Versuche, um die Existenz des milchsauren Harnstoffes in dem normalen Harne des Menschen...

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Cap u. Henry, iib. milchsauren Harnstoff. 897 den analoge Producte erhalten. Aber die Reaction des Zinn- chlorids auf die Siiuren erzeugt zugleich eine reichlichc Ent- wickelung von Chlor und salpetriger Salpetersiiure, und bei der Destillation bleibt Zinnoryd zuruck. [Pie am meisten SnuerslolY enthaltenden Stickstoffverbindun- gen scheinen dureh die CVIirmc auf den Zustand der Verbin- dung der Chloriire mit. Stiokstoffoxyd zuruckgefuhrt zu werden, welche unter den erwiihnten Verbindungen die meivte Stabifi- tat aeigt. XXVIII. T'e?*stcche, uni die Existena des rnilchsnuren Harastoffes in dern nornaulen Enrne des Menschen nachmii weisen. Von CAP ma HENRY. (Juicrn. de Pliitrm. Juin 18Ji. p. .W,) Wir wurtlen fruher bei Untersuchung der chemischen Na- tur eines nicht normalen tlarnes veranlasst, zu untersuchen, in welchem Zuslandc der Zlnrnsloff jin Harm des Wenschen exi- stire %).. Any tlicser k'iitcrsuchung ergnb sich , dass dieser Stoff sich tliwin rrirht irn freien Zustande vorfand ~ sondern in Verbindung rnit der IWilcIisBure und vielleicht aoch mit Phosphorsiiurc. Der auf dlroctem Wege erhilltet~cnatiirlichc milchsaure HarnstciT wurde rnit dcrn vergiichen, welclier nus der kunstlicheri Verbindung tlcs HarnstofTcs durch wasser!raltige MiIchsiiure oder ~UY dcr tloppellen Zcrselzung dcs milclrsnuren Kalkes durch oxnlsnuren Unrnsloff erituteht. Die Identitiit &en uns vollstiindig, und indem wir uns RUP die sehr grosse Fliich- tigkeit des milchsauren Hnrnstoffes , auP seine bedeulctde LGs- lichkeit und seine ausserordentlichett bygrometrischen Eigen- schaften stutzten, suchtcn wir die Schwierigkeiren zu crliliiren, die sich darbieten , um ohne Dazwisehenliunft der Salpetersiiure oder Oxalsiiurc den Harnstofi BUJ dem Barne direct sbmschei- *) S. dies. Journ. XIV. 500.

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Cap u. H e n r y , iib. milchsauren Harnstoff. 897

den analoge Producte erhalten. Aber die Reaction des Zinn- chlorids auf die Siiuren erzeugt zugleich eine reichlichc Ent- wickelung von Chlor und salpetriger Salpetersiiure, und bei der Destillation bleibt Zinnoryd zuruck.

[Pie am meisten SnuerslolY enthaltenden Stickstoffverbindun- gen scheinen dureh die CVIirmc auf den Zustand der Verbin- dung der Chloriire mit. Stiokstoffoxyd zuruckgefuhrt z u werden, welche unter den erwiihnten Verbindungen die meivte Stabifi- tat aeigt.

XXVIII. T'e?*stcche, uni d i e Existena d e s r n i l c h s n u r e n

H a r a s t o f f e s i n dern nornaulen E n r n e d e s M e n s c h e n nachmii w e i s e n .

Von C A P m a HENRY.

(Juicrn. de Pliitrm. Juin 1 8 J i . p . .W,)

