; except
that torture shall not include pain or suffering arising only
from, inherent in or incidental to, lawful sanctions”. Keine besondere Absicht erforderlich.
Kriegsverbrechen
Auch die in Artikel 8 des IStGH enthaltenen Merkmale für
Kriegsverbrechen beinhalten bestimmte schwere
Verstöße aus den Genfer Abkommen von 1949, nämlich
„Folterung oder unmenschliche Behandlung,
einschließlich biologischer Experimente“.
Rom-Statut
Im Rom-Statut wird die Folterung nicht mit der offiziellen
Stellung des Täters verknüpft. In den Auslegungsnormen
zu den Straftatsdefinitionen des Statuts – Artikel 7, Kapitel
1, Abschnitt f, 2. Kennzeichen – wird Foltern im
Zusammenhang mit einem Verbrechen gegen die
Menschlichkeit jedoch auf Situationen begrenzt, in denen
die betroffene Person Gefangener des Täters war oder
seiner Kontrolle unterstand.
Ad hoc Tribunale
In der Rechtspraxis der ad hoc Kriegsverbrechertribunale
wurden aus den Menschenrechtsbestimmungen folgende
Lehren auf Verstöße gegen das humanitäre Recht
angewendet und in den Inhaltsbereich des internationalen
Strafrechts eingeführt. Das internationale humanitäre
Recht wird angewendet, wenn es um einen bewaffneten
Konflikt geht. Die Zuständigkeit der
Kriegsverbrechertribunale beschränkt sich auf die
Verhältnisse während eines bewaffneten Konflikts. In
Friedenszeiten werden die für die Staaten verbindlichen
Menschenrechtsbestimmungen angewendet, etwa die
Antifolterkonvention der VN und die Strafgesetzgebung,
die deren Bestimmungen auf nationaler Ebene umsetzt.
Ad hoc Tribunale
Die Rechtspraxis der Kriegsverbrechertribunale hat
klargestellt, dass das Folterverbot zu den besonders
wichtigen Normen des internationalen Rechts gehört, die
selbst unter Ausnahmebedingungen nicht dehnbar sind
und keine Abweichungen zulassen. Auch Individuen tragen Verantwortung für Verstöße
gegen das Folterverbot, was darin zum Ausdruck kommt,
dass Einzelne nach internationalem Recht für
Folterverbrechen strafrechtlich zur Verantwortung
gezogen werden können.
Ad hoc Tribunale
In der Rechtspraxis hat sich auch eine gewisse
Entwicklung vollzogen. In der älteren Rechtspraxis ging
man davon aus, dass es sich um Folterung nur handeln
konnte, wenn ein Vertreter der öffentlichen Gewalt an den
Ereignissen beteiligt war. Zur älteren Praxis s. die Fälle
Furundžija (IT-95-17/1), Akayesu (ICTR-96-4-T), und
Semanza (ICTR-97-20-T). Einen Richtungswechsel
wiederum vertrat die Entscheidung Kunarac et al. (IT-96-
23 und IT-96-23/1), Berufungsinstanz, Absätze 149-152,
468-489, 496. In der Kunarac-Entscheidung wurde
hervorgehoben, dass der Staat im
Menschenrechtssystem eine andere Rolle hat als im
Bereich des humanitären Rechts.
Ad hoc Tribunale
In der Kunarac-Entscheidung wurde festgelegt, dass der
Schmerz und das Leiden, die eine Folterung beinhaltet,
nicht exakt klassifiziert werden können und dass man
keine Grenze definieren kann, weshalb mittels der
Rechtspraxis keine absolute quantitative Grenze für die
Definition des Folterns gezogen werden kann. Schmerz
und Leid bei einer Vergewaltigung erreichen jedoch das
Maß, das für die Charakterisierung als Folterung
notwendig ist. Bestätigt wurde dies auch in der
Entscheidung Naletilic und Martinovic (IT-98-34),
Berufungsinstanz.
Die nationalen Rechtsordnungen
In den nordischen Ländern vertraten die Gesetzgeber bis
in unsere Tage die Linie, dass eine separate
Kriminalisierung des Folterverbrechens nicht in die
Strafgesetzgebung aufgenommen wird. Dies betrifft neben Finnland Schweden, Dänemark und
Norwegen. Der UNO-Ausschuss gegen Folter hat die
nordischen Länder wiederholt darauf aufmerksam
gemacht, dass eine solche Kriminalisierung vollzogen
werden sollte.
Die nordischen Ländern
Unter den nordischen Ländern hat nur Norwegen eine
spezielle, das Foltern betreffende Strafvorschrift (§ 117 a
des Strafgesetzes), die im Jahr 2004 den Vorschriften
über Amtsverbrechen des norwegischen Strafgesetzes
hinzugefügt wurde (Ot.prp. nr. 8; 2007-2008), obwohl das
Strafgesetzkomitee (NOU 2002:4) eine separate
Folterstrafvorschrift nicht für notwendig gehalten hatte.
Norwegen
Die Definition der Folter im Strafgesetz entspricht der
Definition in der Antifolterkonvention, ist jedoch in einigen
Punkten weiter gefasst. Täter bei Folterungen können nur
Beamte sein. Amtsdelikt. Den Beamten gleichgestellt sind diejenigen, die im
Namen des Staates oder der Kommune öffentliche
Gewalt ausüben, sowie unter gewissen Voraussetzungen
diejenigen, die in bestimmten staatlichen oder
kommunalen Funktionen arbeiten.
