VL Bauleitung RA Bach, Vertragspflichten des Objektüberwachers
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Objektüberwachung:
Verantwortlichkeit des Architekten auf der Baustelle
Vorlesung am 30.06.2015 von
Hendrik Bach, Rechtsanwalt
Technische Universität Berlin,
Fakultät VI Planen, Bauen Umwelt
Institut für Architektur
WRD Berlin
Leipziger Platz 15
10117 Berlin
Tel.: 030 278707
E-Mail: [email protected]
WRD Hamburg
Alte Rabenstraße 32
20148 Hamburg
Tel.: 040 1804010
E-Mail: [email protected]
WRD Schwerin
Dr.-Hans-Wolf-Straße 15
19055 Schwerin
Tel.: 0385 590030
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WRD Dresden
Königstraße 4
01097 Dresden
Tel.: 0351 2111760
E-Mail: [email protected]
WRD Frankfurt a. M.
Friedrich-Ebert-Anlage 56
60325 Frankfurt
Tel.: 069 75699260
E-Mail: [email protected]
2
Gliederung
I. Der Architektenvertrag
Rechtsnatur, Leistungsumfang, Regeln der Technik, Sachwalterpflichten, gesamtschuldnerische Haftung
II. Objektüberwachung Verantwortlichkeiten gemäß LP 8
Leistungsbilder, Pflichten, Haftungsrisiken
III. Zusammenfassung
Ratschläge, weiterführende Literatur
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I. Der Architektenvertrag
1. Rechtsnatur
• Die Leistungen des Architekten enthalten gleichermaßen dienstvertragliche und werkvertragliche Elemente
• Nach ständiger BGH-Rechtsprechung handelt es sich aber um einen Werkvertrag, soweit die gesamte Architektenleistung (von Planung bis Überwachung) Vertragsgegenstand ist
• Dies gilt mittlerweile auch bei einem Vertrag, der nur die Objektüberwachung nach HOAI zum Gegenstand hat
• Der Architekt schuldet nicht das Bauwerk als körperliche Sache, sonst müsste er auch für Mängel haften, die er auch bei sorgfältiger Überwachung nicht verhindern konnte
• Der Architekt schuldet aber neben dem Planungsergebnis (Planwerk) das Bewirken der Entstehung des Objekts mittels Vergabe-, Koordinierungs-, Überwachungs- und sonstige Leistungen im Rahmen seiner Sachwalterpflichten
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2. Leistungsumfang
• Liegt kein schriftlicher Vertrag vor, spricht nach geänderter Rechtsprechung eine Vermutung dafür, dass Leistungspflichten nur sukzessive vergeben werden (keine Vermutung für „Vollauftrag“)
• Liegt ein schriftlicher Vertrag vor, so kommt es in erster Linie auf die dort definierten Einzelleistungen an (i. S. einer zivilrechtlichen Beschaffenheitsvereinbarung)
• Die HOAI ist kein Werkvertragsrecht, sondern regelt die Honorierung des Architekten. Wird im Vertrag auf die Leistungsbilder der HOAI Bezug genommen, dann gelten diese in dem dort aufgeführten Umfang
• Die Leistungsbilder der HOAI geben aber nicht alle Pflichten des Architekten wieder. Letztlich schuldet dieser (fast) alles, was zur Entstehung eines funktionierenden Bauwerkes erforderlich ist. Dazu gehört z. B. auch Abhaltung von Bausitzungen, Erstellung von Bauprotokollen, Führung des VOB-Schriftverkehrs i. S. eines wirksamen Mängel-, Nachtrags- und Behinderungsmanagements
• Quantitativ gibt es kaum Grenzen. So kann der Aufwand bei einem kleinen Bauvorhaben deutlich größer sein, als bei einem größeren Bauvorhaben. Trotzdem gibt es hier wegen der wertbezogenen Sätze der HOAI weniger Geld!
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3. Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik
• Der Architekt schuldet ein mangelfreies Werk. Ein Mangel liegt vor, wenn das Planwerk und/oder das vom Architekten durch seine Mitwirkung verantwortete Bauwerk von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit und/oder von den anerkannten Regeln der Technik abweicht
• Anerkannte Regeln der Technik sind Bauverfahrensweisen, „die theoretisch (wissenschaftlich) richtig sind, sich in der Baupraxis bewährt haben und hinsichtlich beider Merkmale von der überwiegenden Anzahl der Sachverständigen und Ingenieure akzeptiert werden“ (ständige BGH-Rechtsprechung)
Woraus leiten sich diese Regeln ab?
