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Vierter Bericht des Biopatent Monitoring Komitees

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Vierter Bericht

des Biopatent

Monitoring Komitees

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Biopatent Monitoring Komitee

Inhalt

1. Einleitung ....................................................................................................................... 4

2. Inhalt des Berichts.........................................................................................................4

3. Das Biopatent Monitoring Komitee..............................................................................6

3.1. Rechtsgrundlage .......................................................................................................6

3.2. Aufgabenbereich .......................................................................................................7

3.3. Besetzung ................................................................................................................. 7

3.4. Arbeitsweise.............................................................................................................. 9

4. Die Biotechnologie und ihre Bedeutung für Österreich ..........................................10

5. Der Auftrag des Gesetzgebers ...................................................................................12

5.1. Ergebnis der Überprüfung der Auswirkungen der in Umsetzung der Richtlinie

erlassenen österreichischen Rechtsvorschriften auf die in § 166 PatG genannten

Dimensionen ..................................................................................................................13

5.1.1. Menschenrechte ...............................................................................................13

5.1.2. Ökologische Systeme.......................................................................................14

5.1.3. Konsumentenschutz .........................................................................................14

5.1.4. Landwirtschaft ..................................................................................................14

5.1.5. Entwicklungsländer ...........................................................................................14

5.2. Ergebnis der Überprüfung der nationalen Erteilungs‐ und Spruchpraxis ................15

5.2.1. Medizin .............................................................................................................15

5.2.2. Biotechnologische Verfahrenstechnik ..............................................................17

5.2.3. Biotechnologische Nachweisverfahren .............................................................19

5.2.4. Nationale Spruchpraxis ....................................................................................21

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Vierter Bericht 2015

6. Aktivtäten der EU.........................................................................................................22

6.1. Monitoring der Biotechnologie-Richtlinie.................................................................22

6.2. Arzneimittelzugang für bedürftige Länder ...............................................................24

6.3. Die „Roche-Bolar-Regelung“ in der EU ...................................................................25

7. Rechtspanorama..........................................................................................................26

7.1. Europäischer Gerichtshof........................................................................................26

7.2. Europäisches Patentamt (EPA) ..............................................................................31

7.2.1. Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer ..........................................31

7.2.2. Besondere Fälle vor der Technischen Beschwerdekammer bzw. vor der

Einspruchsabteilung des EPA ....................................................................................34

7.3. US Supreme Court (USC) .......................................................................................41

8. ANNEX I: Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.

Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen ..................45

9. ANNEX II: Rechtsgrundlage ........................................................................................61

10. ANNEX III: Geschäftsordnung ..................................................................................63

11. ANNEX IV: Abkürzungsverzeichnis .........................................................................66

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Biopatent Monitoring Komitee

1. Einleitung

Die moderne Biotechnologie hat sich zum integralen Bestandteil der Wirtschaft entwickelt.

Aus wirtschaftlicher Sicht ist Forschung in den Life Sciences und deren Umsetzung in

marktfähige Produkte ohne Patente nicht rentabel. Ohne Patente wäre der Anreiz zu ho­

hen Investitionen in Forschung auf Seiten der Unternehmen nicht gegeben. Ein starker

Patentschutz schafft Rechtssicherheit und stellt neues Wissen der Allgemeinheit zur Ver­

fügung.

Mit dem Ziel der Harmonisierung auf EU-Ebene wurde im Jahre 1998 die Richtlinie

98/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (=Biopatent-

Richtlinie) erlassen. Dies als Ergänzung zum multilateralen Europäischen Patentüberein­

kommen, das bezüglich biotechnologischer Erfindungen breiten Interpretationsspielraum

offen lässt. Mit der Richtlinie wurden in erster Linie Klarstellungen getroffen, aber auch

Kriterien für den Ausschluss vom Patentschutz festgelegt. In Österreich wurde die Richtli­

nie nach intensiven Diskussionen durch Novellierung des Patentgesetzes mit Wirksamkeit

ab 10. Juni 2005 umgesetzt (BGBl I Nr. 42/2005).

2. Inhalt des Berichts

Gem. § 166 PatG obliegt dem Biopatent Monitoring Komitee die Aufgabe, die Auswirkun­

gen der in Umsetzung der EU-Richtlinie erlassenen österreichischen Rechtsvorschriften

auf die verschiedensten Bereiche (Menschenrechte, Tiere, Pflanzen, ökologische Syste­

me, Konsumentenschutz, Landwirtschaft und die Entwicklungsländer) (TZ 5.1.) zu über­

prüfen. Vorauszuschicken ist, dass seit dem dritten Bericht des Komitees keine weiteren,

über die damalige Biotechnologie-Umsetzungsnovelle, BGBl I Nr. 42/2005 hinausgehen­

den, gesetzlichen Umsetzungsschritte erfolgt sind.

Die weiterführenden Vorschriften unterhalb der Gesetzesebene, also die für die Tätigkeit

des Österreichischen Patentamtes erlassenen Verwaltungsvorschriften zur Biotechnolo­

gie-Umsetzungsnovelle (im Wesentlichen die internen Prüfrichtlinien für die Prüfer der

Technischen Abteilungen des Österreichischen Patentamtes) wurden bereits im Zuge des

ersten Berichtes vom Komitee analysiert und als den gesetzlichen Vorgaben entspre­

chend befunden. Aus Anlass der Entscheidungen G 2/07 und G 1/08 der Großen Be­

schwerdekammer des Europäischen Patentamts (näheres TZ 7.2.1) hat das Komitee je­

doch noch eine Klarstellung hinsichtlich der Auswirkungen der beiden Entscheidungen in

der internen Prüfrichtlinie des Österreichischen Patentamtes angeregt. Das Österreichi­

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Vierter Bericht 2015

sche Patentamt ist diesem Wunsch des Komitees umgehend nachgekommen und hat u.a.

in Kapitel 8 der Prüfrichtlinie folgende Feststellung aufgenommen:

„Die in den Entscheidungen G 2/07 und G 1/08 dargelegten Grundsätze können nur dann

mit der Ausführungsordnung zum EPÜ und der RL 98/44/EG bzw. dem darauf basieren­

den PatG in Einklang gebracht werden, wenn die Formulierung „Ein Verfahren zur Züch­

tung von Pflanzen oder Tieren ist im Wesentlichen biologisch, wenn…“ nicht taxativ im

Sinne von „..ist nur dann im Wesentlichen biologisch...“ gelesen wird, sondern als eine

Möglichkeit der Interpretation des Begriffs „...im Wesentlichen biologisch...“ angesehen

wird.

Zudem enthält die Formulierung „...wenn es vollständig auf … beruht.“ im Gegensatz zur

englischen Fassung der RL 98/44/EG („...is essentially biological if it consists entirely of

…“) einen Widerspruch in sich. Der Begriff „beruhen“ besagt nämlich im Gegensatz zu

dem in der englischen Fassung verwendeten „bestehen aus“ nur, dass lediglich die we­

sentlichen Schritte des Verfahrens natürliche Phänomene darstellen müssen. Wie dies mit

dem Begriff „vollständig“ in Einklang zu bringen ist, ist ungeklärt.

Zu dem von der Großen Beschwerdekammer vorgebrachten Argument, was die Inkonsis­

tenz der Formulierung „..wenn es vollständig auf natürlichen Phänomenen wie Kreuzung

und Selektion..“ betrifft, ist in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Großen Be­

schwerdekammer zwar zu sagen, dass „Kreuzung“ und „Selektion“ üblicherweise als Ver­

fahren verstanden werden, die ein Pflanzenzüchter bei der Kreation neuer Pflanzensorten

anwendet, welche in ihrer Gesamtheit also nicht natürlich sind, die aber dadurch nicht

zwangsweise zu „nicht-natürlichen“ Phänomenen werden. Die Formulierung „..natürliche

Phänomene wie Kreuzung...“ lässt sich nämlich auch wie folgt lesen: “...natürliche Phä­

nomene wie beispielsweise Kreuzung...“. Eine „nicht-natürliche“ Kreuzung ist also auch im

Sinne des EPÜ/der RL 98/44/EG/des Gesetzes weiterhin denkbar.

Zur Verknüpfung des Begriffs „natürliche Phänomene“ mit den Begriffen „Kreuzung“ und

„Selektion“ ist zu sagen, dass Kreuzung durchwegs „natürlich“, nämlich bei der sexuellen

Vermehrung, stattfindet, während die Selektion nicht mehr als „natürliches“ Phänomen

betrachtet werden kann.

Zusammenfassend ist also festzustellen, dass der als Erläuterung gedachte Satz („Ein

Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren ist im Wesentlichen biologisch, wenn es

vollständig auf natürlichen Phänomenen wie Kreuzung und Selektion beruht“) in sich der­

art widersprüchlich ist, dass eine Prognose der zukünftigen Patentierungspraxis nicht

möglich ist. Es wird somit an den Gerichten liegen die Formulierung „...im Wesentlichen

biologisch…“ auszulegen.

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Biopatent Monitoring Komitee

Hierbei dürfte dann von Relevanz sein, dass die Große Beschwerdekammer in ihren Ent­

scheidungen G 2/07 und G 1/08 auch feststellt, dass der bloße Zusatz von technischen

Verfahrensschritten zur Durchführung bzw. Unterstützung von Verfahren der sexuellen

Kreuzung von Genomen von Pflanzen und der nachfolgenden Selektion der Pflanzen die­

se Verfahren nicht vom Patentierungsausschluss im Sinne des Art. 53 (b) EPÜ befreit“.

Weiterhin umfasst die Tätigkeit des Komitees die Überprüfung der nationalen Erteilungs­

und Spruchpraxis (TZ 5.2.), also der vom Österreichischen Patentamt selbst erteilten Pa­

tente. Im Beobachtungszeitraum 01. Jänner 2012 bis 31. Dezember 2014 wurden in Ös­

terreich 16 Patente mit biotechnologischem Bezug erteilt. Diese wurden vom Komitee

überprüft und als den gesetzlichen Vorgaben entsprechend beurteilt.

Auch wenn sich gemäß § 166 PatG eine Zuständigkeit des Komitees nur für die vom Ös­

terreichischen Patentamt, nicht aber auch für vom Europäischen Patentamt mit Wirksam­

keit für Österreich erteilten Patente ergibt, so ist es dem Komitee auch in seinem vorlie­

genden vierten Bericht ein Anliegen, einen Überblick über aktuelle Entwicklungen auf EU-

Ebene (TZ 6) sowie über die vom Europäischen Gerichtshof und von den Beschwerde­

kammern des Europäischen Patentamtes getroffenen Entscheidungen und wichtigsten

anhängigen Fälle (TZ 7) zu geben.

3. Das Biopatent Monitoring Komitee

3.1. Rechtsgrundlage

Das Biopatent Monitoring Komitee wurde in Zusammenhang mit der im Jahr 2005 erfolg­

ten Umsetzung der Richtlinie 98/44/EG (Biotechnologie-Richtlinie – Umsetzungsnovelle

zum PatG) vorerst lediglich auf der Grundlage einer Entschließung des Nationalrates tä­

tig.

Das Komitee hat dem Parlament bis zur Erlassung einer gesetzlichen Grundlage entspre­

chend zweimal berichtet. Mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 2010 hat der Nationalrat das Ko­

mitee auf eine gesetzliche Grundlage gestellt (§§ 166 und 167 PatG), mit der insbesonde­

re dessen Zuständigkeit festgelegt, der Kreis der Mitglieder geregelt sowie eine auch das

Budget des Komitees verwaltende Geschäftsstelle eingerichtet wurde. Seitdem berichtete

das Komitee bisher ein weiteres Mal im Rahmen des dritten Berichts. Das Österreichische

Patentamt nimmt - in Rücksicht auf den gesetzlich geregelten Überprüfungsgegenstand

des Komitees (nämlich vom Österreichischen Patentamt erteilte/registrierte Paten-

te/Gebrauchsmuster) - am Komitee personell nicht mehr teil. Mit seinem vorliegenden

vierten Bericht (Beschlussfassung vom 13.05.2015) kommt das Österreichische Biopatent

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Vierter Bericht 2015

Monitoring Komitee der Anforderung des § 166 Abs. 3 PatG nach, bis spätestens 30. Juni

2015 dem Nationalrat seine Beobachtungen und Bewertungen zu berichten.

3.2. Aufgabenbereich

Der Aufgabenbereich des Biopatent Monitoring Komitees wurde vom Gesetzgeber wie

folgt definiert:

1. Überprüfung der Auswirkungen der in Umsetzung der Richtlinie erlassenen österrei­

chischen Rechtsvorschriften auf Menschenrechte, Tiere, Pflanzen und ökologische

Systeme sowie auf den Konsumentenschutz, die Landwirtschaft und die Entwicklungs­

länder;

2. Überprüfung der nationalen Erteilungs- und Spruchpraxis, insbesondere hinsichtlich

§ 1 Abs. 3 Z 2 und 3, § 2 Abs. 2 Satz 1 sowie §§ 36 und 37 PatG;

3. Überprüfung, ob die in Umsetzung der Richtlinie erlassenen österreichischen Rechts­

vorschriften folgenden Grundsätzen gerecht werden:

a) kein Patentschutz für Verfahren zum Klonen von Menschen und zur Veränderung

der menschlichen Keimbahn;

b) kein Patentschutz für Verfahren, in denen menschliche Embryonen verwendet

werden, und für Embryonen selbst;

c) keine weitere Einschränkung der „Tierschutzklausel” gemäß Art. 6 Abs. 2 lit. d der

Richtlinie;

d) Gewährung des Viehzüchter- und Landwirteprivilegs gemäß Art. 11 der Richtlinie;

e) Wahrung der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen über die biologische Viel­

falt, BGBl. Nr. 213/1995.

4. Beobachtung der forschungs- und wirtschaftspolitischen Konsequenzen, insbesondere

auch auf kleine und mittlere Unternehmen.

3.3. Besetzung

Gemäß § 167 Abs. 1 PatG sollen – neben den Vertretern der zuständigen bzw. mit be­

rührten Bundesministerien – in das Biopatent Monitoring Komitee jedenfalls auch Vertre­

ter der Sozialpartner, des Vereins für Konsumenteninformation, der Bioethikkommission

beim Bundeskanzleramt, des Umweltbundesamtes und ein legitimierter Vertreter des

Ökobüros eingebunden sein. Allerdings hat weder der Verein für Konsumenteninformation

trotz Einladung, noch das Ökobüro trotz Einladung und Schreiben mit der Bitte um Ent­

sendung eines Vertreters an den Sitzungen und Beratungen des Komitees teilgenommen.

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Biopatent Monitoring Komitee

Die im Biopatent Monitoring Komitee vertretenen Institutionen und deren Vertreter sind

nachfolgend aufgelistet:

Bundesministerium für Verkehr, Innovation

und Technologie

Mag. Christian Weissenburger

(zum Vorsitzenden gewählt)

Bundeskanzleramt Dr. Doris Wolfslehner

Bundesministerium für Gesundheit Mag. pharm. Dr. Robert Muchl

Bundesministerium für Land- u. Forstwirt­

schaft, Umwelt u. Wasserwirtschaft

Dr. Heinz-Peter Zach

Mag. Daniela Nowotny

Bundesministerium für Wissenschaft, For­

schung und Wirtschaft

DI Peter Schintlmeister

DDr. Martin Pilch

Prof. Dr. Nikolaus Zacherl

Univ.-Prof. Dr. Kurt Zatloukal

Bioethikkommission Univ.-Prof. Dr. Lukas Kenner

Wirtschaftskammer Österreich Dr. Harald Boos

DI Dr. Franz Latzko

Landwirtschaftskammer Österreich Ing. Mag. Andreas Graf

DI Christian Jochum

Österreichischer Gewerkschaftsbund Mag. Ernst Tüchler

Mag. Georg Kowarik

Österreichische Patentanwaltskammer Dr. Daniel Alge

Dr. Albin Schwarz

Österreichischer Rechtsanwaltskammertag Mag. Thomas Adocker

Dr. Sascha Salomonowitz

Vereinigung der österreichischen Industrie Dr. Wolfgang Haidinger

Mag. Ingrid Schopf

Österreichische Vereinigung für gewerbli­

chen Rechtsschutz und Urheberrecht

(ÖGRUR)

Dr. Albin Schwarz

Dr. Daniel Alge

Ring der Industrie-Patentingenieure/-Innen

Österreichs, Network IP Austria

Dr. Gerda Redl

Dr. Manuela Loidl

Verein für Konsumenteninformation Mag. Max Reuter

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Vierter Bericht 2015

Umweltbundesamt GmbH Dr. Helmut Gaugitsch

Dr. Michael Eckerstorfer

Ökobüro - Koordinationsstelle österreichi­

scher Umweltorganisationen

N. N.

3.4. Arbeitsweise

Folgende Fragestellungen ergeben sich im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Auftrag

des Biopatent Monitoring Komitee gem. § 166 PatG:

Wie wirken sich biotechnologische Patente auf die Forschung aus?

Stimmt der Vorwurf, dass biotechnologische Patente Forschung behindern?

Haben kleine und mittlere Unternehmen tatsächlich Wettbewerbsnachteile?

Zur Beantwortung der wirtschaftsbezogenen Fragen erschien es für den zweiten Bericht

zweckmäßig, die Perspektive der in der Sache interessenfreien Wirtschaftsforschung ein­

zubeziehen. Daher wurde das WIFO beauftragt, in der österreichischen Biotechcommuni­

ty (Forschungseinrichtungen, Firmen und Fördereinrichtungen) ein Stimmungsbild über

die Auswirkung von Biopatenten einzufangen. Parallel dazu versandte das Komitee Fra­

gebögen an Biotechnologie-Unternehmen, universitäre und außeruniversitäre For­

schungseinrichtungen und Forschungsförderungsstellen.

Im dritten Bericht wurde das WIFO damit beauftragt, eine empirische Studie zu den wirt­

schafts- und forschungspolitischen Implikationen der Umsetzung der Biopatentrichtlinie im

österreichischen Patentgesetz zu erstellen. Anders als bei den vorangegangenen Berich­

ten wurden sowohl das Erhebungsdesign inklusive der Fragebogenerstellung als auch die

Implementierung des Erhebungsdesigns nicht vom Biopatent Monitoring Komitee, son­

dern vom WIFO selbst durchgeführt. Auch die Interpretation der Ergebnisse erfolgte durch

das WIFO und diente dem Komitee als Hintergrundinformation für die Formulierung des

dritten Berichtes. Des Weiteren wurden bei der Betrachtung, ob Forschung behindert wird

oder nicht, eine grundsätzliche Unterscheidung getroffen. Das im österreichischen Recht

implizit formulierte „Forschungsprivileg“1 erlaubt die Forschung an einer patentierten Er­

findung. Für den Bereich der Arzneimittel wurde klargestellt, dass Forschung, die zur Zu­

lassung eines generischen Arzneimittels führen soll, ausdrücklich gebilligt wird. Sehr wohl

1 In Übereinstimmung mit Artikel 30 TRIPS stellt das Forschungsprivileg eine Ausnahme betreffend das dem Patentinhaber

zustehende Ausschließungsrecht dar. Wenngleich nicht rechtlich determiniert, gilt nach herrschender Lehre diese Ausnah­mebestimmung, welche Forschung an, aber nicht mit einer patentierten Erfindung zulässt, auch in Österreich als allgemein anerkannt und bedingt für die Forschung eine diesbezügliche Freistellung von den im § 22a Abs. 1 PatG geregelten Schutzbereich eines Patentes.

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Biopatent Monitoring Komitee

sind dabei jedoch die Schutzrechte von patentierten Forschungswerkzeugen zu beachten

(z.B. diagnostische Testverfahren). Es eröffnete sich jedoch hier kein Phänomen, das die

biotechnologischen Erfindungen alleine betrifft. So z.B. können auch Messinstrumente,

die auf physikalischen Messprinzipien beruhen (Optik oder auch Magnetresonanz), paten­

tiert sein und müssen dann auch für Forschungszwecke zu entsprechenden Preisen an­

geschafft werden, die dem Patentinhaber eine entsprechende Entlohnung seiner Innova­

tionsleistung zusichert.

Da im nunmehr vorliegenden vierten Bericht aufgrund des kurzen Berichtszeitraumes

nicht davon ausgegangen wird, dass sich seit letztem Bericht substantielle Änderungen

ergeben haben, wurde auf die Durchführung einer externen Studie verzichtet. Jedoch wird

für den kommenden Berichtszeitraum die Durchführung einer neuerlichen Studie mit

dementsprechend repräsentativen Werten erneut in Erwägung gezogen.

Bei der Erstellung des vorliegenden vierten Berichts wurden die Inhalte im Komitee be­

sprochen und stetig evaluiert. Im Vorfeld der Erarbeitung des Berichts wurden die Struktur

und der grundsätzliche Inhalt des Berichts diskutiert und beschlossen. In weiterer Folge

floss die Expertise der Mitglieder zu den einzelnen Themengebieten im Hinblick auf den

Berichtszeitraum ein. Nach umfassender Diskussion finalisierte das Komitee den nunmehr

vorliegenden Bericht. Das Komitee trat seit der letzten Berichterstattung zu 7 Sitzungen

zusammen.

4. Die Biotechnologie und ihre Bedeutung für Österreich

Im Laufe der letzten Dekade hat sich Österreich international Ansehen als Life Science

Standort erworben. Die rasante Entwicklung der Lebenswissenschaften, darunter die Bio­

technologie, hat diesen Bereichen weltweit einen unumstrittenen Platz unter den Schlüs­

seltechnologien gesichert, die als geeignet gesehen werden, ihr wissenschaftliches Po­

tenzial in nachhaltigem gesellschaftlichem Zusammenhang und in der Adressierung zu­

künftiger Herausforderungen auch ökonomisch zu entfalten.

Eine Kombination von Tradition und Innovation begründet das Fundament für den Erfolg

der österreichischen Biotechnologieindustrie. Wegen der hohen Qualität österreichischer

Forschung und fundiert ausgebildeter Fachkräfte sowie ausgezeichneter Lebens- und

Arbeitsbedingungen gilt Österreich auch international als attraktiver Standort für die Life

Sciences.

