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Gerd FritzThomas Gloning (Hgg)
Untersuchungen zur semantischen Entwicklungsgeschichte der Modalverben im Deutschen
Sonderdruck aus RGL 187
Max Niemeyer Verlag Tuumlbingen 1997 ~
Rosemarie Luumlhr
Modalverben als Substitutionsformen des Konjunktivs in fruumlheren Sprachstufen des Deutschen
Die Verhaumlltnisse in der Hypotaxe
I Problemstellung 2 Voraussetzungen
21 Die Eigenbedeutungen der aJthochdeutschen Modalverben 22 Der Konjunktiv im aJthochdeutschen Nebensatz 23 Modalverben in indikativischen Nebensaumltzen
3 Substitution durch Modalverben 31 Im Althochdeutschen 32 Auswertung 33 Substitution durch Modalverben im Friihneuhochdeutschen 34 Faktoren fuumlr die Aufgabe der Substitution durch ModaJverben im
Neuhochdeutschen 4 Fazit Quellen Literatur
1 Problemstellung
Was im folgenden unter raquoSubstitution des Konjunktivs durch Modalshyverbenlaquo verstanden wird soll zunaumlchst an zwei mittelhochdeutschen Beispielen die eine Hypotaxe enthalten verdeutlicht werden
(I) nu gesterke mir den sin daz ich nUner sele heil um dich verdienen muumleze (Neidhart 888)
nun staumlrke mir den Sinn damit ich meiner Seele Heil um dich verdiene
(2) als ein mensche in guoten willen kumet daz er gote bezzem unde buumlezen welle swaz er wider sinen hulden habe getaumln (Berthold von Regensburg 14217ff)
wenn ein Mensch zu der guten Absicht kommt daszlig er Gott entschaumldigt und buumlszligt was er gegen seine Gnade getan hat I
Vergleicht man den mittelhochdeutschen Wortlaut mit der neuhochshydeutschen Wiedergabe so fallt auf daszlig die Modalverben muumleze und welle der Nebensaumltze nicht in die Uumlbersetzung eingegangen sind Dies
1 Luumlhr (1987280)
178 R Luumlhr
entspricht der Sprachnorm im Neuhochdeutschen In der Duden-Gramshymatik und im Duden-Band raquoRichtiges und gutes Deutschlaquo3 heiszligt es naumlmlich zu Ausdrucksweisen wie
Sie gab ihm die 100 Mark damit er seine Schulden bezahlen solle
Ich bitte um die Erlaubnis das tun zu duumlrfen
Ich sah mich genoumltigt abreisen zu muumlssen
raquo[Die] unnoumltige Haumlufung [von modalen Ausdriicken] sollte man vershymeidenlaquo Besser sei
Sie gab ihm die 100 Mark damit er seine Schulden bezahlt
Ich bitte um die Erlaubnis das zu tun
Ich sah mich genoumltigt abzureisen
In einer neuhochdeutschen Uumlbersetzung der bei den mittelhochdeutshyschen Beispielsaumltze mit Modalverben liegt der Fall aumlhnlich Zwar wuumlrshyden in
(Ib) nun staumlrke mir den Sinn damit ich meiner Seele Heil um dich verdienen kann
und
(2b) wenn ein Mensch zu der guten Absicht kommt daszlig er Gott entschaumldigen und buumlszligen will was er gegen seine Gnade getan hat
die Modalverben zum Sinn des Nebensatzes passen doch wuumlrden sie nach der heutigen normativen Grammatik uumlberfluumlssige Pleonasmen darshystellen Denn einmal ist die eindeutig finale Subjunktion damit und im anderen Fall das Wort Absicht mit einem Attributsatz verbunden in dem das Ziel der Absicht ausgedruckt wird Beidemal eruumlbrigt sich also die Wiedergabe der Modalverben
Vom Mittelhochdeutschen unterscheidet sich das Neuhochdeutsche jedoch insofern als in Finalsaumltzen und Attributsaumltzen die von Substanshytiven mit einer Bedeutung wie Absicht abhaumlngen der Konjunktiv geshyfordert wurde Da nun sowohl Modalverben als auch der Modus Konshyjunktiv zum Modalfeld gehoumlren und semantische Kategorien des Konshyjunktivs wie Potentialis Optativ Jussiv Prospektiv auch durch Modalshyverben ausgedruumlckt werden koumlnnen draumlngt sich die Frage auf ob es irgendwelche Interdependenzen zwischen den Modalverben und dem
2 Drosdowski (1984 100)
3 BergerDrosdowski (1985 474 und 530)
Modalverben als Substitutionsfonnen 179
Konjunktiv gibt Man koumlnnte zum Beispiel erwarten daszlig in Nebensaumltshyzen die den Konjunktiv verlangen entweder das Modalverb oder der Konjunktiv auftritt Es stellt sich mithin die Frage ob Modalverben den Konjunktiv substituieren koumlnnen
Betrachten wir dazu die beiden mittelhochdeutschen Beispiele noch etwas genauer Ersetzt man die Fuumlgung Modalverb + Infinitiv des Vollshyverbs im Nebensatz durch den Konjunktiv des Vollverbs so ergibt sich im Falle von (la) ein formaler Zusammenfall mit dem Indikativ
(la) nll gesterke mir den sin daz ich miner sele heil um dich verdiene (Neidhart von Reuenthai 888)
nun staumlrke mir den Sinn damit ich meiner Seele Heil um dich verdiene
Demgegenuumlber sind in (2a) die Formen bezzere und buumleze eindeutige Konjunktivformen
(2a) als ein mensche in guoten willen kumet daz er gote bezzere unde buumleze swaz er wider sinen hulden habe getan (Berthold von Regensburg 4217ff)
wenn ein Mensch zu der guten Absicht kommt daszlig er Gott entschaumldigt und buumlszligt was er gegen seine Gnade getan hatlt4
Demnach liegt will man derartige Erscheinungen wie es im folgenden geschehen soll unter dem Oberbegriff raquoSubstitutionlaquo fassen nur im Nebensatz von (I) eine obligatorische Substitution vor Dagegen ist im Nebensatz von (2) vom mittelhochdeutschen Sprachgebrauch her geshysehen das Modalverb eine fakultative Variante also ein Fall von fakulshytativer Substitution In beiden Beispielen hat das Modalverb jedoch noch seine Eigenbedeutung dh es hat sowohl eine lexikalische als auch eine grammatische Bedeutung
Einen weiteren Aspekt der Substitution zeigt ein althochdeutsches Beispiel
(3) Wir eigun kuning einan anderan niheinan I joh wanen waltan wolle ther k6isor ubar rule (Otfrid IV242lf)
fuumlr lat non habemus regem nisi Caesarem
Die angesprochene Situation ist Pilatus fragt ob er den Koumlnig der Jushyden kreuzigen soll Die Antwort der Hohenpriester lautet Wir haben einen Koumlnig keinen anderen und wir meinen daszlig er uumlber alle herrscht und nicht daszlig er uumlber alle herrschen will wolle im Nebensatz scheint hier nicht er will zu bedeuten sondern allein aus ReimgfUumlnden zu stehen Der Konjunktiv des Vollverbs waltan (walte vgl demgegenshy
4 Luumlhr (1987280)
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uumlber Ind Praumls weltit zB Otfrid I 1100) koumlnnte durch eine Modalshyverbfuumlgung waltan wolle ersetzt sein wobei das Modalverb in eishygentlich redundanter Weise im Konjunktiv steht Somit fragt sich Gibt es Modalverben als reine Substitutionsformen nur mit grammatischer Bedeutung5
Schlieszliglich ist noch folgender Fall von Substitution durch ein Moshydalverb denkbar Substituiert das Modalverb den Konjunktiv im konshyjunktivischen Nebensatz und steht es wie in den bisher besprochenen drei Beispielen im Konjunktiv so liegt eigentlich eine Redundanz vor Da der Konjunktiv durch das Modalverb vertreten wird braucht es nicht zusaumltzlich in den Konjunktiv gesetzt zu werden In der Tat finden sich Belege fuumlr indikativische Modalverben als Substitution des Konshyjunktivs6
ist es mUumlJlich das ich ethwas von dir erwerben mag (Albrecht von Eyb)
Da in Nebensaumltzen die auf ein moumlgliches Komplementsatzgeschehen verweisen bis ins aumlltere Neuhochdeutsche hinein der Konjunktiv steht (vgl 4a) vertritt mag in (4) als indikativisches Modalverb den Konshyjunktiv7
(4a) ist muumlglich daz der mensch des luumltzel hab (Buch der Beispiele mit 3 Sg Konj Praumls
Wie Behaghel zu Recht sagt manifestiert sich in solchen Saumltzen die raquoNeigung der Sprache die Zahl der Ausdrucksmittel mit der Zahl der Funktionen in Einklang zu bringen [moumlgen] und der Konj waumlren ein doppelter Ausdruck derselben Funktionlaquo8
Genau diese vier Moumlglichkeiten von Substitution in von Haus aus konjunktivischen Nebensaumltzen sollen im folgenden im aumllteren Deutsch untersucht werden Es geht also um die obligatorische und fakultative Substitution und die jeweils mit dieser Substitution einhergehende Beshydeutung des Modalverbs Weil das Modalverb mit und ohne Eigenbeshydeutung auftreten kann ergeben sich so zunaumlchst vier Faumllle von Substishytution Diese vier Moumlglichkeiten verdoppeln sich wenn man den Moshydus des Modalverbs beruumlcksichtigt
5 Erdmann (1874 159)
6 Belege (4) und (4a) nach Behaghel (I928 573)
7 Pantls Untersuchungen haben ergeben daszlig bei Eckhart in aumlhnlichen Faumlllen wie in (4) das Modalverb nie im Konjunktiv steht (Pantl1902 28)
8 Behaghel (1928 577)
Modalverben als Substitulionsfomlen 181
a) obligatorische Substitution durch ein Modalverb mit Eigenbedeushytung - entweder im Indikativ oder im Konjunktiv
b) obligatorische Substitution durch ein Modalverb ohne Eigenbeshydeutung - entweder im Indikativ oder im Konjunktiv
c) fakultative Substitution durch ein Modalverb mit Eigenbedeutung - entweder im Indikativ oder im Konjunktiv
d) fakultative Substitution durch ein Modalverb ohne Eigenbedeushytung - entweder im Indikativ oder im Konjunktiv
Die oumlkonomischste Form der Substitution ist zweifellos die Form bl) obligatorische Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohne Eigenbedeutung dann folgen der Fall dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohne Eigenbedeutung und darauf die entsprechenden konjunktivischen Varianten b2) und d2) Wuumlrde im aumllshyteren Deutsch das Prinzip der Sprachoumlkonomie vorherrschen so wuumlrde man die meisten Belege im Falle von bl) und dl) erwarten Doch fragt sich ob die Sprache tatsaumlchlich so oumlkonontisch verfahrt
Unser Interesse gilt im folgenden in erster Linie der althochdeutshyschen Sprachperiode (wegen bereits von uns durchgefuumlhrter Untersushychungen zum Modalfeld bei Otfrid von Weiszligenburg dient sein Evangeshylienbuch als Textgrundlage) Denn man koumlnnte annehmen daszlig erst nach der Abschwaumlchung der Endsilbenvokale zu -e im Mittelhochdeutshyschen die zu einem weitgehenden Zusammenfall von indikativischen und konjunktivischen Formen gefuumlhrt hat Substitution von Konjunkshytiven notwendig wird - im Althochdeutschen erlaubt das Endungssyshystem ja auch im Falle der schwachen Verben eine weitgehende Abshygrenzung von Indikativ und Konjunktiv9
9 Vgl zB die althochdeutsche und mittelhochdeutsche Flexion des schwachen Verbs zellen zaumlhlen
Althochdeutsch Mittelhochdeutsch Konj Praumls zelle zeHest zelle zeHem zeHet zellen
Ind Praumls 7ellu zelis zelit zellemes zellet zellent
Konj Praumls zelle zeHest zelle 7ellen zellet 7ellen
Ind Praumls zeHe zellest zellet zellen zellet zellent
Konj Praumlt zalti zaltis zalti
Ind Praumlt zalta zaltaumls zalta
Konj Praumlt zalte zaltest zalte
Ind Praumlt zalte zaltest zalte
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Doch zeigt Beispiel (3) daszlig schon im Althochdeutschen anscheishynend fakultative Substitution ohne Eigenbedeutung des Modalverbs vorkommt Da weiterhin wie die Beispiele (I) (2) und (4) deutlich geshymacht haben Modalverben als Substitution des Konjunktivs im Nebenshysatz auch im Mittelhochdeutschen auftritt waumlhrend im Neuhochdeutshyschen ein derartiger Sprachgebrauch als anstoumlszligig gilt stellt sich als naumlchstes die Frage ob schon im Fruumlhneuhochdeutschen die heutige Norm erreicht ist oder nicht Um dies festzustellen werfen wir nach der Auswertung des althochdeutschen Sprachmaterials noch einen Blick auf Martin Luthers Sprache denn in der Syntax steht Luther deutlich im Spannungsfeld zwischen dem Mittelhochdeutschen und dem Neushyhochdeutschen lo
2 Voraussetzungen
Zum besseren Verstaumlndnis des folgenden empfiehlt es sich auf die Eishygenbedeutungen der althochdeutschen Modalverben und einige Prinshyzipien fuumlr den Gebrauch des Konjunktivs in Nebensaumltzen im Althochshydeutschen einzugehen Des weiteren werden indikativische Nebensaumltze mit Modalverben besprochen die eben weil sie den Indikativ enthalshyten aus der folgenden Untersuchung ausgeschlossen sind
21 Die Eigenbedeutungen der althochdeutschen Modalverben
Waumlhrend Welke zur Beschreibung der Semantik der neuhochdeutschen Modalverben noch mit zahlreichen zu Uumlberschneidungen fuumlhrenden raquokommunikativen Effektenlaquo rechnete I I - auf das Althochdeutsche uumlbertragen ergaumlbe sich etwa folgendes Bild wollen (wellen sculan) werden (sculan wellen) koumlnnen (magan kunnan muozan) duumlrfen (muozan sculan magan) moumlgen (magan muozan) muumlssen (muoshyzan sculan magan) brauchen (duifan sculan) sollen (sculan durshy
zaltim zaltum zalten zalten zaltit zaltut zaltet zaltet zaltln zaltun zallen zalten
Im Unterschied zum starken Praumlteritum zeigt das schwache im Konjunktiv im allgemeinen keinen Umlaut (PaulWiehllGrosse 1989 255 Anm 5)
10 Luumlhr (1985 26ft)
11 Welke 0965 25)
Modalverben als Substitutionsjormen 183
fan magan)12 - haumllt es Kratzer nicht fuumlr sinnvoll zB etliche deontishysche oder epistemische Arten von muumlssen zu unterscheiden 13 Einen Satz wie
Die Vorfahren der Maoris muumlssen aus Tahiti gekommen sein
fuumlhrt sie stattdessen auf einen spezifischen Redehintergrund zuruumlck
(5b) Im Hinblick auf das was wir wissen muumlssen die Vorfahren der Maoris aus Tahiti gekommen sein
Dabei unterscheidet sie zwischen einem relationalen Modalausdruck (muumlssen im Hinblick auj) einem ersten Argument des Modalausdrucks (was wir wissen) und einem zweiten Argument des Modalausdrucks (Die Voifahren der Maoris sind aus Tahiti gekommen) Die Aussage (5a) ist raquoin unserer Welt wahr wenn in unserer Welt aus den Pflichten die Maori-Kinder gegenuumlber ihrem Stamm haben logisch folgt daszlig sie die Namen ihrer Vorfahren lernenlaquo Wenn auch - so Oumlhlschlaumlger l4
die Explikation der immer konstant bleibenden Bedeutung bei muumlssen mit Hilfe des Begriffs der logischen Folge nicht adaumlquat erfaszligt wird hat das Kratzersche Analyseverfahren doch den Vorteil daszlig die untershyschiedlichen Verstehensmoumlglichkeiten von Saumltzen mit Modalverben nicht auf unterschiedliche Modalverbbedeutungen zuruumlckgefuumlhrt sonshydern als jeweils kontextbedingt betrachtet werden Auch Oumlhlschlaumlger vertritt das Prinzip des Bedeutungsminimalismus und kommt fuumlr die nicht-epistemischen Verwendungen bei den neuhochdeutschen Modalshyverben von den jeweils zwei Bedeutungen bei koumlnnen und moumlgen und einigen SonderfaIlen bei wollen sollen und moumlgen abgesehen so zu einer einheitlichen Bedeutung Vergleicht man nun das Analyseverfahshyren von Welke einerseits und von Kratzer und Oumlhlschlaumlger andererseits miteinander so ist das bedeutungsminimalistische eindeutig vorzuzieshyhen 15 Denn auf diese Weise kann man wie es Oumlhlschlaumlger tut bei der Bedeutungsbestimmung der Modalverben unterscheiden zwischen ))dem Anteil der jeweiligen lexikalischen Einheit zu sem [dh zur seshymantischen Struktur der Aumluszligerung] und indirekt - zu cs [dh zum kommunikativen Sinn] derjenigen Aumluszligerungen in denen sie vorkomshy
12 Weiteres bei Kahl (1890 9ff) Bech Seiffert (1989 13 Kratzer (1977 339) vgl (1978 Dielrich
43ff)
14 Oumlhlschlaumlger (1989 135ff)
15 Vgl auch Thim-Mabrey (1986 221) Kasper (1987 78)
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men kann und dem Anteil der anderen in diesen Aumluszligerungen vorkomshymenden [ ] sprachlichen Mittellaquo16
22 Der Konjunktiv im althochdeutschen Nebensatz
Wie im Neuhochdeutschen erscheinen im Althochdeutschen irreale Satzgefuumlge mit Konjunktiv Praumlteritum Desgleichen findet sich der Konjunktiv in der indirekten Rede ferner in Finalsaumltzen und in Nebenshysaumltzen die von einem Ausdruck des Wunsches abhaumlngen Doch gibt es im Althochdeutschen auch erhebliche Unterschiede zum neuhochdeutshyschen Modusgebrauch Fuumlr unsere Frage nach der Substitution des Konjunktivs durch Modalverben ist dabei zweierlei wichtig und zwar die Zeitenfolge und die Bedingungen fuumlr den Gebrauch des Konjunkshytivs oder Indikativs im Nebensatz
221 Zeitenfolge
Im Althochdeutschen gilt noch das aus dem Germanischen ererbte raquoGeshysetzlaquo der Zeitenfolge Behaghel formuliert es folgendermaszligen raquoBei praumlsentischem Hauptsatz erscheint im Nebensatz der Konj Praumls bei praumlteritalem Hauptsatz der Konj Praumlt es sei denn daszlig ausdrucklich ein zeitlicher Gegensatz zwischem dem Vorgang des Hauptsatzes und dem des Nebensatzes festgestellt werden sol1laquo17
222 Bedingungen fuumlr den Gebrauch des Konjunktivs oder Indikativs im Nebensatz
Die Regeln fuumlr den unterschiedlichen Modusgebrauch vor allem in Obshyjektsaumltzen sind vielfaltig und nicht immer leicht zu durchschauen Wunshyders Auffassung der Konjunktiv im Nebensatz bei Otfrid gebe grundshysaumltzlich raquoeine Aussage als nicht-real (tatsaumlchlich oder nur vorgestellt)laquo an waumlhrend der Indikativ raquoder Modus der (tatsaumlchlichen oder vorgeshystellten) Realitaumltlaquo sei ist zu global18 Konsistenter ist Schrodts Beshyschreibung des Konjunktivgebrauchs in den alt- und mittelhochdeutshyschen Inhaltssaumltzen19 Wie er gezeigt hat erscheint das Verb des Neshy
16 Oumlhlschlaumlger (1989 16)
17 Behaghel (I928 675)
18 Wunder (1965 492)
19 Schrodt (1983 71ff)
Modalverben als Substitutions formen 185
ben satzes im Indikativ oder Konjunktiv je nachdem ob der Wahrheitsshywert des Komplements praumlsupponiert oder impliziert ist ob ein faktives Verb wie wissen offenbar sein ein implikatives Verb wie zustandeshybringen ein negativ-implikatives Verb wie vermeiden ein wenn-Verb wie zwingen ein negatives wenn-Verb wie verhindern ein nur-wennshyVerb wie faumlhig sein ein negatives nur-wenn-Verb wie zoumlgern oder ein raquononfaktiveslaquo Verb wie sagen im Traumlgersatz vorliegt
Doch ist unter bestimmten Bedingungen auch ein Moduswechsel moumlglich Bei Negierung des Verbs im Traumlgersatz kann sich die Ausshysage uumlber die Realitaumlt des im Komplementsatz ausgedruckten Gescheshyhens aumlndern was einenanderen Modus in (6) den Konjunktiv erforshydert
(6) uuamun es wiht ni fimamun I zi niheineru heiti waz er mit thiu 12255f)
Sie kamen so nach Hause sie verstanden in keiner Weise was er damit meinte
Ein verneintes wenn-Verb im Traumlgersatz laumlszligt im Nebensatz den Konshyjunktiv erwarten20 Schrodt rechnet Verben der sinnlichen Wahrnehshymung die eine auf Internalisierung des wahrzunehmenden Objekts abshyzielende Aktivitaumlt des Subjekts ausdrucken zu den wenn-Verben 21
Auch den umgekehrten Fall gibt es So bezeichnet ein nur-wennshyVerb wie faumlhig sein zum Beispiel in der Assertion eine positive Moumlgshylichkeit des Komplementsatzgeschehens und fordert den Konjunktiv im Nebensatz Ist dagegen ein nur-wenn-Verb verneint so steht damit die Nicht-Realitaumlt des Komplementsatzgeschehens fest das Verb im Neshybensatz erscheint so im Indikativ Weiterhin kann der Modus im Komshyplementsatz durch einen modalen Ausdruck im uumlbergeordneten Satz beeinfluszligt werden Vergleiche (7) mit (8)
(7) Petrus scalt thu heizen mit gil6ubu iz ouh giweizen I in thiu sis stark io so stein thaz thu sis miner drIlt ein (Otfrid II737f)
Petrus sollst du heiszligen mit Glauben es auch beweisen dadurch daszlig du stets fest wie ein Fels bist daszlig du einer meiner Juumlnger bist22
mit thiu sie thaz giweizent sie gotes kind heizent (Otfrid II1626) womit sie das beweisen daszlig sie Gottes Kinder heiszligen
20 Schrodt (1983 73 und 172f)
21 Schrodt (1983161)
22 Erdmann (1874 145)
186 R Luumlhr
Hinzu kommt daszlig in Nebensaumltzen der Konjunktiv auch wie im Hauptshysatz verwendet werden kann also als autonomer Konjunktiv
(9) raquoNfstlaquo quad er tho raquofruma thaz thaz man zukke thaz maz I then kindon in then hanton inti werfez uz then huntonlaquo (Otfrid III1O33f) Es ist nicht gut sagte er da daszlig man den Kindern das Essen aus den Haumlnshyden nimmt und es den Hunden vorwirft
Nach einem faktiven Ausdruck wie es ist gut erwartet man selbst bei Vemeinung den Indikativ denn auch in der Negation wird die Wahrshyheit des Komplements vorausgesetzt In (9) wird jedoch im Nebensatz eine allgemein guumlltige Aussage ausgedruumlckt was eine temporale Fixieshyrung des Komplementsatzgeschehens durch den Indikativ uumlberfluumlssig zu machen scheint23
Im Falle des Auftretens von Modalverben in Nebensaumltzen ist also sorgfaltig auf die Bedeutung des Verbs im uumlbergeordneten Satz zu achten
23 Modalverben in indikativischen Nebensaumltzen
An indikativischen Nebensaumltzen mit Modalverben also Faumlllen ohne Substitution sind etwa zu nennen Objektsaumltze Attributsaumltze und Adshyverbialsaumltze
231 Objektsaumltze
(10) Thiu quena sun was dnigenti joh sih harto scamenti I thaz siu scolta in elti mit kinde gan in henti (Otfrid 1485) Die Frau trug einen Sohn und sie schaumlmte sich sehr daszlig sie im Alter mit eishynem Kind an der Hand gehen sollte24
sih scamim im Matrixsatz ist ein faktives Verb und bei faktiven Vershyben in der Traumlgerstruktur steht der Nebensatz im Indikativ (zu einer Ausnahme vgL jedoch (9)) Aumlhnlich ist
(11) Thaz wfzist thu in thoh imo iz abwertaz sC I ni mag ouh mit then ougon zi geginwert V2337f)
23 Schrodt (1983 201)
24 In den Uumlbersetzungen werden die althochdeutschen Modalverben auch wenn sich vom Neuhochdeutschen her redundante Ausdrucksweisen ergeben durch entsprechende neuhochdeutsche Modalverben wiedergegeben diese koumlnnen aufgrund von Bedeutungswandel von den entsprechenden althochdeutschen Modalverben abweichen
Modalverben als Substitutionsonnen 187
Das weiszligt du genau daszlig man ist auch der Gegenstand sehr weit entfernt ihn auch nicht mit den Augen in der Gegenwart schauen kann25
Gleiches gilt fuumlr Objektsaumltze in der Funktion von indirekten mit wie eingeleiteten Fragesaumltzen die von einem Verb des raquoErkannt-Habenslaquo also ebenfalls einem faktiven Verb abhaumlngen
(12) hiar mag er lernen ubar al wio er gilouben scal 1266) hier kann er vollkommen lernen wie er glauben soll
Selbst hinter einem modalisierten Ausdruck im Traumlgersatz steht hier der Indikativ26
25 Zum Indikativ nach wissen vgl Schrodt (1983 199ff) Anders zu beurteilen ist
Ni wuntoro thu thih friunt min nubiz wola megi sin I nubiz werde wanne thaz sih es woroIt mende I (Otfrid II1 237f) Wundere dich nicht mein Freund als ob es nicht wohl sein koumlnnte als ob es nicht irgendeinmal geschehen werde daszlig sich daruumlber die Welt freut (Kelle 1881445)
Als Beispiel fuumlr den Ersatz des Konjunktivs durch eine Modalverbftigung vershygleicht Erdmann (187436)
in thir uuigit sein daz thu maht [forasago sin] (Christus und die Sashymariterin 28)
mit
raquoMin muatlaquo quad si raquoduat mih wfs thaz thu f6rasago sfs laquo (Otfrid II1455)
In beiden Faumlllen wuumlrde man nach der lateinischen Vorlage (Domine video quia propheta es tu) in der Tat einen Indikativ (2 Sg Ind Praumls bist) erwarten Moumlglicherweise ist jedoch aus Reimgruumlnden der Infinitiv sin (jorasago sin fehlt in der Handschrift) bzw die 2 Sg Konj Praumls sis gesetzt Da aber aus Reimshygruumlnden kaum gegen die Sprachrichtigkeit verstoszligen sein kann erscheint im Falle des faktiven Verbs sein wegan deutlich werden die Deutung daszlig du ein Prophet sein muszligt moumlglich - von den Gebrauchsweisen von magan kommt wohl die Bezeichnung eines Imstandeseins dessen aumluszligere Umstaumlnde eine mehr oder weniger starke Veranlassung enthalten in Frage (Luumlhr 1996) Und im zweiten Beleg koumlnnte - hinter einem wenn-Verb (wi s duan wissen lassen) _ ein Potentialis vorliegen C daszlig du ein Prophet sein duumlrftest)
26 Schrodt (1983 202) Andersjedoch
Lerne hiar thia guati wio unser druhtin dati (Otfrid III19 11) Lerne hier die Vortrefflichkeit kennen wie unser Herr gehandelt hat (Zu einer inhaltlichen Begruumlndung des Konjunktivs vgl Wunder 1965292)
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Ein wenn-Verb also ein Verb das in der affirmativen Behauptung die Wahrheit des Komplements impliziert und so den Indikativ verlangt (vgl oben) begegnet in
(13) ther loz ther rfhtit unsih aI weliches siu wesan seal (Otfrid IV28 12) das Los das weist uns genau an wem sie (die Tunika) gehoumlren
Schwieriger ist folgender Fall mit einem wenn-Verb zu beurteilen In (14) gehoumlrt das uumlbergeordnete Verb zu der schon erwaumlhnten Gruppe von Verben der sinnlichen Wahrnehmung die eine Aktivitaumlt des Agens bezeichnen
Wanta iagilih tho thar instuant thaz ther man scolta wesan guat 1 zi guaten sih gizeliti ther suntigan so queliti (Otfrid Ill 1747f) Denn jeder begriff da sofort daszlig es sich gebuumlhrt daszlig der Mann gerecht ist [der] moumlge sich zu den Frommen zaumlhlen der einen Suumlnder so strafen will
Zwar folgt auf einen Nebensatz der das indikativische Modalverb seolta enthaumllt eine Fuumlgung im Konjunktiv Da jedoch instantan in eishynem weiteren Beleg mit einem indikativischen Komplementsatz vershybunden ist28 duumlrfte der Konjunktiv gizeliti autonom sein und die Funkshytion eines Wunsches haben seolta ist daher ebensowenig wie in den vorhergehenden Beispielen Ersatzform
Was Verben des Sagens im Traumlgersatz wie in (15) und (16) angeht so tritt hinter indikativischem nicht negiertem sagen in den mit wie einshygeleiteten Nebensaumltzen in gleicher Weise der Indikativ auf29
Sagen ih iu wio Ir nan sculut ffndan I (Otfrid 11217) Ich sage euch wie ihr ihn finden werdet
(16) joh selbo in sageta ubar aI wio egislih iz wesan scal (Otfrid V204)
27 Als indikativischer Nebensatz kann auch gedeutet werden
Tho rfht unsih thiu redina thaz wir uns warten thanana 1 thaz suht ni derre uns mera then lfdin joh thera sela (Otfrid m55) Da lehrte uns dieser Ausspruch daszlig wir uns davor in Acht nehmen damit
28 Hiar mugun wir instaotan 1 thaz quement ununahti fon suntono suhti (Otfrid III51f) Hieran koumlnnen wir erkennen daszlig koumlrperliche Krankheiten vom Verderben der Suumlnden kommen (vgl Schrodt 1983 164)
29 ih sagen thir wio sie datun (Otfrid 1937)
Uuio sie avur got thar drosta joh Moyses irlosta I thaz sagent buah zi waru (Otfrid H 87f)
Modalverben als Substitutionsormen 189
und er sagte ihnen deutlich wie schrecklich es juumlngste Gerichtl sein wird
seal steht hier also im Sinne von wird eine Bedeutung die sich mit der Bezeichnung einer Notwendigkeit oder eines Erfordernisses einer Handlung vertraumlgt Setzt man die von Oumlhlschlaumlger angenommene neushyhochdeutsche Bedeutung von soUen eine (vom Kontext gelieferte) Quelle will daszlig der mit dem Subjekt und der Infinitivkonstruktion beshyzeichnete Sachverhalt eintritt30 auch fuumlr das Althochdeutsche an so ist als erstes Argument einer Modalverbfuumlgung wie in (16) eine Fuumlllung wie In Hinblick auf das was Gott vorhat denkbar
Aumlhnlich
(17) Er zalt in ouh tho thar meist wio ther heilego geist 1 thie wfzzi in scolta meshyron mit sInes selbes leron I NiMinemo ni brusti ni er aHa fruma westi (Otfrid IV 1 537ff)
Auch erzaumlhlte er ihnen da insbesondere wie der heilige Geist ihnen den Verstand durch seine Lehren vermehren wird keinem duumlrfte mehr fehlen alles Nuumltzliche zu wissen3)
Vgl auch
(18) er unthankes in za]ta wio iz wesan scolta (Otfrid 1II2534)
Tho zalt in thiu sin guati I WIO se scoltun fahan zi herizohon zlahan I (Otfrid IV713ff)
tMr in ana zalta wio Krist in queman scolta (Otfrid V618)
joh wio er in thar gizalta wio thaz al wesan scolta (Otfrid IV634)32
232 Attributsaumltze
Ein mit der Subjunktion wie eingeleiteter indirekter Fragesatz als Attrishybutsatz findet sich in
(19) raquoSage uns meistar tMnne WIO thiu zft gigaoge I zeichan wio thu queman scaIt joh wio thiu woroIt ouh (Otfrid II2239f) Sage uns Herr nun wie die Zeit ablaumluft ein Zeichen wie du kommen wirst und wie die Welt auch untergeht
30 Oumlhlschlaumlger (1989 174)
31 Der Konjunktiv brust ist autonom
32 Dagegen koumlnnte der Konjunktiv die Bedeutung des Modalverbs verstaumlrken in
Zalt er ouh then mannon wio er se wolti minnon (Otfrid IV655 Schrodt 1983244 anders Wunder 1965291)
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In diesem Beispiel faumlllt der Wechsel zwischen Konjunktiv (gigange) und Indikativ (scalt zigat) auf Da hinter imperativischem sagen sonst der Konjunktiv steht33 ist zu vermuten daszlig das fuumlr den Attributsatz fungierende Bezugswort Zeichen ein Substantiv das die Semantik eishynes wenn-Verbs hat den Moduswechsel zum Indikativ verursacht seal ist jedenfalls keine Ersatzform
233 Adverbialsaumltze
Ein reales Konditionalsatzgefuumlge liegt vor in
(20) Wio harto mihiJes mer gfuit druhtin tuer I guat ob ir mo folget inan bltshyten wollet (Otfrid IV77f)
Um wieviel mehr gibt euer Herr euch Gut wenn ihr ihm folgen und ihn bitshyten werdet
Da die einem Matrixsatz folgenden mit oba eingeleiteten Konditionalshysaumltze eine raquonachtraumlgliche oft ziemlich unwesentliche oder uumlberfluumlssige Angabe einer zum Eintreten des ersten angegebenen Ereignisses erforshyderlichen Vorbedingunglaquo34 enthalten kann man wollet mit werdet wiedergeben Geht man wieder von Oumlhlschlaumlgers Bedeutungsbeschreishybung des entsprechenden neuhochdeutschen Modalverbs aus35 so paszligt diese Bedeutung (vereinfacht ausgedruumlckt) auch fuumlr das Althochdeutshysche Der mit dem Subjekt bezeichnete Gegenstand zieht es vor daszlig der mit der Infinitivkonstruktion bezeichnete Sachverhalt eintritt vgl ferner fuumlr die 2 Person
(21) raquoWi1 thu thaz richi druhtin mit thfnes selbes rruihtin I ersezen thesen lfutin laquo (Otfrid V173) fuumlr lat acta apostol 16 domine in tempore hoc restitues regnum Israel36
Auf die gleiche Weise kann indikativisches wollen in dem in eine indishyrekte Rede eingebetteten als direkte Rede fungierenden Konditionalshysatz37 wiedergegeben werden
33 Nach Schrodt (1983 laumlszligt sich der Wechsel von Konjunktiv und Indikativ hier nur erklaumlren raquowenn man bei zielgerichtet modalisiertem Traumlgersatz autoshynome Modussetzung annimmllaquo Doch handelt es sich bei dem indikativischen Nebensatz um einen Attributsatz
34 Erdmann (1874 104)
35 Oumlh1schlaumlger (1989 166)
36 Zu weiteren Belegen vgl Kelle (1881 686f)
37 ErdrnannlW oIff (1973 128)
Modalverben als Substitutionsformen 191
quadun ni gisufchi nub er then Hut bisuichi I Joh er se thes gibCitti zi altere flf16itti I zi altemo wewen raquooba sie mo wollent hOrenlaquo (Otfrid mlS44ff) sie sagten er houmlre nicht auf daszlig er das Volk hintergehe und er sie noumltige
er] sie fuumlr immer zum ewigen Verderbnis verleite raquowenn sie auf ihn houmlren werdenlaquo
In allen diesen Faumlllen haben also die Modalverben Eigenbedeutung und sind weil sie in indikativischen Nebensaumltzen erscheinen keine Substishytutionsformen
3 Substitution durch Modalverben
31 Im Althochdeutschen38
Anders koumlnnte es sich in konjunktivischen Nebensaumltzen die Modalvershyben aufweisen verhalten Zu bedenken ist dabei daszlig wie bemerkt im Althochdeutschen der Konjunktiv vom Indikativ formal klar geschieden ist Behaumllt man den Begriff raquoSubstitutionlaquo bei so liegt hier demnach eine fakultative Substitution vor
311 Konjunktivische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung
3111 Objektsaumltze
Unter den komplexen Saumltzen die Objektsaumltze enthalten findet sich im Traumlgersatz ein faktives Verb bUden frohlocken Der Nebensatz steht im Konjunktiv39
(23) Abraham ther aHo er blidta sih thes Mrto I er thes sih muasi frowon then mfnan dag bisc6won (Otfrid III1849f)
Der alte Abraham frohlockte sehr daszlig er sich dessen dereinst wuumlrde freuen koumlnnen meinen Tag zu schauen
Der Konjunktiv duumlrfte hier autonom eingesetzt sein und zwar um die Unwirklichkeit des Ereignisses hervorzuheben4o muasi ist somit eine Substitutionsform mit Eigenbedeutung
38 Zum folgenden vgl Erdmann (1874 36f) Klaren
39 Zu indikativischen Nebensaumltzen bei Verben des Preuens im Matrixsatz vgl Wunder (196S 222)
40 Erdmann (187437)
192 RLuumlhr
Moumlglicherweise ebenfalls als autonom ist der Konjunktiv im Falle eishynes uumlbergeordneten wenn-Verbs das Bestandteil einer Aufforderung ist zu beurteilen41
Giwerdo uns geban druhtin mit thines selbes mahtin wir unsih muazin bIlden mit heilegon thinen (Otfrid Y241f) Laszlig dich herab uns mit deiner Allmacht zu gewaumlhren daszlig wir uns mit deishynen Heiligen freuen duumlrfen
In Frage kommt der Konjunktiv in der Funktion eines Optativs Ein Sonderfall einer Substitution mit Eigenbedeutung begegnet im
Falle eines wohl zu ergaumlnzenden wenn-Verbs
(25) Ward in sar tho filu leid thaz er sih sar fon in firmeid thaz muasin sih sin frowonjoh inan lango scouon (Otfrid YlO2lf) Es tat ihnen bald ungemein leid daszlig er sich schnell von ihnen entfernte [und es ihnen so unmoumlglich machte42] daszlig sie sich seiner freuen und ihn lange schauen konnten
Ist ein wenn-Verb verneint wird uumlber die Realisierung des Kompleshymentsatzgeschehens nichts ausgesagt sondern es wird nur erwaumlhnt In solchen Faumlllen tritt im abhaumlngigen Satz bevorzugt der Konjunktiv auf43
Dies gilt auch fuumlr das folgende Beispiel in dem ein mit ni daszlig einshygeleiteter konjunktivischer Nebensatz von einem negierten wenn-Verb abhaumlngt
(26) ni mugut ouh firlazan ni ir sulih sculit niazan (Otfrid Il2228) ihr koumlnnt nicht umhin daszlig ihr solches genieszligen werdet
Die Bedeutung des Modalverbs kann wohl mit werden umschrieben werden
Gegenuumlber den wenn-Verben erfordern die Verba sentiendi normashylerweise sowohl in der Affirmation als auch in der Negation einen konshyjunktivischen Nebensatz44 Eine Substitution mit Eigenbedeutung zeigt sich
(27) So hoh ist gomaheit sfn thaz mih ni thunkit megi sin theih scuahriomon sine zinbintanne birine (Otfrid 12757f)
41 Zum Problem des Konjunktivs bei raquomodalisierten Traumlgersaumltzenlaquo mit wennmiddotYershyben vgl Schrodt (1983 177)
42 Ygl Kelle (1881 266) es tat den Juumlngern von Emaus leid daszlig er sich ihnen entzog (und daszlig er sich ihnen dadurch entzog) daszlig sie sich seiner freuen konnshyten
43 Schrodt (1983 73f)
44 Zum Konjunktiv in den von Yerba sentiendi abhaumlngigen Nebensaumltzen vgl Schrodt (1983 259ff und 264) (anders dazu Wunder 1965 198ff)
Modalverben als Substitutionsormen 193
So groszlig ist seine Persoumlnlichkeit daszlig ich nicht daszlig ich seine Schuhshyriemen beruumlhren kann um sie zu loumlsen
Ebenso wie hinter den Verba sentiendi steht hinter Verben des Bittens der Nebensatz im Konjunktiv45 Die Modalverben haben Eigenbedeushytung in
(28) Thih bfttu ih mines muates thaz mir queme alles guates in ewon ginuagi zi druton thinen fUagi Thaz ih famer druhtin min mit themo droste
megi sin (Otfrid 1253ff)
Ich bitte dich von Herzen daszlig mir alles Gute immerzu hinreichend zuteil wird und daszlig ich zu Qeinen Lieben gehoumlre daszlig ich stets Herr mit deiner Hilfe sein kann
(29) Mit allen unsen kreftin bittemes nu druhtin Thaz wir unsih in then riuon ni muazin io biscowon Thaz Wir unsih muazin samanon zen gotes druttheganon Joh muazin mit then druton thes hfmilriches nioton Joh wir thar muazin untar fn blfde fora gote sin (Otfrid 128lff) Mit allen unseren Kraumlften bitten wir nun den Herrn daszlig wir uns nie im Ungluumlck befinden (eigentlich umsehen muumlssen) daszlig wir uns zu den lieben Dienern Gottes gesellen duumlrfen und mit den Heiligen das Himmelshyreich genieszligen duumlrfen und wir da zwischen ihnen froh vor Gott sein duumlrshyfen
Eigenbedeutung duumlrfte ferner vorliegen im Falle der Modalverben die in einem von Verben des Bemuumlhens abhaumlngigen konjunktivischen Neshybensatz46 vorkommen
(30) Ni thurfut ir biginnan thaz Ir ouh megit bringan thaz ir gote thionot joh thoh thia worolt minnot (Otfrid 1I223f) Ihr duumlrft nicht versuchen daszlig ihr zustande bringt (zustande bringen koumlnnt) Gott zu dienen und doch die Welt zu lieben
Nach den neuhochdeutschen Sprachregeln ist das Modalverb koumlnnen im Nebensatz uumlberfluumlssig Im aumllteren Deutsch ist aber hinter einem Verb der Bedeutung versuchen im Nebensatz sicher noch die Bedeushytung in der Lage sein von koumlnnen empfunden worden
Auch Verben des Wuumlnschens machen einen Nebensatz im Konjunkshytiv erforderlich47 Dem Modalverb kommt Eigenbedeutung zu in
(31) Sie wunsgtun muasin rinan thoh sinan tradon einan in sinen (Otfrid 1Il99f)