• Quellen für anerkannte Regeln der Technik
– Allgemeine und spezielle Anforderungen des Bauordnungsrechts (z. B. Regeln über Standsicherheit in der Berliner Bauordnung)
– Eingeführte Technische Baubestimmungen (ETB) (vgl. § 3 Abs. 3 BauOBln)
– DIN-Normen/EN-Normen (mehr als 3000 für das Bauwesen)
– VDE- und VDI-Vorschriften, Vorgaben des VdS
– Herstellervorschriften (vgl. BGH, IBR 2009, 511)
– Vorgaben aus Bauaufsichtlichen Zulassungen
– zu den Regeln der Technikgehören aber auch ungeschriebene Erfahrungssätze, die teilweise von den o. a. Normen abweichen können
– Änderungen bis zur Abnahme/Ende der Planungsphase müssen beachtet werden (OLG Dresden, IBR 2010, 90)
• Vorstoß gegen die anerkannte Regeln der Technik
– Die ETB des Bauordnungsrechts geben nicht immer den aktuellen Stand der Technik wieder
– Die Baugenehmigung, die sich am geltenden Bauordnungsrecht orientiert, ist kein Garant für Mangelfreiheit
– DIN-Normen haben die Vermutung der Richtigkeit für sich, die im Prozess aber widerlegt werden kann (OLG Brandenburg, Urteil vom 18.06.2009).
Regelwidrig ist das, was im Prozess in letzter Instanz als regelwidrig angesehen wird!
Der Architekt sollte daher bei Planung und Bauaufsicht nicht nur die ihm bekannten Normen, sondern auch die besonderen Verhältnisse vor Ort berücksichtigen.
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4. Sachwalterpflichten des Architekten
• Der Architekt ist Sachwalter der Interessen des Bauherrn und schuldet insofern umfassende Aufklärung und Beratung und zwar schon im vorvertraglichen Verhältnis
• Der Architekt schuldet auch richtigen rechtlichen Rat im Rahmen seines Pflichtenkreises. Er muss die einschlägigen öffentlich rechtlichen Bestimmungen sowie die Grundzüge des Werkvertragsrechts des BGB und der VOB kennen
• Der Architekt muss unterscheiden können, was aus baubezogenen Rechtsvorschriften ablesbar ist und in welchen Fällen juristischer Rat geboten ist
• Der Architekt hat den Bauherrn stets auf mögliche juristische Probleme hinzuweisen. Er muss dem Bauherrn insbesondere aufzeigen, welche Folgen die fehlende Klärung rechtlicher Fragen haben kann.
Bei Verletzung dieser Pflichten kann der Architekt vom Bauherrn bei dadurch verursachten wirtschaftlichen Nachteilen auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden!
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5. Gesamtschuldnerische Haftung
• Gesamtschuldnerausgleich
– Der Bauherr kann bei mangelbedingten Ansprüchen i. d. R. von jedem Verursacher Ersatz in voller Höhe verlangen (§ 421 BGB)
– Dies betrifft sowohl die Kosten der Mangelbeseitigung als auch sogenannte Mangelfolgeschäden
– Dabei kann sich der Anspruch um die Mitverschuldensquote anderer Beteiligter verkürzen
– Der in Anspruch genommene Haftungsbeteiligte kann im Innenverhältnis vom anderen Schuldner Ausgleich unter Berücksichtigung der jeweiligen Verursachungsquoten verlangen (§ 426 BGB)
Der Bauherr wendet sich i. d. R. zunächst an den Architekten, weil dieser über eine Haftpflichtversicherung verfügt
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II. Objektüberwachung: Verantwortlichkeiten gemäß LP 8
1. Laufende Überwachung
a) Leistungspflichten
• Überwachen der Ausführung des Objektes auf Übereinstimmung mit der öffentlich-rechtlichen Genehmigung oder Zustimmung, den Verträgen mit ausführenden Unternehmen, den Ausführungsunterlagen, den einschlägigen Vorschriften sowie mit den allgemein anerkannten Regeln der Technik Ausführungspläne sind zunächst auf Fehler zu prüfen, dann erst bauliche
Umsetzung; Prüfungspflicht auch in Bezug auf die Planung von Sonderfachleuten (z. B. TGA).
