Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung · 2011. 11. 17. · BMF 10. November 2011 Vorbemerkung ....
Transcript of Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung · 2011. 11. 17. · BMF 10. November 2011 Vorbemerkung ....
-
Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung
-
BMF 10. November 2011
Vorbemerkung
Ziel unserer Steuerpolitik ist es, den Wirtschaftsstandort Deutschland weiter zu stärken und
damit Wachstum und Beschäftigung zu sichern.
Dabei ist uns - neben der Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung - die Berücksichtigung
des europäischen Gesamtkontexts ein wichtiges Hauptanliegen. Eine zukünftig noch stärkere
europäische Zusammenarbeit ist essentiell für den Erhalt des Wohlstandes Deutschlands und
eine Stabilität Europas.
Als ein wichtiger Baustein im Rahmen dieses Gesamtvorhabens wird der nachfolgende
Bericht der Facharbeitsgruppe „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ vorgestellt.
Die Facharbeitsgruppe wurde entsprechend der Vereinbarung im Koalitionsvertrag zwischen
CDU, CSU und FDP zur Prüfung der Möglichkeit einer Neustrukturierung der Regelungen
zur Verlustverrechnung sowie der Einführung eines modernen Gruppenbesteuerungssystems
gegründet. Im Rahmen des Berichtes werden verschiedene Modelle einer möglichen
Abschaffung oder Neukonzeption der Mindestgewinnbesteuerung und eines Ersatzes der
Organschaft durch ein Gruppenbesteuerungsmodell untersucht und ihre jeweiligen
Auswirkungen dargestellt.
Ein weiterer Baustein wird der gemeinsame Bericht von Frankreich und Deutschland sein, der
die Ergebnisse der im Herbst 2010 gegründeten Projektgruppe beider Länder darstellt. In
diesem werden die Unterschiede zwischen den Steuersystemen für Unternehmen und
Bereiche, in denen die beiden Systeme potenziell in Einklang gebracht werden können,
betrachtet.
Auf der Grundlage der Ergebnisse wird eine Projektgruppe Gesetzesänderungen vorschlagen,
die eine Annäherung der deutschen und französischen Bemessungsgrundlagen zum Ziel
haben. Die Angleichung des deutschen Systems wird sich mit Rücksicht auf eine in
Frankreich bereits erfolgte Anpassung der Mindestgewinnbesteuerung auf deutsche
Gegebenheiten, vor allem auf den Bereich der Gruppenbesteuerung richten.
Wir sind zuversichtlich, dass die Angleichung des deutsch-französischen Steuersystems auch
die Arbeiten der EU-Kommission zur Schaffung einer einheitlichen europäischen
körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage (GKB) fördern und die Chancen eines
raschen Abschlusses dieses für uns wichtigen Projektes erhöhen werden.
-
Bericht
der Facharbeitsgruppe „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“
15. September 2011
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
Neustrukturierung der steuerlichen Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung
Inhalt A. Auftrag und Struktur der Arbeitsgruppe ............................................................................... 7 B. Verlustverrechnung ............................................................................................................... 9
I. Ausgangslage ...................................................................................................................... 9 II. Überblick über die geltenden Regelungen....................................................................... 10
1. Verlustausgleich ........................................................................................................... 10 2. Verlustabzug................................................................................................................. 11 3. Beschränkung des Verlustabzugs bei Körperschaften nach § 8c KStG....................... 12 4. Regelungen des Umwandlungssteuergesetzes ............................................................. 13
a) Auswirkungen bei dem übernehmenden Rechtsträger............................................. 13 b) Auswirkungen bei dem übertragenden Rechtsträger ............................................... 13
5. Sonstige Regelungen .................................................................................................... 14 a) Wegfall von Verlusten bei Tod des Rechtsträgers ................................................... 14 b) Sanierungserlass....................................................................................................... 14 c) Abzugsbeschränkungen für bestimmte Aufwendungen........................................... 14
III. Verlustabzug (Verlustvortrag und Verlustrücktrag) ...................................................... 15 1. Rechtsentwicklung ....................................................................................................... 15 2. Verfassungsrechtliche Vorgaben.................................................................................. 16
a) Prinzip der Abschnittsbesteuerung........................................................................... 16 b) Prinzip der Leistungsfähigkeit / Nettoprinzip.......................................................... 16 c) Bundesfinanzhof: Keine Vererblichkeit des Verlustabzugs .................................... 17
3. Verlustvortrag einschließlich Mindestgewinnbesteuerung .......................................... 17 a) Allgemeines.............................................................................................................. 17 b) Aktuelle Rechtsprechung ......................................................................................... 18 c) Internationaler Vergleich ......................................................................................... 19
aa) Zeitliche Begrenzung des Verlustvortrags ......................................................... 19 bb) Zeitliche Streckung des Verlustvortrags ............................................................ 20 cc) Mindestbesteuerung im Sinne des § 2 Absatz 3 EStG a. F. ............................... 21 dd) GKKB-Richtlinienvorschlag.............................................................................. 21
d) Evaluierung .............................................................................................................. 21 aa) Evaluierung der Verlustvorträge ........................................................................ 21
(1) Bundesweite Daten ......................................................................................... 21 (a) Körperschaftsteuer ...................................................................................... 23
(aa) Entwicklung der Verlustvorträge .......................................................... 23 (bb) Negative und positive Einkünfte im Vergleich .................................... 25 (cc) Entwicklung des Zuwachses der Verlustvorträge ................................. 26 (dd) Verlustvorträge nach Branchen ............................................................ 29
(b) Gewerbesteuer ............................................................................................ 32 (c) Einkommensteuer ....................................................................................... 33
(2) Länder-Daten .................................................................................................. 33 (a) Verlustvorträge ........................................................................................... 34 (b) Verlustursachen .......................................................................................... 37
(aa) Originäre Geschäftstätigkeit ................................................................. 37 (bb) Steuerliche Gründe ............................................................................... 38
(3) Entwicklung der Verlustvorträge im Vergleich zu Größen nach den VGR ... 38 (a) Vergleich der Entwicklung der steuerlichen Gewinne mit VGR-Gewinnen 40 (b) Fazit zum Niveauvergleich ......................................................................... 41
bb) Evaluierung der Mindestgewinnbesteuerung..................................................... 42 (1) Bundesweite Daten ......................................................................................... 42 (2) Länder-Daten .................................................................................................. 43
3
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
e) Analyse..................................................................................................................... 45 f) Berechnung der finanziellen Auswirkungen der untersuchten Handlungsmodelle.. 46 g) Mögliche Handlungsmodelle ................................................................................... 48
aa) Abschaffung der Mindestgewinnbesteuerung .................................................... 49 bb) Abschaffung der Mindestgewinnbesteuerung und zeitliche Beschränkung des Verlustvortrags ......................................................................................................... 51 cc) Beibehaltung der Mindestgewinnbesteuerung und Modifizierung .................... 58
h) Gesamtbewertung der Untersuchung der Handlungsmodelle.................................. 61 i) Handlungsvorschlag.................................................................................................. 61
4. Verlustrücktrag............................................................................................................. 62 a) Allgemeines.............................................................................................................. 62 b) Internationaler Vergleich ......................................................................................... 62 c) Evaluierung .............................................................................................................. 63
aa) Bundesweite Daten............................................................................................. 63 (1) Einkommensteuer ........................................................................................... 63 (2) Körperschaftsteuer.......................................................................................... 63
bb) Länder-Daten ..................................................................................................... 64 d) Handlungsmöglichkeiten ......................................................................................... 64 e) Handlungsvorschlag................................................................................................. 66
IV. Ausländische Betriebsstättenverluste............................................................................. 67 1. Ausgangslage ............................................................................................................... 67
aa) Berücksichtigung von Verlusten ausländischer Betriebsstätten bei Anwendung
bb) Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste bei Anwendung der
a) Aktuelle Rechtsprechung ......................................................................................... 67 b) Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben ......................................................................... 68 c) Internationaler Vergleich ......................................................................................... 69
der Anrechnungsmethode......................................................................................... 69
Freistellungsmethode ............................................................................................... 69 d) Evaluierung .............................................................................................................. 70 e) Analyse..................................................................................................................... 71 f) Handlungsmöglichkeiten .......................................................................................... 72 g) Handlungsvorschlag................................................................................................. 75
V. Verlustabzugsbeschränkung bei Körperschaften nach § 8c KStG.................................. 76 1. Rechtsentwicklung ....................................................................................................... 76 2. Internationaler Vergleich.............................................................................................. 78
a) Keine spezialgesetzlich geregelte Beschränkung des Verlustabzugs bei Wechsel des
b) Beschränkung des Verlustabzugs bei Wechsel des Anteilseigners und Änderung des Anteilseigners oder Änderung des Geschäftsbetriebs .................................................. 78
Geschäftsbetriebs ......................................................................................................... 78 c) Beschränkung des Verlustabzugs bei Wechsel des Anteilseigners.......................... 79 d) Beschränkung des Verlustabzugs bei Änderung des Geschäftsbetriebs.................. 79
3. Evaluierung .................................................................................................................. 80 4. Handlungsmöglichkeiten.............................................................................................. 81
a) Änderung des Regelungskonzepts ........................................................................... 82 b) Beibehaltung des derzeitigen Systems des § 8c KStG............................................. 88
5. Handlungsvorschlag ..................................................................................................... 91 VI. Steuerliche Behandlung von Verlusten in Umwandlungs- und Einbringungsfällen ..... 92
1. Rechtsentwicklung ....................................................................................................... 92 2. Wirkung der Mindestgewinnbesteuerung in Umwandlungsfällen............................... 93 3. Internationaler Vergleich.............................................................................................. 93 4. Evaluierung .................................................................................................................. 93
4
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
5. Handlungsmöglichkeiten.............................................................................................. 94 6. Handlungsvorschlag ................................................................................................... 101
C. Gruppenbesteuerung.......................................................................................................... 102 I. Ausgangslage .................................................................................................................. 102 II. Überblick über die Rechtsentwicklung und die Rechtslage .......................................... 103