Sie wuumlnschten daszlig sie wenigstens einen Faden in seinem Gewand beruumlhren durften
45 Schrodt (1983
46 Schrodt (1983
47 Schrodt (1983
194 R Luumlhr
Im Falle von Verba dicendi im uumlbergeordneten Satz begegnet eine Satz verschraumlnkung in
(32) wer quedenl sie theih sculi sin odo ouh nicha wese min (Otfrid m128)
wer sagen sie daszlig ich sein soll oder wie es um mich bestellt sei
Das Verb quedan ist ebenso wie sprehhan ein raquoschwach transitives(( Verb solche Verben verlangen einen Inhaltssatz im Konjunktiv woshydurch Abhaumlngigkeit vom Traumlgersatz signalisiert wird48 Die Modalverbshyfugung ist eigentlich wiederzugeben mit wer sagen sie daszlig mir beshystimmt ist zu sein Moumlglich erscheint aber auch eine Wiedergabe mit wer sagen sie daszlig ich sein soll mit soll im Sinne man sagt Hier zeigt sich also moumlglicherweise ein Ansatz zu dem spaumlteren epistemishyschen Gebrauch von sollen49
Aumlhnlich liegt wohl der Fall bei einem verneinten Verbum dicendi im Traumlgersatz mit ni als Konjunktion
(33) Nintheizit mir iz muat min ni ther fon gote scuE sin 1es aumllleswio ni th6nkit ther sulih werk wirkit (Otfrid III20 I 49f)
Mein Herz stellt es mir nicht in Abrede daszlig der von Gott sein muszlig der auf nichts anderes sinnt als daszlig er ein solches Werk tut
Zugrunde liegt die Vorstellung ni ther fon gote sculi sfn daszlig dem beshystimmt ist von Gott zu sein
3112 Adverbialsaumltze
Bei den Adverbialsaumltzen herrscht in den Finalsaumltzen wie bemerkt der Konjunktiv50 daher haben die Modalverben die Funktion von Substishytutionen und zwar mit Eigenbedeutung Es kommen die Modalverben muazan mugan und einmal wollen vor die wie gezeigt werden kann voneinander deutlich unterschiedene semantische Leistungen erbrinshygen51
(34) sie fergont druta ouh sille thes liebes in nirzfhe Thaz muazin sih thes fr6won (Otfrid V2350f) sie flehen auch seine Lieben an daszlig er ihnen das Ersehnte nicht vorenthalshyten moumlge damit sie sich daran erfreuen koumlnnen
48 Schrodt (1983 222)
49 Zu Zeugnissen fuumlr die epistemlsche Verwendung von Modalverben im Fruumlhneushyhochdeutschen vgl Fritz (1991 33ff)
50 Dazu Kahl (1890 45)
51 Dazu Luumlhr (1996)
Modalverben als Substitutions formen 195
(35) Druhtin atleswio ni dua mih io fuagi tharazua thaz fh mih untar thinen iamer muazi bUden (Otfrid V2417f)
Herr versage es nicht geselle mich stets dazu damit ich mich unter den Deinen immerzu freuen kann
(36) In rehtemo muate erge uns iz io zi guate 1 thaz wIr io muazin blide wesan sdlka sine (Otfrid III2014lf)
In rechtem Sinn wende es sich uns stets zum Guten damit wir immerzu froh deine Diener sein koumlnnen 152
(37) Nu bifflu ih mih hiar then beziron allen in war 1 allen g6tes theganon mit selben Kristes seganon 1 Thaz thie se1bun smahi min in gihugti muazin iro sin (Otfrid V2587fq
Und ich empfehle mich fuumlrwahr hier allen Gottesfuumlrchtigen indem ich fuumlr alle Diener Gottes den Segen Christi selber anrufe damit ich in ihrer Erinneshyrung sein kann
(38) bat man gabi imo then man thoh tho so bilibanan 1 Thaz muasi er thara wisen then lfchamon 16sen (Otfrid IV356f)
er [Joseph von Arimathaumla] bat daszlig man ihm den Mann gebe der doch so umgekommen war damit er Vorbereitungen treffen konnte den Leichnam abzunehmen
(39) sie warun wartenti wara man nan legeti 1 Thaz sIe nan muasin fuaren gishysuaslicho biruaren I Joh muasin thes giflfzan gisuaslicho birfazan (Otfrid IV3524ff)
sie beobachteten wohin man ihn legte damit sie ihn ruumlsten konnten auf vertraute Weise beruumlhren und danach trachten konnten ihn liebevoll zu beweinen
(40) Ira ferah bot thaz wib thaz iz muasi haben Ifb (Otfrid 12019)
Ihr Leben bot die Frau an damit es [das Kind] am Leben bleiben durfte
(41) irquicki in mir thia mina muadun sela 1 Theih hiar in libe irwizze zi thishynemo disge ouh sizze 1so er deta after thiu ih muad thingen zi thiu (Otfrid III I 22ff)
belebe in mir meine muumlde Seele damit ich hier im Leben befahigt bin auch an deinem Tische zu sitzen damit ich wie er [Lazarus] es spaumlter tat dahin gelangen darf
(42) Ther scado fliehe in gahe joh thiz sih uns io nahe I joh mit thfu giwerkon thaz thu uns es muazis thankon (Otfrid II2437f)
Das (moralische) Gebrechen weiche schnell und dies [die Heilung durch dich] nahe sich uns immer und damit wollen wir wirken damit du gar nicht anders kannst als es uns zu lohnen ( damit du uns es lohnen muszligt)
(43) Inliuht er unsih filu fram joh er hera in worolt quam 1 Thaz wir thaz irshykantin wara wir gangan scoltin I Joh wir nan muazin scowon 6ffenen 6ugon 1 Ofenemo muate theiz uns irge zi guate I mit thes herzen ougon muazin iamer sc6won (Otfrid III21 29ff)
52 V gl auch Otfrid V 241 f
196 RLuumlhr
Er erleuchte uns ganz und gar und er kam hierher auf die Welt damit wir erkennen wohin wir gehen sollen und damit wir ihn mit offenen Aushygen anschauen koumlnnen mit offenem Sinn damit es uns zum Heile gereishyche [damit] die Augen des Herzens [ihn] stets schauen koumlnnen
(44) Gerota iuer harto selb ther wfdarwerto thaz muasi er redan iu thaz muat s6 man korn in sfbe duat (Otfrid IV1315f)
Der Satan selbst begehrte euch heftig damit er Gelegenheit bekommt euer Herz zu sieben wie man Korn in das Sieb tut
fuumlr lat ecce satanas expetivit vos ut cribraret sicut triticum
(45) HaIt unsih in n6tin fon allen widarmuatin thaz muazin wir biwankon then abahen githankon (Otfrid 1I2423f) Beschuumltze uns sorgfaltig vor allen Verfolgungen damit es uns gegeben ist den boumlsen Gedanken zu entrinnen
(46) Thie selbun ewarton joh thie hereston suahtun 10 innan thiu urkundi luggu Thaz sie nan thoh mit liiginon m6hlin thar bir6dinon (Otfrid IV1923ff) Dieselben Hohenpriester und die Aumlltesten suchten inzwischen falsche Zeugnisse damit sie ihn wenigstens mit Luumlgen da uumlberfuumlhren konnten
(47) Det er iz then mannon zi einen frfstfrangon thaz sIe nan mohtin ghinashybrechon (Otfrid IV1963f) Er [der Hohepriester] verhalf den Menschen zu einer Gelegenheit [das Urshyteil zu fallen] damit sie ihn zugrunde richten konnten53
(48) Kapfetun sie lango was wuntar sie thero thingo mit hanton oba then 6ushygon thaz Mz sie mohtin sc6uon (Otfrid V1737f) Sie schauten lange sie wunderten sich uumlber die Dinge mit den Haumlnden uumlber den Augen damit sie besser sehen konnten
(49) Wir sculun hiar nu suntar gizellen ander wuntar Thaz wir fon seltsane w6la megin sare irkennen so iz giscrfban stat thia wuntarlichun g6tes dat (Otfrid V1215ff) Wir werden hier nun noch ein anderes Wunder erzaumlhlen damit wir aus einem Wunder sogleich das Wunder Gottes recht erkennen koumlnnen wie es beschrieben ist
(50) Beginnet g6te thankon thaz megit ir biwankon theso egislichun grunni ir natarono kiinni (Otfrid I2341f) Dankt Gott damit (so daszlig) ihr diesem schrecklichen Ungluumlck entrinnen koumlnnt ihr Natterngeschlechtl
Und das Beispiel mit wollen im Finalsatz ist
(51 ) gil6ubet thoh thera dati I Thaz ir thaz irkennet joh ouh gil6uben wollet thaz wir ein sculun sin fh inti fater minI (Otfrid III2262ff)
53 Zur Interpretation der Stelle vgl Kelle (1881 169)
Modalverben als Substitutions formen 197
Auf eine an eine 2 Person Plural gerichtete Aufforderung folgt ein Fishynalsatz mit dem konjunktivischen Modalverb wollet ebenfalls in der 2 Person Plural Behaumllt man in der neuhochdeutschen Uumlbersetzung das Modalverb bei so ergibt sich sofern man keinen Finalsatz mit einem nach der heutigen Sprachnorm redundanten Modalverb moumlgen bildet
so glaubt doch diesem Werk ihr moumlget erkennen und glauben daszlig uns bestimmt ist eins zu sein ich und mein Vater
Einer an eine 2 Person Plural gerichteten Aufforderung folgt also eine weitere Aufforderung mit einem Modalverb das einen Wunsch ausshydruckt Wird nun die erste Aufforderung als Bedingung und die zweite Aufforderung als eine erwuumlnschte Folge betrachtet wird zwischen den beiden Sachverhaltsbeschreibungen eine finale Relation etabliert54 Otshyfrid hat diese beiden Sachverhaltsbeschreibungen wohl in einer solchen Beziehung gesehen denn er hat in (51) die Konjunktion thaz im Sinne von damit verwendet
Als Finalsatz oder als Konsekutivsatz kann aufgefaszligt werden der Nebensatz in
(52) Driihtin fon then stankon thaz muaz55 ih ser biwankon I mih rum so Lazarum thu dati (Otfrid IIIl19f)
Herr befreie mich von dem Verwesungsgeruch [der Suumlnde] wie du es mit Lazarus tatest so daszlig56damit ich dem Leid entrinnen kann
Es ist nun zu prufen ob neben diesen Faumlllen in denen konjunktivische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung anzunehmen sind auch konshyjunktivische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung auftreten
312 Konjunktivische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung
3121 Objektsaumltze
Auf jeden Fall verblaszligt ist die Bedeutung des Modalverbs in (53) - im Matrixsatz erscheint ein Verbum sentiendi
(53) Gistuant gener (wan ih) thenken thaz er wolti wenken (Otfrid IV175)
Jener versuchte vermutlich [dem Hieb] auszuweichen (woumlrtliCh Jener glaube ich begann daran zu denken daszlig er [dem Hieb] ausweichen wollte)
54 Vgl dazu Luumlhr (1994217)
55 Mit Apokope vgl Piper (1884314)
56 Wunder (1965 230)
198 R Luumlhr
wollen kann hier aber futurischen Charakter haben indem es dem Vollshyverb wenken - insbesondere bei einem Verb des Anfangens in der Traumlshygerstruktur - ingressive Aktionsart verleiht57 Auf jeden Fall ermoumlglicht die Verwendung eines Modalverbs daszlig die beiden Vollverben reimen (thenken wenken) weshalb man von einer durch den Reim bedingten Substitutionsform sprechen kann
Moumlglicherweise ist so auch das schon behandelte Beispiel (3) intershypretierbar
Wir ei gun kuning einan anderan nih6inan I joh wanen waltan wolle ther keisor ubar alle (Otfrid IV2421f)
Da waumlnen im Althochdeutschen sowohl Vermutung als auch Erwartung ausdruumlckt58 erscheint bei einem solchen uumlbergeordneten Verb im abshyhaumlngigen Satz ein Modalverb das einen Eintritt eines Sachverhalts zum Ausdruck bringen kann (vgl oben) plausibel Auch hier spielt wie schon bemerkt der Reim eine Rolle (wolle alle)
Allein der Reim ist wohl fuumlr die Verwendung von scolti in (54) vershyantwortlich
(54) sie warun 6isconti war er wesan scolti (Otfrid II11538) fuumlr lat [ quaerebant eum] et dicebant ubi est ille sie fragten wo er sei
Zum Reim -nti(+ n) -lti(+ n) vgl Otfrid III2131 Thaz wir thaz irshykantin wara wir gangan scoltin
Trifft diese Annahme fuumlr (54) zu so stellt scolti eine konjunktivische Substitutionsform ohne Eigenbedeutung dar Denn indirekte Frageshysaumltze die von Verben des Fragens abhaumlngig sind stehen im Konjunkshytiv59
Ebenso also als Substitutionform ohne Eigenbedeutung die aus Reimgruumlnden - hier aber wegen des Reims der Vollverben gesetzt ist ist das Modalverb scolti aufzufassen in
(55) rafsta nan tho worto thera ungilouba harto I Ziu er scolti io thes githenken joh muates io giwenken (Otfrid III844f) er tadelte ihn heftig mit seinem Worte wegen des Unglaubens warum er das gedacht und keinen Mut gehabt habe
57 VgL DWb 30
58 Schuumltzcichel (1989 280) 59 Wunder (1965 309) Schrodt (1983 257f)
Modalverben als Substitutions formen 199
tadeln ist hier nicht als faktives Verb verwendet vielmehr fragt der ziushySatz nach den Gruumlnden des Tadelns60
313 Indikativische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung
Im Falle eines Attributsatzes der mit daszlig eingeleitet ist sind die Beshylege (56) und (56a) zu vergleichen
(56) tho ward irftlllit thiu zft I thaz sUliga thiu alta thaz kind tho beran scolta (Otfrid I9lf)
Da war die Zeit crfuumllltdaszlig die Gluumlckselige dic alte Frau das Kind gebaumlren sollte
(56a) thio zfti sih iIvUltun I thaz si chfnd bari zi woralti einmari (Otfrid 11129f)
die Zeiten erfuumlllten sich daszlig sie cin auszligerordentliches Kind ZUr Welt brachte
Da in (56a) der Konjunktiv steht handelt es sich bei scolta in (56) um eine indikativische Ersatzform mit Eigenbedeutung scolta reimt auf alta weshalb das Modalverb hier zu den reimbedingten Substitutionsshyformen zu zaumlhlen
Nach Erdmann ist zu den indikativischen Substitutionsformen Beishyspiel (57) zu rechnen61
(57) Bi hiu se thes ni h6getin 6ba sie thaz gifrumitin I thaz er nan mohta ana wan heizan Mur Uf stan I Joh mit theru krefti avur nan irqufcti I (Otfrid IV313ff)
Warum haumltten sic [die Juden] das nicht bedacht daszlig er [JcsusJ wenn sie das vollfuumlhrten [naumlmlich die Toumltung des Lazarusj ihn [Lazarusj aufs neue auferstehen lassen konntc und ihn abermals zum Leben erwecken wuumlrde
Der mit daszlig eingeleitete Nebensatz haumlngt von einem Verb des Denkens in einer konjunktivischen direkten Frage ab und wird mit einem konshyjunktivischen Verb fortgefuumlhrt Nach den althochdeutschen Modusreshygeln waumlre eigentlich mohti zu erwarten wie es die Freisinger Handshyschrift bietet Die Wiener Handschrift die die Quelle aller Handschrifshyten und vermutlich von Otfrid mit eigener Hand revidiert ist hat dageshygen mohta Dieses mohta nun sieht wie eine indikativische Ersatzform mit Eigenbedeutung aus Ebenso wie im abhaumlngigen Nebensatz autoshynome Konjunktive vorkommen gibt es aber moumlglicherweise in eigentshy
60 Vgl Wunder (1965307)
61 Erdmann (1874 37 und 111)
200 RLuumlhr
lich konjunktivischen Nebensaumltzen einen autonomen Indikativ Vielshyleicht hat Otfrid bewuszligt den Indikativ mohta gewaumlhlt um seiner Uumlbershyzeugung Ausdruck zu verleihen daszlig Jesus einerlei wie die Umstaumlnde sind in der Lage ist Lazarus von den Toten aufzuerwecken
314 Indikativische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung
Ein indirekter Fragesatz mit der Subjunktion ob liegt vor in
(58) thaz ir irkfaset ubar al aba siu fruma wesan seal (Otfrid S 6) damit ihr ganz und gar pruumlft ob es [likza Bruchstuumlck] gelungen ist
In den mit oba eingeleiteten indirekten Fragesaumltzen ist der Konjunktiv die Regel62 seal ist demnach indikativische Substitutionform ohne Eishygenbedeutung die offensichtlich aus Reimgruumlnden gewaumlhlt ist
32 Auswertung
Ordnet man nun die im Althochdeutschen moumlglichen Faumllle von Substishytution nach dem Grad ihrer Oumlkonomie so ergeben sich - da im Altshyhochdeutschen ja nur fakultative Substitution vorkommt dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung
Von den 36 fuumlr Substitution in Betracht kommenden Nebensaumltzen shynach unserer Definition ist ja Substitution nur in Nebensaumltzen die den Konjunktiv verlangen moumlglich - fallen die meisten naumlmlich 29 auf den Typ c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung Objektsaumltze 11 Adverbialsaumltze 18
62 Kelle (1881451) Zu zwei Ausnahmen im Indikativ und deren Begruumlndung Wunder (1965 284)
Modalverben als Substitutionsarmen 201
Danach folgt der Typ d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung Objektsaumltze 4 (53) (3) (54) (55) wolle
2mal seolti)
und dann der Typ cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung Objektsaumltze 2 (56) (57) (seolta mohta)
Nur in einem Objektsatz (58) hat man den Fall dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
Mit Ausnahme von mohta in (57) sind die Substitutionsformen der Tyshypen d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung (wolti wolle 2mal seolti) cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung (scolta) und dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
durch den Reim bedingt und in mohta liegt moumlglicherweise ein autoshynomer Indikativ vor Weil also der Konjunktiv in den konjunktivischen Nebensaumltzen bei weitem uumlberwiegt kann man sagen daszlig der Regel raquoKonjunktiv im Nebensatzlaquo ein groumlszligeres Gewicht zukommt als dem Prinzip der Sprachoumlkonomie Nur in drei Faumlllen von 29 erscheint ein indikativisches Modalverb als Substitution zweimal reimbedingt und einmal wohl aus inhaltlichen Gruumlnden In der Anwendung der den Neshybensatz kennzeichnenden Mittel hat also im Althochdeutschen der Konjunktiv eindeutig Vorrang vor der Kennzeichnung eines konjunkshytivischen Nebensatzes durch ein Modalverb
Zu fragen bleibt noch wieso von den althochdeutschen Modalverben am ehesten die Verben sollen und wollen als Konjunktiversatz auftreshyten Es liegt wohl an der Bedeutung dieser Modalverben Im Neuhochshydeutschen ist nach Oumlhlschlaumlger den beiden Verben im nicht-epistemishysehen Gebrauch gemeinsam daszlig dem Eintritt des durch die Infinitivshykonstruktion bezeichneten Sachverhalts eine Praumlferenz zukommt ohne
202 RLuumlhr
daszlig besondere Bedingungen eine Rolle spielen63 Demgegenuumlber ist bei den anderen nicht-epistemisch verwendeten Modalverben von Bedeushytung ob eine (vom Kontext gelieferte) Quelle oder der mit dem Subjekt bezeichnete Gegenstand den Eintritt des durch die Infinitivkonstruktion bezeichneten Sachverhalts zulaumlszligt oder wuumlnscht oder auch eine Faumlhigshykeit zu einer bestimmten Handlung hat Auch die althochdeutschen Modalverben sollen und wollen bringen bei Otfrid eine Praumlferenz zum Ausdruck wohingegen sich die uumlbrigen althochdeutschen Modalverben auf semantische Kategorien wie Permission Wunsch oder Faumlhigkeit beziehen Nimmt man nun an daszlig von diesen semantischen Kategorien die der Praumlferenz am wenigsten Eigenbedeutung hat wuumlrde verstaumlndshylich warum Otfrid aus Reimgruumlnden zur Substitution des Konjunktivs die Modalverben sollen und wollen verwendet hat Jedenfalls kann man bei Otfrid fuumlr die Hypotaxe allenfalls von einer reimbedingten Substitushytion des Konjunktivs durch Modalverben sprechen
33 Substitution durch Modalverben im Fruumlhneuhochdeutschen
Nach der Besprechung des althochdeutschen Materials stellt sich nun die Frage ob auch noch in der Sprache Luthers Substitution durch Moshydalverben vorhanden war Wie einige Beispiele belegen sollen ist dies in der Tat der Fall
331 Objektsatz
Es findet sich obligatorische Substitution Eigenbedeutung des Moshydalverbs
(59) haben wyr euch nicht mit ernst gepotten das yhr nicht sollt leren ynn dishysem namen (1522 Apg 528)
(60) Und wenn ich sie hette sollen fragen wie man die ersten zwey wort Matthei 1 Liber Generationis solte verdeutschen so hette yhr keiner gewist gack dazu zu sagen (Sendbrief 63335ff)
Und fakultative Substitutionen mit Eigenbedeutung begegnen in
(61) vnnd da si yhn sahen baten sie yhn das er weychen wolt von yhr grentze (1522 Matth 834) Das er von jrer Grentze weichen wolte64 (1546)
63 Oumlhlschlaumlger (1989 248ff)
64 Zu wollen mit Eigenbedeutung in von Verben des Bittens abhaumlngigen Saumltzen vgl DWb 30
Modalverben als Substitutions formen 203
(62) vnnd baU das er eyne hutten finden mochte dem Gott Jacob (1522 Apg746)
(63) Ich hab mich des getlissen ym dolmetzschen das ich rein und klar teutsch geben mOumlchte (Sendbrief 636 15f)
(64) vnd schaffet das man die iungen kindlin hyn werffen muste das sie nit lebendig blieben65 (1522 Apg 719)
332 Adverbialsatz
Auch in Finalsaumltzen erscheinen obligatorische und fakultative Substitushytionen mit Eigenbedeutung und zwar teils als eindeutige Konjunktivshyformen
(65) und eren umb keiner ander ursachen willen so starck wider die werck und treiben allein auff den glauben das die leute sollen sich ergern stossen und faUen (Sendbrief 64134ff)
(66) Denn wer dolmetzschen wil mus grosse vorrath von worten haben das er die wol kOumlnne haben wo eins an allen orten nicht lauten will (Sendbrief 6392lff)
(67) ehe den wir solche wacken und klotze aus dem wege reuumlmeten auff das man kOndte so fein daher gehen66 (Sendbrief 63624f)
Und ein Beleg fuumlr einen Konditionalsatz in dem das Modalverb Eigenshybedeutung hat ist
(68) Wenn ich nu den buchstaben nach aus der esel kunst solt des Engels wort verdeutschen muste ich also sagen (Sendbrief 639 1Of)
Diese Belege zeigen daszlig konjunktivische Modalverben mit Eigenbeshydeutung ebenso wie im Althochdeutschen noch im fruumlhneuhochdeutshysehen Nebensatz als Substitutionsformen des Konjunktivs fungieren67
65 Hinter einem faktiven Verb ist kein Konjunktiv zu erwarten
Mich wundert aber das man sich yn diser offentlichen sachen so mag sperren (Sendbrief 6426f)
66 Der Finalsatz wird mit Hauptsatzwortfolge weitergefuumlhrt in
Auff das wenn wir sagen die Christenheit yrre nicht so sollen wir auch sagen das sie auch nicht yrren und also kein lUumlgen auch an yn mUumlge gestrafft werden (Sendbrief 6452ff)
67 Weitere Belege sind
Und urteileten dem guten man sein werck die jhenigen so ym nicht gnug gewest weren das sie ym die schuch hetten sollen wischen (Sendbrief 6343ff)
204 R Luumlhr
Das Prinzip der Sprachoumlkonomie das in seiner striktesten Auspraumlgung eigentlich nur obligatorische indikativische Substitutionen des Konshyjunktivs fordert ist hier also noch nicht wirksam68
34 Faktoren fuumlr die Aufgabe der Substitution durch Modalverben im Neuhochdeutschen
Wieso hat sich dieser Sprachgebrauch nun zum Neuhochdeutschen hin geaumlndert Es gibt zweifellos aumluszligere Indizien die auf eine bewuszligte Unshyterdruumlckung der Modalverben als Substitutionen schlieszligen lassen Die Sprachkritiker des 19 Jahrhunderts haben vielfach die Beseitigung von Redundanz wie sie durch Modalverben in semantisch eindeutigen Neshybensaumltzen entsteht gefordert69 Verpoumlnt sind zB Ausdrucksweisen wie
(69) Wenn zur Einloumlsung eines Pfandes ein Vers verlangt werden sollte so richshytete man die Forderung meist an mich (Goethe) (anstatt Wenn zur Einloumlshysung eines Pfandes ein Vers verlangt wurde so )70
(70) Die Moumlglichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden haben mag (anstatt Die Moumlgshy
sie sind nicht werd das sie meine erbeit sollen erkennen (Sendbrief 64014f)
Es hatten vnser veter die hutten des zeugnis ynn der wusten wie er yhn das verordenet hatte da er zu Mosen redte das er sie machen solt nach dem furbild das er gesehen hatte (1522 Apg 744)
Wenn sie euch nu vbirantworten werden so sorget nicht wie oder was yhr reden solt (1522 Matth 1019)
Da diese rede horeten der hohe priester vnd die fursteher des tempels vnnd ander hohe priester worden si vbir yhn betretten was doch das werden wollt (1522 Apg 524)
nach dem es vnmuglich war das er sollt von yhm gehallten werden (1522 Apg 224)
Vgl auch
Wol hat Heintzens Lesterbuch bey jnen den verstand (Auffassung) das es ein scharff schwert sey wider den ChurfUumlrsten und uns das uns aufffressen solle im Augenblick 0541 Wider Hans Worst 47517ff)
68 Einschlaumlgige Belege finden sich auch in den Zeitungen des Jahres 1609 vgl den Beitrag von Fritz in diesem Band S 279
69 Vgl Luumlhr (1992 354)
70 Sanders (1894256)
Modalverben als Substitutionsarmen 205
lichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden hat)
(71) Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintreten muszligshyten (anstatt Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintraten) 1
(72) Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert sein soll (anstatt Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert ist) 72
(73) Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sollen sieben Zigeuner erfroren sein (anstatt Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sind sieben Zigeushyner erfroren)
(74) Zuverlaumlssig wird gemrudet daszlig die Feinde dort angekommen sein sollen (anstatt Zuverlaumlssig wird gemeldet daszlig die Feinde dort angekommen sind)3
Vor gar nicht langer Zeit waren also Ausdrucksweisen wie sie bereits im Althochdeutschen belegt werden konnten auch noch im Neuhochshydeutschen vorhanden Daszlig sie heute als schlechtes Deutsch gelten kann jedoch nicht allein dem Einfluszlig der Sprachkritiker zugeschrieben werden In der Sprache muumlssen sich Wandel vollzogen haben die den Einsatz von Modalverben in Nebensaumltzen uumlberfluumlssig machen Moumlgshylicherweise besteht ein Zusammenhang mit dem Ruumlckgang des Konshyjunktivs in Nebensaumltzen eine Vermutung die naumlherer Untersuchung bedarf Da im Althochdeutschen die Modalverben im Nebensatz in den allermeisten Faumlllen eine lexikalische Bedeutung haben entspricht die Verwendung der Modalverben im Nebensatz weitgehend der im Hauptshysatz Die Faumllle in denen Modalverben ohne Eigenbedeutung im Altshyhochdeutschen Konjunktivformen im Nebensatz ersetzen sind zu vershyeinzelt als daszlig man von einem Ansatz zur Grammatikalisierung spreshychen koumlnnte denn die Bedingung fuumlr diesen Gebrauch ist hier eben der Reim
4 Fazit
Nach dem weitreichendsten Prinzip der Sprachoumlkonomie wuumlrde man fuumlr die althochdeutsche Sprachperiode in konjunktivischen Nebensaumltshyzen Modalverben als fakultative indikativische Ersatzformen ohne Eishygenbedeutung vorhersagen Die Beleglage ergab jedoch daszlig als Ershy
7 Matthias (1906446)
72 Andresen (1923 156)
73 Lehmann (1878 181f)
206 RLuumlhr
satzform der Typ fakultatives konjunktivisches Modalverb mit Eigenshybedeutung bei weitem vorherrscht Das zeigt daszlig im Althochdeutschen im Falle der Kennzeichnung eines konjunktivischen Nebensatzes der Konjunktiv einen houmlheren Rang einnimmt als das Modalverb Auch im Fruumlhneuhochdeutschen kommen noch Modalverben als fakultative konjunktivische Ersatzformen mit Eigenbedeutung vor Die Kennzeichshynung eines konjunktivischen Nebensatzes durch ein Modalverb ist also in dieser Spachperiode nicht auf die obligatorischen Faumllle in denen der Konjunktiv des Vollverbs mit dem Indikativ formal zusammenfallen wuumlrde beschraumlnkt Was nun das Neuhochdeutsche angeht so gelten heute wie bei den Sprachkritikem des 19 Jahrhunderts Ausdrucksweishysen in denen ein Modalverb die Bedeutung eines semantisch eindeutishygen Nebensatzes verstaumlrkt als anstoumlszligig Erst in dieser Zeit kommt im Falle der Substitution des Konjunktivs durch Modalverben aus welchen Gruumlnden auch immer das schon im Althochdeutschen theoretisch zu erwartende sprachoumlkonomische Prinzip voll zum Tragen
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178 R Luumlhr
entspricht der Sprachnorm im Neuhochdeutschen In der Duden-Gramshymatik und im Duden-Band raquoRichtiges und gutes Deutschlaquo3 heiszligt es naumlmlich zu Ausdrucksweisen wie
Sie gab ihm die 100 Mark damit er seine Schulden bezahlen solle
Ich bitte um die Erlaubnis das tun zu duumlrfen
Ich sah mich genoumltigt abreisen zu muumlssen
raquo[Die] unnoumltige Haumlufung [von modalen Ausdriicken] sollte man vershymeidenlaquo Besser sei
Sie gab ihm die 100 Mark damit er seine Schulden bezahlt
Ich bitte um die Erlaubnis das zu tun
Ich sah mich genoumltigt abzureisen
In einer neuhochdeutschen Uumlbersetzung der bei den mittelhochdeutshyschen Beispielsaumltze mit Modalverben liegt der Fall aumlhnlich Zwar wuumlrshyden in
(Ib) nun staumlrke mir den Sinn damit ich meiner Seele Heil um dich verdienen kann
und
(2b) wenn ein Mensch zu der guten Absicht kommt daszlig er Gott entschaumldigen und buumlszligen will was er gegen seine Gnade getan hat
die Modalverben zum Sinn des Nebensatzes passen doch wuumlrden sie nach der heutigen normativen Grammatik uumlberfluumlssige Pleonasmen darshystellen Denn einmal ist die eindeutig finale Subjunktion damit und im anderen Fall das Wort Absicht mit einem Attributsatz verbunden in dem das Ziel der Absicht ausgedruckt wird Beidemal eruumlbrigt sich also die Wiedergabe der Modalverben
Vom Mittelhochdeutschen unterscheidet sich das Neuhochdeutsche jedoch insofern als in Finalsaumltzen und Attributsaumltzen die von Substanshytiven mit einer Bedeutung wie Absicht abhaumlngen der Konjunktiv geshyfordert wurde Da nun sowohl Modalverben als auch der Modus Konshyjunktiv zum Modalfeld gehoumlren und semantische Kategorien des Konshyjunktivs wie Potentialis Optativ Jussiv Prospektiv auch durch Modalshyverben ausgedruumlckt werden koumlnnen draumlngt sich die Frage auf ob es irgendwelche Interdependenzen zwischen den Modalverben und dem
2 Drosdowski (1984 100)
3 BergerDrosdowski (1985 474 und 530)
Modalverben als Substitutionsfonnen 179
Konjunktiv gibt Man koumlnnte zum Beispiel erwarten daszlig in Nebensaumltshyzen die den Konjunktiv verlangen entweder das Modalverb oder der Konjunktiv auftritt Es stellt sich mithin die Frage ob Modalverben den Konjunktiv substituieren koumlnnen
Betrachten wir dazu die beiden mittelhochdeutschen Beispiele noch etwas genauer Ersetzt man die Fuumlgung Modalverb + Infinitiv des Vollshyverbs im Nebensatz durch den Konjunktiv des Vollverbs so ergibt sich im Falle von (la) ein formaler Zusammenfall mit dem Indikativ
(la) nll gesterke mir den sin daz ich miner sele heil um dich verdiene (Neidhart von Reuenthai 888)
nun staumlrke mir den Sinn damit ich meiner Seele Heil um dich verdiene
Demgegenuumlber sind in (2a) die Formen bezzere und buumleze eindeutige Konjunktivformen
(2a) als ein mensche in guoten willen kumet daz er gote bezzere unde buumleze swaz er wider sinen hulden habe getan (Berthold von Regensburg 4217ff)
wenn ein Mensch zu der guten Absicht kommt daszlig er Gott entschaumldigt und buumlszligt was er gegen seine Gnade getan hatlt4
Demnach liegt will man derartige Erscheinungen wie es im folgenden geschehen soll unter dem Oberbegriff raquoSubstitutionlaquo fassen nur im Nebensatz von (I) eine obligatorische Substitution vor Dagegen ist im Nebensatz von (2) vom mittelhochdeutschen Sprachgebrauch her geshysehen das Modalverb eine fakultative Variante also ein Fall von fakulshytativer Substitution In beiden Beispielen hat das Modalverb jedoch noch seine Eigenbedeutung dh es hat sowohl eine lexikalische als auch eine grammatische Bedeutung
Einen weiteren Aspekt der Substitution zeigt ein althochdeutsches Beispiel
(3) Wir eigun kuning einan anderan niheinan I joh wanen waltan wolle ther k6isor ubar rule (Otfrid IV242lf)
fuumlr lat non habemus regem nisi Caesarem
Die angesprochene Situation ist Pilatus fragt ob er den Koumlnig der Jushyden kreuzigen soll Die Antwort der Hohenpriester lautet Wir haben einen Koumlnig keinen anderen und wir meinen daszlig er uumlber alle herrscht und nicht daszlig er uumlber alle herrschen will wolle im Nebensatz scheint hier nicht er will zu bedeuten sondern allein aus ReimgfUumlnden zu stehen Der Konjunktiv des Vollverbs waltan (walte vgl demgegenshy
4 Luumlhr (1987280)
180 R Luumlhr
uumlber Ind Praumls weltit zB Otfrid I 1100) koumlnnte durch eine Modalshyverbfuumlgung waltan wolle ersetzt sein wobei das Modalverb in eishygentlich redundanter Weise im Konjunktiv steht Somit fragt sich Gibt es Modalverben als reine Substitutionsformen nur mit grammatischer Bedeutung5
Schlieszliglich ist noch folgender Fall von Substitution durch ein Moshydalverb denkbar Substituiert das Modalverb den Konjunktiv im konshyjunktivischen Nebensatz und steht es wie in den bisher besprochenen drei Beispielen im Konjunktiv so liegt eigentlich eine Redundanz vor Da der Konjunktiv durch das Modalverb vertreten wird braucht es nicht zusaumltzlich in den Konjunktiv gesetzt zu werden In der Tat finden sich Belege fuumlr indikativische Modalverben als Substitution des Konshyjunktivs6
ist es mUumlJlich das ich ethwas von dir erwerben mag (Albrecht von Eyb)
Da in Nebensaumltzen die auf ein moumlgliches Komplementsatzgeschehen verweisen bis ins aumlltere Neuhochdeutsche hinein der Konjunktiv steht (vgl 4a) vertritt mag in (4) als indikativisches Modalverb den Konshyjunktiv7
(4a) ist muumlglich daz der mensch des luumltzel hab (Buch der Beispiele mit 3 Sg Konj Praumls
Wie Behaghel zu Recht sagt manifestiert sich in solchen Saumltzen die raquoNeigung der Sprache die Zahl der Ausdrucksmittel mit der Zahl der Funktionen in Einklang zu bringen [moumlgen] und der Konj waumlren ein doppelter Ausdruck derselben Funktionlaquo8
Genau diese vier Moumlglichkeiten von Substitution in von Haus aus konjunktivischen Nebensaumltzen sollen im folgenden im aumllteren Deutsch untersucht werden Es geht also um die obligatorische und fakultative Substitution und die jeweils mit dieser Substitution einhergehende Beshydeutung des Modalverbs Weil das Modalverb mit und ohne Eigenbeshydeutung auftreten kann ergeben sich so zunaumlchst vier Faumllle von Substishytution Diese vier Moumlglichkeiten verdoppeln sich wenn man den Moshydus des Modalverbs beruumlcksichtigt
5 Erdmann (1874 159)
6 Belege (4) und (4a) nach Behaghel (I928 573)
7 Pantls Untersuchungen haben ergeben daszlig bei Eckhart in aumlhnlichen Faumlllen wie in (4) das Modalverb nie im Konjunktiv steht (Pantl1902 28)
8 Behaghel (1928 577)
Modalverben als Substitulionsfomlen 181
a) obligatorische Substitution durch ein Modalverb mit Eigenbedeushytung - entweder im Indikativ oder im Konjunktiv
b) obligatorische Substitution durch ein Modalverb ohne Eigenbeshydeutung - entweder im Indikativ oder im Konjunktiv
c) fakultative Substitution durch ein Modalverb mit Eigenbedeutung - entweder im Indikativ oder im Konjunktiv
d) fakultative Substitution durch ein Modalverb ohne Eigenbedeushytung - entweder im Indikativ oder im Konjunktiv
Die oumlkonomischste Form der Substitution ist zweifellos die Form bl) obligatorische Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohne Eigenbedeutung dann folgen der Fall dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohne Eigenbedeutung und darauf die entsprechenden konjunktivischen Varianten b2) und d2) Wuumlrde im aumllshyteren Deutsch das Prinzip der Sprachoumlkonomie vorherrschen so wuumlrde man die meisten Belege im Falle von bl) und dl) erwarten Doch fragt sich ob die Sprache tatsaumlchlich so oumlkonontisch verfahrt
Unser Interesse gilt im folgenden in erster Linie der althochdeutshyschen Sprachperiode (wegen bereits von uns durchgefuumlhrter Untersushychungen zum Modalfeld bei Otfrid von Weiszligenburg dient sein Evangeshylienbuch als Textgrundlage) Denn man koumlnnte annehmen daszlig erst nach der Abschwaumlchung der Endsilbenvokale zu -e im Mittelhochdeutshyschen die zu einem weitgehenden Zusammenfall von indikativischen und konjunktivischen Formen gefuumlhrt hat Substitution von Konjunkshytiven notwendig wird - im Althochdeutschen erlaubt das Endungssyshystem ja auch im Falle der schwachen Verben eine weitgehende Abshygrenzung von Indikativ und Konjunktiv9
9 Vgl zB die althochdeutsche und mittelhochdeutsche Flexion des schwachen Verbs zellen zaumlhlen
Althochdeutsch Mittelhochdeutsch Konj Praumls zelle zeHest zelle zeHem zeHet zellen
Ind Praumls 7ellu zelis zelit zellemes zellet zellent
Konj Praumls zelle zeHest zelle 7ellen zellet 7ellen
Ind Praumls zeHe zellest zellet zellen zellet zellent
Konj Praumlt zalti zaltis zalti
Ind Praumlt zalta zaltaumls zalta
Konj Praumlt zalte zaltest zalte
Ind Praumlt zalte zaltest zalte
182 R Luumlhr
Doch zeigt Beispiel (3) daszlig schon im Althochdeutschen anscheishynend fakultative Substitution ohne Eigenbedeutung des Modalverbs vorkommt Da weiterhin wie die Beispiele (I) (2) und (4) deutlich geshymacht haben Modalverben als Substitution des Konjunktivs im Nebenshysatz auch im Mittelhochdeutschen auftritt waumlhrend im Neuhochdeutshyschen ein derartiger Sprachgebrauch als anstoumlszligig gilt stellt sich als naumlchstes die Frage ob schon im Fruumlhneuhochdeutschen die heutige Norm erreicht ist oder nicht Um dies festzustellen werfen wir nach der Auswertung des althochdeutschen Sprachmaterials noch einen Blick auf Martin Luthers Sprache denn in der Syntax steht Luther deutlich im Spannungsfeld zwischen dem Mittelhochdeutschen und dem Neushyhochdeutschen lo
2 Voraussetzungen
Zum besseren Verstaumlndnis des folgenden empfiehlt es sich auf die Eishygenbedeutungen der althochdeutschen Modalverben und einige Prinshyzipien fuumlr den Gebrauch des Konjunktivs in Nebensaumltzen im Althochshydeutschen einzugehen Des weiteren werden indikativische Nebensaumltze mit Modalverben besprochen die eben weil sie den Indikativ enthalshyten aus der folgenden Untersuchung ausgeschlossen sind
21 Die Eigenbedeutungen der althochdeutschen Modalverben
