Wartestall: Bauforschung, Geschichte und Bewertung
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l 4 Wartesstall
Christof Thöny (Hg.)
Museumsverein Klostertal
Wald am Arlberg 60a
A-6752 Dalaas
Tel: +43-(0)664/4911474
www.museumsverein-klostertal.at
ISBN 978-3-902319-07-4
Gestaltung: Christof Thöny
Druck: Linder Druck
Erscheint mit freundlicher Unterstützung der
Gemeinde Klösterle.
© Museumsverein Klostertal, Wald am Arlberg 2010
WartesstallBauforschung, Geschichte und Bewertung
Christof Thöny (Hg.)
Kleine Schriftenreihe des Museumsvereins Klostertal 4
Wald am Arlberg 2010
Autorinnen und Autoren
DI Eva Hody, Landeskonservatorin für Vorarlberg,
Bundesdenkmalamt, Amtsplatz 1, A-6900 Bregenz
Dr. Klaus Pfeifer, Labor für Dendrologie und
Dendrochronologie, Mühle 784, A-6863 Egg
Mag. Christof Thöny, Arlbergstraße 60a,
A-6752 Wald am Arlberg
Bürgermeister Dietmar Tschohl, Gemeindeamt,
A-6754 Klösterle
Inhalt
Dietmar Tschohl
Vorwort 4
Klaus Pfeifer
Wartesstall in Klösterle – eine Zeitreise
Ergebnisse der dendrochronologischen
Untersuchungskampagne 2007 6
Christof Thöny
Aspekte der Geschichte des Wartes-Anwesens
in Klösterle 16
Eva Hody
Gebaute Geschichte: Der Wartesstall in Klösterle 28
Bildnachweis 32
Vorwort
Aus dem Nachlass des Ehepaars Amadeus und Sybilla Burtscher, die
vielen Bürgerinnen und Bürgern unserer Gemeinde noch in guter Erin-
nerung sind, hat die Gemeinde Klösterle vor mittlerweile rund 20 Jah-
ren das „Haus Wartes“ mit dem dazu gehörigen Stall erworben. Beide
Objekte wurden unter Denkmalschutz gestellt und zählen zu den bau-
historischen Highlights des Klostertals. Das Haus Wartes wurde 1997
generalsaniert; nunmehr sind fünf Wohnungen darin untergebracht. Der
dazugehörige Stall hat natürlich längst seine ursprüngliche Bedeutung
verloren und steht seit langem leer. Ideen für eine zukünftige Nutzung
sind vorhanden, doch lässt die Umsetzung noch auf sich warten.
Der Museumsverein Klostertal hat nunmehr die Geschichte dieses Stal-
les umfassend erforscht und stellt diese in der vorliegenden Broschüre
vor. Auf dieser Basis können nun weitere Überlegungen angestellt wer-
den, welche die Geschichte des Anwesens in eine mögliche Konzeption
einbeziehen. Die dargelegten historischen Fakten sind auch wichtige
Bestandteile der Geschichte unserer Gemeinde, und so würde es mich
freuen, wenn die Publikation möglichst weite Verbreitung findet. Ich
danke dem Musemsverein für die Zusammenstellung, Dr. Klaus Pfeifer
für die bauhistorische Untersuchung und dem Bundesdenkmalamt für
seine Unterstützung.
Die Erhaltung des Wartesstalls ist ein kontroversiell diskutiertes
Thema in unserer Gemeinde. Ich hoffe, dass diese Publikation ihren
Beitrag dazu leisten wird, die Diskussion auf eine vernünftige Ebene zu
führen. Wir alle wissen, dass eine Erhaltung in wirtschaftlich schwie-
rigen Zeiten nicht einfach sein wird, doch es lohnt sich allemal, ange-
sichts der großen historischen Bedeutung darüber nachzudenken.
Dietmar Tschohl
Bürgermeister der Gemeinde Klösterle
4
1 Grundlage: Kataster M 1:1.000, Abfrage am 18.09. 2007 aus dem VoGIS Atlas (www.vorarlberg.at/atlas), © Land Vorarlberg, Quelle: Land Vorarlberg – LVA, BEV (DKM: 31.03. 2007).
Wartesstall in Klösterle – eine ZeitreiseErgebnisse der dendrochronologischen
Untersuchungskampagne 2007
Klaus Pfeifer
Ergänzend zur zeichnerischen, 2007 durchgeführten Dokumentation
der Stallscheune „Wartesstall“ durch Karoline Knauer, liefert die vorlie-
gende begleitende jahrringanalytische Untersuchung im Vorfeld einer
möglichen Generalsanierung und neuen Zweckwidmung des Objektes
zeitliche Anhaltspunkte zur Baugeschichte, die sich bis ins ausgehende
Spätmittelalter um 1400 zurückverfolgen lässt. Des Weiteren wird
durch bauanalytische Befunde der Umfang einzelner Bauaktivitäten am
Objekt bzw. seinen Vorgängerbauten ab der frühen Neuzeit um 1500
bis in die 1950er Jahre konkret fassbar.
Lageplan
„Wartesstall“ auf Bp. .52; Katasterplan1Abb_1
6
Stallscheune (Bp. .52) im Ausschnitt des Luftbildes (2006) von Klösterle am Arlberg 2
Wartesstall auf Bp. 52 südwestlich der Pfarrkirche St: Johann – Darstellung in der Urmappe 1857 3
Abb_2
N
Wartesstall
2 Grundlage: Luftbild (Stand 2006) M 1:1.000, Abfrage am 18.09. 2007, © Land Vorarlberg, Quelle Land Vorarlberg – LVA.3 Grundlage: Urmappe 1857, M 1:2.000, Abfrage am 18.09. 2007,
© Land Vorarlberg, Quelle: Land Vorarlberg – LVA, © BEV 2007, EB2007/00128.