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Vierter Bericht 2015

Biotechnologie ist eine Querschnittsmaterie, die weder durch nationale (ÖNACE) noch

internationale (NACE, ISIC) Klassifikationen der Wirtschaftstätigkeiten exakt abgebildet

werden zu kann2. Daher wurde im Berichtszeitraum im Auftrag des BMWFW eine einge­

hende Unternehmensbefragung der gesamten Life Science Branche3 gemäß den ent­

sprechenden Kriterien der OECD bzw. auf Basis der GMDN durchgeführt4. Die Unter­

nehmensdaten wurden mit Ende 2012 abgefragt. Bezogen auf Biotechnologie beschäfti­

gen 128 Unternehmen in Österreich ca. 15.400 Mitarbeiter, wovon 5.900 mit biotechnolo­

gischen Tätigkeiten im engeren Sinn befasst sind. Der Umsatz dieser Unternehmen be­

trug 2012 ca. 4,1 Mrd. €, was eine Steigerung von rund 60% gegenüber 2006 bedeutet.

Biotechnologie ist eine äußerst forschungsintensive Branche: Alleine jene Unternehmen,

welche de facto ausschließlich biotechnologisch tätig sind, investierten 2012 132 Mio. € in

Forschung und Entwicklung; ein Rückgang gegenüber 2010 ist vor allem dadurch erklär­

bar, dass die stark dynamische Unternehmenslandschaft grundsätzlich reifer wird und der

Fokus sich von der Forschung und Entwicklung zur Produktion und Wertschöpfung ver­

schiebt. Dies wird durch die gestiegenen Umsätze (s.o.) ebenfalls untermauert.

Biotechnologie in Österreich ist trotz aller Erfolge eine noch junge Branche: Im Durch­

schnitt ist dort ein Unternehmen gerade einmal acht Jahre alt. Wie die gesamte österrei­

chische Wirtschaft ist auch hier die Unternehmenslandschaft stark durch Klein- und Mit­

telunternehmen (KMU) geprägt: Etwas mehr als die Hälfte der Unternehmen (53,7%) ha­

ben weniger als 10 Beschäftigte, ein weiterer großer Anteil (37,9%) beschäftigt zwischen

10 und 49 Mitarbeiter. Großunternehmen stellen zwar in ihrer Anzahl die Ausnahme dar,

repräsentieren jedoch bedeutende Umsatz- und Beschäftigungsanteile des Sektors. Der

Frauenanteil in auf Biotechnologie spezialisierten Unternehmen ist mit 56% fast viermal

so hoch wie im Durchschnitt aller forschenden Unternehmen in Österreich.

Biotechnologische Verfahren werden in einer Vielfalt unterschiedlicher Anwendungsfelder

eingesetzt. 72% der einschlägigen Unternehmen sind dabei direkt dem medizinisch-

pharmazeutischen Bereich zuzuordnen, weitere 18% erbringen nicht sektorgebundene

Dienstleistungen, welche aber in Folge auch überwiegend durch den Gesundheitssektor

in Anspruch genommen werden. Schwerpunkte in der Forschung und Entwicklung von

2 So existieren z.B. für zahlreiche Chemikalien unterschiedliche Herstellungswege und -prozesse, welche industriell auch

zum Einsatz kommen. Da statistische Klassifikationen nur das Endprodukt betrachten, kann hier nicht zwischen chemisch-technologischer bzw. biotechnologischer Tätigkeit unterschieden werden.3

Zum Oberbegriff Life Sciences werden hier Gen- und Biotechnologie, Pharmazie und medizinische Technologie/Geräte gezählt.4

Sämtliche Datenquellen dieses Kapitels beruhen auf den Erhebungen zum österreichischen Life Science Report 2013.

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Biopatent Monitoring Komitee

neuen Medikamenten und Wirkstoffen liegen in den Bereichen Onkologie und Infektions­

krankheiten.

Um das an Universitäten und Forschungsinstituten generierte Wissen effizienter kommer­

zialisieren und wirtschaftlich nutzen zu können, wurde 2014 im Rahmen des Förderpro­

grammes "Wissenstransferzentren und IPR-Verwertung" ein thematisches Wissenstrans­

ferzentrum für Life Sciences eingerichtet, das den Aufbau eines virtuellen österreichwei­

ten und umfassenden Infrastruktur- und Kompetenznetzwerks für den Bereich der Medi­

kamenten- und Diagnostikaentwicklung zur Aufgabe hat. Fragen der Erfassung und Ver­

wertung geistigen Eigentums - besonders im Biotechnologiebereich - sind ein zentraler

Arbeitsschwerpunkt des Konsortiums mit 17 Universitäten, Forschungsinstituten und

Technologietransferzentren unter Führung der Universität Wien.

Zunehmende Bedeutung erfährt das Gebiet der industriellen Biotechnologie, die sich mit

technischen Enzymen, neuen Biomaterialien oder der Verbesserung von Produktionspro­

zessen befasst. Auch wenn hier der Anteil der Unternehmen mit ca. 8% eher klein er­

scheint, so täuscht dies, da ein großer Teil der Aktivitäten in Großunternehmen stattfindet,

welche nicht ausschließlich auf Biotechnologie spezialisiert sind.

Patentierung ist ein wesentlicher Faktor in der Biotechnologie-Industrie. In rezenten Publi­

kationen der OECD5 wird Österreichs Position in Bezug auf Patente der Biotechnologie

über dem europäischen Durchschnitt gesehen. In absoluten Zahlen trägt Österreich mit

0,82% zu allen weltweit erteilten Biotech-Patenten im Zeitraum 2010-2012 bei. In einem

ähnlichen Index, der den technologischen Vorteil aufgrund von Biotech-Patenten misst,

hat sich für Österreich im Vergleich zum Zeitraum 2000-2002 eine Steigerung um 45%

ergeben.

5. Der Auftrag des Gesetzgebers

Die Umsetzung der Richtlinie 98/44/EG über den Schutz biotechnologischer Erfindungen

(„Biopatent-Richtlinie“) erfolgte in Österreich mit Wirkung vom 10. Juni 2005 (Biotechnolo­

gie-Richtlinie-Umsetzungsnovelle; BGBl. I Nr. 42/2005 vom 9. Juni 2005). Aufgabe des im

Zuge der Umsetzung der Richtlinie etablierten Biopatent Monitoring Komitees ist die Be­

obachtung und Bewertung der Auswirkungen der Umsetzung der Richtlinie. Bereits im

5 OECD, Key Biotechnology Indicators, 2014; oe.cd/kbi

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Vierter Bericht 2015

ersten – im Mai 2006 veröffentlichten – Bericht des Komitees wurde detailliert dargestellt,

dass das in Umsetzung der Richtlinie novellierte Patentgesetz (a) ein Patentierungsverbot

auf Verfahren zum Klonen von Menschen und zur Veränderung der menschlichen Keim­

bahn enthält, (b) keine Einschränkung der Tierschutzklausel bedingt und (c) ein Viehzüch­

ter- und Landwirteprivileg vorsieht und den Anliegen der Entschließung somit in vollem

Umfang entspricht.

Im vorliegenden vierten Bericht werden nur jene Aufgabengebiete in die Betrachtung ein­

bezogen, für die sich seit Erstellung des letzten Berichts Änderungen ergeben haben.

5.1. Ergebnis der Überprüfung der Auswirkungen der in Umsetzung der

Richtlinie erlassenen österreichischen Rechtsvorschriften auf die in §

166 PatG genannten Dimensionen

Im Berichtszeitraum 01. Jänner 2012 bis 31. Dezember 2014 hat es keine weiteren Um­

setzungsvorschriften gegeben. Zu den im Gesetz genannten Dimensionen führt das Ko­

mitee folgendes aus:

5.1.1. Menschenrechte

Der Erwägungsgrund 26 der Biopatent-Richtlinie schreibt vor, wenn eine Erfindung biolo­

gisches Material menschlichen Ursprungs zum Gegenstand hat oder dabei derartiges

Material verwendet wird, dass bei einer Patentanmeldung die Person, bei der Entnahmen

vorgenommen werden, die Gelegenheit erhalten haben muss, gemäß den innerstaatli­

chen Rechtsvorschriften nach Inkenntnissetzung und freiwillig der Entnahme zuzustim­

men. Dies ist durch das österreichische Rechtssystem sichergestellt.

Dieser Grundsatz der erforderlichen Einwilligung fand auch ausdrücklich Niederschlag in

dem Übereinkommen des Europarates über die Menschenrechte und Biomedizin vom 4.

April 1997, welches von Österreich jedoch bislang weder unterschrieben oder noch ratifi­

ziert worden ist6. Da in der Biopatent-Richtlinie 98/44/EG im Sinne des Übereinkommens

auf die Erforderlichkeit der Einwilligung Bezug genommen wird, regt das Biopatent Moni­

toring Komitee an, die Unterzeichnung und Ratifikation des Übereinkommens erneut zu

prüfen.

Teils parallel zur Umsetzung der Biopatent-Richtlinie, teils zeitlich nachfolgend wurde das

Obsorge- und Sachwalterrecht geändert und das Schutzniveau von nicht-

einwilligungsfähigen Personen im Bereich der medizinischen Forschung noch weiter an­

6 Stand Jänner 2015; http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/ChercheSig.asp?NT=164&CM=&DF=&CL=GER

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Biopatent Monitoring Komitee

gehoben (§§ 216 Abs. 2, 283 Abs. 2 und 284 ABGB). Im Jahr 2013 wurde ein einheitlicher

Rechtsrahmen für Arzneimitteltests an Menschen geschaffen und somit das Schutzniveau

weiter erhöht.

Innerhalb der Europäischen Union besteht auch Übereinstimmung darüber, dass Keim­

bahninterventionen an menschlichen Lebewesen und das reproduktive Klonen von

menschlichen Lebewesen gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten verstoßen.

Daher ist im Artikel 6 Abs. 2 Biopatent-Richtlinie auch festgeschrieben, dass Verfahren

zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn eines menschlichen Lebewe­

sens und Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen unmissverständlich von

der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind. Im österreichischen Patentgesetz entspricht

dies § 2 Abs. 1 PatG.

5.1.2. Ökologische Systeme

Auswirkungen auf ökologische Systeme in Österreich sind durch die Benutzung von,

durch erteilte Patente geschützten biotechnologischen Erfindungen möglich, die unmittel­

bar zur Anwendung in der Umwelt führen (z.B. durch landwirtschaftliche Nutzpflanzen

etc.). Auf Grund der Tatsache, dass im Berichtszeitraum keine solchen Patente erteilt

wurden, ist festzuhalten, dass keine Auswirkungen auf ökologische Systeme festgestellt

werden konnten.

5.1.3. Konsumentenschutz

Es konnten keine negativen Auswirkungen auf den Konsumentenschutz festgestellt wer­

den.

5.1.4. Landwirtschaft

Die Biotechnologie findet wohl in der Züchtung und Futtermitteltechnologie Anwendung.

Für die österreichische Landwirtschaft haben sich jedoch durch die Umsetzung der Biopa­

tent-Richtlinie – soweit erkennbar – keine unmittelbaren Auswirkungen ergeben.

5.1.5. Entwicklungsländer

Der Erwägungsgrund 27 der Biopatent-Richtlinie sieht vor, dass Patentanmeldungen, die

Erfindungen betreffend biologisches Material pflanzlichen oder tierischen Ursprungs zum

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Vierter Bericht 2015

Gegenstand haben oder im Rahmen derer ein solches verwendet wird, Angaben zum

geographischen Herkunftsort des Materials umfassen sollten, falls dieser bekannt ist.

Eine Übernahme dieses Erwägungsgrundes in nationales Recht erfolgte bislang nicht.

Österreich nimmt aktiv an den internationalen Diskussionen zu diesen Fragen der geo­

graphischen Herkunft des biologischen Materials teil.

Diese finden vor allem im Rahmen der Konvention über die biologische Vielfalt (CBD)

statt. So wurde dort anlässlich der 10. Vertragsstaatenkonferenz als Tochterprotokoll zur

CBD das Nagoya Protokoll über den Zugang zu genetischen Ressourcen und den fairen

und gerechten Vorteilsausgleich (access and benefit-sharing, ABS) verabschiedet, wel­

ches mittlerweile von 50 Staaten und der EU im Juli 2014 ratifiziert wurde und auch schon

in Kraft getreten ist.

Weiteres besteht im Rahmen der FAO der International Treaty on Plant Genetic Re­

sources (ITPGR), dem Österreich als Vertragspartei beigetreten ist.

5.2. Ergebnis der Überprüfung der nationalen Erteilungs‐ und Spruch­

praxis

Die folgenden Darstellungen wurden auszugsweise aus den Patentschriften entnommen.

5.2.1. Medizin

Die Indikationsgebiete der in Österreich im Beobachtungszeitraum des vorliegenden Be­

richts (1.1.2012 - 31.12.2014) erteilten Patente im Bereich der Medizin sind mehrheitlich

der Behandlung der Inflammation gewidmet.

Influenzavirenpandemien bedingen nicht nur eine hohe Zahl von Todesfällen, auch un­

ter Jugendlichen, sondern sind bei den Betroffenen auch für mannigfaltige Folgeerkran­

kungen mit Implikationen auf das Herz-Kreislauf-System, die Lunge, das Gehirn und die

Niere verantwortlich. Als häufige, mit einer Influenzavirus-Infektion in Verbindung ge­

brachte Komplikationen werden etwa die Myocarditis, die Meningoencephalitis und allge­

mein Nierenschäden genannt. Bislang am Markt sind sowohl Impfstoffe gegen Influenza-A

und –B Infektionen als auch Hemmstoffe der viralen Neuraminidase. Die Schwierigkeiten,

die mit der Behandlung der Influenza verbunden sind, liegen bei der Impfung bei der ho­

hen Variabilität der Viren, die eine jährliche Anpassung der Impfstoffe an die aktuell zirku­

lierenden Virussubtypen notwendig machen, und bei den Hemmstoffen der Neurami­

nidase darin, dass diese Wirkstoffe die Loslösung von neu replizierten Viruspartikel aus

der Wirtszelle verhindern und somit lediglich in die Vermehrung der Viren eingreifen.

Während Neuraminidasehemmer in der Frühphase der Infektion gut geeignet sind die

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Biopatent Monitoring Komitee

Virusausbreitung einzudämmen, verkürzen sie die Krankheitsdauer einer manifesten In­

fluenzavirus-Infektion nur unwesentlich.

Mit der vorliegenden Erfindung (AT 510585 B1) ist es nun gelungen, die therapeutische

Wirkung derartiger Hemmstoffe der Virusvermehrung deutlich zu erhöhen. Verabreicht

wird der Hemmstoff der viralen Neuraminidase nämlich gemeinsam mit einem Peptid,

dessen bisheriges Einsatzgebiet die Therapie des Lungenödems war. Gegenständlich

bewirkt es jedoch eine deutliche Wirkungssteigerung der Neuraminidasehemmer, womit

nunmehr auch die Behandlung der manifesten Influenzavirus-Infektion möglich erscheint.

Weiteres Indikationsgebiet ist die Behandlung der Hepatitis C. Die derzeitige Stan­

dardtherapie besteht in einer Kombination von Interferon und antiviral wirksamen Nukleo­

tid- und Nukleosidanaloga. Kleinmolekulare, antiviral wirksame Substanzen können diese

Therapie ergänzen. Es wurde nun gefunden (AT 511582 B1), dass mit einem Protein der

Großen Kalifornischen Schlüssellochschnecke („Keyhole-Limpet-Hämocyanin) bzw. des­

sen Spaltprodukten, das/die bislang zur Senkung der Reziditivrate von Harnblasenkarzi­

nomen eingesetzt wurde/wurden, auch die Hepatitis C selbst in einem weit fortgeschritte­

nen Stadium erfolgreich behandelt werden kann.

Auch die Entstehung der bei der Alzheimer Erkrankung beobachteten Ablagerung von

β-Amyloid reichen Plaques im Gehirn wird mit steten entzündlichen Prozessen im Körper

in Verbindung gebracht. Im gegenständlichen Patent (AT 509611 B1) werden Peptide

beschrieben, die eine gegen das β-Amyloid gerichtete Immunantwort auslösen und derart

zur Prävention und Behandlung von Morbus Alzheimer geeignet erscheinen.

Auch die Gluten-Unverträglichkeit ist ein Thema. Der gegenständliche Therapieansatz

(AT 512342 B1) beruht auf der Gabe von Gerbstoffen in Kombination mit einem Antikör­

per, Aptamer und/oder DARpin gerichtet gegen die als Gliadin bezeichneten Weizenprote­

ine, die hauptverantwortlich sind für die Immunreaktion bei der Zölliakie. Der Therapie

liegt somit ein dualer Wirkmechanismus zugrunde. Zum einen wird mit Hilfe der Gerbstof­

fe die gereizte Darmmucosa stabilisiert sowie die Resorption potentiell toxischer Substan­

zen stark reduziert. Zum anderen werden toxische Substanzen vermittels spezifischer

Adduktoren gebunden und damit dem physiologischen Aufnahmeprozess entzogen. Der­

art ist es möglich Gluten-bedingte Unverträglichkeiten zu verhindern, zu reduzieren oder

zu lindern.

Im Bereich der Labordiagnostik wurde ein Verfahren patentiert (AT 508890 B1), welches

es erlaubt, nicht-menschliche Säugetiere mit erweiterten mentalen Fähigkeiten zu identifi­

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Vierter Bericht 2015

zieren, damit diese dann bei Lern- und Gedächtnisversuchen verwendet werden können.

Das Selektionsverfahren basiert auf der Bestimmung bestimmter, im Hippocampus vorlie­

gender Polypeptide, die mit Lern- und Gedächtnisprozessen in Verbindung gebracht wer­

den und dem Vergleich der dabei gewonnenen Werte mit Laborwerten, die einem Tier

gleicher Art entstammen, welches jedoch zuvor einem Lern- und/oder Gedächtnisversuch

unterzogen worden war.

5.2.2. Biotechnologische Verfahrenstechnik

N-Acetylneuraminsäure (NeuNAc) gilt als Ausgangsstoff für die Herstellung von Neura­

minidase-Inhibitoren, die zur Behandlung von viralen Infektionen, u.a. der Influenza, ein­

gesetzt werden. Bislang wurde diese u.a. in genetisch modifizierten Hefezellen herstellt.

Nachteil dieser Verfahren ist zum einen, dass der Ausgangsstoff das relativ teure N-

Acetylglucosamin ist, und zum anderen, dass die Umsetzung mit der Benztraubensäure

eine Gleichgewichtsreaktion darstellt, wo es eines Überschusses an Pyruvat bedarf, um

das Gleichgewicht Richtung N-Acetylneuraminsäure zu verschieben.

Mit dem nun vorliegenden Verfahren (AT 510299 B1) ist es gelungen, N-

Acetylneuraminsäure in genetisch modifizierten Pilzzellen der Gattung Trichoderma her­

zustellen. Der Pilz Trichoderma ist von Natur aus in der Lage Chitin zu N-

Acetylglucosamin abzubauen, womit sich die externe Bereitstellung des N-

Acetylglucosamins im Kulturmedium erübrigt. Die genetische Modifikation des Pilzes er­

laubt es nun, dass das derart hergestellte N-Acetylglucosamin zu N-Acetyl-D-

Mannosamin epimerisiert, welches dann in einem weiteren Schritt zu N-

Acetylneuraminsäure umgesetzt wird.

Den Redox-Cofaktoren NAD+/NADH und NADP+/NADPH kommt in der Synthesechemie

erhebliche Bedeutung zu. Unter Verwendung dieser Cofaktoren ist es möglich, Oxida­

tions- und Reduktionsreaktionen am selben Substrat im „Eintopfverfahren“, d.h. ohne zwi­

schenzeitliche Aufarbeitung der entstehenden Zwischenprodukte, ablaufen zu lassen.

Dies erleichtert die Synthese vieler Verbindungen nicht nur, sondern verbilligt diese auch

erheblich. Beispielsweise kann mittels NADPH Glucose zu Sorbitol reduziert werden, wel­

ches ohne Aufarbeitung des Syntheseansatzes in einem weiteren Schritt mittels NAD+ zu

Fructose oxidiert werden. Ähnliches gilt auch für die Umsetzung des Dehydroepiandroste­

ron in Testosteron. Fructose wie auch Testosteron wird vielfach benötigt.

Die Erfindung (AT 513721 B1) betrifft nun ein Regenerationsverfahren für die Redox-

Cofaktoren NAD+/NADH und NADP+/NADPH, im Rahmen dessen der eine Cofaktor oxi­

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Biopatent Monitoring Komitee

diert und – zeitgleich – der andere reduziert wird. Möglich wird dies durch enzymkataly­

sierte Umsetzung des reduzierten Cofaktors mit einer 2-Oxosäure, beispielsweise der

Brenztraubensäure, die durch Oxidation des reduzierten Cofaktors zu Milchsäure redu­

ziert wird. Die zeitgleiche Reduktion des oxidierten Cofaktors kann beispielsweise mit 2­

Propanol in Anwesenheit der Alkoholdehydrogenase bewerkstelligt werden.

Ein Beispiel für die „graue Gentechnologie“ ist die Verarbeitung von organischem Substrat

mit einem Biogas-Fermenter zur Erzeugung von Biogas. Ausgegangen wird bei diesem

Verfahren (AT 508614 B1) von pflanzlichen Abfällen wie etwa Grünschnitt, der in einem

Fermenter einer anaeroben Gärung unterzogen wird. Produkt der Umsetzung ist Biogas,

das neben Spuren anderer Gase hauptsächlich Methan (50-75%) und Kohlendioxid (25­

50%) enthält. Zwar gehören ähnliche Verfahren schon zum Stand der Technik; das ge­

genständliche unterscheidet sich jedoch von den vorbekannten dadurch, dass die Anlage

direkt mit einer Dieselerzeugungseinheit verbunden ist, womit der Wirkungsgrad bei der

Nutzung des organischen Substrats deutlich erhöht wird.

