VO Step1 Globalisierung

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VO STEP1 Globalisierung Thomas A. Bauer Globalisierung im Kontext von Medienkommunikation O. Univ. Prof. Dr. Thomas A. Bauer Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft www.thomasbauer.at In der Mediengesellschaft versteht die Welt, wer die Medien versteht

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VO STEP1 Globalisierung Thomas A. Bauer

Globalisierung im Kontext von Medienkommunikation

O. Univ. Prof. Dr. Thomas A. BauerInstitut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft

www.thomasbauer.at

In der Mediengesellschaft

versteht die Welt,

wer die Medien versteht

In der Mediengesellschaft

versteht die Welt,

wer die Medien versteht

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Globalisierung der Medienkommunikation

• Was ist Globalisierung (Bestimmung)

• Was tut / was kann Globalisierung (Konzepte)

• Globalisierung der Medienkulturen

• Effekte der Medien-Globalisierung

• Paradigmatische Themen, Probleme, Perspektiven

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Globalisierung der MedienkommunikationWissenschaftstheoretische Prämissen

Globalisierung - ein Wissensmodell, kein Beweismodell

Globalisierung - ein Beobachtungsmodell, kein Gegenstand

Globalisierung - eine analytisch-deskriptive Metapher

Bisher: Denkfigur aus polit-ökonomischem Erkenntnisinteresse

Nun notwendig: eine kommunikations-& kulturtheoretische Interpretation:

Das verlangt: einen Perspektivenwechsel: von affirmativem zu emanzipatorisches Erkenntnisinteresse -

Globalisierung als kritische Metapher

Trotz der normativen Kraft des Faktischen ist die Konstruktion einer globalen Wirtschaftsordnung (affirmative Ökonomie) nicht gleich der Konstitution einer globalen sozialen, ethisch verträglichen Ordnung (Wertegemeinschaft)

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Was ist Globalisierung? Polit-ökonomische Perspektive

Das komplexe Phänomen: • zunehmender internationaler und transnationaler Vernetzung

wirtschaftlicher Strategien und Abläufe (in Produktion, Technologie, Distribution, Vermarktung, Verbrauch)

• und marktbildender Strukturen (Standardisierung von Images, Werbung, Konsumkultur)

In der Absicht:– Minimierung von Ablaufkosten

(Produktion, Organisation, Kommunikation)– Maximierung und Kumulierung von Kapital und Erfolg– Ausdehnung der reichweite (Markterweiterung)– Vertiefung Marktpräsenz (Marktpenetration)

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Was ist Globalisierung? Effekte

Neuverteilung räumlicher und sozialer Arrangements im transnationalen Kontext:

• Deregulierung von national-administrativen Grenzen (einzelstaatliche Vorgaben, Bestimmungen, Routinen),

• Neue Zentrum-Peripherie- Verhältnisse (strukturelle Arrangements zur Konzentration dominierender Kräfte (Kapital, Wissen, Technologien) zur Positionierung von Vormachtstellungen,

• Umleitung der Ströme (Kapital, Ressourcen, Information, Wissen, Konsumgüter)• Nachhaltige Veränderung der sozialen Landkarten,• Auflösung der Grenzen von Raum, Zeit, Nation, Geschichte• Etablierung konzentrischer Märkte in allen Sektoren (Steuerung der

Warenzirkulation, internationale Standardisierung von Dienstleistung, Marktbefähigung und Ökonomisierung von meritorischen Gütern)

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Was ist Globalisierung? Ideologie & Strategie

Neoliberales Konzept

(Orthodoxe Konzeption: Reagan, Thatcher)• Sicherstellung der Profite durch Liberalisierung der Rechte im

internationalen Import-Export-Geschäft: Patente, Löhne, Strukturen der Arbeitsteilung (Produktion, Distribution, Konsum)

• Deregulierung - Auflösung existierender politischer Arrangements und politischer Kompromisse

• Entwicklung von Geschäftsfeldern jenseits gängiger Kompetenzzuweisungenz.B. Produktion von Programminhalten jenseits gängiger struktureller Kompetenzen (Zeitungen produzieren Fernsehen)

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Was ist Globalisierung? Ideologische Anpassungen

„Dritter Weg“

(Konzeptinterpretation: Clinton, Blair, Schröder):

- Bekämpfung des Keynesianismus (Staatliche Planung sorgt für Vollbeschäftigung) und für individuelle Leistung und Individualisierung von Risiko

- Der Staat (Politik) versteht sich als Vermittler zwischen transnationaler Marktdisziplin und Binnenökonomie (Ökonomisierung von Politik)

- Zunehmend werden die demokratischen Kontrollmechanismen abseits gestellt (Gewerkschaften, Parteien, Parlamente) - Entpolitisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse

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Was tut Globalisierung? Diskurs

• Die Diskurse der Globalisierung und des Neoliberalismus schaffen Realverhältnisse: Sie legitimieren und affirmieren durch die theoretische Expertise die neoliberale Ordnung