Waumlhrend Welke zur Beschreibung der Semantik der neuhochdeutschen Modalverben noch mit zahlreichen zu Uumlberschneidungen fuumlhrenden raquokommunikativen Effektenlaquo rechnete I I - auf das Althochdeutsche uumlbertragen ergaumlbe sich etwa folgendes Bild wollen (wellen sculan) werden (sculan wellen) koumlnnen (magan kunnan muozan) duumlrfen (muozan sculan magan) moumlgen (magan muozan) muumlssen (muoshyzan sculan magan) brauchen (duifan sculan) sollen (sculan durshy
zaltim zaltum zalten zalten zaltit zaltut zaltet zaltet zaltln zaltun zallen zalten
Im Unterschied zum starken Praumlteritum zeigt das schwache im Konjunktiv im allgemeinen keinen Umlaut (PaulWiehllGrosse 1989 255 Anm 5)
10 Luumlhr (1985 26ft)
11 Welke 0965 25)
Modalverben als Substitutionsjormen 183
fan magan)12 - haumllt es Kratzer nicht fuumlr sinnvoll zB etliche deontishysche oder epistemische Arten von muumlssen zu unterscheiden 13 Einen Satz wie
Die Vorfahren der Maoris muumlssen aus Tahiti gekommen sein
fuumlhrt sie stattdessen auf einen spezifischen Redehintergrund zuruumlck
(5b) Im Hinblick auf das was wir wissen muumlssen die Vorfahren der Maoris aus Tahiti gekommen sein
Dabei unterscheidet sie zwischen einem relationalen Modalausdruck (muumlssen im Hinblick auj) einem ersten Argument des Modalausdrucks (was wir wissen) und einem zweiten Argument des Modalausdrucks (Die Voifahren der Maoris sind aus Tahiti gekommen) Die Aussage (5a) ist raquoin unserer Welt wahr wenn in unserer Welt aus den Pflichten die Maori-Kinder gegenuumlber ihrem Stamm haben logisch folgt daszlig sie die Namen ihrer Vorfahren lernenlaquo Wenn auch - so Oumlhlschlaumlger l4
die Explikation der immer konstant bleibenden Bedeutung bei muumlssen mit Hilfe des Begriffs der logischen Folge nicht adaumlquat erfaszligt wird hat das Kratzersche Analyseverfahren doch den Vorteil daszlig die untershyschiedlichen Verstehensmoumlglichkeiten von Saumltzen mit Modalverben nicht auf unterschiedliche Modalverbbedeutungen zuruumlckgefuumlhrt sonshydern als jeweils kontextbedingt betrachtet werden Auch Oumlhlschlaumlger vertritt das Prinzip des Bedeutungsminimalismus und kommt fuumlr die nicht-epistemischen Verwendungen bei den neuhochdeutschen Modalshyverben von den jeweils zwei Bedeutungen bei koumlnnen und moumlgen und einigen SonderfaIlen bei wollen sollen und moumlgen abgesehen so zu einer einheitlichen Bedeutung Vergleicht man nun das Analyseverfahshyren von Welke einerseits und von Kratzer und Oumlhlschlaumlger andererseits miteinander so ist das bedeutungsminimalistische eindeutig vorzuzieshyhen 15 Denn auf diese Weise kann man wie es Oumlhlschlaumlger tut bei der Bedeutungsbestimmung der Modalverben unterscheiden zwischen ))dem Anteil der jeweiligen lexikalischen Einheit zu sem [dh zur seshymantischen Struktur der Aumluszligerung] und indirekt - zu cs [dh zum kommunikativen Sinn] derjenigen Aumluszligerungen in denen sie vorkomshy
12 Weiteres bei Kahl (1890 9ff) Bech Seiffert (1989 13 Kratzer (1977 339) vgl (1978 Dielrich
43ff)
14 Oumlhlschlaumlger (1989 135ff)
15 Vgl auch Thim-Mabrey (1986 221) Kasper (1987 78)
184 R Luumlhr
men kann und dem Anteil der anderen in diesen Aumluszligerungen vorkomshymenden [ ] sprachlichen Mittellaquo16
22 Der Konjunktiv im althochdeutschen Nebensatz
Wie im Neuhochdeutschen erscheinen im Althochdeutschen irreale Satzgefuumlge mit Konjunktiv Praumlteritum Desgleichen findet sich der Konjunktiv in der indirekten Rede ferner in Finalsaumltzen und in Nebenshysaumltzen die von einem Ausdruck des Wunsches abhaumlngen Doch gibt es im Althochdeutschen auch erhebliche Unterschiede zum neuhochdeutshyschen Modusgebrauch Fuumlr unsere Frage nach der Substitution des Konjunktivs durch Modalverben ist dabei zweierlei wichtig und zwar die Zeitenfolge und die Bedingungen fuumlr den Gebrauch des Konjunkshytivs oder Indikativs im Nebensatz
221 Zeitenfolge
Im Althochdeutschen gilt noch das aus dem Germanischen ererbte raquoGeshysetzlaquo der Zeitenfolge Behaghel formuliert es folgendermaszligen raquoBei praumlsentischem Hauptsatz erscheint im Nebensatz der Konj Praumls bei praumlteritalem Hauptsatz der Konj Praumlt es sei denn daszlig ausdrucklich ein zeitlicher Gegensatz zwischem dem Vorgang des Hauptsatzes und dem des Nebensatzes festgestellt werden sol1laquo17
222 Bedingungen fuumlr den Gebrauch des Konjunktivs oder Indikativs im Nebensatz
Die Regeln fuumlr den unterschiedlichen Modusgebrauch vor allem in Obshyjektsaumltzen sind vielfaltig und nicht immer leicht zu durchschauen Wunshyders Auffassung der Konjunktiv im Nebensatz bei Otfrid gebe grundshysaumltzlich raquoeine Aussage als nicht-real (tatsaumlchlich oder nur vorgestellt)laquo an waumlhrend der Indikativ raquoder Modus der (tatsaumlchlichen oder vorgeshystellten) Realitaumltlaquo sei ist zu global18 Konsistenter ist Schrodts Beshyschreibung des Konjunktivgebrauchs in den alt- und mittelhochdeutshyschen Inhaltssaumltzen19 Wie er gezeigt hat erscheint das Verb des Neshy
16 Oumlhlschlaumlger (1989 16)
17 Behaghel (I928 675)
18 Wunder (1965 492)
19 Schrodt (1983 71ff)
Modalverben als Substitutions formen 185
ben satzes im Indikativ oder Konjunktiv je nachdem ob der Wahrheitsshywert des Komplements praumlsupponiert oder impliziert ist ob ein faktives Verb wie wissen offenbar sein ein implikatives Verb wie zustandeshybringen ein negativ-implikatives Verb wie vermeiden ein wenn-Verb wie zwingen ein negatives wenn-Verb wie verhindern ein nur-wennshyVerb wie faumlhig sein ein negatives nur-wenn-Verb wie zoumlgern oder ein raquononfaktiveslaquo Verb wie sagen im Traumlgersatz vorliegt
Doch ist unter bestimmten Bedingungen auch ein Moduswechsel moumlglich Bei Negierung des Verbs im Traumlgersatz kann sich die Ausshysage uumlber die Realitaumlt des im Komplementsatz ausgedruckten Gescheshyhens aumlndern was einenanderen Modus in (6) den Konjunktiv erforshydert
(6) uuamun es wiht ni fimamun I zi niheineru heiti waz er mit thiu 12255f)
Sie kamen so nach Hause sie verstanden in keiner Weise was er damit meinte
Ein verneintes wenn-Verb im Traumlgersatz laumlszligt im Nebensatz den Konshyjunktiv erwarten20 Schrodt rechnet Verben der sinnlichen Wahrnehshymung die eine auf Internalisierung des wahrzunehmenden Objekts abshyzielende Aktivitaumlt des Subjekts ausdrucken zu den wenn-Verben 21
Auch den umgekehrten Fall gibt es So bezeichnet ein nur-wennshyVerb wie faumlhig sein zum Beispiel in der Assertion eine positive Moumlgshylichkeit des Komplementsatzgeschehens und fordert den Konjunktiv im Nebensatz Ist dagegen ein nur-wenn-Verb verneint so steht damit die Nicht-Realitaumlt des Komplementsatzgeschehens fest das Verb im Neshybensatz erscheint so im Indikativ Weiterhin kann der Modus im Komshyplementsatz durch einen modalen Ausdruck im uumlbergeordneten Satz beeinfluszligt werden Vergleiche (7) mit (8)
(7) Petrus scalt thu heizen mit gil6ubu iz ouh giweizen I in thiu sis stark io so stein thaz thu sis miner drIlt ein (Otfrid II737f)
Petrus sollst du heiszligen mit Glauben es auch beweisen dadurch daszlig du stets fest wie ein Fels bist daszlig du einer meiner Juumlnger bist22
mit thiu sie thaz giweizent sie gotes kind heizent (Otfrid II1626) womit sie das beweisen daszlig sie Gottes Kinder heiszligen
20 Schrodt (1983 73 und 172f)
21 Schrodt (1983161)
22 Erdmann (1874 145)
186 R Luumlhr
Hinzu kommt daszlig in Nebensaumltzen der Konjunktiv auch wie im Hauptshysatz verwendet werden kann also als autonomer Konjunktiv
(9) raquoNfstlaquo quad er tho raquofruma thaz thaz man zukke thaz maz I then kindon in then hanton inti werfez uz then huntonlaquo (Otfrid III1O33f) Es ist nicht gut sagte er da daszlig man den Kindern das Essen aus den Haumlnshyden nimmt und es den Hunden vorwirft
Nach einem faktiven Ausdruck wie es ist gut erwartet man selbst bei Vemeinung den Indikativ denn auch in der Negation wird die Wahrshyheit des Komplements vorausgesetzt In (9) wird jedoch im Nebensatz eine allgemein guumlltige Aussage ausgedruumlckt was eine temporale Fixieshyrung des Komplementsatzgeschehens durch den Indikativ uumlberfluumlssig zu machen scheint23
Im Falle des Auftretens von Modalverben in Nebensaumltzen ist also sorgfaltig auf die Bedeutung des Verbs im uumlbergeordneten Satz zu achten
23 Modalverben in indikativischen Nebensaumltzen
An indikativischen Nebensaumltzen mit Modalverben also Faumlllen ohne Substitution sind etwa zu nennen Objektsaumltze Attributsaumltze und Adshyverbialsaumltze
231 Objektsaumltze
(10) Thiu quena sun was dnigenti joh sih harto scamenti I thaz siu scolta in elti mit kinde gan in henti (Otfrid 1485) Die Frau trug einen Sohn und sie schaumlmte sich sehr daszlig sie im Alter mit eishynem Kind an der Hand gehen sollte24
sih scamim im Matrixsatz ist ein faktives Verb und bei faktiven Vershyben in der Traumlgerstruktur steht der Nebensatz im Indikativ (zu einer Ausnahme vgL jedoch (9)) Aumlhnlich ist
(11) Thaz wfzist thu in thoh imo iz abwertaz sC I ni mag ouh mit then ougon zi geginwert V2337f)
23 Schrodt (1983 201)
24 In den Uumlbersetzungen werden die althochdeutschen Modalverben auch wenn sich vom Neuhochdeutschen her redundante Ausdrucksweisen ergeben durch entsprechende neuhochdeutsche Modalverben wiedergegeben diese koumlnnen aufgrund von Bedeutungswandel von den entsprechenden althochdeutschen Modalverben abweichen
Modalverben als Substitutionsonnen 187
Das weiszligt du genau daszlig man ist auch der Gegenstand sehr weit entfernt ihn auch nicht mit den Augen in der Gegenwart schauen kann25
Gleiches gilt fuumlr Objektsaumltze in der Funktion von indirekten mit wie eingeleiteten Fragesaumltzen die von einem Verb des raquoErkannt-Habenslaquo also ebenfalls einem faktiven Verb abhaumlngen
(12) hiar mag er lernen ubar al wio er gilouben scal 1266) hier kann er vollkommen lernen wie er glauben soll
Selbst hinter einem modalisierten Ausdruck im Traumlgersatz steht hier der Indikativ26
25 Zum Indikativ nach wissen vgl Schrodt (1983 199ff) Anders zu beurteilen ist
Ni wuntoro thu thih friunt min nubiz wola megi sin I nubiz werde wanne thaz sih es woroIt mende I (Otfrid II1 237f) Wundere dich nicht mein Freund als ob es nicht wohl sein koumlnnte als ob es nicht irgendeinmal geschehen werde daszlig sich daruumlber die Welt freut (Kelle 1881445)
Als Beispiel fuumlr den Ersatz des Konjunktivs durch eine Modalverbftigung vershygleicht Erdmann (187436)
in thir uuigit sein daz thu maht [forasago sin] (Christus und die Sashymariterin 28)
mit
raquoMin muatlaquo quad si raquoduat mih wfs thaz thu f6rasago sfs laquo (Otfrid II1455)
In beiden Faumlllen wuumlrde man nach der lateinischen Vorlage (Domine video quia propheta es tu) in der Tat einen Indikativ (2 Sg Ind Praumls bist) erwarten Moumlglicherweise ist jedoch aus Reimgruumlnden der Infinitiv sin (jorasago sin fehlt in der Handschrift) bzw die 2 Sg Konj Praumls sis gesetzt Da aber aus Reimshygruumlnden kaum gegen die Sprachrichtigkeit verstoszligen sein kann erscheint im Falle des faktiven Verbs sein wegan deutlich werden die Deutung daszlig du ein Prophet sein muszligt moumlglich - von den Gebrauchsweisen von magan kommt wohl die Bezeichnung eines Imstandeseins dessen aumluszligere Umstaumlnde eine mehr oder weniger starke Veranlassung enthalten in Frage (Luumlhr 1996) Und im zweiten Beleg koumlnnte - hinter einem wenn-Verb (wi s duan wissen lassen) _ ein Potentialis vorliegen C daszlig du ein Prophet sein duumlrftest)
26 Schrodt (1983 202) Andersjedoch
Lerne hiar thia guati wio unser druhtin dati (Otfrid III19 11) Lerne hier die Vortrefflichkeit kennen wie unser Herr gehandelt hat (Zu einer inhaltlichen Begruumlndung des Konjunktivs vgl Wunder 1965292)
188 R Liihr
Ein wenn-Verb also ein Verb das in der affirmativen Behauptung die Wahrheit des Komplements impliziert und so den Indikativ verlangt (vgl oben) begegnet in
(13) ther loz ther rfhtit unsih aI weliches siu wesan seal (Otfrid IV28 12) das Los das weist uns genau an wem sie (die Tunika) gehoumlren
Schwieriger ist folgender Fall mit einem wenn-Verb zu beurteilen In (14) gehoumlrt das uumlbergeordnete Verb zu der schon erwaumlhnten Gruppe von Verben der sinnlichen Wahrnehmung die eine Aktivitaumlt des Agens bezeichnen
Wanta iagilih tho thar instuant thaz ther man scolta wesan guat 1 zi guaten sih gizeliti ther suntigan so queliti (Otfrid Ill 1747f) Denn jeder begriff da sofort daszlig es sich gebuumlhrt daszlig der Mann gerecht ist [der] moumlge sich zu den Frommen zaumlhlen der einen Suumlnder so strafen will
Zwar folgt auf einen Nebensatz der das indikativische Modalverb seolta enthaumllt eine Fuumlgung im Konjunktiv Da jedoch instantan in eishynem weiteren Beleg mit einem indikativischen Komplementsatz vershybunden ist28 duumlrfte der Konjunktiv gizeliti autonom sein und die Funkshytion eines Wunsches haben seolta ist daher ebensowenig wie in den vorhergehenden Beispielen Ersatzform
Was Verben des Sagens im Traumlgersatz wie in (15) und (16) angeht so tritt hinter indikativischem nicht negiertem sagen in den mit wie einshygeleiteten Nebensaumltzen in gleicher Weise der Indikativ auf29
Sagen ih iu wio Ir nan sculut ffndan I (Otfrid 11217) Ich sage euch wie ihr ihn finden werdet
(16) joh selbo in sageta ubar aI wio egislih iz wesan scal (Otfrid V204)
27 Als indikativischer Nebensatz kann auch gedeutet werden
Tho rfht unsih thiu redina thaz wir uns warten thanana 1 thaz suht ni derre uns mera then lfdin joh thera sela (Otfrid m55) Da lehrte uns dieser Ausspruch daszlig wir uns davor in Acht nehmen damit
28 Hiar mugun wir instaotan 1 thaz quement ununahti fon suntono suhti (Otfrid III51f) Hieran koumlnnen wir erkennen daszlig koumlrperliche Krankheiten vom Verderben der Suumlnden kommen (vgl Schrodt 1983 164)
29 ih sagen thir wio sie datun (Otfrid 1937)
Uuio sie avur got thar drosta joh Moyses irlosta I thaz sagent buah zi waru (Otfrid H 87f)
Modalverben als Substitutionsormen 189
und er sagte ihnen deutlich wie schrecklich es juumlngste Gerichtl sein wird
seal steht hier also im Sinne von wird eine Bedeutung die sich mit der Bezeichnung einer Notwendigkeit oder eines Erfordernisses einer Handlung vertraumlgt Setzt man die von Oumlhlschlaumlger angenommene neushyhochdeutsche Bedeutung von soUen eine (vom Kontext gelieferte) Quelle will daszlig der mit dem Subjekt und der Infinitivkonstruktion beshyzeichnete Sachverhalt eintritt30 auch fuumlr das Althochdeutsche an so ist als erstes Argument einer Modalverbfuumlgung wie in (16) eine Fuumlllung wie In Hinblick auf das was Gott vorhat denkbar
Aumlhnlich
(17) Er zalt in ouh tho thar meist wio ther heilego geist 1 thie wfzzi in scolta meshyron mit sInes selbes leron I NiMinemo ni brusti ni er aHa fruma westi (Otfrid IV 1 537ff)
Auch erzaumlhlte er ihnen da insbesondere wie der heilige Geist ihnen den Verstand durch seine Lehren vermehren wird keinem duumlrfte mehr fehlen alles Nuumltzliche zu wissen3)
Vgl auch
(18) er unthankes in za]ta wio iz wesan scolta (Otfrid 1II2534)
Tho zalt in thiu sin guati I WIO se scoltun fahan zi herizohon zlahan I (Otfrid IV713ff)
tMr in ana zalta wio Krist in queman scolta (Otfrid V618)
joh wio er in thar gizalta wio thaz al wesan scolta (Otfrid IV634)32
232 Attributsaumltze
Ein mit der Subjunktion wie eingeleiteter indirekter Fragesatz als Attrishybutsatz findet sich in
(19) raquoSage uns meistar tMnne WIO thiu zft gigaoge I zeichan wio thu queman scaIt joh wio thiu woroIt ouh (Otfrid II2239f) Sage uns Herr nun wie die Zeit ablaumluft ein Zeichen wie du kommen wirst und wie die Welt auch untergeht
30 Oumlhlschlaumlger (1989 174)
31 Der Konjunktiv brust ist autonom
32 Dagegen koumlnnte der Konjunktiv die Bedeutung des Modalverbs verstaumlrken in
Zalt er ouh then mannon wio er se wolti minnon (Otfrid IV655 Schrodt 1983244 anders Wunder 1965291)
190 R Luumlhr
In diesem Beispiel faumlllt der Wechsel zwischen Konjunktiv (gigange) und Indikativ (scalt zigat) auf Da hinter imperativischem sagen sonst der Konjunktiv steht33 ist zu vermuten daszlig das fuumlr den Attributsatz fungierende Bezugswort Zeichen ein Substantiv das die Semantik eishynes wenn-Verbs hat den Moduswechsel zum Indikativ verursacht seal ist jedenfalls keine Ersatzform
233 Adverbialsaumltze
Ein reales Konditionalsatzgefuumlge liegt vor in
(20) Wio harto mihiJes mer gfuit druhtin tuer I guat ob ir mo folget inan bltshyten wollet (Otfrid IV77f)
Um wieviel mehr gibt euer Herr euch Gut wenn ihr ihm folgen und ihn bitshyten werdet
Da die einem Matrixsatz folgenden mit oba eingeleiteten Konditionalshysaumltze eine raquonachtraumlgliche oft ziemlich unwesentliche oder uumlberfluumlssige Angabe einer zum Eintreten des ersten angegebenen Ereignisses erforshyderlichen Vorbedingunglaquo34 enthalten kann man wollet mit werdet wiedergeben Geht man wieder von Oumlhlschlaumlgers Bedeutungsbeschreishybung des entsprechenden neuhochdeutschen Modalverbs aus35 so paszligt diese Bedeutung (vereinfacht ausgedruumlckt) auch fuumlr das Althochdeutshysche Der mit dem Subjekt bezeichnete Gegenstand zieht es vor daszlig der mit der Infinitivkonstruktion bezeichnete Sachverhalt eintritt vgl ferner fuumlr die 2 Person
(21) raquoWi1 thu thaz richi druhtin mit thfnes selbes rruihtin I ersezen thesen lfutin laquo (Otfrid V173) fuumlr lat acta apostol 16 domine in tempore hoc restitues regnum Israel36
Auf die gleiche Weise kann indikativisches wollen in dem in eine indishyrekte Rede eingebetteten als direkte Rede fungierenden Konditionalshysatz37 wiedergegeben werden
33 Nach Schrodt (1983 laumlszligt sich der Wechsel von Konjunktiv und Indikativ hier nur erklaumlren raquowenn man bei zielgerichtet modalisiertem Traumlgersatz autoshynome Modussetzung annimmllaquo Doch handelt es sich bei dem indikativischen Nebensatz um einen Attributsatz
34 Erdmann (1874 104)
35 Oumlh1schlaumlger (1989 166)
36 Zu weiteren Belegen vgl Kelle (1881 686f)
37 ErdrnannlW oIff (1973 128)
Modalverben als Substitutionsformen 191
quadun ni gisufchi nub er then Hut bisuichi I Joh er se thes gibCitti zi altere flf16itti I zi altemo wewen raquooba sie mo wollent hOrenlaquo (Otfrid mlS44ff) sie sagten er houmlre nicht auf daszlig er das Volk hintergehe und er sie noumltige
er] sie fuumlr immer zum ewigen Verderbnis verleite raquowenn sie auf ihn houmlren werdenlaquo
In allen diesen Faumlllen haben also die Modalverben Eigenbedeutung und sind weil sie in indikativischen Nebensaumltzen erscheinen keine Substishytutionsformen
3 Substitution durch Modalverben
31 Im Althochdeutschen38
Anders koumlnnte es sich in konjunktivischen Nebensaumltzen die Modalvershyben aufweisen verhalten Zu bedenken ist dabei daszlig wie bemerkt im Althochdeutschen der Konjunktiv vom Indikativ formal klar geschieden ist Behaumllt man den Begriff raquoSubstitutionlaquo bei so liegt hier demnach eine fakultative Substitution vor
311 Konjunktivische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung
3111 Objektsaumltze
Unter den komplexen Saumltzen die Objektsaumltze enthalten findet sich im Traumlgersatz ein faktives Verb bUden frohlocken Der Nebensatz steht im Konjunktiv39
(23) Abraham ther aHo er blidta sih thes Mrto I er thes sih muasi frowon then mfnan dag bisc6won (Otfrid III1849f)
Der alte Abraham frohlockte sehr daszlig er sich dessen dereinst wuumlrde freuen koumlnnen meinen Tag zu schauen
Der Konjunktiv duumlrfte hier autonom eingesetzt sein und zwar um die Unwirklichkeit des Ereignisses hervorzuheben4o muasi ist somit eine Substitutionsform mit Eigenbedeutung
38 Zum folgenden vgl Erdmann (1874 36f) Klaren
39 Zu indikativischen Nebensaumltzen bei Verben des Preuens im Matrixsatz vgl Wunder (196S 222)
40 Erdmann (187437)
192 RLuumlhr
Moumlglicherweise ebenfalls als autonom ist der Konjunktiv im Falle eishynes uumlbergeordneten wenn-Verbs das Bestandteil einer Aufforderung ist zu beurteilen41
Giwerdo uns geban druhtin mit thines selbes mahtin wir unsih muazin bIlden mit heilegon thinen (Otfrid Y241f) Laszlig dich herab uns mit deiner Allmacht zu gewaumlhren daszlig wir uns mit deishynen Heiligen freuen duumlrfen
In Frage kommt der Konjunktiv in der Funktion eines Optativs Ein Sonderfall einer Substitution mit Eigenbedeutung begegnet im
Falle eines wohl zu ergaumlnzenden wenn-Verbs
(25) Ward in sar tho filu leid thaz er sih sar fon in firmeid thaz muasin sih sin frowonjoh inan lango scouon (Otfrid YlO2lf) Es tat ihnen bald ungemein leid daszlig er sich schnell von ihnen entfernte [und es ihnen so unmoumlglich machte42] daszlig sie sich seiner freuen und ihn lange schauen konnten
Ist ein wenn-Verb verneint wird uumlber die Realisierung des Kompleshymentsatzgeschehens nichts ausgesagt sondern es wird nur erwaumlhnt In solchen Faumlllen tritt im abhaumlngigen Satz bevorzugt der Konjunktiv auf43
Dies gilt auch fuumlr das folgende Beispiel in dem ein mit ni daszlig einshygeleiteter konjunktivischer Nebensatz von einem negierten wenn-Verb abhaumlngt
(26) ni mugut ouh firlazan ni ir sulih sculit niazan (Otfrid Il2228) ihr koumlnnt nicht umhin daszlig ihr solches genieszligen werdet
Die Bedeutung des Modalverbs kann wohl mit werden umschrieben werden
Gegenuumlber den wenn-Verben erfordern die Verba sentiendi normashylerweise sowohl in der Affirmation als auch in der Negation einen konshyjunktivischen Nebensatz44 Eine Substitution mit Eigenbedeutung zeigt sich
(27) So hoh ist gomaheit sfn thaz mih ni thunkit megi sin theih scuahriomon sine zinbintanne birine (Otfrid 12757f)
41 Zum Problem des Konjunktivs bei raquomodalisierten Traumlgersaumltzenlaquo mit wennmiddotYershyben vgl Schrodt (1983 177)
42 Ygl Kelle (1881 266) es tat den Juumlngern von Emaus leid daszlig er sich ihnen entzog (und daszlig er sich ihnen dadurch entzog) daszlig sie sich seiner freuen konnshyten
43 Schrodt (1983 73f)
44 Zum Konjunktiv in den von Yerba sentiendi abhaumlngigen Nebensaumltzen vgl Schrodt (1983 259ff und 264) (anders dazu Wunder 1965 198ff)
Modalverben als Substitutionsormen 193
So groszlig ist seine Persoumlnlichkeit daszlig ich nicht daszlig ich seine Schuhshyriemen beruumlhren kann um sie zu loumlsen
Ebenso wie hinter den Verba sentiendi steht hinter Verben des Bittens der Nebensatz im Konjunktiv45 Die Modalverben haben Eigenbedeushytung in
(28) Thih bfttu ih mines muates thaz mir queme alles guates in ewon ginuagi zi druton thinen fUagi Thaz ih famer druhtin min mit themo droste
megi sin (Otfrid 1253ff)
Ich bitte dich von Herzen daszlig mir alles Gute immerzu hinreichend zuteil wird und daszlig ich zu Qeinen Lieben gehoumlre daszlig ich stets Herr mit deiner Hilfe sein kann
(29) Mit allen unsen kreftin bittemes nu druhtin Thaz wir unsih in then riuon ni muazin io biscowon Thaz Wir unsih muazin samanon zen gotes druttheganon Joh muazin mit then druton thes hfmilriches nioton Joh wir thar muazin untar fn blfde fora gote sin (Otfrid 128lff) Mit allen unseren Kraumlften bitten wir nun den Herrn daszlig wir uns nie im Ungluumlck befinden (eigentlich umsehen muumlssen) daszlig wir uns zu den lieben Dienern Gottes gesellen duumlrfen und mit den Heiligen das Himmelshyreich genieszligen duumlrfen und wir da zwischen ihnen froh vor Gott sein duumlrshyfen
Eigenbedeutung duumlrfte ferner vorliegen im Falle der Modalverben die in einem von Verben des Bemuumlhens abhaumlngigen konjunktivischen Neshybensatz46 vorkommen
(30) Ni thurfut ir biginnan thaz Ir ouh megit bringan thaz ir gote thionot joh thoh thia worolt minnot (Otfrid 1I223f) Ihr duumlrft nicht versuchen daszlig ihr zustande bringt (zustande bringen koumlnnt) Gott zu dienen und doch die Welt zu lieben
Nach den neuhochdeutschen Sprachregeln ist das Modalverb koumlnnen im Nebensatz uumlberfluumlssig Im aumllteren Deutsch ist aber hinter einem Verb der Bedeutung versuchen im Nebensatz sicher noch die Bedeushytung in der Lage sein von koumlnnen empfunden worden
Auch Verben des Wuumlnschens machen einen Nebensatz im Konjunkshytiv erforderlich47 Dem Modalverb kommt Eigenbedeutung zu in
(31) Sie wunsgtun muasin rinan thoh sinan tradon einan in sinen (Otfrid 1Il99f)
Sie wuumlnschten daszlig sie wenigstens einen Faden in seinem Gewand beruumlhren durften
45 Schrodt (1983
46 Schrodt (1983
47 Schrodt (1983
194 R Luumlhr
Im Falle von Verba dicendi im uumlbergeordneten Satz begegnet eine Satz verschraumlnkung in
(32) wer quedenl sie theih sculi sin odo ouh nicha wese min (Otfrid m128)
wer sagen sie daszlig ich sein soll oder wie es um mich bestellt sei
Das Verb quedan ist ebenso wie sprehhan ein raquoschwach transitives(( Verb solche Verben verlangen einen Inhaltssatz im Konjunktiv woshydurch Abhaumlngigkeit vom Traumlgersatz signalisiert wird48 Die Modalverbshyfugung ist eigentlich wiederzugeben mit wer sagen sie daszlig mir beshystimmt ist zu sein Moumlglich erscheint aber auch eine Wiedergabe mit wer sagen sie daszlig ich sein soll mit soll im Sinne man sagt Hier zeigt sich also moumlglicherweise ein Ansatz zu dem spaumlteren epistemishyschen Gebrauch von sollen49
Aumlhnlich liegt wohl der Fall bei einem verneinten Verbum dicendi im Traumlgersatz mit ni als Konjunktion
(33) Nintheizit mir iz muat min ni ther fon gote scuE sin 1es aumllleswio ni th6nkit ther sulih werk wirkit (Otfrid III20 I 49f)
Mein Herz stellt es mir nicht in Abrede daszlig der von Gott sein muszlig der auf nichts anderes sinnt als daszlig er ein solches Werk tut
Zugrunde liegt die Vorstellung ni ther fon gote sculi sfn daszlig dem beshystimmt ist von Gott zu sein
3112 Adverbialsaumltze
Bei den Adverbialsaumltzen herrscht in den Finalsaumltzen wie bemerkt der Konjunktiv50 daher haben die Modalverben die Funktion von Substishytutionen und zwar mit Eigenbedeutung Es kommen die Modalverben muazan mugan und einmal wollen vor die wie gezeigt werden kann voneinander deutlich unterschiedene semantische Leistungen erbrinshygen51
(34) sie fergont druta ouh sille thes liebes in nirzfhe Thaz muazin sih thes fr6won (Otfrid V2350f) sie flehen auch seine Lieben an daszlig er ihnen das Ersehnte nicht vorenthalshyten moumlge damit sie sich daran erfreuen koumlnnen
48 Schrodt (1983 222)
49 Zu Zeugnissen fuumlr die epistemlsche Verwendung von Modalverben im Fruumlhneushyhochdeutschen vgl Fritz (1991 33ff)
50 Dazu Kahl (1890 45)
51 Dazu Luumlhr (1996)
Modalverben als Substitutions formen 195
(35) Druhtin atleswio ni dua mih io fuagi tharazua thaz fh mih untar thinen iamer muazi bUden (Otfrid V2417f)
Herr versage es nicht geselle mich stets dazu damit ich mich unter den Deinen immerzu freuen kann
(36) In rehtemo muate erge uns iz io zi guate 1 thaz wIr io muazin blide wesan sdlka sine (Otfrid III2014lf)
In rechtem Sinn wende es sich uns stets zum Guten damit wir immerzu froh deine Diener sein koumlnnen 152
(37) Nu bifflu ih mih hiar then beziron allen in war 1 allen g6tes theganon mit selben Kristes seganon 1 Thaz thie se1bun smahi min in gihugti muazin iro sin (Otfrid V2587fq
Und ich empfehle mich fuumlrwahr hier allen Gottesfuumlrchtigen indem ich fuumlr alle Diener Gottes den Segen Christi selber anrufe damit ich in ihrer Erinneshyrung sein kann
(38) bat man gabi imo then man thoh tho so bilibanan 1 Thaz muasi er thara wisen then lfchamon 16sen (Otfrid IV356f)
er [Joseph von Arimathaumla] bat daszlig man ihm den Mann gebe der doch so umgekommen war damit er Vorbereitungen treffen konnte den Leichnam abzunehmen
(39) sie warun wartenti wara man nan legeti 1 Thaz sIe nan muasin fuaren gishysuaslicho biruaren I Joh muasin thes giflfzan gisuaslicho birfazan (Otfrid IV3524ff)
sie beobachteten wohin man ihn legte damit sie ihn ruumlsten konnten auf vertraute Weise beruumlhren und danach trachten konnten ihn liebevoll zu beweinen
(40) Ira ferah bot thaz wib thaz iz muasi haben Ifb (Otfrid 12019)
Ihr Leben bot die Frau an damit es [das Kind] am Leben bleiben durfte
(41) irquicki in mir thia mina muadun sela 1 Theih hiar in libe irwizze zi thishynemo disge ouh sizze 1so er deta after thiu ih muad thingen zi thiu (Otfrid III I 22ff)
belebe in mir meine muumlde Seele damit ich hier im Leben befahigt bin auch an deinem Tische zu sitzen damit ich wie er [Lazarus] es spaumlter tat dahin gelangen darf
(42) Ther scado fliehe in gahe joh thiz sih uns io nahe I joh mit thfu giwerkon thaz thu uns es muazis thankon (Otfrid II2437f)
Das (moralische) Gebrechen weiche schnell und dies [die Heilung durch dich] nahe sich uns immer und damit wollen wir wirken damit du gar nicht anders kannst als es uns zu lohnen ( damit du uns es lohnen muszligt)
(43) Inliuht er unsih filu fram joh er hera in worolt quam 1 Thaz wir thaz irshykantin wara wir gangan scoltin I Joh wir nan muazin scowon 6ffenen 6ugon 1 Ofenemo muate theiz uns irge zi guate I mit thes herzen ougon muazin iamer sc6won (Otfrid III21 29ff)
52 V gl auch Otfrid V 241 f
196 RLuumlhr
Er erleuchte uns ganz und gar und er kam hierher auf die Welt damit wir erkennen wohin wir gehen sollen und damit wir ihn mit offenen Aushygen anschauen koumlnnen mit offenem Sinn damit es uns zum Heile gereishyche [damit] die Augen des Herzens [ihn] stets schauen koumlnnen
(44) Gerota iuer harto selb ther wfdarwerto thaz muasi er redan iu thaz muat s6 man korn in sfbe duat (Otfrid IV1315f)
Der Satan selbst begehrte euch heftig damit er Gelegenheit bekommt euer Herz zu sieben wie man Korn in das Sieb tut
fuumlr lat ecce satanas expetivit vos ut cribraret sicut triticum
(45) HaIt unsih in n6tin fon allen widarmuatin thaz muazin wir biwankon then abahen githankon (Otfrid 1I2423f) Beschuumltze uns sorgfaltig vor allen Verfolgungen damit es uns gegeben ist den boumlsen Gedanken zu entrinnen
(46) Thie selbun ewarton joh thie hereston suahtun 10 innan thiu urkundi luggu Thaz sie nan thoh mit liiginon m6hlin thar bir6dinon (Otfrid IV1923ff) Dieselben Hohenpriester und die Aumlltesten suchten inzwischen falsche Zeugnisse damit sie ihn wenigstens mit Luumlgen da uumlberfuumlhren konnten
(47) Det er iz then mannon zi einen frfstfrangon thaz sIe nan mohtin ghinashybrechon (Otfrid IV1963f) Er [der Hohepriester] verhalf den Menschen zu einer Gelegenheit [das Urshyteil zu fallen] damit sie ihn zugrunde richten konnten53
(48) Kapfetun sie lango was wuntar sie thero thingo mit hanton oba then 6ushygon thaz Mz sie mohtin sc6uon (Otfrid V1737f) Sie schauten lange sie wunderten sich uumlber die Dinge mit den Haumlnden uumlber den Augen damit sie besser sehen konnten
(49) Wir sculun hiar nu suntar gizellen ander wuntar Thaz wir fon seltsane w6la megin sare irkennen so iz giscrfban stat thia wuntarlichun g6tes dat (Otfrid V1215ff) Wir werden hier nun noch ein anderes Wunder erzaumlhlen damit wir aus einem Wunder sogleich das Wunder Gottes recht erkennen koumlnnen wie es beschrieben ist
(50) Beginnet g6te thankon thaz megit ir biwankon theso egislichun grunni ir natarono kiinni (Otfrid I2341f) Dankt Gott damit (so daszlig) ihr diesem schrecklichen Ungluumlck entrinnen koumlnnt ihr Natterngeschlechtl
Und das Beispiel mit wollen im Finalsatz ist
(51 ) gil6ubet thoh thera dati I Thaz ir thaz irkennet joh ouh gil6uben wollet thaz wir ein sculun sin fh inti fater minI (Otfrid III2262ff)
53 Zur Interpretation der Stelle vgl Kelle (1881 169)
Modalverben als Substitutions formen 197
Auf eine an eine 2 Person Plural gerichtete Aufforderung folgt ein Fishynalsatz mit dem konjunktivischen Modalverb wollet ebenfalls in der 2 Person Plural Behaumllt man in der neuhochdeutschen Uumlbersetzung das Modalverb bei so ergibt sich sofern man keinen Finalsatz mit einem nach der heutigen Sprachnorm redundanten Modalverb moumlgen bildet
so glaubt doch diesem Werk ihr moumlget erkennen und glauben daszlig uns bestimmt ist eins zu sein ich und mein Vater
Einer an eine 2 Person Plural gerichteten Aufforderung folgt also eine weitere Aufforderung mit einem Modalverb das einen Wunsch ausshydruckt Wird nun die erste Aufforderung als Bedingung und die zweite Aufforderung als eine erwuumlnschte Folge betrachtet wird zwischen den beiden Sachverhaltsbeschreibungen eine finale Relation etabliert54 Otshyfrid hat diese beiden Sachverhaltsbeschreibungen wohl in einer solchen Beziehung gesehen denn er hat in (51) die Konjunktion thaz im Sinne von damit verwendet
Als Finalsatz oder als Konsekutivsatz kann aufgefaszligt werden der Nebensatz in
(52) Driihtin fon then stankon thaz muaz55 ih ser biwankon I mih rum so Lazarum thu dati (Otfrid IIIl19f)
Herr befreie mich von dem Verwesungsgeruch [der Suumlnde] wie du es mit Lazarus tatest so daszlig56damit ich dem Leid entrinnen kann
Es ist nun zu prufen ob neben diesen Faumlllen in denen konjunktivische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung anzunehmen sind auch konshyjunktivische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung auftreten
312 Konjunktivische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung
3121 Objektsaumltze
Auf jeden Fall verblaszligt ist die Bedeutung des Modalverbs in (53) - im Matrixsatz erscheint ein Verbum sentiendi
(53) Gistuant gener (wan ih) thenken thaz er wolti wenken (Otfrid IV175)
Jener versuchte vermutlich [dem Hieb] auszuweichen (woumlrtliCh Jener glaube ich begann daran zu denken daszlig er [dem Hieb] ausweichen wollte)
54 Vgl dazu Luumlhr (1994217)
55 Mit Apokope vgl Piper (1884314)
56 Wunder (1965 230)
198 R Luumlhr
wollen kann hier aber futurischen Charakter haben indem es dem Vollshyverb wenken - insbesondere bei einem Verb des Anfangens in der Traumlshygerstruktur - ingressive Aktionsart verleiht57 Auf jeden Fall ermoumlglicht die Verwendung eines Modalverbs daszlig die beiden Vollverben reimen (thenken wenken) weshalb man von einer durch den Reim bedingten Substitutionsform sprechen kann
Moumlglicherweise ist so auch das schon behandelte Beispiel (3) intershypretierbar
Wir ei gun kuning einan anderan nih6inan I joh wanen waltan wolle ther keisor ubar alle (Otfrid IV2421f)
Da waumlnen im Althochdeutschen sowohl Vermutung als auch Erwartung ausdruumlckt58 erscheint bei einem solchen uumlbergeordneten Verb im abshyhaumlngigen Satz ein Modalverb das einen Eintritt eines Sachverhalts zum Ausdruck bringen kann (vgl oben) plausibel Auch hier spielt wie schon bemerkt der Reim eine Rolle (wolle alle)
Allein der Reim ist wohl fuumlr die Verwendung von scolti in (54) vershyantwortlich
(54) sie warun 6isconti war er wesan scolti (Otfrid II11538) fuumlr lat [ quaerebant eum] et dicebant ubi est ille sie fragten wo er sei
Zum Reim -nti(+ n) -lti(+ n) vgl Otfrid III2131 Thaz wir thaz irshykantin wara wir gangan scoltin
Trifft diese Annahme fuumlr (54) zu so stellt scolti eine konjunktivische Substitutionsform ohne Eigenbedeutung dar Denn indirekte Frageshysaumltze die von Verben des Fragens abhaumlngig sind stehen im Konjunkshytiv59
Ebenso also als Substitutionform ohne Eigenbedeutung die aus Reimgruumlnden - hier aber wegen des Reims der Vollverben gesetzt ist ist das Modalverb scolti aufzufassen in
(55) rafsta nan tho worto thera ungilouba harto I Ziu er scolti io thes githenken joh muates io giwenken (Otfrid III844f) er tadelte ihn heftig mit seinem Worte wegen des Unglaubens warum er das gedacht und keinen Mut gehabt habe
57 VgL DWb 30
58 Schuumltzcichel (1989 280) 59 Wunder (1965 309) Schrodt (1983 257f)
Modalverben als Substitutions formen 199
tadeln ist hier nicht als faktives Verb verwendet vielmehr fragt der ziushySatz nach den Gruumlnden des Tadelns60
313 Indikativische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung
Im Falle eines Attributsatzes der mit daszlig eingeleitet ist sind die Beshylege (56) und (56a) zu vergleichen
(56) tho ward irftlllit thiu zft I thaz sUliga thiu alta thaz kind tho beran scolta (Otfrid I9lf)
Da war die Zeit crfuumllltdaszlig die Gluumlckselige dic alte Frau das Kind gebaumlren sollte
(56a) thio zfti sih iIvUltun I thaz si chfnd bari zi woralti einmari (Otfrid 11129f)
die Zeiten erfuumlllten sich daszlig sie cin auszligerordentliches Kind ZUr Welt brachte
Da in (56a) der Konjunktiv steht handelt es sich bei scolta in (56) um eine indikativische Ersatzform mit Eigenbedeutung scolta reimt auf alta weshalb das Modalverb hier zu den reimbedingten Substitutionsshyformen zu zaumlhlen