Abb_3
7
Die systematische Befundung konzentriert sich auf gefügerelevante
Bauteile des Stallgeschosses – S1/2 – sowie des aufgehenden Holz-
werks des Scheunengeschosses samt Dachkonstruktion – H, D. Zudem
sind speziell in diesem Objekt zweit- oder mehrfachverwendete Hölzer
von hoher baugeschichtlicher Bedeutung. Im engeren Sinn handelt es
sich um Deckenunterzüge, Rundhölzer der Längs- und Querwände als
auch Pfetten sowie Rafen.
Zum derzeitigen Stand liegen für über 30 Bohrkerne (ausschließlich
Fichte) dendrochronologische Datierungen vor.
Probenübersicht in den Grundriss-Schemen von Karoline Knauer (Mai 2007)Abb_4
Nord
BT 1
BT 2
Stallgeschoss – S Proben
nördlicher (bergwärtiger) Stalltrakt; S2 3 südlicher Stalltrakt; S1 6
Scheunengeschoss, Heulege – H
Giebelseite Nord (GN) 1Giebelseite Süd (GS) 9 Traufseite West (TW) 3 innere Längs- und Querwände (LW, QW) 7
Dachkonstruktion – D
Pfetten, Rafen 5
N5 m
S2
S1
HGN
GS
QW LW
TW
8
Baugeschichtliche Anhaltspunkte
34 dendrodatierte Proben4
und ausgewiesene Bauphasen (I bis VIII) im Balkendiagramm mit der Darstellung des Zeitraumes, den die jeweiligen Jahrringserien (nur vermessene Jahrringe) abdecken.Schlüssel: Nummer der Probe im Baugefüge (S – Stallgeschoss, H – Scheunengeschoss, Heulege, D – Dachkonstruktion) sowie Bauteilkennung, Beginn: Datum des ersten ver-messenen Jahrringes, DateEnd: Datum des letzten vermessenen Jahrringes, WK: WKS – Waldkante (*) mit Spätholzabschluss, WK? – Waldkante unsicher, (- - -) Waldkante fehlend, gesondert ausgewiesene Jahreszahlen: frühestmöglicher Termin einer Bauaktivität (Bauphase) unter der Annahme von saft- bzw. schlagfrischem Verarbeiten des Holzes. Im Regelfall ergibt sich das entsprechende Datum bei wintergeschlägertem Baumaterial aus dem Fälljahr und der Ergänzung von einem Jahr.
Abb_5
IV 1692
III 1581
I 1393
II 1497
V 1768
VI 1812
VII 1944
VIII 1953
4 Statistische Kennwerte der Synchronlage der 532-jährigen Bauteilchronologie (31 Fichtenproben) „Wartesstall I“ im Zeitraum 1421 bis 1952; Referenz Kleines Walsertal – Gleichläufigkeit (Eckstein & Bauch 1969) Gl: 68 %; Signaturengleichläufigkeit (Becker & Glaser 1991) SGlk: 75 %, t-Test nach Hollstein (1980) H: 6,5, t-Test nach Baillie & Pilcher (1973) B.P: 7,3, Irrtumswahrscheinlichkeit 0,1 % (p < 0,001), Datierungsindex DI: 179, Synchronlage der ältesten Probe des Kollektives (exemplarisch – 7H) im Zeitraum 1314 bis 1388; Referenz Tannberg – Gl: 69 %, SGlk: 80 %, t-Test H: 3,1, t-Test B.P: 3,3, p < 0,001, DI: 151.
9
Befund
Giebelfront Süd – Schlagdaten 5 befundeter Rundhölzer(Aufnahme vom März 2007)
Sämtliche Wandaufbauten des Scheunengeschosses sind durch die
teils mehrfache Wiederverwendung von Material diverser Vorgänger-
bauten – im Probenkollektiv zeichnen sich zeitlich gestaffelt acht Grup-
pen ab – gekennzeichnet. Art und Position von aktuell funktionslosen
Verschränkungs- bzw. Verkämmungslagern, Zapflöchern u. ä. an ein-
zelnen Balken des getrölten Holzwerks liefern in Ansätzen Hinweise
auf die Größe und innere Organisation früherer Bauten. So das vierte
Rundholz (7H) aus dem ältesten Probenkollektiv – es weist mit zwei
Verschränkungslagern auf zwei Unterzüge mit einem Achsenabstand
von 2,55 Meter. Zwei um 90° versetzte Kerben im Abstand von rund
2 Meter, die zwischen diesen Lagerflächen liegen, markieren die Ein-
bindungsstellen von gespundeten, in Erschließungsrichtung – meist
längs zum First – verlaufenden Bohlen. Es dürfte sich bei Rundholz
Abb_6
10. Rh; 1496dw
4. Rh; 1388d
2. Rundholz; 1496dw 3. Rh; 1776dw
5. Rh; 1812df
8. Rh; 1767dw
9. Rh; 1767dw
5 Dendrochronologisch bestimmte Enddaten werden mit einem „d“ versehen – 1496d. Zusätzliche Ergänzung mit „w“ oder „f“ kennzeichnet Herbst-/Winterfällungen bzw. Schlägerungen im Frühjahr oder Sommer.
10
4 um den, der Scheunentorschwelle gegenüberliegenden, giebelsei-
tigen Heulegenbalken handeln, der über den Stalldeckenunterzügen
lagerte. Analog zu Stallscheunen aus dem Montafon (bspw. auf dem
Maisäß Montiel) drängt sich hier ein Scheunentyp mit Dreschtenne
als giebelständiger6 Erstbau um 1393 auf. Symmetrische Anlage der
Heulege vorausgesetzt, resultiert aus der Verdoppelung der halben
Länge dieses Heulegenbauteils – vom Verkämmungslager in Lukennä-
he bis zur Tennmittelachse – eine Breite des Stallgeschosses, die etwa
drei Vierteln der aktuellen Giebelbreite entspricht. Die Trauflänge des
Großviehstalles glich vermutlich bereits der des aktuell gemauerten
südlichen Stalltraktes. Konkrete Anhaltspunkte zur Längsausdehnung
der Heulege von 1393 fehlen jedoch.