Ausführung selbst muss regelgerecht sein und darf nicht von Genehmigung abweichen; diesbezügliche Konflikte sind zu prüfen und zu lösen
Architekt trägt auch Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf die von der Baustelle ausgehenden Gefahren
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• Überwachen der Ausführung von Tragwerken mit sehr geringen und geringen Planungsanforderungen auf Übereinstimmung mit dem Standsicherheitsnachweis
Statik ist grundsätzlich Sache des Tragwerkplaners. Dessen Beteiligung an
der Objektüberwachung ist aber eine „Besondere Leistung“, die nicht immer beauftragt wird
Architekt muss Bauherrn darauf hinweisen, wenn er die fachtechnische Abnahme der Bewehrung in konstruktiver Hinsicht nicht selbst durchführen kann, sondern dass die Hinzuziehung eines Statikers notwendig ist
Ansonsten hat der Architekt die erforderliche Bewehrung als Leistung für den AG entgegenzunehmen. Soweit er dabei etwaige Mängel von seiner Fachkunde her erkennen kann, muss er sie feststellen
Der Architekt muss prüfen, ob und wie die Möglichkeiten der Statik mit den Wünschen des AG und den Brandschutzvorschriften kompatibel gemacht werden können, nicht aber der Tragswerksplaner (OLG Celle, Urteil vom 04.01.2012, IBR 2013, 627).
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• Koordinieren der an der Objektüberwachung fachlich Beteiligten
unter Koordinierungstätigkeit ist eine ordnende, dem planungs- und
termingerechten Ablauf aller Leistungsbereiche überwachende Tätigkeit zu verstehen
diese umfasst alle von der Bauausführung betroffenen Leistungsbereiche, auch dort, wo gesonderte Fachbauleiter eingesetzt sind
• Aufstellen, Fortschreiben und Überwachen eines Terminplans (Balkendiagramm)
für den Baufortschritt extrem wichtige Leistung: Zeit ist Geld!
Terminpläne wichtig für Feststellung von Fälligkeit und Verzug der Baubeteiligten sowie für die Dokumentation von Behinderungssachverhalten (Behinderungsmanagement!)
Aufstellung von Netzplänen bei Großprojekten muss gesondert vereinbart werden.
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b) Haftungsrisiken im Rahmen der laufenden Überwachung
• bei Übersehen von Planungsfehlern gesamtschuldnerische Haftung mit Planern; bei Übersehen von Ausführungsfehlern gesamtschuldnerische Haftung mit Bauunternehmen
• Erhöhte Aufmerksamkeit in wichtigen und kritischen Bauabschnitten bzw. bei typischen Gefahrenquellen (z. B. Abdichtung, Brandschutz, Dacharbeiten, Betonierungsarbeiten, Fundamente etc.)
• Intensität der Überwachung hängt auch von Qualität und Leistungsfähigkeit der jeweiligen AN ab
• Eine fehlende Detailplanung erfordert eine intensivere Bauüberwachung (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 07.10.2010, IBR 2012, 339)
• Keine Haftung soll bestehen bei handwerklich einfachen Tätigkeiten (z. B. Montage von Oberlichtern, Aufbringen von Putz, Malerarbeiten etc.); diese fallen in die Sphäre des Bauunternehmers. Keine Selbstverständlichkeiten: z. B. Verschraubung von Trockenestrichplatten und deren Verleimung (OLG Rostock, Urteil vom 11.11.2008, IBR 2009, 527)
Beispiele zu Überwachungspflichten und Haftung siehe nächste Folien
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Beispiel: Überwachungsfehler beim Brandschutz, Wärmedämmung
- Der mit der Leistungsphase 8 des § 15 HOAI beauftragte Architekt hat im Rahmen seiner Objektüberwachungspflicht in der Regel das eingebaute Dämmmaterial durch Prüfung und Kontrolle vor Ort auf Übereinstimmung mit den Anforderungen an den Brandschutz nach örtlichen Bauvorschriften und dem Leistungsverzeichnis zu untersuchen. (KG, Urteil vom 06.01.2005, IBR 2006, 215)
- Ein Wärmedämm-Verbundsystem ist ein technisch anspruchsvolles, kompliziertes und „sensibles“ Gewerk. Der Architekt muss die Ausführung eines solchen Systems deshalb besonders intensiv überwachen (OLG Nürnberg, Urteil vom 20.06.2012, IBR 2014, 614)
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Beispiel: Überwachung von Sonderfachleuten
Der mit der Vollarchitektur beauftragte Architekt hat im Rahmen seiner Überwachungspflicht (LP 8) zu prüfen, ob der Sonderfachmann (hier: TGA Planer) die fachtechnische Abnahme durchgeführt hat.