1. Rechtsentwicklung ..................................................................................................... 103 2. Geltendes Recht.......................................................................................................... 105
a) Persönliche Voraussetzungen................................................................................. 105 aa) Organgesellschaft ............................................................................................. 105 bb) Organträger ...................................................................................................... 105
b) Sachliche Voraussetzungen ................................................................................... 105 aa) Finanzielle Eingliederung................................................................................. 105 bb) Gewinnabführungsvertrag................................................................................ 106
c) Rechtsfolgen........................................................................................................... 106 d) Gewerbesteuer........................................................................................................ 106 e) Vorteile und Kritikpunkte der geltenden Organschaftsregelungen........................ 107
III. Aktuelle Rechtsprechung ............................................................................................. 108 1. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ....................................................... 108 2. Rechtsprechung des EuGH......................................................................................... 108 3. Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ...................................................................... 110
a) Zu den formalen Anforderungen an den Gewinnabführungsvertrag ..................... 110 b) Zur Bedeutung und Funktion des Gewinnabführungsvertrags bei grenzüberschreitender Verlustberücksichtigung ........................................................ 111
IV. Internationaler Vergleich ............................................................................................. 112 1. Gruppenbesteuerungssysteme .................................................................................... 112
a) Steuerliche Vollkonsolidierung.............................................................................. 112 b) Zusammenrechnung der Einzelergebnisse............................................................. 113 c) Konzerninterner Verlustübertrag ........................................................................... 113
2. Grenzüberschreitende Gruppenbesteuerung .............................................................. 113 3. Mindestbeteiligungsquote .......................................................................................... 114 4. Sonstiges..................................................................................................................... 114
V. Evaluierung ................................................................................................................... 114 1. Wirkungen der geltenden steuerlichen Organschaft .................................................. 114
a) Anzahl der Organschaften und Organträger nach der Rechtsform (2004) ............ 115 b) Zuzurechnende Einkommen und Gewerbeerträge (2004) ..................................... 116 c) Vororganschaftliche Verluste (2004 und 2006) ..................................................... 117
2. Verluste ausländischer Tochtergesellschaften ........................................................... 118 VI. Handlungsmöglichkeiten ............................................................................................. 119
1. Ersatz der Organschaft ............................................................................................... 119 a) IFSt-Modell ............................................................................................................ 119 b) Einkommenszurechnungs-Modell ......................................................................... 120 c) Gruppenbeitrags-Modell ........................................................................................ 120
2. Fortentwicklung der Organschaft............................................................................... 121 a) Rückführung der Formalien beim Gewinnabführungsvertrag ............................... 122 b) Ersatz der Ausgleichsposten durch Einlagelösung ................................................ 122 c) Zweijährige Rückwirkung...................................................................................... 122 d) Bruttomethode........................................................................................................ 122 e) Gesonderte Feststellung ......................................................................................... 122
3. Reaktion auf das BFH-Urteil vom 9. Februar 2011 I R 54, 55/10 ............................. 123 VII. Bewertung................................................................................................................... 123
1. Modelle zum Ersatz der bestehenden Organschaft .................................................... 123
5
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
a) Vergleichende Betrachtung.................................................................................... 123 b) Verzicht auf das Erfordernis eines Gewinnabführungsvertrags ............................ 123
aa) Allgemeines...................................................................................................... 123 bb) Europarechtlicher Kontext ............................................................................... 124 cc) DBA-rechtlicher Kontext ................................................................................. 125 dd) Zwischenergebnis ............................................................................................ 126 ee) Gruppenantrag .................................................................................................. 127
(1) Gesellschaftsrechtliche Fragestellungen....................................................... 127 (2) Steuerrechtliche Fragestellungen.................................................................. 128
c) Verlusttragung........................................................................................................ 128 aa) Allgemeines...................................................................................................... 128 bb) IFSt-Modell...................................................................................................... 129 cc) Einkommenszurechnungs-Modell.................................................................... 129 dd) Gruppenbeitrags-Modell .................................................................................. 130 ee) Zwischenergebnis ............................................................................................. 130
d) Verluste im Zusammenhang mit ausländischen Tochtergesellschaften ................ 130 aa) Allgemeines...................................................................................................... 130 bb) Europarechtlicher Kontext ............................................................................... 131 cc) Partielle Aufhebung des § 8b Absatz 3 Satz 3 KStG ....................................... 131 dd) Zwischenergebnis ............................................................................................ 131
e) Berücksichtigung vororganschaftlicher Verluste ................................................... 132 f) Abschaffung der Ausgleichsposten ........................................................................ 132
aa) Technik des Kontensystems ............................................................................. 132 bb) Bewertung des Kontensystems ........................................................................ 133
(1) „Überausschüttungen“ .................................................................................. 133 (2) Gruppenketten bzw. mittelbare Gruppen...................................................... 133 (3) Beendigung der Gruppe................................................................................ 134 (4) Außenstehende Gesellschafter...................................................................... 134
cc) Zwischenergebnis ............................................................................................. 135 g) Inlandsbezug .......................................................................................................... 135 h) Gewerbesteuer........................................................................................................ 135 i) Abschaffung des § 16 KStG ................................................................................... 136 j) Mehrmütterorganschaft........................................................................................... 136
2. Modifikation der Organschaft .................................................................................... 136 a) Rückführung der Formalien beim Gewinnabführungsvertrag ............................... 136
aa) Formulierungsvorschlag in der Prüfbitte des Bundesrates zum JStG 2010 ..... 136 bb) Vertrauensschutz/Verbindliche Auskunft ........................................................ 137
b) Ersatz der Ausgleichsposten durch Einlagelösung ................................................ 137 aa) Technik der Einlagelösung............................................................................... 137 bb) Bewertung der Einlagelösung .......................................................................... 138
c) Vorschläge des BDI ............................................................................................... 138 aa) Zweijährige Rückwirkung................................................................................ 138 bb) Bruttomethode.................................................................................................. 139 cc) Gesonderte Feststellung ................................................................................... 139
3. Reaktion auf das BFH-Urteil vom 9. Februar 2011 I R 54, 55/10 ............................. 139 4. Übergangsregelungen................................................................................................. 140 5. Auswirkungen auf das Steueraufkommen.................................................................. 140
VIII. Handlungsvorschlag .................................................................................................. 142
6
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
Neustrukturierung der steuerlichen Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung
A. Auftrag und Struktur der Arbeitsgruppe
Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP sieht als mittelfristiges Ziel für die
Unternehmensbesteuerung die Prüfung einer Neustrukturierung der Regelungen zur
Verlustverrechnung sowie der Einführung eines modernen Gruppenbesteuerungssystems
anstelle der bisherigen Organschaft vor.
Bereits im Rahmen der parlamentarischen Beratung zur Unternehmenssteuerreform 2008 im
Jahr 2007 hatten die damaligen Koalitionsfraktionen im Bericht des Finanzausschusses die
Bitte zum Ausdruck gebracht, alle Verlustverrechnungsbeschränkungen zu prüfen und
alternative Vorschläge für eine Neuordnung unter Berücksichtigung der europäischen
Entwicklungen vorzulegen.
Der Prüfauftrag einer Neustrukturierung der Regelungen zur Verlustverrechnung aus dem
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP zielt darauf ab, Lösungen zu erarbeiten, wie
Beschränkungen im Bereich der ertragsteuerlichen Verlustverrechnung (insbesondere
Mindestgewinnbesteuerung, Mantelkauf, Umwandlungsfälle) im Einklang mit dem
vordringlichen Ziel der Haushaltskonsolidierung zurückgeführt werden können. Dabei sind
auch die in den Statistiken ausgewiesenen Volumina der Verlustvorträge in Höhe von über
500 Mrd. Euro1 zu berücksichtigen.
Das gegenwärtig in Deutschland bestehende Konzernbesteuerungssystem der
ertragsteuerlichen Organschaft wird von weiten Teilen der Wirtschaft, Beraterschaft und der
Literatur als nicht mehr zeitgemäß kritisiert. Die Kritik konzentriert sich dabei vor allem auf
den Gewinnabführungsvertrag und die Nichteinbeziehung ausländischer Gesellschaften.
Zur Erarbeitung von Lösungsalternativen wurde am 14. Januar 2011 eine Facharbeitsgruppe
mit dem Auftrag eingesetzt, bis September 2011 zu den beiden Prüfaufträgen aus dem
Koalitionsvertrag Vorschläge vorzulegen. Dabei sind auch die allgemeinen Ziele
• der Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland, • der Steuervereinfachung und • der Haushaltskonsolidierung
in die Prüfung einzubeziehen.
Die aktuellsten Steuerstatistiken des Statistischen Bundesamtes (DESTATIS) betreffen bei der Gewerbesteuer den Veranlagungszeitraum 2004 und bei der Körperschaftsteuer sowie der Einkommensteuer den Veranlagungszeitraum 2006. Die zum 31.12.2004 festgestellten gewerbesteuerlichen Verlustvorträge betrugen 569,0 Mrd. Euro, die zum 31.12.2006 festgestellten Verlustvorträge bei der Einkommensteuer betrugen 62,2 Mrd. Euro und bei der Körperschaftsteuer 603,6 Mrd. Euro (ohne Organgesellschaften und ohne Steuerbefreite).
7
1
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
Eine umfassende Prüfung des gesamten Regelungsgeflechts der Verlustverrechnung war in
der bis September 2011 zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten. Die Arbeitsgruppe
beschränkte sich daher vorrangig auf die Regelungen zum zeitraumübergreifenden
Verlustabzug (Verlustrücktrag nach § 10d Absatz 1 EStG bzw. Verlustvortrag nach § 10d
Absatz 2 bzw. § 10a GewStG), die besonderen Verlustverrechnungsbeschränkungen nach
§ 8c KStG und dem Umwandlungssteuergesetz sowie die Behandlung ausländischer
Betriebsstättenverluste im Rahmen des Verlustausgleichs.
Mitglieder der Arbeitsgruppe waren Vertreter des Bundesministeriums der Finanzen, des
Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg, des Bayerischen
Staatsministeriums der Finanzen, des Hessischen Ministeriums der Finanzen, des
Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen und des Ministeriums der Finanzen
Rheinland-Pfalz sowie ein Vertreter der Bundesvereinigung der kommunalen
Spitzenverbände.
Die Arbeitsgruppe hat auf der Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes und anderer
allgemein zugänglicher Quellen (im Folgenden: „Bundesweite Daten“) sowie von
Unternehmen mit hohen steuerlichen Verlustvorträgen (im Folgenden: „Länder-Daten“) die
Ursachen für die Verlustvorträge evaluiert, Regelungen zur Verlustverrechnung sowie zur
Gruppenbesteuerung in anderen Staaten verglichen und anhand der Ergebnisse
Handlungsvorschläge entwickelt.