Allerdings nehmen Hölzer, die im Zuge von Um- bzw. Ausbauten ver-
zimmert werden, oft Bezug auf einen bereits bestehenden Vorgänger-
bau. Anhand des zweiten giebelseitigen Rundlings (4H) aus dem Jahr
1496dw – vermutlich einem ursprünglichen traufseitigen Heulegebal-
ken – ergibt sich somit eine Trauflänge von zwei Drittel der derzeitigen.
Zugleich ist mit dem mittigem Verschränkungslager einer Querwand
die Unterteilung einer Scheunengeschosshälfte in zwei Kammern an-
gezeigt.
6 Die Giebelseiten des Objektes sind tal- bzw. bergwärts ausgerichtet. Der Firstverlauf orientiert sich an der Falllinie des Hanges.
11
Fassadenansicht – Giebelseite Süd (Aufnahme vom März 2007)
Während sich aus den Dimensionen und zimmertechnischen Details
vom Material der Bauphase 1692 kein unmittelbarer Zusammenhang
mit dem derzeitigen Baukörper herstellen lässt, setzen hingegen die
Dendrodaten der originär im giebelseitigen Mauerwerk des südlichen
Stalltraktes (S1) lagernden Längsunterzüge (7S, 8S, 9S) der Decken-
konstruktion die Errichtung eines gemauerten Stalles anstelle der höl-
zernen Aufbauten frühestens im Jahr 1581 fest.
Südlicher Stalltrakt – DeckenkonstruktionDer Unterzug 9S mit späterer speichenförmiger Hilfskonstruktion (Hk) um 1944 lagert auf einem Konsolstein (K).
Abb_7
½ 4. Rundholz x 2
= Gebäudebreite 1393
Abb_8
9S; 1580dw
Hk 8S; 1577d
K
4S; 1811dw
12
Die bergwärtige Erweiterung bzw. der Ausbau des Scheunengeschosses
von 1581/1693 ist durch Rundhölzer sowie eine Wandpfette, welche
die derzeitige westliche Traufe abspannen, angezeigt. Dendrochrono-
logisch ist die Bauaktivität frühestens für 1768 gesichert.
Das heutige Erscheinungsbild sowie die innere Organisation des
„Wartesstalls“ mit 6-kammerigem Scheunengeschoss über dem zwei-
zonigen, annähernd quadratischen Stallgeschoss resultiert in seinen
Grundzügen aus der Schaffung des zweiten, nördlichen Stalltraktes
(S2), der Erweiterung an der westlichen Längsseite sowie der kom-
pletten Umorganisation und den Neuaufbau des Scheunenbereiches.
Die asymmetrischen Giebelfelder folgen aus der Wiederverwendung
der geringfügig kürzeren Rafen der Dachflächen über der längsrechte-
ckigen Stallscheune zum Zeitpunkt 1768. Nach den gefügerelevanten,
originär in die einheitliche bergseitige Stallmauer einbindenden Längs-
unterzügen (2S, 3S), dem sekundär auf der östlichen Stallmauer von
1581 über einer Schwelle eingesetzten Querunterzug (4S, südlicher
Stalltrakt S1) der Deckenunterkonstruktion sowie Heulegenrundlingen7
von aktueller Giebelbreite, datiert die letzte umfangreichere Baumaß-
nahme frühestens 1812.
7 Nordseitiger Torsturzbalken – 1H, südliche Balkenschwelle der Heulege – 3H, 5. süd- liches giebelseitiges Rundholz – 8H.
13
Fassadenansicht – Traufseite OstLage des Querunterzuges 4S über der Geschosskante von 1581 – seitlich die nachträglichen Ausfachungen von 1812 (Aufnahme vom März 2007)
Die jüngsten baulichen Eingriffe um die Mitte des 20. Jahrhunderts
betreffen zum einen im Jahr 1944 die gänzliche neue Aufmauerung
der westlichen Stallmauer und die Verstärkung der Decke über dem
südwestlichen Abschnitt des Stallgeschosses (S1) mittels zwei spei-
chenförmig auf den Längsunterzug (9S) ablastenden Balken.
Fassadenansicht – Traufseite WestHirnholz des direkt im Mauerwerk von 1943 auf Dachpappe lagernden Querunterzuges im nördlichen Stalltrakt (Aufnahme vom März 2007)
Abb_9
4S; 1811dw
Geschosshöhe1581
Abb_10
14
Zum anderen erfolgte um 1953 in der östlichen Stallhälfte des nörd-
lichen Stalltraktes (S2) die Austeilung eines kleineren Stallraumes mit
quadratischem Grundriss sowie der Austausch eines Teiles des Quer-
unterzuges von 1812.
Literatur
Baillie, M.G.L. & Pilcher, J.R. (1973): A simple crossdating programm for tree-ring research, in: Tree-ring bulletin 38: 35–43.BECKER, B. & GLASER, R. (1991): Baumringsignaturen und Witterungsanomalien, in: Forst-wissenschaftliches Centralblatt 110: 66–83.Eckstein, D. & Bauch, J. (1969): Beitrag zur Rationalisierung eines dendrochronolog. Ver-fahrens und zur Analyse seiner Aussagesicherheit, in: Forstwissenschaftliches Centralblatt 88: 230–250.HOLLSTEIN, E. (1980): Mitteleuropäische Eichenchronologie. Trierer dendrochronologische Forschungen zur Archäologie und Kunstgeschichte. Trierer Grabungen und Forschungen 11 (1980), 273 S., 67 Abb., 79 Taf.