Wir wurtlen fruher bei Untersuchung der chemischen Na- tur eines nicht normalen tlarnes veranlasst, zu untersuchen, i n welchem Zus landc der Zlnrnsloff jin Harm des Wenschen exi- stire %).. Any tlicser k'iitcrsuchung ergnb sich , dass dieser Stoff sich tliwin rrirht irn freien Zustande vorfand ~ sondern in Verbindung rnit der IWilcIisBure u n d vielleicht aoch mit Phosphorsiiurc. Der auf dlroctem Wege erhilltet~c natiirlichc milchsaure HarnstciT wurde rnit dcrn vergiichen, welclier nus der kunstlicheri Verbindung tlcs HarnstofTcs durch wasser!raltige MiIchsiiure oder ~ U Y dcr tloppellen Zcrselzung dcs milclrsnuren Kalkes durch oxnlsnuren Unrnsloff erituteht. Die Identitiit &en u n s vollstiindig, und indem wir uns RUP die sehr grosse Fliich- tigkeit des milchsauren Hnrnstoffes , auP seine bedeulctde LGs- lichkeit und seine ausserordentlichett bygrometrischen Eigen- schaften stutzten, suchtcn wir die Schwierigkeiren zu crliliiren, die sich darbieten , um ohne Dazwisehenliunft der Salpetersiiure oder Oxalsiiurc den Harnstofi BUJ dem Barne direct sbmschei-

*) S. dies. Journ. XIV. 500.

298 C a p 11. H e n r y , iib. milchsauren Hamstoff.

den. W i t zeigten, dass dec r e h e Harnsloff 6 iCh von seinem milchsauren S a k e durch seine geringe Fliichtigkeit , so wie diirch seine Unverdnderlichkeit und Unzerfliesslicbkeit an der freien Luft uriterscbeidet. Endlicb unferscheidet sich, wie wir noch bemerkten, der milchsaure Harnstotf auch von den Aio- moniaksaleen dadurch, dass die Salpetersiiure ihm Harnstoff ent- zieht und duss geliivcbter Kalk in der Kiilfe daraus nicfit so- gleich Ammoniakgas entwickelt.

Einige Zeit nach Bekannlmachung dieser Abliandlung zng L e c a n u unsere Behaupfungen 0 ) in Zweifel und suchte xu heweisen, (lass iin normalen Barne der tlsrnstoff und die Milcheiiiire irn freien Zudande vorkommen und unabhiingig von einnndcr exisfircn. Da wir Willens waren, u n s davon an uber- neugen, ob wir uns durch unsere ersten Versuche hfitten in Irr- t h u m fiihren lassen, stellfen wir neue Versuche an , durch die wir die Existcnz des natiirlichcrr milchsauren Harnstoges nach- weiseii zu Liijnneri glaubfen. Folgendes sind die Thatsachen, nuf die wir 011s stufzen.

Wenn man eine gewisse Menge von Priscbem normalem Menscbenharn bei eirier 120' C. nicht iibersteigenden Wiirme bis zu 56 seines Volumens abdnmpft, so erhilt man nach dem Erkalfen eine klare briiunlictie, sehr saure Fliissigkeit, die man sorgfiilfig fillriren muss, urn einen schmuaig-weissen Absnlz ab- auscheiden, rvelcher sich wahrend des Concentrirens bildet. Die Pliissigkeit wird voii Neuem bei einer gelinden Wiirme dem AbdampFen bis zur Sirupscooshtenz unlerworfeii , nachher im luftleeren Raume bei Anwesenheit von Rijrpern , welcbe das Wasser sehr begierig an sicb ziehen, fast ganz frocken gemuchf.

Der Riickstand dieser Operation wird in cine Flasche mit eiiigescliliffenem Sfijpsel gebrachl und in der KLke mit seinem IOfache? oder i2fachen Genicht von einem Gcmerige aus 2 Th. Schwet'eliither und I Tti. reclificirfem 1V:cingeist zusam- mengebracht. DaR Ganze wird O f t gescbiittelt und nach eini- gen Tagen giesst man die atberisclle Fliissiglieit , welche eine Bernsteinfarbe angenommen hat, ab. Diese Fliissigkeit iut nach dem Filtriren sehr saner. Man Rcbiittelt uie in einer Flasche

*) 9. dies. Joorn. XXI. 3.

Cap u. H e n r y , iib. milchsaureo Harnstoff. 229

mil einem geringen Ueberschusse en6weder voo kohlensaurem Kalk , kolrlensourern Irinkoxyd oder kohlensaurem Baryt, oder von doppelt-kohlensaurem Ksli. Hierdurch entsleht ein deulli- ches AuPbrousen, und es hildeii sich tlurch Siiltigung tier in dem Harne enthaltenen Preien Milchsiiure und freien Phosphorsiiure die milchsauren und phospborsauren Salze des Kalkes , Zink- oxyds, Boryts oder ties Kali’s.