Der folgende Bericht ist das Ergebnis der Arbeitsgruppe. Er gliedert sich in die Bereiche
„Verlustverrechnung“ (B.) und „Gruppenbesteuerung“ (C.).
8
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
B. Verlustverrechnung
I. Ausgangslage
In dem durch statistische Daten belegten Zeitraum (1992 bis 2006) ist der Bestand an
Verlustvorträgen vor allem bei der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer erheblich
angestiegen und hat bereits im Jahr 2004 mit unverändert steigender Tendenz die Schwelle
von jeweils 500 Mrd. Euro überschritten.2 Bei der Einkommensteuer betrugen die
Verlustvorträge zum 31.12.2006 62,2 Mrd. Euro. Das rechnerische Steuerausfallpotential
dieser steuerlichen Verlustvorträge beträgt bei unterstellter voller Verrechenbarkeit mit
positiven Einkünften insgesamt mehr als 150 Mrd. Euro. Tatsächlich wurden im Jahr 2004
von unbeschränkt Körperschaftsteuerpflichtigen (ohne Steuerbefreite und
Organgesellschaften) körperschaftsteuerliche Verlustvorträge in Höhe von 16,9 Mrd. Euro
(2006: 24,5 Mrd. Euro) und gewerbesteuerliche Verlustvorträge in Höhe von 26,7 Mrd. Euro
verrechnet. Bei der Einkommensteuer liegen nur kumulierte Zahlen zur Verrechnung von
Verlustvor- und Verlustrückträgen unbeschränkt Einkommensteuerpflichtiger vor (2004: 6,8
Mrd. Euro, 2006: 6,9 Mrd. Euro).
Die Regelungen zur sog. Mindestgewinnbesteuerung (§ 10d Abs. 2 EStG bzw. § 10a Satz 2
GewStG3) mildern die Auswirkungen der Verluste auf das Steueraufkommen zu einem
gewissen Teil ab. Nicht ausgeglichene negative Einkünfte können in den folgenden
Veranlagungszeiträumen jährlich in Höhe von 1 Mio. Euro4 unbeschränkt abgezogen werden,
darüber hinaus nur bis zu 60 % des 1 Mio. Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte
bzw. des maßgebenden Gewerbeertrags.
Ein Risiko für die öffentlichen Haushalte stellen inzwischen auch solche Verluste dar, die
deutsche Unternehmen durch Auslandsinvestitionen in ausländischen Betriebsstätten sowie
durch ausländische Tochtergesellschaften erleiden. Der Bundesfinanzhof vertritt im Urteil
vom 9. Juni 2010 I R 107/095 die Auffassung, dass ausländische Betriebsstättenverluste trotz
steuerlicher Freistellung entsprechender ausländischer Gewinne im Inland zu berücksichtigen
seien, wenn diese aufgrund der Aufgabe dieser Betriebsstätte im Ausland nicht mehr genutzt
werden können. Dies soll nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht nur für die
Körperschaftsteuer und Einkommensteuer, sondern auch für die Gewerbesteuer gelten. Nach
dieser Entscheidung würde die bisher angenommene Abschirmwirkung bei der
Gewerbesteuer insoweit nicht mehr bestehen. Die Gefahr eines Transfers ausländischer
Betriebsstättenverluste hat sich mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs und den sich daraus
eröffnenden Gestaltungsspielräumen für Bund, Länder und Kommunen verschärft.
2 Vgl. Fußnote 1, S. 7. 3 Soweit im Folgenden auf § 10d Absatz 2 EStG Bezug genommen wird, gilt das Gesagte zur
Vermeidung von Wiederholungen grundsätzlich für § 10a GewStG sinngemäß. 4 Bei zusammen veranlagten Einkommensteuerpflichtigen: 2 Mio. Euro 5 Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (HFR) 2010, S. 1140
9
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
Am 16. März 2011 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie über eine
Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (im Folgenden: GKKB-
Richtlinienvorschlag) vorgelegt. Diese sieht vor, die Bemessungsgrundlage für die
Besteuerung verbundener körperschaftsteuerpflichtiger Unternehmen in der EU nach
identischen Regeln zu ermitteln, bei der Muttergesellschaft zu konsolidieren (d. h. die
einzelnen positiven oder negativen Steuerbemessungsgrundlagen der Gruppenmitglieder
werden miteinander verrechnet) und anschließend nach einer bestimmten Formel auf die
einzelnen Gruppenmitglieder aufzuteilen. Nach dem GKKB-Richtlinienvorschlag sollen
Verluste zeitlich unbeschränkt vorgetragen werden können. Ein Verlustrücktrag ist nicht
vorgesehen. Da allerdings derzeit nicht absehbar ist, ob und in welcher Form der einstimmig
anzunehmende Richtlinienvorschlag bindendes EU-Recht wird, sollten die
Reformüberlegungen zur Verlustverrechnung losgelöst von den Vorschlägen der EU-
Kommission angestellt werden.
II. Überblick über die geltenden Regelungen
Negative Einkünfte (Verluste) mindern das Einkommen bzw. den Gewerbeertrag. Die
Berücksichtigung von negativen Einkünften erfolgt dabei entweder periodengleich, d. h.
innerhalb des Veranlagungszeitraums, in dem sie anfallen (sog. Verlustausgleich), oder
veranlagungszeitraumübergreifend (sog. Verlustabzug).
1. Verlustausgleich
Der periodengleiche Verlustausgleich erfolgt bei der Ermittlung der Summe der Einkünfte
(§ 2 Absatz 3 EStG) und ist der Höhe nach unbeschränkt möglich. Allerdings ist die
einkünfteübergreifende (sog. „vertikale“) Verrechenbarkeit durch eine Reihe gesetzlicher
Regelungen eingeschränkt.
So unterliegen Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d EStG einem gesonderten
Steuersatz und können daher ausschließlich mit Einkünften derselben Einkunftsart verrechnet
werden (sog. Schedulenbesteuerung, § 20 Absatz 6 Satz 2 EStG). Innerhalb der Einkunftsart
„Einkünfte aus Kapitalvermögen“ können Verluste aus Aktienveräußerungen nur mit
Gewinnen aus Aktienveräußerungen ausgeglichen werden (§ 20 Absatz 6 Satz 5 EStG).
Verlustausgleichsbeschränkungen bestehen z. B. auch nach § 15 Absatz 4 EStG (Verluste aus
Tierzucht, Termingeschäften sowie Innengesellschaften, an denen unmittelbar oder mittelbar
Kapitalgesellschaften beteiligt sind), § 15a EStG (Verluste bei beschränkter Haftung) und
§ 15b EStG (Verluste im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen).
Ausländische Verluste unbeschränkt Steuerpflichtiger (z. B. Verluste aus ausländischen
Betriebsstätten oder Vermietungsobjekten) sind im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht
(Welteinkommensprinzip) grundsätzlich zu berücksichtigen. Sie können aber regelmäßig
10
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
nicht mit inländischen Gewinnen verrechnet werden, wenn die betreffenden ausländischen
Einkünfte aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens im Inland freizustellen sind
(Regelfall - sog. Symmetriethese).6 Besteht kein Doppelbesteuerungsabkommen oder stellt
ein Doppelbesteuerungsabkommen ausländische Gewinne nicht im Inland frei, wird eine
Berücksichtigung von Verlusten im Inland in bestimmten Fällen trotz des o. g. Grundsatzes
durch § 2a EStG ausgeschlossen. Danach werden z. B. Verluste aus bestimmten Aktivitäten in
Drittstaaten grundsätzlich im Inland nicht unmittelbar berücksichtigt, sondern dürfen
ausschließlich mit ausländischen Gewinnen derselben Art aus demselben Land verrechnet
werden.
2. Verlustabzug
Nach dem periodengleichen Verlustausgleich verbleibende negative Einkünfte können bei der
Einkommen- und Körperschaftsteuer in den vorangegangenen Veranlagungszeitraum zurück-
oder zeitlich unbegrenzt in einen folgenden Veranlagungszeitraum vorgetragen und dort mit
positiven Einkünften verrechnet werden.
Nach § 10d Absatz 1 EStG sind negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags
der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, bis zu einem Betrag von 511.500 Euro, bei
Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b EStG zusammenveranlagt werden, bis zu einem Betrag
von 1.023.000 Euro vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen
Veranlagungszeitraums vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und
sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen (Verlustrücktrag). Auf Antrag des Steuerpflichtigen ist
ganz oder teilweise vom Verlustrücktrag abzusehen.
Nach § 10d Absatz 2 Satz 1 EStG sind nicht ausgeglichene negative Einkünfte, die nicht nach
Absatz 1 dieser Vorschrift abgezogen worden sind, in den folgenden Veranlagungszeiträumen
bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Mio. Euro unbeschränkt, darüber hinaus bis
zu 60 % des 1 Mio. Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte vorrangig vor
Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen
(zeitlich unbegrenzter Verlustvortrag mit Mindestgewinnbesteuerung). Bei Ehegatten, die
nach den §§ 26, 26b EStG zusammenveranlagt werden, tritt nach § 10d Absatz 2 Satz 2 EStG
an die Stelle des Betrags von 1 Mio. Euro ein Betrag von 2 Mio. Euro.
Nach § 10d Absatz 2 Satz 1 EStG i. V. m. § 8 Absatz 1 KStG gelten der zeitlich unbegrenzte
Verlustvortrag sowie die Mindestgewinnbesteuerung mit einem Sockelbetrag von 1 Mio.
Euro auch für Körperschaften.
Bei der Gewerbesteuer ist ein Verlustabzug nur in Form des zeitlich unbegrenzten
Verlustvortrags vorgesehen, ein Verlustrücktrag ist nicht möglich (§ 10a GewStG).
Zu den Konsequenzen des BFH-Urteils vom 21. Juli 2010 I R 107/09, HFR 2010, S. 1140, vgl. B. IV.
11
6
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
Entsprechend den vorstehend genannten Regelungen des § 10d EStG wird der maßgebende
Gewerbeertrag bis zu einem Betrag in Höhe von 1 Mio. Euro um nicht in vorangegangenen
Erhebungszeiträumen ausgeglichene Fehlbeträge gekürzt (§ 10a Satz 1 GewStG). Der 1 Mio.