Photokatalytischen Prozessen, insbesondere jenen für die Zucht und Produktion oder

Hydrokultivierung von phototrophen Mikroorganismen, haftet bislang der Nachteil an,

dass das Kulturmedium entweder durch den Bioreaktor gepumpt oder mäanderförmig

durch die waagrecht angeordneten Stegplatten nach unten geleitet wird. Bedingt durch zu

hohen Druck, Unterdruck, zu starker Beschleunigung oder Quetschung fallen die photo­

synthetischen Fähigkeiten der meisten phototrophen Mikroorganismen erheblich ab, da

Zellen zerstört oder zumindest geschädigt werden.

Unter Ausnützung des hydrostatischen Paradoxons, auch Pascalsches Paradoxons ge­

nannt, ist es nun möglich, den Zellen diesen Stress zu ersparen (AT 506373 B1, AT

507989 B1). Dieses besagt, dass der Schweredruck, den eine Flüssigkeit in einem Gefäß

auf den Boden des Gefäßes bewirkt, zwar abhängig von der Füllhöhe der Flüssigkeit ist,

aber nicht von der Form des Gefäßes und damit der Flüssigkeitsmenge. Bedient man sich

nun des hydrostatischen Kräfteausgleichs, kann ein Kulturmedium mäanderförmig min­

destens einmal von oben nach unten, in Richtung Schwerkraft, und von unten nach oben,

gegen die Richtung der Schwerkraft geleitet werden, ohne dass dieses einem übermäßi­

gen Stress ausgesetzt wird. Mit einer Erhöhung der qualitativen und vor allem quantitati­

ven Ausbeute an photosynthetisch erzeugten Produkten ist zu rechnen.

Baumaterialien, aber auch Materialien für tägliche Konsumgüter wie Verpackungsmate­

rial, die sich durch hohe Umweltverträglichkeit auszeichnen und insbesondere durch öko­

logische Verfahren gewonnen werden können, stehen hoch im Kurs. Gegenständlich pa­

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Vierter Bericht 2015

tentiert (AT 513162 B1) wurden Werkstoffe, die unter Beimengung von Glykokalyx bzw.

Fragmenten selbiger zu Baustoffen, aber auch zu Holzmehl hergestellt wurden.

Unter einer Glykokalyx wird die Schleimhülle zahlreicher pro- wie auch eukaryontischer

Zellen verstanden. Wird/Werden Glykokalyx(fragmente) üblichen Baustoffen wie Sand,

aber auch Holzmehl beigemengt, werden Materialien mit hohen Bindungseigenschaften

erhalten; die Glykokalyx bildet dabei den Kittstoff. Erwärmt man diese Materialien und

setzt sie gleichzeitig einem Unterdruck aus, werden geschäumte (poröse) Produkte erhal­

ten, die etwa als Bauplatten, aber auch in Verbundmaterialien Verwendung finden kön­

nen. Die Härte derartiger Produkte entspricht durchwegs jener des Betons.

Zelldifferenzierung ist allgemein ein Vorgang, bei dem eine weniger spezialisierte Zelle

in einen spezialisierteren Zelltyp übergeht. Zelldifferenzierung ist jedoch nicht nur für die

Entwicklung eines Fötus ausschlaggebend, sondern auch bei Erwachsenen ein gängiger

Prozess, beispielsweise indem sich Stammzellen teilen und vollständig differenzierte

Tochterzellen bilden, u.a. bei der Reparatur von geschädigtem Gewebe. Die Auslösung

der Differenzierung von Zellen erfolgt durch den Einfluss verschiedener Faktoren, die oft

an Rezeptoren an der Zelloberfläche binden.

Seit längerem wurde versucht, die Differenzierung bestimmter Zellen zu beeinflussen, z.B.

gezielt auszulösen oder ihren Verlauf zu steuern. So wurde etwa herausgefunden (AT

510456 B1, AT 511441 B1), dass Verbindungen der Thiazolamin-Reihe die Differenzie­

rung von Stammzellen zu neuronalen Zellen fördert, Triazin-Derivate hingegen in der La­

ge sind, die Differenzierung von Stammzellen zu Herzmuskelzellen voranzutreiben, was

insofern von besonderem Interesse ist, als das Herz eines der wenigen Organe ist, das

kaum Regenerationsfähigkeiten besitzt.

5.2.3. Biotechnologische Nachweisverfahren

Erwinia amylovora ist als Erreger des Feuerbrands bei Obstbauern gefürchtet, da der

Befall von deren Kulturen zu verheerenden Schäden am Baumbestand und folglich zu

hohen wirtschaftlichen Verlusten führt. Für die regionale Abschätzung des Feuerbrand-

Infektionsrisikos sind Berechnungsmodelle am Markt, die auf Basis der lokalen Tempera­

tur- und Feuchtigkeitswerte in Form von kritischen Schwellenwerten und Zeitsummen

während der Blüte arbeiten. Auch wird der Infektionsstatus oft aus der Feuerbrandsituati­

on des Vorjahres abgeleitet, was die Situation recht ungenau wiedergibt.

Soll der aktuelle und lokale Infektionsstatus während der Blüte bestimmt werden, stößt

man jedoch auf das Problem, dass der Zelltiter in den Blüten während der frühen Infekti­19

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Biopatent Monitoring Komitee

onsphase sehr niedrig ist; der Test folglich entsprechend sensitiv sein muss. Gleichzeitig

bedingt die kurze Blütezeit einen sehr engen Zeitrahmen für die Tests, der es nicht er­

laubt, Proben an Labore zu versenden und nach Ergebniserhalt auch noch genug Zeit für

die Ergreifung von Gegenmaßnahmen zu haben.

Bedarf besteht also an einem schnellen und sensitiven Test auf Erwinia amylovora, der im

Idealfall vor Ort durchgeführt werden kann. Die Kultivierung des Pathogens kommt aus

Zeitgründen nicht in Frage, weshalb auf eine Nukleinsäure-Amplifikationsmethode zu­

rückzugreifen ist. Hierbei hat sich die LAMP (=“loop-mediated isothermal amplification of

DNA“) Methode, die DNA mit hoher Effizienz und Spezifität amplifiziert und bloß einer

konstanten Temperaturführung bedarf, bewährt. Der positive Nachweis (AT 510418 B1)

wird durch einen Magnesiumpyrophosphat-Niederschlag geführt, der mit freiem Auge er­

kennbar ist. Weitere analytische Maßnahmen erübrigen sich dadurch, wodurch auch das

mit der Manipulation der amplifizierten DNA einhergehende Kontaminierungsrisiko klein

gehalten wird.

Der Nachweis von Mikroorganismen und deren Identifikation ist nicht zuletzt bei Bestim­

mung des Verderbs von Lebensmitteln von essentieller Bedeutung. Zwar gibt es schon

bislang zahlreiche Nachweissysteme am Markt, diesen gemein ist jedoch eine gewisse

Reaktionsträgheit und eine geringe Nachweisempfindlichkeit. Alternativ dazu können An­

tikörper zum Pathogennachweis verwendet werden; diese Methoden haben jedoch den

Nachteil, dass ihre Anwendung mit hohen Kosten verbunden ist und auch das Vorliegen

analytischer Gerätschaften voraussetzt.

Mit der vorliegenden Testanordnung (AT 509355 B1) wurde nun eine weitere Alternative

geschaffen, die gleichermaßen robust und sensitiv ist. Sie ermöglicht die Detektion von in

der Probe vorliegenden Substanzen, insbesondere Enzymen, die beispielswiese von Mik­

roorganismen sekretiert werden. Dabei durchdringt ein von einem kontaminierenden Bak­

terium oder Pilz sekretiertes Enzym die schützende, semipermeable Membran, baut eine

auf einem Trägermaterial aufgebrachte Matrix, die beispielsweise aus einem Polysaccha­

rid und einem Enzym besteht, ab bzw. modifiziert diese und leitet somit die Freisetzung

des im Polysaccharid festgesetzten Enzyms ein. Der Abbau/die Modifikation des Poly­

mers bedingt eine erhöhte Mobilität des Enzyms innerhalb der Matrix, was diesem wiede­

rum ermöglicht, ein mit der Trägermatrix verbundenes farberzeugendes Substrat umzu­

setzen. Zusammenfassend kann somit gesagt werden, dass ein dem kontaminierenden

Bakterium oder Pilz eigenes Enzym eine Verstärkungsreaktion in Gang setzt, welche die

Detektion einer mikrobiellen Kontamination erst ermöglicht.

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Vierter Bericht 2015

Als weiteres Nachweisverfahren (AT 509276 B1) wurde eine Detektionsmethode für

Chlamydien oder Gonokokken patentiert, die beim Menschen zu Urogenitalinfektionen,

Augeninfektionen und atypischen Pneumonien, meist chronischer Genese, führen. Das

wohl sensitivste und exakteste Verfahren zur Bestimmung von Mikroorganismen ist die

Polymerasekettenreaktion, mit dem bereits geringste Mengen an Mikroorganismen spezi­

fisch detektiert werden können. Derartige Verfahren benötigen jedoch aufwendige Appa­

raturen, die ausschließlich von fachkundigen Personen bedient werden können.

Als Alternative zur Bestimmung von Mikroorganismen bieten sich Antikörper-gestützte

Verfahren an, deren Sensitivität geringer ist als die vorbeschriebene molekularbiologische

Methode, in deren Handhabung jedoch einfacher und schneller durchzuführen ist. Um den

Gebrauch von Antikörpern zur Bestimmung von Mikroorganismen auch ungeschulten

Personen zu ermöglichen, wurden u.a. Teststreifen entwickelt.

Der Nachweis von Chlamydien oder Gonokokken macht es erforderlich, dass die Probe

selbst bei Verwendung von Teststreifen einer Probenvorbereitung, z.B. einer Lyse unter­

zogen wird, was bedingt, dass der pH-Wert der Probe für eine anschließende Bestim­

mung entweder zu sauer oder zu basisch ist und der Test nicht-reproduzierbare Ergeb­

nisse liefert. Dieser Umstand macht wiederum eine Neutralisation der (lysierten) Probe

durch einen Puffer notwendig, womit die Probe weiter verdünnt wird und die Sensitivität

des Tests signifikant abnimmt.

Wird nun zur Abpufferung der (vorbehandelten) flüssigen Probe ein Puffer in getrockne­

tem Zustand verwendet, gelingt es den vorbeschriebenen Verdünnungseffekt im Aufga­

benbereich zu vermeiden, womit sich die unverdünnte, aber neutralisierte Probe infolge

der Kapillarwirkung des Mediums in Richtung des Nachweisbereichs bewegen kann und

dort auf selektive Weise detektiert wird.

5.2.4. Nationale Spruchpraxis

Eine nationale Spruchpraxis hat sich noch nicht entwickelt.

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Biopatent Monitoring Komitee

6. Aktivtäten der EU

6.1. Monitoring der Biotechnologie-Richtlinie

Die EU-Kommission (die „Kommission“) ist – gemäß Art. 16 der Biotechnologie-Richtlinie

– verpflichtet, dem Europäischen Parlament und dem Rat verschiedene Berichte vorzule­

gen, nämlich:

a) alle fünf Jahre (nach dem 30. Juli 2000) einen Bericht zur Frage, ob durch diese Richt­

linie im Hinblick auf internationale Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte, de­

nen die Mitgliedstaaten beigetreten sind, Probleme entstanden sind („Art. 16a-Bericht“);

b) innerhalb von zwei Jahren (nach dem 30. Juli 2000) einen Bericht, in dem die Auswir­

kungen des Unterbleibens oder der Verzögerung von Veröffentlichungen, deren Gegen­

stand patentierfähig sein könnte, auf die gentechnologische Grundlagenforschung evalu­

iert werden („Art. 16b-Bericht“); und

c) jährlich (nach dem 30. Juli 2000) einen Bericht über die Entwicklung und die Aus­

wirkungen des Patentrechts im Bereich der Bio- und Gentechnologie („Art. 16c-Bericht“).

In der Tat wurde bislang von der Kommission ein Bericht zu Art. 16b (vom 14. Jänner

20027) und zwei Art. 16c-Berichte (vom 17. Oktober 20028 und vom 14. Juli 20059) vorge­

legt. Da sich in der Zwischenzeit maßgebliche wissenschaftliche Änderungen ereignet

haben und Grundsatzentscheidungen des EuGH und der Großen Beschwerdekammer

des EPA zu Bestimmungen der Biotechnologie-Richtlinie getroffen worden sind, sah sich

die Kommission daher veranlasst, eine Expertengruppe einzusetzen, die sich mit der

Entwicklung und Auswirkung des Patentrechts im Bereich der Biotechnologie und der

Gentechnik befassen soll10. Die Sachverständigen sollen aus den Bereichen Rechtspraxis

und Verwaltung auf dem Gebiet des geistigen Eigentums, öffentliche und industrielle For­

schung und Entwicklung, Biowissenschaften einschließlich Pflanzen- und Tierzucht sowie

Biotechnologie kommen. Die Gruppe soll die Kommission bei der Erstellung eines 16c­

Berichts unterstützen, jedoch keine ethischen Fragen im Zusammenhang mit der Biotech­

nologie-Richtlinie behandeln, da sich mit diesen Fragen die Europäische Gruppe für Ethik

der Naturwissenschaften und neuen Technologien befasse. Nichtsdestotrotz ist das Man­

dat der Sachverständigen-Gruppe bewusst breiter definiert worden als in Art. 16c. Sie soll

die Kommission mit der notwendigen rechtlichen und technischen Expertise hinsichtlich

7 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52002DC0002&from=DE 8 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52002DC0545&from=DE 9 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52005DC0312&from=DE 10 Beschluss der Kommission vom 7. November 2012; http://ec.europa.eu/internal_market/indprop/docs/invent/dec_121107_biotechinventexpertgroup_de.pdf

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Vierter Bericht 2015

IP-Gesetzespraxis, IP-Gesetzesverwaltung, öffentlicher und privater Forschung und Ent­

wicklung, Life-Sciences, einschließlich Pflanzen- und Tierzucht, sowie Biotechnologie im

Kontext der Anwendung der Biotechnologie-Richtlinie ausstatten. Die Sachverständigen-

Gruppe soll dabei in ihrer Themenwahl möglichst frei sein und sich mit denjenigen The­

men befassen, die in Anbetracht der wissenschaftlichen und rechtlichen Entwicklungen

am bemerkenswertesten sind, einschließlich der möglichen Folgen und Konsequenzen für

das Patentwesen, sei es aus rechtlicher, politischer, ökonomischer oder technischer Sicht.

Die Kommission hat der Sachverständigen-Gruppe zwei Themen vorgegeben, die nach

ihrer Ansicht derzeit von besonderer Relevanz sind, nämlich (1) die Patentierbarkeit hu­

maner embryonaler Stammzellen und (2) die Patentierbarkeit von Pflanzenprodukten, die

aus im Wesentlichen biologischen Verfahren abgeleitet werden.

Die Sachverständigen wurden im Zuge eines Calls ausgewählt bzw. von Interessen­

gruppen benannt. Auch das EPA (1 Mitglied) und die Kommission (bis zu 8 Mitglieder)

nehmen an den Diskussionen der Sachverständigen-Gruppe teil. Die Bestellung der 15

Mitglieder erfolgte am 5. Dezember 201311.

Bislang gab es 5 Sitzungen der Sachverständigen-Gruppe, nämlich am 12. Dezember

2013 und am 4. Februar, 24. März, 22. Mai und 3. Juli 2014. Bemerkenswert hierbei ist,

dass es – wie aus den Sitzungsprotokollen12 ersichtlich – in diesen ersten Treffen offen­

sichtlich hauptsächlich um formale Punkte ging, wie die Bestellung (weiterer) „ad-hoc-

Experten“ für verschiedene Sachfragen, die Annahme der Tagesordnung(en), die Verfah­

rensordnung für die Sachverständigen-Gruppe, Zweifel an der Unabhängigkeit von Mit­

gliedern der Gruppe, Geheimhaltung von bestimmten Dokumenten der Gruppe, Diskussi­

on der vorgesehenen Arbeitsmethoden und -abläufe in der Gruppe sowie in den Sub-

Gruppen, die sich mit spezifischen Themen befassen sollen, etc..

Bereits in der dritten Sitzung wurden zwei Sub-Gruppen gebildet, die sich mit den zwei

von der Kommission vorgegebenen Themen befassen sollen. Weitere Fragen, die nach

Ansicht der Sachverständigen-Gruppe in diesem Gremium behandelt werden sollten, wa­

ren (3) die „vorhergehende informierte Zustimmung“ (etwa bei der Entnahme von Zellen

aus einem Patienten, die im Anschluss an die Entnahme der weiteren Forschung dienen

sollen), (4) „Pflanzensorten im Verhältnis zu Art. 53b EPÜ“ und (5) „Angabe der Herkunft

genetischer Ressourcen“. Die Fragen (3) bis (5) wurden allerdings noch nicht näher be­

handelt und auch keine Sub-Gruppen hierfür gebildet.

11 http://ec.europa.eu/transparency/regexpert/index.cfm?do=groupDetail.groupDetail&groupID=2973&Lang=DE 12 http://ec.europa.eu/internal_market/indprop/invent/index_de.htm#maincontentSec1

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Biopatent Monitoring Komitee

In den Sub-Gruppen zu den Themen (1) und (2) wurden bislang keine Ergebnisse berich­

tet. Aus den Berichten der bisherigen Sitzungen ergibt sich auch eine weitere, für den 16.

September 2014 geplant gewesene Sitzung, zu der es bislang weder eine Tagesordnung

noch einen Bericht gibt, so dass nicht sicher ist, ob diese überhaupt stattgefunden hat.

Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, dass von den gemäß der Biotechno­

logie-Richtlinie jährlich geforderten 16c-Berichten lediglich zwei von der Kommission her­

ausgegeben wurden (anstelle der gesetzlich geplanten 14), nur ein 16b-Bericht und kein

16a-Bericht (anstelle der gesetzlich geplanten 2).

6.2. Arzneimittelzugang für bedürftige Länder

Mit der Verordnung (EC) Nr. 816/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom

17. Mai 2006 wurde in der EU eine Zwangslizenzierung von Patenten betreffend die Her­

stellung von pharmazeutischen Erzeugnissen für die Ausfuhr in Länder mit Problemen mit

der öffentlichen Gesundheit ermöglicht. Die Verordnung bezweckt die Umsetzung eines

Beschlusses der Welthandelsorganisation (WTO), um bedürftigen Ländern einen verbes­

serten Zugang zu erschwinglicheren Arzneimitteln zu verschaffen.

Die Verordnung Nr. 816/2006 gilt auch für Patente auf biotechnologische Arzneimittel.

Mit der Verordnung wurde ein System eingeführt, das dem Beschluss des Allgemeinen

Rates der WTO vom August 2003 entspricht. Unternehmen können damit in der EU eine

Lizenz für die Herstellung von Arzneimitteln beantragen, die für die Ausfuhr in Länder mit

Problemen im Bereich der öffentlichen Gesundheit bestimmt sind, ohne dass die Zustim­

mung des Patentinhabers erforderlich ist. Es gibt keine produktspezifischen Beschrän­

kungen hinsichtlich der Arzneimittel, wenngleich Einvernehmen darüber herrscht, dass sie

ganz im Sinne des Beschlusses zur Bekämpfung von Problemen im Bereich der öffentli­

chen Gesundheit eingesetzt werden müssen.

Die Verordnung ermöglichte es, das im Beschluss der WTO vorgesehene Verfahren für

die Vergabe von Zwangslizenzen in das Patentrecht der Mitgliedstaaten und ihre Verfah­

ren für Zwangslizenzen zu integrieren. Damit wurden klare und transparente Bedingungen

für auf dem Binnenmarkt tätige Unternehmen geschaffen, die eine Zwangslizenz für die

Ausfuhr in bedürftige Länder beantragen möchten.

Sofern bedürftige Länder ihren Bedarf an Arzneimitteln bei der WTO anmelden, haben

Generikahersteller die Möglichkeit, eine Herstellungslizenz zu beantragen. Sobald die

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Vierter Bericht 2015

Ausfuhr erfolgt, haben alle Parteien ein Interesse daran, dass die Arzneimittel auch tat­

sächlich dort ankommen, wo sie benötigt werden. Die Verordnung verbietet die Wieder­

einfuhr in die EU und versetzt die Zollbehörden in die Lage, gegen die Wiedereinfuhr der

Arzneimittel vorzugehen. Der Patentinhaber kann sich auf die bestehenden nationalen

Verfahren zur Durchsetzung seiner Rechte stützen, falls die Arzneimittel wieder in die EU

eingeführt werden; außerdem kann die Lizenz entzogen werden.

Darüber hinaus sieht die Verordnung die Möglichkeit vor, Nichtregierungsorganisationen

und internationale Organisationen in die Verfahren einzubeziehen, indem sie Kaufanträge

im Namen eines Einfuhrlandes stellen können, soweit das Land dem zustimmt. Die Si­

cherheit und Wirksamkeit von für den Export bestimmten Arzneimitteln kann durch das

wissenschaftliche Begutachtungsverfahren der EU oder gleichwertige nationale Verfahren

bestätigt werden. Die EU war der Ansicht, dass dies eine notwenige Ergänzung des Li­

zenzverfahrens ist, die den einführenden Ländern zugutekommt.

Die Verordnung Nr. 816/2006 ist seit 29. Juni 2006 in Kraft und hat – als EU-Verordnung

– daher seit diesem Datum auch Wirksamkeit in Österreich.

6.3. Die „Roche-Bolar-Regelung“ in der EU

Die so genannte "Roche-Bolar-Regelung" ermöglicht Arzneimittelherstellern, bereits wäh­

rend der Patentlaufzeit eines Medikaments Studien und Versuche durchzuführen, um ein

Generikum bis zur Zulassungsreife zu entwickeln. Diese Regelung wurde in der EU auf

Basis einer Änderung der Richtlinie 2001/83/EG13 (Gemeinschaftskodex für Humanarz­

neimittel) eingeführt (Richtlinie 2004/27/EG vom 31. März 200414) und in Österreich mit

der Patentgesetznovelle 2005 (BGBl. I Nr. 130/2005) in § 22 (1) PatG eingeführt („Die

Wirkung des Patentes erstreckt sich nicht auf Studien und Versuche sowie die sich dar­

aus ergebenden praktischen Anforderungen, soweit sie für die Erlangung einer arzneimit­

telrechtlichen Genehmigung, Zulassung oder Registrierung für das Inverkehrbringen er­

forderlich sind“).