Insbesondere im sensiblen Bereich des Brandschutzes hat der Architekt die Bauabläufe so zu koordinieren, dass die dort tätigen Handwerker durch Sonderfachleute überwacht werden und die handwerkliche Leistung (hier: Einbau von Brandschutzklappen) in technischer Hinsicht überprüft wird. (OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.11.2011, IBR 2012, 402)
Wenn der Bauherr die Überwachung spezieller Gewerke (z. B. TGA) durch entsprechende Sonderfachleute „einspart“ und dem Architekten die erforderlichen Kenntnisse fehlen, hat er beim Bauherrn Bedenken anzumelden
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Beispiel: Quantität und Qualität der Bauüberwachung
An den Architekten sind im Rahmen der Bauüberwachung erhebliche Anforderungen zu stellen. Er muss auf die Übereinstimmung der Ausführung mit den jeweiligen Ausführungsplänen, Leistungsbeschreibungen und den anerkannten Regeln der Technik achten.
Die ständige Anwesenheit des Architekten auf der Baustelle ist nicht unbedingt nötig. Vielmehr kann er sich bei einfachen Arbeiten regelmäßig auf die Zuverlässigkeit der Bauunternehmen verlassen.
Die Aufsicht durch den Architekten ist dagegen stets erforderlich, wenn es sich um wichtige Bauvorgänge handelt, die für die Erfüllung der Bauaufgabe von wesentlicher Bedeutung sind; gleichermaßen ist er zu einer intensiveren Bauaufsicht bei kritischen Baumaßnahmen verpflichtet, die ein höheres Mängelrisiko aufweisen, so z. B. bei der Ausführung von Dampfsperrbahnen. (vgl. OLG Köln, Urteil vom 13.03.2013, IBR 2013, 352)
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Beispiel: Beweislast bei Ansprüchen gegen Bauüberwacher?
– Für den schlüssigen Vortrag eines Schadensersatzanspruchs gegen den
bauaufsichtsführenden Architekten genügt es, wenn seitens des Auftraggebers
die sichtbaren Symptome der Baumängel beschrieben werden, auf die sich die
Bauaufsicht des Architekten erstreckte. Für eine Pflichtverletzung des
Architekten spricht dann der erste Anschein.
– In diesem Fall braucht der Bauherr nicht anzugeben, inwieweit es der Architekt
im Einzelnen an der erforderlichen Überwachung hat fehlen lassen. Vielmehr
ist es Sache des Architekten, den Beweis des ersten Anscheins dadurch
auszuräumen, dass er seinerseits darlegt, was er an Überwachungstätigkeit
verrichtet hat. Dazu genügt nicht die bloße Behauptung, dass er die Arbeiten
selbst oder durch einen Bauleiter habe überwachen lassen.
(OLG Celle, Urteil vom 02.06.2011, IBR 2011, 33)
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• Gesamtschuldnerische Haftung im Verhältnis des
Objektüberwachers (LP 8) zum planenden Architekten (LP 5)
Wenn Objektüberwacher Planungsmängel der ihm übergebenen
Ausführungspläne übersieht. Überprüfungspflicht bezieht sich auf Verstöße
gegen die anerkannten Regeln der Technik und öffentlich rechtlichen
Bauvorschriften, nicht auf ihn unbekannte Vorgaben des BH
Wenn dem Objektüberwacher eine riskante Planlösung bekannt ist, muss er
deren Richtigkeit genau hinterfragen und die Ausführung genau kontrollieren
(OLG Hamburg, Urteil vom 07.11.2009, 660)
BGH: die Zurverfügungstellung einwandfreier Pläne ist eine Bauherrenpflicht,
sodass der Überwacher das Mitverschulden des Planers haftungsverkürzend