Euro übersteigende maßgebende Gewerbeertrag wird lediglich bis zu 60 % um nach § 10a
Satz 1 GewStG nicht berücksichtigte Fehlbeträge vergangener Erhebungszeiträume gekürzt
(§ 10a Satz 2 GewStG).
3. Beschränkung des Verlustabzugs bei Körperschaften nach § 8c KStG
§ 8c KStG regelt den Verlustabzug bei Körperschaften für den Fall eines
Beteiligungserwerbs. Nach § 8c Absatz 1 KStG sind nicht ausgeglichene oder abgezogene
negative Einkünfte (nicht genutzte Verluste) einer Körperschaft endgültig nicht mehr
abziehbar, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 % des
gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an
der Verlustkörperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehende Personen übertragen
werden (schädlicher Beteiligungserwerb). Werden innerhalb von fünf Jahren mehr als 25 %
bis 50 % an einer Körperschaft erworben, sind nicht genutzte Verluste quotal vom
Verlustabzug ausgeschlossen.
Ein schädlicher Beteiligungserwerb liegt nach § 8c Absatz 1 Satz 5 KStG dann nicht vor,
wenn an dem übertragenden und übernehmenden Rechtsträger dieselbe Person zu jeweils
100 % mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist (sog. Konzernklausel). Der Verlustabzug bleibt
nach § 8c Absatz 1 Satz 6 bis 9 KStG außerdem erhalten, soweit die nicht genutzten Verluste
die im Inland steuerpflichtigen stillen Reserven des Betriebsvermögens der Körperschaft nicht
übersteigen (sog. Stille-Reserven-Klausel).
§ 8c Absatz 1a KStG sieht vor, dass Verluste einer Körperschaft trotz eines schädlichen
Beteiligungserwerbs abziehbar bleiben, wenn der Erwerb der Beteiligung zum Zwecke der
Sanierung des Geschäftsbetriebs der Körperschaft erfolgt (sog. Sanierungsklausel). Aufgrund
der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 26. Januar 2011,7 die in der
Sanierungsklausel eine mit dem gemeinsamen Markt nicht zu vereinbarende rechtswidrige
Beihilferegelung sieht, wird die Sanierungsklausel derzeit nicht angewandt. Die
Bundesrepublik Deutschland hat gegen den Beschluss der Europäischen Kommission
Nichtigkeitsklage bei dem Gericht der Europäischen Union (EuG) erhoben.
Auf die Fehlbeträge bei der Gewerbesteuer ist § 8c KStG entsprechend anzuwenden (§ 10a
Satz 10 GewStG).
Beschluss der Kommission im Verfahren „Staatliche Beihilfe C 7/2010 (ex CP 250/2009 und ex NN 5/2010) - KStG, Sanierungsklausel“
12
7
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
4. Regelungen des Umwandlungssteuergesetzes
In Umwandlungs- und Einbringungsfällen sieht das Umwandlungssteuergesetz spezielle
Regelungen für die Verlustverrechnung vor.
a) Auswirkungen bei dem übernehmenden Rechtsträger
Bei der Verschmelzung einer Körperschaft auf eine andere Körperschaft (§ 11 ff. UmwStG),
sowie der Aufspaltung, Abspaltung und Teilübertragung (§ 15 UmwStG) gehen
verrechenbare Verluste, verbleibende Verlustvorträge und nicht ausgeglichene negative
Einkünfte nicht auf die übernehmende Körperschaft über (§ 12 Absatz 3 2. Halbsatz
UmwStG, § 15 Absatz 1 Satz 1 UmwStG) und können damit von dieser nicht nach § 10d
EStG abgezogen werden.
Auch bei einer Verschmelzung einer Körperschaft auf eine Personengesellschaft oder eine
natürliche Person (§ 3 ff. UmwStG) gehen verrechenbare Verluste, verbleibende
Verlustvorträge und nicht ausgeglichene negative Einkünfte nicht auf den übernehmenden
Rechtsträger über (§ 4 Absatz 2 Satz 2 UmwStG). Dies gilt nach § 16 Satz 1 UmwStG für die
Auf- oder Abspaltung einer Körperschaft auf eine Personengesellschaft und nach § 9 Satz 3
2. Halbsatz UmwStG im Fall des Formwechsels einer Körperschaft in eine
Personengesellschaft entsprechend.
Auch in Einbringungsfällen (§§ 20 ff. UmwStG) ist ein Verlustübergang auf den
übernehmenden Rechtsträger ausgeschlossen.
Für die Gewerbesteuer gilt das Vorstehende nach § 18 und § 19 UmwStG sowie § 23
Absatz 5 UmwStG entsprechend.
b) Auswirkungen bei dem übertragenden Rechtsträger
Für den Fall der Abspaltung mindern sich bei der übertragenden Körperschaft verrechenbare
Verluste, verbleibende Verlustvorträge und nicht ausgeglichene negative Einkünfte in dem
Verhältnis, in dem bei Zugrundelegung des gemeinen Werts das Vermögen auf eine andere
Körperschaft übergeht (§ 15 Absatz 3 UmwStG).
Nach § 2 Absatz 4 UmwStG kann ein Übertragungsgewinn aufgrund einer Umwandlung beim
übertragenden Rechtsträger zudem nur dann mit verrechenbaren Verlusten, verbleibenden
Verlustvorträgen und nicht ausgeglichenen negativen Einkünften ausgeglichen bzw.
verrechnet werden, wenn ihm die Verlustnutzung auch ohne die Regelungen zur steuerlichen
Rückwirkung nach § 2 Absatz 1 und 2 UmwStG möglich gewesen wäre.
13
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
5. Sonstige Regelungen
a) Wegfall von Verlusten bei Tod des Rechtsträgers
Verluste im Sinne des § 10d Absatz 2 EStG gehen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung
grundsätzlich auch mit dem Tod8 des Steuerpflichtigen unter.
b) Sanierungserlass
Nach dem BMF-Schreiben vom 27. März 2003 (sog. Sanierungserlass)9 sind in
Sanierungsfällen die bestehenden Verlustverrechnungsbeschränkungen (insbesondere § 10d
Absatz 2 EStG) nicht anzuwenden. Negative Einkünfte des laufenden Veranlagungszeitraums
und bestehende Verlustvorträge sind somit unbeschränkt mit einem Sanierungsgewinn zu
verrechnen. Damit wird eine Doppelbegünstigung (Stundung/Erlass der auf den
Sanierungsgewinn entfallenden Steuer und Beibehaltung der bestehenden Verlustvorträge)
vermieden. Gleiches gilt für Verlustrückträge in Veranlagungszeiträume, in denen ein
begünstigter Sanierungsgewinn erzielt wurde. Eine Änderung des Sanierungserlasses ist nicht
vorgesehen und nicht Gegenstand der Prüfung durch diese Arbeitsgruppe.
c) Abzugsbeschränkungen für bestimmte Aufwendungen
Neben den vorstehend unter 1. bis 4. genannten Normen, die unmittelbar die Verrechnung
von Verlusten beschränken, bestehen im Rahmen der Ermittlung der steuerlichen
Bemessungsgrundlage weitere Abzugsbeschränkungen. Zu diesen Regelungen gehört auch
die sog. Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG), die den Betriebsausgabenabzug von
Zinsaufwendungen beschränkt; danach nicht abziehbare Zinsaufwendungen werden als
Zinsvortrag in folgende Wirtschaftsjahre vorgetragen. Die Regelungen zur Zinsschranke
werden derzeit gesondert evaluiert und sind daher nicht Gegenstand der Prüfung durch diese
Arbeitsgruppe.
8 Vgl. Beschluss des BFH Großer Senat vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BStBl II 2008 S. 608 9 BStBl I S. 240
14
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
III. Verlustabzug (Verlustvortrag und Verlustrücktrag)
1. Rechtsentwicklung
Das Einkommensteuergesetz kennt seit 1925 (mit einer kurzen Unterbrechung zwischen 1934
und 1938) einen - damals noch auf Gewinneinkünfte und zeitlich auf fünf Jahre
beschränkten - Verlustvortrag. Mit dem Einkommensteueränderungsgesetz 1976 wurde
zusätzlich ein einjähriger Verlustrücktrag eingeführt und der Verlustvortrag auf alle
Einkunftsarten ausgedehnt.
Mit dem Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 198810 wurde ab dem Veranlagungszeitraum
1990 die zeitliche Beschränkung für den Verlustvortrag beseitigt und erstmals eine gesonderte
Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs eingeführt. Mit dem Standortsicherungsgesetz
vom 13. September 199311 wurde dem Steuerpflichtigen ab dem Veranlagungszeitraum 1994
das Wahlrecht eingeräumt, zugunsten des Verlustvortrags ganz oder teilweise auf den
Verlustrücktrag zu verzichten.
Durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 199912 wurde der zuvor
auf zwei Jahre erweiterte Verlustrücktrag wieder auf den dem Verlustentstehungsjahr
vorangegangenen Veranlagungszeitraum und zusätzlich der Höhe nach beschränkt
(2 Mio. DM ab dem Veranlagungszeitraum 1999, 1 Mio. DM ab dem Veranlagungszeitraum
2001, 511.500 Euro ab dem Veranlagungszeitraum 2002).
Überdies wurde ab dem Veranlagungszeitraum 1999 die sog. Mindestbesteuerung durch § 2
Absatz 3 EStG eingeführt. Nach der Mindestbesteuerung konnten Verluste lediglich in Höhe
von bis zu 51.500 Euro unbeschränkt, darüber hinaus nur noch zur Hälfte mit positiven
Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden. Für zurück- und vorgetragene
Verluste galt die Mindestbesteuerung entsprechend.
Durch das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur
Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 200313
wurde die Mindestbesteuerung nach § 2 Absatz 3 EStG aufgehoben und ab dem
Veranlagungszeitraum 2004 durch die sog. Mindestgewinnbesteuerung nach § 10d Absatz 2
EStG ersetzt. Seitdem ist ein Abzug vorgetragener Verluste zwar (von einzelnen
Verlustverrechnungsbeschränkungen abgesehen - vgl. oben B. II. 1.) grundsätzlich
einkünfteübergreifend möglich, oberhalb eines Sockelbetrags von 1 Mio. Euro jedoch auf
60 % des 1 Mio. Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte beschränkt. In zeitlicher
Hinsicht ist der Verlustvortrag weiterhin grundsätzlich unbegrenzt möglich.