15
Aspekte der Geschichte des Wartes-Anwesens in Klösterle
Christof Thöny
Vorbemerkung
Der folgende Beitrag versucht, wichtige Aspekte der Besitzgeschichte
des Wartes-Anwesens in Klösterle in den vergangenen 200 Jahren dar-
zustellen, wobei neben den Matrikenbüchern von Klösterle das Ver-
fachbuch Bludenz (als Vorläufer des heutigen Grundbuches) und der
„Bayerische Kataster“1 als wichtigste Quellen dienten. In Bezug auf die
Bewirtschaftung des Anwesens im 20. Jahrhundert lieferten Interviews
mit ZeitzeugInnen wichtigste Hinweise. Während das „Haus Wartes“
1848 errichtet wurde, wie ein heute noch vorhandener Plan beweist2,
erhielt der Wartesstall bereits 1768 seine heutige Größe und geht – wie
der Beitrag von Klaus Pfeifer in diesem Band darstellt – in seinem Kern
auf das 14. Jahrhundert zurück. Aufgrund der schriftlichen Quellenlage
ist es schwierig, die Geschichte des Stallgebäudes weiter zurück zu
verfolgen, doch wäre es im Hinblick auf eine mögliche Erhaltung und
Adaptierung ein lohnendes Unterfangen, den Zusammenhang zum heu-
tigen „Johanniterhaus“ und zu wichtigen Aspekten der Lokalgeschichte
von Klösterle näher zu erforschen, der durch die Besitzgeschichte ge-
geben ist, wie die folgenden Ausführungen belegen.
1 Dabei handelt es sich um das erste flächendeckende Verzeichnis des Grundbesitzes in
Vorarlberg, das 1808 angelegt wurde und als Basis für die Besteuerung diente. Der Kataster wurde bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhundert – also weit über die so genannte „Bayerische Herrschaft“ (die 1814 endete) hinaus – fortgeführt und ist eine wichtige Quelle für die Besitzgeschichte des Landes. Vgl. Niederstätter (2008), S. 115ff.2 Kopie im Besitz des Museumsvereins Klostertal, das Original wird im Haus Wartes aufbewahrt.
16
Plan zur Errichtung des Wohnhauses von Johann Georg Bitschnau in Klösterle (1848)
Besitzverhältnisse im 19. Jahrhundert
Bis 1875 befand sich das Wartes-Anwesen im Besitz der Familien
Bitschnau und Schuler. Deren letzter Nachfahre Johann Josef Bitsch-
nau verkaufte in jenem Jahr dasselbe an Johann Georg Burtscher. In
weiterer Folge blieben Haus Wartes und Wartesstall über drei Generati-
onen im Besitz der Familie Burtscher. Im Kaufvertrag von 1875 ist vom
neuerbauten Wohnhaus Nr. 45 zu Klösterle die Rede, das keine Besitz-
nummer aufweist.3 Burtscher erwarb daneben den Stall und Stadel un-ter der Straße mit dem dabei befindlichen Garten sowie eine Hofmark um das neuerbaute Haus, welche mit Markzeichen von der weiteren Hofmark abgegränzt ist 4 . Dabei handelt es sich um das laut dem
vorhandenen Plan 1848 massiv in Steinbau errichtete Haus sowie den
bis heute vorhandenen Wartesstall. Diesen Stall unter der Straße hatte
Johann Josef Bitschnau 1843 aus dem Nachlass seines Vaters Johann
Georg geerbt, und zwar gemeinsam mit dem damaligen Wohnhaus
Nr. 21 und dem dazu gehörigen Salzstadel.5 Die Erwähnung dieses
Salzstadels ist sehr interessant, wobei der Zusammenhang noch näher
erläutert wird. Die Tatsache, dass er in den späteren Verkaufsurkunden
nicht mehr aufscheint, könnte darauf hinweisen, dass an seiner Stelle
1848 das Wohnhaus errichtet wurde. Nach dieser Angabe gehörte der
Wartesstall vor 1848 zum heutigen Gasthaus „Johanniterstube“ und
damit einem der aus historischer Sicht interessantesten Gebäude von
Klösterle. Im „Bayerischen Kataster“ von 1810 kann als Besitzer Johann
Josef Schuler identifiziert werden wird.6 Der neben dem Haus erwähnte
besondere Stall (d. h. nicht an das Haus angebaut) ist zweifellos der
Stall in der Größe von 1768, die Klaus Pfeifer in seiner Baugeschichte
nachweisen kann. Schuler ist demnach der erste bis dato nachweis-
bare Besitzer des Stalles. In den Matrikenbüchern von Klösterle wird er
mehrfach als k. k. Salzfaktor angesprochen.7 Er war somit ein Staats-
3 VLA, Verfachbuch Bludenz, 1875 fol. 751.
4 VLA, Verfachbuch Bludenz, 1875, fol. 751.
5 VLA, Verfachbuch Bludenz 1843, fol. 2331.
6 VLA, Hds. u. Cod. Bayerischer Steuerkataster 1/30 LG Sonnenberg: Häuser- und Rusti
kalkataster Klösterle 1810, fol. 23.7 Beispielsweise im Totenbuch 1821.
Ansicht von Klösterle mit der Wäldlitobelbrücke um 1890. Im Vordergrund ist der Wartesstall deutlich zu erkennen.
18
beamter und für die „Verführung“ sämtlicher Salzfässer verantwortlich.