einwenden kann. (Urteil vom 27.11.2008, IBR 2009, 92)
Der auch mit der Bauleitung beauftragte Architekt ist verpflichtet, im Rahmen
der BÜ einen eigenen Planungsmangel zu offenbaren (OLG Celle, Urteil vom
23.02.2012, IBR 2014, 356)
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Der bauaufsichtsführende Architekt hat für eine mangelfreie Realisierung des
Bauvorhabens zu sorgen. Dazu gehört es, die Eignung der Planung dahingehend
zu prüfen, ob auf ihrer Grundlage ein mangelfreies Bauwerk errichtet werden
kann. Diese Anforderungen werden nicht dadurch verringert, dass der
Auftraggeber selbst Architekt ist (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 28.03.2013,
IBR 2013, 335)
Den bauleitenden Architekten enthebt das Vertrauen in die Kompetenz eines
Spezialisten bei ungewöhnlichen und erkennbar schwierigen Ausführungen nicht
von der Verpflichtung zur eigenverantwortlichen Kontrolle; soweit Pläne Dritter
zur Ausführung gelangen, darf ein Architekt diese nicht kritiklos übernehmen,
soweit ihm Kritik möglich und zumutbar ist (vgl. OLG Celle, Urteil vom
04.01.2012, IBR 2013, 356)
Der nach dem Wechsel eines Baumaterials „konstruktionsbedingte Eintritt von
Rissen“ sowie eine fehlende Wärmedämmung fallen nicht allein in den
Verantwortungsbereich des Planers, sondern auch in den Pflichtenkreis des
bauüberwachenden Architekten (OLG Koblenz, Urteil vom 07.10.2011, IBR 2014,
222)
20
• Haftung bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten
Architekt trägt Pflicht zur Gefahrenvorsorge auf der Baustelle hinsichtlich
erkannter und/oder erkennbarer Gefahren
dies gilt insbesondere für alle Maßnahmen, die von ihm selbst angeordnet werden, sich aber als unzureichend erweisen
dies gilt auch in Bezug auf ersichtlich unzureichende Maßnahmen anderer Baubeteiligter
ist die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ursächlich für die Schädigung von Sachwerten bzw. Leib und Leben Dritter, so können diese Schadensersatzansprüche gemäߧ 823 BGB geltend machen
darüber hinaus droht Strafbarkeit wegen Baugefährdung (§ 319 StGB) bzw. fahrlässige Körperverletzung bzw. Tötung (§§ 222, 229 StGB)
Eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten wird in der Regel unterstellt, wenn ein Bauwerk im Widerspruch zu den aRdT geplant und errichtet wird
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Beispiel: Keine Enthaftung durch baurechtliche Genehmigung!
- Der Verkehrssicherungspflichtige wird durch die baurechtliche Genehmigung einer Anlage nicht von einer eigenen Prüfungspflicht befreit. Denn die Erteilung der öffentlich-rechtlichen Erlaubnis verfolgt andere Zwecke als die auf den Vertrauenserwartungen des Verkehrs beruhende, auf den Integritätsschutz gefährdeter Personen ausgerichtete und deshalb in ihrer Zielsetzung umfassende Verkehrssicherungspflicht (BGH, Urteil vom 31.05.1994).
Beispiel: Keine Enthaftung durch fehlende Kenntnis von Sicherheitsvorschriften
Wer für die Sicherheit von Beschäftigten auf einer Baustelle verantwortlich ist (hier: Bauleiter), muss die zu beachtenden Sicherheitsvorschriften kennen. Die mangelnde Kenntnis spielt für die Beurteilung des Verschuldensgrades (nach §110 Abs. 1 SGB VII: grobfahrlässig) eine wesentliche Rolle (vgl. BGH, Urteil vom 18.02.2014).