10 BGBl. I S. 1093, 2074 11 BGBl. I S. 1569 12 BGBl. I S. 402 13 BGBl. I S. 2840
15
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
Auf § 10d EStG verweisen verschiedene Normen des EStG sowie anderer Gesetze,
insbesondere:
§ 2a EStG Negative Einkünfte mit Bezug zu Drittstaaten
§ 15 Absatz 4 EStG Verluste aus gewerblicher Tierzucht, Termingeschäften und
besonderen gewerblichen Beteiligungen an
Kapitalgesellschaften
§ 15a EStG Verluste bei beschränkter Haftung
§ 15b EStG Verluste im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen
§ 20 Absatz 6 EStG Verluste aus Kapitalvermögen
§ 22 Nummer 3 EStG Verluste aus sonstigen Leistungen
§ 23 Absatz 3 Satz 7 ff. EStG Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften
§ 8 Absatz 8 und 9 KStG Verluste bei zusammengefassten Betrieben gewerblicher Art
und Kapitalgesellschaften mit Dauerverlustgeschäften
Eine Änderung des § 10d EStG würde sich mittelbar auch auf diese Normen auswirken.
2. Verfassungsrechtliche Vorgaben
a) Prinzip der Abschnittsbesteuerung
Ursprünglich billigte das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber hinsichtlich der
Gewährung bzw. Beschränkung eines Verlustabzugs einen weitreichenden
Regelungsspielraum zu. So ging das BVerfG im Beschluss vom 8. März 1978
(1 BvR 117/78)14 unter Verweis auf das Prinzip der Abschnittsbesteuerung noch davon aus,
dass der Gesetzgeber grundsätzlich von Verfassungs wegen nicht verpflichtet sei, überhaupt
einen Verlustabzug zuzulassen. Er sei lediglich aufgrund des Willkürverbots aus Artikel 3 des
Grundgesetzes daran gehindert, bestimmten Einkunftsarten einen Verlustabzug zuzugestehen,
anderen aber nicht, sofern für eine solche Differenzierung kein sachlicher Grund besteht.15
b) Prinzip der Leistungsfähigkeit / Nettoprinzip
Im Beschluss vom 22. Juli 1991 (1 BvR 313/88)16 hat das BVerfG diese Auffassung
dahingehend relativiert, dass die zeitliche Beschränkung des Verlustabzugs nicht nur an der
Abschnittsbesteuerung zu messen sei, sondern im Spannungsverhältnis zwischen dem
Grundsatz der Abschnittsbesteuerung und dem Grundsatz des abschnittsübergreifenden
Nettoprinzips stehe. Der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung schaffe Überschaubarkeit und
Klarheit bezüglich des Sachverhalts und der anzuwendenden steuerlichen Vorschriften. Das
Nettoprinzip sei andererseits Ausdruck der materiellen Richtigkeit eines Steueranspruchs,
welcher an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet sein müsse. Gerieten
14 HFR 1978, S. 293 15 So auch BVerfG im Beschluss vom 30. September 1998 2 BvR 1818/91, BGBl. I S. 3430 16 Nichtannahmebeschluss, HFR 1992, S. 423
16
http:besteht.15
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
Rechtssicherheit und materielle Gerechtigkeit als wesentliche Bestandteile des
Rechtsstaatsprinzips miteinander in Widerstreit, sei es Aufgabe des Gesetzgebers, diesen
Widerstreit zu entscheiden. Treffe er diese Entscheidung ohne Willkür, so könne die
Regelung des Gesetzgebers verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden.
Diese Ausführungen bezogen sich auf die seinerzeitige Beschränkung des Verlustrücktrags
auf ein Jahr und des Verlustvortrags auf fünf Jahre, die vom Bundesverfassungsgericht nicht
beanstandet wurde.
c) Bundesfinanzhof: Keine Vererblichkeit des Verlustabzugs
Mit Beschluss vom 17. Dezember 2007 hat der Große Senat des Bundesfinanzhofs17
festgestellt, dass ein Übergang des vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustabzugs auf den
Erben verfassungsrechtlich nicht geboten ist.18
3. Verlustvortrag einschließlich Mindestgewinnbesteuerung
a) Allgemeines
Der Verlustvortrag nach § 10d EStG bzw. § 10a GewStG durchbricht (wie der nachfolgend
unter 4. behandelte Verlustrücktrag) das Prinzip der Abschnittsbesteuerung und ermöglicht es,
negative Einkünfte eines Veranlagungszeitraums von positiven Einkünften eines späteren
Veranlagungszeitraums abzuziehen. Damit wird insbesondere berücksichtigt, dass nicht alle
Aufwendungen zum Zwecke der Einkunftserzielung bereits im selben Veranlagungszeitraum
zu einem Ertrag führen. Darüber hinaus können Verluste im Rahmen des Verlustvortrags
grundsätzlich aber auch mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsquellen verrechnet
werden. Sieht das Einkommensteuergesetz allerdings im Rahmen des Verlustausgleichs eine
Verrechnungsbeschränkung vor, so gilt diese Beschränkung regelmäßig auch im Rahmen des
Verlustvortrags mit der Folge, dass negative Einkünfte nur innerhalb des
Verlustverrechnungskreises von zukünftigen positiven Einkünften abgezogen werden können.
Im Rahmen von § 2b EStG, § 15 Absatz 4 Satz 1 und 2, Satz 3 bis 5 und Satz 6 bis 8 EStG,
§ 20 Absatz 6 EStG, § 22 Nummer 2 i. V. m. § 23 Absatz 3 EStG sowie § 22 Nummer 3 EStG
gelten gesonderte Verlustverrechnungsbeschränkungen (besondere Verrechnungskreise).
Negative Einkünfte im Sinne dieser Vorschriften dürfen zwar nicht nach § 10d EStG
abgezogen werden. Sie mindern aber „nach Maßgabe des § 10d“ die Gewinne bzw.
Einkünfte, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen und in den folgenden
Veranlagungszeiträumen bzw. Wirtschaftsjahren aus dem entsprechenden Verrechnungskreis
erzielt.
Der Höhe nach ist die Möglichkeit zur Verlustverrechnung in späteren
Veranlagungszeiträumen durch die sog. Mindestgewinnbesteuerung nach § 10d Absatz 2
EStG bzw. § 10a Satz 2 GewStG beschränkt. Die Mindestgewinnbesteuerung ist auf
17 Beschluss des BFH Großer Senat vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BStBl II 2008 S. 608 18 Vgl. auch BFH-Urteil vom 12. Januar 2011 I R 112/09, BFH/NV 2011 S. 1194
17
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
Einkünfte aus einem besonderen Verlustverrechnungskreis ebenfalls anzuwenden, sofern die
Verluste bzw. negativen Einkünfte „nach Maßgabe des § 10d“ abgezogen werden können.19
Die Mindestgewinnbesteuerung stellt sicher, dass ein Steuerpflichtiger, der in einem
Veranlagungszeitraum Einkünfte von mehr als 1 Mio. Euro erzielt, trotz bestehender
Verlustvorträge zu dem Steueraufkommen beiträgt. Die Mindestgewinnbesteuerung ist somit
insbesondere für die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer ein Stabilisierungselement für
die öffentlichen Haushalte.
§ 10d Absatz 2 EStG und § 10a GewStG wurden durch das Gesetz zur Umsetzung der
Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum
Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003 (Protokollerklärungsgesetz)20 in
das Einkommensteuer- bzw. Gewerbesteuergesetz eingefügt. Nach der Begründung im
Referentenentwurf, der noch eine Begrenzung des Verlustabzugs auf die Hälfte des
Gesamtbetrags der Einkünfte mit Einführung eines Sockelbetrages von 100.000 Euro vorsah,
hat die Beschränkung den Zweck, das Steueraufkommen für die öffentlichen Haushalte
kalkulierbarer zu machen. Aus diesem Grund sollte das „gewaltige Verlustvortragspotenzial
der Unternehmen, das diese vor sich herschieben“ gestreckt werden. Nur so sei auf Dauer eine
Verstetigung der Staatseinnahmen gewährleistet.
Der Bundesrat lehnte die Einführung der Mindestgewinnbesteuerung in seiner Stellungnahme
zum Regierungsentwurf seinerzeit unter Hinweis auf das Gebot der Besteuerung nach der
Leistungsfähigkeit ab. Sobald ein Unternehmen Verluste erwirtschafte, ende das
Besteuerungsrecht des Staates, bis diese Verluste mit Gewinnen ausgeglichen seien. Der
Liquiditätsabfluss aufgrund der Mindestgewinnbesteuerung schränke zudem die
Eigenkapitalbildung ein. Vor allem treffe die Mindestgewinnbesteuerung junge Firmen und
Existenzgründer - insbesondere auch im Bereich der Forschung -, die in den ersten Jahren
nach Betriebseröffnung regelmäßig Verluste erwirtschafteten.21
b) Aktuelle Rechtsprechung
Aktuell sind mehrere Verfahren beim Bundesfinanzhof anhängig, die sich auf eine behauptete
Unvereinbarkeit des § 10d Absatz 2 EStG bzw. § 10a Satz 2 GewStG mit dem Grundsatz der
Leistungsfähigkeit sowie dem Gleichheitssatz stützen.
Im Revisionsverfahren IV R 29/10 hat die Vorinstanz entschieden, dass bei Wegfall der
Verluste aufgrund einer Liquidation die Voraussetzungen für eine Billigkeitsregelung nach
19 Auf andere Verlustverrechnungskreise ist die Mindestgewinnbesteuerung dagegen nicht anzuwenden, sodass negative Einkünfte insoweit unbeschränkt mit künftigen positiven Einkünften desselben Verlustverrechnungskreises verrechnet werden können (z. B. § 15a EStG, § 15b EStG), vgl. dazu BMF-Schreiben vom 29. November 2004, BStBl I S. 1097
20 BGBl. I S. 2840 21 Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucksache 15/1665, S. 2
18
http:erwirtschafteten.21http:k�nnen.19
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
den §§ 163, 227 AO vorlägen. Im Revisionsverfahren IV R 36/10 sieht die Vorinstanz die
Mindestgewinnbesteuerung auch bei Wegfall von Verlusten jedenfalls dann nicht als
verfassungswidrig an, wenn er auf einer freien Entscheidung des Steuerpflichtigen
(Beendigung einer werbenden Tätigkeit) beruht. In den Revisionsverfahren IV R 43/10 und
I R 9/11 schließlich begehrt die Revision abweichend von § 10a Satz 2 GewStG bzw. § 10d
Absatz 2 EStG einen sofortigen Verlustabzug in voller Höhe allein mit der Begründung, dass
zukünftige Erträge das Volumen der bestehenden Verlustvorträge voraussichtlich nicht
erreichen würden.