• Mit dem herrschenden Diskurs verbindet sich eine tief greifende Transformation der Haltungen und Einstellungen: kapitalistischer Habitus

• Sie produziert Mythen: des Ende von Territorialität, Souveränität, Entfernung, Nationalstaaten, Geschichte

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Medien im Globalisierungskontext - Mythen des Paradigmenwechsels

Mythen der Globalisierung :

• Eine enger zusammenrückende Welt (Sterben von Entfernungen, von Grenzen und- z.B. administrativen Begrenzungen) wäre zugleich eine demokratischere Welt

• Vor allem US-amerikanische Medienunternehmungen verstehen sich zunehmend als Faktoren einer neuen Weltordnung und als Garanten für eine bessere Welt (Wirtschaft und Moral in „amerikanischer“ Verknüpfung): Coca Cola, McDonalds, CNN etc. stehen für den Mythos einer internationalen Interessensharmonie

• Kritik: nicht internationale Interessensharmonie, sondern „transnationale kulturelle Dominanz“ (Imperialismusthese)

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Globalisierung im Medienkontext

• Ein begriffliche Fassung der Beobachtung

einer wirtschaftlich getriebenen, sozial, kulturell und politisch sich auswirkenden Entwicklung zunehmender internationaler Vernetzung und Interdependenz der Verfahrensweisen in Produktion, Handel, Verkehr und Vertrieb von medienvermittelten Kommunikationsgütern mit Folgen für Routinen der medialen Kommunikation in Produktion und Rezeption,

• in die Medien dreifach eingebunden sind:

– als abstrakte Metapher der Modernisierung und der Etablierung einer Mediengesellschaft (Mediatisierung / Medialisierung)

– Als Agentur der Modernisierung: Medien als Trendsetter

– Als Spiegel der Modernisierung: Medien als Beobachtungsinstanz

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Was tut Globalisierung? Im Medienkontext

Globalisierung der Massenkommunikation - ein komplexer Prozess der Internationalisierung der

Informationsströme - mit unterschiedlichem Tempo und auf unterschiedlichen Ebenen

- Beschleunigung in Technologie und Infrastruktur, Beschleunigungsstress bei Mediengebrauch und bei der Entwicklung von Institutionen (Recht, Kontrolle, Ethik etc.)

- Hybridisierung der gesellschaftlich relevanten Diskurse

- Konvergenz der Medientechnologien, der Medienstrukturen, der Medienprogramme

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Medien im Globalisierungskontext - Euphorisierungen

Globalisierung als euphorische Metapher:

• Global Village (M.McLuhan)• One World (MTV)• Think globally, act locally (Sony)• Visionen demokratischer Weltkultur (Internet)• One Dream – One World (Beijing 2008)• Der globale Konsument: Be the First to know (CNN)

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Medien im Globalisierungskontext - Kritische Interpretationen

Globalisierung als pejorative Metapher:

- Westlicher Kulturimperialismus- Amerikanisierung- Hybridisierung der Kulturen- Identitäts- und Authentizitätsverlust

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Medien im Globalisierungskontext - Positionen des Paradigmenwechsels

Von nationalen zu globalen Medien:Es war einmal: (In Europa: BBC, ORF, ARD/ZDF, ORTF, aber auch in den USA: CBS, NBC)

– Bereitstellung nationaler Programme (in öffentlich-rechtlichen Medien):

– Beitrag zur nationalen Integration,– Aufbau nationaler Einheitsgefühle,– Verbindung zwischen Rezipienten - symbolische Gemeinschaft,– FS als zentraler Mechanismus für die Konstruktion des kollektiven

Lebens und die Nationalkultur– Radio & FS bisher die politische öffentliche Sphäre des

Nationalstaates, Mittelpunkt nationaler kultureller Identifikation

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Medien im Globalisierungskontext - Positionen des Paradigmenwechsels

Nun gilt (für öffentl. Rechtl Medien) eine Neue Medienordnung:• Gesetzliche Regelungen entstehen aufgrund wirtschaftlicher

Erfordernisse (Deregulierung)• Zuschauer/Hörer nicht mehr als Bürger eines Nationalstaates

angesprochen, sondern als wirtschaftliche Adressaten (Zielgruppen), als Teilnehmer eines Verbrauchermarktes

• Politische und soziale Ideale (Demokratie, öffentliches Leben, nationale Kultur & Identität) zunehmend als Hemmfaktoren der internationalen Medienentwicklung gewertet

• Medien nicht länger Träger einer öffentlichen Philosophie,sondern Träger & Objekt von Markinteressen

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Medien im Globalisierungskontext - Logik des Paradigmenwechsels

Logik der Globalisierung ist die des Profits und Wettbewerbs:

• Produktion in größtmöglichem Maß • Verteilung in größtmöglicher Zahl,• An die größtmögliche Menge von Konsumenten• Ziel der neuen (neoliberalen) Medienordnung ist:

- der Abbau von Handelsbarrieren- die Maximierung der Wahlmöglichkeiten für den Konsumenten- der Ausbau großer audiovisueller Räume jenseits der

symbolischen Räume der Nationalkulturen (Entstehen einer neuen audiovisuellen Geografie)

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Medien im Globalisierungskontext - Problemthemen

Hybridisierung:• Die Logik des globalisierten Marktes verlangt:

Standardisierung, Reduktion von Komplexität, Trivialisierung:Infotainment: Informationen werden unterhaltungsorientiert aufbereitet / Unterhaltung wird mit Populärwissen vermischtGlobalisierte Formate: Quer durch alle Kulturen werden gleiche Sendekonzepte realisiert: Big Brother, Millionenshow etc.Kulturelle Konvergenz: Globale Unternehmen sichern sich die Kontrolle über die Programmgestaltung (Produktionen, Archive, Vertrieb, Übermittlungs- und Übertragungssysteme)Amerikanische Dominanz: augenfälligstes Charakteristikum der GlobalisierungHybride Diskurse: Vermischung heterogener kultureller Diskurse zu einer globalen Assimilation

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Medien im Globalisierungskontext - Problemthemen

Kulturimperialismus:Die Hypothese ist: der hohe Anteil an Produktionen aus

US/Westen beeinflusst die Weltwahrnehmung zum Nachteil bestehender Kulturen

• Imperialismuskritik - eine Folge der Methodologie: die kommunikationwissenschaftliche Globalisierungsforschung im Sog der Analyse des des Wandels politökonomischer Strukturen

• Der Überhang amerikanischer/westlicher Produktionen verleitet zur These (Kurzschluss zwischen Produktion und Konsumtion) der Verwestlichung / Amerikanisierung der (Medienkulturen)

• Zu bedenken aber ist: die Möglichkeit der oppositionellen Lesart (Decodierung)

• In Rechnung zu stellen ist auch: der Regionalisierungseffekt der Globalisierung

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Medien im Globalisierungskontext - Problemthemen

Nationale Identitäten:Die Hypothese ist: Kulturelle Homogenisierung.

Aufgrund transnationaler Medienkonglomerate ist der Verlust an medienpolitischer Kontrollmacht der Nationalstaaten relativ hoch und deshalb die Transformation nationaler Identitäten unvermeidlich.

Die globalen Nachrichtenprogramme (CNN, BBC, Deutsche Welle etc) übertönen die nationalen Programme, vor allem die der Entwicklungsländer,

Globale Nachrichtenprogramme sind allerdings in der Regel gegenüber regionalen/nationalen benachteiligt („Glokalisierung“)

Globale Unternehmen entdecken zunehmend die Notwendigkeit der regionalen Anpassung (Mc Donalds)

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Medien im Globalisierungskontext - Thesen zu Perspektiven

• Es gibt keine medienfreie Existenz in der Mediengesellschaft

• Die Frage ist nicht, was die Medien mit den Rezipienten machen, sondern was die Rezipienten mit den Medien machen

• Medien werden zu Agenturen der sozialen Praxis erst durch ihren Gebrauch

• Medialität statt Medien - die Vertiefung der Mediendefinition von der Strukturbetrachtung zur Kulturbetrachtung

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Medien im Globalisierungskontext Literaturverweise

• Bauer, Thomas A. (2003): Vom Strukturblick zum Kulturblick. Entwürfe zu einem Blended Theorie-Modell. In: Karmasin, Matthias / Winter, Carsten (Hrsg.); Kulturwissenschaft als Kommunikationswissenschaft. Wiesbaden, S. 127 – 167

• Bauer, Thomas A. (2008): Signaturen der Mediengesellschaft: Stilbildung und Ästhetik des Lebens im Fluidum von Medialität. In: Bauer, Thomas A. / Ortner, Gerhard E.: Bildung für Europa. Politische Ansprüche und Anregungen für die Praxis. Paderborn (B&B),S. 122-145

• Fukuyama, Francis (1992): das Ende der Geschichte. Wo stehen wir? München

• Habermas, Jürgen (1998): Die postnationale Konstellation. Frankfurt/M. (suhrkamp)

• Habermas, Jürgen (2001): Zeit der Übergänge. Frankfurt/M. (suhrkamp)

• Jotte, Josef (2006): Überpoer: The Imperial Temptation of America. New York (Norton)

• Meredith, Robyn (2007): The Elephant and the Dragon. The Rise of India and China and What it Means for All of Us. New York (Norton)

• Müller, Eggo: Globalisierung und Medien. www.montage-av.de/pdf/

• Morley, David / Robins, Kevin (2002): Globalisierung als Identitätskrise. Die neue globale Medienlandschaft. In: Hepp, Andreas / Löffelholz, Martin (Hrsg.): Grundlagentexte zur transkulturellen Kommunikation. Konstanz, S. 533 – 560

• Zakaria, Fareed (2008): The Post-American World. New York (Norton)