Die k. k. Salzfaktorei war nach der Eröffnung der Fahrstraße über den
Arlberg 1787 eingeführt worden, da in weiterer Folge ein regelmäßiger
Salztransport mit Fuhrwerken einsetzte.8 Hannes Liener beschreibt die
Tätigkeit des Salzfaktors von Feldkirch folgendermaßen:
Er musste den Beginn einer „Salzfässer-Verführung“ öffentlich bekannt-machen, worüber ihn die vorgesetzte Oberfaktorei zuerst verständigte. Eine besonders wichtige Aufgabe war die genaue Einteilung der Rod-fuhrleute und die exakte Einhaltung der Rodordnung. Er musste darauf achten, dass der Weitertransport der Salzfässer spätestens morgens um sechs Uhr begann, damit den Fuhrleuten genügend Lieferzeit bis zur nächsten Niederlage zur Verfügung stand. Jedem Fuhrmann hatte der Faktor eine sein Frachtgut ausweisende Bollette auszustellen und genaue Eingangs- und Versendungsbücher zu führen. Ihm oblag die Aufgabe darauf zu achten, dass keinem Rodfuhrmann eine größere
Genealogische Übersicht: Familien Schuler und Bitschau
Johann Josef Schuler (1763-1821) k. k. Salzfaktor oo 1789 Maria Christina Walser (1764-1842)
Anna Maria Schuler Maria Katharina Schuler(1790-1823) (1794-1869)oo Johann Georg Bitschnau (1786-1843) Stifterin der Privatschule
Johann Josef Bitschnau Johann Georg Bitschnau(1821-1875) (1822-1850)Vorsteher von KlösterleStifter der Bitschnau´schen Privatschulstiftung
20
Ladung zugeteilt wurde, als dieser unter einmal und an einem Tag wegtransportieren konnte. Weiters war der Faktor verantwortlich, den Rodleuten die Salzladungen in jener Ordnung zu überlassen, in der sich diese bei ihm angemeldet hatten. Um einen reibungslosen Ablauf der Spedition zu garantieren, waren die Salzfaktoren dazu verpflichtet, genügend Stadelknechte zum Auf- und Abladen der Salzfässer und mindestens einen gelernten Küfer im Salzhaus zu beschäftigen. Hielt ein Fuhrmann die Lieferfrist von einem Tag nicht ein, so musste ihn der Faktor für jeden verspäteten Tag mit 20 Kreuzern bestrafen. Überhaupt hafteten die Faktoren für sämtliche Vorfälle, die sich in einer Nieder-lagsstation ereigneten.9
Diese Aufgabenbeschreibung ist sicherlich mit jener des Salzfaktors in
Klösterle vergleichbar und lässt auf die Funktion des heutigen Wartes-
stalls Anfang des 19. Jahrhunderts interessante Rückschlüsse zu.
Nach Schulers Tod 1821 übernahmen seine Tochter Anna Maria und
ihr Ehemann Johann Georg Bitschnau die Salzfaktorei. Bitschnau hatte
nach Klösterle eingeheiratet, er wird im Taufbuch von 1821 als Bürger-
meister von Bludenz angesprochen.10 Anna Maria Schuler verstarb 1823
noch jung, weshalb ihr Vermögen an den hinterlassenen Ehemann
und die beiden minderjährigen Kinder Johann Josef und Johann Georg
Bitschnau sowie die unverheiratete Schwester Maria Katharina Schuler
überging. In der Verlassenschaftsabhandlung vom 28. November 1823
wird das neu renovirte Wohnhaus Nro. 21 zu Klösterle sammt Stallung und Salzmagazine erwähnt.11 Das beachtliche Vermögen der Familie
belief sich auf mehr als 30.000 Gulden.
Der Hinweis auf die Renovierung des Hauses ist interessant und be-
8 Liener (o. J.), S. 131.
9 Liener (o. J.), S. 150.
10 Dieses Amt übte er von 1821-1822 aus. Tschaikner (1996), S. 519.
11 VLA, Verfachbuch Bludenz 1823, fol. 108.
21
zieht sich mit Sicherheit auf den Straßenbau 1823. Pfarrer Andreas
Fusangel liefert in seiner Chronik von Klösterle am Arlberg eine bemer-
kenswerte Beschreibung des Hauses:
Dieses Haus war anfangs dieses Jahrhundert [des 19. Jahrhunderts, Anm. des Verf.] viel größer, als es jetzt ist: es bildete mit dem gegen-überliegenden, nun durch die k. k. Straße von ihm getrennten Haus des Kaspar Tschohl nur ein Haus, so zwar dass das Gebäude in seinem Mittelteile die Straße überdachte. […] Der Mittelbau, unter welchem sich die Straße zog, musste im J. 1823, als unter Kaiser Franz I. von Bludenz an durch das Klosterthal über den Arlberg und das Stanzerthal die neue Straße angelegt wurde, herausgenommen werden, da wegen der vorgenommenen Erhöhung die Lastwagen nicht mehr durchgekom-men wären. In diesem Mittelbau befanden sich oben zwei und unten vier durch einen Gang getrennte Zimmer. […]Dieses Haus ist nachweislich sehr alt. Es wird bereits in der alten Bauchronik der Pfarrkirche vom J. 1609 erwähnt. Denn nachdem die alte Kirche niedergerissen war, hielt man, oder mit der erwähnten Chronik /:fol. 75:/ zu sprechen, „zog man den Gottesdienst ins Unter-haus auf die Lauben, welche über die Landstraß geht; da ist er halten worden bis zur Weiterung.“Wegen der Größe, aber noch mehr mich stützend auf eine alte Ueberlieferung, vermute ich, dass dieses Haus einst Eigentum des Johanniterkomentes gewesen sei und vielleicht zu Oekonomiezwecken gedient habe. Anfangs des laufenden Jahrhunderts [des 19. Jahrhunderts, Anm. des Verf.] diente es dem Wirthsgewerbe und hieß: „zum Rößl“.12
Fusangel fertigte auch nach Angaben des Frühmessers Johann Josef
Bargehr, der einst in diesem Gebäudekomplex gewohnt hatte, eine
Zeichnung der beiden Häuser und ihres die Straße überquerenden Ver-
bindungsganges an.