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2. Prüfungs- und Kontrolltätigkeiten (Aufmaß, Rechnungen, Kosten)
a) Leistungspflichten
• gemeinsames Aufmaß mit den ausführenden Unternehmen wenn die Leistung von den Plänen abweicht (DIN 18299 Ziffer 5)
Tatsachenfeststellungen sind bei gemeinsamer Durchführung des Aufmaßes für Bauvertragspartner bindend
dient auch der Feststellung, ob Leistung vertrags- und plangemäß erbracht wurde
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• Rechnungsprüfung einschließlich Prüfen der Aufmaße der bauausführenden Unternehmen fachtechnische und rechnerische Überprüfung aller Rechnungen von
Bauunternehmern und Lieferanten auf ihre Richtigkeit und Vertragsgemäßheit
alle Rechnungen (Abschlags-, Schluss-, Teilschlussrechnungen)
Erstellung eines Prüfungsvermerks für AG (keine Bindungswirkung gegenüber AN). Bestätigung oder Korrektur der Einzelpositionen oder Gesamtansätze
• Vergleich der Ergebnisse der Rechnungsprüfungen mit den Auftragssummen einschließlich Nachträgen
besondere Sorgfalt bei der Prüfung von Nachträgen (dem Grunde und der
Höhe nach)
der Bauherr erwartet von seinem Architekten ein wirksames Nachtragsmanagement
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• Kostenkontrolle durch Überprüfen der Leistungsabrechnung der bauausführenden Unternehmen im Vergleich zu den Vertragspreisen Dem AG soll durch die Kostenkontrolle (Soll zu Ist) die Möglichkeit gegeben
werden, bei drohender Überschreitung der Sollkosten Entscheidungen zu treffen (Problem: Kostensteigerung durch Nachträge und Behinderungen)
beinhaltet auch Kostenfortschreibung bei Änderungen und Ergänzungen
• Kostenfeststellung
ermöglicht die Feststellung, ob die vorherigen Kostenermittlungen
(Kostenschätzung, Kostenberechnung und Kostenanschlag) eingehalten oder überschritten wurden
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b) Haftung
• Bei fehlerhafter Rechnungsprüfung haftet der Architekt gegenüber dem AG, wenn dieser zu viel zahlt und/oder Überzahlungen (z. B. bei
Abschlagsrechnungen) am Ende nicht zurückbekommt
wenn Zurückbehaltungsrechte/Gegenansprüche nicht beachtet werden
wenn bezahlte Rechnungen bereits dem Grunde nach nicht berechtigt sind (z. B. Nachträge)
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• Bei fehlerhafter Kostenkontrolle kann dies einen Ansatz für die Haftung
wegen Bausummenüberschreitung darstellen. Voraussetzungen: Überschreitung des Toleranzrahmens (siehe nächste Folie)
zurechenbare Fehler, die für die Kostenüberschreitung kausal sind und Verschulden des Architekten
Schaden (wirtschaftlicher Nachteil) unter Berücksichtigung des Vorteilsausgleiches (z. B. Mehrwert des Objektes), vgl. OLG Hamm, Urteil vom 15.03.2013, IBR 2013, 286
Dieses komplexe Thema soll im Rahmen dieses Vortrages nicht vertieft werden.
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• Toleranzrahmen bei den verschiedenen Kostenberechnungen
Keinerlei Toleranzrahmen, wenn Baukostenvereinbarung vorliegt (OLG
Brandenburg, IBR 2011, 648- Nr. 24 für "Höchstpreis der Baumaßnahmen nach
DIN 276 KG 300 und 400 mit 203.000 € festgelegt„)
Kostenschätzung 25 bis 30 % (BGH, VII ZR 115/92 sowie BGH IBR 2001,
29 – Nr. 25)
Altbausanierung Kostenschätzung 30 % Toleranzrahmen (OLG München, IBR
2007, 501 – Nr. 26), aber Hinweispflicht des Architekten auf den erhöhten
Toleranzrahmen und die Unsicherheit bei Altbausanierung.
Kostenüberschreitung von 35 % gegenüber Kostenschätzung aus Vorplanung bei
Altbausanierung noch innerhalb der Toleranzgrenze (OLG Zweibrücken, IBR
1993, 104 – Nr. 27)
hat der Architekt schon in der Kostenschätzung zum Abschluss der LP2 höhere
Kosten angegeben, ohne dass der AG dem ausdrücklich entgegengetreten ist,
spricht dies gegen die Vereinbarung eines verbindlichen Kostenrahmens oder
gegebenenfalls für dessen stillschweigende Aufhebung (OLG Hamburg, IBR 2011,
470 – Nr. 28)
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Wie kann sich der Architekt bei vereinbarter Baukostenobergrenze entlasten?
Nicht mit:
unvorhersehbare Preissteigerungen
unvorhersehbare Auflagen in der Baugenehmigung
Konkurs von Baufirmen mit Mehrkostenfolge
Grund: Alle diese Risiken sind von der verschuldensunabhängigen Haftung des
Architekten für die Einhaltung der vereinbarten Beschaffenheit
(Baukostenobergrenze) umfasst.