Die EU-Richtlinie hat es den Mitgliedsstaaten offen gelassen, ob diese Regelung nur für

Generika und sog. „Äquivalente Biotechnologische Arzneimittel“ oder „Bioähnliche Pro­

dukte“ (engl. „Biosimilars“) anwendbar sein soll oder ob sie auch für neue Pharmazeutika

(engl. „Originals“) gelten soll. Österreich hat sich dabei - wie z.B. Deutschland oder Frank­

13 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32001L0083&qid=1420618680172&from=EN 14 http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32004L0027&qid=1420618596150&from=EN

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Biopatent Monitoring Komitee

reich - für die breite Auslegung entschieden und die Ausnahmeregelung auch auf Origi­

nal-Medikamente sowie biologische Arzneimittel ausgedehnt. Andere Länder wie das

Vereinigte Königreich oder die Niederlande haben demgegenüber nur die in der EU-

Richtlinie vorgeschriebene Minimalversion umgesetzt.

7. Rechtspanorama

7.1. Europäischer Gerichtshof

Dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) obliegt nach Art. 267 des Vertrags über die Ar­

beitsweise der EU (AEUV) u.a. die Entscheidung über die Auslegung dieses Vertrags, um

eine EU-weit einheitliche Auslegung des Vertrags sicherzustellen.

Jedes Gericht eines Mitgliedstaats kann, wenn ihm (im Laufe eines Verfahrens) eine Fra­

ge über die Auslegung des AEUV gestellt wird und das Gericht eine Entscheidung dar­

über zum Erlass seines Urteils für erforderlich hält, diese Frage dem EuGH zur Entschei­

dung vorlegen. Gerichte der Mitgliedstaaten, deren Entscheidungen selbst nicht mehr mit

Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, sind in diesen

Fällen zur Anrufung des EuGH sogar verpflichtet.

Über die in der Vergangenheit vom EuGH getroffenen Urteile mit Relevanz zur Biotechno­

logie-Richtlinie, C-428/08 vom 6. Juli 2010 – Monsanto Technology LLC gg. Cefetra BV

(„Monsanto/Sojamehl“)15 und C-34/10 vom 18. Oktober 2011 – Oliver Brüstle gg. Green­

peace e.V. („Brüstle/Stammzellen“)16, wurde im Bericht des Biopatent Monitoring Komi­

tees für die Jahre 2009 bis 2012 ausführlich referiert.

Im Monsanto/Sojamehl-Urteil stellte der EuGH fest, dass Art. 9 der Biotechnologie-

Richtlinie den dort vorgesehenen Schutz davon abhängig macht, dass die genetische

Information, die in dem patentierten Erzeugnis enthalten ist oder dieses darstellt, ihre

Funktion in dem „Material, … in dem“ diese Information enthalten ist, „erfüllt“ (also noch

prinzipiell funktionell ist), wobei besonders auf die Präsens-Form hingewiesen wird.

Dem Brüstle/Stammzellen-Urteil wurde vom EuGH eine sehr breite Definition des Begriffs

„menschlicher Embryo“ zugrunde gelegt. So soll jede menschliche Eizelle vom Stadium

15 http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=80491&pageIndex=0&doclang=DE&mode=doc&dir=&occ=f irst&part=1&cid=481138 16 http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=111402&pageIndex=0&doclang=de&mode=doc&dir=&occ= first&part=1&cid=481373

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Vierter Bericht 2015

ihrer Befruchtung an, jede unbefruchtete menschliche Eizelle, in die ein Zellkern aus einer

ausgereiften menschlichen Zelle transplantiert worden ist, und jede unbefruchtete

menschliche Eizelle, die durch Parthenogenese zur Teilung und Weiterentwicklung ange­

regt worden ist, als ein „menschlicher Embryo“ im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der

Biotechnologie-Richtlinie angesehen werden. Der EuGH hat auch festgestellt, dass sich

der Ausschluss von der Patentierung nach Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Biotechnologie-

Richtlinie, der die Verwendung menschlicher Embryonen zu industriellen oder kommerzi­

ellen Zwecken betrifft, auch auf die Verwendung zu Zwecken der wissenschaftlichen For­

schung beziehe, und nur die Verwendung zu therapeutischen oder diagnostischen Zwe­

cken, die auf den menschlichen Embryo zu dessen Nutzen anwendbar ist, könne Gegen­

stand eines Patents sein. Schließlich ist nach Ansicht des EuGH auch eine Erfindung von

der Patentierung ausgeschlossen, wenn die technische Lehre, die Gegenstand des Pa­

tentantrags ist, die vorhergehende Zerstörung menschlicher Embryonen oder deren Ver­

wendung als Ausgangsmaterial erfordert, in welchem Stadium auch immer die Zerstörung

oder die betreffende Verwendung erfolgt, selbst wenn in der Beschreibung der bean­

spruchten technischen Lehre die Verwendung menschlicher Embryonen nicht erwähnt

wird.

Da die Brüstle/Stammzellen-Entscheidung Gegenstand zahlreicher Kommentare und Stel­

lungnahmen war und auch rechtlich einige Fragen offen geblieben waren, kam es im Jahr

2013 zu einer erneuten EuGH-Vorlage zu dieser Bestimmung der Biotechnologie-

Richtlinie (in der Rechtssache International Stem Cell Corporation/Comptroller General of

Patents; „ISCO/Stammzellen“; EuGH-Rechtssache C-364/13).

ISCO hatte beim UK Intellectual Property Office (dem Amt für geistiges Eigentum des

Vereinigten Königreichs) zwei Anmeldungen nationaler Patente eingereicht

(GB0621068.6 mit der Überschrift „Parthenogenetische Aktivierung von Oozyten zur Her­

stellung menschlicher embryonaler Stammzellen“ beansprucht Methoden zur Herstellung

von Linien pluripotenter menschlicher Stammzellen aus parthenogenetisch aktivierten

Oozyten und Stammzelllinien, die nach den beanspruchten Methoden hergestellt werden;

GB0621069.4 mit der Überschrift „Synthetische Kornea aus retinalen Stammzellen“ bean­

sprucht Methoden zur Herstellung von synthetischer Hornhaut oder synthetischem Horn­

hautgewebe unter Isolierung pluripotenter Stammzellen aus parthenogenetisch aktivierten

Oozyten sowie Product-by-Process-Ansprüche bezüglich unter Verwendung dieser Me­

thoden hergestellter synthetischer Hornhaut oder synthetischen Hornhautgewebes). Die

Anmeldungen wurden zurückgewiesen, weil die in den Anmeldungen beschriebenen Er­

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Biopatent Monitoring Komitee

findungen unbefruchtete menschliche Eizellen beträfen, die parthenogenetisch zur Tei­

lung und Weiterentwicklung angeregt worden seien, und dass diese Eizellen im Sinne des

Brüstle/Stammzellen-Urteils „geeignet [sind], wie der durch Befruchtung einer Eizelle ent­

standene Embryo den Prozess der Entwicklung eines Menschen in Gang zu setzen“. Die

Erfindungen seien daher im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Biotechnologie-

Richtlinie von der Patentierbarkeit ausgeschlossen.

ISCO hat gegen diese Entscheidung des Hearings Officer Klage beim High Court of Jus­

tice (England & Wales), Chancery Division (Patents Court), erhoben. Im Rahmen dieser

Klage hat ISCO geltend gemacht, im Brüstle/Stammzellen-Urteil habe der EuGH lediglich

Organismen, die geeignet seien, den zur Entstehung eines Menschen führenden Entwick­

lungsprozess in Gang zu setzen, von der Patentierbarkeit ausschließen wollen. Die den

Gegenstand der Anmeldungen bildenden Organismen könnten jedoch keinen solchen

Entwicklungsprozess durchlaufen. Folglich müssten sie auf der Grundlage der Richtlinie

98/44 patentierbar sein. Dagegen führte der Comptroller des Patentamtes aus, dass ent­

scheidend sei, was der Gerichtshof im Urteil Brüstle/Stammzellen unter dem Begriff „Or­

ganismus, der geeignet ist, wie der durch Befruchtung einer Eizelle entstandene Embryo

den Prozess der Entwicklung eines Menschen in Gang zu setzen“ verstanden habe. Mög­

licherweise hätten die in dieser Rechtssache beim EuGH eingereichten schriftlichen Erklä­

rungen den wissenschaftlichen und technischen Hintergrund der Parthenogenese unge­

nau dargestellt. Daher hat der High Court of Justice (England & Wales), Chancery Divisi­

on (Patents Court), beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH die Klärung

der Frage:

„Sind unbefruchtete menschliche Eizellen, die im Wege der Parthenogenese zur Teilung

und Weiterentwicklung angeregt worden sind und die im Unterschied zu befruchteten Ei­

zellen lediglich pluripotente Zellen enthalten und nicht fähig sind, sich zu einem Menschen

zu entwickeln, vom Begriff „menschliche Embryonen“ in Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Richt­

linie 98/44 umfasst?“

vorzulegen.

Das englische Gericht führt im Rahmen seiner Vorlage aus, dass die Parthenogenese aus

der durch einen Komplex chemischer und elektrischer Techniken eingeleiteten Aktivierung

einer Oozyte ohne Spermien bestehe. Diese Oozyte, die als „Parthenote“ bezeichnet

werde, könne sich teilen und weiterentwickeln. Nach dem gegenwärtigen Stand der wis­

senschaftlichen Erkenntnisse könnten sich Säugetier-Parthenoten jedoch nicht vollständig

entwickeln, weil sie im Gegensatz zu einer befruchteten Eizelle keine väterliche DNA ent­

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Vierter Bericht 2015

hielten, die für die Entwicklung von extraembryonalem Gewebe erforderlich sei. Für

menschliche Parthenoten sei lediglich eine Entwicklung bis zum Blastozystenstadium

über einen Zeitraum von etwa fünf Tagen nachgewiesen. Daneben habe ISCO ihre An­

meldungen geändert, um die Möglichkeit des Einsatzes von Methoden auszuschließen,

die durch zusätzliche genetische Eingriffe dem Umstand abzuhelfen versuchten, dass

sich eine Parthenote nicht zu einem Menschen entwickeln könne. Der Ausschluss der

Parthenoten von der Patentierbarkeit stelle keineswegs einen Ausgleich zwischen der mit

Hilfe des Patentrechts zu fördernden biotechnologischen Forschung auf der einen und der

Wahrung der die Würde und die Unversehrtheit des Menschen gewährleistenden und

insbesondere in den Erwägungsgründen 2 und 16 der Richtlinie 98/44 als Ziele genann­

ten Grundprinzipien auf der anderen Seite sicher.

Am 18. Dezember 2014 hat nunmehr der EuGH sein Urteil in dieser Rechtssache C­

364/13 veröffentlicht17. Darin bestätigte der EuGH nachdrücklich die Erkenntnisse aus

dem Brüstle/Stammzellen-Urteil. So betonte der EuGH erneut, dass der Ausdruck

„menschlicher Embryo“ im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Biotechnologie-Richtlinie

als autonomer Begriff des Unionsrechts anzusehen sei, der im gesamten Gebiet der Uni­

on einheitlich auszulegen ist. Aus dem Zusammenhang und dem Ziel der Biotechnologie-

Richtlinie ergebe sich, dass der Unionsgesetzgeber jede Möglichkeit der Patentierung

ausschließen wollte, sobald dadurch die der Menschenwürde geschuldete Achtung beein­

trächtigt werden könnte, und dass der Begriff des menschlichen Embryos im Sinne von

Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Biotechnologie-Richtlinie infolgedessen weit auszulegen sei.

Daher sei jede menschliche Eizelle vom Stadium ihrer Befruchtung an als „menschlicher

Embryo“ im Sinne und für die Anwendung von Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Biotechnologie-

Richtlinie anzusehen, da die Befruchtung geeignet sei, den Prozess der Entwicklung ei­

nes Menschen in Gang zu setzen. Das Gleiche gelte für die unbefruchtete menschliche

Eizelle, in die ein Zellkern aus einer ausgereiften menschlichen Zelle transplantiert wor­

den ist oder die durch Parthenogenese zur Teilung und Weiterentwicklung angeregt wor­

den ist. Selbst wenn diese Organismen, genau genommen, nicht befruchtet worden sind,

seiend sie infolge der zu ihrer Gewinnung verwendeten Technik geeignet, wie der durch

Befruchtung einer Eizelle entstandene Embryo den Prozess der Entwicklung eines Men­

schen in Gang zu setzen. Somit sei eine unbefruchtete menschliche Eizelle als „menschli­

cher Embryo“ im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Biotechnologie-Richtlinie einzustu­

http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=160936&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ= first&part=1&cid=190064

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Biopatent Monitoring Komitee

fen, sofern dieser Organismus „geeignet ist, den Prozess der Entwicklung eines Men­

schen in Gang zu setzen“. Um daher als „menschlicher Embryo“ eingestuft werden zu

können, müsse eine unbefruchtete menschliche Eizelle zwingend die inhärente Fähigkeit

haben, sich zu einem Menschen zu entwickeln. Erfülle eine unbefruchtete menschliche

Eizelle diese Voraussetzung nicht, genüge es folglich nicht, dass dieser Organismus ei­

nen Entwicklungsprozess beginnt, um ihn als „menschlichen Embryo“ im Sinne und für die

Anwendung der Biotechnologie-Richtlinie betrachten zu können. Hätte eine solche Eizelle

hingegen die inhärente Fähigkeit, sich zu einem Menschen zu entwickeln, müsste sie im

Rahmen von Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Biotechnologie-Richtlinie in jedem Stadium ihrer

Entwicklung ebenso behandelt werden wie eine befruchtete menschliche Eizelle.

Der EuGH relativierte dann die – im Brüstle/Stammzellen-Urteil eher kategorisch formu­

lierte – Aussage, wonach eine durch Parthenogenese zur Teilung und Weiterentwicklung

angeregte unbefruchtete menschliche Eizelle die Fähigkeit habe, sich zu einem Men­

schen zu entwickeln. Diese Aussage sei aus den beim EuGH im Brüstle/Stammzellen-

Verfahren eingereichten schriftlichen Erklärungen hervorgegangen. Der EuGH nahm zur

Kenntnis, dass im jetzt zu beurteilenden ISCC/Stammzellen-Verfahren – wissenschaftlich

– davon ausgegangen werden müsse, dass nach den dem vorlegenden Gericht zur Ver­

fügung stehenden wissenschaftlichen Erkenntnissen eine menschliche Parthenote infolge

der zu ihrer Gewinnung verwendeten Technik als solche nicht geeignet sei, den Entwick­

lungsprozess in Gang zu setzen, der zur Entstehung eines Menschen führe. Diese Ein­

schätzung werde von allen Beteiligten am ISCO/Stammzellen-Verfahren geteilt, die beim

EuGH schriftliche Erklärungen eingereicht hätten.

Demgemäß erkennt der EuGH, dass es Sache des vorlegenden Gerichts sei, zu prüfen,

ob im Licht der von der internationalen medizinischen Wissenschaft als hinreichend er­

probt und anerkannt angesehenen Kenntnisse menschliche Parthenoten, wie sie Gegen­

stand der Anmeldungen des Ausgangsverfahrens sind, die inhärente Fähigkeit haben,

sich zu einem Menschen zu entwickeln. Sollte dabei das vorlegende Gericht feststellen,

dass diese Parthenoten keine solche Fähigkeit haben, müsse es daraus den Schluss zie­

hen, dass sie keine „menschlichen Embryonen“ im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der

Biotechnologie-Richtlinie sind.

Daher sei auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Biotechno­

logie-Richtlinie dahin auszulegen sei, dass „eine unbefruchtete menschliche Eizelle, die

im Wege der Parthenogenese zur Teilung und Weiterentwicklung angeregt worden ist,

kein „menschlicher Embryo“ im Sinne dieser Bestimmung ist, wenn sie als solche im Licht

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Vierter Bericht 2015

der gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht die inhärente Fähigkeit hat, sich

zu einem Menschen zu entwickeln“; dies zu prüfen sei aber Sache des nationalen Ge­

richts.

Der EuGH hielt daher an seiner – breiten – Interpretation des Patentierungsausschlusses

Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der Biotechnologie-Richtlinie fest, relativierte aber den im Brüst­

le/Stammzellen-Urteil noch kategorisch enthaltenen Ausschluss von „jeder unbefruchtete

menschliche Eizelle, die durch Parthenogenese zur Teilung und Weiterentwicklung ange­

regt worden ist“. Es ist nunmehr Sache der nationalen Gerichte, die Prüfung vorzuneh­

men, ob eine Parthenote, also eine unbefruchtete menschliche Eizelle, die durch

Parthenogenese zur Teilung und Weiterentwicklung angeregt worden ist, nach den (je­

weils geltenden) wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht die inhärente Fähigkeit hat, sich

zu einem Menschen zu entwickeln. Fraglich ist hier, auf welchen Zeitpunkt diese Prüfung

abstellen soll: auf den Anmeldezeitpunkt, den Beurteilungszeitpunkt, einen Zeitpunkt da­

zwischen (etwa den Zeitpunkt der Einbringung einer Klage, die das Patent betrifft) oder

gar auf die gesamte Laufzeit des Patents (dies wird natürlich dann problematisch, wenn

sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse rasch ändern, wie dies auf dem vorliegenden

Gebiet durchaus der Fall ist).

7.2. Europäisches Patentamt (EPA)

7.2.1. Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer

Die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes (EPA) ist der höchste

Spruchkörper im Rahmen der Europäischen Patentorganisation. Die Große Beschwerde­

kammer sichert die einheitliche Rechtsanwendung des Europäischen Patentübereinkom­

mens (EPÜ) und klärt Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung für das EPÜ. Hierbei

ist die Große Beschwerdekammer keine weitere Instanz (mit Ausnahme von Verfahren,

die zur Behebung schwerwiegender Verfahrensmängel bei den Verfahren vor den ande­

ren Beschwerdekammern des EPA eröffnet worden sind), sondern sie entscheidet im

Rahmen eines Vorlageverfahrens über Rechtsfragen. Diese Vorlagen können entweder

vom Präsident des EPA oder von einer anderen Beschwerdekammer des EPA vorgelegt

werden. So kann die Große Beschwerdekammer durch richterliche Rechtsfortbildung für

eine einheitliche Auslegung des EPÜ sorgen. Die Entscheidungen der Großen Beschwer­

dekammer haben zwar keine unmittelbar bindende Wirkung für nationale europäische

Gerichte und Patentämter, da die Patentgesetze aller EPÜ-Mitgliedsstaaten auf Basis des

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Biopatent Monitoring Komitee

EPÜ harmonisiert sind, folgen nationale europäische Gerichte und Patentämter aber in

der Regel den Vorgaben und Auslegungen der Großen Beschwerdekammer. Somit ist die

Große Beschwerdekammer der in der Praxis wahrscheinlich einflussreichste patentrecht­

liche Spruchkörper in Europa.

Folgende relevante Entscheidungen wurden für den vorliegenden Bericht des Biopatent

Monitoring Komitees identifiziert:

- die G 2/06 („Stammzellen/WARF“)18, die sich – wie die Brüstle/Stammzellen und die

ISCC/Stammzellen Urteile des EuGH (s. oben) - mit der Patentierung menschlicher emb­

ryonaler Stammzellen befasste,

- die G 2/07 (Broccoli/PLANT BIOSCIENCE)19 und die G 1/08 (Tomaten/STAAT ISRA­

EL)20, die sich mit dem Ausschluss von “im Wesentlichen biologischen Verfahren“ (gemäß

Art. 4 (1) b der Biotechnologie-Richtlinie bzw. Art. 53 b EPÜ) beschäftigten, und

- die G 1/07 („Chirurgische Behandlung/MEDI-PHYSICS“)21 und G 2/08 („Dosierungsan­

leitung/ABBOTT RESPIRATORY“)22, welche sich mit dem Patentierungsausschluss von

chirurgischen und therapeutischen Verfahren zur Behandlung des menschlichen Körpers

(gemäß Art. 53 c EPÜ) befassten.

Gerade die Entscheidungen G 2/07 und G 1/08 waren allerdings in ihrem Ergebnis unprä­

zise und ließen mehr Fragen offen, als geklärt wurden bzw. eröffneten neue Fragen. Da­

her kam es bei beiden Verfahren zu weiteren Vorlagen an die Große Beschwerdekam­

mer, die als Vorlagen G 2/12 („Tomaten II“) und G 2/13 („Broccoli II“) anhängig wurden.

Dabei wurden von den Beschwerdekammern gemäß Art. 112 EPÜ die folgenden Fragen

an die Große Beschwerdekammer gerichtet:

„1. Kann sich der Ausschluss von im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung

von Pflanzen in Artikel 53 b) EPÜ negativ auf die Gewährbarkeit eines Erzeugnisan­

spruchs auswirken, der auf Pflanzen oder Pflanzenmaterial sowie Pflanzenteile gerichtet

ist?

2. Ist insbesondere

a) ein Product-by-Process-Anspruch, der auf Pflanzen oder Pflanzenmaterial gerichtet ist,

bei denen es sich nicht um eine Pflanzensorte handelt, gewährbar, wenn seine Verfah­

18 http://archive.epo.org/epo/pubs/oj009/05_09/05_3069.pdf 19 http://archive.epo.org/epo/pubs/oj012/03_12/03_1302.pdf 20 http://archive.epo.org/epo/pubs/oj012/03_12/03_2062.pdf 21 http://archive.epo.org/epo/pubs/oj011/03_11/03_1341.pdf 22 http://archive.epo.org/epo/pubs/oj010/10_10/10_4560.pdf

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Vierter Bericht 2015

rensmerkmale ein im Wesentlichen biologisches Verfahren zur Züchtung von Pflanzen

definieren?

b) ein Anspruch, der auf Pflanzen oder Pflanzenmaterial gerichtet ist, bei denen es sich

nicht um eine Pflanzensorte handelt, auch dann gewährbar, wenn das einzige am Anmel­

detag verfügbare Verfahren zur Erzeugung des beanspruchten Gegenstands ein in der

Patentanmeldung offenbartes im Wesentlichen biologisches Verfahren zur Züchtung von

Pflanzen ist?