Nach dem Tod von Johann Georg Bitschnau übernahm – wie bereits
12 Andreas Fusangel, Chronik von Klösterle am Arlberg. Band 1, S. 242ff.
22
erwähnt – ab 1843 dessen Sohn Johann Josef das Anwesen und die
Tätigkeit als k. k. Salzfaktor. Sein Bruder, der wie sein Vater ebenfalls
Johann Georg Bitschnau hieß, wird auf dem Plan von 1848 als Erbau-
er des heutigen „Haus Wartes“ angegeben. Nachdem er bereits 1850
unverheiratet und ohne Nachkommen verstarb13, ging das neu gebaute
Haus in den Besitz seines Bruders über.
Johann Josef Bitschnau wurde mehrfach zum Vorsteher von Klösterle
gewählt und wird in seinem Nachruf im Vorarlberger Volksblatt als
großer Wohltäter der Gemeinde Klösterle gewürdigt.14 Im Auftrag seiner
1869 verstorbenen Tante Maria Katharina Schuler legte er mit seinem
Testament den Grundstein für die Errichtung der „Bitschnau´schen Pri-
vatschulstiftung“, die nach seinem Tod 1878 in seinem Haus (heute
Gasthof Johanniterstube) errichtet wurde und bis 1938 bestand. Das
13 Totenbuch Klösterle 1850.
14 Vorarlberger Volksblatt, 22. Oktober 1875.
Beschreibung und Zeichnung des Hauses von Johann Josef Bitschnau
von Pfarrer Andreas Fusangel
23
Wartes-Anwesen hatte er – wie eingangs erwähnt – kurz vor seinem
Tod an Johann Georg Burtscher verkauft.
Die Besitzerfamilie Burtscher
Ab etwa 1870 bewohnte Johann Mathäus Georg Burtscher – Vorsteher
von Klösterle – mit seiner Frau Maria Krezenz Tschohl das Haus Nr. 45.
Karolina Augusta Burtscher wurde als jüngstes von acht Kindern des
Ehepaars 1873 hier geboren.15 Die Familie Burtscher bewohnte das
Haus offensichtlich schon vor dem Kauf 1875. Der Hausname „Wartes“
ist zumindest auf Burtscher zurück zu führen; er wird 1874 als „War-
tebub“ bezeichnet.16 Ob dies auch schon auf die Familie Bitschnau
zurück geht ist, muss vorerst ungeklärt bleiben. Die Familie Burtscher
wurde jedenfalls als „s´Warta“ bezeichnet, und der Stall galt als Station
auf dem Weg über den Arlberg.17 Der Name ist könnte auch auf die
Bezeichnung eines Flurnamens „auf der Warten“ zurück zu führen sein,
welche in Klösterle 1696 aufscheint.18
Um 1900 wurde der Hof von Engelbert Burtscher, dem Sohn der
Familie, übernommen. Er heiratete 1902 die aus Mühlau bei Innsbruck
stammende Amalia Brugger. Diese versorgte nach dem frühen Tod ihres
Mannes ab 1913 das Wartes-Anwesen. Durch die zweite Ehe mit Johann
Genealogische Übersicht: Familie Burtscher
Johann Matthäus Georg Burtscher (1827-1905) Vorsteheroo 1856 Maria Kreszenz Tschohl (geb. 1834)
Engelbert Burtscher Franz Sales Amadeus Walburga Barbara Juliana Karolina Augusta Weitere Kinder(1858-1913) (1857-1924) (1860-1884) (1861-1930) (1861-1948) (geb. 1865) 1873-1929 verstarben imoo 1902 oo Kleopha Haller oo nach Braz oo Stefan Fritz oo nach Braz KindesalterAmalia Brugger (1874-1950) (2. Ehe mit Johann Boll)
Amadeus Burtscher Simon Georg Leontina Maria Berta Christina(1906-1976) (1903-1904) (1904-1972) (1907-1991) (1909-1989) (1913-1973)oo 1940 oo oo oo ooSybilla Fritz Leopold Kratzer Alwin Avanzini Andreas Düngler Rudolf Perzl(1904-1993)
Boll erhielten ihre fünf Kinder einen Stiefvater. Dieser war als Senn
in der Alpe Nenzigast tätig, weshalb das Haus Wartes zeitweise auch
als Käselager diente.19 Nun war auch die Hofbezeichnung „s´Bolla“
gebräuchlich. Ab den 1930er Jahren war Amadeus Burtscher Besitzer
des Hofes. Er war als Frächter tätig und bewirtschaftete mit seiner Frau
Sybilla geb. Fritz die größte Landwirtschaft von Klösterle. Neben zwei
Pferden konnte Burtscher mehr als 12 Stück Vieh sowie Schweine und
Kleinvieh sein eigen nennen.20
15 Taufbuch Klösterle 1873.
16 Totenbuch Klösterle 1874.
17 Interview mit Ingeborg Köttler.
18 Vogt (1970), S. 126.
19 Interview mit Josef Salzgeber.
20 Interview mit Schwester Germana Bertsch.
Johann Matthäus Georg Burtscher (1827-1905)Vorsteher der Gemeinde Klösterle und
Besitzer des Wartes-Anwesens ab 1875
Kutschenfahrt durch Klösterle:Amadeus und Sybilla Burtscher
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Im Wartesstall waren die Pferde jeweils auf der nördlichen Seite unter-
gebracht, während die Kühe im südlichen Bereich ihren Platz fanden.21
Zum Grundbesitz zählten vor allem eine Wiese auf dem „Anger“ sowie
ein großes Mahd in Rauz. Dort wurde im Sommer das Heu eingebracht,
welches teilweise im Herbst mit dem Fuhrwerk nach Klösterle befördert
und teilweise im Winter in einem Heuzug „an Land“ gebracht wurde.22
In der Bewirtschaftung der Landwirtschaft halfen zahlreiche Familien-
mitglieder mit. Als Mägde arbeiteten nach dem Zweiten Weltkrieg bis
1948 Gertrud Strolz geb. Bertsch und später ihre Schwester Isabella
Bertsch auf dem Hof.