Nach Erdmann ist zu den indikativischen Substitutionsformen Beishyspiel (57) zu rechnen61
(57) Bi hiu se thes ni h6getin 6ba sie thaz gifrumitin I thaz er nan mohta ana wan heizan Mur Uf stan I Joh mit theru krefti avur nan irqufcti I (Otfrid IV313ff)
Warum haumltten sic [die Juden] das nicht bedacht daszlig er [JcsusJ wenn sie das vollfuumlhrten [naumlmlich die Toumltung des Lazarusj ihn [Lazarusj aufs neue auferstehen lassen konntc und ihn abermals zum Leben erwecken wuumlrde
Der mit daszlig eingeleitete Nebensatz haumlngt von einem Verb des Denkens in einer konjunktivischen direkten Frage ab und wird mit einem konshyjunktivischen Verb fortgefuumlhrt Nach den althochdeutschen Modusreshygeln waumlre eigentlich mohti zu erwarten wie es die Freisinger Handshyschrift bietet Die Wiener Handschrift die die Quelle aller Handschrifshyten und vermutlich von Otfrid mit eigener Hand revidiert ist hat dageshygen mohta Dieses mohta nun sieht wie eine indikativische Ersatzform mit Eigenbedeutung aus Ebenso wie im abhaumlngigen Nebensatz autoshynome Konjunktive vorkommen gibt es aber moumlglicherweise in eigentshy
60 Vgl Wunder (1965307)
61 Erdmann (1874 37 und 111)
200 RLuumlhr
lich konjunktivischen Nebensaumltzen einen autonomen Indikativ Vielshyleicht hat Otfrid bewuszligt den Indikativ mohta gewaumlhlt um seiner Uumlbershyzeugung Ausdruck zu verleihen daszlig Jesus einerlei wie die Umstaumlnde sind in der Lage ist Lazarus von den Toten aufzuerwecken
314 Indikativische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung
Ein indirekter Fragesatz mit der Subjunktion ob liegt vor in
(58) thaz ir irkfaset ubar al aba siu fruma wesan seal (Otfrid S 6) damit ihr ganz und gar pruumlft ob es [likza Bruchstuumlck] gelungen ist
In den mit oba eingeleiteten indirekten Fragesaumltzen ist der Konjunktiv die Regel62 seal ist demnach indikativische Substitutionform ohne Eishygenbedeutung die offensichtlich aus Reimgruumlnden gewaumlhlt ist
32 Auswertung
Ordnet man nun die im Althochdeutschen moumlglichen Faumllle von Substishytution nach dem Grad ihrer Oumlkonomie so ergeben sich - da im Altshyhochdeutschen ja nur fakultative Substitution vorkommt dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung
Von den 36 fuumlr Substitution in Betracht kommenden Nebensaumltzen shynach unserer Definition ist ja Substitution nur in Nebensaumltzen die den Konjunktiv verlangen moumlglich - fallen die meisten naumlmlich 29 auf den Typ c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung Objektsaumltze 11 Adverbialsaumltze 18
62 Kelle (1881451) Zu zwei Ausnahmen im Indikativ und deren Begruumlndung Wunder (1965 284)
Modalverben als Substitutionsarmen 201
Danach folgt der Typ d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung Objektsaumltze 4 (53) (3) (54) (55) wolle
2mal seolti)
und dann der Typ cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung Objektsaumltze 2 (56) (57) (seolta mohta)
Nur in einem Objektsatz (58) hat man den Fall dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
Mit Ausnahme von mohta in (57) sind die Substitutionsformen der Tyshypen d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung (wolti wolle 2mal seolti) cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung (scolta) und dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
durch den Reim bedingt und in mohta liegt moumlglicherweise ein autoshynomer Indikativ vor Weil also der Konjunktiv in den konjunktivischen Nebensaumltzen bei weitem uumlberwiegt kann man sagen daszlig der Regel raquoKonjunktiv im Nebensatzlaquo ein groumlszligeres Gewicht zukommt als dem Prinzip der Sprachoumlkonomie Nur in drei Faumlllen von 29 erscheint ein indikativisches Modalverb als Substitution zweimal reimbedingt und einmal wohl aus inhaltlichen Gruumlnden In der Anwendung der den Neshybensatz kennzeichnenden Mittel hat also im Althochdeutschen der Konjunktiv eindeutig Vorrang vor der Kennzeichnung eines konjunkshytivischen Nebensatzes durch ein Modalverb
Zu fragen bleibt noch wieso von den althochdeutschen Modalverben am ehesten die Verben sollen und wollen als Konjunktiversatz auftreshyten Es liegt wohl an der Bedeutung dieser Modalverben Im Neuhochshydeutschen ist nach Oumlhlschlaumlger den beiden Verben im nicht-epistemishysehen Gebrauch gemeinsam daszlig dem Eintritt des durch die Infinitivshykonstruktion bezeichneten Sachverhalts eine Praumlferenz zukommt ohne
202 RLuumlhr
daszlig besondere Bedingungen eine Rolle spielen63 Demgegenuumlber ist bei den anderen nicht-epistemisch verwendeten Modalverben von Bedeushytung ob eine (vom Kontext gelieferte) Quelle oder der mit dem Subjekt bezeichnete Gegenstand den Eintritt des durch die Infinitivkonstruktion bezeichneten Sachverhalts zulaumlszligt oder wuumlnscht oder auch eine Faumlhigshykeit zu einer bestimmten Handlung hat Auch die althochdeutschen Modalverben sollen und wollen bringen bei Otfrid eine Praumlferenz zum Ausdruck wohingegen sich die uumlbrigen althochdeutschen Modalverben auf semantische Kategorien wie Permission Wunsch oder Faumlhigkeit beziehen Nimmt man nun an daszlig von diesen semantischen Kategorien die der Praumlferenz am wenigsten Eigenbedeutung hat wuumlrde verstaumlndshylich warum Otfrid aus Reimgruumlnden zur Substitution des Konjunktivs die Modalverben sollen und wollen verwendet hat Jedenfalls kann man bei Otfrid fuumlr die Hypotaxe allenfalls von einer reimbedingten Substitushytion des Konjunktivs durch Modalverben sprechen
33 Substitution durch Modalverben im Fruumlhneuhochdeutschen
Nach der Besprechung des althochdeutschen Materials stellt sich nun die Frage ob auch noch in der Sprache Luthers Substitution durch Moshydalverben vorhanden war Wie einige Beispiele belegen sollen ist dies in der Tat der Fall
331 Objektsatz
Es findet sich obligatorische Substitution Eigenbedeutung des Moshydalverbs
(59) haben wyr euch nicht mit ernst gepotten das yhr nicht sollt leren ynn dishysem namen (1522 Apg 528)
(60) Und wenn ich sie hette sollen fragen wie man die ersten zwey wort Matthei 1 Liber Generationis solte verdeutschen so hette yhr keiner gewist gack dazu zu sagen (Sendbrief 63335ff)
Und fakultative Substitutionen mit Eigenbedeutung begegnen in
(61) vnnd da si yhn sahen baten sie yhn das er weychen wolt von yhr grentze (1522 Matth 834) Das er von jrer Grentze weichen wolte64 (1546)
63 Oumlhlschlaumlger (1989 248ff)
64 Zu wollen mit Eigenbedeutung in von Verben des Bittens abhaumlngigen Saumltzen vgl DWb 30
Modalverben als Substitutions formen 203
(62) vnnd baU das er eyne hutten finden mochte dem Gott Jacob (1522 Apg746)
(63) Ich hab mich des getlissen ym dolmetzschen das ich rein und klar teutsch geben mOumlchte (Sendbrief 636 15f)
(64) vnd schaffet das man die iungen kindlin hyn werffen muste das sie nit lebendig blieben65 (1522 Apg 719)
332 Adverbialsatz
Auch in Finalsaumltzen erscheinen obligatorische und fakultative Substitushytionen mit Eigenbedeutung und zwar teils als eindeutige Konjunktivshyformen
(65) und eren umb keiner ander ursachen willen so starck wider die werck und treiben allein auff den glauben das die leute sollen sich ergern stossen und faUen (Sendbrief 64134ff)
(66) Denn wer dolmetzschen wil mus grosse vorrath von worten haben das er die wol kOumlnne haben wo eins an allen orten nicht lauten will (Sendbrief 6392lff)
(67) ehe den wir solche wacken und klotze aus dem wege reuumlmeten auff das man kOndte so fein daher gehen66 (Sendbrief 63624f)
Und ein Beleg fuumlr einen Konditionalsatz in dem das Modalverb Eigenshybedeutung hat ist
(68) Wenn ich nu den buchstaben nach aus der esel kunst solt des Engels wort verdeutschen muste ich also sagen (Sendbrief 639 1Of)
Diese Belege zeigen daszlig konjunktivische Modalverben mit Eigenbeshydeutung ebenso wie im Althochdeutschen noch im fruumlhneuhochdeutshysehen Nebensatz als Substitutionsformen des Konjunktivs fungieren67
65 Hinter einem faktiven Verb ist kein Konjunktiv zu erwarten
Mich wundert aber das man sich yn diser offentlichen sachen so mag sperren (Sendbrief 6426f)
66 Der Finalsatz wird mit Hauptsatzwortfolge weitergefuumlhrt in
Auff das wenn wir sagen die Christenheit yrre nicht so sollen wir auch sagen das sie auch nicht yrren und also kein lUumlgen auch an yn mUumlge gestrafft werden (Sendbrief 6452ff)
67 Weitere Belege sind
Und urteileten dem guten man sein werck die jhenigen so ym nicht gnug gewest weren das sie ym die schuch hetten sollen wischen (Sendbrief 6343ff)
204 R Luumlhr
Das Prinzip der Sprachoumlkonomie das in seiner striktesten Auspraumlgung eigentlich nur obligatorische indikativische Substitutionen des Konshyjunktivs fordert ist hier also noch nicht wirksam68
34 Faktoren fuumlr die Aufgabe der Substitution durch Modalverben im Neuhochdeutschen
Wieso hat sich dieser Sprachgebrauch nun zum Neuhochdeutschen hin geaumlndert Es gibt zweifellos aumluszligere Indizien die auf eine bewuszligte Unshyterdruumlckung der Modalverben als Substitutionen schlieszligen lassen Die Sprachkritiker des 19 Jahrhunderts haben vielfach die Beseitigung von Redundanz wie sie durch Modalverben in semantisch eindeutigen Neshybensaumltzen entsteht gefordert69 Verpoumlnt sind zB Ausdrucksweisen wie
(69) Wenn zur Einloumlsung eines Pfandes ein Vers verlangt werden sollte so richshytete man die Forderung meist an mich (Goethe) (anstatt Wenn zur Einloumlshysung eines Pfandes ein Vers verlangt wurde so )70
(70) Die Moumlglichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden haben mag (anstatt Die Moumlgshy
sie sind nicht werd das sie meine erbeit sollen erkennen (Sendbrief 64014f)
Es hatten vnser veter die hutten des zeugnis ynn der wusten wie er yhn das verordenet hatte da er zu Mosen redte das er sie machen solt nach dem furbild das er gesehen hatte (1522 Apg 744)
Wenn sie euch nu vbirantworten werden so sorget nicht wie oder was yhr reden solt (1522 Matth 1019)
Da diese rede horeten der hohe priester vnd die fursteher des tempels vnnd ander hohe priester worden si vbir yhn betretten was doch das werden wollt (1522 Apg 524)
nach dem es vnmuglich war das er sollt von yhm gehallten werden (1522 Apg 224)
Vgl auch
Wol hat Heintzens Lesterbuch bey jnen den verstand (Auffassung) das es ein scharff schwert sey wider den ChurfUumlrsten und uns das uns aufffressen solle im Augenblick 0541 Wider Hans Worst 47517ff)
68 Einschlaumlgige Belege finden sich auch in den Zeitungen des Jahres 1609 vgl den Beitrag von Fritz in diesem Band S 279
69 Vgl Luumlhr (1992 354)
70 Sanders (1894256)
Modalverben als Substitutionsarmen 205
lichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden hat)
(71) Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintreten muszligshyten (anstatt Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintraten) 1
(72) Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert sein soll (anstatt Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert ist) 72
(73) Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sollen sieben Zigeuner erfroren sein (anstatt Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sind sieben Zigeushyner erfroren)
(74) Zuverlaumlssig wird gemrudet daszlig die Feinde dort angekommen sein sollen (anstatt Zuverlaumlssig wird gemeldet daszlig die Feinde dort angekommen sind)3
Vor gar nicht langer Zeit waren also Ausdrucksweisen wie sie bereits im Althochdeutschen belegt werden konnten auch noch im Neuhochshydeutschen vorhanden Daszlig sie heute als schlechtes Deutsch gelten kann jedoch nicht allein dem Einfluszlig der Sprachkritiker zugeschrieben werden In der Sprache muumlssen sich Wandel vollzogen haben die den Einsatz von Modalverben in Nebensaumltzen uumlberfluumlssig machen Moumlgshylicherweise besteht ein Zusammenhang mit dem Ruumlckgang des Konshyjunktivs in Nebensaumltzen eine Vermutung die naumlherer Untersuchung bedarf Da im Althochdeutschen die Modalverben im Nebensatz in den allermeisten Faumlllen eine lexikalische Bedeutung haben entspricht die Verwendung der Modalverben im Nebensatz weitgehend der im Hauptshysatz Die Faumllle in denen Modalverben ohne Eigenbedeutung im Altshyhochdeutschen Konjunktivformen im Nebensatz ersetzen sind zu vershyeinzelt als daszlig man von einem Ansatz zur Grammatikalisierung spreshychen koumlnnte denn die Bedingung fuumlr diesen Gebrauch ist hier eben der Reim
4 Fazit
Nach dem weitreichendsten Prinzip der Sprachoumlkonomie wuumlrde man fuumlr die althochdeutsche Sprachperiode in konjunktivischen Nebensaumltshyzen Modalverben als fakultative indikativische Ersatzformen ohne Eishygenbedeutung vorhersagen Die Beleglage ergab jedoch daszlig als Ershy
7 Matthias (1906446)
72 Andresen (1923 156)
73 Lehmann (1878 181f)
206 RLuumlhr
satzform der Typ fakultatives konjunktivisches Modalverb mit Eigenshybedeutung bei weitem vorherrscht Das zeigt daszlig im Althochdeutschen im Falle der Kennzeichnung eines konjunktivischen Nebensatzes der Konjunktiv einen houmlheren Rang einnimmt als das Modalverb Auch im Fruumlhneuhochdeutschen kommen noch Modalverben als fakultative konjunktivische Ersatzformen mit Eigenbedeutung vor Die Kennzeichshynung eines konjunktivischen Nebensatzes durch ein Modalverb ist also in dieser Spachperiode nicht auf die obligatorischen Faumllle in denen der Konjunktiv des Vollverbs mit dem Indikativ formal zusammenfallen wuumlrde beschraumlnkt Was nun das Neuhochdeutsche angeht so gelten heute wie bei den Sprachkritikem des 19 Jahrhunderts Ausdrucksweishysen in denen ein Modalverb die Bedeutung eines semantisch eindeutishygen Nebensatzes verstaumlrkt als anstoumlszligig Erst in dieser Zeit kommt im Falle der Substitution des Konjunktivs durch Modalverben aus welchen Gruumlnden auch immer das schon im Althochdeutschen theoretisch zu erwartende sprachoumlkonomische Prinzip voll zum Tragen
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180 R Luumlhr
uumlber Ind Praumls weltit zB Otfrid I 1100) koumlnnte durch eine Modalshyverbfuumlgung waltan wolle ersetzt sein wobei das Modalverb in eishygentlich redundanter Weise im Konjunktiv steht Somit fragt sich Gibt es Modalverben als reine Substitutionsformen nur mit grammatischer Bedeutung5
Schlieszliglich ist noch folgender Fall von Substitution durch ein Moshydalverb denkbar Substituiert das Modalverb den Konjunktiv im konshyjunktivischen Nebensatz und steht es wie in den bisher besprochenen drei Beispielen im Konjunktiv so liegt eigentlich eine Redundanz vor Da der Konjunktiv durch das Modalverb vertreten wird braucht es nicht zusaumltzlich in den Konjunktiv gesetzt zu werden In der Tat finden sich Belege fuumlr indikativische Modalverben als Substitution des Konshyjunktivs6
ist es mUumlJlich das ich ethwas von dir erwerben mag (Albrecht von Eyb)
Da in Nebensaumltzen die auf ein moumlgliches Komplementsatzgeschehen verweisen bis ins aumlltere Neuhochdeutsche hinein der Konjunktiv steht (vgl 4a) vertritt mag in (4) als indikativisches Modalverb den Konshyjunktiv7
(4a) ist muumlglich daz der mensch des luumltzel hab (Buch der Beispiele mit 3 Sg Konj Praumls
Wie Behaghel zu Recht sagt manifestiert sich in solchen Saumltzen die raquoNeigung der Sprache die Zahl der Ausdrucksmittel mit der Zahl der Funktionen in Einklang zu bringen [moumlgen] und der Konj waumlren ein doppelter Ausdruck derselben Funktionlaquo8
Genau diese vier Moumlglichkeiten von Substitution in von Haus aus konjunktivischen Nebensaumltzen sollen im folgenden im aumllteren Deutsch untersucht werden Es geht also um die obligatorische und fakultative Substitution und die jeweils mit dieser Substitution einhergehende Beshydeutung des Modalverbs Weil das Modalverb mit und ohne Eigenbeshydeutung auftreten kann ergeben sich so zunaumlchst vier Faumllle von Substishytution Diese vier Moumlglichkeiten verdoppeln sich wenn man den Moshydus des Modalverbs beruumlcksichtigt
5 Erdmann (1874 159)
6 Belege (4) und (4a) nach Behaghel (I928 573)
7 Pantls Untersuchungen haben ergeben daszlig bei Eckhart in aumlhnlichen Faumlllen wie in (4) das Modalverb nie im Konjunktiv steht (Pantl1902 28)
8 Behaghel (1928 577)
Modalverben als Substitulionsfomlen 181
a) obligatorische Substitution durch ein Modalverb mit Eigenbedeushytung - entweder im Indikativ oder im Konjunktiv
b) obligatorische Substitution durch ein Modalverb ohne Eigenbeshydeutung - entweder im Indikativ oder im Konjunktiv
c) fakultative Substitution durch ein Modalverb mit Eigenbedeutung - entweder im Indikativ oder im Konjunktiv
d) fakultative Substitution durch ein Modalverb ohne Eigenbedeushytung - entweder im Indikativ oder im Konjunktiv
Die oumlkonomischste Form der Substitution ist zweifellos die Form bl) obligatorische Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohne Eigenbedeutung dann folgen der Fall dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohne Eigenbedeutung und darauf die entsprechenden konjunktivischen Varianten b2) und d2) Wuumlrde im aumllshyteren Deutsch das Prinzip der Sprachoumlkonomie vorherrschen so wuumlrde man die meisten Belege im Falle von bl) und dl) erwarten Doch fragt sich ob die Sprache tatsaumlchlich so oumlkonontisch verfahrt
Unser Interesse gilt im folgenden in erster Linie der althochdeutshyschen Sprachperiode (wegen bereits von uns durchgefuumlhrter Untersushychungen zum Modalfeld bei Otfrid von Weiszligenburg dient sein Evangeshylienbuch als Textgrundlage) Denn man koumlnnte annehmen daszlig erst nach der Abschwaumlchung der Endsilbenvokale zu -e im Mittelhochdeutshyschen die zu einem weitgehenden Zusammenfall von indikativischen und konjunktivischen Formen gefuumlhrt hat Substitution von Konjunkshytiven notwendig wird - im Althochdeutschen erlaubt das Endungssyshystem ja auch im Falle der schwachen Verben eine weitgehende Abshygrenzung von Indikativ und Konjunktiv9
9 Vgl zB die althochdeutsche und mittelhochdeutsche Flexion des schwachen Verbs zellen zaumlhlen
Althochdeutsch Mittelhochdeutsch Konj Praumls zelle zeHest zelle zeHem zeHet zellen
Ind Praumls 7ellu zelis zelit zellemes zellet zellent
Konj Praumls zelle zeHest zelle 7ellen zellet 7ellen
Ind Praumls zeHe zellest zellet zellen zellet zellent
Konj Praumlt zalti zaltis zalti
Ind Praumlt zalta zaltaumls zalta
Konj Praumlt zalte zaltest zalte
Ind Praumlt zalte zaltest zalte
182 R Luumlhr
Doch zeigt Beispiel (3) daszlig schon im Althochdeutschen anscheishynend fakultative Substitution ohne Eigenbedeutung des Modalverbs vorkommt Da weiterhin wie die Beispiele (I) (2) und (4) deutlich geshymacht haben Modalverben als Substitution des Konjunktivs im Nebenshysatz auch im Mittelhochdeutschen auftritt waumlhrend im Neuhochdeutshyschen ein derartiger Sprachgebrauch als anstoumlszligig gilt stellt sich als naumlchstes die Frage ob schon im Fruumlhneuhochdeutschen die heutige Norm erreicht ist oder nicht Um dies festzustellen werfen wir nach der Auswertung des althochdeutschen Sprachmaterials noch einen Blick auf Martin Luthers Sprache denn in der Syntax steht Luther deutlich im Spannungsfeld zwischen dem Mittelhochdeutschen und dem Neushyhochdeutschen lo
2 Voraussetzungen
Zum besseren Verstaumlndnis des folgenden empfiehlt es sich auf die Eishygenbedeutungen der althochdeutschen Modalverben und einige Prinshyzipien fuumlr den Gebrauch des Konjunktivs in Nebensaumltzen im Althochshydeutschen einzugehen Des weiteren werden indikativische Nebensaumltze mit Modalverben besprochen die eben weil sie den Indikativ enthalshyten aus der folgenden Untersuchung ausgeschlossen sind
21 Die Eigenbedeutungen der althochdeutschen Modalverben
Waumlhrend Welke zur Beschreibung der Semantik der neuhochdeutschen Modalverben noch mit zahlreichen zu Uumlberschneidungen fuumlhrenden raquokommunikativen Effektenlaquo rechnete I I - auf das Althochdeutsche uumlbertragen ergaumlbe sich etwa folgendes Bild wollen (wellen sculan) werden (sculan wellen) koumlnnen (magan kunnan muozan) duumlrfen (muozan sculan magan) moumlgen (magan muozan) muumlssen (muoshyzan sculan magan) brauchen (duifan sculan) sollen (sculan durshy
zaltim zaltum zalten zalten zaltit zaltut zaltet zaltet zaltln zaltun zallen zalten
Im Unterschied zum starken Praumlteritum zeigt das schwache im Konjunktiv im allgemeinen keinen Umlaut (PaulWiehllGrosse 1989 255 Anm 5)
10 Luumlhr (1985 26ft)
11 Welke 0965 25)
Modalverben als Substitutionsjormen 183
fan magan)12 - haumllt es Kratzer nicht fuumlr sinnvoll zB etliche deontishysche oder epistemische Arten von muumlssen zu unterscheiden 13 Einen Satz wie
Die Vorfahren der Maoris muumlssen aus Tahiti gekommen sein
fuumlhrt sie stattdessen auf einen spezifischen Redehintergrund zuruumlck
(5b) Im Hinblick auf das was wir wissen muumlssen die Vorfahren der Maoris aus Tahiti gekommen sein
Dabei unterscheidet sie zwischen einem relationalen Modalausdruck (muumlssen im Hinblick auj) einem ersten Argument des Modalausdrucks (was wir wissen) und einem zweiten Argument des Modalausdrucks (Die Voifahren der Maoris sind aus Tahiti gekommen) Die Aussage (5a) ist raquoin unserer Welt wahr wenn in unserer Welt aus den Pflichten die Maori-Kinder gegenuumlber ihrem Stamm haben logisch folgt daszlig sie die Namen ihrer Vorfahren lernenlaquo Wenn auch - so Oumlhlschlaumlger l4
die Explikation der immer konstant bleibenden Bedeutung bei muumlssen mit Hilfe des Begriffs der logischen Folge nicht adaumlquat erfaszligt wird hat das Kratzersche Analyseverfahren doch den Vorteil daszlig die untershyschiedlichen Verstehensmoumlglichkeiten von Saumltzen mit Modalverben nicht auf unterschiedliche Modalverbbedeutungen zuruumlckgefuumlhrt sonshydern als jeweils kontextbedingt betrachtet werden Auch Oumlhlschlaumlger vertritt das Prinzip des Bedeutungsminimalismus und kommt fuumlr die nicht-epistemischen Verwendungen bei den neuhochdeutschen Modalshyverben von den jeweils zwei Bedeutungen bei koumlnnen und moumlgen und einigen SonderfaIlen bei wollen sollen und moumlgen abgesehen so zu einer einheitlichen Bedeutung Vergleicht man nun das Analyseverfahshyren von Welke einerseits und von Kratzer und Oumlhlschlaumlger andererseits miteinander so ist das bedeutungsminimalistische eindeutig vorzuzieshyhen 15 Denn auf diese Weise kann man wie es Oumlhlschlaumlger tut bei der Bedeutungsbestimmung der Modalverben unterscheiden zwischen ))dem Anteil der jeweiligen lexikalischen Einheit zu sem [dh zur seshymantischen Struktur der Aumluszligerung] und indirekt - zu cs [dh zum kommunikativen Sinn] derjenigen Aumluszligerungen in denen sie vorkomshy
12 Weiteres bei Kahl (1890 9ff) Bech Seiffert (1989 13 Kratzer (1977 339) vgl (1978 Dielrich
43ff)
14 Oumlhlschlaumlger (1989 135ff)
15 Vgl auch Thim-Mabrey (1986 221) Kasper (1987 78)
184 R Luumlhr
men kann und dem Anteil der anderen in diesen Aumluszligerungen vorkomshymenden [ ] sprachlichen Mittellaquo16
22 Der Konjunktiv im althochdeutschen Nebensatz
Wie im Neuhochdeutschen erscheinen im Althochdeutschen irreale Satzgefuumlge mit Konjunktiv Praumlteritum Desgleichen findet sich der Konjunktiv in der indirekten Rede ferner in Finalsaumltzen und in Nebenshysaumltzen die von einem Ausdruck des Wunsches abhaumlngen Doch gibt es im Althochdeutschen auch erhebliche Unterschiede zum neuhochdeutshyschen Modusgebrauch Fuumlr unsere Frage nach der Substitution des Konjunktivs durch Modalverben ist dabei zweierlei wichtig und zwar die Zeitenfolge und die Bedingungen fuumlr den Gebrauch des Konjunkshytivs oder Indikativs im Nebensatz
221 Zeitenfolge
Im Althochdeutschen gilt noch das aus dem Germanischen ererbte raquoGeshysetzlaquo der Zeitenfolge Behaghel formuliert es folgendermaszligen raquoBei praumlsentischem Hauptsatz erscheint im Nebensatz der Konj Praumls bei praumlteritalem Hauptsatz der Konj Praumlt es sei denn daszlig ausdrucklich ein zeitlicher Gegensatz zwischem dem Vorgang des Hauptsatzes und dem des Nebensatzes festgestellt werden sol1laquo17
222 Bedingungen fuumlr den Gebrauch des Konjunktivs oder Indikativs im Nebensatz
Die Regeln fuumlr den unterschiedlichen Modusgebrauch vor allem in Obshyjektsaumltzen sind vielfaltig und nicht immer leicht zu durchschauen Wunshyders Auffassung der Konjunktiv im Nebensatz bei Otfrid gebe grundshysaumltzlich raquoeine Aussage als nicht-real (tatsaumlchlich oder nur vorgestellt)laquo an waumlhrend der Indikativ raquoder Modus der (tatsaumlchlichen oder vorgeshystellten) Realitaumltlaquo sei ist zu global18 Konsistenter ist Schrodts Beshyschreibung des Konjunktivgebrauchs in den alt- und mittelhochdeutshyschen Inhaltssaumltzen19 Wie er gezeigt hat erscheint das Verb des Neshy
16 Oumlhlschlaumlger (1989 16)
17 Behaghel (I928 675)
18 Wunder (1965 492)
19 Schrodt (1983 71ff)
Modalverben als Substitutions formen 185
ben satzes im Indikativ oder Konjunktiv je nachdem ob der Wahrheitsshywert des Komplements praumlsupponiert oder impliziert ist ob ein faktives Verb wie wissen offenbar sein ein implikatives Verb wie zustandeshybringen ein negativ-implikatives Verb wie vermeiden ein wenn-Verb wie zwingen ein negatives wenn-Verb wie verhindern ein nur-wennshyVerb wie faumlhig sein ein negatives nur-wenn-Verb wie zoumlgern oder ein raquononfaktiveslaquo Verb wie sagen im Traumlgersatz vorliegt
Doch ist unter bestimmten Bedingungen auch ein Moduswechsel moumlglich Bei Negierung des Verbs im Traumlgersatz kann sich die Ausshysage uumlber die Realitaumlt des im Komplementsatz ausgedruckten Gescheshyhens aumlndern was einenanderen Modus in (6) den Konjunktiv erforshydert
(6) uuamun es wiht ni fimamun I zi niheineru heiti waz er mit thiu 12255f)
Sie kamen so nach Hause sie verstanden in keiner Weise was er damit meinte
Ein verneintes wenn-Verb im Traumlgersatz laumlszligt im Nebensatz den Konshyjunktiv erwarten20 Schrodt rechnet Verben der sinnlichen Wahrnehshymung die eine auf Internalisierung des wahrzunehmenden Objekts abshyzielende Aktivitaumlt des Subjekts ausdrucken zu den wenn-Verben 21
Auch den umgekehrten Fall gibt es So bezeichnet ein nur-wennshyVerb wie faumlhig sein zum Beispiel in der Assertion eine positive Moumlgshylichkeit des Komplementsatzgeschehens und fordert den Konjunktiv im Nebensatz Ist dagegen ein nur-wenn-Verb verneint so steht damit die Nicht-Realitaumlt des Komplementsatzgeschehens fest das Verb im Neshybensatz erscheint so im Indikativ Weiterhin kann der Modus im Komshyplementsatz durch einen modalen Ausdruck im uumlbergeordneten Satz beeinfluszligt werden Vergleiche (7) mit (8)
(7) Petrus scalt thu heizen mit gil6ubu iz ouh giweizen I in thiu sis stark io so stein thaz thu sis miner drIlt ein (Otfrid II737f)
Petrus sollst du heiszligen mit Glauben es auch beweisen dadurch daszlig du stets fest wie ein Fels bist daszlig du einer meiner Juumlnger bist22
mit thiu sie thaz giweizent sie gotes kind heizent (Otfrid II1626) womit sie das beweisen daszlig sie Gottes Kinder heiszligen
20 Schrodt (1983 73 und 172f)
21 Schrodt (1983161)
22 Erdmann (1874 145)
186 R Luumlhr
Hinzu kommt daszlig in Nebensaumltzen der Konjunktiv auch wie im Hauptshysatz verwendet werden kann also als autonomer Konjunktiv
(9) raquoNfstlaquo quad er tho raquofruma thaz thaz man zukke thaz maz I then kindon in then hanton inti werfez uz then huntonlaquo (Otfrid III1O33f) Es ist nicht gut sagte er da daszlig man den Kindern das Essen aus den Haumlnshyden nimmt und es den Hunden vorwirft
Nach einem faktiven Ausdruck wie es ist gut erwartet man selbst bei Vemeinung den Indikativ denn auch in der Negation wird die Wahrshyheit des Komplements vorausgesetzt In (9) wird jedoch im Nebensatz eine allgemein guumlltige Aussage ausgedruumlckt was eine temporale Fixieshyrung des Komplementsatzgeschehens durch den Indikativ uumlberfluumlssig zu machen scheint23
Im Falle des Auftretens von Modalverben in Nebensaumltzen ist also sorgfaltig auf die Bedeutung des Verbs im uumlbergeordneten Satz zu achten
23 Modalverben in indikativischen Nebensaumltzen
An indikativischen Nebensaumltzen mit Modalverben also Faumlllen ohne Substitution sind etwa zu nennen Objektsaumltze Attributsaumltze und Adshyverbialsaumltze
231 Objektsaumltze
(10) Thiu quena sun was dnigenti joh sih harto scamenti I thaz siu scolta in elti mit kinde gan in henti (Otfrid 1485) Die Frau trug einen Sohn und sie schaumlmte sich sehr daszlig sie im Alter mit eishynem Kind an der Hand gehen sollte24
sih scamim im Matrixsatz ist ein faktives Verb und bei faktiven Vershyben in der Traumlgerstruktur steht der Nebensatz im Indikativ (zu einer Ausnahme vgL jedoch (9)) Aumlhnlich ist
(11) Thaz wfzist thu in thoh imo iz abwertaz sC I ni mag ouh mit then ougon zi geginwert V2337f)
23 Schrodt (1983 201)
24 In den Uumlbersetzungen werden die althochdeutschen Modalverben auch wenn sich vom Neuhochdeutschen her redundante Ausdrucksweisen ergeben durch entsprechende neuhochdeutsche Modalverben wiedergegeben diese koumlnnen aufgrund von Bedeutungswandel von den entsprechenden althochdeutschen Modalverben abweichen
Modalverben als Substitutionsonnen 187
Das weiszligt du genau daszlig man ist auch der Gegenstand sehr weit entfernt ihn auch nicht mit den Augen in der Gegenwart schauen kann25
Gleiches gilt fuumlr Objektsaumltze in der Funktion von indirekten mit wie eingeleiteten Fragesaumltzen die von einem Verb des raquoErkannt-Habenslaquo also ebenfalls einem faktiven Verb abhaumlngen
(12) hiar mag er lernen ubar al wio er gilouben scal 1266) hier kann er vollkommen lernen wie er glauben soll
Selbst hinter einem modalisierten Ausdruck im Traumlgersatz steht hier der Indikativ26
25 Zum Indikativ nach wissen vgl Schrodt (1983 199ff) Anders zu beurteilen ist
Ni wuntoro thu thih friunt min nubiz wola megi sin I nubiz werde wanne thaz sih es woroIt mende I (Otfrid II1 237f) Wundere dich nicht mein Freund als ob es nicht wohl sein koumlnnte als ob es nicht irgendeinmal geschehen werde daszlig sich daruumlber die Welt freut (Kelle 1881445)
Als Beispiel fuumlr den Ersatz des Konjunktivs durch eine Modalverbftigung vershygleicht Erdmann (187436)
in thir uuigit sein daz thu maht [forasago sin] (Christus und die Sashymariterin 28)
mit
raquoMin muatlaquo quad si raquoduat mih wfs thaz thu f6rasago sfs laquo (Otfrid II1455)
In beiden Faumlllen wuumlrde man nach der lateinischen Vorlage (Domine video quia propheta es tu) in der Tat einen Indikativ (2 Sg Ind Praumls bist) erwarten Moumlglicherweise ist jedoch aus Reimgruumlnden der Infinitiv sin (jorasago sin fehlt in der Handschrift) bzw die 2 Sg Konj Praumls sis gesetzt Da aber aus Reimshygruumlnden kaum gegen die Sprachrichtigkeit verstoszligen sein kann erscheint im Falle des faktiven Verbs sein wegan deutlich werden die Deutung daszlig du ein Prophet sein muszligt moumlglich - von den Gebrauchsweisen von magan kommt wohl die Bezeichnung eines Imstandeseins dessen aumluszligere Umstaumlnde eine mehr oder weniger starke Veranlassung enthalten in Frage (Luumlhr 1996) Und im zweiten Beleg koumlnnte - hinter einem wenn-Verb (wi s duan wissen lassen) _ ein Potentialis vorliegen C daszlig du ein Prophet sein duumlrftest)
26 Schrodt (1983 202) Andersjedoch
Lerne hiar thia guati wio unser druhtin dati (Otfrid III19 11) Lerne hier die Vortrefflichkeit kennen wie unser Herr gehandelt hat (Zu einer inhaltlichen Begruumlndung des Konjunktivs vgl Wunder 1965292)
188 R Liihr
Ein wenn-Verb also ein Verb das in der affirmativen Behauptung die Wahrheit des Komplements impliziert und so den Indikativ verlangt (vgl oben) begegnet in
(13) ther loz ther rfhtit unsih aI weliches siu wesan seal (Otfrid IV28 12) das Los das weist uns genau an wem sie (die Tunika) gehoumlren
Schwieriger ist folgender Fall mit einem wenn-Verb zu beurteilen In (14) gehoumlrt das uumlbergeordnete Verb zu der schon erwaumlhnten Gruppe von Verben der sinnlichen Wahrnehmung die eine Aktivitaumlt des Agens bezeichnen
Wanta iagilih tho thar instuant thaz ther man scolta wesan guat 1 zi guaten sih gizeliti ther suntigan so queliti (Otfrid Ill 1747f) Denn jeder begriff da sofort daszlig es sich gebuumlhrt daszlig der Mann gerecht ist [der] moumlge sich zu den Frommen zaumlhlen der einen Suumlnder so strafen will
Zwar folgt auf einen Nebensatz der das indikativische Modalverb seolta enthaumllt eine Fuumlgung im Konjunktiv Da jedoch instantan in eishynem weiteren Beleg mit einem indikativischen Komplementsatz vershybunden ist28 duumlrfte der Konjunktiv gizeliti autonom sein und die Funkshytion eines Wunsches haben seolta ist daher ebensowenig wie in den vorhergehenden Beispielen Ersatzform
Was Verben des Sagens im Traumlgersatz wie in (15) und (16) angeht so tritt hinter indikativischem nicht negiertem sagen in den mit wie einshygeleiteten Nebensaumltzen in gleicher Weise der Indikativ auf29
Sagen ih iu wio Ir nan sculut ffndan I (Otfrid 11217) Ich sage euch wie ihr ihn finden werdet
(16) joh selbo in sageta ubar aI wio egislih iz wesan scal (Otfrid V204)
27 Als indikativischer Nebensatz kann auch gedeutet werden
Tho rfht unsih thiu redina thaz wir uns warten thanana 1 thaz suht ni derre uns mera then lfdin joh thera sela (Otfrid m55) Da lehrte uns dieser Ausspruch daszlig wir uns davor in Acht nehmen damit
28 Hiar mugun wir instaotan 1 thaz quement ununahti fon suntono suhti (Otfrid III51f) Hieran koumlnnen wir erkennen daszlig koumlrperliche Krankheiten vom Verderben der Suumlnden kommen (vgl Schrodt 1983 164)
29 ih sagen thir wio sie datun (Otfrid 1937)
Uuio sie avur got thar drosta joh Moyses irlosta I thaz sagent buah zi waru (Otfrid H 87f)
Modalverben als Substitutionsormen 189
und er sagte ihnen deutlich wie schrecklich es juumlngste Gerichtl sein wird
seal steht hier also im Sinne von wird eine Bedeutung die sich mit der Bezeichnung einer Notwendigkeit oder eines Erfordernisses einer Handlung vertraumlgt Setzt man die von Oumlhlschlaumlger angenommene neushyhochdeutsche Bedeutung von soUen eine (vom Kontext gelieferte) Quelle will daszlig der mit dem Subjekt und der Infinitivkonstruktion beshyzeichnete Sachverhalt eintritt30 auch fuumlr das Althochdeutsche an so ist als erstes Argument einer Modalverbfuumlgung wie in (16) eine Fuumlllung wie In Hinblick auf das was Gott vorhat denkbar
Aumlhnlich
(17) Er zalt in ouh tho thar meist wio ther heilego geist 1 thie wfzzi in scolta meshyron mit sInes selbes leron I NiMinemo ni brusti ni er aHa fruma westi (Otfrid IV 1 537ff)
Auch erzaumlhlte er ihnen da insbesondere wie der heilige Geist ihnen den Verstand durch seine Lehren vermehren wird keinem duumlrfte mehr fehlen alles Nuumltzliche zu wissen3)
Vgl auch
(18) er unthankes in za]ta wio iz wesan scolta (Otfrid 1II2534)
Tho zalt in thiu sin guati I WIO se scoltun fahan zi herizohon zlahan I (Otfrid IV713ff)
tMr in ana zalta wio Krist in queman scolta (Otfrid V618)
joh wio er in thar gizalta wio thaz al wesan scolta (Otfrid IV634)32
232 Attributsaumltze
Ein mit der Subjunktion wie eingeleiteter indirekter Fragesatz als Attrishybutsatz findet sich in
(19) raquoSage uns meistar tMnne WIO thiu zft gigaoge I zeichan wio thu queman scaIt joh wio thiu woroIt ouh (Otfrid II2239f) Sage uns Herr nun wie die Zeit ablaumluft ein Zeichen wie du kommen wirst und wie die Welt auch untergeht
30 Oumlhlschlaumlger (1989 174)
31 Der Konjunktiv brust ist autonom
32 Dagegen koumlnnte der Konjunktiv die Bedeutung des Modalverbs verstaumlrken in
Zalt er ouh then mannon wio er se wolti minnon (Otfrid IV655 Schrodt 1983244 anders Wunder 1965291)
190 R Luumlhr
In diesem Beispiel faumlllt der Wechsel zwischen Konjunktiv (gigange) und Indikativ (scalt zigat) auf Da hinter imperativischem sagen sonst der Konjunktiv steht33 ist zu vermuten daszlig das fuumlr den Attributsatz fungierende Bezugswort Zeichen ein Substantiv das die Semantik eishynes wenn-Verbs hat den Moduswechsel zum Indikativ verursacht seal ist jedenfalls keine Ersatzform
233 Adverbialsaumltze
Ein reales Konditionalsatzgefuumlge liegt vor in
(20) Wio harto mihiJes mer gfuit druhtin tuer I guat ob ir mo folget inan bltshyten wollet (Otfrid IV77f)