3. Ist es im Rahmen der Fragen 1 und 2 relevant, dass sich der durch den Erzeugnisan­

spruch verliehene Schutz auf die Erzeugung des beanspruchten Erzeugnisses durch ein

im Wesentlichen biologisches Verfahren für die Züchtung von Pflanzen erstreckt, das

nach Artikel 53 b) EPÜ als solches nicht patentierbar ist?

In G 2/2013 (Broccoli II/PLANT BIOSCIENCE LIMITED) entschied die Große Beschwer­

dekammer des EPA23, dass der in Artikel 53 (b) EPÜ normierte Patentierungsausschluss

von Pflanzensorten und Tierrassen sowie im Wesentlichen biologischen Verfahren zur

Herstellung von Pflanzen und Tieren keine negativen Auswirkungen auf die Zulässigkeit

von auf Pflanzen(material) gerichtete Produktansprüche hat.

Dies gilt auch für Product-by-Process-Ansprüche, für deren Gewährbarkeit ausschließlich

die Merkmale des Produkts, nicht jedoch die zur Beschreibung des Produkts herangezo­

genen Verfahrensmerkmale von Relevanz sind. Somit ist es möglich, dass zwar das im

Wesentlichen biologische Verfahren zur Herstellung von Pflanzen von der Patentierbarkeit

ausgeschlossen ist, dass das daraus resultierende Produkt, sofern es keine einzelne

Pflanzensorte betrifft, aber sehr wohl patentiert werden kann.

In ihrer Entscheidung nimmt die Große Beschwerdekammer auch auf den Artikel 64(2)

EPÜ Bezug, wonach sich der Schutz eines Verfahrensanspruchs nicht nur auf das Ver­

fahren, sondern auch auf das unmittelbar durch dieses Verfahren hergestellte Produkt

erstreckt. In ihrem Kommentar hierzu verweist die Beschwerdekammer auf G 1/98, der

bereits zu entnehmen ist, dass der einem Produkt zukommende Schutzumfang in der

Prüfung auf Erteilung eines Anspruchs nicht zu berücksichtigen ist.

23 https://register.epo.org/application?documentId=EXBZX31D2974684&number=EP99915886&lng=en&npl=false

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Biopatent Monitoring Komitee

Auch G 2/2012 (Tomato II/STATE OF ISRAEL) widmet sich der Frage der Gewährbarkeit

von auf Pflanzen(material) gerichteten Produktansprüche. Die Beschwerdeabteilung

kommt erneut zum Schluss24, dass Pflanzen(material) patentierbar ist, sofern es nicht

eine einzelne Pflanzensorte betrifft (vgl. auch G 1/08). Erwähnt wird auch, dass der Ge­

genstand eines Produkt- bzw. Product-by-Process-Anspruchs jenem eines Verfahrensan­

spruchs nicht gleicht. Das Produkt eines Product-by-Process-Anspruchs mag zwar über

Verfahren beschrieben werden, der Gewährbarkeit des Anspruchs tut dies jedoch keinen

Abbruch. Dies gilt auch für den Fall, dass die Pflanze/das Pflanzenmaterial zum Anmel­

dungszeitpunkt ausschließlich durch ein im Wesentlichen biologisches Verfahren herge­

stellt werden kann.

7.2.2. Besondere Fälle vor der Technischen Beschwerdekammer bzw.

vor der Einspruchsabteilung des EPA

Auch wenn sich, wie in TZ 2: „Inhalt des Berichtes“ erwähnt, gemäß § 166 PatG eine Zu­

ständigkeit des Komitees nur für die vom Österreichischen Patentamt, nicht aber auch für

vom Europäischen Patentamt mit Wirksamkeit für Österreich erteilten Patente ergibt, so

ist es dem Komitee auch in seinem vorliegenden vierten Bericht ein Anliegen einen Über­

blick über die wichtigsten von den Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes

getroffenen Entscheidungen und dort anhängigen Fälle zu geben.

Das EP 1456346 B1 betrifft ein neues Genexpressionssystem, das präziser als bisher

erlaubt, die Expression exogener Gene von Tieren und Pflanzen zu modulieren. Neben

dem Genexpressionssystem selbst werden mit dem erteilten Anspruchssatz auch nicht­

menschliche Organismen (z.B. Hund, Katze, Schimpanse) unter Schutz gestellt, die eine

Wirtszelle mit dem vorgenannten Genexpressionsmodulationssystem umfassen. Das be­

sagte System ist für die Anwendung in der Gentherapie, für die großtechnische Produkti­

on von Proteinen und Antikörpern, für Zell basierte Screening-Assays und dgl. vorgese­

hen. Gegen dieses Patent wurde am 13. November 2012 Einspruch erhoben. Vorge­

bracht wurde, dass das Patent der Regel 28(d) EPÜ widerspricht, wonach Verfahren zur

Modifikation der genetischen Identität von Tieren, die diesen Leiden verursachen, ohne

den Menschen/Tieren von wesentlichem medizinischem Nutzen zu sein, von der Patentie­

rung ausgeschlossen sind. Der zweite Einspruchsgrund beruht auf dem Artikel 53a EPÜ,

wonach keine Patente erteilt werden dürfen, die der öffentlichen Ordnung oder den guten

Sitten widersprechen. Einen solchen Widerspruch sieht der Einsprechende in Tierexperi­

24 https://register.epo.org/application?documentId=EXBZW10W4599684&number=EP00940724&lng=en&npl=false

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Vierter Bericht 2015

menten mit Großaffen und anderen Primaten, die mit dem vorliegenden Patent unter

Schutz gestellt werden. Schließlich wurde noch vorgebracht, dass die Erfindung nicht hin­

reichend offenbart sei (Artikel 83 EPÜ), da der Lehre des Patents keine Beispiele ent­

nehmbar seien, die eine erfolgreiche genetische Modifikation mit der beanspruchten syn­

thetischen DNA beschreiben würden. Datum der mündlichen Verhandlung ist der 29. Sep­

tember 2015.

Das EP 1572862 B1 betrifft ein Expressionssystem, das jenem der EP 1456346 B1 sehr

ähnlich ist. Auch hier wurden die durch das beanspruchte Genexpressionssystem modu­

lierten nicht-menschlichen Organismen unter Schutz gestellt. Der Einspruch basiert auch

hier auf der Regel 28(d) EPÜ, dem Artikel 53a EPÜ und dem Artikel 83 EPÜ. Die mündli­

che Verhandlung ist für den 29. September 2015 angesetzt.

Das EP 1409646 B1 betrifft nicht humane transgene Tiere (z.B. Primaten, Schweine, Rat­

ten), die in der Lage sind, humane T-Zell Rezeptoren (TCR) herzustellen. Der TCR ist ein

Proteinkomplex, der auf der Oberfläche von T-Zellen verankert und für die Erkennung von

Antigenen zuständig ist. T-Zellen sind damit ein wesentlicher Teil des Immunsystems.

Mit dem Patent geschützt werden sowohl nicht humane tierische embryonale Stammzel­

len, die menschliche Gene enthalten, als auch Tiere, die durch Einbringung von humanen

Transgenen in die Keimbahn von Tierembryonen geschaffen werden. Das Patent wurde

am 13. Juni 2012 erteilt und erlosch in zahlreichen Staaten (u.a. AT) auch am gleichen

Tag wieder.

Im Zuge des Einspruchsverfahrens wurde vorgebracht, dass mit dem Patent eine Techno­

logie, nämlich die gentechnologische Veränderung von Versuchstieren geschützt werde,

deren konkreter medizinischer Nutzen nicht erkennbar sei. Auch steigere das Patent das

wirtschaftliche Interesse an der Durchführung von Tierversuchen, u.a. auch an Primaten,

was im klaren Widerspruch zu der in Europa vorherrschenden Diktion nach Hintanhaltung

von Tierversuchen stehe. Vorgebracht wurde ferner auch, dass der Schutz von Tieren in

Europa zu den Grundlagen der öffentlichen Ordnung und der guten Sitten zähle. Da die

Verwertung des gegenständlichen Patents gegen selbige verstoße, widerspreche die Pa­

tentierung der gegenständlichen nicht-humanen transgenen Tiere bzw. des Verfahrens zu

deren Herstellung dem Artikel 53a EPÜ.

Als weiterer Einspruchsgrund wurde ferner vorgebracht, dass die Erfindung nicht hinrei­

chend offenbart sei (Artikel 83 EPÜ), da der Lehre des Patents keine Beispiele entnehm­

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Biopatent Monitoring Komitee

bar seien, die eine erfolgreiche genetische Modifikation mit der beanspruchten syntheti­

schen DNA beschreiben würden. Die mündliche Verhandlung ist für Juli 2015 avisiert.

Das EP 1794287 B1 betrifft ein Verfahren zur Interleukin induzierten Eizellreifung in vitro.

Ferner beansprucht wird ein Verfahren zur in vitro-Fertilisation, das ein Behandeln der

derart gereiften Eizelle mit Sperma umfasst. Das Patent wurde am 22. Juli 2009 erteilt

und erlosch am selben Tag in der Mehrzahl der Staaten (auch in AT). In Deutschland ist

das Patent nach wie vor aufrecht. Im Rahmen des Einspruchsverfahren wurde geltend

gemacht, dass das Patent, da es Verfahren zur Behandlung von Eizellen betreffe und

auch das, mit diesem Verfahren unmittelbar gewonnene Material geschützt sei, nicht der

Regel 29 (1) EPÜ entspreche, wonach der menschliche Körper in den einzelnen Phasen

seine Entstehung und Entwicklung keine patentierbare Erfindung darstellen könne. Ferner

könne das Verfahren zur in vitro-Fertilisation als Herstellungsprozess für einen lebensfä­

higen menschlichen Embryo angesehen werden, womit diesem erneut die Regel 29 (1)

EPÜ entgegenstehe. Betrachte man das in vitro-Fertilisationsverfahren als Verfahren zur

therapeutischen Behandlung, nämlich der Behandlung von Fertilitätsstörungen, so stehe

deren Patentierung auch der Artikel 53 c EPÜ entgegen. Als Verhandlungstermin war der

Februar 2015 angesetzt.

Das EP 2134870 B1 betrifft ein Verfahren zum Screening und Auswählen einer Sojapflan­

ze oder eines Sojasamens für die Zuordnung zu einer Reifegruppe, das auf der Detektion

eines in der Sojapflanze bzw. im Sojasamen vorliegenden genomischen Reifemarkers

beruht. Das Patent wurde am 26. Februar 2014 erteilt, erlosch aber am Tag seiner Ertei­

lung gleich wieder in vielen Staaten, u.a. in AT. In Deutschland ist das Patent aufrecht. Im

Einspruchsverfahren wurde unter Bezugnahme auf die Entscheidung der Großen Be­

schwerdekammer G 2/06 geltend gemacht, dass bei der Anwendung der Patentierungs­

ausschlüsse von Artikel 53 EPÜ nicht nur die Patentansprüche zu berücksichtigen seien,

sondern der gesamte offenbarte Inhalt einer Erfindung. Dementsprechend sei das gegen­

ständliche Verfahren nicht auf ein Screeningverfahren beschränkt, sondern stelle ein im

Wesentlichen biologisches Verfahren zur Züchtung von Pflanzen dar, das nach Artikel 53

b EPÜ in Verbindung mit Regel 26 (5) von der Patentierung ausgeschlossen sei. Hierzu

ist anzumerken, dass die Entscheidung G 2/06 ausschließlich auf die Beurteilung von

Ansprüchen anzuwenden ist, die einen Gegenstand zum Inhalt haben, deren Ausführung

zum Zeitpunkt der Anmeldung zwangsweise mit einer Zerstörung eines menschlichen

Embryos einhergeht. Eine Anwendbarkeit dieser Entscheidung auf die Patentierungsaus­

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Vierter Bericht 2015

schlüsse nach Artikel 53 EPÜ im Allgemeinen lässt sich aus dieser Entscheidung nicht

ableiten.

Vorgebracht wurde ferner, dass das Patent de facto zu einer rechtlichen Monopolisierung

bestimmter Sojapflanzen und Sojasamen führe, da in Schritt (c) eine einzelne Pflanze

bzw. ein einzelner Samen ausgewählt werde. In Hinblick auf den Leitsatz 2 der Entschei­

dung G 1/98 ist diese Sichtweise nicht nachvollziehbar. Weitere Einspruchsgründe waren

der Artikel 52 a EPÜ, wonach die Erfindung als Entdeckung angesehen wird (vgl. Ent­

scheidung des US Supreme Court vom 13.6.2013 betreffend BRCA 1), die mangelnde

Erfindungshöhe und der Artikel 83 EPÜ, wonach die Erfindung als nicht hinreichend of­

fenbart gilt. Letzterem ist entgegenzusetzen, dass die Erfindung in der Beschreibung

durch zahlreiche Beispiele illustriert ist. Ein Verhandlungstermin steht bis dato nicht fest.

Das EP 1812575 B1 schützt gegenüber Botrytis resistente Tomatenpflanzen, die über ihr

Herstellungsverfahren gekennzeichnet sind. Die darin beschriebenen Schritte sind mit

jenen ident, die in der Natur ablaufen (können), weshalb im Einspruchsverfahren vorge­

bracht wurde, dass das anspruchsgemäße Verfahren einem im Wesentlichen biologi­

schen Verfahren zur Züchtung entspreche und somit im Sinne des Artikel 53 b EPÜ von

der Patentierbarkeit ausgeschlossen sei. Als weiterer Einspruchsgrund wurde vorge­

bracht, dass die Lehre nicht hinreichend offenbart sei, da es einem Fachmann mangels

Beschreibung nicht möglich sei, Tomaten mit Botrytis-Resistenz gentechnologisch herzu­

stellen. Ins Treffen wurde neben der mangelnden Neuheit und Erfindungshöhe auch ge­

führt, dass das genetische Material der Ausgangstomaten der internationalen Genbank in

Gatersleben entnommen worden sei, und die Entnahme eines derartigen Materials zum

Zwecke der Patentierung Diebstahl, Biopiraterie und Missbrauch des Patentrechts sei.

Eine Patentierung der anspruchsgemäßen Tomaten sei daher allein aufgrund des Artikels

53 a EPÜ ausgeschlossen. Das am 28. August 2013 erteilte Patent, erlosch in vielen

Staaten gleich am selben Tag wieder. Am 17. November 2014 wurde es von der Patent­

inhaberin widerrufen.

Das EP 2140023 B1 schützt eine Capsicum annuum-Pflanze, Früchte bzw. Samen da­

von, die in ihrem Genom zumindest einen QLT (= quantitative trait locus) ent­

hält/enthalten, der ihr/ihnen eine (teilweise) Resistenz gegen Bemisia verleiht. Spezifiziert

wird im Anspruch nicht der QLT selbst, sondern die beiden Primer, die den QLT quasi

„umfassen“. Das Patent wurde am 8. Mai 2013 erteilt und erlosch in vielen Staaten (u.a.

AT) auch am selben Tage wieder. In DE ist das Patent aufrecht. Als Einspruchsgrund

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Biopatent Monitoring Komitee

wurde vorgebracht, dass die Erteilung der Erzeugnisansprüche 1-6, 11 und 12 dem Artikel

53 (b) EPÜ entgegenstehe, da die Ansprüche auf mehrere bestimmte Pflanzensorten ge­

richtet seien. Ferner werden vom Einsprechenden die Ansprüche 1-6 als Entdeckung an­

gesehen, da zumindest der eine QLT von der Patentinhaberin nicht „erzeugt“ wurde, son­

dern von dieser in Capsicum annuum-Pflanzen lediglich identifiziert wurde. Bezüglich der

Verfahrensansprüche 7-9 wurde von der Einsprechenden vorgebracht, dass deren Ertei­

lung dem Artikel 53 (b) EPÜ entgegenstehe, da sich deren Offenbarung im Wesentlichen

auf ein Kreuzen und Selektieren des Pflanzenmaterials beschränke. Weitere Einspruchs­

gründe sind der Artikel 54 EPÜ (mangelnde Neuheit), der Artikel 56 EPÜ (mangelnde Er­

findungshöhe), der Artikel 83 EPÜ (fehlende Reproduzierbarkeit) und der Artikel 84 EPÜ

(mangelnde Klarheit). Das Einspruchsverfahren wurde in Hinblick auf die präjudizielle

Wirkung der noch von der Großen Beschwerdekammer zu entscheidenden Fälle G 2/12

und G2/13 ausgesetzt.

Bezüglich EP 1554373 A2 wurde das Einspruchsverfahren T 2221/10 angemeldet. Mit

Hilfe des anmeldungsgemäßen Verfahrens sollen humane embryonale Stammzellen in

einem undifferenzierten Zustand gehalten werden. Das Verfahren besteht in der Kultivie­

rung von Stammzellen gemeinsam mit wachstumssupprimierten Zellen der feeder cell line

der humanen Vorhaut. Gewonnen wurden die besagten Zellen durch Zerkleinerung der

Vorhaut eines 8-30 Tage alten Individuums und der anschließenden Desintegration des

Gewebes mit Trypsin. Die Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamtes wies die

Anmeldung basierend auf Artikel 53 a EPÜ zurück. Unter Verweis auf die Beschrei­

bung/Patentansprüche führt die Prüfungsabteilung aus, dass die Anmeldung humane

embryonale Stammzellen betreffe und somit im Sinne der Artikel 53 a und Regel 28 c

nicht patentierbar sei. Die Entscheidung wurde von der Technischen Beschwerdekammer

unter ausführlicher Würdigung der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 2/06

bestätigt und die Berufung zurückgewiesen.

Gegenstand des Einspruchsverfahrens T 1441/13 der EP 1463798 A2 ist ein Verfahren

zur Herstellung von Polypeptide-sezernierenden Zellen, im Rahmen dessen pPS-Zellen

(=„primate pluripotent stem cells“) zu Darmendothelzellen differenziert werden sollen. Die

Ansprüche wurden von der Prüfungsabteilung mit dem Argument zurückgewiesen, dass

die Ausführung der Erfindung mit der Zerstörung eines menschlichen Embryos einherge­

he und daher im Sinne der Entscheidung des EuGH C-34/10 von der Patentierung ausge­

schlossen sei. Zeitgleich mit der Berufung wurden von der Patentanmelderin durch Vorla­

ge von Hilfsanträgen vier neue Anspruchssätze vorgelegt, von denen zwei (die Hilfsanträ­

ge 1 und 2) von der Beschwerdeabteilung akzeptiert wurden, da diese als direkte Reakti­38

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Vierter Bericht 2015

on auf die Gründe der Zurückweisung verstanden werden können. Mit dem Hilfsantrag 1

wurden die Ansprüche derart beschränkt, dass die pPS-Zellen, die im anspruchsgemäßen

Verfahren Verwendung finden, ohne Zerstörung eines menschlichen Embryos erhalten

werden. Als Disclaimer ist diese Anspruchsformulierung zwar zulässig, deren Offenba­

rungsgehalt wurde jedoch von der Beschwerdeabteilung weder als klar noch eindeutig

angesehen, da zum Prioritätszeitpunkt zerstörungsfreie Methoden für die Herstellung und

Kultivierung von hES Zellen nicht bekannt waren. Der Hilfsantrag 2, mit dem die Verwen­

dung von menschlichen Embryonen vom Anspruchsgegenstand ausgenommen wurde,

wurde von der Beschwerdeabteilung als nicht klar und widersprüchlich angesehen, da die

Kultivierung von pPS-Zellen mit deren industrieller bzw. kommerzieller Nutzung verbun­

den ist. Die Hilfsanträge 3 und 4 waren nie Gegenstand des Prüfungsverfahrens, weshalb

die Beschwerdeabteilung den Fall an die Erstinstanz zu deren Behandlung zurückverwie­

sen hat.

Mit der EP 1487256 A2 (Einspruchsverfahrens T 1729/06) wurden diploide Wassermelo­

nenpflanzen/Samen/Früchte sowie ein Verfahren zu deren Herstellung beansprucht. Ge­

genstand der Anmeldung war ferner ein Verfahren zur Herstellung triploider, kernloser

Wassermelonenpflanzen sowie ein Verfahren zur Steigerung der Ausbeute an triploiden

Wassermelonenpflanzen. Der mündlichen Verhandlung voran ging die Vorlage eines

neuen Anspruchssatzes (Hauptantrag), mit dem nunmehr ausschließlich (1) die Verwen­

dung einer diploiden Wassermelonenpflanze umfassend ein Gen als Bestäuberpflanze für

triploide Wassermelonenpflanzen in einem Verfahren zur Herstellung triploider kernloser

Wassermelonenfrüchte, (2) ein Verfahren für die Herstellung triploider, kernloser Was­

sermelonenfrüchte, das in der Auspflanzung triploider Wassermelonenpflanzen, dem un­

mittelbar benachbarten Auspflanzen diploider Wassermelonenpflanzen mit einem Gen

und der Bestäubung ersterer durch die diploiden Pflanzen besteht sowie (3) ein Verfahren

zur Steigerung der Ausbeute an triploiden, kernlosen Wassermelonenpflanzen, das als

weitere Schritte die Ernte der triploiden Früchte und die Vernichtung der nicht geernteten

Früchte umfasst, beansprucht wurde. Die Prüfungsabteilung hat die Ansprüche des

Hauptantrags mit Verweis auf den Artikel 53 (b) EPÜ zurückgewiesen. Die Beschwerde­

abteilung sah in der Erteilung der nunmehr auf den Hauptantrag beschränkten Ansprüche

keinen Verstoß gegen den Artikel 53 (b) EPÜ mehr, da diese weder explizit noch implizit

ein Züchtungsverfahren (= Vermischung zweier ganzer Genome) beschreiben. Beschrie­

ben wird lediglich die Bestäubung steriler weiblicher Blüten einer triploiden Wassermelo­

nenpflanze mit Pollen einer diploiden Bestäuberpflanze. Eine Meiose findet bei diesem

Verfahren nicht statt. Der Beschwerde wurde daher stattgegeben und die Prüfungsabtei­

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Biopatent Monitoring Komitee

lung mit der Fortführung des Verfahrens auf Basis der Ansprüche 1-8 des Hauptantrags

beauftragt. Das Prüfungsverfahren ist im Laufen.