Nachdem alle drei Kinder des Ehepaar Amadeus und Sybilla Burtscher
im Kindesalter verstorben waren, gaben die beiden die Landwirtschaft
infolge des fortschreitenden Alters in den 1970er Jahren auf. Die Erben
verkauften das Anwesen an die Gemeinde Klösterle, welche das Haus
Wartes grundlegend renovierte und in ein Mietshaus umwandelte. Der
dazugehörige Stall steht seit vielen Jahren leer, und der Zahn der Zeit
hat an ihm schon beträchtliche Spuren hinterlassen.
21 Interview mit Gertrud Strolz.
22 Interview mit Schwester Germana Bertsch.
Hoch zu Ross: Amadeus Burtscher
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Schlussbemerkung
Die Geschichte des Wartes-Anwesens ist eine äußerst wechselvolle,
wobei vor allem der Wartesstall ein stattliches Alter vorweisen kann.
Seine Bedeutung für den Verkehr über den Arlberg in Zusammenhang
mit dem Salztransport wurde in diesem Beitrag erstmals herausgear-
beitet. Im Hinblick auf eine mögliche Sanierung und Adaptierung des
Gebäudes müsste auf diese frühere Funktion eingegangen und diese
illustriert werden. Die bis dato erhobenen Fakten beweisen die große
Bedeutung des Stallgebäudes für die Geschichte des Klostertals nach-
drücklich. Dies könnte in jedem Fall bei der Konzeption einer neuen
Nutzung Berücksichtigung finden, und es wäre lohnenswert, der Histo-
rie dieses geschichtsträchtigen Objekts weiter auf die Spur zu gehen.
Quellen und Literatur
QuellenVorarlberger Landesarchiv (VLA)Matrikenbücher der Gemeinde Klösterle (Mikrofilme)Verfachbuch Bludenz (Mikrofilme)Hds. u. Cod. (Handschriften und Codices) Bayerischer Steuerkataster 1/30 LG Sonnenberg: Häuser- und Rustikalkataster Klösterle 1810
Archiv des Museumsvereins KlostertalAndreas Fusangel, Chronik der Gemeinde Klösterle am Arlberg. 1888-1893. Handschrift. (Kopie im Archiv des Museumsvereins)Plan des Hauses Wartes von 1848. Original im Haus Wartes. (Kopie im Archiv des Museumsvereins)
Vorarlberger Volksblatt 1875
InterviewsSchwester Gerrmana Bertsch, Juli 2007Ingeborg Köttler, Mai 2010Gertrud Strolz, Juli 2007Josef Salzgeber, Juni 2007
LiteraturLiener (o. J.) = Hannes Liener, Zur Geschichte der Vorarlberger Salzwirtschaft, in: Salzgeber II. Salz – das weiße Gold. Teil A. Eine alpenländische Chronik mit siedlungs-, landes- und familiengeschichtlichen Beiträgen. HG. Vom Familienverband der Salzgeber und der Vorarl-berger Walservereinigung. o. J., S. 118-184.Niederstätter (2008) = Alois Niederstätter, „Die bayerische Knechtschaft“: Vorarlberg in den Jahren 1805 bis 1814, in: Ulrich Nachbaur, Alois Niederstätter (Hg.), 200 Jahre Gemeindeor-ganisation. Almanach zum Vorarlberger Gemeindejahr 2008. Bregenz 2009, S. 113-121.Tschaikner (1996) = Manfred Tschaikner (Hg.), Geschichte der Stadt Bludenz. Von der Urzeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Sigmaringen 1996.Vogt (1970) = Vorarlberger Flurnamenbuch 1/1. Flurnamensammlungen Nüziders, Bludenz und Klostertal. Bearbeitet von Werner Vogt. Bregenz 1970.
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Gebaute Geschichte: Der Wartesstall in KlösterleEva Hody
Die bauhistorische Untersuchung zum Wartestall in Klösterle ergab
Fakten, die eine komplexe Baugeschichte belegen. Älteste Hölzer
konnten in das Jahr 1393 datiert werden, ihre heutige Lage und einige
Kerbungen sind die sicheren Hinweise, dass sie im heutigen Stall-
gebäude Wiederverwendung fanden. Ursprünglich ein giebelseitiger
Heulegebalken der über den Stalldeckenunterzügen lagerte, ist er heute
in der südlichen Giebelwand des Scheunengeschosses verbaut. Es las-
sen sich seit dem 14. Jahrhundert Baumaßnahmen für jedes darauf
folgende Jahrhundert bis 1953 nachweisen. Das erste Stallgebäude in
seinen Ausmaßen noch klein, erlangte 1768 das heutige mit annähernd
quadratisch gemauertem 2-zonigem Stallgeschoss und darüber liegen-
dem 6-kammrigen Scheunengeschoss seine heutige Größe und innere
Raumaufteilung.
Schriftliche Quellen belegen die wechselhafte Geschichte von Klösterle.
Gegründet als Ordensniederlassung und Hospiz im frühen 13. Jahrhun-
dert an der Verbindungsstraße der Länder vor dem Arlberg und den
anderen Teilen des heutigen Österreichs, entwickelte sich Klösterle von
einer zuletzt landwirtschaftlich geprägten Gemeinde zu einem Ort für
Urlauber. Diese Kulturgeschichte von Klösterle ist im Wartestall abge-
bildet. Es sind die handwerklichen Fertigkeiten seiner Erbauer darin
sichtbar festgehalten, entsprechend dem wirtschaftlichen Bedarf, den
technischen Möglichkeiten sowie dem allgemeinen Wohlstand der Tal-
bewohner wurde das Stallgebäude fortlaufend verändert und weiter-
gebaut. So dürfte der Ausbau des Stallgebäudes 1768 von wirtschaft-
lichem Aufschwung zeugen. Zugleich sind die heute noch vorhandenen
asymmetrischen Giebelfelder, resultierend aus der Wiederverwendung
der kürzeren Rafen der Dachflächen des kleineren Vorgängerbaus,
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Beleg für das sparsame Denken der Menschen dieser Zeit. Heute ist
deutlich sichtbar, dass der Wartestall bereits seit einigen Jahren nicht
mehr in seiner ursprünglichen Funktion genutzt wird, einerseits weil
die Landwirtschaft für die Gemeinde eine geringere Bedeutung bekom-
men hat und andererseits weil sich die Methoden der Landwirtschaft,
die Vorschriften für Tierhaltung und Ähnliches grundlegend geändert
haben. Als funktionsloses Bauwerk entbehrt es der regelmäßigen In-
standhaltung und Pflege. Eindringendes Wasser auf Grund des undich-
ten Daches und fehlender Dachrinnen haben dem Gebäude großen
Schaden zugefügt und bedrohen mittlerweile seine Existenz.