Dänemark
In Dänemark kennt man kein spezielles Folterverbrechen.
erfüllen. Dagegen wird Foltern bei der Strafbemessung
innerhalb der für einzelne Verbrechen erlassenen
Strafrahmen berücksichtigt, so dass der Folteraspekt der
Tat als strafverschärfender Umstand berücksichtigt
würde.
Schweden
In der schwedischen Strafgesetzgebung gibt es kein
spezielles Folterverbrechen. Im schwedischen
Strafgesetz (Brottsbalken) begegnet der Begriff Folterung
nur im Zusammenhang mit den Regelungen über
gesetzwidrige Erzwingung. Nach Brottsbalken 4:4.2 gilt gesetzwidrige Erzwingung
vor allem dann als schwer, wenn das Vorgehen
Drangsalierung zum Geständnis oder andere Folter
einschließt (pinande till bekännelse eller annan tortyr).
Finnland
Im Moment keine besonderen Strafbestimmungen Ein Gesetzesvorschlags im Parlament Folterung soll als Amtsdelikt nach dem Modell des Anti-
Folter strafbar gemacht werden Jedoch die Bestimmung wird im Kapitel 11 über
internationale Verbrechen plaziert
Deutschland
In Deutschland findet sich in Artikel 1 (1) des Grundgesetzes eine
Bestimmung über die Unantastbarkeit der Menschenwürde. Zusätzlich
zu den Grundrechtsbestimmungen wird der Schutz festgenommener
Personen vor Misshandlung in Artikel 104 (1) geregelt. In § 136 a der Strafprozessordnung sind Folterung betreffende
Verbote im Zusammenhang mit Strafprozessen erlassen. Mit dieser
Verordnung wird die Freiheit der Willensbildung von Personen
geschützt, die eines Verbrechens verdächtig sind. Es werden
zahlreiche verbotene Vernehmungsmethoden aufgezählt, wie etwa
Misshandlung, Verabreichung von Medikamenten, Schlafentzug,
Drangsalierung, Lüge und Hypnose. Mittel, die sich auf das
Erinnerungsvermögen oder das Verständnis auswirken, dürfen nicht
eingesetzt werden. Es wird ausdrücklich verordnet, dass selbst die
Zustimmung des Vernommenen nicht zur Übertretung dieser Verbote
berechtigt.
Deutschland
In § 136 a der Strafprozessordnung sind Folterung
betreffende Verbote im Zusammenhang mit
Strafprozessen erlassen. Mit dieser Verordnung wird die
Freiheit der Willensbildung von Personen geschützt, die
eines Verbrechens verdächtig sind. Es werden zahlreiche verbotene Vernehmungsmethoden
aufgezählt, wie etwa Misshandlung, Verabreichung von
Medikamenten, Schlafentzug, Drangsalierung, Lüge und
Hypnose. Mittel, die sich auf das Erinnerungsvermögen
oder das Verständnis auswirken, dürfen nicht eingesetzt
werden. Es wird ausdrücklich verordnet, dass selbst die
Zustimmung des Vernommenen nicht zur Übertretung
dieser Verbote berechtigt.
Deutschland
Ein der deutschen Strafprozessordnung zuwiderlaufendes
Verfahren bei einer Vernehmung wird hauptsächlich
aufgrund der Verordnung über Aussageerpressung
(Strafgesetzbuch § 343) geahndet. Es handelt sich um
ein Amtsverbrechen, bei dem die Strafandrohung von
einem bis zehn Jahren Gefängnis reicht. Auf der Ebene
der Bundesländer wird die Behandlung von
Festgenommenen aus der Sicht des Polizeirechts
geregelt. Diese Gesetze enthalten bisweilen Verweise auf
die Bestimmung in § 136 a der Strafprozessordnung.
Deutschland
Das polizeirechtliche Folterverbot betrifft auch
Maßnahmen zur Gefahrabwehr. In der Fachliteratur
wurde der Gedanke geäußert, die Kriminalisierung der
Folter biete keinen ausreichenden Schutz; daher wurde
eine Ergänzung der Bestimmungen vorgeschlagen.
Daschner-Fall. Entführung eines Kindes, Nothilfe?– Die
Absolutheit der Verbot?
Holland
In Holland ist Foltern lediglich als Verbrechen gegen die
Menschlichkeit definiert. Im Zusammenhang mit der
Ratifizierung der Konvention über das Statut des
Internationalen Strafgerichtshofs wurde im Jahr 2003 ein
separates Strafgesetz über Kriegsverbrechen und
Verbrechen gegen die Menschlichkeit erlassen („Het
Internationale Misdrijven“). Die Definition des Folterns folgt weitgehend dem Muster
von Artikel 7 des Statuts.
Grossbritannien
In Großbritannien wurden die Bestimmungen der
Antifolterkonvention national in Kraft gesetzt, indem man
in das Strafgesetz von 1988 (Criminal Justice Act) im
Paragraphen 134 eine separate Kriminalisierung des
Folterverbrechens einfügte. Angewendet wird die
Verordnung nach Punkt (1) auf Beamte und in offizieller
Position Tätige. Nach Punkt (2) wird die Verantwortung auf
Privatpersonen ausgedehnt, wenn die Tat oder die
Unterlassung in einem bestimmten Zusammenhang mit
der öffentlichen Aufgabe eines Beamten oder in offizieller
Position Tätigen geschieht. Auf Folterung steht lebenslängliche Gefängnisstrafe.
Schweiz
Wahrscheinlich keine besonderen Vorschriften im StGB Amtsmissbrauch, Körperverletzung, Erzwingung Die normalen Straftatbestände werden angewandt. ??