Um wieviel mehr gibt euer Herr euch Gut wenn ihr ihm folgen und ihn bitshyten werdet
Da die einem Matrixsatz folgenden mit oba eingeleiteten Konditionalshysaumltze eine raquonachtraumlgliche oft ziemlich unwesentliche oder uumlberfluumlssige Angabe einer zum Eintreten des ersten angegebenen Ereignisses erforshyderlichen Vorbedingunglaquo34 enthalten kann man wollet mit werdet wiedergeben Geht man wieder von Oumlhlschlaumlgers Bedeutungsbeschreishybung des entsprechenden neuhochdeutschen Modalverbs aus35 so paszligt diese Bedeutung (vereinfacht ausgedruumlckt) auch fuumlr das Althochdeutshysche Der mit dem Subjekt bezeichnete Gegenstand zieht es vor daszlig der mit der Infinitivkonstruktion bezeichnete Sachverhalt eintritt vgl ferner fuumlr die 2 Person
(21) raquoWi1 thu thaz richi druhtin mit thfnes selbes rruihtin I ersezen thesen lfutin laquo (Otfrid V173) fuumlr lat acta apostol 16 domine in tempore hoc restitues regnum Israel36
Auf die gleiche Weise kann indikativisches wollen in dem in eine indishyrekte Rede eingebetteten als direkte Rede fungierenden Konditionalshysatz37 wiedergegeben werden
33 Nach Schrodt (1983 laumlszligt sich der Wechsel von Konjunktiv und Indikativ hier nur erklaumlren raquowenn man bei zielgerichtet modalisiertem Traumlgersatz autoshynome Modussetzung annimmllaquo Doch handelt es sich bei dem indikativischen Nebensatz um einen Attributsatz
34 Erdmann (1874 104)
35 Oumlh1schlaumlger (1989 166)
36 Zu weiteren Belegen vgl Kelle (1881 686f)
37 ErdrnannlW oIff (1973 128)
Modalverben als Substitutionsformen 191
quadun ni gisufchi nub er then Hut bisuichi I Joh er se thes gibCitti zi altere flf16itti I zi altemo wewen raquooba sie mo wollent hOrenlaquo (Otfrid mlS44ff) sie sagten er houmlre nicht auf daszlig er das Volk hintergehe und er sie noumltige
er] sie fuumlr immer zum ewigen Verderbnis verleite raquowenn sie auf ihn houmlren werdenlaquo
In allen diesen Faumlllen haben also die Modalverben Eigenbedeutung und sind weil sie in indikativischen Nebensaumltzen erscheinen keine Substishytutionsformen
3 Substitution durch Modalverben
31 Im Althochdeutschen38
Anders koumlnnte es sich in konjunktivischen Nebensaumltzen die Modalvershyben aufweisen verhalten Zu bedenken ist dabei daszlig wie bemerkt im Althochdeutschen der Konjunktiv vom Indikativ formal klar geschieden ist Behaumllt man den Begriff raquoSubstitutionlaquo bei so liegt hier demnach eine fakultative Substitution vor
311 Konjunktivische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung
3111 Objektsaumltze
Unter den komplexen Saumltzen die Objektsaumltze enthalten findet sich im Traumlgersatz ein faktives Verb bUden frohlocken Der Nebensatz steht im Konjunktiv39
(23) Abraham ther aHo er blidta sih thes Mrto I er thes sih muasi frowon then mfnan dag bisc6won (Otfrid III1849f)
Der alte Abraham frohlockte sehr daszlig er sich dessen dereinst wuumlrde freuen koumlnnen meinen Tag zu schauen
Der Konjunktiv duumlrfte hier autonom eingesetzt sein und zwar um die Unwirklichkeit des Ereignisses hervorzuheben4o muasi ist somit eine Substitutionsform mit Eigenbedeutung
38 Zum folgenden vgl Erdmann (1874 36f) Klaren
39 Zu indikativischen Nebensaumltzen bei Verben des Preuens im Matrixsatz vgl Wunder (196S 222)
40 Erdmann (187437)
192 RLuumlhr
Moumlglicherweise ebenfalls als autonom ist der Konjunktiv im Falle eishynes uumlbergeordneten wenn-Verbs das Bestandteil einer Aufforderung ist zu beurteilen41
Giwerdo uns geban druhtin mit thines selbes mahtin wir unsih muazin bIlden mit heilegon thinen (Otfrid Y241f) Laszlig dich herab uns mit deiner Allmacht zu gewaumlhren daszlig wir uns mit deishynen Heiligen freuen duumlrfen
In Frage kommt der Konjunktiv in der Funktion eines Optativs Ein Sonderfall einer Substitution mit Eigenbedeutung begegnet im
Falle eines wohl zu ergaumlnzenden wenn-Verbs
(25) Ward in sar tho filu leid thaz er sih sar fon in firmeid thaz muasin sih sin frowonjoh inan lango scouon (Otfrid YlO2lf) Es tat ihnen bald ungemein leid daszlig er sich schnell von ihnen entfernte [und es ihnen so unmoumlglich machte42] daszlig sie sich seiner freuen und ihn lange schauen konnten
Ist ein wenn-Verb verneint wird uumlber die Realisierung des Kompleshymentsatzgeschehens nichts ausgesagt sondern es wird nur erwaumlhnt In solchen Faumlllen tritt im abhaumlngigen Satz bevorzugt der Konjunktiv auf43
Dies gilt auch fuumlr das folgende Beispiel in dem ein mit ni daszlig einshygeleiteter konjunktivischer Nebensatz von einem negierten wenn-Verb abhaumlngt
(26) ni mugut ouh firlazan ni ir sulih sculit niazan (Otfrid Il2228) ihr koumlnnt nicht umhin daszlig ihr solches genieszligen werdet
Die Bedeutung des Modalverbs kann wohl mit werden umschrieben werden
Gegenuumlber den wenn-Verben erfordern die Verba sentiendi normashylerweise sowohl in der Affirmation als auch in der Negation einen konshyjunktivischen Nebensatz44 Eine Substitution mit Eigenbedeutung zeigt sich
(27) So hoh ist gomaheit sfn thaz mih ni thunkit megi sin theih scuahriomon sine zinbintanne birine (Otfrid 12757f)
41 Zum Problem des Konjunktivs bei raquomodalisierten Traumlgersaumltzenlaquo mit wennmiddotYershyben vgl Schrodt (1983 177)
42 Ygl Kelle (1881 266) es tat den Juumlngern von Emaus leid daszlig er sich ihnen entzog (und daszlig er sich ihnen dadurch entzog) daszlig sie sich seiner freuen konnshyten
43 Schrodt (1983 73f)
44 Zum Konjunktiv in den von Yerba sentiendi abhaumlngigen Nebensaumltzen vgl Schrodt (1983 259ff und 264) (anders dazu Wunder 1965 198ff)
Modalverben als Substitutionsormen 193
So groszlig ist seine Persoumlnlichkeit daszlig ich nicht daszlig ich seine Schuhshyriemen beruumlhren kann um sie zu loumlsen
Ebenso wie hinter den Verba sentiendi steht hinter Verben des Bittens der Nebensatz im Konjunktiv45 Die Modalverben haben Eigenbedeushytung in
(28) Thih bfttu ih mines muates thaz mir queme alles guates in ewon ginuagi zi druton thinen fUagi Thaz ih famer druhtin min mit themo droste
megi sin (Otfrid 1253ff)
Ich bitte dich von Herzen daszlig mir alles Gute immerzu hinreichend zuteil wird und daszlig ich zu Qeinen Lieben gehoumlre daszlig ich stets Herr mit deiner Hilfe sein kann
(29) Mit allen unsen kreftin bittemes nu druhtin Thaz wir unsih in then riuon ni muazin io biscowon Thaz Wir unsih muazin samanon zen gotes druttheganon Joh muazin mit then druton thes hfmilriches nioton Joh wir thar muazin untar fn blfde fora gote sin (Otfrid 128lff) Mit allen unseren Kraumlften bitten wir nun den Herrn daszlig wir uns nie im Ungluumlck befinden (eigentlich umsehen muumlssen) daszlig wir uns zu den lieben Dienern Gottes gesellen duumlrfen und mit den Heiligen das Himmelshyreich genieszligen duumlrfen und wir da zwischen ihnen froh vor Gott sein duumlrshyfen
Eigenbedeutung duumlrfte ferner vorliegen im Falle der Modalverben die in einem von Verben des Bemuumlhens abhaumlngigen konjunktivischen Neshybensatz46 vorkommen
(30) Ni thurfut ir biginnan thaz Ir ouh megit bringan thaz ir gote thionot joh thoh thia worolt minnot (Otfrid 1I223f) Ihr duumlrft nicht versuchen daszlig ihr zustande bringt (zustande bringen koumlnnt) Gott zu dienen und doch die Welt zu lieben
Nach den neuhochdeutschen Sprachregeln ist das Modalverb koumlnnen im Nebensatz uumlberfluumlssig Im aumllteren Deutsch ist aber hinter einem Verb der Bedeutung versuchen im Nebensatz sicher noch die Bedeushytung in der Lage sein von koumlnnen empfunden worden
Auch Verben des Wuumlnschens machen einen Nebensatz im Konjunkshytiv erforderlich47 Dem Modalverb kommt Eigenbedeutung zu in
(31) Sie wunsgtun muasin rinan thoh sinan tradon einan in sinen (Otfrid 1Il99f)
Sie wuumlnschten daszlig sie wenigstens einen Faden in seinem Gewand beruumlhren durften
45 Schrodt (1983
46 Schrodt (1983
47 Schrodt (1983
194 R Luumlhr
Im Falle von Verba dicendi im uumlbergeordneten Satz begegnet eine Satz verschraumlnkung in
(32) wer quedenl sie theih sculi sin odo ouh nicha wese min (Otfrid m128)
wer sagen sie daszlig ich sein soll oder wie es um mich bestellt sei
Das Verb quedan ist ebenso wie sprehhan ein raquoschwach transitives(( Verb solche Verben verlangen einen Inhaltssatz im Konjunktiv woshydurch Abhaumlngigkeit vom Traumlgersatz signalisiert wird48 Die Modalverbshyfugung ist eigentlich wiederzugeben mit wer sagen sie daszlig mir beshystimmt ist zu sein Moumlglich erscheint aber auch eine Wiedergabe mit wer sagen sie daszlig ich sein soll mit soll im Sinne man sagt Hier zeigt sich also moumlglicherweise ein Ansatz zu dem spaumlteren epistemishyschen Gebrauch von sollen49
Aumlhnlich liegt wohl der Fall bei einem verneinten Verbum dicendi im Traumlgersatz mit ni als Konjunktion
(33) Nintheizit mir iz muat min ni ther fon gote scuE sin 1es aumllleswio ni th6nkit ther sulih werk wirkit (Otfrid III20 I 49f)
Mein Herz stellt es mir nicht in Abrede daszlig der von Gott sein muszlig der auf nichts anderes sinnt als daszlig er ein solches Werk tut
Zugrunde liegt die Vorstellung ni ther fon gote sculi sfn daszlig dem beshystimmt ist von Gott zu sein
3112 Adverbialsaumltze
Bei den Adverbialsaumltzen herrscht in den Finalsaumltzen wie bemerkt der Konjunktiv50 daher haben die Modalverben die Funktion von Substishytutionen und zwar mit Eigenbedeutung Es kommen die Modalverben muazan mugan und einmal wollen vor die wie gezeigt werden kann voneinander deutlich unterschiedene semantische Leistungen erbrinshygen51
(34) sie fergont druta ouh sille thes liebes in nirzfhe Thaz muazin sih thes fr6won (Otfrid V2350f) sie flehen auch seine Lieben an daszlig er ihnen das Ersehnte nicht vorenthalshyten moumlge damit sie sich daran erfreuen koumlnnen
48 Schrodt (1983 222)
49 Zu Zeugnissen fuumlr die epistemlsche Verwendung von Modalverben im Fruumlhneushyhochdeutschen vgl Fritz (1991 33ff)
50 Dazu Kahl (1890 45)
51 Dazu Luumlhr (1996)
Modalverben als Substitutions formen 195
(35) Druhtin atleswio ni dua mih io fuagi tharazua thaz fh mih untar thinen iamer muazi bUden (Otfrid V2417f)
Herr versage es nicht geselle mich stets dazu damit ich mich unter den Deinen immerzu freuen kann
(36) In rehtemo muate erge uns iz io zi guate 1 thaz wIr io muazin blide wesan sdlka sine (Otfrid III2014lf)
In rechtem Sinn wende es sich uns stets zum Guten damit wir immerzu froh deine Diener sein koumlnnen 152
(37) Nu bifflu ih mih hiar then beziron allen in war 1 allen g6tes theganon mit selben Kristes seganon 1 Thaz thie se1bun smahi min in gihugti muazin iro sin (Otfrid V2587fq
Und ich empfehle mich fuumlrwahr hier allen Gottesfuumlrchtigen indem ich fuumlr alle Diener Gottes den Segen Christi selber anrufe damit ich in ihrer Erinneshyrung sein kann
(38) bat man gabi imo then man thoh tho so bilibanan 1 Thaz muasi er thara wisen then lfchamon 16sen (Otfrid IV356f)
er [Joseph von Arimathaumla] bat daszlig man ihm den Mann gebe der doch so umgekommen war damit er Vorbereitungen treffen konnte den Leichnam abzunehmen
(39) sie warun wartenti wara man nan legeti 1 Thaz sIe nan muasin fuaren gishysuaslicho biruaren I Joh muasin thes giflfzan gisuaslicho birfazan (Otfrid IV3524ff)
sie beobachteten wohin man ihn legte damit sie ihn ruumlsten konnten auf vertraute Weise beruumlhren und danach trachten konnten ihn liebevoll zu beweinen
(40) Ira ferah bot thaz wib thaz iz muasi haben Ifb (Otfrid 12019)
Ihr Leben bot die Frau an damit es [das Kind] am Leben bleiben durfte
(41) irquicki in mir thia mina muadun sela 1 Theih hiar in libe irwizze zi thishynemo disge ouh sizze 1so er deta after thiu ih muad thingen zi thiu (Otfrid III I 22ff)
belebe in mir meine muumlde Seele damit ich hier im Leben befahigt bin auch an deinem Tische zu sitzen damit ich wie er [Lazarus] es spaumlter tat dahin gelangen darf
(42) Ther scado fliehe in gahe joh thiz sih uns io nahe I joh mit thfu giwerkon thaz thu uns es muazis thankon (Otfrid II2437f)
Das (moralische) Gebrechen weiche schnell und dies [die Heilung durch dich] nahe sich uns immer und damit wollen wir wirken damit du gar nicht anders kannst als es uns zu lohnen ( damit du uns es lohnen muszligt)
(43) Inliuht er unsih filu fram joh er hera in worolt quam 1 Thaz wir thaz irshykantin wara wir gangan scoltin I Joh wir nan muazin scowon 6ffenen 6ugon 1 Ofenemo muate theiz uns irge zi guate I mit thes herzen ougon muazin iamer sc6won (Otfrid III21 29ff)
52 V gl auch Otfrid V 241 f
196 RLuumlhr
Er erleuchte uns ganz und gar und er kam hierher auf die Welt damit wir erkennen wohin wir gehen sollen und damit wir ihn mit offenen Aushygen anschauen koumlnnen mit offenem Sinn damit es uns zum Heile gereishyche [damit] die Augen des Herzens [ihn] stets schauen koumlnnen
(44) Gerota iuer harto selb ther wfdarwerto thaz muasi er redan iu thaz muat s6 man korn in sfbe duat (Otfrid IV1315f)
Der Satan selbst begehrte euch heftig damit er Gelegenheit bekommt euer Herz zu sieben wie man Korn in das Sieb tut
fuumlr lat ecce satanas expetivit vos ut cribraret sicut triticum
(45) HaIt unsih in n6tin fon allen widarmuatin thaz muazin wir biwankon then abahen githankon (Otfrid 1I2423f) Beschuumltze uns sorgfaltig vor allen Verfolgungen damit es uns gegeben ist den boumlsen Gedanken zu entrinnen
(46) Thie selbun ewarton joh thie hereston suahtun 10 innan thiu urkundi luggu Thaz sie nan thoh mit liiginon m6hlin thar bir6dinon (Otfrid IV1923ff) Dieselben Hohenpriester und die Aumlltesten suchten inzwischen falsche Zeugnisse damit sie ihn wenigstens mit Luumlgen da uumlberfuumlhren konnten
(47) Det er iz then mannon zi einen frfstfrangon thaz sIe nan mohtin ghinashybrechon (Otfrid IV1963f) Er [der Hohepriester] verhalf den Menschen zu einer Gelegenheit [das Urshyteil zu fallen] damit sie ihn zugrunde richten konnten53
(48) Kapfetun sie lango was wuntar sie thero thingo mit hanton oba then 6ushygon thaz Mz sie mohtin sc6uon (Otfrid V1737f) Sie schauten lange sie wunderten sich uumlber die Dinge mit den Haumlnden uumlber den Augen damit sie besser sehen konnten
(49) Wir sculun hiar nu suntar gizellen ander wuntar Thaz wir fon seltsane w6la megin sare irkennen so iz giscrfban stat thia wuntarlichun g6tes dat (Otfrid V1215ff) Wir werden hier nun noch ein anderes Wunder erzaumlhlen damit wir aus einem Wunder sogleich das Wunder Gottes recht erkennen koumlnnen wie es beschrieben ist
(50) Beginnet g6te thankon thaz megit ir biwankon theso egislichun grunni ir natarono kiinni (Otfrid I2341f) Dankt Gott damit (so daszlig) ihr diesem schrecklichen Ungluumlck entrinnen koumlnnt ihr Natterngeschlechtl
Und das Beispiel mit wollen im Finalsatz ist
(51 ) gil6ubet thoh thera dati I Thaz ir thaz irkennet joh ouh gil6uben wollet thaz wir ein sculun sin fh inti fater minI (Otfrid III2262ff)
53 Zur Interpretation der Stelle vgl Kelle (1881 169)
Modalverben als Substitutions formen 197
Auf eine an eine 2 Person Plural gerichtete Aufforderung folgt ein Fishynalsatz mit dem konjunktivischen Modalverb wollet ebenfalls in der 2 Person Plural Behaumllt man in der neuhochdeutschen Uumlbersetzung das Modalverb bei so ergibt sich sofern man keinen Finalsatz mit einem nach der heutigen Sprachnorm redundanten Modalverb moumlgen bildet
so glaubt doch diesem Werk ihr moumlget erkennen und glauben daszlig uns bestimmt ist eins zu sein ich und mein Vater
Einer an eine 2 Person Plural gerichteten Aufforderung folgt also eine weitere Aufforderung mit einem Modalverb das einen Wunsch ausshydruckt Wird nun die erste Aufforderung als Bedingung und die zweite Aufforderung als eine erwuumlnschte Folge betrachtet wird zwischen den beiden Sachverhaltsbeschreibungen eine finale Relation etabliert54 Otshyfrid hat diese beiden Sachverhaltsbeschreibungen wohl in einer solchen Beziehung gesehen denn er hat in (51) die Konjunktion thaz im Sinne von damit verwendet
Als Finalsatz oder als Konsekutivsatz kann aufgefaszligt werden der Nebensatz in
(52) Driihtin fon then stankon thaz muaz55 ih ser biwankon I mih rum so Lazarum thu dati (Otfrid IIIl19f)
Herr befreie mich von dem Verwesungsgeruch [der Suumlnde] wie du es mit Lazarus tatest so daszlig56damit ich dem Leid entrinnen kann
Es ist nun zu prufen ob neben diesen Faumlllen in denen konjunktivische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung anzunehmen sind auch konshyjunktivische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung auftreten
312 Konjunktivische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung
3121 Objektsaumltze
Auf jeden Fall verblaszligt ist die Bedeutung des Modalverbs in (53) - im Matrixsatz erscheint ein Verbum sentiendi
(53) Gistuant gener (wan ih) thenken thaz er wolti wenken (Otfrid IV175)
Jener versuchte vermutlich [dem Hieb] auszuweichen (woumlrtliCh Jener glaube ich begann daran zu denken daszlig er [dem Hieb] ausweichen wollte)
54 Vgl dazu Luumlhr (1994217)
55 Mit Apokope vgl Piper (1884314)
56 Wunder (1965 230)
198 R Luumlhr
wollen kann hier aber futurischen Charakter haben indem es dem Vollshyverb wenken - insbesondere bei einem Verb des Anfangens in der Traumlshygerstruktur - ingressive Aktionsart verleiht57 Auf jeden Fall ermoumlglicht die Verwendung eines Modalverbs daszlig die beiden Vollverben reimen (thenken wenken) weshalb man von einer durch den Reim bedingten Substitutionsform sprechen kann
Moumlglicherweise ist so auch das schon behandelte Beispiel (3) intershypretierbar
Wir ei gun kuning einan anderan nih6inan I joh wanen waltan wolle ther keisor ubar alle (Otfrid IV2421f)
Da waumlnen im Althochdeutschen sowohl Vermutung als auch Erwartung ausdruumlckt58 erscheint bei einem solchen uumlbergeordneten Verb im abshyhaumlngigen Satz ein Modalverb das einen Eintritt eines Sachverhalts zum Ausdruck bringen kann (vgl oben) plausibel Auch hier spielt wie schon bemerkt der Reim eine Rolle (wolle alle)
Allein der Reim ist wohl fuumlr die Verwendung von scolti in (54) vershyantwortlich
(54) sie warun 6isconti war er wesan scolti (Otfrid II11538) fuumlr lat [ quaerebant eum] et dicebant ubi est ille sie fragten wo er sei
Zum Reim -nti(+ n) -lti(+ n) vgl Otfrid III2131 Thaz wir thaz irshykantin wara wir gangan scoltin
Trifft diese Annahme fuumlr (54) zu so stellt scolti eine konjunktivische Substitutionsform ohne Eigenbedeutung dar Denn indirekte Frageshysaumltze die von Verben des Fragens abhaumlngig sind stehen im Konjunkshytiv59
Ebenso also als Substitutionform ohne Eigenbedeutung die aus Reimgruumlnden - hier aber wegen des Reims der Vollverben gesetzt ist ist das Modalverb scolti aufzufassen in
(55) rafsta nan tho worto thera ungilouba harto I Ziu er scolti io thes githenken joh muates io giwenken (Otfrid III844f) er tadelte ihn heftig mit seinem Worte wegen des Unglaubens warum er das gedacht und keinen Mut gehabt habe
57 VgL DWb 30
58 Schuumltzcichel (1989 280) 59 Wunder (1965 309) Schrodt (1983 257f)
Modalverben als Substitutions formen 199
tadeln ist hier nicht als faktives Verb verwendet vielmehr fragt der ziushySatz nach den Gruumlnden des Tadelns60
313 Indikativische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung
Im Falle eines Attributsatzes der mit daszlig eingeleitet ist sind die Beshylege (56) und (56a) zu vergleichen
(56) tho ward irftlllit thiu zft I thaz sUliga thiu alta thaz kind tho beran scolta (Otfrid I9lf)
Da war die Zeit crfuumllltdaszlig die Gluumlckselige dic alte Frau das Kind gebaumlren sollte
(56a) thio zfti sih iIvUltun I thaz si chfnd bari zi woralti einmari (Otfrid 11129f)
die Zeiten erfuumlllten sich daszlig sie cin auszligerordentliches Kind ZUr Welt brachte
Da in (56a) der Konjunktiv steht handelt es sich bei scolta in (56) um eine indikativische Ersatzform mit Eigenbedeutung scolta reimt auf alta weshalb das Modalverb hier zu den reimbedingten Substitutionsshyformen zu zaumlhlen
Nach Erdmann ist zu den indikativischen Substitutionsformen Beishyspiel (57) zu rechnen61
(57) Bi hiu se thes ni h6getin 6ba sie thaz gifrumitin I thaz er nan mohta ana wan heizan Mur Uf stan I Joh mit theru krefti avur nan irqufcti I (Otfrid IV313ff)
Warum haumltten sic [die Juden] das nicht bedacht daszlig er [JcsusJ wenn sie das vollfuumlhrten [naumlmlich die Toumltung des Lazarusj ihn [Lazarusj aufs neue auferstehen lassen konntc und ihn abermals zum Leben erwecken wuumlrde
Der mit daszlig eingeleitete Nebensatz haumlngt von einem Verb des Denkens in einer konjunktivischen direkten Frage ab und wird mit einem konshyjunktivischen Verb fortgefuumlhrt Nach den althochdeutschen Modusreshygeln waumlre eigentlich mohti zu erwarten wie es die Freisinger Handshyschrift bietet Die Wiener Handschrift die die Quelle aller Handschrifshyten und vermutlich von Otfrid mit eigener Hand revidiert ist hat dageshygen mohta Dieses mohta nun sieht wie eine indikativische Ersatzform mit Eigenbedeutung aus Ebenso wie im abhaumlngigen Nebensatz autoshynome Konjunktive vorkommen gibt es aber moumlglicherweise in eigentshy
60 Vgl Wunder (1965307)
61 Erdmann (1874 37 und 111)
200 RLuumlhr
lich konjunktivischen Nebensaumltzen einen autonomen Indikativ Vielshyleicht hat Otfrid bewuszligt den Indikativ mohta gewaumlhlt um seiner Uumlbershyzeugung Ausdruck zu verleihen daszlig Jesus einerlei wie die Umstaumlnde sind in der Lage ist Lazarus von den Toten aufzuerwecken
314 Indikativische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung
Ein indirekter Fragesatz mit der Subjunktion ob liegt vor in
(58) thaz ir irkfaset ubar al aba siu fruma wesan seal (Otfrid S 6) damit ihr ganz und gar pruumlft ob es [likza Bruchstuumlck] gelungen ist
In den mit oba eingeleiteten indirekten Fragesaumltzen ist der Konjunktiv die Regel62 seal ist demnach indikativische Substitutionform ohne Eishygenbedeutung die offensichtlich aus Reimgruumlnden gewaumlhlt ist
32 Auswertung
Ordnet man nun die im Althochdeutschen moumlglichen Faumllle von Substishytution nach dem Grad ihrer Oumlkonomie so ergeben sich - da im Altshyhochdeutschen ja nur fakultative Substitution vorkommt dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung
Von den 36 fuumlr Substitution in Betracht kommenden Nebensaumltzen shynach unserer Definition ist ja Substitution nur in Nebensaumltzen die den Konjunktiv verlangen moumlglich - fallen die meisten naumlmlich 29 auf den Typ c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung Objektsaumltze 11 Adverbialsaumltze 18
62 Kelle (1881451) Zu zwei Ausnahmen im Indikativ und deren Begruumlndung Wunder (1965 284)
Modalverben als Substitutionsarmen 201
Danach folgt der Typ d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung Objektsaumltze 4 (53) (3) (54) (55) wolle
2mal seolti)
und dann der Typ cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung Objektsaumltze 2 (56) (57) (seolta mohta)
Nur in einem Objektsatz (58) hat man den Fall dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
Mit Ausnahme von mohta in (57) sind die Substitutionsformen der Tyshypen d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung (wolti wolle 2mal seolti) cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung (scolta) und dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
durch den Reim bedingt und in mohta liegt moumlglicherweise ein autoshynomer Indikativ vor Weil also der Konjunktiv in den konjunktivischen Nebensaumltzen bei weitem uumlberwiegt kann man sagen daszlig der Regel raquoKonjunktiv im Nebensatzlaquo ein groumlszligeres Gewicht zukommt als dem Prinzip der Sprachoumlkonomie Nur in drei Faumlllen von 29 erscheint ein indikativisches Modalverb als Substitution zweimal reimbedingt und einmal wohl aus inhaltlichen Gruumlnden In der Anwendung der den Neshybensatz kennzeichnenden Mittel hat also im Althochdeutschen der Konjunktiv eindeutig Vorrang vor der Kennzeichnung eines konjunkshytivischen Nebensatzes durch ein Modalverb
Zu fragen bleibt noch wieso von den althochdeutschen Modalverben am ehesten die Verben sollen und wollen als Konjunktiversatz auftreshyten Es liegt wohl an der Bedeutung dieser Modalverben Im Neuhochshydeutschen ist nach Oumlhlschlaumlger den beiden Verben im nicht-epistemishysehen Gebrauch gemeinsam daszlig dem Eintritt des durch die Infinitivshykonstruktion bezeichneten Sachverhalts eine Praumlferenz zukommt ohne
202 RLuumlhr
daszlig besondere Bedingungen eine Rolle spielen63 Demgegenuumlber ist bei den anderen nicht-epistemisch verwendeten Modalverben von Bedeushytung ob eine (vom Kontext gelieferte) Quelle oder der mit dem Subjekt bezeichnete Gegenstand den Eintritt des durch die Infinitivkonstruktion bezeichneten Sachverhalts zulaumlszligt oder wuumlnscht oder auch eine Faumlhigshykeit zu einer bestimmten Handlung hat Auch die althochdeutschen Modalverben sollen und wollen bringen bei Otfrid eine Praumlferenz zum Ausdruck wohingegen sich die uumlbrigen althochdeutschen Modalverben auf semantische Kategorien wie Permission Wunsch oder Faumlhigkeit beziehen Nimmt man nun an daszlig von diesen semantischen Kategorien die der Praumlferenz am wenigsten Eigenbedeutung hat wuumlrde verstaumlndshylich warum Otfrid aus Reimgruumlnden zur Substitution des Konjunktivs die Modalverben sollen und wollen verwendet hat Jedenfalls kann man bei Otfrid fuumlr die Hypotaxe allenfalls von einer reimbedingten Substitushytion des Konjunktivs durch Modalverben sprechen
33 Substitution durch Modalverben im Fruumlhneuhochdeutschen
Nach der Besprechung des althochdeutschen Materials stellt sich nun die Frage ob auch noch in der Sprache Luthers Substitution durch Moshydalverben vorhanden war Wie einige Beispiele belegen sollen ist dies in der Tat der Fall
331 Objektsatz
Es findet sich obligatorische Substitution Eigenbedeutung des Moshydalverbs
(59) haben wyr euch nicht mit ernst gepotten das yhr nicht sollt leren ynn dishysem namen (1522 Apg 528)
(60) Und wenn ich sie hette sollen fragen wie man die ersten zwey wort Matthei 1 Liber Generationis solte verdeutschen so hette yhr keiner gewist gack dazu zu sagen (Sendbrief 63335ff)
Und fakultative Substitutionen mit Eigenbedeutung begegnen in
(61) vnnd da si yhn sahen baten sie yhn das er weychen wolt von yhr grentze (1522 Matth 834) Das er von jrer Grentze weichen wolte64 (1546)
63 Oumlhlschlaumlger (1989 248ff)
64 Zu wollen mit Eigenbedeutung in von Verben des Bittens abhaumlngigen Saumltzen vgl DWb 30
Modalverben als Substitutions formen 203
(62) vnnd baU das er eyne hutten finden mochte dem Gott Jacob (1522 Apg746)
(63) Ich hab mich des getlissen ym dolmetzschen das ich rein und klar teutsch geben mOumlchte (Sendbrief 636 15f)
(64) vnd schaffet das man die iungen kindlin hyn werffen muste das sie nit lebendig blieben65 (1522 Apg 719)
332 Adverbialsatz
Auch in Finalsaumltzen erscheinen obligatorische und fakultative Substitushytionen mit Eigenbedeutung und zwar teils als eindeutige Konjunktivshyformen
(65) und eren umb keiner ander ursachen willen so starck wider die werck und treiben allein auff den glauben das die leute sollen sich ergern stossen und faUen (Sendbrief 64134ff)
(66) Denn wer dolmetzschen wil mus grosse vorrath von worten haben das er die wol kOumlnne haben wo eins an allen orten nicht lauten will (Sendbrief 6392lff)
(67) ehe den wir solche wacken und klotze aus dem wege reuumlmeten auff das man kOndte so fein daher gehen66 (Sendbrief 63624f)
Und ein Beleg fuumlr einen Konditionalsatz in dem das Modalverb Eigenshybedeutung hat ist
(68) Wenn ich nu den buchstaben nach aus der esel kunst solt des Engels wort verdeutschen muste ich also sagen (Sendbrief 639 1Of)
Diese Belege zeigen daszlig konjunktivische Modalverben mit Eigenbeshydeutung ebenso wie im Althochdeutschen noch im fruumlhneuhochdeutshysehen Nebensatz als Substitutionsformen des Konjunktivs fungieren67
65 Hinter einem faktiven Verb ist kein Konjunktiv zu erwarten
Mich wundert aber das man sich yn diser offentlichen sachen so mag sperren (Sendbrief 6426f)
66 Der Finalsatz wird mit Hauptsatzwortfolge weitergefuumlhrt in
Auff das wenn wir sagen die Christenheit yrre nicht so sollen wir auch sagen das sie auch nicht yrren und also kein lUumlgen auch an yn mUumlge gestrafft werden (Sendbrief 6452ff)
67 Weitere Belege sind
Und urteileten dem guten man sein werck die jhenigen so ym nicht gnug gewest weren das sie ym die schuch hetten sollen wischen (Sendbrief 6343ff)
204 R Luumlhr
Das Prinzip der Sprachoumlkonomie das in seiner striktesten Auspraumlgung eigentlich nur obligatorische indikativische Substitutionen des Konshyjunktivs fordert ist hier also noch nicht wirksam68
34 Faktoren fuumlr die Aufgabe der Substitution durch Modalverben im Neuhochdeutschen
Wieso hat sich dieser Sprachgebrauch nun zum Neuhochdeutschen hin geaumlndert Es gibt zweifellos aumluszligere Indizien die auf eine bewuszligte Unshyterdruumlckung der Modalverben als Substitutionen schlieszligen lassen Die Sprachkritiker des 19 Jahrhunderts haben vielfach die Beseitigung von Redundanz wie sie durch Modalverben in semantisch eindeutigen Neshybensaumltzen entsteht gefordert69 Verpoumlnt sind zB Ausdrucksweisen wie
(69) Wenn zur Einloumlsung eines Pfandes ein Vers verlangt werden sollte so richshytete man die Forderung meist an mich (Goethe) (anstatt Wenn zur Einloumlshysung eines Pfandes ein Vers verlangt wurde so )70
(70) Die Moumlglichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden haben mag (anstatt Die Moumlgshy
sie sind nicht werd das sie meine erbeit sollen erkennen (Sendbrief 64014f)
Es hatten vnser veter die hutten des zeugnis ynn der wusten wie er yhn das verordenet hatte da er zu Mosen redte das er sie machen solt nach dem furbild das er gesehen hatte (1522 Apg 744)
Wenn sie euch nu vbirantworten werden so sorget nicht wie oder was yhr reden solt (1522 Matth 1019)
Da diese rede horeten der hohe priester vnd die fursteher des tempels vnnd ander hohe priester worden si vbir yhn betretten was doch das werden wollt (1522 Apg 524)
nach dem es vnmuglich war das er sollt von yhm gehallten werden (1522 Apg 224)
Vgl auch
Wol hat Heintzens Lesterbuch bey jnen den verstand (Auffassung) das es ein scharff schwert sey wider den ChurfUumlrsten und uns das uns aufffressen solle im Augenblick 0541 Wider Hans Worst 47517ff)
68 Einschlaumlgige Belege finden sich auch in den Zeitungen des Jahres 1609 vgl den Beitrag von Fritz in diesem Band S 279
69 Vgl Luumlhr (1992 354)
70 Sanders (1894256)
Modalverben als Substitutionsarmen 205
lichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden hat)
(71) Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintreten muszligshyten (anstatt Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintraten) 1
(72) Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert sein soll (anstatt Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert ist) 72
(73) Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sollen sieben Zigeuner erfroren sein (anstatt Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sind sieben Zigeushyner erfroren)
(74) Zuverlaumlssig wird gemrudet daszlig die Feinde dort angekommen sein sollen (anstatt Zuverlaumlssig wird gemeldet daszlig die Feinde dort angekommen sind)3
Vor gar nicht langer Zeit waren also Ausdrucksweisen wie sie bereits im Althochdeutschen belegt werden konnten auch noch im Neuhochshydeutschen vorhanden Daszlig sie heute als schlechtes Deutsch gelten kann jedoch nicht allein dem Einfluszlig der Sprachkritiker zugeschrieben werden In der Sprache muumlssen sich Wandel vollzogen haben die den Einsatz von Modalverben in Nebensaumltzen uumlberfluumlssig machen Moumlgshylicherweise besteht ein Zusammenhang mit dem Ruumlckgang des Konshyjunktivs in Nebensaumltzen eine Vermutung die naumlherer Untersuchung bedarf Da im Althochdeutschen die Modalverben im Nebensatz in den allermeisten Faumlllen eine lexikalische Bedeutung haben entspricht die Verwendung der Modalverben im Nebensatz weitgehend der im Hauptshysatz Die Faumllle in denen Modalverben ohne Eigenbedeutung im Altshyhochdeutschen Konjunktivformen im Nebensatz ersetzen sind zu vershyeinzelt als daszlig man von einem Ansatz zur Grammatikalisierung spreshychen koumlnnte denn die Bedingung fuumlr diesen Gebrauch ist hier eben der Reim
4 Fazit
Nach dem weitreichendsten Prinzip der Sprachoumlkonomie wuumlrde man fuumlr die althochdeutsche Sprachperiode in konjunktivischen Nebensaumltshyzen Modalverben als fakultative indikativische Ersatzformen ohne Eishygenbedeutung vorhersagen Die Beleglage ergab jedoch daszlig als Ershy
7 Matthias (1906446)
72 Andresen (1923 156)
73 Lehmann (1878 181f)
206 RLuumlhr
satzform der Typ fakultatives konjunktivisches Modalverb mit Eigenshybedeutung bei weitem vorherrscht Das zeigt daszlig im Althochdeutschen im Falle der Kennzeichnung eines konjunktivischen Nebensatzes der Konjunktiv einen houmlheren Rang einnimmt als das Modalverb Auch im Fruumlhneuhochdeutschen kommen noch Modalverben als fakultative konjunktivische Ersatzformen mit Eigenbedeutung vor Die Kennzeichshynung eines konjunktivischen Nebensatzes durch ein Modalverb ist also in dieser Spachperiode nicht auf die obligatorischen Faumllle in denen der Konjunktiv des Vollverbs mit dem Indikativ formal zusammenfallen wuumlrde beschraumlnkt Was nun das Neuhochdeutsche angeht so gelten heute wie bei den Sprachkritikem des 19 Jahrhunderts Ausdrucksweishysen in denen ein Modalverb die Bedeutung eines semantisch eindeutishygen Nebensatzes verstaumlrkt als anstoumlszligig Erst in dieser Zeit kommt im Falle der Substitution des Konjunktivs durch Modalverben aus welchen Gruumlnden auch immer das schon im Althochdeutschen theoretisch zu erwartende sprachoumlkonomische Prinzip voll zum Tragen
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208 R Luumlh
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182 R Luumlhr
Doch zeigt Beispiel (3) daszlig schon im Althochdeutschen anscheishynend fakultative Substitution ohne Eigenbedeutung des Modalverbs vorkommt Da weiterhin wie die Beispiele (I) (2) und (4) deutlich geshymacht haben Modalverben als Substitution des Konjunktivs im Nebenshysatz auch im Mittelhochdeutschen auftritt waumlhrend im Neuhochdeutshyschen ein derartiger Sprachgebrauch als anstoumlszligig gilt stellt sich als naumlchstes die Frage ob schon im Fruumlhneuhochdeutschen die heutige Norm erreicht ist oder nicht Um dies festzustellen werfen wir nach der Auswertung des althochdeutschen Sprachmaterials noch einen Blick auf Martin Luthers Sprache denn in der Syntax steht Luther deutlich im Spannungsfeld zwischen dem Mittelhochdeutschen und dem Neushyhochdeutschen lo
2 Voraussetzungen
Zum besseren Verstaumlndnis des folgenden empfiehlt es sich auf die Eishygenbedeutungen der althochdeutschen Modalverben und einige Prinshyzipien fuumlr den Gebrauch des Konjunktivs in Nebensaumltzen im Althochshydeutschen einzugehen Des weiteren werden indikativische Nebensaumltze mit Modalverben besprochen die eben weil sie den Indikativ enthalshyten aus der folgenden Untersuchung ausgeschlossen sind
21 Die Eigenbedeutungen der althochdeutschen Modalverben
Waumlhrend Welke zur Beschreibung der Semantik der neuhochdeutschen Modalverben noch mit zahlreichen zu Uumlberschneidungen fuumlhrenden raquokommunikativen Effektenlaquo rechnete I I - auf das Althochdeutsche uumlbertragen ergaumlbe sich etwa folgendes Bild wollen (wellen sculan) werden (sculan wellen) koumlnnen (magan kunnan muozan) duumlrfen (muozan sculan magan) moumlgen (magan muozan) muumlssen (muoshyzan sculan magan) brauchen (duifan sculan) sollen (sculan durshy
zaltim zaltum zalten zalten zaltit zaltut zaltet zaltet zaltln zaltun zallen zalten
Im Unterschied zum starken Praumlteritum zeigt das schwache im Konjunktiv im allgemeinen keinen Umlaut (PaulWiehllGrosse 1989 255 Anm 5)
10 Luumlhr (1985 26ft)
11 Welke 0965 25)
Modalverben als Substitutionsjormen 183
fan magan)12 - haumllt es Kratzer nicht fuumlr sinnvoll zB etliche deontishysche oder epistemische Arten von muumlssen zu unterscheiden 13 Einen Satz wie
Die Vorfahren der Maoris muumlssen aus Tahiti gekommen sein