Der Wartestall gehört zum lokalen kulturellen Erbe. Er gibt Zeugnis
von der Geschichte des Tales, erzählt vom Sein der Menschen in der
Vergangenheit, reflektiert geistige Werte, soziale Strukturen und wirt-
schaftliches Handeln im Klostertal. Mit all diesen Aspekten trägt er
zur kulturellen Identität der Gemeinde Klösterle bei. Auf Grund seines
Alters, seiner Größe und Konstruktion ist der Wartestall innerhalb des
alpinen kulturellen Erbes ein herausragendes Bauwerk.
In der Vergangenheit wurde das Stallgebäude intensiv genutzt, sei-
ne Gegenwart ist still und leidend, für die Zukunft birgt es aber das
Potential in sich, ein lebendiger Ort für Einheimische wie Gäste zu
werden. Eine nachhaltige Nutzung muss gefunden werden, denn nur
diese sichert seine Zukunft, - auch dann, wenn sie wahrscheinlich nicht
mehr der ursprünglich landwirtschaftlichen entsprechen wird. Mit der
eigentlich anstehenden Sanierung des Baubestandes wird eine Anpas-
sung der inneren Struktur an die modernen Erfordernisse erforderlich
sein. Bauliche Veränderungen auf Grund einer neuen Nutzung in einem
denkmalgeschützten Gebäude wie diesem sind möglich.
Zwar wird erst die konkrete Nutzung die baulichen Veränderungen und
Eingriffe bestimmen, diese sind dann aber so zu wählen, dass die
Gebäudesubstanz, die Gebäudestruktur und seine Ausstattung so weit
als möglich erhalten bleiben. Ein eventuell erforderlicher An- oder Um-
bau sollte sich den historischen Gegebenheiten anpassen, die äußere
Erscheinung nicht beeinträchtigen und als solcher erkennbar sein. Für
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die Sanierung sind die Instandsetzung, Reparatur und Reinigung vor-
rangig, die „Imperfektion“ des historischen Stalls sollte dabei maximal
respektiert werden. Die Authentizität von Material, Form und Konstruk-
tion sind bestimmend, eine teilweise Rekonstruktion, der Austausch
von einzelnen Bauteilen sowie das Einbringen neuer Bauteile richten
sich nach technischen und funktionalen Erfordernissen.
Mit dem Umbau und der Restaurierung des Wartestalls kann eine Ge-
schichte des Ortes sichtbar und wegweisend fortgeschrieben werden.
Ein Teil der Baugeschichte wird durch das Herausarbeiten der histo-
risch interessanten Gebäudestruktur und einzelner Bauteile ablesbar
und verständlich. Vorhandene Mauerzüge und Holzkonstruktionen, his-
torische Öffnungen sowie zahlreiche Baudetails sind die Zeugen einer
vergangenen Entwicklung und können in Beziehung zum Neuzuschaf-
fenden treten. Die Erhaltung der historisch wertvollen Bausubstanz
und Gebäudestruktur in ihrem gewachsenen Zustand inklusive ihrer
qualitätvollen handwerklichen Oberflächen kann Vorgabe und Potential
für die Entwicklung des neuen Nutzungs- und Gestaltungskonzeptes
sein. Bereiche, die grundlegende Veränderung in jüngster Zeit erfahren
haben, stellen dabei ein Angebot für bauliche Veränderung und die
Schaffung großzügiger den modernen Bedürfnissen entsprechender
Räume dar. Die äußere Erscheinung kann dann zur Diskussion stehen,
historische Gestaltung mit zahlreichen Details einerseits, moderne zu-
kunftsweisende Eingriffe und Applikationen andererseits.
Die Erhaltung des Wartestalls in Klösterle ist ein schwieriges Vorha-
ben geworden, da die längst dringend erforderliche Erneuerung des
Daches bisher ausgeblieben ist. Die Suche nach einer guten Nutzung
ist Bedingung für ein langfristiges Sanierungs- und Erhaltungskonzept.
Die Reparatur des Daches und die Instandsetzung der tragenden Kons-
truktion am Block stehen aber jetzt dringend an, denn der Zerfall des
hölzernen Gebäudes könnte schneller gehen als die Suche nach einem
Nutzungskonzept Erfolg haben wird. Mit dem Verlust des Wartestalls
ginge auch ein weiterer Teil der kulturellen Identität im Tal verloren,
seine Rettung aber wäre zukunftsweisend.
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Bildnachweis
Karoline KnauerUmschlag vorne, 5, 29
Museumsverein Klostertal17, 23
Erich NikolussiUmschlag hinten, 25, 26
Raimund Rhomberg10, 12, 14
Christof Thöny 19
Kleine Schriftenreihe des Museumsvereins Klostertal
1 Jahresbericht 2007. Hg. von Christof Thöny.
Wald am Arlberg 2008. ISBN 978-3-902-902319-05-5
2 Jahresbericht 2008. Hg. von Christof Thöny.
Wald am Arlberg 2009. ISBN 978-3-902-902319-06-7
3 Jahresbericht 2009. Hg. von Christof Thöny.
Wald am Arlberg 2010. 978-3-902319-07-0