Im Beschluss vom 26. August 2010 I B 49/1022 hat der Bundesfinanzhof in einem Verfahren
des vorläufigen Rechtsschutzes die Zulässigkeit der Mindestgewinnbesteuerung im Kern zwar
bestätigt, jedoch nach summarischer Prüfung verfassungsrechtliche Zweifel geäußert, wenn
die nach § 10d Absatz 2 EStG nicht abzugsfähigen Verluste in einem späteren
Veranlagungszeitraum aufgrund eines Gesellschafterwechsels nach § 8c KStG alter Fassung
(und der Verschmelzung des Steuerpflichtigen auf eine andere Körperschaft nach § 12
Absatz 3 i. V. m. § 4 Absatz 2 Satz 2 UmwStG) endgültig nicht mehr genutzt werden
können.23
c) Internationaler Vergleich
In den internationalen Vergleich einbezogen wurden Staaten der Europäischen Union sowie
ausgewählte andere Staaten (Japan, Kanada, Schweiz und die USA). Die wichtigsten
Regelungen im Überblick sind in der Anlage 1 (natürliche Personen) und in der Anlage 2
(Körperschaften) dargestellt.
aa) Zeitliche Begrenzung des Verlustvortrags
Eine zeitliche Begrenzung des Verlustvortrags sehen viele der untersuchten Staaten vor.
Verluste eines Veranlagungszeitraums können danach lediglich eine bestimmte Anzahl von
Jahren mit zukünftigen Einkünften verrechnet werden. Danach ist ein Verlustabzug endgültig
ausgeschlossen (sog. „Kappung“). In einigen Ländern unterscheiden sich die
Verlustvortragszeiträume für natürliche Personen und für Körperschaften. Der
Verlustvortragszeitraum beträgt bei Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit grundsätzlich24
3 Jahre in Japan (bei natürlichen Personen), Lettland (bei natürlichen Personen) und
Österreich (bei natürlichen Personen, sofern die Gewinnermittlung durch
Einnahmen-Ausgaben-Rechnung erfolgt),
4 Jahre in Portugal und Spanien (bei natürlichen Personen),
5 Jahre in Bulgarien, Griechenland sowie Rumänien (bei natürlichen Personen),
Tschechien und Polen,
22 HFR 2010, S. 1289 23 vgl. hierzu Modell 8 der Handlungsvorschläge dieses Kapitels 24 Für andere Einkünfte als Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit und bestimmte Sonderkonstellationen
gelten z. T. abweichende Regelungen.
19
http:k�nnen.23
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
6 Jahre in Frankreich (bei natürlichen Personen),
7 Jahre in Estland (bei natürlichen Personen), Japan (bei Körperschaften), Rumänien (bei
Körperschaften), der Schweiz und der Slowakei,
8 Jahre in Lettland (bei Körperschaften),
9 Jahre in den Niederlanden,
10 Jahre in Finnland,
18 Jahre25 in Spanien (bei Körperschaften und Personengesellschaften)26 und
20 Jahre in Kanada und den USA.
Dagegen ist in Belgien, Dänemark, Frankreich (bei Körperschaften), Irland, Litauen,
Luxemburg, Malta, Schweden, Slowenien, Ungarn, dem Vereinigten Königreich und Zypern
ein Verlustvortrag grundsätzlich sowohl zeitlich als auch der Höhe nach unbegrenzt möglich.
In Österreich ist der Verlustvortrag zeitlich unbegrenzt, wenn die Verluste aus betrieblichen
Einkunftsarten stammen und durch „ordnungsmäßige Buchführung“ ermittelt wurden. Bei
sog. Einnahmen-Ausgaben-Rechnern ist der Verlustvortrag hingegen grundsätzlich auf drei
Jahre begrenzt.27 Verluste aus nicht betrieblichen Einkunftsarten sind dagegen nicht
vortragsfähig. Der Österreichische Verfassungsgerichtshof hat diese Beschränkung des
Verlustvortrags auf betriebliche Einkunftsarten als verfassungswidrig angesehen und mit
Wirkung zum 31.12.2011 aufgehoben.28
bb) Zeitliche Streckung des Verlustvortrags
Eine mit der deutschen Mindestgewinnbesteuerung vergleichbare zeitliche Streckung des
Verlustvortrags gibt es in der Europäischen Union derzeit in Österreich, Polen, Italien und
Spanien.
In Österreich können Verlustvorträge maximal in Höhe von 75 % der Einkünfte eines
Veranlagungszeitraums abgezogen werden.
In Polen können Verluste einer Einkunftsart nur mit positiven Einkünften derselben
Einkunftsart verrechnet werden. Soweit ein Verlustvortrag zulässig ist, können je
Veranlagungszeitraum höchstens 50 % des Verlustvortrags mit Gewinnen verrechnet werden.
25 Der Verlustvortragszeitraum wurde von 15 auf 18 Jahre verlängert durch Real Decreto-Ley 9/2011 vom 19. August 2011, veröffentlicht im Gesetzblatt Nr. 200 vom 20. August 2011.
26 Bei neu gegründeten Gesellschaften beginnt der Verlustvortragszeitraum nicht bereits mit Ablauf des Verlustentstehungsjahres, sondern erst mit Beginn des Wirtschaftsjahres, in dem die neu gegründete Gesellschaft erstmals Gewinne erzielt.
27 Die Ungleichbehandlung von bilanzierenden Steuerpflichtigen und Einnahmen-Ausgaben-Rechnern wird verfassungsrechtlich damit gerechtfertigt, dass es jedem freistehe, seinen Gewinn mittels einer doppelten Buchführung zu ermitteln (VfGH vom 3. März 1987, G 170/86).
28 VfGH vom 30. September 2010 G 35/10 - http://www.vfgh.gv.at/cms/vfghsite/attachments/8/5/0/CH0006/CMS1290089747095/vermietung_verpachtung_g_35-10.pdf
20
http://www.vfgh.gv.at/cms/vfghhttp:aufgehoben.28http:begrenzt.27
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
Italien hat durch das Gesetz vom 15. Juli 2011 (Nr. 111/2011)29 mit Wirkung ab dem
Jahr 2011 die bisher geltende zeitliche Beschränkung des Verlustvortrags auf fünf Jahre
aufgehoben und eine Mindestgewinnbesteuerung eingeführt, nach der Verlustvorträge
maximal in Höhe von 80 % der Einkünfte eines Veranlagungszeitraums abgezogen werden
können. Die Regelung gilt nicht für Verluste der ersten drei Jahre nach Aufnahme der
Geschäftstätigkeit des Unternehmens.
In Spanien wurde mit Real Decreto-Ley 9/2011 vom 19. August 2011,30 dem das spanische
Parlament am 23. August 2011 zugestimmt hat, für die Jahre 2011 bis 2013 eine
Mindestgewinnbesteuerung eingeführt. Überschreitet ein Unternehmen bestimmte
Umsatzgrenzen, können Verlustvorträge maximal in Höhe von 50 % bzw. 75 % der
Bemessungsgrundlage eines Jahres abgezogen werden.
In Japan31 und Frankreich32 gibt es ebenfalls Bestrebungen, eine Mindestgewinnbesteuerung
einzuführen. Nach der am 24. August 2011 durch die französische Regierung vorgestellten
Regelung sollen Unternehmen einen Verlustvortrag bis zu einer Mio. Euro voll, darüber
hinausgehend nur in Höhe von 60 % des Gewinns eines Veranlagungszeitraums verrechnen
können. Die Regelung wurde in Frankreich als Maßnahme zur Angleichung des deutschen
und des französischen Körperschaftsteuerrechts angekündigt.
cc) Mindestbesteuerung im Sinne des § 2 Absatz 3 EStG a. F.
In einem Großteil der untersuchten Staaten ist wie in Deutschland eine Verlustverrechnung
grundsätzlich einkünfteübergreifend möglich, allerdings sind häufig einzelne Einkünfte bzw.
Einkunftsarten davon ausgenommen (in erster Linie Einkünfte aus Beteiligungen,
Veräußerungsgeschäften und allgemein aus Kapitalvermögen). Teilweise ist eine
Verlustverrechnung dagegen ausschließlich innerhalb derselben Einkunftsart möglich.
dd) GKKB-Richtlinienvorschlag
Der GKKB-Richtlinienvorschlag sieht einen zeitlich unbeschränkten Verlustvortrag vor. Eine
Beschränkung des Verlustabzugs der Höhe nach ist nicht vorgesehen.
d) Evaluierung
aa) Evaluierung der Verlustvorträge
(1) Bundesweite Daten
Zum 31.12.2004 betrugen die bundesweit festgestellten Verlustvorträge bei der
29 Veröffentlicht im Gesetzblatt Nr. 164 vom 16. Juli 2011 30 Veröffentlicht im Gesetzblatt Nr. 200 vom 20. August 2011 31 BDI/KPMG-Studie 2011, Verlustnutzung nach Anteilseignerwechsel, S. 27: danach soll eine
Verlustverrechnung nur noch in Höhe von 80 % der Gewinne zugelassen werden. 32 http://www.gouvernement.fr/presse/mesures-pour-la-reduction-du-deficit-public
21
http://www.gouvernement.fr/presse/mesures-pour-la-reduction-du-deficit-public
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
Körperschaftsteuer: 506,4 Mrd. Euro
(davon unbeschränkt Steuerpflichtige: 473,4 Mrd. Euro)33;
Gewerbesteuer: 569,0 Mrd. Euro;
Einkommensteuer: 71,2 Mrd. Euro.