fuumlhrt sie stattdessen auf einen spezifischen Redehintergrund zuruumlck
(5b) Im Hinblick auf das was wir wissen muumlssen die Vorfahren der Maoris aus Tahiti gekommen sein
Dabei unterscheidet sie zwischen einem relationalen Modalausdruck (muumlssen im Hinblick auj) einem ersten Argument des Modalausdrucks (was wir wissen) und einem zweiten Argument des Modalausdrucks (Die Voifahren der Maoris sind aus Tahiti gekommen) Die Aussage (5a) ist raquoin unserer Welt wahr wenn in unserer Welt aus den Pflichten die Maori-Kinder gegenuumlber ihrem Stamm haben logisch folgt daszlig sie die Namen ihrer Vorfahren lernenlaquo Wenn auch - so Oumlhlschlaumlger l4
die Explikation der immer konstant bleibenden Bedeutung bei muumlssen mit Hilfe des Begriffs der logischen Folge nicht adaumlquat erfaszligt wird hat das Kratzersche Analyseverfahren doch den Vorteil daszlig die untershyschiedlichen Verstehensmoumlglichkeiten von Saumltzen mit Modalverben nicht auf unterschiedliche Modalverbbedeutungen zuruumlckgefuumlhrt sonshydern als jeweils kontextbedingt betrachtet werden Auch Oumlhlschlaumlger vertritt das Prinzip des Bedeutungsminimalismus und kommt fuumlr die nicht-epistemischen Verwendungen bei den neuhochdeutschen Modalshyverben von den jeweils zwei Bedeutungen bei koumlnnen und moumlgen und einigen SonderfaIlen bei wollen sollen und moumlgen abgesehen so zu einer einheitlichen Bedeutung Vergleicht man nun das Analyseverfahshyren von Welke einerseits und von Kratzer und Oumlhlschlaumlger andererseits miteinander so ist das bedeutungsminimalistische eindeutig vorzuzieshyhen 15 Denn auf diese Weise kann man wie es Oumlhlschlaumlger tut bei der Bedeutungsbestimmung der Modalverben unterscheiden zwischen ))dem Anteil der jeweiligen lexikalischen Einheit zu sem [dh zur seshymantischen Struktur der Aumluszligerung] und indirekt - zu cs [dh zum kommunikativen Sinn] derjenigen Aumluszligerungen in denen sie vorkomshy
12 Weiteres bei Kahl (1890 9ff) Bech Seiffert (1989 13 Kratzer (1977 339) vgl (1978 Dielrich
43ff)
14 Oumlhlschlaumlger (1989 135ff)
15 Vgl auch Thim-Mabrey (1986 221) Kasper (1987 78)
184 R Luumlhr
men kann und dem Anteil der anderen in diesen Aumluszligerungen vorkomshymenden [ ] sprachlichen Mittellaquo16
22 Der Konjunktiv im althochdeutschen Nebensatz
Wie im Neuhochdeutschen erscheinen im Althochdeutschen irreale Satzgefuumlge mit Konjunktiv Praumlteritum Desgleichen findet sich der Konjunktiv in der indirekten Rede ferner in Finalsaumltzen und in Nebenshysaumltzen die von einem Ausdruck des Wunsches abhaumlngen Doch gibt es im Althochdeutschen auch erhebliche Unterschiede zum neuhochdeutshyschen Modusgebrauch Fuumlr unsere Frage nach der Substitution des Konjunktivs durch Modalverben ist dabei zweierlei wichtig und zwar die Zeitenfolge und die Bedingungen fuumlr den Gebrauch des Konjunkshytivs oder Indikativs im Nebensatz
221 Zeitenfolge
Im Althochdeutschen gilt noch das aus dem Germanischen ererbte raquoGeshysetzlaquo der Zeitenfolge Behaghel formuliert es folgendermaszligen raquoBei praumlsentischem Hauptsatz erscheint im Nebensatz der Konj Praumls bei praumlteritalem Hauptsatz der Konj Praumlt es sei denn daszlig ausdrucklich ein zeitlicher Gegensatz zwischem dem Vorgang des Hauptsatzes und dem des Nebensatzes festgestellt werden sol1laquo17
222 Bedingungen fuumlr den Gebrauch des Konjunktivs oder Indikativs im Nebensatz
Die Regeln fuumlr den unterschiedlichen Modusgebrauch vor allem in Obshyjektsaumltzen sind vielfaltig und nicht immer leicht zu durchschauen Wunshyders Auffassung der Konjunktiv im Nebensatz bei Otfrid gebe grundshysaumltzlich raquoeine Aussage als nicht-real (tatsaumlchlich oder nur vorgestellt)laquo an waumlhrend der Indikativ raquoder Modus der (tatsaumlchlichen oder vorgeshystellten) Realitaumltlaquo sei ist zu global18 Konsistenter ist Schrodts Beshyschreibung des Konjunktivgebrauchs in den alt- und mittelhochdeutshyschen Inhaltssaumltzen19 Wie er gezeigt hat erscheint das Verb des Neshy
16 Oumlhlschlaumlger (1989 16)
17 Behaghel (I928 675)
18 Wunder (1965 492)
19 Schrodt (1983 71ff)
Modalverben als Substitutions formen 185
ben satzes im Indikativ oder Konjunktiv je nachdem ob der Wahrheitsshywert des Komplements praumlsupponiert oder impliziert ist ob ein faktives Verb wie wissen offenbar sein ein implikatives Verb wie zustandeshybringen ein negativ-implikatives Verb wie vermeiden ein wenn-Verb wie zwingen ein negatives wenn-Verb wie verhindern ein nur-wennshyVerb wie faumlhig sein ein negatives nur-wenn-Verb wie zoumlgern oder ein raquononfaktiveslaquo Verb wie sagen im Traumlgersatz vorliegt
Doch ist unter bestimmten Bedingungen auch ein Moduswechsel moumlglich Bei Negierung des Verbs im Traumlgersatz kann sich die Ausshysage uumlber die Realitaumlt des im Komplementsatz ausgedruckten Gescheshyhens aumlndern was einenanderen Modus in (6) den Konjunktiv erforshydert
(6) uuamun es wiht ni fimamun I zi niheineru heiti waz er mit thiu 12255f)
Sie kamen so nach Hause sie verstanden in keiner Weise was er damit meinte
Ein verneintes wenn-Verb im Traumlgersatz laumlszligt im Nebensatz den Konshyjunktiv erwarten20 Schrodt rechnet Verben der sinnlichen Wahrnehshymung die eine auf Internalisierung des wahrzunehmenden Objekts abshyzielende Aktivitaumlt des Subjekts ausdrucken zu den wenn-Verben 21
Auch den umgekehrten Fall gibt es So bezeichnet ein nur-wennshyVerb wie faumlhig sein zum Beispiel in der Assertion eine positive Moumlgshylichkeit des Komplementsatzgeschehens und fordert den Konjunktiv im Nebensatz Ist dagegen ein nur-wenn-Verb verneint so steht damit die Nicht-Realitaumlt des Komplementsatzgeschehens fest das Verb im Neshybensatz erscheint so im Indikativ Weiterhin kann der Modus im Komshyplementsatz durch einen modalen Ausdruck im uumlbergeordneten Satz beeinfluszligt werden Vergleiche (7) mit (8)
(7) Petrus scalt thu heizen mit gil6ubu iz ouh giweizen I in thiu sis stark io so stein thaz thu sis miner drIlt ein (Otfrid II737f)
Petrus sollst du heiszligen mit Glauben es auch beweisen dadurch daszlig du stets fest wie ein Fels bist daszlig du einer meiner Juumlnger bist22
mit thiu sie thaz giweizent sie gotes kind heizent (Otfrid II1626) womit sie das beweisen daszlig sie Gottes Kinder heiszligen
20 Schrodt (1983 73 und 172f)
21 Schrodt (1983161)
22 Erdmann (1874 145)
186 R Luumlhr
Hinzu kommt daszlig in Nebensaumltzen der Konjunktiv auch wie im Hauptshysatz verwendet werden kann also als autonomer Konjunktiv
(9) raquoNfstlaquo quad er tho raquofruma thaz thaz man zukke thaz maz I then kindon in then hanton inti werfez uz then huntonlaquo (Otfrid III1O33f) Es ist nicht gut sagte er da daszlig man den Kindern das Essen aus den Haumlnshyden nimmt und es den Hunden vorwirft
Nach einem faktiven Ausdruck wie es ist gut erwartet man selbst bei Vemeinung den Indikativ denn auch in der Negation wird die Wahrshyheit des Komplements vorausgesetzt In (9) wird jedoch im Nebensatz eine allgemein guumlltige Aussage ausgedruumlckt was eine temporale Fixieshyrung des Komplementsatzgeschehens durch den Indikativ uumlberfluumlssig zu machen scheint23
Im Falle des Auftretens von Modalverben in Nebensaumltzen ist also sorgfaltig auf die Bedeutung des Verbs im uumlbergeordneten Satz zu achten
23 Modalverben in indikativischen Nebensaumltzen
An indikativischen Nebensaumltzen mit Modalverben also Faumlllen ohne Substitution sind etwa zu nennen Objektsaumltze Attributsaumltze und Adshyverbialsaumltze
231 Objektsaumltze
(10) Thiu quena sun was dnigenti joh sih harto scamenti I thaz siu scolta in elti mit kinde gan in henti (Otfrid 1485) Die Frau trug einen Sohn und sie schaumlmte sich sehr daszlig sie im Alter mit eishynem Kind an der Hand gehen sollte24
sih scamim im Matrixsatz ist ein faktives Verb und bei faktiven Vershyben in der Traumlgerstruktur steht der Nebensatz im Indikativ (zu einer Ausnahme vgL jedoch (9)) Aumlhnlich ist
(11) Thaz wfzist thu in thoh imo iz abwertaz sC I ni mag ouh mit then ougon zi geginwert V2337f)
23 Schrodt (1983 201)
24 In den Uumlbersetzungen werden die althochdeutschen Modalverben auch wenn sich vom Neuhochdeutschen her redundante Ausdrucksweisen ergeben durch entsprechende neuhochdeutsche Modalverben wiedergegeben diese koumlnnen aufgrund von Bedeutungswandel von den entsprechenden althochdeutschen Modalverben abweichen
Modalverben als Substitutionsonnen 187
Das weiszligt du genau daszlig man ist auch der Gegenstand sehr weit entfernt ihn auch nicht mit den Augen in der Gegenwart schauen kann25
Gleiches gilt fuumlr Objektsaumltze in der Funktion von indirekten mit wie eingeleiteten Fragesaumltzen die von einem Verb des raquoErkannt-Habenslaquo also ebenfalls einem faktiven Verb abhaumlngen
(12) hiar mag er lernen ubar al wio er gilouben scal 1266) hier kann er vollkommen lernen wie er glauben soll
Selbst hinter einem modalisierten Ausdruck im Traumlgersatz steht hier der Indikativ26
25 Zum Indikativ nach wissen vgl Schrodt (1983 199ff) Anders zu beurteilen ist
Ni wuntoro thu thih friunt min nubiz wola megi sin I nubiz werde wanne thaz sih es woroIt mende I (Otfrid II1 237f) Wundere dich nicht mein Freund als ob es nicht wohl sein koumlnnte als ob es nicht irgendeinmal geschehen werde daszlig sich daruumlber die Welt freut (Kelle 1881445)
Als Beispiel fuumlr den Ersatz des Konjunktivs durch eine Modalverbftigung vershygleicht Erdmann (187436)
in thir uuigit sein daz thu maht [forasago sin] (Christus und die Sashymariterin 28)
mit
raquoMin muatlaquo quad si raquoduat mih wfs thaz thu f6rasago sfs laquo (Otfrid II1455)
In beiden Faumlllen wuumlrde man nach der lateinischen Vorlage (Domine video quia propheta es tu) in der Tat einen Indikativ (2 Sg Ind Praumls bist) erwarten Moumlglicherweise ist jedoch aus Reimgruumlnden der Infinitiv sin (jorasago sin fehlt in der Handschrift) bzw die 2 Sg Konj Praumls sis gesetzt Da aber aus Reimshygruumlnden kaum gegen die Sprachrichtigkeit verstoszligen sein kann erscheint im Falle des faktiven Verbs sein wegan deutlich werden die Deutung daszlig du ein Prophet sein muszligt moumlglich - von den Gebrauchsweisen von magan kommt wohl die Bezeichnung eines Imstandeseins dessen aumluszligere Umstaumlnde eine mehr oder weniger starke Veranlassung enthalten in Frage (Luumlhr 1996) Und im zweiten Beleg koumlnnte - hinter einem wenn-Verb (wi s duan wissen lassen) _ ein Potentialis vorliegen C daszlig du ein Prophet sein duumlrftest)
26 Schrodt (1983 202) Andersjedoch
Lerne hiar thia guati wio unser druhtin dati (Otfrid III19 11) Lerne hier die Vortrefflichkeit kennen wie unser Herr gehandelt hat (Zu einer inhaltlichen Begruumlndung des Konjunktivs vgl Wunder 1965292)
188 R Liihr
Ein wenn-Verb also ein Verb das in der affirmativen Behauptung die Wahrheit des Komplements impliziert und so den Indikativ verlangt (vgl oben) begegnet in
(13) ther loz ther rfhtit unsih aI weliches siu wesan seal (Otfrid IV28 12) das Los das weist uns genau an wem sie (die Tunika) gehoumlren
Schwieriger ist folgender Fall mit einem wenn-Verb zu beurteilen In (14) gehoumlrt das uumlbergeordnete Verb zu der schon erwaumlhnten Gruppe von Verben der sinnlichen Wahrnehmung die eine Aktivitaumlt des Agens bezeichnen
Wanta iagilih tho thar instuant thaz ther man scolta wesan guat 1 zi guaten sih gizeliti ther suntigan so queliti (Otfrid Ill 1747f) Denn jeder begriff da sofort daszlig es sich gebuumlhrt daszlig der Mann gerecht ist [der] moumlge sich zu den Frommen zaumlhlen der einen Suumlnder so strafen will
Zwar folgt auf einen Nebensatz der das indikativische Modalverb seolta enthaumllt eine Fuumlgung im Konjunktiv Da jedoch instantan in eishynem weiteren Beleg mit einem indikativischen Komplementsatz vershybunden ist28 duumlrfte der Konjunktiv gizeliti autonom sein und die Funkshytion eines Wunsches haben seolta ist daher ebensowenig wie in den vorhergehenden Beispielen Ersatzform
Was Verben des Sagens im Traumlgersatz wie in (15) und (16) angeht so tritt hinter indikativischem nicht negiertem sagen in den mit wie einshygeleiteten Nebensaumltzen in gleicher Weise der Indikativ auf29
Sagen ih iu wio Ir nan sculut ffndan I (Otfrid 11217) Ich sage euch wie ihr ihn finden werdet
(16) joh selbo in sageta ubar aI wio egislih iz wesan scal (Otfrid V204)
27 Als indikativischer Nebensatz kann auch gedeutet werden
Tho rfht unsih thiu redina thaz wir uns warten thanana 1 thaz suht ni derre uns mera then lfdin joh thera sela (Otfrid m55) Da lehrte uns dieser Ausspruch daszlig wir uns davor in Acht nehmen damit
28 Hiar mugun wir instaotan 1 thaz quement ununahti fon suntono suhti (Otfrid III51f) Hieran koumlnnen wir erkennen daszlig koumlrperliche Krankheiten vom Verderben der Suumlnden kommen (vgl Schrodt 1983 164)
29 ih sagen thir wio sie datun (Otfrid 1937)
Uuio sie avur got thar drosta joh Moyses irlosta I thaz sagent buah zi waru (Otfrid H 87f)
Modalverben als Substitutionsormen 189
und er sagte ihnen deutlich wie schrecklich es juumlngste Gerichtl sein wird
seal steht hier also im Sinne von wird eine Bedeutung die sich mit der Bezeichnung einer Notwendigkeit oder eines Erfordernisses einer Handlung vertraumlgt Setzt man die von Oumlhlschlaumlger angenommene neushyhochdeutsche Bedeutung von soUen eine (vom Kontext gelieferte) Quelle will daszlig der mit dem Subjekt und der Infinitivkonstruktion beshyzeichnete Sachverhalt eintritt30 auch fuumlr das Althochdeutsche an so ist als erstes Argument einer Modalverbfuumlgung wie in (16) eine Fuumlllung wie In Hinblick auf das was Gott vorhat denkbar
Aumlhnlich
(17) Er zalt in ouh tho thar meist wio ther heilego geist 1 thie wfzzi in scolta meshyron mit sInes selbes leron I NiMinemo ni brusti ni er aHa fruma westi (Otfrid IV 1 537ff)
Auch erzaumlhlte er ihnen da insbesondere wie der heilige Geist ihnen den Verstand durch seine Lehren vermehren wird keinem duumlrfte mehr fehlen alles Nuumltzliche zu wissen3)
Vgl auch
(18) er unthankes in za]ta wio iz wesan scolta (Otfrid 1II2534)
Tho zalt in thiu sin guati I WIO se scoltun fahan zi herizohon zlahan I (Otfrid IV713ff)
tMr in ana zalta wio Krist in queman scolta (Otfrid V618)
joh wio er in thar gizalta wio thaz al wesan scolta (Otfrid IV634)32
232 Attributsaumltze
Ein mit der Subjunktion wie eingeleiteter indirekter Fragesatz als Attrishybutsatz findet sich in
(19) raquoSage uns meistar tMnne WIO thiu zft gigaoge I zeichan wio thu queman scaIt joh wio thiu woroIt ouh (Otfrid II2239f) Sage uns Herr nun wie die Zeit ablaumluft ein Zeichen wie du kommen wirst und wie die Welt auch untergeht
30 Oumlhlschlaumlger (1989 174)
31 Der Konjunktiv brust ist autonom
32 Dagegen koumlnnte der Konjunktiv die Bedeutung des Modalverbs verstaumlrken in
Zalt er ouh then mannon wio er se wolti minnon (Otfrid IV655 Schrodt 1983244 anders Wunder 1965291)
190 R Luumlhr
In diesem Beispiel faumlllt der Wechsel zwischen Konjunktiv (gigange) und Indikativ (scalt zigat) auf Da hinter imperativischem sagen sonst der Konjunktiv steht33 ist zu vermuten daszlig das fuumlr den Attributsatz fungierende Bezugswort Zeichen ein Substantiv das die Semantik eishynes wenn-Verbs hat den Moduswechsel zum Indikativ verursacht seal ist jedenfalls keine Ersatzform
233 Adverbialsaumltze
Ein reales Konditionalsatzgefuumlge liegt vor in
(20) Wio harto mihiJes mer gfuit druhtin tuer I guat ob ir mo folget inan bltshyten wollet (Otfrid IV77f)
Um wieviel mehr gibt euer Herr euch Gut wenn ihr ihm folgen und ihn bitshyten werdet
Da die einem Matrixsatz folgenden mit oba eingeleiteten Konditionalshysaumltze eine raquonachtraumlgliche oft ziemlich unwesentliche oder uumlberfluumlssige Angabe einer zum Eintreten des ersten angegebenen Ereignisses erforshyderlichen Vorbedingunglaquo34 enthalten kann man wollet mit werdet wiedergeben Geht man wieder von Oumlhlschlaumlgers Bedeutungsbeschreishybung des entsprechenden neuhochdeutschen Modalverbs aus35 so paszligt diese Bedeutung (vereinfacht ausgedruumlckt) auch fuumlr das Althochdeutshysche Der mit dem Subjekt bezeichnete Gegenstand zieht es vor daszlig der mit der Infinitivkonstruktion bezeichnete Sachverhalt eintritt vgl ferner fuumlr die 2 Person
(21) raquoWi1 thu thaz richi druhtin mit thfnes selbes rruihtin I ersezen thesen lfutin laquo (Otfrid V173) fuumlr lat acta apostol 16 domine in tempore hoc restitues regnum Israel36
Auf die gleiche Weise kann indikativisches wollen in dem in eine indishyrekte Rede eingebetteten als direkte Rede fungierenden Konditionalshysatz37 wiedergegeben werden
33 Nach Schrodt (1983 laumlszligt sich der Wechsel von Konjunktiv und Indikativ hier nur erklaumlren raquowenn man bei zielgerichtet modalisiertem Traumlgersatz autoshynome Modussetzung annimmllaquo Doch handelt es sich bei dem indikativischen Nebensatz um einen Attributsatz
34 Erdmann (1874 104)
35 Oumlh1schlaumlger (1989 166)
36 Zu weiteren Belegen vgl Kelle (1881 686f)
37 ErdrnannlW oIff (1973 128)
Modalverben als Substitutionsformen 191
quadun ni gisufchi nub er then Hut bisuichi I Joh er se thes gibCitti zi altere flf16itti I zi altemo wewen raquooba sie mo wollent hOrenlaquo (Otfrid mlS44ff) sie sagten er houmlre nicht auf daszlig er das Volk hintergehe und er sie noumltige
er] sie fuumlr immer zum ewigen Verderbnis verleite raquowenn sie auf ihn houmlren werdenlaquo
In allen diesen Faumlllen haben also die Modalverben Eigenbedeutung und sind weil sie in indikativischen Nebensaumltzen erscheinen keine Substishytutionsformen
3 Substitution durch Modalverben
31 Im Althochdeutschen38
Anders koumlnnte es sich in konjunktivischen Nebensaumltzen die Modalvershyben aufweisen verhalten Zu bedenken ist dabei daszlig wie bemerkt im Althochdeutschen der Konjunktiv vom Indikativ formal klar geschieden ist Behaumllt man den Begriff raquoSubstitutionlaquo bei so liegt hier demnach eine fakultative Substitution vor
311 Konjunktivische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung
3111 Objektsaumltze
Unter den komplexen Saumltzen die Objektsaumltze enthalten findet sich im Traumlgersatz ein faktives Verb bUden frohlocken Der Nebensatz steht im Konjunktiv39
(23) Abraham ther aHo er blidta sih thes Mrto I er thes sih muasi frowon then mfnan dag bisc6won (Otfrid III1849f)
Der alte Abraham frohlockte sehr daszlig er sich dessen dereinst wuumlrde freuen koumlnnen meinen Tag zu schauen
Der Konjunktiv duumlrfte hier autonom eingesetzt sein und zwar um die Unwirklichkeit des Ereignisses hervorzuheben4o muasi ist somit eine Substitutionsform mit Eigenbedeutung
38 Zum folgenden vgl Erdmann (1874 36f) Klaren
39 Zu indikativischen Nebensaumltzen bei Verben des Preuens im Matrixsatz vgl Wunder (196S 222)
40 Erdmann (187437)
192 RLuumlhr
Moumlglicherweise ebenfalls als autonom ist der Konjunktiv im Falle eishynes uumlbergeordneten wenn-Verbs das Bestandteil einer Aufforderung ist zu beurteilen41
Giwerdo uns geban druhtin mit thines selbes mahtin wir unsih muazin bIlden mit heilegon thinen (Otfrid Y241f) Laszlig dich herab uns mit deiner Allmacht zu gewaumlhren daszlig wir uns mit deishynen Heiligen freuen duumlrfen
In Frage kommt der Konjunktiv in der Funktion eines Optativs Ein Sonderfall einer Substitution mit Eigenbedeutung begegnet im
Falle eines wohl zu ergaumlnzenden wenn-Verbs
(25) Ward in sar tho filu leid thaz er sih sar fon in firmeid thaz muasin sih sin frowonjoh inan lango scouon (Otfrid YlO2lf) Es tat ihnen bald ungemein leid daszlig er sich schnell von ihnen entfernte [und es ihnen so unmoumlglich machte42] daszlig sie sich seiner freuen und ihn lange schauen konnten
Ist ein wenn-Verb verneint wird uumlber die Realisierung des Kompleshymentsatzgeschehens nichts ausgesagt sondern es wird nur erwaumlhnt In solchen Faumlllen tritt im abhaumlngigen Satz bevorzugt der Konjunktiv auf43
Dies gilt auch fuumlr das folgende Beispiel in dem ein mit ni daszlig einshygeleiteter konjunktivischer Nebensatz von einem negierten wenn-Verb abhaumlngt
(26) ni mugut ouh firlazan ni ir sulih sculit niazan (Otfrid Il2228) ihr koumlnnt nicht umhin daszlig ihr solches genieszligen werdet
Die Bedeutung des Modalverbs kann wohl mit werden umschrieben werden
Gegenuumlber den wenn-Verben erfordern die Verba sentiendi normashylerweise sowohl in der Affirmation als auch in der Negation einen konshyjunktivischen Nebensatz44 Eine Substitution mit Eigenbedeutung zeigt sich
(27) So hoh ist gomaheit sfn thaz mih ni thunkit megi sin theih scuahriomon sine zinbintanne birine (Otfrid 12757f)
41 Zum Problem des Konjunktivs bei raquomodalisierten Traumlgersaumltzenlaquo mit wennmiddotYershyben vgl Schrodt (1983 177)
42 Ygl Kelle (1881 266) es tat den Juumlngern von Emaus leid daszlig er sich ihnen entzog (und daszlig er sich ihnen dadurch entzog) daszlig sie sich seiner freuen konnshyten
43 Schrodt (1983 73f)
44 Zum Konjunktiv in den von Yerba sentiendi abhaumlngigen Nebensaumltzen vgl Schrodt (1983 259ff und 264) (anders dazu Wunder 1965 198ff)
Modalverben als Substitutionsormen 193
So groszlig ist seine Persoumlnlichkeit daszlig ich nicht daszlig ich seine Schuhshyriemen beruumlhren kann um sie zu loumlsen
Ebenso wie hinter den Verba sentiendi steht hinter Verben des Bittens der Nebensatz im Konjunktiv45 Die Modalverben haben Eigenbedeushytung in
(28) Thih bfttu ih mines muates thaz mir queme alles guates in ewon ginuagi zi druton thinen fUagi Thaz ih famer druhtin min mit themo droste
megi sin (Otfrid 1253ff)
Ich bitte dich von Herzen daszlig mir alles Gute immerzu hinreichend zuteil wird und daszlig ich zu Qeinen Lieben gehoumlre daszlig ich stets Herr mit deiner Hilfe sein kann
(29) Mit allen unsen kreftin bittemes nu druhtin Thaz wir unsih in then riuon ni muazin io biscowon Thaz Wir unsih muazin samanon zen gotes druttheganon Joh muazin mit then druton thes hfmilriches nioton Joh wir thar muazin untar fn blfde fora gote sin (Otfrid 128lff) Mit allen unseren Kraumlften bitten wir nun den Herrn daszlig wir uns nie im Ungluumlck befinden (eigentlich umsehen muumlssen) daszlig wir uns zu den lieben Dienern Gottes gesellen duumlrfen und mit den Heiligen das Himmelshyreich genieszligen duumlrfen und wir da zwischen ihnen froh vor Gott sein duumlrshyfen
Eigenbedeutung duumlrfte ferner vorliegen im Falle der Modalverben die in einem von Verben des Bemuumlhens abhaumlngigen konjunktivischen Neshybensatz46 vorkommen
(30) Ni thurfut ir biginnan thaz Ir ouh megit bringan thaz ir gote thionot joh thoh thia worolt minnot (Otfrid 1I223f) Ihr duumlrft nicht versuchen daszlig ihr zustande bringt (zustande bringen koumlnnt) Gott zu dienen und doch die Welt zu lieben
Nach den neuhochdeutschen Sprachregeln ist das Modalverb koumlnnen im Nebensatz uumlberfluumlssig Im aumllteren Deutsch ist aber hinter einem Verb der Bedeutung versuchen im Nebensatz sicher noch die Bedeushytung in der Lage sein von koumlnnen empfunden worden
Auch Verben des Wuumlnschens machen einen Nebensatz im Konjunkshytiv erforderlich47 Dem Modalverb kommt Eigenbedeutung zu in
(31) Sie wunsgtun muasin rinan thoh sinan tradon einan in sinen (Otfrid 1Il99f)
Sie wuumlnschten daszlig sie wenigstens einen Faden in seinem Gewand beruumlhren durften
45 Schrodt (1983
46 Schrodt (1983
47 Schrodt (1983
194 R Luumlhr
Im Falle von Verba dicendi im uumlbergeordneten Satz begegnet eine Satz verschraumlnkung in
(32) wer quedenl sie theih sculi sin odo ouh nicha wese min (Otfrid m128)
wer sagen sie daszlig ich sein soll oder wie es um mich bestellt sei
Das Verb quedan ist ebenso wie sprehhan ein raquoschwach transitives(( Verb solche Verben verlangen einen Inhaltssatz im Konjunktiv woshydurch Abhaumlngigkeit vom Traumlgersatz signalisiert wird48 Die Modalverbshyfugung ist eigentlich wiederzugeben mit wer sagen sie daszlig mir beshystimmt ist zu sein Moumlglich erscheint aber auch eine Wiedergabe mit wer sagen sie daszlig ich sein soll mit soll im Sinne man sagt Hier zeigt sich also moumlglicherweise ein Ansatz zu dem spaumlteren epistemishyschen Gebrauch von sollen49
Aumlhnlich liegt wohl der Fall bei einem verneinten Verbum dicendi im Traumlgersatz mit ni als Konjunktion
(33) Nintheizit mir iz muat min ni ther fon gote scuE sin 1es aumllleswio ni th6nkit ther sulih werk wirkit (Otfrid III20 I 49f)
Mein Herz stellt es mir nicht in Abrede daszlig der von Gott sein muszlig der auf nichts anderes sinnt als daszlig er ein solches Werk tut
Zugrunde liegt die Vorstellung ni ther fon gote sculi sfn daszlig dem beshystimmt ist von Gott zu sein
3112 Adverbialsaumltze
Bei den Adverbialsaumltzen herrscht in den Finalsaumltzen wie bemerkt der Konjunktiv50 daher haben die Modalverben die Funktion von Substishytutionen und zwar mit Eigenbedeutung Es kommen die Modalverben muazan mugan und einmal wollen vor die wie gezeigt werden kann voneinander deutlich unterschiedene semantische Leistungen erbrinshygen51
(34) sie fergont druta ouh sille thes liebes in nirzfhe Thaz muazin sih thes fr6won (Otfrid V2350f) sie flehen auch seine Lieben an daszlig er ihnen das Ersehnte nicht vorenthalshyten moumlge damit sie sich daran erfreuen koumlnnen
48 Schrodt (1983 222)
49 Zu Zeugnissen fuumlr die epistemlsche Verwendung von Modalverben im Fruumlhneushyhochdeutschen vgl Fritz (1991 33ff)
50 Dazu Kahl (1890 45)
51 Dazu Luumlhr (1996)
Modalverben als Substitutions formen 195
(35) Druhtin atleswio ni dua mih io fuagi tharazua thaz fh mih untar thinen iamer muazi bUden (Otfrid V2417f)
Herr versage es nicht geselle mich stets dazu damit ich mich unter den Deinen immerzu freuen kann
(36) In rehtemo muate erge uns iz io zi guate 1 thaz wIr io muazin blide wesan sdlka sine (Otfrid III2014lf)
In rechtem Sinn wende es sich uns stets zum Guten damit wir immerzu froh deine Diener sein koumlnnen 152
(37) Nu bifflu ih mih hiar then beziron allen in war 1 allen g6tes theganon mit selben Kristes seganon 1 Thaz thie se1bun smahi min in gihugti muazin iro sin (Otfrid V2587fq
Und ich empfehle mich fuumlrwahr hier allen Gottesfuumlrchtigen indem ich fuumlr alle Diener Gottes den Segen Christi selber anrufe damit ich in ihrer Erinneshyrung sein kann
(38) bat man gabi imo then man thoh tho so bilibanan 1 Thaz muasi er thara wisen then lfchamon 16sen (Otfrid IV356f)
er [Joseph von Arimathaumla] bat daszlig man ihm den Mann gebe der doch so umgekommen war damit er Vorbereitungen treffen konnte den Leichnam abzunehmen
(39) sie warun wartenti wara man nan legeti 1 Thaz sIe nan muasin fuaren gishysuaslicho biruaren I Joh muasin thes giflfzan gisuaslicho birfazan (Otfrid IV3524ff)
sie beobachteten wohin man ihn legte damit sie ihn ruumlsten konnten auf vertraute Weise beruumlhren und danach trachten konnten ihn liebevoll zu beweinen
(40) Ira ferah bot thaz wib thaz iz muasi haben Ifb (Otfrid 12019)
Ihr Leben bot die Frau an damit es [das Kind] am Leben bleiben durfte
(41) irquicki in mir thia mina muadun sela 1 Theih hiar in libe irwizze zi thishynemo disge ouh sizze 1so er deta after thiu ih muad thingen zi thiu (Otfrid III I 22ff)
belebe in mir meine muumlde Seele damit ich hier im Leben befahigt bin auch an deinem Tische zu sitzen damit ich wie er [Lazarus] es spaumlter tat dahin gelangen darf
(42) Ther scado fliehe in gahe joh thiz sih uns io nahe I joh mit thfu giwerkon thaz thu uns es muazis thankon (Otfrid II2437f)
Das (moralische) Gebrechen weiche schnell und dies [die Heilung durch dich] nahe sich uns immer und damit wollen wir wirken damit du gar nicht anders kannst als es uns zu lohnen ( damit du uns es lohnen muszligt)
(43) Inliuht er unsih filu fram joh er hera in worolt quam 1 Thaz wir thaz irshykantin wara wir gangan scoltin I Joh wir nan muazin scowon 6ffenen 6ugon 1 Ofenemo muate theiz uns irge zi guate I mit thes herzen ougon muazin iamer sc6won (Otfrid III21 29ff)
52 V gl auch Otfrid V 241 f
196 RLuumlhr
Er erleuchte uns ganz und gar und er kam hierher auf die Welt damit wir erkennen wohin wir gehen sollen und damit wir ihn mit offenen Aushygen anschauen koumlnnen mit offenem Sinn damit es uns zum Heile gereishyche [damit] die Augen des Herzens [ihn] stets schauen koumlnnen
(44) Gerota iuer harto selb ther wfdarwerto thaz muasi er redan iu thaz muat s6 man korn in sfbe duat (Otfrid IV1315f)
Der Satan selbst begehrte euch heftig damit er Gelegenheit bekommt euer Herz zu sieben wie man Korn in das Sieb tut
fuumlr lat ecce satanas expetivit vos ut cribraret sicut triticum
(45) HaIt unsih in n6tin fon allen widarmuatin thaz muazin wir biwankon then abahen githankon (Otfrid 1I2423f) Beschuumltze uns sorgfaltig vor allen Verfolgungen damit es uns gegeben ist den boumlsen Gedanken zu entrinnen
(46) Thie selbun ewarton joh thie hereston suahtun 10 innan thiu urkundi luggu Thaz sie nan thoh mit liiginon m6hlin thar bir6dinon (Otfrid IV1923ff) Dieselben Hohenpriester und die Aumlltesten suchten inzwischen falsche Zeugnisse damit sie ihn wenigstens mit Luumlgen da uumlberfuumlhren konnten
(47) Det er iz then mannon zi einen frfstfrangon thaz sIe nan mohtin ghinashybrechon (Otfrid IV1963f) Er [der Hohepriester] verhalf den Menschen zu einer Gelegenheit [das Urshyteil zu fallen] damit sie ihn zugrunde richten konnten53
(48) Kapfetun sie lango was wuntar sie thero thingo mit hanton oba then 6ushygon thaz Mz sie mohtin sc6uon (Otfrid V1737f) Sie schauten lange sie wunderten sich uumlber die Dinge mit den Haumlnden uumlber den Augen damit sie besser sehen konnten
(49) Wir sculun hiar nu suntar gizellen ander wuntar Thaz wir fon seltsane w6la megin sare irkennen so iz giscrfban stat thia wuntarlichun g6tes dat (Otfrid V1215ff) Wir werden hier nun noch ein anderes Wunder erzaumlhlen damit wir aus einem Wunder sogleich das Wunder Gottes recht erkennen koumlnnen wie es beschrieben ist
(50) Beginnet g6te thankon thaz megit ir biwankon theso egislichun grunni ir natarono kiinni (Otfrid I2341f) Dankt Gott damit (so daszlig) ihr diesem schrecklichen Ungluumlck entrinnen koumlnnt ihr Natterngeschlechtl
Und das Beispiel mit wollen im Finalsatz ist
(51 ) gil6ubet thoh thera dati I Thaz ir thaz irkennet joh ouh gil6uben wollet thaz wir ein sculun sin fh inti fater minI (Otfrid III2262ff)
53 Zur Interpretation der Stelle vgl Kelle (1881 169)
Modalverben als Substitutions formen 197
Auf eine an eine 2 Person Plural gerichtete Aufforderung folgt ein Fishynalsatz mit dem konjunktivischen Modalverb wollet ebenfalls in der 2 Person Plural Behaumllt man in der neuhochdeutschen Uumlbersetzung das Modalverb bei so ergibt sich sofern man keinen Finalsatz mit einem nach der heutigen Sprachnorm redundanten Modalverb moumlgen bildet
so glaubt doch diesem Werk ihr moumlget erkennen und glauben daszlig uns bestimmt ist eins zu sein ich und mein Vater
Einer an eine 2 Person Plural gerichteten Aufforderung folgt also eine weitere Aufforderung mit einem Modalverb das einen Wunsch ausshydruckt Wird nun die erste Aufforderung als Bedingung und die zweite Aufforderung als eine erwuumlnschte Folge betrachtet wird zwischen den beiden Sachverhaltsbeschreibungen eine finale Relation etabliert54 Otshyfrid hat diese beiden Sachverhaltsbeschreibungen wohl in einer solchen Beziehung gesehen denn er hat in (51) die Konjunktion thaz im Sinne von damit verwendet
Als Finalsatz oder als Konsekutivsatz kann aufgefaszligt werden der Nebensatz in
(52) Driihtin fon then stankon thaz muaz55 ih ser biwankon I mih rum so Lazarum thu dati (Otfrid IIIl19f)
Herr befreie mich von dem Verwesungsgeruch [der Suumlnde] wie du es mit Lazarus tatest so daszlig56damit ich dem Leid entrinnen kann
Es ist nun zu prufen ob neben diesen Faumlllen in denen konjunktivische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung anzunehmen sind auch konshyjunktivische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung auftreten
312 Konjunktivische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung
3121 Objektsaumltze
Auf jeden Fall verblaszligt ist die Bedeutung des Modalverbs in (53) - im Matrixsatz erscheint ein Verbum sentiendi
(53) Gistuant gener (wan ih) thenken thaz er wolti wenken (Otfrid IV175)
Jener versuchte vermutlich [dem Hieb] auszuweichen (woumlrtliCh Jener glaube ich begann daran zu denken daszlig er [dem Hieb] ausweichen wollte)
54 Vgl dazu Luumlhr (1994217)
55 Mit Apokope vgl Piper (1884314)
56 Wunder (1965 230)
198 R Luumlhr
wollen kann hier aber futurischen Charakter haben indem es dem Vollshyverb wenken - insbesondere bei einem Verb des Anfangens in der Traumlshygerstruktur - ingressive Aktionsart verleiht57 Auf jeden Fall ermoumlglicht die Verwendung eines Modalverbs daszlig die beiden Vollverben reimen (thenken wenken) weshalb man von einer durch den Reim bedingten Substitutionsform sprechen kann
Moumlglicherweise ist so auch das schon behandelte Beispiel (3) intershypretierbar
Wir ei gun kuning einan anderan nih6inan I joh wanen waltan wolle ther keisor ubar alle (Otfrid IV2421f)
Da waumlnen im Althochdeutschen sowohl Vermutung als auch Erwartung ausdruumlckt58 erscheint bei einem solchen uumlbergeordneten Verb im abshyhaumlngigen Satz ein Modalverb das einen Eintritt eines Sachverhalts zum Ausdruck bringen kann (vgl oben) plausibel Auch hier spielt wie schon bemerkt der Reim eine Rolle (wolle alle)
Allein der Reim ist wohl fuumlr die Verwendung von scolti in (54) vershyantwortlich
(54) sie warun 6isconti war er wesan scolti (Otfrid II11538) fuumlr lat [ quaerebant eum] et dicebant ubi est ille sie fragten wo er sei
Zum Reim -nti(+ n) -lti(+ n) vgl Otfrid III2131 Thaz wir thaz irshykantin wara wir gangan scoltin
Trifft diese Annahme fuumlr (54) zu so stellt scolti eine konjunktivische Substitutionsform ohne Eigenbedeutung dar Denn indirekte Frageshysaumltze die von Verben des Fragens abhaumlngig sind stehen im Konjunkshytiv59
Ebenso also als Substitutionform ohne Eigenbedeutung die aus Reimgruumlnden - hier aber wegen des Reims der Vollverben gesetzt ist ist das Modalverb scolti aufzufassen in
(55) rafsta nan tho worto thera ungilouba harto I Ziu er scolti io thes githenken joh muates io giwenken (Otfrid III844f) er tadelte ihn heftig mit seinem Worte wegen des Unglaubens warum er das gedacht und keinen Mut gehabt habe
57 VgL DWb 30
58 Schuumltzcichel (1989 280) 59 Wunder (1965 309) Schrodt (1983 257f)
Modalverben als Substitutions formen 199
tadeln ist hier nicht als faktives Verb verwendet vielmehr fragt der ziushySatz nach den Gruumlnden des Tadelns60
313 Indikativische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung
Im Falle eines Attributsatzes der mit daszlig eingeleitet ist sind die Beshylege (56) und (56a) zu vergleichen
(56) tho ward irftlllit thiu zft I thaz sUliga thiu alta thaz kind tho beran scolta (Otfrid I9lf)
Da war die Zeit crfuumllltdaszlig die Gluumlckselige dic alte Frau das Kind gebaumlren sollte
(56a) thio zfti sih iIvUltun I thaz si chfnd bari zi woralti einmari (Otfrid 11129f)
die Zeiten erfuumlllten sich daszlig sie cin auszligerordentliches Kind ZUr Welt brachte
Da in (56a) der Konjunktiv steht handelt es sich bei scolta in (56) um eine indikativische Ersatzform mit Eigenbedeutung scolta reimt auf alta weshalb das Modalverb hier zu den reimbedingten Substitutionsshyformen zu zaumlhlen
Nach Erdmann ist zu den indikativischen Substitutionsformen Beishyspiel (57) zu rechnen61
(57) Bi hiu se thes ni h6getin 6ba sie thaz gifrumitin I thaz er nan mohta ana wan heizan Mur Uf stan I Joh mit theru krefti avur nan irqufcti I (Otfrid IV313ff)
Warum haumltten sic [die Juden] das nicht bedacht daszlig er [JcsusJ wenn sie das vollfuumlhrten [naumlmlich die Toumltung des Lazarusj ihn [Lazarusj aufs neue auferstehen lassen konntc und ihn abermals zum Leben erwecken wuumlrde
Der mit daszlig eingeleitete Nebensatz haumlngt von einem Verb des Denkens in einer konjunktivischen direkten Frage ab und wird mit einem konshyjunktivischen Verb fortgefuumlhrt Nach den althochdeutschen Modusreshygeln waumlre eigentlich mohti zu erwarten wie es die Freisinger Handshyschrift bietet Die Wiener Handschrift die die Quelle aller Handschrifshyten und vermutlich von Otfrid mit eigener Hand revidiert ist hat dageshygen mohta Dieses mohta nun sieht wie eine indikativische Ersatzform mit Eigenbedeutung aus Ebenso wie im abhaumlngigen Nebensatz autoshynome Konjunktive vorkommen gibt es aber moumlglicherweise in eigentshy