Im Einspruchsverfahren T 1808/13 geht es um EP 1040185 B1 („Brüstle-Patent“),wo eine

nicht-tumorigene Zell-Zusammensetzung patentiert wurde, die sich aus embryonalen

Stammzellen von Säugern ableitet, und welche mindestens 85% isolierte neurale Vorläu­

ferzellen mit der Fähigkeit zur Ausreifung in neuronale oder gliale Zellen und höchstens

15% primitive embryonale und nicht-neurale Zellen enthält. Gegenstand des Patents ist

auch ein Verfahren zur Herstellung von gereinigten neuralen Vorläuferzellen mit eben

dieser Fähigkeit sowie die Verwendung dieser Zellen zur in vitro-Gewinnung von Polypep­

tiden. Dem Patent liegt die Intention zugrunde, neue Verfahren zur Behandlung schwerer

neuronaler Defizite, wie beispielsweise von Parkinson und Alzheimer, zur Verfügung zu

stellen. Im Zuge des Erteilungsverfahrens wurden Disclaimer eingeführt, die humane

Stammzellen ausklammern, deren Herstellung mit der Zerstörung humaner Embryonen

verbunden ist. Die Einspruchsabteilung kam in ihrer Entscheidung zum Schluss, dass

dem Fachmann zum Anmeldedatum kein Verfahren bekannt war, mit dem aus menschli­

chen Embryonen Stammzellen gewonnen werden konnten, ohne den Embryo dabei zu

zerstören. Das Patent wurde daher nach seiner Beschränkung nicht mehr als hinreichend

offenbart (Artikel 83 EPÜ) angesehen. Gegen diese Entscheidung hat der Patentinhaber

berufen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung aufgehoben

und die Sache an die Vorinstanz zur weiteren Prüfung zurückverwiesen.

Das im Bericht 2009 bis 2011 erwähnte EP 1 962 578 B1 bezog sich auf Melonenpflan­

zen, die gegen ein bestimmtes Virus, das zur Vergilbung der Pflanzen führt und den Ern­

teertrag schmälert, resistent sind (Cucurbit Yellow Stunting Disorder Virus, CYSDV). Die

CYSDV-Resistenz wurde mittels Einführung eines Gens von einer anderen Melonenpflan­

ze über ein herkömmliches Züchtungsverfahren, bei welchem genetische Marker zur Hilfe

genommen wurden (sog. "Smart Breeding"), erzeugt. Das Resistenzgen wurde zum ers­

ten Mal in einer indischen Melonenpflanze gefunden und 1961 katalogisiert. Seit 1966 ist

es öffentlich zugänglich.

Das Patent schützte die mit dem Resistenzgen ausgestatteten Pflanzen, Teile dieser

Pflanzen sowie deren Früchte und Samen. Die Patentanmeldung wurde am 21. Dezem­

ber 2006 eingereicht, das entsprechende Patent mit Wirkung zum 4. Mai 2011 erteilt. In

Österreich wurde dieses Patent allerdings nicht validiert; es bestand daher in Österreich

kein Schutz für diese Erfindung. Pateninhaberin ist die Firma Monsanto Invest B.V. Es

wurden gegen dieses Patent zwei Einsprüche eingelegt: Zum einen die Firma Nunhems,

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Vierter Bericht 2015

Gemüse-Saatguthersteller der Bayer Crop Science, die technische Einwände gegen das

Patent geltend machen. Zum anderen die Organisation "No patents on seeds", welche

neben technischen Gründen unter anderem auch rechtliche Bedenken gegen die Paten­

tierung konventionell gezüchteter Pflanzen anführen.

Die vorliegende Angelegenheit ist von den Entscheidungen der Großen Beschwerde­

kammer in den Fällen G 2/13 und G2/12 abhängig. Das weitere Einspruchsverfahren wird

unter Berücksichtigung der Entscheidungen Anfang 2016 fortgesetzt.

7.3. US Supreme Court (USC)

Obgleich sich das US-Patentrecht vom weitgehend harmonisierten europäischen Patent­

recht unterscheidet und die Biotechnologie-Richtlinie in den USA natürlich keinerlei

Rechtswirkung hat, sind dem Biopatent Monitoring Komitee zwei Fälle, die vom US Sup­

reme Court (USC) im Beobachtungszeitraum entschieden worden sind (AMP vs. Myriad

(„Myriad“)25 und Mayo vs. Prometheus („Prometheus“)26), aufgefallen, die sich mit bio­

technologischen Erfindungen bzw. medizinischen Erfindungen, die auch biotechnologi­

sche Arzneimittel betreffen, beschäftigt haben. Diese beiden Fälle hatten in den USA eine

große Resonanz, da sie die in den USA gängige – eher großzügige – Patentierungspraxis

im Bereich humaner Gendiagnostik und Diagnoseverfahren völlig veränderten.

Die hier daher kurz behandelten Myriad- und Prometheus-Entscheidungen sollen auch

gegenüber der Biotech-Richtlinie beleuchtet werden.

In der Myriad-Entscheidung ging es um die Patentierbarkeit der Gene für BRCA1 und

BRCA2. Mutationen in diesen Genen stehen in Zusammenhang mit einem erhöhten Risi­

ko, an Brustkrebs zu erkranken. Eine der Fragen, die der USC adressierte war die, ob

(isolierte) menschliche Gene prinzipiell patentierbar sind. Der USC verneinte dies, weil

derartige isolierte Gene im Wesentlichen in der Natur vorkommenden Produkten (eben

den in den menschlichen Zellen vorhandenen Genen) entsprechen. In einer früheren Ent­

scheidung betreffend modifizierte Bakterien (Diamond vs. Chakrabarty („Chakrabarty“))

legte der USC eine sehr großzügige Interpretation dieses Ausschlusses von Naturstoffen

zugrunde, der erstmals in einer Entscheidung im Jahr 1853 angewendet wurde. Diese

großzügige Auslegung bzw. diese Entscheidung wurde als maßgebend für den ersten

Investitionsschub in die Biotechnologie in den USA Ende 70er/Anfang 80er Jahre erach­

25 http://www.supremecourt.gov/opinions/12pdf/12-398_1b7d.pdf 26 http://www.supremecourt.gov/opinions/11pdf/10-1150.pdf

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Biopatent Monitoring Komitee

tet. Diese – von den damaligen Kommentatoren als bahnbrechend für den Biotechnolo­

gieboom beurteilte – großzügige Auslegung relativierte der USC jedoch in der nunmehr

ergangenen Myriad-Entscheidung. Demnach könne – selbst auf eine „groundbreaking,

innovative or even brilliant discovery“ kein Patentschutz gewährt werden, wenn diese Er­

rungenschaft auf einem natürlich vorkommenden Gegenstand beruhe, ohne dass dieser

Gegenstand „mit wesentlich unterschiedlichen Eigenschaften gegenüber dem in der Natur

vorkommenden Gegenstand“ ausgestattet sei. Dies sei im Falle der isolierten Gene nicht

der Fall (obgleich sich – alleine aus chemischer Sicht – ein isoliertes Genmolekül deutlich

von einem menschlichen DNS-(Gesamt-)Molekül unterscheidet). Sehr wohl sei dies, so

der USC, aber für ein cDNS-Molekül der Fall, also ein DNS-Molekül, welches das BRCA1-

oder BRCA2-Gen in einer Form enthalte, die ansonsten nur in der menschlichen RNS

vorhanden sei27. Demgemäß wurde vom USC mit der vorliegenden Entscheidung die „law

of nature exception“ im US-Patentrecht mit einer hohen Relevanz wiederbelebt.

Analog ist dies auch in der Prometheus-Entscheidung erfolgt. Gegenstand war hier ein

Patent auf ein Verfahren, bei welchem die Dosierung eines Medikaments für einen Patien­

ten über die Messung eines Biomarkers im (Blut des) Patienten optimiert wird. Der zu

prüfende Patentanspruch bezog sich auf das Bestimmungsverfahren des Biomarkers zur

Optimierung des therapeutischen Effekts einer therapeutischen Behandlung. Für den

USC war die Bestimmung eines Biomarkers in einem Patienten nichts anderes als das

Feststellen eines Naturgesetzes. Ein Patent müsse mehr als nur ein Naturgesetz in Worte

kleiden bzw. mehr sein als nur die Aufforderung, dieses Naturgesetz anzuwenden. Paten­

tierbare Erfindungen müssen, so der USC, auf eine beschränkte (konkrete), erfinderische

Anwendung dieses Naturgesetzes abgestellt werden. Es sei daher erforderlich, nicht nur

den Biomarker zu messen, sondern auch konkrete Schritte im Patentanspruch vorzuse­

hen, wie ein optimierter Behandlungserfolg am Patienten erhalten werden könne. Alleine

eine Messung des Metaboliten (als Biomarker) sei kein wesentlicher Unterschied zum

Naturgesetz selbst; auch reiche es nicht aus, (nur) wohlbekannte, routinemäßig ange­

wendete oder konventionelle Schritte vorzusehen, um aus diesem Patentierungsverbot für

natürliche Zusammenhänge herauszukommen; hierfür seien signifikante Schritte erforder­

lich. Ein Patentschutz für die Entdeckung diagnostischer Naturgesetze sei daher nicht

wünschenswert.

27 Die cDNS (englisch complementary DNA, deutsch komplementäre DNS) ist eine DNS, die mittels des Enzyms Reverse Transkriptase aus RNS (wie mRNS und ncRNS) synthetisiert wird und als solche in der Natur nicht vorkommt. Die cDNS entspricht aber inhaltlich (also was die Basen-Kodierung des Gens anbelangt) derjenigen, des in einer Zelle kodierten funk­tionellen Gens.

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Vierter Bericht 2015

Obgleich der dem Prometheus-Urteil zugrundeliegende Fall durchaus von zweifelhafter

erfinderischer Ausprägung war, stellt dieses Urteil in seiner breit aufgestellten Argumenta­

tion seitens des USC einen erheblichen Einschnitt in der US-Praxis bei der Patentierung

diagnostischer Verfahren dar. Eine Untersuchung der seit 1992 eingereichten US-Patente

betreffend diagnostische Verfahren kam zum Schluss28, dass etwa 79 % all dieser Paten­

te – nach der Prometheus-Entscheidung – wahrscheinlich nichtig sind („likely patent ineli­

gible“); bei weiteren 20 % besteht zumindest eine gute Möglichkeit dafür, dass diese Pa­

tente nichtig sind („possibly patent ineligible“).

Vom US-Patent and Trademark Office (US-PTO) wurden nach diesen Entscheidungen im

März 2014 auch neue Prüfungsrichtlinien vorgeschlagen, die zunächst auf große Kritik

gestoßen sind, weil sie nach Ansicht vieler Benutzer die – ohnehin strenge – Auslegung

der „Laws-of-Nature“-Ausnahme des USC noch einmal verschärfen. Daher wurde im De­

zember 2014 eine überarbeitete Version vorgelegt, welche nunmehr in den Fachkreisen

diskutiert wird.

Auffällig an beiden USC-Entscheidungen ist, dass sie die großzügige US-

Patentierungspraxis auf dem Gebiet der Biotechnologie der letzten 40 Jahre schlagartig

beenden. Während früher gemäß US-Patentrecht „whoever invents or discovers any new

and useful process, machine, manufacture, or composition of matter, or any new and

useful improvement thereof“29 für diese „inventions or discoveries“ auch ein Patent erteilt

bekommen hat (wenn Neuheit und Nicht-Naheliegen gegeben ist), stellt nunmehr die Hür­

de, eine der Patentierung prinzipiell zugängliche Erfindung zu haben, ein ganz wesentli­

ches Patentierbarkeitserfordernis dar. Eine vergleichbare Entscheidungspraxis hat der

USC übrigens auch im Bereich der Computer-implementierten Erfindungen getroffen,

wodurch auch dieses Gebiet der Technik gegenwärtig einer großen Veränderung unter­

worfen ist.

Demgegenüber wurde in Europa bzw. in der EU mit dem EPÜ und der Biotechnologie-

Richtlinie von vornherein ein anderer Weg eingeschlagen: Gemäß Art. 52 (2) EPÜ werden

abstrakte Gegenstände, wie Entdeckungen, wissenschaftliche Theorien oder mathemati­

sche Methoden als solche prinzipiell nicht als Erfindungen angesehen (im Gegensatz zum

US-Recht, worin „discoveries“ eben gerade Gegenstand von Patenten sein können). In

der Biotechnologie-Richtlinie ist dies in Erwägungsgrund (16) und Art. 5(3) dadurch be­

rücksichtigt worden, dass die bloße Entdeckung eines Bestandteils des menschlichen

28 Haanes und Canaves, Nature Biotechnology 30 (2012), 758-760 29 § 101 US-PatG (35. U.S.C.)

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Biopatent Monitoring Komitee

Körpers oder eines seiner Produkte, vor allem die Sequenz oder Teilsequenz eines

menschlichen Gens, ausdrücklich als nicht patentierbar definiert werden. Wohl aber sind

isolierte (und damit dem Stand der Technik neu hinzugefügte) Bestandteile oder Produkte

dann patentierbar, wenn die übrigen Patentierungserfordernisse (also hauptsächlich Neu­

heit und erfinderische Tätigkeit) gegeben sind30. Übrigens nimmt das EPA auch im Be­

reich Computer-implementierter Erfindungen einen großzügigeren Standpunkt hinsichtlich

der prinzipiellen Patentierbarkeit ein, legt dann aber bei der Prüfung der erfinderischen

Tätigkeit einer Erfindung auf diesem Gebiet erheblichen Wert darauf, dass hierfür nur der

technische Beitrag (und nicht etwa der Beitrag einer abstrakten Idee oder einer bloßen

Anweisung an den menschlichen Geist) zu bewerten ist. Dadurch wird vermieden, dass

potentiell wertvolle Erfindungen alleine aus formalen Gründen nicht zu Patentschutz ge­

langen, sondern die eigentliche technische Hürde, nämlich den Nachweis von Neuheit

und erfinderischer Tätigkeit, auf Grundlage des erfinderischen technischen Beitrages, den

die Erfindung liefert, meistern können.

Insgesamt zeigt sich daher an den beiden USC-Urteilen, dass der Weg, der mit der Bio­

technologie-Richtlinie eingeschlagen worden ist, aus Gründen der Rechtssicherheit, der

Kontinuität, und der Erwartbarkeit sowie aus politischen Gründen (die Richtlinie wurde

vom Parlament und vom Rat beschlossen) ein durchaus erfolgreicher war, da es eben in

der EU nicht ohne weiteres möglich zu sein scheint, dass durch isolierte Entscheidungen

von Höchstgerichten (zB dem EuGH) die Patentierungspraxis vollkommen verändert wird.

30 Art. 3 iVm Art. 5 der Biotechnologie-Richtlinie

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Vierter Bericht 2015

8. ANNEX I: Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Ra­

tes vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Er­

findungen

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf

Artikel 100a,

auf Vorschlag der Kommission (1),

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses (2)

gemäß dem Verfahren des Artikels 189b des Vertrags (3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Biotechnologie und Gentechnik spielen in den verschiedenen Industriezweigen eine

immer wichtigere Rolle, und dem Schutz biotechnologischer Erfindungen kommt grundle­

gende Bedeutung für die industrielle Entwicklung der Gemeinschaft zu.

(2) Die erforderlichen Investitionen zur Forschung und Entwicklung sind insbesondere im

Bereich der Gentechnik hoch und risikoreich und können nur bei angemessenem Rechts­

schutz rentabel sein.

(3) Ein wirksamer und harmonisierter Schutz in allen Mitgliedstaaten ist wesentliche Vo­

raussetzung dafür, daß Investitionen auf dem Gebiet der Biotechnologie fortgeführt und

gefördert werden.

(4) Nach der Ablehnung des vom Vermittlungsausschuß gebilligten gemeinsamen Ent­

wurfs einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen

Schutz biotechnologischer Erfindungen (4) durch das Europäische Parlament haben das

Europäische Parlament und der Rat festgestellt, daß die Lage auf dem Gebiet des

Rechtsschutzes biotechnologischer Erfindungen der Klärung bedarf.

(5) In den Rechtsvorschriften und Praktiken der verschiedenen Mitgliedstaaten auf dem

Gebiet des Schutzes biotechnologischer Erfindungen bestehen Unterschiede, die zu

Handelsschranken führen und so das Funktionieren des Binnenmarkts behindern können.

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Biopatent Monitoring Komitee

(6) Diese Unterschiede könnten sich dadurch noch vergrößern, daß die Mitgliedstaaten

neue und unterschiedliche Rechtsvorschriften und Verwaltungspraktiken einführen oder

daß die Rechtsprechung der einzelnen Mitgliedstaaten sich unterschiedlich entwickelt.

(7) Eine uneinheitliche Entwicklung der Rechtsvorschriften zum Schutz biotechnologischer

Erfindungen in der Gemeinschaft könnte zusätzliche ungünstige Auswirkungen auf den

Handel haben und damit zu Nachteilen bei der industriellen Entwicklung der betreffenden

Erfindungen sowie zur Beeinträchtigung des reibungslosen Funktionierens des Binnen­

markts führen.

(8) Der rechtliche Schutz biotechnologischer Erfindungen erfordert nicht die Einführung

eines besonderen Rechts, das an die Stelle des nationalen Patentrechts tritt. Das nationa­

le Patentrecht ist auch weiterhin die wesentliche Grundlage für den Rechtsschutz bio­

technologischer Erfindungen; es muß jedoch in bestimmten Punkten angepaßt oder er­

gänzt werden, um der Entwicklung der Technologie, die biologisches Material benutzt,

aber gleichwohl die Voraussetzungen für die Patentierbarkeit erfuellt, angemessen Rech­

nung zu tragen.

(9) In bestimmten Fällen, wie beim Ausschluß von Pflanzensorten, Tierrassen und von im

wesentlichen biologischen Verfahren für die Züchtung von Pflanzen und Tieren von der

Patentierbarkeit, haben bestimmte Formulierungen in den einzelstaatlichen Rechtsvor­

schriften, die sich auf internationale Übereinkommen zum Patent- und Sortenschutz stüt­

zen, in bezug auf den Schutz biotechnologischer und bestimmter mikrobiologischer Erfin­

dungen für Unsicherheit gesorgt. Hier ist eine Harmonisierung notwendig, um diese Unsi­

cherheit zu beseitigen.

(10) Das Entwicklungspotential der Biotechnologie für die Umwelt und insbesondere ihr

Nutzen für die Entwicklung weniger verunreinigender und den Boden weniger beanspru­

chender Ackerbaumethoden sind zu berücksichtigen. Die Erforschung solcher Verfahren

und deren Anwendung sollte mittels des Patentsystems gefördert werden.

(11) Die Entwicklung der Biotechnologie ist für die Entwicklungsländer sowohl im Ge­

sundheitswesen und bei der Bekämpfung großer Epidemien und Endemien als auch bei

der Bekämpfung des Hungers in der Welt von Bedeutung. Die Forschung in diesen Berei­

chen sollte ebenfalls mittels des Patentsystems gefördert werden. Außerdem sollten in­

ternationale Mechanismen zur Verbreitung der entsprechenden Technologien in der Drit­

ten Welt zum Nutzen der betroffenen Bevölkerung in Gang gesetzt werden.

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Vierter Bericht 2015

(12) Das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Ei­

gentums (TRIPS-Übereinkommen) (5), das die Europäische Gemeinschaft und ihre Mit­

gliedstaaten unterzeichnet haben, ist inzwischen in Kraft getreten; es sieht vor, daß der

Patentschutz für Produkte und Verfahren in allen Bereichen der Technologie zu gewähr­

leisten ist.

(13) Der Rechtsrahmen der Gemeinschaft zum Schutz biotechnologischer Erfindungen

kann sich auf die Festlegung bestimmter Grundsätze für die Patentierbarkeit biologischen

Materials an sich beschränken; diese Grundsätze bezwecken im wesentlichen, den Un­

terschied zwischen Erfindungen und Entdeckungen hinsichtlich der Patentierbarkeit be­

stimmter Bestandteile menschlichen Ursprungs herauszuarbeiten. Der Rechtsrahmen

kann sich ferner beschränken auf den Umfang des Patentschutzes biotechnologischer

Erfindungen, auf die Möglichkeit, zusätzlich zur schriftlichen Beschreibung einen Hinterle­

gungsmechanismus vorzusehen, sowie auf die Möglichkeit der Erteilung einer nicht aus­

schließlichen Zwangslizenz bei Abhängigkeit zwischen Pflanzensorten und Erfindungen

(und umgekehrt).

(14) Ein Patent berechtigt seinen Inhaber nicht, die Erfindung anzuwenden, sondern ver­

leiht ihm lediglich das Recht, Dritten deren Verwertung zu industriellen und gewerblichen

Zwecken zu untersagen. Infolgedessen kann das Patentrecht die nationalen, europäi­

schen oder internationalen Rechtsvorschriften zur Festlegung von Beschränkungen oder

Verboten oder zur Kontrolle der Forschung und der Anwendung oder Vermarktung ihrer

Ergebnisse weder ersetzen noch überfluessig machen, insbesondere was die Erforder­

nisse der Volksgesundheit, der Sicherheit, des Umweltschutzes, des Tierschutzes, der

Erhaltung der genetischen Vielfalt und die Beachtung bestimmter ethischer Normen be­

trifft.