Allerdings mit:
nachträgliche Änderungen des Bedarfsprogramms durch den AG
unnötig aufwändige Bauteile trotz anderer Vorschläge des Architekten
(zum Beispiel: Edelstahlgeländer statt verzinkter Stahlkonstruktion)
unterlassene oder verzögerte Mitwirkungshandlungen des AG mit der Folge
von Kostensteigerungen
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3. Abnahme, Mängel, Gewährleistung
a) Leistungspflichten
• Organisation der Abnahme der Bauleistungen keine rechtsgeschäftliche Abnahme durch den Architekten (das ist Sache des
Bauherrn), sondern tatsächliche/technische Abnahme: Überprüfung der Bauarbeiten und Baustoffe auf Mängel bzw. Fehler
terminliche Koordinierung und Überprüfung von Abnahmen/Teilabnahmen durch Sonderfachleute, z. B. im Bereich technische Gebäudeausstattung
Protokollierung der Abnahmeergebnisse
Aufklärung des Bauherrn über Bedeutung und Rechtsfolgen der Abnahme, Abgabe einer Abnahmeempfehlung
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• Antrag auf öffentlich-rechtliche Abnahme und Teilnahme daran es geht hier um die nach den Landesbauordnungen notwendigen Abnahmen
(z. B. Rohbau, Gebrauchsabnahme, Schlussabnahme)
Architekt muss die Anträge rechtzeitig stellen und Sonderabnahmen (z. B. TGA oder Statik) der Fachingenieure koordinieren
• Übergabe des Objektes
erfolgt i. d. R. vor Beendigung der Architektenleistung (wie z. B. Kontrolle, Mängelbeseitigung etc.)
in Form einer Fertigstellungsanzeige an den Bauherrn, verbunden mit der Übergabe von Bedienungsanleitungen, Prüfprotokollen etc., gegebenenfalls verbunden mit gemeinsamer Begehung des Objektes
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• Auflistung der Verjährungsfristen für Mängelansprüche Prüfung der Fristen aufgrund vertraglicher Vereinbarungen, Festlegungen bei
der (Teil-)Abnahme und möglicher Unterbrechungs-/Hemmnistatbestände
übersichtliche Auflistung für den Bauherrn (Beginn, Lauf, Ende), damit dieser Ansprüche rechtzeitig geltend machen kann nach § 13 Abs. 4 VOB/B bzw. § 438 BGB)
• Überwachen der Beseitigung der bei der Abnahme festgestellten Mängel
grundsätzlich obliegt dem Architekten auch während der Baudurchführung des Mängelmanagement (Aufforderungen gemäß § 4 Abs. 7 VOB/B)
erst recht gilt dies für Abnahmemängel, hierzu gehört die Aufforderung zur Mangelbeseitigung und deren Kontrolle
die Kontrolle von Gewährleistungsmängeln (nach Abnahme) ist hiervon nicht umfasst (LP 9)
Nach zwei erfolglosen Aufforderungen an Unternehmer endet Pflicht des Architekten
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b) Haftung
• bei Übersehen von Mängeln bei Abnahme, weil sich die Beweislast umkehrt, was die Durchsetzung von Mangelbeseitigungsansprüchen erschwert
• bei Verzögerung der Abnahme wegen unzureichender Koordinierung, wenn das Objekt deshalb später an Endnutzer übergeben werden kann (Mietausfall, Zinsaufwand etc.)
• bei Ablauf von Gewährleistungsfristen, wenn diese fehlerhaft notiert waren
• bei unzureichender Mängelbeseitigung durch den Unternehmer wegen fehlender Aufsicht/Kontrolle
• Bei fehlendem Hinweis auf Vertragsstrafenvorbehalt bei Abnahme (§ 11 Abs. 4 VOB/B) Haftung gegenüber dem Bauherrn, wenn sich diese später nicht mehr durchsetzen lässt (OLG Bremen, Urteil vom 06.12.2012, IBR 2013, 89)
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4. Dokumentation
a) Leistungspflichten
• Dokumentation des Bauablaufes
am besten in Form eines Bautagebuches
soll chronologisch alle Sachverhalte enthalten, die den tatsächlichen Bauablauf wiedergeben: Lieferungen, Bauleistungen (Umfang, Anwesenheit), Witterungsbedingungen, Vorkommnisse (z. B. Unfälle), Bauablauf (z. B. Behinderungen/Störungen)
zur Dokumentation des Bauablaufes gehört auch der Schriftwechsel der Baubeteiligten, insbesondere Mehrkostenanzeigen, Bedenkenanzeigen, Behinderungsanzeigen und die entsprechende Reaktion darauf
schließlich gehören hierzu auch Protokolle von Baustellensitzungen
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• Systematische Zusammenstellung der Dokumentation, zeichnerischen Darstellungen und rechnerischen Ergebnisse des Objekts
alle Unterlagen, die zur ordnungsgemäßen Benutzung des Objektes erforderlich sind und die gebraucht werden, um bei der späteren Nutzung über den Aufbau und Verlauf wichtiger Konstruktionen und Anlagen informiert zu sein
z. B.: Bewehrungspläne, Entwässerungs- und Drainagepläne, Revisionspläne (z. B. für Aufzüge), Energie- und Wärmebedarfsausweis nach EnEV, TGA-Montagepläne, Bedienungsanleitungen, Prüfprotokolle etc.