Der Ltherische fliissige Theil, von Neuem flltrirt und einer sehr gelinden Wiirrne ansgesefzt, giebt bald in beiden Fiillen sehr schijne prismtlfische Krystalle von milchsaurem Hamstoff, welche den kiinsllich erhaltenen ganz iihnlich sind. Diese Kry- stalle sintl sechsseitige lange durchsichfige Prismen von kuh- lendem Geschmack, die bei einer miissigen Wiirme fliichtig sind und sich ganzlich zersetzen lassen, wenn man sie RUP eiri his zum Rolhgliihen erhitztes Platinblech bringt. Sie siiid sehr 16s- lich in Alkohol, in Wasser, alkoholisirtem Aefher, weniger aber in SchrvePeltither. Sie ziehen leicht Feuchtigkeit an und zerfliessen vollstLndig ZU eiuer klnren Fliissigkeit, welche bei einer gelin- den Erwjirmung neue Kryslalle giebt. Die Oxalsiore und Sal- petersiiure bewirken darin Niederschliigo von krystallinischen perlmutterglhnzenden Hlhltchen oder nadelformigen Krystallen. Durch Kalkhydrnt wirti nicht sogleich Ammoniak daraus ent- wiclielt, wie diess bei den Arnmoniaksalzen geschieht. Urn zu beweisen, dass sich darin die Milchsiiure mit dem Harnsfoffe in Verbindung befindef, stellten wir Polgende Versuche an:

Nachdem wir eine gewisse Menge von diesen Krystallen, die wir durch die Preiwillige Abdampfung der iitherischen wein- geistigen Fliissigkeit erhalten halten , in Fliesspapier aospress- ten, wurden sie in 3 gleiche Theile, A, B, C, getheilt.

A] Diese Krysfnlle wurden nach dem dufliisen in reinem Wnsser mit einem Ueberschusse von Zinkhydrat, welches frisch bereitet und an der freien LuPt getrocknet worden mar, gelinde erwiirmt. Das Gemenge wurde bei einer gehorig geleitelen W i r m e bis zur Trorkne abgedampft. Es wurde alsdonn in der Whrme mit wasserhslligem Schwefellther behandelt , welcher den Harnstoff auflBsle untl ihn nach dern Abdampfen an der Luft in nicht hygrometrischen Krystallen gab. Der durch die- ses Vehikel nicht sngegriffene Riicksland wurde mit warmem destillirtem Wssser behandelt, filtrirt und im Sandbade abge-

230 Cap u. H e n r y , iib. milchsauren Hamstoff.

dampft. Diese Operation gab weisso nadelfiirmige und zusam- mcnxiehende Krystalle von milchsaurem Zinlioxyd.

B) Eine antlere Portion der Krystalle ivurde mil einer Ba- rytaufliisung behandelf, xur Trockne abgedampft und nsch ein- ander mit Schwefeliither und verdiinntein Alkohol behantlelt. Der Aether eotzog den reinen Harnstoff untl tler Alkohol nabm trock- nen mitchsouren Baryt aul', der sebr liislich ist, sich in der Wiirme zersetzt untl die schwefetsauren Sake nach Art der Barytsalze u. s. IV. d l l t .

C) Endliclz wurtle zu dem dritten Theile derselben Kry- stalie, der in einer geringen Menge Wasser aufgelijst war, reine Oxalsdure zugesetzt, bis der kryslallinische Niederschlag von oxalsaurem Harnstoff sufhiirte. Es wurde sorgfiiltig bis zur Trocknc nbgedampft unil das Product der Wirkung des Aethers unlerworfen , tler mit von rectificirtem Weingeist gemertgt war. Die mil einein Ueberschusse von liohlensaurem Kalk be- handelte Fliissigkeit ivurde- in der Kiilte mit Alkohol von doo zusammengelassen. Wir liessen nschher warmes destillirtes Wasser auf den nieht nufgeliisten Ruckstand reagiren, und naeh dem Filtriren wurde das Abdnmpfen mit der griissten Sorgfalt vorgenommeu. Das Product dieser letztern Operation war ein liisliches Salx , tfas allmjihlig kryslallisirlo und alle beliannlen Charaktere des inilchsauren h'allres zeigte <:).