(15) Es gibt im einzelstaatlichen oder europäischen Patentrecht (Münchener Überein­

kommen) keine Verbote oder Ausnahmen, die eine Patentierbarkeit von lebendem Mate­

rial grundsätzlich ausschließen.

(16) Das Patentrecht muß unter Wahrung der Grundprinzipien ausgeübt werden, die die

Würde und die Unversehrtheit des Menschen gewährleisten. Es ist wichtig, den Grund­

satz zu bekräftigen, wonach der menschliche Körper in allen Phasen seiner Entstehung

und Entwicklung, einschließlich der Keimzellen, sowie die bloße Entdeckung eines seiner

Bestandteile oder seiner Produkte, einschließlich der Sequenz oder Teilsequenz eines

menschlichen Gens, nicht patentierbar sind. Diese Prinzipien stehen im Einklang mit den

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Biopatent Monitoring Komitee

im Patentrecht vorgesehenen Patentierbarkeitskriterien, wonach eine bloße Entdeckung

nicht Gegenstand eines Patents sein kann.

(17) Mit Arzneimitteln, die aus isolierten Bestandteilen des menschlichen Körpers gewon­

nen und/oder auf andere Weise hergestellt werden, konnten bereits entscheidende Fort­

schritte bei der Behandlung von Krankheiten erzielt werden. Diese Arzneimittel sind das

Ergebnis technischer Verfahren zur Herstellung von Bestandteilen mit einem ähnlichen

Aufbau wie die im menschlichen Körper vorhandenen natürlichen Bestandteile; es emp­

fiehlt sich deshalb, mit Hilfe des Patentsystems die Forschung mit dem Ziel der Gewin­

nung und Isolierung solcher für die Arzneimittelherstellung wertvoller Bestandteile zu för­

dern.

(18) Soweit sich das Patentsystem als unzureichend erweist, um die Forschung und die

Herstellung von biotechnologischen Arzneimitteln, die zur Bekämpfung seltener Krankhei­

ten ("Orphan-"Krankheiten) benötigt werden, zu fördern, sind die Gemeinschaft und die

Mitgliedstaaten verpflichtet, einen angemessenen Beitrag zur Lösung dieses Problems zu

leisten.

(19) Die Stellungnahme Nr. 8 der Sachverständigengruppe der Europäischen Kommission

für Ethik in der Biotechnologie ist berücksichtigt worden.

(20) Infolgedessen ist darauf hinzuweisen, daß eine Erfindung, die einen isolierten Be­

standteil des menschlichen Körpers oder einen auf eine andere Weise durch ein techni­

sches Verfahren erzeugten Bestandteil betrifft und gewerblich anwendbar ist, nicht von

der Patentierbarkeit ausgeschlossen ist, selbst wenn der Aufbau dieses Bestandteils mit

dem eines natürlichen Bestandteils identisch ist, wobei sich die Rechte aus dem Patent

nicht auf den menschlichen Körper und dessen Bestandteile in seiner natürlichen Umge­

bung erstrecken können.

(21) Ein solcher isolierter oder auf andere Weise erzeugter Bestandteil des menschlichen

Körpers ist von der Patentierbarkeit nicht ausgeschlossen, da er - zum Beispiel - das Er­

gebnis technischer Verfahren zu seiner Identifizierung, Reinigung, Bestimmung und Ver­

mehrung außerhalb des menschlichen Körpers ist, zu deren Anwendung nur der Mensch

fähig ist und die die Natur selbst nicht vollbringen kann.(22) Die Diskussion über die Pa­

tentierbarkeit von Sequenzen oder Teilsequenzen von Genen wird kontrovers geführt. Die

Erteilung eines Patents für Erfindungen, die solche Sequenzen oder Teilsequenzen zum

Gegenstand haben, unterliegt nach dieser Richtlinie denselben Patentierbarkeitskriterien

der Neuheit, erfinderischen Tätigkeit und gewerblichen Anwendbarkeit wie alle anderen

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Vierter Bericht 2015

Bereiche der Technologie. Die gewerbliche Anwendbarkeit einer Sequenz oder Teilse­

quenz muß in der eingereichten Patentanmeldung konkret beschrieben sein.

(23) Ein einfacher DNA-Abschnitt ohne Angabe einer Funktion enthält keine Lehre zum

technischen Handeln und stellt deshalb keine patentierbare Erfindung dar.

(24) Das Kriterium der gewerblichen Anwendbarkeit setzt voraus, daß im Fall der Ver­

wendung einer Sequenz oder Teilsequenz eines Gens zur Herstellung eines Proteins o­

der Teilproteins angegeben wird, welches Protein oder Teilprotein hergestellt wird und

welche Funktion es hat.

(25) Zur Auslegung der durch ein Patent erteilten Rechte wird in dem Fall, daß sich Se­

quenzen lediglich in für die Erfindung nicht wesentlichen Abschnitten überlagern, patent­

rechtlich jede Sequenz als selbständige Sequenz angesehen.

(26) Hat eine Erfindung biologisches Material menschlichen Ursprungs zum Gegenstand

oder wird dabei derartiges Material verwendet, so muß bei einer Patentanmeldung die

Person, bei der Entnahmen vorgenommen werden, die Gelegenheit erhalten haben, ge­

mäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften nach Inkenntnissetzung und freiwillig der

Entnahme zuzustimmen.

(27) Hat eine Erfindung biologisches Material pflanzlichen oder tierischen Ursprungs zum

Gegenstand oder wird dabei derartiges Material verwendet, so sollte die Patentanmel­

dung gegebenenfalls Angaben zum geographischen Herkunftsort dieses Materials umfas­

sen, falls dieser bekannt ist. Die Prüfung der Patentanmeldungen und die Gültigkeit der

Rechte aufgrund der erteilten Patente bleiben hiervon unberührt.

(28) Diese Richtlinie berührt in keiner Weise die Grundlagen des geltenden Patentrechts,

wonach ein Patent für jede neue Anwendung eines bereits patentierten Erzeugnisses er­

teilt werden kann.

(29) Diese Richtlinie berührt nicht den Ausschluß von Pflanzensorten und Tierrassen von

der Patentierbarkeit. Erfindungen, deren Gegenstand Pflanzen oder Tiere sind, sind je­

doch patentierbar, wenn die Anwendung der Erfindung technisch nicht auf eine Pflan­

zensorte oder Tierrasse beschränkt ist.

(30) Der Begriff der Pflanzensorte wird durch das Sortenschutzrecht definiert. Danach

wird eine Sorte durch ihr gesamtes Genom geprägt und besitzt deshalb Individualität. Sie

ist von anderen Sorten deutlich unterscheidbar.

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Biopatent Monitoring Komitee

(31) Eine Pflanzengesamtheit, die durch ein bestimmtes Gen (und nicht durch ihr gesam­

tes Genom) gekennzeichnet ist, unterliegt nicht dem Sortenschutz. Sie ist deshalb von der

Patentierbarkeit nicht ausgeschlossen, auch wenn sie Pflanzensorten umfaßt.

(32) Besteht eine Erfindung lediglich darin, daß eine bestimmte Pflanzensorte genetisch

verändert wird, und wird dabei eine neue Pflanzensorte gewonnen, so bleibt diese Erfin­

dung selbst dann von der Patentierbarkeit ausgeschlossen, wenn die genetische Verän­

derung nicht das Ergebnis eines im wesentlichen biologischen, sondern eines biotechno­

logischen Verfahrens ist.

(33) Für die Zwecke dieser Richtlinie ist festzulegen, wann ein Verfahren zur Züchtung

von Pflanzen und Tieren im wesentlichen biologisch ist.

(34) Die Begriffe "Erfindung" und "Entdeckung", wie sie durch das einzelstaatliche, euro­

päische oder internationale Patentrecht definiert sind, bleiben von dieser Richtlinie unbe­

rührt.

(35) Diese Richtlinie berührt nicht die Vorschriften des nationalen Patentrechts, wonach

Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder

tierischen Körpers und Diagnostizierverfahren, die am menschlichen oder tierischen Kör­

per vorgenommen werden, von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind.

(36) Das TRIPS-Übereinkommen räumt den Mitgliedern der Welthandelsorganisation die

Möglichkeit ein, Erfindungen von der Patentierbarkeit auszuschließen, wenn die Verhinde­

rung ihrer gewerblichen Verwertung in ihrem Hoheitsgebiet zum Schutz der öffentlichen

Ordnung oder der guten Sitten einschließlich des Schutzes des Lebens und der Gesund­

heit von Menschen, Tieren oder Pflanzen oder zur Vermeidung einer ernsten Schädigung

der Umwelt notwendig ist, vorausgesetzt, daß ein solcher Ausschluß nicht nur deshalb

vorgenommen wird, weil die Verwertung durch innerstaatliches Recht verboten ist.

(37) Der Grundsatz, wonach Erfindungen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öf­

fentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde, von der Patentierbarkeit auszu­

schließen sind, ist auch in dieser Richtlinie hervorzuheben.

(38) Ferner ist es wichtig, in die Vorschriften der vorliegenden Richtlinie eine informatori­

sche Aufzählung der von der Patentierbarkeit ausgenommenen Erfindungen aufzuneh­

men, um so den nationalen Gerichten und Patentämtern allgemeine Leitlinien für die Aus­

legung der Bezugnahme auf die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten zu geben. Die­

se Aufzählung ist selbstverständlich nicht erschöpfend. Verfahren, deren Anwendung ge­

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Vierter Bericht 2015

gen die Menschenwürde verstößt, wie etwa Verfahren zur Herstellung von hybriden Le­

bewesen, die aus Keimzellen oder totipotenten Zellen von Mensch und Tier entstehen,

sind natürlich ebenfalls von der Patentierbarkeit auszunehmen.

(39) Die öffentliche Ordnung und die guten Sitten entsprechen insbesondere den in den

Mitgliedstaaten anerkannten ethischen oder moralischen Grundsätzen, deren Beachtung

ganz besonders auf dem Gebiet der Biotechnologie wegen der potentiellen Tragweite der

Erfindungen in diesem Bereich und deren inhärenter Beziehung zur lebenden Materie

geboten ist. Diese ethischen oder moralischen Grundsätze ergänzen die übliche patent­

rechtliche Prüfung, unabhängig vom technischen Gebiet der Erfindung.

(40) Innerhalb der Gemeinschaft besteht Übereinstimmung darüber, daß die Keimbahnin­

tervention am menschlichen Lebewesen und das Klonen von menschlichen Lebewesen

gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten verstoßen. Daher ist es wichtig, Ver­

fahren zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des menschlichen Lebe­

wesens und Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen unmißverständlich von

der Patentierbarkeit auszuschließen.

(41) Als Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen ist jedes Verfahren, ein­

schließlich der Verfahren zur Embryonenspaltung, anzusehen, das darauf abzielt, ein

menschliches Lebewesen zu schaffen, das im Zellkern die gleiche Erbinformation wie ein

anderes lebendes oder verstorbenes menschliches Lebewesen besitzt.

(42) Ferner ist auch die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder

kommerziellen Zwecken von der Patentierbarkeit auszuschließen. Dies gilt jedoch auf

keinen Fall für Erfindungen, die therapeutische oder diagnostische Zwecke verfolgen und

auf den menschlichen Embryo zu dessen Nutzen angewandt werden.

(43) Nach Artikel F Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union achtet die Union

die Grundrechte, wie sie in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäi­

schen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet

sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitglied­

staaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben.

(44) Die Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Techno­

logien der Kommission bewertet alle ethischen Aspekte im Zusammenhang mit der Bio­

technologie. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die Befassung dieser

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Biopatent Monitoring Komitee

Gruppe auch im Bereich des Patentrechts nur die Bewertung der Biotechnologie anhand

grundlegender ethischer Prinzipien zum Gegenstand haben kann.

(45) Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren, die geeignet sind,

für die Tiere Leiden ohne wesentlichen medizinischen Nutzen im Bereich der Forschung,

der Vorbeugung, der Diagnose oder der Therapie für den Menschen oder das Tier zu ver­

ursachen, sowie mit Hilfe dieser Verfahren erzeugte Tiere sind von der Patentierbarkeit

auszunehmen.

(46) Die Funktion eines Patents besteht darin, den Erfinder mit einem ausschließlichen,

aber zeitlich begrenzten Nutzungsrecht für seine innovative Leistung zu belohnen und

damit einen Anreiz für erfinderische Tätigkeit zu schaffen; der Patentinhaber muß dem­

nach berechtigt sein, die Verwendung patentierten selbstreplizierenden Materials unter

solchen Umständen zu verbieten, die den Umständen gleichstehen, unter denen die Ver­

wendung nicht selbstreplizierenden Materials verboten werden könnte, d. h. die Herstel­

lung des patentierten Erzeugnisses selbst.

(47) Es ist notwendig, eine erste Ausnahme von den Rechten des Patentinhabers vorzu­

sehen, wenn Vermehrungsmaterial, in das die geschützte Erfindung Eingang gefunden

hat, vom Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung zum landwirtschaftlichen Anbau an

einen Landwirt verkauft wird. Mit dieser Ausnahmeregelung soll dem Landwirt gestattet

werden, sein Erntegut für spätere generative oder vegetative Vermehrung in seinem eige­

nen Betrieb zu verwenden. Das Ausmaß und die Modalitäten dieser Ausnahmeregelung

sind auf das Ausmaß und die Bedingungen zu beschränken, die in der Verordnung (EG)

Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (6)

vorgesehen sind.

(48) Von dem Landwirt kann nur die Vergütung verlangt werden, die im gemeinschaftli­

chen Sortenschutzrecht im Rahmen einer Durchführungsbestimmung zu der Ausnahme

vom gemeinschaftlichen Sortenschutzrecht festgelegt ist.

(49) Der Patentinhaber kann jedoch seine Rechte gegenüber dem Landwirt geltend ma­

chen, der die Ausnahme mißbräuchlich nutzt, oder gegenüber dem Züchter, der die

Pflanzensorte, in welche die geschützte Erfindung Eingang gefunden hat, entwickelt hat,

falls dieser seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.

(50) Eine zweite Ausnahme von den Rechten des Patentinhabers ist vorzusehen, um es

Landwirten zu ermöglichen, geschütztes Vieh zu landwirtschaftlichen Zwecken zu benut­

zen.

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Vierter Bericht 2015

(51) Mangels gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen für die Züchtung von Tierrassen

müssen der Umfang und die Modalitäten dieser zweiten Ausnahmeregelung durch die

nationalen Gesetze, Rechts- und Verwaltungsvorschriften und Verfahrensweisen geregelt

werden.

(52) Für den Bereich der Nutzung der auf gentechnischem Wege erzielten neuen Merk­

male von Pflanzensorten muß in Form einer Zwangslizenz gegen eine Vergütung ein ga­

rantierter Zugang vorgesehen werden, wenn die Pflanzensorte in bezug auf die betreffen­

de Gattung oder Art einen bedeutenden technischen Fortschritt von erheblichem wirt­

schaftlichem Interesse gegenüber der patentgeschützten Erfindung darstellt.

(53) Für den Bereich der gentechnischen Nutzung neuer, aus neuen Pflanzensorten her­

vorgegangener pflanzlicher Merkmale muß in Form einer Zwangslizenz gegen eine Ver­

gütung ein garantierter Zugang vorgesehen werden, wenn die Erfindung einen bedeuten­

den technischen Fortschritt von erheblichem wirtschaftlichem Interesse darstellt.

(54) Artikel 34 des TRIPS-Übereinkommens enthält eine detaillierte Regelung der Beweis­

last, die für alle Mitgliedstaaten verbindlich ist. Deshalb ist eine diesbezügliche Bestim­

mung in dieser Richtlinie nicht erforderlich.

(55) Die Gemeinschaft ist gemäß dem Beschluß 93/626/EWG (7) Vertragspartei des

Übereinkommens über die biologische Vielfalt vom 5. Juni 1992. Im Hinblick darauf tragen

die Mitgliedstaaten bei Erlaß der Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung

dieser Richtlinie insbesondere Artikel 3, Artikel 8 Buchstabe j), Artikel 16 Absatz 2 Satz 2

und Absatz 5 des genannten Übereinkommens Rechnung.

(56) Die dritte Konferenz der Vertragsstaaten des Übereinkommens über die biologische

Vielfalt, die im November 1996 stattfand, stellte im Beschluß III/17 fest, daß weitere Arbei­

ten notwendig sind, um zu einer gemeinsamen Bewertung des Zusammenhangs zwi­

schen den geistigen Eigentumsrechten und den einschlägigen Bestimmungen des Über­

einkommens über handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums und des Überein­

kommens über die biologische Vielfalt zu gelangen, insbesondere in Fragen des Techno­

logietransfers, der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt sowie der

gerechten und fairen Teilhabe an den Vorteilen, die sich aus der Nutzung der genetischen

Ressourcen ergeben, einschließlich des Schutzes von Wissen, Innovationen und Prakti­

ken indigener und lokaler Gemeinschaften, die traditionelle Lebensformen verkörpern, die

für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt von Bedeutung sind ­

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Biopatent Monitoring Komitee

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

KAPITEL I Patentierbarkeit

Artikel 1

(1) Die Mitgliedstaaten schützen biotechnologische Erfindungen durch das nationale Pa­

tentrecht. Sie passen ihr nationales Patentrecht erforderlichenfalls an, um den Bestim­

mungen dieser Richtlinie Rechnung zu tragen.

(2) Die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus internationalen Übereinkommen, insbe­

sondere aus dem TRIPS-Übereinkommen und dem Übereinkommen über die biologische

Vielfalt, werden von dieser Richtlinie nicht berührt.

Artikel 2

(1) Im Sinne dieser Richtlinie ist

a) "biologisches Material" ein Material, das genetische Informationen enthält und sich

selbst reproduzieren oder in einem biologischen System reproduziert werden kann;

b) "mikrobiologisches Verfahren" jedes Verfahren, bei dem mikrobiologisches Material

verwendet, ein Eingriff in mikrobiologisches Material durchgeführt oder mikrobiologisches

Material hervorgebracht wird.

(2) Ein Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren ist im wesentlichen biologisch,

wenn es vollständig auf natürlichen Phänomenen wie Kreuzung oder Selektion beruht.

(3) Der Begriff der Pflanzensorte wird durch Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94

definiert.

Artikel 3

(1) Im Sinne dieser Richtlinie können Erfindungen, die neu sind, auf einer erfinderischen

Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind, auch dann patentiert werden, wenn sie

ein Erzeugnis, das aus biologischem Material besteht oder dieses enthält, oder ein Ver­

fahren, mit dem biologisches Material hergestellt, bearbeitet oder verwendet wird, zum

Gegenstand haben.

(2) Biologisches Material, das mit Hilfe eines technischen Verfahrens aus seiner natürli­

chen Umgebung isoliert oder hergestellt wird, kann auch dann Gegenstand einer Erfin­

dung sein, wenn es in der Natur schon vorhanden war.

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Vierter Bericht 2015

Artikel 4

(1) Nicht patentierbar sind

a) Pflanzensorten und Tierrassen,

b) im wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren.

(2) Erfindungen, deren Gegenstand Pflanzen oder Tiere sind, können patentiert werden,

wenn die Ausführungen der Erfindung technisch nicht auf eine bestimmte Pflanzensorte

oder Tierrasse beschränkt ist.

(3) Absatz 1 Buchstabe b) berührt nicht die Patentierbarkeit von Erfindungen, die ein mik­

robiologisches oder sonstiges technisches Verfahren oder ein durch diese Verfahren ge­

wonnenes Erzeugnis zum Gegenstand haben.

Artikel 5

(1) Der menschliche Körper in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung

sowie die bloße Entdeckung eines seiner Bestandteile, einschließlich der Sequenz oder

Teilsequenz eines Gens, können keine patentierbaren Erfindungen darstellen.

(2) Ein isolierter Bestandteil des menschlichen Körpers oder ein auf andere Weise durch

ein technisches Verfahren gewonnener Bestandteil, einschließlich der Sequenz oder

Teilsequenz eines Gens, kann eine patentierbare Erfindung sein, selbst wenn der Aufbau

dieses Bestandteils mit dem Aufbau eines natürlichen Bestandteils identisch ist.

(3) Die gewerbliche Anwendbarkeit einer Sequenz oder Teilsequenz eines Gens muß in

der Patentanmeldung konkret beschrieben werden.

Artikel 6

(1) Erfindungen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die

guten Sitten verstoßen würde, sind von der Patentierbarkeit ausgenommen, dieser Ver­

stoß kann nicht allein daraus hergeleitet werden, daß die Verwertung durch Rechts- oder

Verwaltungsvorschriften verboten ist.

(2) Im Sinne von Absatz 1 gelten unter anderem als nicht patentierbar:

a) Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen;

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Biopatent Monitoring Komitee

b) Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des menschlichen

Lebewesens;

c) die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen

Zwecken;

d) Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren, die geeignet sind,

Leiden dieser Tiere ohne wesentlichen medizinischen Nutzen für den Menschen oder das

Tier zu verursachen, sowie die mit Hilfe solcher Verfahren erzeugten Tiere.

Artikel 7

Die Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien

der Kommission bewertet alle ethischen Aspekte im Zusammenhang mit der Biotechnolo­

gie.

KAPITEL II Umfang des Schutzes

Artikel 8

(1) Der Schutz eines Patents für biologisches Material, das aufgrund der Erfindung mit

bestimmten Eigenschaften ausgestattet ist, umfaßt jedes biologische Material, das aus

diesem biologischen Material durch generative oder vegetative Vermehrung in gleicher

oder abweichender Form gewonnen wird und mit denselben Eigenschaften ausgestattet

ist.

(2) Der Schutz eines Patents für ein Verfahren, das die Gewinnung eines aufgrund der

Erfindung mit bestimmten Eigenschaften ausgestatteten biologischen Materials ermög­

licht, umfaßt das mit diesem Verfahren unmittelbar gewonnene biologische Material und

jedes andere mit denselben Eigenschaften ausgestattete biologische Material, das durch

generative oder vegetative Vermehrung in gleicher oder abweichender Form aus dem

unmittelbar gewonnenen biologischen Material gewonnen wird.