Zum 31.12.2006 sind die festgestellten Verlustvorträge bei der Einkommensteuer auf
62,2 Mrd. Euro zurückgegangen. Bei der Körperschaftsteuer sind die festgestellten
Verlustvorträge dagegen weiter auf 603,6 Mrd. Euro angewachsen. Auf unbeschränkt
Steuerpflichtige entfallen dabei 576,3 Mrd. Euro. Nach einer jüngst veröffentlichten, aufgrund
des Fehlens einiger großer Industrienationen allerdings nur begrenzt aussagekräftigen
Untersuchung der OECD34 ist das Volumen der Verlustvorträge im Verhältnis zum
Bruttoinlandsprodukt in Deutschland so hoch wie in keinem anderen untersuchten Staat,
obwohl Verluste in fast all diesen Staaten zeitlich unbegrenzt vorgetragen werden können:35
Verlustvorträge Körperschaftsteuer (2006)
in Mio. € in % vom Bruttoinlandsprodukt
Deutschland36 576.300 24,8
Neuseeland 16.823 17,6
Schweden 50.422 15,2
Frankreich 245.000 13,6
Norwegen 33.524 12,3
Australien 97.216 12,2
Kanada 114.226 10,7
Dänemark 18.569 8,5
Österreich 16.358 6,4
Irland 4.967 2,8
Quelle: OECD
Zu der Entwicklung der Verlustvorträge in den Jahren nach 2006 in Deutschland liegen
derzeit noch keine belastbaren Zahlen vor. Die in Publikationen genannten Zahlen, die zum
31.12.2010 von einem Bestand von körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen
Verlustvorträgen i. H. v. jeweils bis zu 700 Mrd.37 oder gar 800 Mrd.38 Euro ausgehen,
können deshalb nicht bestätigt werden.
33 Ohne Organgesellschaften und ohne Steuerbefreite 34 OECD (2011), Corporate Loss Utilisation through Aggressive Tax Planning, OECD Publishing,
S. 10 bis 11 und S. 15; http://www.oecd.org/officialdocuments/publicdisplaydocumentpdf/?cote=CTPA/CFA(2011)45/REV1& docLanguage=En
35 Lediglich in Kanada ist der Verlustvortrag auf 20 Jahre begrenzt, OECD (2011), Corporate Loss Utilisation Through Aggressive Tax Planning, OECD Publishing, S. 26.
36 Ohne beschränkt Steuerpflichtige 37 Siehe hierzu Übersicht bei Ernst, Neuordnung der Verlustnutzung nach Anteilseignerwechsel -
Reformbedarf und haushaltspolitische Bedeutung des § 8c KStG -, IFSt-Schrift Nr. 470 (2011), S. 74
22
http://www.oecd.org/officialdocuments/publicdisplaydocumentpdf/?cote=CTPA/CFA(2011)45/REV1
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
(a) Körperschaftsteuer
(aa) Entwicklung der Verlustvorträge
Die Verlustvorträge bei der Körperschaftsteuer sind seit Abschaffung der zeitlichen
Begrenzung des Verlustvortrags auf fünf Jahre durch das Steuerreformgesetz 1990
kontinuierlich angestiegen. Im Jahr 1991 betrugen die festgestellten Verlustvorträge noch
rund 82 Mrd. Euro39. Der Zuwachs des Verlustvortragsbestands ergibt sich im Wesentlichen
aus dem Saldo aus den entstehenden Verlusten einerseits und dem Verlustverbrauch durch
Verrechnung bzw. Wegfall (z. B. durch Mantelkauf § 8c KStG, Liquidation) des jeweiligen
Veranlagungszeitraums andererseits. Das Bundesministerium der Finanzen geht davon aus,
dass zukünftig jährlich neue Verluste in einer Größenordnung von 55 bis 70 Mrd. Euro
entstehen. Der jährliche Verlustverbrauch durch Verrechnung bzw. Wegfall (z. B. durch
Mantelkauf § 8c KStG, Liquidation) dürfte sich in einer Größenordnung von 20 bis 30 Mrd.
Euro bewegen. Der daraus resultierende durchschnittliche Zuwachs der
Verlustvortragsbestände beträgt danach pro Jahr rund 35 bis 40 Mrd. Euro.
38
39
Dorenkamp, Haushaltsverträglicher Einstieg in den Ausstieg aus der Mindestbesteuerung, Finanz-Rundschau 2011, S. 736 Amtliche Körperschaftsteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes für das Veranlagungsjahr 1992, Endbestand zum 31.12.1991
23
-
Stand: August 2011 Entwicklung der Verlustvorträge von Körperschaftsteuerpflichtigen1)
Mrd
. €
650,0
600,0
550,0
500,0
450,0
400,0
350,0
300,0
250,0
200,0
150,0
100,0
50,0
0,0
81,7
196,7
266,0
312,4
429,1
473,4
519,4
576,3
81,7
196,7
273,7
318,1
460,6
506,4
553,0
603,6
380,2
285,4
239,5
128,3
385,6
293,7
239,5
128,3
unbeschränkt Körperschaftsteuerpflichtige
Körperschaftsteuerpflichtige insgesamt
interpolierter Verlauf
AG
„Verlustverrechnung und G
ruppenbesteuerung“
1991 1992 1994 1995 1997 1998 2000 2001 2003 Jahr2) 2004 2005 2006
1) Ohne Organgesellschaften und ohne Steuerbefreite. Quelle: 2) Stand zum 31.12. der Veranlagungsjahre 1992, 1995, 1998, 2001 und 2004 bis 2006 aus den Körperschaftsteuerstatistiken des Statistischen Bundesamts für die Statistisches Bundesamt
jeweiligen Veranlagungsjahre. Für den Stand zum 31.12. der Veranlagungsjahre 1991, 1994, 1997, 2000 und 2003 wurden die Werte aus den Körperschaftsteuerstatistiken der jeweiligen Folgejahre berücksichtigt, der als Bestand zum 31.12. des Vorjahres ausgewiesen war. Die Bestände der Verlustvorträge zum 31.12. der Veranlagungsjahre 1993, 1996, 1999 und 2002 wurden linear interpoliert. Die Jahresendbestände der Verlustvorträge zum 31.12. der Veranlagungsjahre 2004 bzw. 2005 aus den Körperschaftsteuerstatistiken der Veranlagungsjahre 2004 bzw. 2005 weichen von den Jahresanfangsbeständen zum 01.01. der Veranlagungsjahre 2005 bzw. 2006 aus den Körperschaftsteuerstatistiken 2005 bzw. 2006 ab. Dies kann auf die jeweilige andere Fallgesamtheit aufgrund der unterschiedlichen Erfassungszeiträume der Statistiken zurückgeführt werden. B
ericht
24
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
Die bundesweit festgestellten Verlustvorträge bei der Körperschaftsteuer zum 31.12.2006
entfielen auf rund 467.000 und damit 53 % der insgesamt rund 889.000 unbeschränkt
steuerpflichtigen Körperschaften (ohne Organgesellschaften und ohne Steuerbefreite).
Allerdings konzentrieren sich die Verlustvorträge in starkem Maße bei relativ wenigen
Unternehmen. So entfielen im Jahr 2006 95 % der körperschaftsteuerlichen Verlustvorträge
bzw. 547,5 Mrd. Euro auf 49.332 Steuerpflichtige (5,6 %). 90 % der Verlustvorträge bzw.
518,7 Mrd. Euro entfielen auf 19.908 Steuerpflichtige (2,2 %) und 50 % der Verlustvorträge
bzw. 288,1 Mrd. Euro entfielen auf 533 Steuerpflichtige (0,06 % - jeweils nur unbeschränkt
Körperschaftsteuerpflichtige ohne Organgesellschaften und ohne Steuerbefreite).40
(bb) Negative und positive Einkünfte im Vergleich
Gemessen an der Verteilung der bundesweit erzielten positiven Gesamtbeträge der Einkünfte
konzentrieren sich die Verlustvorträge damit überproportional stark bei nur wenigen
Körperschaften. Von der Summe aller positiven Gesamtbeträge der Einkünfte des Jahres 2006
(insgesamt 153,2 Mrd. Euro) entfielen 95 % bzw. 145,6 Mrd. Euro immerhin auf 106.647
Steuerpflichtige (rund 12 %).
Stand: Juli 2011 Körperschaftsteuerstatistik 2006
- Unbeschränkt Steuerpflichtige*)
0 %
10 %
20 %
30 %
40 %
50 %
60 %
70 %
An
teil
an d
en K
örp
ersc
haf
tste
uer
pfl
icht
igen
Verlustvortrag
positiver Gesamtbetrag der Einkünfte (GdE)
50 % der Verlustvorträge bzw. 288,1 Mrd. € entfallen auf 533
Steuerpflichtige bzw. auf 0,06 % aller Körperschaftsteuerpflichtigen
90 % der Verlustvorträge bzw. 518,7 Mrd. € entfallen auf 19.908 Steuerpflichtige bzw. auf 2,2 %
aller Körperschaftsteuerpflichtigen
95 % der Verlustvorträge bzw. 547,5 Mrd. € entfallen auf 49.332 Steuerpflichtige bzw. auf
5,6 % aller Körperschaftsteuerpflichtigen während 95 % der positiven Gesamtbeträge der Einkünfte bzw. 145,6 Mrd. € auf 106.647
Steuerpflichtige bzw. auf 12% aller Körperschaftsteuerpflichtigen entfallen
5%
10 %
15 %
20 %
25 %
30 %
35 %
40 %
45 %
50 %
55 %
60 %
65 %
70 %
75 %
80 %
85 %
90 %
95 %
100
%
Anteil am gesamten positiven Gesamtbetrag der Einkünfte bzw. am Gesamtverlustvortragsvolumen
Quelle: Statistisches Bundesamt *) Ohne Organgesellschaften und ohne Steuerbefreite o
hne
Ver
lust
vort
rag
mit
neg
ativ
em G
dE
In welcher Höhe es sich bei den festgestellten körperschaftsteuerlichen Verlustvorträgen um
Verluste von Steuerpflichtigen handelt, die voraussichtlich keine oder nur geringe Gewinne
erzielen werden oder sich in Liquidation befinden, sodass sich diese Verluste steuerlich nicht
oder nur zum Teil auswirken werden, kann aus den vorhandenen bundesweiten Daten nicht
abgeleitet werden.
Eine ausführliche Übersicht über die Konzentration der Verlustvorträge bei Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Einkommensteuer findet sich in Anlage 3 dieses Berichts.