Aus diesen vorhergehentlen Versuchen geht offenbar her- vor, dass m a n ? oachdem von dem abgetfampften Ewne die mi- krokosmisclren Sake abgeschieden und die im Ueberschusse vor- handene Milchsiiure sowohl RIS Phosphorsiure gesattigt worden sind, durch Anwendung vori alkoholisirtem Aether ein kryslsl- linischcs Product erhdlt, worin L e c a n u die Anwesenheit der Milchsiure und des UarnstolTes erkannte, class Form und Ei- genschaften dieser Krystalle sehr verschieden von denen des rei- nen Harnstoffes sind, und dsss sie in Allem denen iibnlich sind, welcbe man dureh die directe Wirlcung der Milchsiure und des HarnstotTes erhiilt, dass endlich die Hydrate des Zinkoxyds, des

*) Wenn man liier die OxalsSitire dtirch Salpetersiiure im Ueber- schnsse ersetzt, so erhill man slatt milchsaareu Kalkes oxalsaoren Kalk, weil die Salpetersiiure in diesem E'alle die MilchsZure in Oxalsiiure amwandelt.

C a p u. H e n r y ? ub. lniichseuren Harnstoff. 231

saryts, lies ICalkes und der Oxalsdure in der Au€lGsung dieser Krystalle milchsaure - Salze des Zinkoryds, Baryts und Ksl- kes erzeugen unil tlavon den Harustoff iin freien Zustande oder kleesaureii Harnstoff abscheiden, wiihrend die Milchsiiure Prei wird. Wir setieri daher nicht ein, wie man die Existenw der Verbindung dicser beiden Btoffe besser beweisen und durch welche bessere Bewcisgrunde man dieselbe bestreiten k8nnte. Wir wollen aber untersuchcn, ob nicht einige Eigenthiimlichkeiten 1, e can u bei den Versuchen in Irrthum gePubrt haben, drirch die er einen Grund zu haboii glaubt, diese Verbindung in ZweiPel zu ziehen.

Wenn man reine Krystalle von naturlichem milchaaurem Harnstoff auflost und sie :in der freien LuPt im Sandbsde ab- dampft, so erhiilt man als Ruckstand ein Brystallisirtes Salz, das, einige Stnnden der reuchten Luft ausgesetzt, blos zom Theil zer- fliesst. Wird dieses Salz auP ein Stuck Fliesspapier gebracht,so wird der flussige saure Theil yon dern Pnpiere absorbirt und es bleibt ein weisses nadelPBrmiges Product zuriick, welches Harnstoff und ein Salz iuit Ammoniak als Basis enthiilt.

Wenn man, ehe die Auflosung der Krystalle des natur- lichen milchsauren Harnsloffes abgedrmgft mird, ein menig Am- moniak zusetzt, so findet man nach dcm Concentriren ein Pro- duct, welches nur m m Theil xerfliesslich ist , dessen Iliissiger Theil Zeichen vun ssurer Besctiaffenheit giebt und dessen fester Theil Ammoniak und Hnrnstoff enthiilt.

Vermuthlich ist diess ein Uindarid von der Ar t , welcher L e c a n u reinen Harnstoff neben dein Ammoniaksalze in den Producte gab, ivorin er den mileheauren Harnstoif suchte, nach- dem er es i n Fliesspapier ausgcpresst hatte. Wiihrend iles Con- centrirens an der Preien Luft h n t der naturliche milchaaure Rarn- stoff ohne Zweifel eine thciltveise Zersetzung erlitten, und es hat sich ein wenig Ammoniak gebililet, melches einen Theil Harnstoff abgeschieden hat. Wenn man aber die mit natiirli- them milchsaurem IInrnstoR belndenen htherischen Fiiissigkeiten, \vie wir es zuvor angegeben haben, an tler Luft oder im iuft- leeren Raume freiwillig abdarnpCen Iiisst so mird man sicti uberzeugcn, dass die Zcrsctzung dieses Snlzes nicht stattfindel und dass seine Existenz iu dcm normalen Harne nicbt im Ernste bestritten werden kann.