Artikel 9

Der Schutz, der durch ein Patent für ein Erzeugnis erteilt wird, das aus einer genetischen

Information besteht oder sie enthält, erstreckt sich vorbehaltlich des Artikels 5 Absatz 1

auf jedes Material, in das dieses Erzeugnis Eingang findet und in dem die genetische In­

formation enthalten ist und ihre Funktion erfuellt.

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Vierter Bericht 2015

Artikel 10

Der in den Artikeln 8 und 9 vorgesehene Schutz erstreckt sich nicht auf das biologische

Material, das durch generative oder vegetative Vermehrung von biologischem Material

gewonnen wird, das im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats vom Patentinhaber oder mit

dessen Zustimmung in Verkehr gebracht wurde, wenn die generative oder vegetative

Vermehrung notwendigerweise das Ergebnis der Verwendung ist, für die das biologische

Material in Verkehr gebracht wurde, vorausgesetzt, daß das so gewonnene Material an­

schließend nicht für andere generative oder vegetative Vermehrung verwendet wird.

Artikel 11

(1) Abweichend von den Artikeln 8 und 9 beinhaltet der Verkauf oder das sonstige Inver­

kehrbringen von pflanzlichem Vermehrungsmaterial durch den Patentinhaber oder mit

dessen Zustimmung an einen Landwirt zum landwirtschaftlichen Anbau dessen Befugnis,

sein Erntegut für die generative oder vegetative Vermehrung durch ihn selbst im eigenen

Betrieb zu verwenden, wobei Ausmaß und Modalitäten dieser Ausnahmeregelung denje­

nigen des Artikels 14 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 entsprechen.

(2) Abweichend von den Artikeln 8 und 9 beinhaltet der Verkauf oder das sonstige Inver­

kehrbringen von Zuchtvieh oder von tierischem Vermehrungsmaterial durch den Patentin­

haber oder mit dessen Zustimmung an einen Landwirt dessen Befugnis, das geschützte

Vieh zu landwirtschaftlichen Zwecken zu verwenden. Diese Befugnis erstreckt sich auch

auf die Überlassung des Viehs oder anderen tierischen Vermehrungsmaterials zur Fort­

führung seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit, jedoch nicht auf den Verkauf mit dem Ziel

oder im Rahmen einer gewerblichen Viehzucht.

(3) Das Ausmaß und die Modalitäten der in Absatz 2 vorgesehenen Ausnahmeregelung

werden durch die nationalen Gesetze, Rechts- und Verwaltungsvorschriften und Verfah­

rensweisen geregelt.

KAPITEL III Zwangslizenzen wegen Abhängigkeit

Artikel 12

(1) Kann ein Pflanzenzüchter ein Sortenschutzrecht nicht erhalten oder verwerten, ohne

ein früher erteiltes Patent zu verletzen, so kann er beantragen, daß ihm gegen Zahlung

einer angemessenen Vergütung eine nicht ausschließliche Zwangslizenz für die patent­

geschützte Erfindung erteilt wird, soweit diese Lizenz zur Verwertung der zu schützenden

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Biopatent Monitoring Komitee

Pflanzensorte erforderlich ist. Die Mitgliedstaaten sehen vor, daß der Patentinhaber, wenn

eine solche Lizenz erteilt wird, zur Verwertung der geschützten Sorte Anspruch auf eine

gegenseitige Lizenz zu angemessenen Bedingungen hat.

(2) Kann der Inhaber des Patents für eine biotechnologische Erfindung diese nicht verwer­

ten, ohne ein früher erteiltes Sortenschutzrecht zu verletzen, so kann er beantragen, daß

ihm gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung eine nicht ausschließliche Zwangsli­

zenz für die durch dieses Sortenschutzrecht geschützte Pflanzensorte erteilt wird. Die

Mitgliedstaaten sehen vor, daß der Inhaber des Sortenschutzrechts, wenn eine solche

Lizenz erteilt wird, zur Verwertung der geschützten Erfindung Anspruch auf eine gegen­

seitige Lizenz zu angemessenen Bedingungen hat.

(3) Die Antragsteller nach den Absätzen 1 und 2 müssen nachweisen, daß

a) sie sich vergebens an den Inhaber des Patents oder des Sortenschutzrechts gewandt

haben, um eine vertragliche Lizenz zu erhalten;

b) die Pflanzensorte oder Erfindung einen bedeutenden technischen Fortschritt von er­

heblichem wirtschaftlichen Interesse gegenüber der patentgeschützten Erfindung oder der

geschützten Pflanzensorte darstellt.

(4) Jeder Mitgliedstaat benennt die für die Erteilung der Lizenz zuständige(n) Stelle(n).

Kann eine Lizenz für eine Pflanzensorte nur vom Gemeinschaftlichen Sortenamt erteilt

werden, findet Artikel 29 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 Anwendung.

KAPITEL IV Hinterlegung von, Zugang zu und erneute Hinterlegung von biologi­

schem Material

Artikel 13

(1) Betrifft eine Erfindung biologisches Material, das der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist

und in der Patentanmeldung nicht so beschrieben werden kann, daß ein Fachmann diese

Erfindung danach ausführen kann, oder beinhaltet die Erfindung die Verwendung eines

solchen Materials, so gilt die Beschreibung für die Anwendung des Patentrechts nur dann

als ausreichend, wenn

a) das biologische Material spätestens am Tag der Patentanmeldung bei einer anerkann­

ten Hinterlegungsstelle hinterlegt wurde. Anerkannt sind zumindest die internationalen

Hinterlegungsstellen, die diesen Status nach Artikel 7 des Budapester Vertrags vom 28.

April 1977 über die internationale Anerkennung der Hinterlegung von Mikroorganismen für

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Vierter Bericht 2015

Zwecke von Patentverfahren (im folgenden "Budapester Vertrag" genannt) erworben ha­

ben;

b) die Anmeldung die einschlägigen Informationen enthält, die dem Anmelder bezüglich

der Merkmale des hinterlegten biologischen Materials bekannt sind;

c) in der Patentanmeldung die Hinterlegungsstelle und das Aktenzeichen der Hinterlegung

angegeben sind.

(2) Das hinterlegte biologische Material wird durch Herausgabe einer Probe zugänglich

gemacht:

a) bis zur ersten Veröffentlichung der Patentanmeldung nur für Personen, die nach dem

innerstaatlichen Patentrecht hierzu ermächtigt sind;

b) von der ersten Veröffentlichung der Anmeldung bis zur Erteilung des Patents für jede

Person, die dies beantragt, oder, wenn der Anmelder dies verlangt, nur für einen unab­

hängigen Sachverständigen;

c) nach der Erteilung des Patents ungeachtet eines späteren Widerrufs oder einer Nichti­

gerklärung des Patents für jede Person, die einen entsprechenden Antrag stellt.

(3) Die Herausgabe erfolgt nur dann, wenn der Antragsteller sich verpflichtet, für die Dau­

er der Wirkung des Patents

a) Dritten keine Probe des hinterlegten biologischen Materials oder eines daraus abgelei­

teten Materials zugänglich zu machen und

b) keine Probe des hinterlegten Materials oder eines daraus abgeleiteten Materials zu

anderen als zu Versuchszwecken zu verwenden, es sei denn, der Anmelder oder der In­

haber des Patents verzichtet ausdrücklich auf eine derartige Verpflichtung.

(4) Bei Zurückweisung oder Zurücknahme der Anmeldung wird der Zugang zu dem hinter­

legten Material auf Antrag des Hinterlegers für die Dauer von 20 Jahren ab dem Tag der

Patentanmeldung nur einem unabhängigen Sachverständigen erteilt. In diesem Fall findet

Absatz 3 Anwendung.

(5) Die Anträge des Hinterlegers gemäß Absatz 2 Buchstabe b) und Absatz 4 können nur

bis zu dem Zeitpunkt eingereicht werden, zu dem die technischen Vorarbeiten für die Ver­

öffentlichung der Patentanmeldung als abgeschlossen gelten.

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Biopatent Monitoring Komitee

Artikel 14

(1) Ist das nach Artikel 13 hinterlegte biologische Material bei der anerkannten Hinterle­

gungsstelle nicht mehr zugänglich, so wird unter denselben Bedingungen wie denen des

Budapester Vertrags eine erneute Hinterlegung des Materials zugelassen.

(2) Jeder erneuten Hinterlegung ist eine vom Hinterleger unterzeichnete Erklärung beizu­

fügen, in der bestätigt wird, daß das erneut hinterlegte biologische Material das gleiche

wie das ursprünglich hinterlegte Material ist.

KAPITEL V Schlußbestimmungen

Artikel 15

(1) Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften,

um dieser Richtlinie bis zum 30. Juli 2000 nachzukommen. Sie setzen die Kommission

unmittelbar davon in Kenntnis.

Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften

selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie

Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.

(2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit,

die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.

Artikel 16

Die Kommission übermittelt dem Europäischen Parlament und dem Rat folgendes:

a) alle fünf Jahre nach dem in Artikel 15 Absatz 1 vorgesehenen Zeitpunkt einen Bericht

zu der Frage, ob durch diese Richtlinie im Hinblick auf internationale Übereinkommen

zum Schutz der Menschenrechte, denen die Mitgliedstaaten beigetreten sind, Probleme

entstanden sind;

b) innerhalb von zwei Jahren nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie einen Bericht, in

dem die Auswirkungen des Unterbleibens oder der Verzögerung von Veröffentlichungen,

deren Gegenstand patentierfähig sein könnte, auf die gentechnologische Grundlagenfor­

schung evaluiert werden;

c) jährlich ab dem in Artikel 15 Absatz 1 vorgesehenen Zeitpunkt einen Bericht über die

Entwicklung und die Auswirkungen des Patentrechts im Bereich der Bio- und Gentechno­

logie.

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Vierter Bericht 2015

Artikel 17

Diese Richtlinie tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Ge­

meinschaften in Kraft.

Artikel 18

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

9. ANNEX II: Rechtsgrundlage

§ 166. (1) Das Biopatent Monitoring Komitee beobachtet und bewertet die Auswirkungen

der Umsetzung der Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom

6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, ABl. Nr. L 213

vom 30. Juli 1998, S.13, in österreichisches Recht im Hinblick auf relevante mit Schutz­

wirkung für die Republik Österreich erteilte nationale Patente und Gebrauchsmuster.

(2) Dem Biopatent Monitoring Komitee kommen insbesondere die sich aus der Entschlie­

ßung des Nationalrats vom 16. April 1998, 107/E (XX. GP), ergebenden Aufgaben zu:

1. Überprüfung der Auswirkungen der in Umsetzung der Richtlinie erlassenen österreichi­

schen Rechtsvorschriften auf Menschenrechte, Tiere, Pflanzen und ökologische Systeme

sowie auf den Konsumentenschutz, die Landwirtschaft und die Entwicklungsländer;

2. Überprüfung der nationalen Erteilungs- und Spruchpraxis, insbesondere hinsichtlich § 1

Abs. 3 Z 2 und 3, § 2 Abs. 2 Satz 1 sowie §§ 36 und 37;

3. Überprüfung, ob die in Umsetzung der Richtlinie erlassenen österreichischen Rechts­

vorschriften folgenden Grundsätzen gerecht werden:

a) kein Patentschutz für Verfahren zum Klonen von Menschen und zur Veränderung der

menschlichen Keimbahn;

b) kein Patentschutz für Verfahren, in denen menschliche Embryonen verwendet werden,

und für Embryonen selbst;

c) keine weitere Einschränkung der „Tierschutzklausel” gemäß Art. 6 Abs. 2 lit. d der

Richtlinie;

d) Gewährung des Viehzüchter- und Landwirteprivilegs gemäß Art. 11 der Richtlinie;

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Biopatent Monitoring Komitee

e) Wahrung der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt,

BGBl. Nr. 213/1995.

4. Beobachtung der forschungs- und wirtschaftspolitischen Konsequenzen, insbesondere

auch auf kleine und mittlere Unternehmen.

(3) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat in Abständen von

drei Jahren dem Nationalrat einen Bericht über die Beobachtungen und Bewertungen des

Biopatent Monitoring Komitees zu übermitteln. Der erste Bericht ist spätestens am 30.

Juni 2012 zu übermitteln.

§ 167. (1) Dem Biopatent Monitoring Komitee gehören folgende Mitglieder an:

1. ein Vertreter des Bundeskanzleramts;

2. ein Vertreter des Bundesministers für Gesundheit;

3. ein Vertreter des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasser­

wirtschaft;

4. ein Vertreter des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie;

5. ein Vertreter des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend;

6. ein Vertreter des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung;

7. ein Vertreter der Bioethikkommission;

8. ein Vertreter der Wirtschaftskammer Österreich;

9. ein Vertreter der Landwirtschaftskammer Österreich;

10. ein Vertreter des Österreichischen Gewerkschaftsbundes;

11. ein Vertreter der Österreichischen Patentanwaltskammer;

12. ein Vertreter des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages;

13. ein Vertreter der Vereinigung der Österreichischen Industrie;

14. ein Vertreter der Österreichischen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und

Urheberrecht;

15. ein Vertreter des Rings der Industrie-Patentingenieure Österreichs;

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Vierter Bericht 2015

16. ein Vertreter des Vereins für Konsumenteninformation;

17. ein Vertreter der Umweltbundesamt GmbH;

18. ein Vertreter des Ökobüro - Koordinationsstelle österreichischer Umweltorganisatio­

nen.

(2) Das Komitee soll für den Dialog mit interessierten Bürgerinnen und Bürgern offen sein.

(3) Der Vorsitzende des Biopatent Monitoring Komitees und ein allfälliger Stellvertreter

werden von den Mitgliedern des Komitees gewählt. Das Komitee ist beschlussfähig, wenn

mindestens die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist. Die Beschlüsse werden mit einfa­

cher Stimmenmehrheit gefasst, bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsit­

zenden.

(4) Das Komitee hat sich eine Geschäftsordnung zu geben und kann auch Arbeitsgruppen

bilden. In Erfüllung seiner Aufgaben ist das Komitee berechtigt, Experten und sonstige

Auskunftspersonen beizuziehen und an diese entgeltliche Aufträge zu vergeben.

(5) Dem Vorsitzenden des Komitees obliegt die Vertretung des Komitees nach außen. Die

Tätigkeit der Mitglieder des Komitees ist ein unbesoldetes Ehrenamt.

(6) Die beim Patentamt eingerichtete Geschäftsstelle unterstützt das Komitee, seinen

Vorsitzenden und allfällig eingerichtete Arbeitsgruppen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben.

Die Geschäftsstelle hat für jedes Kalenderjahr einen Voranschlag und einen Rechnungs­

abschluss zu erstellen.

10. ANNEX III: Geschäftsordnung

Das gemäß der §§ 166, 167 Patentgesetz eingerichtete Österreichische Biopatent Monito­

ring-Komitee – im Folgenden „Komitee“ – hat in der Sitzung vom 30. September 2010

nachstehende Geschäftsordnung erlassen:

Die in dieser Geschäftsordnung verwendeten personenbezogenen Ausdrücke beziehen

sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise.

§ 1. (1) Der Vorsitzende beruft das Komitee zu Sitzungen ein. Zusätzlich ist - wenn dies

ein Drittel der Mitglieder des Komitees unter Angabe von Gründen des zu behandelnden

Gegenstandes verlangen - das Komitee unverzüglich zu einer Sitzung einzuberufen.

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Biopatent Monitoring Komitee

(2) Die Einladung zu den Sitzungen hat schriftlich oder – soweit möglich – auf elektroni­

schem Weg zu erfolgen; hierbei sind Termin und Ort der Sitzung bekannt zu geben und

die vorläufige Tagesordnung samt Sitzungsunterlagen anzuschließen.

(3) Die Einladung zur Sitzung muss spätestens zwei Wochen vor Abhaltung der Sitzung

schriftlich ergehen.

§ 2. (1) An den Sitzungen des Komitees nehmen die Mitglieder des Komitees, Angehörige

der Geschäftsstelle und gegebenenfalls beigezogene Experten bzw. sonstige Auskunfts­

personen teil.

(2) Eine Beiziehung von Experten bzw. sonstigen Auskunftspersonen erfolgt durch Einla­

dung zu den jeweiligen Sitzungen.

(3) Ein an der Teilnahme verhindertes Mitglied hat rechtzeitig Vorsorge für seine Stellver­

tretung zu treffen.

§ 3. (1) Der Vorsitzende sorgt für einen geordneten Ablauf der Sitzung und achtet unter­

stützt von der Geschäftsstelle auf die Einhaltung der Geschäftsordnung.

(2) Der Vorsitzende erteilt das Wort, bringt ggf. Anträge zur Abstimmung und verkündet

die Entscheidungen. Am Ende jeder Sitzung kündigt er den Termin der nächsten Sitzung

an und gibt einen Ausblick auf die für diese Sitzung absehbaren Tagesordnungspunkte.

(3) Der Vorsitzende kann eine Sitzung des Komitees unterbrechen. Eine Vertagung der

Sitzung bedarf eines Beschlusses des Komitees. Kann der Termin für die Wiederaufnah­

me der vertagten Sitzung bereits zum Zeitpunkt des Vertagungsbeschlusses bestimmt

werden, so bedarf es keiner gesonderten Einladung zu dieser Sitzung.

§ 4. (1) Die vorläufige Tagesordnung enthält

1. jeden Gegenstand, dessen Aufnahme in die Tagesordnung das Komitee auf früheren

Sitzungen beschlossen hat;

2. jeden von dem Vorsitzenden vorgeschlagenen Gegenstand;

3. den Punkt „Allfälliges“

(2) Bei Beginn jeder Sitzung ist die Tagesordnung zu beschließen.

(3) Die Aufnahme von Gegenständen, die nicht auf der vorläufigen Tagesordnung stehen,

ist durch Mehrheitsbeschluss möglich.

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Vierter Bericht 2015

(4) Während einer Sitzung kann das Komitee Gegenstände zurückstellen oder absetzen.

(5) Unter „Allfälliges“ dürfen keine Beschlüsse gefällt werden.

§ 5. (1) Das Protokoll ist den Mitgliedern des Komitees innerhalb von 14 Tagen nach Be­

endigung der Sitzung vorzulegen.

(2) Das Protokoll ist in der nächstfolgenden Sitzung zu beschließen.

§ 6. (1) Das Komitee kann die Veröffentlichung von Beschlüssen in geeigneter Form be­

schließen.

(2) Bei der Veröffentlichung nach Abs. 1 sind – sofern das Komitee nicht anderes be­

schließt – gegebenenfalls auch die von der Mehrheitsmeinung abweichenden Auffassun­

gen von Mitgliedern festzuhalten.

(3) Dem Vorsitzenden obliegt die Vertretung des Komitees nach außen.

§ 7. (1) Das Komitee kann zur Vorbereitung von Gegenständen mit Beschluss Arbeits­

gruppen einsetzen.

(2) Die Arbeitsgruppen bestehen aus Mitgliedern des Komitees. Die Arbeitsgruppen wer­

den von der Geschäftsstelle unterstützt. Auf die Tätigkeit der Arbeitsgruppe findet diese

Geschäftsordnung sinngemäß Anwendung.

(3) Die Zusammensetzung, die Leitung und die Befugnisse der Arbeitsgruppen beschließt

das Komitee.

(4) Die Leitung der Arbeitsgruppe berichtet dem Komitee über den Fortgang der Beratun­

gen der Arbeitsgruppe.

§ 8. (1) Das Komitee ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte seiner Mitglieder

anwesend sind.

(2) Beschlüsse werden mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst, bei Stimmengleichheit

entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.

§ 9. Der Vorsitzende des Komitees und ein allfälliger Stellvertreter werden von den Mit­

gliedern des Komitees gewählt.

§ 10. (1) Mitglieder des Komitees sind Vertreter jener Stellen, die in § 167 Abs. 1 Patent­

gesetz genannt sind.

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Biopatent Monitoring Komitee

(2) Darüber hinaus ist die Beiziehung von Experten und sonstiger Auskunftspersonen

sowie die Vergabe entgeltlicher Aufträge an diese möglich.

(3) Die Tätigkeit der Mitglieder ist ein unbesoldetes Ehrenamt

§ 11. (1) Die Geschäftsstelle unterstützt das Komitee, den Vorsitzende und die Arbeits­

gruppen bei der Erfüllung der Aufgaben.

(2) Dabei obliegt es der Geschäftsstelle insbesondere:

1. die laufenden Geschäfte des Komitees zu führen;

2. den Vorsitzende bei der Einhaltung der Geschäftsordnung zu unterstützen;

3. die Sitzungen des Komitees und ggf. der Arbeitsgruppen vorzubereiten.

4. die Protokolle zu erstellen und für deren Aufbewahrung zu sorgen;

5. Verfahrensleitende Beschlüsse durchzuführen;

6. die erforderlichen Informationen einzuholen;

7. die Arbeitsunterlagen zu dokumentieren;

8. für jedes Kalenderjahr einen Voranschlag und einen Rechnungsabschluss zu erstellen

9. die Berichterstattung an den Nationalrat vorzubereiten

11. ANNEX IV: Abkürzungsverzeichnis

ABS Access and Benefit Sharing; Zugang zu genetischen Ressourcen und gerechter Vor­

teilsausgleich)

CBD Convention on Biological Diversity (= Übereinkommen über die Biologische Vielfalt)

DARPin Designed Ankyrin Repeat Proteins

DNA Desoxyribonucleinsäure

EP Europäisches Patent

EPA Europäisches Patentamt

EPÜ Europäisches Patentübereinkommen

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Vierter Bericht 2015

EuGH Europäischer Gerichtshof

FAO Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der Vereinten Nationen

GMDN Global Medical Device Nomenclature

IPC Internationale Patentklassifikation

ISIC International Standard Industrial Classification

NACE Statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft

OECD Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

PatG Patentgesetz

PCT Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens

TRIPS Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigen­

tums

USC US Supreme Court

US-PTO US-Patent and Trademark Office

WTO World Trade Organization

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