60 Vgl Wunder (1965307)
61 Erdmann (1874 37 und 111)
200 RLuumlhr
lich konjunktivischen Nebensaumltzen einen autonomen Indikativ Vielshyleicht hat Otfrid bewuszligt den Indikativ mohta gewaumlhlt um seiner Uumlbershyzeugung Ausdruck zu verleihen daszlig Jesus einerlei wie die Umstaumlnde sind in der Lage ist Lazarus von den Toten aufzuerwecken
314 Indikativische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung
Ein indirekter Fragesatz mit der Subjunktion ob liegt vor in
(58) thaz ir irkfaset ubar al aba siu fruma wesan seal (Otfrid S 6) damit ihr ganz und gar pruumlft ob es [likza Bruchstuumlck] gelungen ist
In den mit oba eingeleiteten indirekten Fragesaumltzen ist der Konjunktiv die Regel62 seal ist demnach indikativische Substitutionform ohne Eishygenbedeutung die offensichtlich aus Reimgruumlnden gewaumlhlt ist
32 Auswertung
Ordnet man nun die im Althochdeutschen moumlglichen Faumllle von Substishytution nach dem Grad ihrer Oumlkonomie so ergeben sich - da im Altshyhochdeutschen ja nur fakultative Substitution vorkommt dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung
Von den 36 fuumlr Substitution in Betracht kommenden Nebensaumltzen shynach unserer Definition ist ja Substitution nur in Nebensaumltzen die den Konjunktiv verlangen moumlglich - fallen die meisten naumlmlich 29 auf den Typ c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung Objektsaumltze 11 Adverbialsaumltze 18
62 Kelle (1881451) Zu zwei Ausnahmen im Indikativ und deren Begruumlndung Wunder (1965 284)
Modalverben als Substitutionsarmen 201
Danach folgt der Typ d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung Objektsaumltze 4 (53) (3) (54) (55) wolle
2mal seolti)
und dann der Typ cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung Objektsaumltze 2 (56) (57) (seolta mohta)
Nur in einem Objektsatz (58) hat man den Fall dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
Mit Ausnahme von mohta in (57) sind die Substitutionsformen der Tyshypen d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung (wolti wolle 2mal seolti) cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung (scolta) und dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
durch den Reim bedingt und in mohta liegt moumlglicherweise ein autoshynomer Indikativ vor Weil also der Konjunktiv in den konjunktivischen Nebensaumltzen bei weitem uumlberwiegt kann man sagen daszlig der Regel raquoKonjunktiv im Nebensatzlaquo ein groumlszligeres Gewicht zukommt als dem Prinzip der Sprachoumlkonomie Nur in drei Faumlllen von 29 erscheint ein indikativisches Modalverb als Substitution zweimal reimbedingt und einmal wohl aus inhaltlichen Gruumlnden In der Anwendung der den Neshybensatz kennzeichnenden Mittel hat also im Althochdeutschen der Konjunktiv eindeutig Vorrang vor der Kennzeichnung eines konjunkshytivischen Nebensatzes durch ein Modalverb
Zu fragen bleibt noch wieso von den althochdeutschen Modalverben am ehesten die Verben sollen und wollen als Konjunktiversatz auftreshyten Es liegt wohl an der Bedeutung dieser Modalverben Im Neuhochshydeutschen ist nach Oumlhlschlaumlger den beiden Verben im nicht-epistemishysehen Gebrauch gemeinsam daszlig dem Eintritt des durch die Infinitivshykonstruktion bezeichneten Sachverhalts eine Praumlferenz zukommt ohne
202 RLuumlhr
daszlig besondere Bedingungen eine Rolle spielen63 Demgegenuumlber ist bei den anderen nicht-epistemisch verwendeten Modalverben von Bedeushytung ob eine (vom Kontext gelieferte) Quelle oder der mit dem Subjekt bezeichnete Gegenstand den Eintritt des durch die Infinitivkonstruktion bezeichneten Sachverhalts zulaumlszligt oder wuumlnscht oder auch eine Faumlhigshykeit zu einer bestimmten Handlung hat Auch die althochdeutschen Modalverben sollen und wollen bringen bei Otfrid eine Praumlferenz zum Ausdruck wohingegen sich die uumlbrigen althochdeutschen Modalverben auf semantische Kategorien wie Permission Wunsch oder Faumlhigkeit beziehen Nimmt man nun an daszlig von diesen semantischen Kategorien die der Praumlferenz am wenigsten Eigenbedeutung hat wuumlrde verstaumlndshylich warum Otfrid aus Reimgruumlnden zur Substitution des Konjunktivs die Modalverben sollen und wollen verwendet hat Jedenfalls kann man bei Otfrid fuumlr die Hypotaxe allenfalls von einer reimbedingten Substitushytion des Konjunktivs durch Modalverben sprechen
33 Substitution durch Modalverben im Fruumlhneuhochdeutschen
Nach der Besprechung des althochdeutschen Materials stellt sich nun die Frage ob auch noch in der Sprache Luthers Substitution durch Moshydalverben vorhanden war Wie einige Beispiele belegen sollen ist dies in der Tat der Fall
331 Objektsatz
Es findet sich obligatorische Substitution Eigenbedeutung des Moshydalverbs
(59) haben wyr euch nicht mit ernst gepotten das yhr nicht sollt leren ynn dishysem namen (1522 Apg 528)
(60) Und wenn ich sie hette sollen fragen wie man die ersten zwey wort Matthei 1 Liber Generationis solte verdeutschen so hette yhr keiner gewist gack dazu zu sagen (Sendbrief 63335ff)
Und fakultative Substitutionen mit Eigenbedeutung begegnen in
(61) vnnd da si yhn sahen baten sie yhn das er weychen wolt von yhr grentze (1522 Matth 834) Das er von jrer Grentze weichen wolte64 (1546)
63 Oumlhlschlaumlger (1989 248ff)
64 Zu wollen mit Eigenbedeutung in von Verben des Bittens abhaumlngigen Saumltzen vgl DWb 30
Modalverben als Substitutions formen 203
(62) vnnd baU das er eyne hutten finden mochte dem Gott Jacob (1522 Apg746)
(63) Ich hab mich des getlissen ym dolmetzschen das ich rein und klar teutsch geben mOumlchte (Sendbrief 636 15f)
(64) vnd schaffet das man die iungen kindlin hyn werffen muste das sie nit lebendig blieben65 (1522 Apg 719)
332 Adverbialsatz
Auch in Finalsaumltzen erscheinen obligatorische und fakultative Substitushytionen mit Eigenbedeutung und zwar teils als eindeutige Konjunktivshyformen
(65) und eren umb keiner ander ursachen willen so starck wider die werck und treiben allein auff den glauben das die leute sollen sich ergern stossen und faUen (Sendbrief 64134ff)
(66) Denn wer dolmetzschen wil mus grosse vorrath von worten haben das er die wol kOumlnne haben wo eins an allen orten nicht lauten will (Sendbrief 6392lff)
(67) ehe den wir solche wacken und klotze aus dem wege reuumlmeten auff das man kOndte so fein daher gehen66 (Sendbrief 63624f)
Und ein Beleg fuumlr einen Konditionalsatz in dem das Modalverb Eigenshybedeutung hat ist
(68) Wenn ich nu den buchstaben nach aus der esel kunst solt des Engels wort verdeutschen muste ich also sagen (Sendbrief 639 1Of)
Diese Belege zeigen daszlig konjunktivische Modalverben mit Eigenbeshydeutung ebenso wie im Althochdeutschen noch im fruumlhneuhochdeutshysehen Nebensatz als Substitutionsformen des Konjunktivs fungieren67
65 Hinter einem faktiven Verb ist kein Konjunktiv zu erwarten
Mich wundert aber das man sich yn diser offentlichen sachen so mag sperren (Sendbrief 6426f)
66 Der Finalsatz wird mit Hauptsatzwortfolge weitergefuumlhrt in
Auff das wenn wir sagen die Christenheit yrre nicht so sollen wir auch sagen das sie auch nicht yrren und also kein lUumlgen auch an yn mUumlge gestrafft werden (Sendbrief 6452ff)
67 Weitere Belege sind
Und urteileten dem guten man sein werck die jhenigen so ym nicht gnug gewest weren das sie ym die schuch hetten sollen wischen (Sendbrief 6343ff)
204 R Luumlhr
Das Prinzip der Sprachoumlkonomie das in seiner striktesten Auspraumlgung eigentlich nur obligatorische indikativische Substitutionen des Konshyjunktivs fordert ist hier also noch nicht wirksam68
34 Faktoren fuumlr die Aufgabe der Substitution durch Modalverben im Neuhochdeutschen
Wieso hat sich dieser Sprachgebrauch nun zum Neuhochdeutschen hin geaumlndert Es gibt zweifellos aumluszligere Indizien die auf eine bewuszligte Unshyterdruumlckung der Modalverben als Substitutionen schlieszligen lassen Die Sprachkritiker des 19 Jahrhunderts haben vielfach die Beseitigung von Redundanz wie sie durch Modalverben in semantisch eindeutigen Neshybensaumltzen entsteht gefordert69 Verpoumlnt sind zB Ausdrucksweisen wie
(69) Wenn zur Einloumlsung eines Pfandes ein Vers verlangt werden sollte so richshytete man die Forderung meist an mich (Goethe) (anstatt Wenn zur Einloumlshysung eines Pfandes ein Vers verlangt wurde so )70
(70) Die Moumlglichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden haben mag (anstatt Die Moumlgshy
sie sind nicht werd das sie meine erbeit sollen erkennen (Sendbrief 64014f)
Es hatten vnser veter die hutten des zeugnis ynn der wusten wie er yhn das verordenet hatte da er zu Mosen redte das er sie machen solt nach dem furbild das er gesehen hatte (1522 Apg 744)
Wenn sie euch nu vbirantworten werden so sorget nicht wie oder was yhr reden solt (1522 Matth 1019)
Da diese rede horeten der hohe priester vnd die fursteher des tempels vnnd ander hohe priester worden si vbir yhn betretten was doch das werden wollt (1522 Apg 524)
nach dem es vnmuglich war das er sollt von yhm gehallten werden (1522 Apg 224)
Vgl auch
Wol hat Heintzens Lesterbuch bey jnen den verstand (Auffassung) das es ein scharff schwert sey wider den ChurfUumlrsten und uns das uns aufffressen solle im Augenblick 0541 Wider Hans Worst 47517ff)
68 Einschlaumlgige Belege finden sich auch in den Zeitungen des Jahres 1609 vgl den Beitrag von Fritz in diesem Band S 279
69 Vgl Luumlhr (1992 354)
70 Sanders (1894256)
Modalverben als Substitutionsarmen 205
lichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden hat)
(71) Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintreten muszligshyten (anstatt Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintraten) 1
(72) Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert sein soll (anstatt Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert ist) 72
(73) Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sollen sieben Zigeuner erfroren sein (anstatt Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sind sieben Zigeushyner erfroren)
(74) Zuverlaumlssig wird gemrudet daszlig die Feinde dort angekommen sein sollen (anstatt Zuverlaumlssig wird gemeldet daszlig die Feinde dort angekommen sind)3
Vor gar nicht langer Zeit waren also Ausdrucksweisen wie sie bereits im Althochdeutschen belegt werden konnten auch noch im Neuhochshydeutschen vorhanden Daszlig sie heute als schlechtes Deutsch gelten kann jedoch nicht allein dem Einfluszlig der Sprachkritiker zugeschrieben werden In der Sprache muumlssen sich Wandel vollzogen haben die den Einsatz von Modalverben in Nebensaumltzen uumlberfluumlssig machen Moumlgshylicherweise besteht ein Zusammenhang mit dem Ruumlckgang des Konshyjunktivs in Nebensaumltzen eine Vermutung die naumlherer Untersuchung bedarf Da im Althochdeutschen die Modalverben im Nebensatz in den allermeisten Faumlllen eine lexikalische Bedeutung haben entspricht die Verwendung der Modalverben im Nebensatz weitgehend der im Hauptshysatz Die Faumllle in denen Modalverben ohne Eigenbedeutung im Altshyhochdeutschen Konjunktivformen im Nebensatz ersetzen sind zu vershyeinzelt als daszlig man von einem Ansatz zur Grammatikalisierung spreshychen koumlnnte denn die Bedingung fuumlr diesen Gebrauch ist hier eben der Reim
4 Fazit
Nach dem weitreichendsten Prinzip der Sprachoumlkonomie wuumlrde man fuumlr die althochdeutsche Sprachperiode in konjunktivischen Nebensaumltshyzen Modalverben als fakultative indikativische Ersatzformen ohne Eishygenbedeutung vorhersagen Die Beleglage ergab jedoch daszlig als Ershy
7 Matthias (1906446)
72 Andresen (1923 156)
73 Lehmann (1878 181f)
206 RLuumlhr
satzform der Typ fakultatives konjunktivisches Modalverb mit Eigenshybedeutung bei weitem vorherrscht Das zeigt daszlig im Althochdeutschen im Falle der Kennzeichnung eines konjunktivischen Nebensatzes der Konjunktiv einen houmlheren Rang einnimmt als das Modalverb Auch im Fruumlhneuhochdeutschen kommen noch Modalverben als fakultative konjunktivische Ersatzformen mit Eigenbedeutung vor Die Kennzeichshynung eines konjunktivischen Nebensatzes durch ein Modalverb ist also in dieser Spachperiode nicht auf die obligatorischen Faumllle in denen der Konjunktiv des Vollverbs mit dem Indikativ formal zusammenfallen wuumlrde beschraumlnkt Was nun das Neuhochdeutsche angeht so gelten heute wie bei den Sprachkritikem des 19 Jahrhunderts Ausdrucksweishysen in denen ein Modalverb die Bedeutung eines semantisch eindeutishygen Nebensatzes verstaumlrkt als anstoumlszligig Erst in dieser Zeit kommt im Falle der Substitution des Konjunktivs durch Modalverben aus welchen Gruumlnden auch immer das schon im Althochdeutschen theoretisch zu erwartende sprachoumlkonomische Prinzip voll zum Tragen
Quellen
Berthold von Regensburg Vollstaumlndige Ausgabe seiner Predigten Mit Anmerkunshygen und Woumlrterbuch Band 1 hg von F Pfeiffer Wien 1862 Band 2 hg von J Strobl Wien 1880
D Martin Luthers Werke Kritische Gesamtausgabe 1 Werke 3 Deutsche Bibel Weimar 1883ff
Neidharts Lieder Hg von Moritz Haupt 2 Aufl neu bearbeitet von E Wieszligner Leipzig 1923
Otfrids Evangelienbuch Hg von O Erdmann Sechste Auflage besorgt von L Wolff Tuumlbingen 1973
Literatur
Andresen KG Sprachgebrauch und Sprachrichtigkeit im Deutschen Elfte Aufshylage hg von F Soumlhns Leipzig 1923
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184 R Luumlhr
men kann und dem Anteil der anderen in diesen Aumluszligerungen vorkomshymenden [ ] sprachlichen Mittellaquo16
22 Der Konjunktiv im althochdeutschen Nebensatz
Wie im Neuhochdeutschen erscheinen im Althochdeutschen irreale Satzgefuumlge mit Konjunktiv Praumlteritum Desgleichen findet sich der Konjunktiv in der indirekten Rede ferner in Finalsaumltzen und in Nebenshysaumltzen die von einem Ausdruck des Wunsches abhaumlngen Doch gibt es im Althochdeutschen auch erhebliche Unterschiede zum neuhochdeutshyschen Modusgebrauch Fuumlr unsere Frage nach der Substitution des Konjunktivs durch Modalverben ist dabei zweierlei wichtig und zwar die Zeitenfolge und die Bedingungen fuumlr den Gebrauch des Konjunkshytivs oder Indikativs im Nebensatz
221 Zeitenfolge
Im Althochdeutschen gilt noch das aus dem Germanischen ererbte raquoGeshysetzlaquo der Zeitenfolge Behaghel formuliert es folgendermaszligen raquoBei praumlsentischem Hauptsatz erscheint im Nebensatz der Konj Praumls bei praumlteritalem Hauptsatz der Konj Praumlt es sei denn daszlig ausdrucklich ein zeitlicher Gegensatz zwischem dem Vorgang des Hauptsatzes und dem des Nebensatzes festgestellt werden sol1laquo17
222 Bedingungen fuumlr den Gebrauch des Konjunktivs oder Indikativs im Nebensatz
Die Regeln fuumlr den unterschiedlichen Modusgebrauch vor allem in Obshyjektsaumltzen sind vielfaltig und nicht immer leicht zu durchschauen Wunshyders Auffassung der Konjunktiv im Nebensatz bei Otfrid gebe grundshysaumltzlich raquoeine Aussage als nicht-real (tatsaumlchlich oder nur vorgestellt)laquo an waumlhrend der Indikativ raquoder Modus der (tatsaumlchlichen oder vorgeshystellten) Realitaumltlaquo sei ist zu global18 Konsistenter ist Schrodts Beshyschreibung des Konjunktivgebrauchs in den alt- und mittelhochdeutshyschen Inhaltssaumltzen19 Wie er gezeigt hat erscheint das Verb des Neshy
16 Oumlhlschlaumlger (1989 16)
17 Behaghel (I928 675)
18 Wunder (1965 492)
19 Schrodt (1983 71ff)
Modalverben als Substitutions formen 185
ben satzes im Indikativ oder Konjunktiv je nachdem ob der Wahrheitsshywert des Komplements praumlsupponiert oder impliziert ist ob ein faktives Verb wie wissen offenbar sein ein implikatives Verb wie zustandeshybringen ein negativ-implikatives Verb wie vermeiden ein wenn-Verb wie zwingen ein negatives wenn-Verb wie verhindern ein nur-wennshyVerb wie faumlhig sein ein negatives nur-wenn-Verb wie zoumlgern oder ein raquononfaktiveslaquo Verb wie sagen im Traumlgersatz vorliegt
Doch ist unter bestimmten Bedingungen auch ein Moduswechsel moumlglich Bei Negierung des Verbs im Traumlgersatz kann sich die Ausshysage uumlber die Realitaumlt des im Komplementsatz ausgedruckten Gescheshyhens aumlndern was einenanderen Modus in (6) den Konjunktiv erforshydert
(6) uuamun es wiht ni fimamun I zi niheineru heiti waz er mit thiu 12255f)
Sie kamen so nach Hause sie verstanden in keiner Weise was er damit meinte
Ein verneintes wenn-Verb im Traumlgersatz laumlszligt im Nebensatz den Konshyjunktiv erwarten20 Schrodt rechnet Verben der sinnlichen Wahrnehshymung die eine auf Internalisierung des wahrzunehmenden Objekts abshyzielende Aktivitaumlt des Subjekts ausdrucken zu den wenn-Verben 21
Auch den umgekehrten Fall gibt es So bezeichnet ein nur-wennshyVerb wie faumlhig sein zum Beispiel in der Assertion eine positive Moumlgshylichkeit des Komplementsatzgeschehens und fordert den Konjunktiv im Nebensatz Ist dagegen ein nur-wenn-Verb verneint so steht damit die Nicht-Realitaumlt des Komplementsatzgeschehens fest das Verb im Neshybensatz erscheint so im Indikativ Weiterhin kann der Modus im Komshyplementsatz durch einen modalen Ausdruck im uumlbergeordneten Satz beeinfluszligt werden Vergleiche (7) mit (8)
(7) Petrus scalt thu heizen mit gil6ubu iz ouh giweizen I in thiu sis stark io so stein thaz thu sis miner drIlt ein (Otfrid II737f)
Petrus sollst du heiszligen mit Glauben es auch beweisen dadurch daszlig du stets fest wie ein Fels bist daszlig du einer meiner Juumlnger bist22
mit thiu sie thaz giweizent sie gotes kind heizent (Otfrid II1626) womit sie das beweisen daszlig sie Gottes Kinder heiszligen
20 Schrodt (1983 73 und 172f)
21 Schrodt (1983161)
22 Erdmann (1874 145)
186 R Luumlhr
Hinzu kommt daszlig in Nebensaumltzen der Konjunktiv auch wie im Hauptshysatz verwendet werden kann also als autonomer Konjunktiv
(9) raquoNfstlaquo quad er tho raquofruma thaz thaz man zukke thaz maz I then kindon in then hanton inti werfez uz then huntonlaquo (Otfrid III1O33f) Es ist nicht gut sagte er da daszlig man den Kindern das Essen aus den Haumlnshyden nimmt und es den Hunden vorwirft
Nach einem faktiven Ausdruck wie es ist gut erwartet man selbst bei Vemeinung den Indikativ denn auch in der Negation wird die Wahrshyheit des Komplements vorausgesetzt In (9) wird jedoch im Nebensatz eine allgemein guumlltige Aussage ausgedruumlckt was eine temporale Fixieshyrung des Komplementsatzgeschehens durch den Indikativ uumlberfluumlssig zu machen scheint23
Im Falle des Auftretens von Modalverben in Nebensaumltzen ist also sorgfaltig auf die Bedeutung des Verbs im uumlbergeordneten Satz zu achten
23 Modalverben in indikativischen Nebensaumltzen
An indikativischen Nebensaumltzen mit Modalverben also Faumlllen ohne Substitution sind etwa zu nennen Objektsaumltze Attributsaumltze und Adshyverbialsaumltze
231 Objektsaumltze
(10) Thiu quena sun was dnigenti joh sih harto scamenti I thaz siu scolta in elti mit kinde gan in henti (Otfrid 1485) Die Frau trug einen Sohn und sie schaumlmte sich sehr daszlig sie im Alter mit eishynem Kind an der Hand gehen sollte24
sih scamim im Matrixsatz ist ein faktives Verb und bei faktiven Vershyben in der Traumlgerstruktur steht der Nebensatz im Indikativ (zu einer Ausnahme vgL jedoch (9)) Aumlhnlich ist
(11) Thaz wfzist thu in thoh imo iz abwertaz sC I ni mag ouh mit then ougon zi geginwert V2337f)
23 Schrodt (1983 201)
24 In den Uumlbersetzungen werden die althochdeutschen Modalverben auch wenn sich vom Neuhochdeutschen her redundante Ausdrucksweisen ergeben durch entsprechende neuhochdeutsche Modalverben wiedergegeben diese koumlnnen aufgrund von Bedeutungswandel von den entsprechenden althochdeutschen Modalverben abweichen
Modalverben als Substitutionsonnen 187
Das weiszligt du genau daszlig man ist auch der Gegenstand sehr weit entfernt ihn auch nicht mit den Augen in der Gegenwart schauen kann25
Gleiches gilt fuumlr Objektsaumltze in der Funktion von indirekten mit wie eingeleiteten Fragesaumltzen die von einem Verb des raquoErkannt-Habenslaquo also ebenfalls einem faktiven Verb abhaumlngen
(12) hiar mag er lernen ubar al wio er gilouben scal 1266) hier kann er vollkommen lernen wie er glauben soll
Selbst hinter einem modalisierten Ausdruck im Traumlgersatz steht hier der Indikativ26
25 Zum Indikativ nach wissen vgl Schrodt (1983 199ff) Anders zu beurteilen ist
Ni wuntoro thu thih friunt min nubiz wola megi sin I nubiz werde wanne thaz sih es woroIt mende I (Otfrid II1 237f) Wundere dich nicht mein Freund als ob es nicht wohl sein koumlnnte als ob es nicht irgendeinmal geschehen werde daszlig sich daruumlber die Welt freut (Kelle 1881445)
Als Beispiel fuumlr den Ersatz des Konjunktivs durch eine Modalverbftigung vershygleicht Erdmann (187436)
in thir uuigit sein daz thu maht [forasago sin] (Christus und die Sashymariterin 28)
mit
raquoMin muatlaquo quad si raquoduat mih wfs thaz thu f6rasago sfs laquo (Otfrid II1455)
In beiden Faumlllen wuumlrde man nach der lateinischen Vorlage (Domine video quia propheta es tu) in der Tat einen Indikativ (2 Sg Ind Praumls bist) erwarten Moumlglicherweise ist jedoch aus Reimgruumlnden der Infinitiv sin (jorasago sin fehlt in der Handschrift) bzw die 2 Sg Konj Praumls sis gesetzt Da aber aus Reimshygruumlnden kaum gegen die Sprachrichtigkeit verstoszligen sein kann erscheint im Falle des faktiven Verbs sein wegan deutlich werden die Deutung daszlig du ein Prophet sein muszligt moumlglich - von den Gebrauchsweisen von magan kommt wohl die Bezeichnung eines Imstandeseins dessen aumluszligere Umstaumlnde eine mehr oder weniger starke Veranlassung enthalten in Frage (Luumlhr 1996) Und im zweiten Beleg koumlnnte - hinter einem wenn-Verb (wi s duan wissen lassen) _ ein Potentialis vorliegen C daszlig du ein Prophet sein duumlrftest)
26 Schrodt (1983 202) Andersjedoch
Lerne hiar thia guati wio unser druhtin dati (Otfrid III19 11) Lerne hier die Vortrefflichkeit kennen wie unser Herr gehandelt hat (Zu einer inhaltlichen Begruumlndung des Konjunktivs vgl Wunder 1965292)
188 R Liihr
Ein wenn-Verb also ein Verb das in der affirmativen Behauptung die Wahrheit des Komplements impliziert und so den Indikativ verlangt (vgl oben) begegnet in
(13) ther loz ther rfhtit unsih aI weliches siu wesan seal (Otfrid IV28 12) das Los das weist uns genau an wem sie (die Tunika) gehoumlren
Schwieriger ist folgender Fall mit einem wenn-Verb zu beurteilen In (14) gehoumlrt das uumlbergeordnete Verb zu der schon erwaumlhnten Gruppe von Verben der sinnlichen Wahrnehmung die eine Aktivitaumlt des Agens bezeichnen
Wanta iagilih tho thar instuant thaz ther man scolta wesan guat 1 zi guaten sih gizeliti ther suntigan so queliti (Otfrid Ill 1747f) Denn jeder begriff da sofort daszlig es sich gebuumlhrt daszlig der Mann gerecht ist [der] moumlge sich zu den Frommen zaumlhlen der einen Suumlnder so strafen will
Zwar folgt auf einen Nebensatz der das indikativische Modalverb seolta enthaumllt eine Fuumlgung im Konjunktiv Da jedoch instantan in eishynem weiteren Beleg mit einem indikativischen Komplementsatz vershybunden ist28 duumlrfte der Konjunktiv gizeliti autonom sein und die Funkshytion eines Wunsches haben seolta ist daher ebensowenig wie in den vorhergehenden Beispielen Ersatzform
Was Verben des Sagens im Traumlgersatz wie in (15) und (16) angeht so tritt hinter indikativischem nicht negiertem sagen in den mit wie einshygeleiteten Nebensaumltzen in gleicher Weise der Indikativ auf29
Sagen ih iu wio Ir nan sculut ffndan I (Otfrid 11217) Ich sage euch wie ihr ihn finden werdet
(16) joh selbo in sageta ubar aI wio egislih iz wesan scal (Otfrid V204)
27 Als indikativischer Nebensatz kann auch gedeutet werden
Tho rfht unsih thiu redina thaz wir uns warten thanana 1 thaz suht ni derre uns mera then lfdin joh thera sela (Otfrid m55) Da lehrte uns dieser Ausspruch daszlig wir uns davor in Acht nehmen damit
28 Hiar mugun wir instaotan 1 thaz quement ununahti fon suntono suhti (Otfrid III51f) Hieran koumlnnen wir erkennen daszlig koumlrperliche Krankheiten vom Verderben der Suumlnden kommen (vgl Schrodt 1983 164)
29 ih sagen thir wio sie datun (Otfrid 1937)
Uuio sie avur got thar drosta joh Moyses irlosta I thaz sagent buah zi waru (Otfrid H 87f)
Modalverben als Substitutionsormen 189
und er sagte ihnen deutlich wie schrecklich es juumlngste Gerichtl sein wird
seal steht hier also im Sinne von wird eine Bedeutung die sich mit der Bezeichnung einer Notwendigkeit oder eines Erfordernisses einer Handlung vertraumlgt Setzt man die von Oumlhlschlaumlger angenommene neushyhochdeutsche Bedeutung von soUen eine (vom Kontext gelieferte) Quelle will daszlig der mit dem Subjekt und der Infinitivkonstruktion beshyzeichnete Sachverhalt eintritt30 auch fuumlr das Althochdeutsche an so ist als erstes Argument einer Modalverbfuumlgung wie in (16) eine Fuumlllung wie In Hinblick auf das was Gott vorhat denkbar
Aumlhnlich
(17) Er zalt in ouh tho thar meist wio ther heilego geist 1 thie wfzzi in scolta meshyron mit sInes selbes leron I NiMinemo ni brusti ni er aHa fruma westi (Otfrid IV 1 537ff)
Auch erzaumlhlte er ihnen da insbesondere wie der heilige Geist ihnen den Verstand durch seine Lehren vermehren wird keinem duumlrfte mehr fehlen alles Nuumltzliche zu wissen3)
Vgl auch
(18) er unthankes in za]ta wio iz wesan scolta (Otfrid 1II2534)
Tho zalt in thiu sin guati I WIO se scoltun fahan zi herizohon zlahan I (Otfrid IV713ff)
tMr in ana zalta wio Krist in queman scolta (Otfrid V618)
joh wio er in thar gizalta wio thaz al wesan scolta (Otfrid IV634)32
232 Attributsaumltze
Ein mit der Subjunktion wie eingeleiteter indirekter Fragesatz als Attrishybutsatz findet sich in
(19) raquoSage uns meistar tMnne WIO thiu zft gigaoge I zeichan wio thu queman scaIt joh wio thiu woroIt ouh (Otfrid II2239f) Sage uns Herr nun wie die Zeit ablaumluft ein Zeichen wie du kommen wirst und wie die Welt auch untergeht
30 Oumlhlschlaumlger (1989 174)
31 Der Konjunktiv brust ist autonom
32 Dagegen koumlnnte der Konjunktiv die Bedeutung des Modalverbs verstaumlrken in
Zalt er ouh then mannon wio er se wolti minnon (Otfrid IV655 Schrodt 1983244 anders Wunder 1965291)
190 R Luumlhr
In diesem Beispiel faumlllt der Wechsel zwischen Konjunktiv (gigange) und Indikativ (scalt zigat) auf Da hinter imperativischem sagen sonst der Konjunktiv steht33 ist zu vermuten daszlig das fuumlr den Attributsatz fungierende Bezugswort Zeichen ein Substantiv das die Semantik eishynes wenn-Verbs hat den Moduswechsel zum Indikativ verursacht seal ist jedenfalls keine Ersatzform
233 Adverbialsaumltze
Ein reales Konditionalsatzgefuumlge liegt vor in
(20) Wio harto mihiJes mer gfuit druhtin tuer I guat ob ir mo folget inan bltshyten wollet (Otfrid IV77f)
Um wieviel mehr gibt euer Herr euch Gut wenn ihr ihm folgen und ihn bitshyten werdet
Da die einem Matrixsatz folgenden mit oba eingeleiteten Konditionalshysaumltze eine raquonachtraumlgliche oft ziemlich unwesentliche oder uumlberfluumlssige Angabe einer zum Eintreten des ersten angegebenen Ereignisses erforshyderlichen Vorbedingunglaquo34 enthalten kann man wollet mit werdet wiedergeben Geht man wieder von Oumlhlschlaumlgers Bedeutungsbeschreishybung des entsprechenden neuhochdeutschen Modalverbs aus35 so paszligt diese Bedeutung (vereinfacht ausgedruumlckt) auch fuumlr das Althochdeutshysche Der mit dem Subjekt bezeichnete Gegenstand zieht es vor daszlig der mit der Infinitivkonstruktion bezeichnete Sachverhalt eintritt vgl ferner fuumlr die 2 Person
(21) raquoWi1 thu thaz richi druhtin mit thfnes selbes rruihtin I ersezen thesen lfutin laquo (Otfrid V173) fuumlr lat acta apostol 16 domine in tempore hoc restitues regnum Israel36
Auf die gleiche Weise kann indikativisches wollen in dem in eine indishyrekte Rede eingebetteten als direkte Rede fungierenden Konditionalshysatz37 wiedergegeben werden
33 Nach Schrodt (1983 laumlszligt sich der Wechsel von Konjunktiv und Indikativ hier nur erklaumlren raquowenn man bei zielgerichtet modalisiertem Traumlgersatz autoshynome Modussetzung annimmllaquo Doch handelt es sich bei dem indikativischen Nebensatz um einen Attributsatz
34 Erdmann (1874 104)
35 Oumlh1schlaumlger (1989 166)
36 Zu weiteren Belegen vgl Kelle (1881 686f)
37 ErdrnannlW oIff (1973 128)
Modalverben als Substitutionsformen 191
quadun ni gisufchi nub er then Hut bisuichi I Joh er se thes gibCitti zi altere flf16itti I zi altemo wewen raquooba sie mo wollent hOrenlaquo (Otfrid mlS44ff) sie sagten er houmlre nicht auf daszlig er das Volk hintergehe und er sie noumltige
er] sie fuumlr immer zum ewigen Verderbnis verleite raquowenn sie auf ihn houmlren werdenlaquo
In allen diesen Faumlllen haben also die Modalverben Eigenbedeutung und sind weil sie in indikativischen Nebensaumltzen erscheinen keine Substishytutionsformen
3 Substitution durch Modalverben
31 Im Althochdeutschen38
Anders koumlnnte es sich in konjunktivischen Nebensaumltzen die Modalvershyben aufweisen verhalten Zu bedenken ist dabei daszlig wie bemerkt im Althochdeutschen der Konjunktiv vom Indikativ formal klar geschieden ist Behaumllt man den Begriff raquoSubstitutionlaquo bei so liegt hier demnach eine fakultative Substitution vor
311 Konjunktivische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung
3111 Objektsaumltze
Unter den komplexen Saumltzen die Objektsaumltze enthalten findet sich im Traumlgersatz ein faktives Verb bUden frohlocken Der Nebensatz steht im Konjunktiv39
(23) Abraham ther aHo er blidta sih thes Mrto I er thes sih muasi frowon then mfnan dag bisc6won (Otfrid III1849f)
Der alte Abraham frohlockte sehr daszlig er sich dessen dereinst wuumlrde freuen koumlnnen meinen Tag zu schauen
Der Konjunktiv duumlrfte hier autonom eingesetzt sein und zwar um die Unwirklichkeit des Ereignisses hervorzuheben4o muasi ist somit eine Substitutionsform mit Eigenbedeutung
38 Zum folgenden vgl Erdmann (1874 36f) Klaren
39 Zu indikativischen Nebensaumltzen bei Verben des Preuens im Matrixsatz vgl Wunder (196S 222)
40 Erdmann (187437)
192 RLuumlhr
Moumlglicherweise ebenfalls als autonom ist der Konjunktiv im Falle eishynes uumlbergeordneten wenn-Verbs das Bestandteil einer Aufforderung ist zu beurteilen41
Giwerdo uns geban druhtin mit thines selbes mahtin wir unsih muazin bIlden mit heilegon thinen (Otfrid Y241f) Laszlig dich herab uns mit deiner Allmacht zu gewaumlhren daszlig wir uns mit deishynen Heiligen freuen duumlrfen
In Frage kommt der Konjunktiv in der Funktion eines Optativs Ein Sonderfall einer Substitution mit Eigenbedeutung begegnet im
Falle eines wohl zu ergaumlnzenden wenn-Verbs
(25) Ward in sar tho filu leid thaz er sih sar fon in firmeid thaz muasin sih sin frowonjoh inan lango scouon (Otfrid YlO2lf) Es tat ihnen bald ungemein leid daszlig er sich schnell von ihnen entfernte [und es ihnen so unmoumlglich machte42] daszlig sie sich seiner freuen und ihn lange schauen konnten
Ist ein wenn-Verb verneint wird uumlber die Realisierung des Kompleshymentsatzgeschehens nichts ausgesagt sondern es wird nur erwaumlhnt In solchen Faumlllen tritt im abhaumlngigen Satz bevorzugt der Konjunktiv auf43
Dies gilt auch fuumlr das folgende Beispiel in dem ein mit ni daszlig einshygeleiteter konjunktivischer Nebensatz von einem negierten wenn-Verb abhaumlngt
(26) ni mugut ouh firlazan ni ir sulih sculit niazan (Otfrid Il2228) ihr koumlnnt nicht umhin daszlig ihr solches genieszligen werdet
Die Bedeutung des Modalverbs kann wohl mit werden umschrieben werden
Gegenuumlber den wenn-Verben erfordern die Verba sentiendi normashylerweise sowohl in der Affirmation als auch in der Negation einen konshyjunktivischen Nebensatz44 Eine Substitution mit Eigenbedeutung zeigt sich
(27) So hoh ist gomaheit sfn thaz mih ni thunkit megi sin theih scuahriomon sine zinbintanne birine (Otfrid 12757f)
41 Zum Problem des Konjunktivs bei raquomodalisierten Traumlgersaumltzenlaquo mit wennmiddotYershyben vgl Schrodt (1983 177)
42 Ygl Kelle (1881 266) es tat den Juumlngern von Emaus leid daszlig er sich ihnen entzog (und daszlig er sich ihnen dadurch entzog) daszlig sie sich seiner freuen konnshyten
43 Schrodt (1983 73f)
44 Zum Konjunktiv in den von Yerba sentiendi abhaumlngigen Nebensaumltzen vgl Schrodt (1983 259ff und 264) (anders dazu Wunder 1965 198ff)
Modalverben als Substitutionsormen 193
So groszlig ist seine Persoumlnlichkeit daszlig ich nicht daszlig ich seine Schuhshyriemen beruumlhren kann um sie zu loumlsen
Ebenso wie hinter den Verba sentiendi steht hinter Verben des Bittens der Nebensatz im Konjunktiv45 Die Modalverben haben Eigenbedeushytung in
(28) Thih bfttu ih mines muates thaz mir queme alles guates in ewon ginuagi zi druton thinen fUagi Thaz ih famer druhtin min mit themo droste
megi sin (Otfrid 1253ff)
Ich bitte dich von Herzen daszlig mir alles Gute immerzu hinreichend zuteil wird und daszlig ich zu Qeinen Lieben gehoumlre daszlig ich stets Herr mit deiner Hilfe sein kann
(29) Mit allen unsen kreftin bittemes nu druhtin Thaz wir unsih in then riuon ni muazin io biscowon Thaz Wir unsih muazin samanon zen gotes druttheganon Joh muazin mit then druton thes hfmilriches nioton Joh wir thar muazin untar fn blfde fora gote sin (Otfrid 128lff) Mit allen unseren Kraumlften bitten wir nun den Herrn daszlig wir uns nie im Ungluumlck befinden (eigentlich umsehen muumlssen) daszlig wir uns zu den lieben Dienern Gottes gesellen duumlrfen und mit den Heiligen das Himmelshyreich genieszligen duumlrfen und wir da zwischen ihnen froh vor Gott sein duumlrshyfen
Eigenbedeutung duumlrfte ferner vorliegen im Falle der Modalverben die in einem von Verben des Bemuumlhens abhaumlngigen konjunktivischen Neshybensatz46 vorkommen
(30) Ni thurfut ir biginnan thaz Ir ouh megit bringan thaz ir gote thionot joh thoh thia worolt minnot (Otfrid 1I223f) Ihr duumlrft nicht versuchen daszlig ihr zustande bringt (zustande bringen koumlnnt) Gott zu dienen und doch die Welt zu lieben
Nach den neuhochdeutschen Sprachregeln ist das Modalverb koumlnnen im Nebensatz uumlberfluumlssig Im aumllteren Deutsch ist aber hinter einem Verb der Bedeutung versuchen im Nebensatz sicher noch die Bedeushytung in der Lage sein von koumlnnen empfunden worden
Auch Verben des Wuumlnschens machen einen Nebensatz im Konjunkshytiv erforderlich47 Dem Modalverb kommt Eigenbedeutung zu in
(31) Sie wunsgtun muasin rinan thoh sinan tradon einan in sinen (Otfrid 1Il99f)
Sie wuumlnschten daszlig sie wenigstens einen Faden in seinem Gewand beruumlhren durften
45 Schrodt (1983
46 Schrodt (1983
47 Schrodt (1983
194 R Luumlhr
Im Falle von Verba dicendi im uumlbergeordneten Satz begegnet eine Satz verschraumlnkung in
(32) wer quedenl sie theih sculi sin odo ouh nicha wese min (Otfrid m128)
wer sagen sie daszlig ich sein soll oder wie es um mich bestellt sei
Das Verb quedan ist ebenso wie sprehhan ein raquoschwach transitives(( Verb solche Verben verlangen einen Inhaltssatz im Konjunktiv woshydurch Abhaumlngigkeit vom Traumlgersatz signalisiert wird48 Die Modalverbshyfugung ist eigentlich wiederzugeben mit wer sagen sie daszlig mir beshystimmt ist zu sein Moumlglich erscheint aber auch eine Wiedergabe mit wer sagen sie daszlig ich sein soll mit soll im Sinne man sagt Hier zeigt sich also moumlglicherweise ein Ansatz zu dem spaumlteren epistemishyschen Gebrauch von sollen49
Aumlhnlich liegt wohl der Fall bei einem verneinten Verbum dicendi im Traumlgersatz mit ni als Konjunktion
(33) Nintheizit mir iz muat min ni ther fon gote scuE sin 1es aumllleswio ni th6nkit ther sulih werk wirkit (Otfrid III20 I 49f)
Mein Herz stellt es mir nicht in Abrede daszlig der von Gott sein muszlig der auf nichts anderes sinnt als daszlig er ein solches Werk tut
Zugrunde liegt die Vorstellung ni ther fon gote sculi sfn daszlig dem beshystimmt ist von Gott zu sein
3112 Adverbialsaumltze