25
40
http:Steuerbefreite).40
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
Gewinne und Verluste der unbeschränkt Körperschaftsteuerpflichtigen41 haben sich nach den
amtlichen Körperschaftsteuerstatistiken seit 1992 wie folgt entwickelt:
Gewinnfälle (Fälle mit
positivem
Gesamt
betrag der
Einkünfte)
Verlustfälle (Fälle mit
negativem
Gesamt
betrag der
Einkünfte)
KSt-Pflichtige insgesamt
positive
Gesamt
beträge der
Einkünfte
negative
Gesamt
beträge der
Einkünfte
Inan
spruch
nahme
des
Verlust
vortrags
Steuer
belas
tete
Nicht
steuer
belas
tete
in Tsd. in Mrd. € in Tsd.
1992 261,0 267,9 528,9 59,0 49,3 3,8 248,9 280,0
1995 373,1 263,6 636,7 82,1 55,7 14,5 243,9 392,9
1998 442,6 273,6 716,2 127,0 45,0 25,3 270,7 445,5
2001 500,2 289,8 790,0 114,4 85,7 19,6 295,3 494,7
2004 520,2 296,2 816,5 106,2 56,5 16,9 321,3 495,1
2005 540,3 298,4 838,7 129,9 49,5 23,6 337,1 501,6
2006 597,0 291,8 888,8 153,2 51,2 24,6 382,7 506,1
Quelle: Statistisches Bundesamt
Im Durchschnitt der im Zeitraum von 1992 bis 2006 statistisch erfassten Werte der
Körperschaftsteuerstatistik
• betragen die negativen Einkünfte rund 51 % der positiven Einkünfte; am aktuellen Rand (2006) rund ein Drittel;
• erzielen jedes Jahr 62 % der Körperschaftsteuerpflichtigen positive Einkünfte und 38 % negative Einkünfte;
• sind umgekehrt jedes Jahr rund 40 % der Körperschaftsteuerpflichtigen mit Körperschaftsteuer belastet (festgesetzte Körperschaftsteuer ist positiv) und rund 60 % der
Körperschaftsteuerpflichtigen zahlen keine Körperschaftsteuer (festgesetzte
Körperschaftsteuer ist 0). Die im Vergleich zur Anzahl der Gewinnfälle starke
Verringerung der Körperschaftsteuerzahler ist in erster Linie auf die Inanspruchnahme des
Verlustvortrags zurück zu führen. Beispielweise gab es 2006
o 597 Tsd. Gewinnfälle (positiver Gesamtbetrag der Einkünfte)
o 233 Tsd. Fälle mit Inanspruchnahme des Verlustvortrags
o 380 Tsd. Körperschaftsteuerzahler (Fälle mit positiver festgesetzter
Körperschaftsteuer).
(cc) Entwicklung des Zuwachses der Verlustvorträge Der Zuwachs des Bestands an Verlustvorträgen ergibt sich in jedem Jahr als Saldo aus dem
Abbau des zu Jahresanfang vorhandenen Bestands an Verlustvorträgen (beispielsweise durch
Ohne Organgesellschaften und ohne Steuerbefreite
26
41
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
Verrechnung mit Gewinnen) und dem Zuwachs aus den im jeweiligen Jahr neu entstandenen
Verlusten, die nicht verrechnet werden konnten.
Da der jährliche Verbrauch der Verlustvorträge durch Verrechnung oder Wegfall im Zeitraum
von 1992 bis 2006 stets wesentlich niedriger war als die Summe der neu entstandenen
Verluste, ist das Volumen der festgestellten Verlustvorträge im Zeitraum von Ende 1991 bis
Ende 2006 pro Jahr um durchschnittlich rund 35 Mrd. Euro angewachsen (vgl. B. III. 3. d) aa)
(1)). Aus diesem Grund konnten die Verlustvortragsbestände nicht abgebaut werden.
Dies wird auch aus der nachfolgenden Grafik deutlich, in der die Inanspruchnahme des
Verlustvortrags zu der Summe der negativen Gesamtbeträge der Einkünfte ins Verhältnis
gesetzt wird. Dieser Anteil bleibt regelmäßig unter der Marke von 50 %. Er müsste jedoch
nachhaltig über 100 % hinausgehen, um zu einem schrittweisen Abbau der hohen Bestände an
Verlustvorträgen zu führen.
Inanspruchnahme des Verlustvortrags in % der Summe der negativen Gesamtbeträge der Einkünfte der unbeschränkt Körperschaftsteuerpflichtigen*
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
1992 1995 1998 2001 2004 2005 2006
Jahr
*1992, 1995, 1998, 2001, 2004 Werte der Bundesstatistik, 2005, 2006 Werte der Geschäftsstatistiken; restliche Jahre interpoliert; ohne Steuerbefreite und ohne Organgesellschaften
27
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
In der nachfolgenden Grafik wird der Verlustverbrauch (durch Inanspruchnahme von
Verlustvorträgen) zur Summe der positiven Gesamtbeträge der Einkünfte ins Verhältnis
gesetzt:
Inanspruchnahme des Verlustvortrags in % der Summe der positiven Gesamtbeträge der Einkünfte der unbeschränkt Körperschaftsteuerpflichtigen*
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
1992 1995 1998 2001 2004 2005 2006
Jahr
*1992, 1995, 1998, 2001, 2004 Werte der Bundesstatistik, 2005, 2006 Werte der Geschäftsstatistiken; restliche Jahre interpoliert; ohne Steuerbefreite und ohne Organgesellschaften
Die Grafik zeigt, dass von den positiven Gesamtbeträgen der Einkünfte weniger als 20 % mit
Verlustvorträgen verrechnet werden.
28
-
AG „Verlustverrechnung und Gruppenbesteuerung“ Bericht
Ein Gesamtbild lässt sich der nachstehenden Grafik entnehmen, in der der Bestand der
körperschaftsteuerlichen Verlustvorträge Ende 2006 sowie die aufaddierten Jahresbeträge
• der positiven Gesamtbeträge der Einkünfte, • der negativen Gesamtbeträge der Einkünfte sowie • des Verlustabzugs
der 15 Jahre von 1992 bis 2006 (Jahre zwischen den Statistikjahren sind interpoliert)
dargestellt sind.
Summe der positiven und negativen Gesamtbeträge der Einkünfte im Vergleich zur Inanspruchnahme der Verlustvorträge von unbeschränkt
Körperschaftsteuerpflichtigen in den Statistikjahren ab 1992 bis 2006*
positiver Gesamtbetrag der
Einkünfte (vor Verlustverrechnung)
der Gew innfälle 1.654 Mrd. €
negativer Gesamtbetrag der
Einkünfte der Verlustfälle 842 Mrd. €
Inanspruchnahme Verlustvortrag
275 Mrd. €
Bestand der Verlustvorträge am
31.12.2006 576 Mrd. €
0,0
200,0
400,0
600,0
800,0
1000,0
1200,0
1400,0
1600,0
Mrd
. €
* 1992, 1995, 1998, 2001, 2004 Werte der Bundesstatistik, 2005, 2006 Werte der Geschäftsstatistik, 1993, 1994, 1996, 1997, 1999, 2000, 2002, 2003 interpolierte Werte; ohne Steuerbefreite und ohne Organgesellschaften
(dd) Verlustvorträge nach Branchen
Die Verlustvorträge verteilen sich nach den Daten der Körperschaftsteuerstatistik auf
folgende Branchen:
29
-
Mrd
. €
Ver
arbe
itend
es G
ewer
be
Ene
rgie
-un
dW
asse
rver
sorg
ung
Bau
gew
erbe
Han
del;
Inst
andh
altu
ng u
ndR
epar
atur
von
Kra
ftfah
rzeu
gen
und
Geb
rauc
hsgü
tern
Ver
kehr
und
Nac
hric
hten
über
mitt
lung
Kre
dit-
und
Ver
sich
erun
gsge
wer
be
Gru
ndst
ücks
-un
dW
ohnu
ngsw
esen
Rec
hts-
, Ste
uer-
und
Unt
erne
hmen
sber
atun
g, (
…)
Man
agem
enttä
tigke
iten
von
Hol
ding
gese
llsch
afte
n
sons
tige
Erb
ringu
ng v
onw
irtsc
haftl
iche
nD
iens
tleis
tung
en a
. n. g
.
Erb
ringu
ng v
on s
onst
igen
öffe
ntlic
hen
und
pers
önlic
hen
Die
nstle
istu
ngen
sons
tige
Wirt
scha
ftszw
eige
2)
Veränderung des verbleibenden Verlustvortrags zwischen 2001 und 2006 nach Branchen 1)
110 104,7
100 94,4 92,6 verbleibender Verlustvortrag zum 31.12.2001
90 verbleibender Verlustvortrag zum 31.12.2006
80 74,3
70
61,0 58,5
60
51,0 47,4 50
42,8 40,2
37,9 36,9 36,8 40 32,5 30,9
30 24,5 20,4 18,6 17,3 17,1 20
8,7 8,0 10
0
AG
„Verlustverrechnung und G
ruppenbesteuerung“ B
ericht
1) Alle Körperschaftsteuerpflichtigen, ohne Organgesellschaften, ohne Steuerbefreite 2) Land- und Forstwirtschaft; Fischerei und Fischzucht; Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden; Gastgewerbe; Vermietung beweglicher Sachen ohne Bedienungspersonal, Datenverarbeitung und Datenbanken, Forschung und Entwicklung,
Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung; Erziehung und Unterricht; Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen
30
-
30%
25%
20%
15%
10%
5%
0%
Durchschnittliche jährliche prozentuale Veränderung des verbleibenden Verlustvortrags zwischen 2001 und 2006 nach Branchen 1)
28,6%
13,7% 12,7% 12,7%
durchschnittliche jährliche prozentuale Veränderung des verbleibenden Verlustvortrags insgesamt
9,4% 9,1%
5,7%
8,7%
2,1% 1,9% 1,6% 1,8%
Ver
arbe
itend
es G
ewer
be
Ene
rgie
-un
dW
asse
rver
sorg
ung
Bau
gew
erbe
Han
del;
Inst
andh
altu
ng u
nd
Rep
arat
ur v
on
Kra
ftfah
rzeu
gen
und
Geb
rauc
hsgü
tern
Ver
kehr
und
Nac
hric
hten
über
mitt
lung
Kre
dit-
und
Ver
sich
erun
gsge
wer
be
Gru
ndst
ücks
-un
dW
ohnu
ngsw
esen
Rec
hts-
, Ste
uer-
und
Unt
erne
hmen
sber
atun
g,(…
) M
anag
emen
ttätig
keite
nvo
n H
oldi
ngge
sells
chaf
ten
sons
tige