Schriftwechsel des Architekten mit allen Baubeteiligten
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b) Haftung
• Das Bautagebuch ist eine wichtige Beweisquelle im Prozess (wer schreibt, der bleibt!). Ist dieses unzureichend (oder gar nicht) geführt und bleibt der Bauherr im Streit mit anderen Baubeteiligten deshalb beweisfällig, können SE-Ansprüche gegen den Architekten bestehen.
• Das Bautagebuch hat auch Beweiskraft für und gegen den Architekten in Bezug auf seine eigene Leistung, insbesondere was seine Überwachungspflichten angeht.
• Ist die technische Dokumentation unzureichend und hat dies wirtschaftliche Nachteile für den Bauherrn zur Folge (z. B. Erstellung in Ersatzvornahme), können SE-Ansprüche gegen den Architekten bestehen.
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III. Zusammenfassung
1. Ratschläge
• Vertrag ist Vertrag! – Achten Sie darauf, dass im Architektenvertrag die Leistungspflichten hinreichend
konkret beschrieben sind
– Bestehen Sie darauf, dass der Bauherr für Sonderaufgaben auch kompetente Sonderfachleute sowohl bei der Planung als auch der Bauüberwachung hinzuzieht (Brandschutz, TGA, thermische Bauphysik etc.)
– Vereinbaren Sie – wo möglich und sinnvoll - den Umfang der von Ihnen geschuldeten Leistungen zur Interessenwahrnehmung des Bauherrn (z. B. in Bezug auf den Schriftverkehr, bevor die Sache dem Anwalt übergeben wird). Ansonsten kann ein streitanfälliges BV ein „Fass ohne Boden“ werden!
• Sicher ist sicher! Wählen Sie im Zweifel die sicherste Lösung. Gebäude und technische Anlagen sind
gefährliche Sachen, bei Mängeln kann es um Leben und Tod gehen
Weder das Bauamt noch das Deutsche Institut für Normung (DIN) befreit Sie mit der Baugenehmigung bzw. mit technischen Normen von der Verantwortung im Einzelfall. Umso sorgfältiger ist zu prüfen, welche aRdT konkret zur Anwendung kommen müssen
Melden Sie bei wirtschaftlich motivierten Anordnungen des Bauherrn, welche das Sicherheitsniveau herabsetzen, Bedenken an. Führen die Anordnungen bzw. planerischen Vorgaben zu einer ersichtlichen Verletzung sicherheitstechnischer Grundregeln, melden Sie Behinderung an und wirken nicht weiter an einer gemeingefährlichen Planung/Ausführung mit
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• Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser! – Prüfen Sie die Ausführungsplanung, bevor mit dem Bau begonnen wird. Melden Sie im
Zweifel Bedenken an
– Schauen Sie den Baufirmen auf die Finger, prüfen Sie Material und Ausführung, verlassen Sie sich nicht auf Hörensagen
• Wer schreibt, der bleibt! – Führen Sie das Bautagebuch sorgfältig und diszipliniert – das hilft später sowohl Ihnen
als auch dem Bauherrn
– Dokumentieren Sie vor allen Dingen Ihre eigene Überwachungstätigkeit – nur so können Sie den Anscheinsbeweis im Falle von Ausführungsmängeln widerlegen
– Flankieren Sie das Nachtrags- und Behinderungsmanagement mit VOB-gerechtem Schriftverkehr – nur so schaffen Sie dem Bauherrn eine gute Ausgangslage für den Bauprozess
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2. Weiterführende Literatur, die zur Vorbereitung des Vortrages verwendet wurde
• Locher/Koeble/Frik: Kommentar zur HOAI, Vertrag, Honorar, Haftung, 12. Auflage 2014
• Thode/Wirth/Kuffer: Praxishandbuch Architektenrecht, 2. Auflage 2015
• Löffelmann/Fleischmann: Architektenrecht, 6. Auflage 2012
• Lederer/Heymann: HOAI-Honorarmanagement bei Architekten- und Ingenieurverträgen, 3. Auflage 2011
• Kimmich/Bach: VOB für Bauleiter, 5. Auflage 2014
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Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Hendrik Bach
Rechtsanwalt
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