Bei den Adverbialsaumltzen herrscht in den Finalsaumltzen wie bemerkt der Konjunktiv50 daher haben die Modalverben die Funktion von Substishytutionen und zwar mit Eigenbedeutung Es kommen die Modalverben muazan mugan und einmal wollen vor die wie gezeigt werden kann voneinander deutlich unterschiedene semantische Leistungen erbrinshygen51
(34) sie fergont druta ouh sille thes liebes in nirzfhe Thaz muazin sih thes fr6won (Otfrid V2350f) sie flehen auch seine Lieben an daszlig er ihnen das Ersehnte nicht vorenthalshyten moumlge damit sie sich daran erfreuen koumlnnen
48 Schrodt (1983 222)
49 Zu Zeugnissen fuumlr die epistemlsche Verwendung von Modalverben im Fruumlhneushyhochdeutschen vgl Fritz (1991 33ff)
50 Dazu Kahl (1890 45)
51 Dazu Luumlhr (1996)
Modalverben als Substitutions formen 195
(35) Druhtin atleswio ni dua mih io fuagi tharazua thaz fh mih untar thinen iamer muazi bUden (Otfrid V2417f)
Herr versage es nicht geselle mich stets dazu damit ich mich unter den Deinen immerzu freuen kann
(36) In rehtemo muate erge uns iz io zi guate 1 thaz wIr io muazin blide wesan sdlka sine (Otfrid III2014lf)
In rechtem Sinn wende es sich uns stets zum Guten damit wir immerzu froh deine Diener sein koumlnnen 152
(37) Nu bifflu ih mih hiar then beziron allen in war 1 allen g6tes theganon mit selben Kristes seganon 1 Thaz thie se1bun smahi min in gihugti muazin iro sin (Otfrid V2587fq
Und ich empfehle mich fuumlrwahr hier allen Gottesfuumlrchtigen indem ich fuumlr alle Diener Gottes den Segen Christi selber anrufe damit ich in ihrer Erinneshyrung sein kann
(38) bat man gabi imo then man thoh tho so bilibanan 1 Thaz muasi er thara wisen then lfchamon 16sen (Otfrid IV356f)
er [Joseph von Arimathaumla] bat daszlig man ihm den Mann gebe der doch so umgekommen war damit er Vorbereitungen treffen konnte den Leichnam abzunehmen
(39) sie warun wartenti wara man nan legeti 1 Thaz sIe nan muasin fuaren gishysuaslicho biruaren I Joh muasin thes giflfzan gisuaslicho birfazan (Otfrid IV3524ff)
sie beobachteten wohin man ihn legte damit sie ihn ruumlsten konnten auf vertraute Weise beruumlhren und danach trachten konnten ihn liebevoll zu beweinen
(40) Ira ferah bot thaz wib thaz iz muasi haben Ifb (Otfrid 12019)
Ihr Leben bot die Frau an damit es [das Kind] am Leben bleiben durfte
(41) irquicki in mir thia mina muadun sela 1 Theih hiar in libe irwizze zi thishynemo disge ouh sizze 1so er deta after thiu ih muad thingen zi thiu (Otfrid III I 22ff)
belebe in mir meine muumlde Seele damit ich hier im Leben befahigt bin auch an deinem Tische zu sitzen damit ich wie er [Lazarus] es spaumlter tat dahin gelangen darf
(42) Ther scado fliehe in gahe joh thiz sih uns io nahe I joh mit thfu giwerkon thaz thu uns es muazis thankon (Otfrid II2437f)
Das (moralische) Gebrechen weiche schnell und dies [die Heilung durch dich] nahe sich uns immer und damit wollen wir wirken damit du gar nicht anders kannst als es uns zu lohnen ( damit du uns es lohnen muszligt)
(43) Inliuht er unsih filu fram joh er hera in worolt quam 1 Thaz wir thaz irshykantin wara wir gangan scoltin I Joh wir nan muazin scowon 6ffenen 6ugon 1 Ofenemo muate theiz uns irge zi guate I mit thes herzen ougon muazin iamer sc6won (Otfrid III21 29ff)
52 V gl auch Otfrid V 241 f
196 RLuumlhr
Er erleuchte uns ganz und gar und er kam hierher auf die Welt damit wir erkennen wohin wir gehen sollen und damit wir ihn mit offenen Aushygen anschauen koumlnnen mit offenem Sinn damit es uns zum Heile gereishyche [damit] die Augen des Herzens [ihn] stets schauen koumlnnen
(44) Gerota iuer harto selb ther wfdarwerto thaz muasi er redan iu thaz muat s6 man korn in sfbe duat (Otfrid IV1315f)
Der Satan selbst begehrte euch heftig damit er Gelegenheit bekommt euer Herz zu sieben wie man Korn in das Sieb tut
fuumlr lat ecce satanas expetivit vos ut cribraret sicut triticum
(45) HaIt unsih in n6tin fon allen widarmuatin thaz muazin wir biwankon then abahen githankon (Otfrid 1I2423f) Beschuumltze uns sorgfaltig vor allen Verfolgungen damit es uns gegeben ist den boumlsen Gedanken zu entrinnen
(46) Thie selbun ewarton joh thie hereston suahtun 10 innan thiu urkundi luggu Thaz sie nan thoh mit liiginon m6hlin thar bir6dinon (Otfrid IV1923ff) Dieselben Hohenpriester und die Aumlltesten suchten inzwischen falsche Zeugnisse damit sie ihn wenigstens mit Luumlgen da uumlberfuumlhren konnten
(47) Det er iz then mannon zi einen frfstfrangon thaz sIe nan mohtin ghinashybrechon (Otfrid IV1963f) Er [der Hohepriester] verhalf den Menschen zu einer Gelegenheit [das Urshyteil zu fallen] damit sie ihn zugrunde richten konnten53
(48) Kapfetun sie lango was wuntar sie thero thingo mit hanton oba then 6ushygon thaz Mz sie mohtin sc6uon (Otfrid V1737f) Sie schauten lange sie wunderten sich uumlber die Dinge mit den Haumlnden uumlber den Augen damit sie besser sehen konnten
(49) Wir sculun hiar nu suntar gizellen ander wuntar Thaz wir fon seltsane w6la megin sare irkennen so iz giscrfban stat thia wuntarlichun g6tes dat (Otfrid V1215ff) Wir werden hier nun noch ein anderes Wunder erzaumlhlen damit wir aus einem Wunder sogleich das Wunder Gottes recht erkennen koumlnnen wie es beschrieben ist
(50) Beginnet g6te thankon thaz megit ir biwankon theso egislichun grunni ir natarono kiinni (Otfrid I2341f) Dankt Gott damit (so daszlig) ihr diesem schrecklichen Ungluumlck entrinnen koumlnnt ihr Natterngeschlechtl
Und das Beispiel mit wollen im Finalsatz ist
(51 ) gil6ubet thoh thera dati I Thaz ir thaz irkennet joh ouh gil6uben wollet thaz wir ein sculun sin fh inti fater minI (Otfrid III2262ff)
53 Zur Interpretation der Stelle vgl Kelle (1881 169)
Modalverben als Substitutions formen 197
Auf eine an eine 2 Person Plural gerichtete Aufforderung folgt ein Fishynalsatz mit dem konjunktivischen Modalverb wollet ebenfalls in der 2 Person Plural Behaumllt man in der neuhochdeutschen Uumlbersetzung das Modalverb bei so ergibt sich sofern man keinen Finalsatz mit einem nach der heutigen Sprachnorm redundanten Modalverb moumlgen bildet
so glaubt doch diesem Werk ihr moumlget erkennen und glauben daszlig uns bestimmt ist eins zu sein ich und mein Vater
Einer an eine 2 Person Plural gerichteten Aufforderung folgt also eine weitere Aufforderung mit einem Modalverb das einen Wunsch ausshydruckt Wird nun die erste Aufforderung als Bedingung und die zweite Aufforderung als eine erwuumlnschte Folge betrachtet wird zwischen den beiden Sachverhaltsbeschreibungen eine finale Relation etabliert54 Otshyfrid hat diese beiden Sachverhaltsbeschreibungen wohl in einer solchen Beziehung gesehen denn er hat in (51) die Konjunktion thaz im Sinne von damit verwendet
Als Finalsatz oder als Konsekutivsatz kann aufgefaszligt werden der Nebensatz in
(52) Driihtin fon then stankon thaz muaz55 ih ser biwankon I mih rum so Lazarum thu dati (Otfrid IIIl19f)
Herr befreie mich von dem Verwesungsgeruch [der Suumlnde] wie du es mit Lazarus tatest so daszlig56damit ich dem Leid entrinnen kann
Es ist nun zu prufen ob neben diesen Faumlllen in denen konjunktivische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung anzunehmen sind auch konshyjunktivische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung auftreten
312 Konjunktivische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung
3121 Objektsaumltze
Auf jeden Fall verblaszligt ist die Bedeutung des Modalverbs in (53) - im Matrixsatz erscheint ein Verbum sentiendi
(53) Gistuant gener (wan ih) thenken thaz er wolti wenken (Otfrid IV175)
Jener versuchte vermutlich [dem Hieb] auszuweichen (woumlrtliCh Jener glaube ich begann daran zu denken daszlig er [dem Hieb] ausweichen wollte)
54 Vgl dazu Luumlhr (1994217)
55 Mit Apokope vgl Piper (1884314)
56 Wunder (1965 230)
198 R Luumlhr
wollen kann hier aber futurischen Charakter haben indem es dem Vollshyverb wenken - insbesondere bei einem Verb des Anfangens in der Traumlshygerstruktur - ingressive Aktionsart verleiht57 Auf jeden Fall ermoumlglicht die Verwendung eines Modalverbs daszlig die beiden Vollverben reimen (thenken wenken) weshalb man von einer durch den Reim bedingten Substitutionsform sprechen kann
Moumlglicherweise ist so auch das schon behandelte Beispiel (3) intershypretierbar
Wir ei gun kuning einan anderan nih6inan I joh wanen waltan wolle ther keisor ubar alle (Otfrid IV2421f)
Da waumlnen im Althochdeutschen sowohl Vermutung als auch Erwartung ausdruumlckt58 erscheint bei einem solchen uumlbergeordneten Verb im abshyhaumlngigen Satz ein Modalverb das einen Eintritt eines Sachverhalts zum Ausdruck bringen kann (vgl oben) plausibel Auch hier spielt wie schon bemerkt der Reim eine Rolle (wolle alle)
Allein der Reim ist wohl fuumlr die Verwendung von scolti in (54) vershyantwortlich
(54) sie warun 6isconti war er wesan scolti (Otfrid II11538) fuumlr lat [ quaerebant eum] et dicebant ubi est ille sie fragten wo er sei
Zum Reim -nti(+ n) -lti(+ n) vgl Otfrid III2131 Thaz wir thaz irshykantin wara wir gangan scoltin
Trifft diese Annahme fuumlr (54) zu so stellt scolti eine konjunktivische Substitutionsform ohne Eigenbedeutung dar Denn indirekte Frageshysaumltze die von Verben des Fragens abhaumlngig sind stehen im Konjunkshytiv59
Ebenso also als Substitutionform ohne Eigenbedeutung die aus Reimgruumlnden - hier aber wegen des Reims der Vollverben gesetzt ist ist das Modalverb scolti aufzufassen in
(55) rafsta nan tho worto thera ungilouba harto I Ziu er scolti io thes githenken joh muates io giwenken (Otfrid III844f) er tadelte ihn heftig mit seinem Worte wegen des Unglaubens warum er das gedacht und keinen Mut gehabt habe
57 VgL DWb 30
58 Schuumltzcichel (1989 280) 59 Wunder (1965 309) Schrodt (1983 257f)
Modalverben als Substitutions formen 199
tadeln ist hier nicht als faktives Verb verwendet vielmehr fragt der ziushySatz nach den Gruumlnden des Tadelns60
313 Indikativische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung
Im Falle eines Attributsatzes der mit daszlig eingeleitet ist sind die Beshylege (56) und (56a) zu vergleichen
(56) tho ward irftlllit thiu zft I thaz sUliga thiu alta thaz kind tho beran scolta (Otfrid I9lf)
Da war die Zeit crfuumllltdaszlig die Gluumlckselige dic alte Frau das Kind gebaumlren sollte
(56a) thio zfti sih iIvUltun I thaz si chfnd bari zi woralti einmari (Otfrid 11129f)
die Zeiten erfuumlllten sich daszlig sie cin auszligerordentliches Kind ZUr Welt brachte
Da in (56a) der Konjunktiv steht handelt es sich bei scolta in (56) um eine indikativische Ersatzform mit Eigenbedeutung scolta reimt auf alta weshalb das Modalverb hier zu den reimbedingten Substitutionsshyformen zu zaumlhlen
Nach Erdmann ist zu den indikativischen Substitutionsformen Beishyspiel (57) zu rechnen61
(57) Bi hiu se thes ni h6getin 6ba sie thaz gifrumitin I thaz er nan mohta ana wan heizan Mur Uf stan I Joh mit theru krefti avur nan irqufcti I (Otfrid IV313ff)
Warum haumltten sic [die Juden] das nicht bedacht daszlig er [JcsusJ wenn sie das vollfuumlhrten [naumlmlich die Toumltung des Lazarusj ihn [Lazarusj aufs neue auferstehen lassen konntc und ihn abermals zum Leben erwecken wuumlrde
Der mit daszlig eingeleitete Nebensatz haumlngt von einem Verb des Denkens in einer konjunktivischen direkten Frage ab und wird mit einem konshyjunktivischen Verb fortgefuumlhrt Nach den althochdeutschen Modusreshygeln waumlre eigentlich mohti zu erwarten wie es die Freisinger Handshyschrift bietet Die Wiener Handschrift die die Quelle aller Handschrifshyten und vermutlich von Otfrid mit eigener Hand revidiert ist hat dageshygen mohta Dieses mohta nun sieht wie eine indikativische Ersatzform mit Eigenbedeutung aus Ebenso wie im abhaumlngigen Nebensatz autoshynome Konjunktive vorkommen gibt es aber moumlglicherweise in eigentshy
60 Vgl Wunder (1965307)
61 Erdmann (1874 37 und 111)
200 RLuumlhr
lich konjunktivischen Nebensaumltzen einen autonomen Indikativ Vielshyleicht hat Otfrid bewuszligt den Indikativ mohta gewaumlhlt um seiner Uumlbershyzeugung Ausdruck zu verleihen daszlig Jesus einerlei wie die Umstaumlnde sind in der Lage ist Lazarus von den Toten aufzuerwecken
314 Indikativische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung
Ein indirekter Fragesatz mit der Subjunktion ob liegt vor in
(58) thaz ir irkfaset ubar al aba siu fruma wesan seal (Otfrid S 6) damit ihr ganz und gar pruumlft ob es [likza Bruchstuumlck] gelungen ist
In den mit oba eingeleiteten indirekten Fragesaumltzen ist der Konjunktiv die Regel62 seal ist demnach indikativische Substitutionform ohne Eishygenbedeutung die offensichtlich aus Reimgruumlnden gewaumlhlt ist
32 Auswertung
Ordnet man nun die im Althochdeutschen moumlglichen Faumllle von Substishytution nach dem Grad ihrer Oumlkonomie so ergeben sich - da im Altshyhochdeutschen ja nur fakultative Substitution vorkommt dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung
Von den 36 fuumlr Substitution in Betracht kommenden Nebensaumltzen shynach unserer Definition ist ja Substitution nur in Nebensaumltzen die den Konjunktiv verlangen moumlglich - fallen die meisten naumlmlich 29 auf den Typ c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung Objektsaumltze 11 Adverbialsaumltze 18
62 Kelle (1881451) Zu zwei Ausnahmen im Indikativ und deren Begruumlndung Wunder (1965 284)
Modalverben als Substitutionsarmen 201
Danach folgt der Typ d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung Objektsaumltze 4 (53) (3) (54) (55) wolle
2mal seolti)
und dann der Typ cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung Objektsaumltze 2 (56) (57) (seolta mohta)
Nur in einem Objektsatz (58) hat man den Fall dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
Mit Ausnahme von mohta in (57) sind die Substitutionsformen der Tyshypen d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung (wolti wolle 2mal seolti) cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung (scolta) und dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
durch den Reim bedingt und in mohta liegt moumlglicherweise ein autoshynomer Indikativ vor Weil also der Konjunktiv in den konjunktivischen Nebensaumltzen bei weitem uumlberwiegt kann man sagen daszlig der Regel raquoKonjunktiv im Nebensatzlaquo ein groumlszligeres Gewicht zukommt als dem Prinzip der Sprachoumlkonomie Nur in drei Faumlllen von 29 erscheint ein indikativisches Modalverb als Substitution zweimal reimbedingt und einmal wohl aus inhaltlichen Gruumlnden In der Anwendung der den Neshybensatz kennzeichnenden Mittel hat also im Althochdeutschen der Konjunktiv eindeutig Vorrang vor der Kennzeichnung eines konjunkshytivischen Nebensatzes durch ein Modalverb
Zu fragen bleibt noch wieso von den althochdeutschen Modalverben am ehesten die Verben sollen und wollen als Konjunktiversatz auftreshyten Es liegt wohl an der Bedeutung dieser Modalverben Im Neuhochshydeutschen ist nach Oumlhlschlaumlger den beiden Verben im nicht-epistemishysehen Gebrauch gemeinsam daszlig dem Eintritt des durch die Infinitivshykonstruktion bezeichneten Sachverhalts eine Praumlferenz zukommt ohne
202 RLuumlhr
daszlig besondere Bedingungen eine Rolle spielen63 Demgegenuumlber ist bei den anderen nicht-epistemisch verwendeten Modalverben von Bedeushytung ob eine (vom Kontext gelieferte) Quelle oder der mit dem Subjekt bezeichnete Gegenstand den Eintritt des durch die Infinitivkonstruktion bezeichneten Sachverhalts zulaumlszligt oder wuumlnscht oder auch eine Faumlhigshykeit zu einer bestimmten Handlung hat Auch die althochdeutschen Modalverben sollen und wollen bringen bei Otfrid eine Praumlferenz zum Ausdruck wohingegen sich die uumlbrigen althochdeutschen Modalverben auf semantische Kategorien wie Permission Wunsch oder Faumlhigkeit beziehen Nimmt man nun an daszlig von diesen semantischen Kategorien die der Praumlferenz am wenigsten Eigenbedeutung hat wuumlrde verstaumlndshylich warum Otfrid aus Reimgruumlnden zur Substitution des Konjunktivs die Modalverben sollen und wollen verwendet hat Jedenfalls kann man bei Otfrid fuumlr die Hypotaxe allenfalls von einer reimbedingten Substitushytion des Konjunktivs durch Modalverben sprechen
33 Substitution durch Modalverben im Fruumlhneuhochdeutschen
Nach der Besprechung des althochdeutschen Materials stellt sich nun die Frage ob auch noch in der Sprache Luthers Substitution durch Moshydalverben vorhanden war Wie einige Beispiele belegen sollen ist dies in der Tat der Fall
331 Objektsatz
Es findet sich obligatorische Substitution Eigenbedeutung des Moshydalverbs
(59) haben wyr euch nicht mit ernst gepotten das yhr nicht sollt leren ynn dishysem namen (1522 Apg 528)
(60) Und wenn ich sie hette sollen fragen wie man die ersten zwey wort Matthei 1 Liber Generationis solte verdeutschen so hette yhr keiner gewist gack dazu zu sagen (Sendbrief 63335ff)
Und fakultative Substitutionen mit Eigenbedeutung begegnen in
(61) vnnd da si yhn sahen baten sie yhn das er weychen wolt von yhr grentze (1522 Matth 834) Das er von jrer Grentze weichen wolte64 (1546)
63 Oumlhlschlaumlger (1989 248ff)
64 Zu wollen mit Eigenbedeutung in von Verben des Bittens abhaumlngigen Saumltzen vgl DWb 30
Modalverben als Substitutions formen 203
(62) vnnd baU das er eyne hutten finden mochte dem Gott Jacob (1522 Apg746)
(63) Ich hab mich des getlissen ym dolmetzschen das ich rein und klar teutsch geben mOumlchte (Sendbrief 636 15f)
(64) vnd schaffet das man die iungen kindlin hyn werffen muste das sie nit lebendig blieben65 (1522 Apg 719)
332 Adverbialsatz
Auch in Finalsaumltzen erscheinen obligatorische und fakultative Substitushytionen mit Eigenbedeutung und zwar teils als eindeutige Konjunktivshyformen
(65) und eren umb keiner ander ursachen willen so starck wider die werck und treiben allein auff den glauben das die leute sollen sich ergern stossen und faUen (Sendbrief 64134ff)
(66) Denn wer dolmetzschen wil mus grosse vorrath von worten haben das er die wol kOumlnne haben wo eins an allen orten nicht lauten will (Sendbrief 6392lff)
(67) ehe den wir solche wacken und klotze aus dem wege reuumlmeten auff das man kOndte so fein daher gehen66 (Sendbrief 63624f)
Und ein Beleg fuumlr einen Konditionalsatz in dem das Modalverb Eigenshybedeutung hat ist
(68) Wenn ich nu den buchstaben nach aus der esel kunst solt des Engels wort verdeutschen muste ich also sagen (Sendbrief 639 1Of)
Diese Belege zeigen daszlig konjunktivische Modalverben mit Eigenbeshydeutung ebenso wie im Althochdeutschen noch im fruumlhneuhochdeutshysehen Nebensatz als Substitutionsformen des Konjunktivs fungieren67
65 Hinter einem faktiven Verb ist kein Konjunktiv zu erwarten
Mich wundert aber das man sich yn diser offentlichen sachen so mag sperren (Sendbrief 6426f)
66 Der Finalsatz wird mit Hauptsatzwortfolge weitergefuumlhrt in
Auff das wenn wir sagen die Christenheit yrre nicht so sollen wir auch sagen das sie auch nicht yrren und also kein lUumlgen auch an yn mUumlge gestrafft werden (Sendbrief 6452ff)
67 Weitere Belege sind
Und urteileten dem guten man sein werck die jhenigen so ym nicht gnug gewest weren das sie ym die schuch hetten sollen wischen (Sendbrief 6343ff)
204 R Luumlhr
Das Prinzip der Sprachoumlkonomie das in seiner striktesten Auspraumlgung eigentlich nur obligatorische indikativische Substitutionen des Konshyjunktivs fordert ist hier also noch nicht wirksam68
34 Faktoren fuumlr die Aufgabe der Substitution durch Modalverben im Neuhochdeutschen
Wieso hat sich dieser Sprachgebrauch nun zum Neuhochdeutschen hin geaumlndert Es gibt zweifellos aumluszligere Indizien die auf eine bewuszligte Unshyterdruumlckung der Modalverben als Substitutionen schlieszligen lassen Die Sprachkritiker des 19 Jahrhunderts haben vielfach die Beseitigung von Redundanz wie sie durch Modalverben in semantisch eindeutigen Neshybensaumltzen entsteht gefordert69 Verpoumlnt sind zB Ausdrucksweisen wie
(69) Wenn zur Einloumlsung eines Pfandes ein Vers verlangt werden sollte so richshytete man die Forderung meist an mich (Goethe) (anstatt Wenn zur Einloumlshysung eines Pfandes ein Vers verlangt wurde so )70
(70) Die Moumlglichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden haben mag (anstatt Die Moumlgshy
sie sind nicht werd das sie meine erbeit sollen erkennen (Sendbrief 64014f)
Es hatten vnser veter die hutten des zeugnis ynn der wusten wie er yhn das verordenet hatte da er zu Mosen redte das er sie machen solt nach dem furbild das er gesehen hatte (1522 Apg 744)
Wenn sie euch nu vbirantworten werden so sorget nicht wie oder was yhr reden solt (1522 Matth 1019)
Da diese rede horeten der hohe priester vnd die fursteher des tempels vnnd ander hohe priester worden si vbir yhn betretten was doch das werden wollt (1522 Apg 524)
nach dem es vnmuglich war das er sollt von yhm gehallten werden (1522 Apg 224)
Vgl auch
Wol hat Heintzens Lesterbuch bey jnen den verstand (Auffassung) das es ein scharff schwert sey wider den ChurfUumlrsten und uns das uns aufffressen solle im Augenblick 0541 Wider Hans Worst 47517ff)
68 Einschlaumlgige Belege finden sich auch in den Zeitungen des Jahres 1609 vgl den Beitrag von Fritz in diesem Band S 279
69 Vgl Luumlhr (1992 354)
70 Sanders (1894256)
Modalverben als Substitutionsarmen 205
lichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden hat)
(71) Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintreten muszligshyten (anstatt Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintraten) 1
(72) Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert sein soll (anstatt Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert ist) 72
(73) Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sollen sieben Zigeuner erfroren sein (anstatt Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sind sieben Zigeushyner erfroren)
(74) Zuverlaumlssig wird gemrudet daszlig die Feinde dort angekommen sein sollen (anstatt Zuverlaumlssig wird gemeldet daszlig die Feinde dort angekommen sind)3
Vor gar nicht langer Zeit waren also Ausdrucksweisen wie sie bereits im Althochdeutschen belegt werden konnten auch noch im Neuhochshydeutschen vorhanden Daszlig sie heute als schlechtes Deutsch gelten kann jedoch nicht allein dem Einfluszlig der Sprachkritiker zugeschrieben werden In der Sprache muumlssen sich Wandel vollzogen haben die den Einsatz von Modalverben in Nebensaumltzen uumlberfluumlssig machen Moumlgshylicherweise besteht ein Zusammenhang mit dem Ruumlckgang des Konshyjunktivs in Nebensaumltzen eine Vermutung die naumlherer Untersuchung bedarf Da im Althochdeutschen die Modalverben im Nebensatz in den allermeisten Faumlllen eine lexikalische Bedeutung haben entspricht die Verwendung der Modalverben im Nebensatz weitgehend der im Hauptshysatz Die Faumllle in denen Modalverben ohne Eigenbedeutung im Altshyhochdeutschen Konjunktivformen im Nebensatz ersetzen sind zu vershyeinzelt als daszlig man von einem Ansatz zur Grammatikalisierung spreshychen koumlnnte denn die Bedingung fuumlr diesen Gebrauch ist hier eben der Reim
4 Fazit
Nach dem weitreichendsten Prinzip der Sprachoumlkonomie wuumlrde man fuumlr die althochdeutsche Sprachperiode in konjunktivischen Nebensaumltshyzen Modalverben als fakultative indikativische Ersatzformen ohne Eishygenbedeutung vorhersagen Die Beleglage ergab jedoch daszlig als Ershy
7 Matthias (1906446)
72 Andresen (1923 156)
73 Lehmann (1878 181f)
206 RLuumlhr
satzform der Typ fakultatives konjunktivisches Modalverb mit Eigenshybedeutung bei weitem vorherrscht Das zeigt daszlig im Althochdeutschen im Falle der Kennzeichnung eines konjunktivischen Nebensatzes der Konjunktiv einen houmlheren Rang einnimmt als das Modalverb Auch im Fruumlhneuhochdeutschen kommen noch Modalverben als fakultative konjunktivische Ersatzformen mit Eigenbedeutung vor Die Kennzeichshynung eines konjunktivischen Nebensatzes durch ein Modalverb ist also in dieser Spachperiode nicht auf die obligatorischen Faumllle in denen der Konjunktiv des Vollverbs mit dem Indikativ formal zusammenfallen wuumlrde beschraumlnkt Was nun das Neuhochdeutsche angeht so gelten heute wie bei den Sprachkritikem des 19 Jahrhunderts Ausdrucksweishysen in denen ein Modalverb die Bedeutung eines semantisch eindeutishygen Nebensatzes verstaumlrkt als anstoumlszligig Erst in dieser Zeit kommt im Falle der Substitution des Konjunktivs durch Modalverben aus welchen Gruumlnden auch immer das schon im Althochdeutschen theoretisch zu erwartende sprachoumlkonomische Prinzip voll zum Tragen
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186 R Luumlhr
Hinzu kommt daszlig in Nebensaumltzen der Konjunktiv auch wie im Hauptshysatz verwendet werden kann also als autonomer Konjunktiv
(9) raquoNfstlaquo quad er tho raquofruma thaz thaz man zukke thaz maz I then kindon in then hanton inti werfez uz then huntonlaquo (Otfrid III1O33f) Es ist nicht gut sagte er da daszlig man den Kindern das Essen aus den Haumlnshyden nimmt und es den Hunden vorwirft
Nach einem faktiven Ausdruck wie es ist gut erwartet man selbst bei Vemeinung den Indikativ denn auch in der Negation wird die Wahrshyheit des Komplements vorausgesetzt In (9) wird jedoch im Nebensatz eine allgemein guumlltige Aussage ausgedruumlckt was eine temporale Fixieshyrung des Komplementsatzgeschehens durch den Indikativ uumlberfluumlssig zu machen scheint23
Im Falle des Auftretens von Modalverben in Nebensaumltzen ist also sorgfaltig auf die Bedeutung des Verbs im uumlbergeordneten Satz zu achten
23 Modalverben in indikativischen Nebensaumltzen
An indikativischen Nebensaumltzen mit Modalverben also Faumlllen ohne Substitution sind etwa zu nennen Objektsaumltze Attributsaumltze und Adshyverbialsaumltze
231 Objektsaumltze
(10) Thiu quena sun was dnigenti joh sih harto scamenti I thaz siu scolta in elti mit kinde gan in henti (Otfrid 1485) Die Frau trug einen Sohn und sie schaumlmte sich sehr daszlig sie im Alter mit eishynem Kind an der Hand gehen sollte24
sih scamim im Matrixsatz ist ein faktives Verb und bei faktiven Vershyben in der Traumlgerstruktur steht der Nebensatz im Indikativ (zu einer Ausnahme vgL jedoch (9)) Aumlhnlich ist
(11) Thaz wfzist thu in thoh imo iz abwertaz sC I ni mag ouh mit then ougon zi geginwert V2337f)
23 Schrodt (1983 201)
24 In den Uumlbersetzungen werden die althochdeutschen Modalverben auch wenn sich vom Neuhochdeutschen her redundante Ausdrucksweisen ergeben durch entsprechende neuhochdeutsche Modalverben wiedergegeben diese koumlnnen aufgrund von Bedeutungswandel von den entsprechenden althochdeutschen Modalverben abweichen
Modalverben als Substitutionsonnen 187
Das weiszligt du genau daszlig man ist auch der Gegenstand sehr weit entfernt ihn auch nicht mit den Augen in der Gegenwart schauen kann25
Gleiches gilt fuumlr Objektsaumltze in der Funktion von indirekten mit wie eingeleiteten Fragesaumltzen die von einem Verb des raquoErkannt-Habenslaquo also ebenfalls einem faktiven Verb abhaumlngen
(12) hiar mag er lernen ubar al wio er gilouben scal 1266) hier kann er vollkommen lernen wie er glauben soll
Selbst hinter einem modalisierten Ausdruck im Traumlgersatz steht hier der Indikativ26
25 Zum Indikativ nach wissen vgl Schrodt (1983 199ff) Anders zu beurteilen ist
Ni wuntoro thu thih friunt min nubiz wola megi sin I nubiz werde wanne thaz sih es woroIt mende I (Otfrid II1 237f) Wundere dich nicht mein Freund als ob es nicht wohl sein koumlnnte als ob es nicht irgendeinmal geschehen werde daszlig sich daruumlber die Welt freut (Kelle 1881445)
Als Beispiel fuumlr den Ersatz des Konjunktivs durch eine Modalverbftigung vershygleicht Erdmann (187436)
in thir uuigit sein daz thu maht [forasago sin] (Christus und die Sashymariterin 28)
mit
raquoMin muatlaquo quad si raquoduat mih wfs thaz thu f6rasago sfs laquo (Otfrid II1455)
In beiden Faumlllen wuumlrde man nach der lateinischen Vorlage (Domine video quia propheta es tu) in der Tat einen Indikativ (2 Sg Ind Praumls bist) erwarten Moumlglicherweise ist jedoch aus Reimgruumlnden der Infinitiv sin (jorasago sin fehlt in der Handschrift) bzw die 2 Sg Konj Praumls sis gesetzt Da aber aus Reimshygruumlnden kaum gegen die Sprachrichtigkeit verstoszligen sein kann erscheint im Falle des faktiven Verbs sein wegan deutlich werden die Deutung daszlig du ein Prophet sein muszligt moumlglich - von den Gebrauchsweisen von magan kommt wohl die Bezeichnung eines Imstandeseins dessen aumluszligere Umstaumlnde eine mehr oder weniger starke Veranlassung enthalten in Frage (Luumlhr 1996) Und im zweiten Beleg koumlnnte - hinter einem wenn-Verb (wi s duan wissen lassen) _ ein Potentialis vorliegen C daszlig du ein Prophet sein duumlrftest)
26 Schrodt (1983 202) Andersjedoch
Lerne hiar thia guati wio unser druhtin dati (Otfrid III19 11) Lerne hier die Vortrefflichkeit kennen wie unser Herr gehandelt hat (Zu einer inhaltlichen Begruumlndung des Konjunktivs vgl Wunder 1965292)
188 R Liihr
Ein wenn-Verb also ein Verb das in der affirmativen Behauptung die Wahrheit des Komplements impliziert und so den Indikativ verlangt (vgl oben) begegnet in
(13) ther loz ther rfhtit unsih aI weliches siu wesan seal (Otfrid IV28 12) das Los das weist uns genau an wem sie (die Tunika) gehoumlren
Schwieriger ist folgender Fall mit einem wenn-Verb zu beurteilen In (14) gehoumlrt das uumlbergeordnete Verb zu der schon erwaumlhnten Gruppe von Verben der sinnlichen Wahrnehmung die eine Aktivitaumlt des Agens bezeichnen
Wanta iagilih tho thar instuant thaz ther man scolta wesan guat 1 zi guaten sih gizeliti ther suntigan so queliti (Otfrid Ill 1747f) Denn jeder begriff da sofort daszlig es sich gebuumlhrt daszlig der Mann gerecht ist [der] moumlge sich zu den Frommen zaumlhlen der einen Suumlnder so strafen will
Zwar folgt auf einen Nebensatz der das indikativische Modalverb seolta enthaumllt eine Fuumlgung im Konjunktiv Da jedoch instantan in eishynem weiteren Beleg mit einem indikativischen Komplementsatz vershybunden ist28 duumlrfte der Konjunktiv gizeliti autonom sein und die Funkshytion eines Wunsches haben seolta ist daher ebensowenig wie in den vorhergehenden Beispielen Ersatzform
Was Verben des Sagens im Traumlgersatz wie in (15) und (16) angeht so tritt hinter indikativischem nicht negiertem sagen in den mit wie einshygeleiteten Nebensaumltzen in gleicher Weise der Indikativ auf29
Sagen ih iu wio Ir nan sculut ffndan I (Otfrid 11217) Ich sage euch wie ihr ihn finden werdet
(16) joh selbo in sageta ubar aI wio egislih iz wesan scal (Otfrid V204)
27 Als indikativischer Nebensatz kann auch gedeutet werden
Tho rfht unsih thiu redina thaz wir uns warten thanana 1 thaz suht ni derre uns mera then lfdin joh thera sela (Otfrid m55) Da lehrte uns dieser Ausspruch daszlig wir uns davor in Acht nehmen damit
28 Hiar mugun wir instaotan 1 thaz quement ununahti fon suntono suhti (Otfrid III51f) Hieran koumlnnen wir erkennen daszlig koumlrperliche Krankheiten vom Verderben der Suumlnden kommen (vgl Schrodt 1983 164)
29 ih sagen thir wio sie datun (Otfrid 1937)
Uuio sie avur got thar drosta joh Moyses irlosta I thaz sagent buah zi waru (Otfrid H 87f)
Modalverben als Substitutionsormen 189
und er sagte ihnen deutlich wie schrecklich es juumlngste Gerichtl sein wird
seal steht hier also im Sinne von wird eine Bedeutung die sich mit der Bezeichnung einer Notwendigkeit oder eines Erfordernisses einer Handlung vertraumlgt Setzt man die von Oumlhlschlaumlger angenommene neushyhochdeutsche Bedeutung von soUen eine (vom Kontext gelieferte) Quelle will daszlig der mit dem Subjekt und der Infinitivkonstruktion beshyzeichnete Sachverhalt eintritt30 auch fuumlr das Althochdeutsche an so ist als erstes Argument einer Modalverbfuumlgung wie in (16) eine Fuumlllung wie In Hinblick auf das was Gott vorhat denkbar
Aumlhnlich
(17) Er zalt in ouh tho thar meist wio ther heilego geist 1 thie wfzzi in scolta meshyron mit sInes selbes leron I NiMinemo ni brusti ni er aHa fruma westi (Otfrid IV 1 537ff)
Auch erzaumlhlte er ihnen da insbesondere wie der heilige Geist ihnen den Verstand durch seine Lehren vermehren wird keinem duumlrfte mehr fehlen alles Nuumltzliche zu wissen3)
Vgl auch
(18) er unthankes in za]ta wio iz wesan scolta (Otfrid 1II2534)
Tho zalt in thiu sin guati I WIO se scoltun fahan zi herizohon zlahan I (Otfrid IV713ff)
tMr in ana zalta wio Krist in queman scolta (Otfrid V618)
joh wio er in thar gizalta wio thaz al wesan scolta (Otfrid IV634)32
232 Attributsaumltze
Ein mit der Subjunktion wie eingeleiteter indirekter Fragesatz als Attrishybutsatz findet sich in
(19) raquoSage uns meistar tMnne WIO thiu zft gigaoge I zeichan wio thu queman scaIt joh wio thiu woroIt ouh (Otfrid II2239f) Sage uns Herr nun wie die Zeit ablaumluft ein Zeichen wie du kommen wirst und wie die Welt auch untergeht
30 Oumlhlschlaumlger (1989 174)
31 Der Konjunktiv brust ist autonom
32 Dagegen koumlnnte der Konjunktiv die Bedeutung des Modalverbs verstaumlrken in
Zalt er ouh then mannon wio er se wolti minnon (Otfrid IV655 Schrodt 1983244 anders Wunder 1965291)
190 R Luumlhr
In diesem Beispiel faumlllt der Wechsel zwischen Konjunktiv (gigange) und Indikativ (scalt zigat) auf Da hinter imperativischem sagen sonst der Konjunktiv steht33 ist zu vermuten daszlig das fuumlr den Attributsatz fungierende Bezugswort Zeichen ein Substantiv das die Semantik eishynes wenn-Verbs hat den Moduswechsel zum Indikativ verursacht seal ist jedenfalls keine Ersatzform
233 Adverbialsaumltze
Ein reales Konditionalsatzgefuumlge liegt vor in
(20) Wio harto mihiJes mer gfuit druhtin tuer I guat ob ir mo folget inan bltshyten wollet (Otfrid IV77f)
Um wieviel mehr gibt euer Herr euch Gut wenn ihr ihm folgen und ihn bitshyten werdet
Da die einem Matrixsatz folgenden mit oba eingeleiteten Konditionalshysaumltze eine raquonachtraumlgliche oft ziemlich unwesentliche oder uumlberfluumlssige Angabe einer zum Eintreten des ersten angegebenen Ereignisses erforshyderlichen Vorbedingunglaquo34 enthalten kann man wollet mit werdet wiedergeben Geht man wieder von Oumlhlschlaumlgers Bedeutungsbeschreishybung des entsprechenden neuhochdeutschen Modalverbs aus35 so paszligt diese Bedeutung (vereinfacht ausgedruumlckt) auch fuumlr das Althochdeutshysche Der mit dem Subjekt bezeichnete Gegenstand zieht es vor daszlig der mit der Infinitivkonstruktion bezeichnete Sachverhalt eintritt vgl ferner fuumlr die 2 Person
(21) raquoWi1 thu thaz richi druhtin mit thfnes selbes rruihtin I ersezen thesen lfutin laquo (Otfrid V173) fuumlr lat acta apostol 16 domine in tempore hoc restitues regnum Israel36
Auf die gleiche Weise kann indikativisches wollen in dem in eine indishyrekte Rede eingebetteten als direkte Rede fungierenden Konditionalshysatz37 wiedergegeben werden
33 Nach Schrodt (1983 laumlszligt sich der Wechsel von Konjunktiv und Indikativ hier nur erklaumlren raquowenn man bei zielgerichtet modalisiertem Traumlgersatz autoshynome Modussetzung annimmllaquo Doch handelt es sich bei dem indikativischen Nebensatz um einen Attributsatz
34 Erdmann (1874 104)
35 Oumlh1schlaumlger (1989 166)
36 Zu weiteren Belegen vgl Kelle (1881 686f)
37 ErdrnannlW oIff (1973 128)
Modalverben als Substitutionsformen 191
quadun ni gisufchi nub er then Hut bisuichi I Joh er se thes gibCitti zi altere flf16itti I zi altemo wewen raquooba sie mo wollent hOrenlaquo (Otfrid mlS44ff) sie sagten er houmlre nicht auf daszlig er das Volk hintergehe und er sie noumltige
er] sie fuumlr immer zum ewigen Verderbnis verleite raquowenn sie auf ihn houmlren werdenlaquo
In allen diesen Faumlllen haben also die Modalverben Eigenbedeutung und sind weil sie in indikativischen Nebensaumltzen erscheinen keine Substishytutionsformen
3 Substitution durch Modalverben
31 Im Althochdeutschen38
Anders koumlnnte es sich in konjunktivischen Nebensaumltzen die Modalvershyben aufweisen verhalten Zu bedenken ist dabei daszlig wie bemerkt im Althochdeutschen der Konjunktiv vom Indikativ formal klar geschieden ist Behaumllt man den Begriff raquoSubstitutionlaquo bei so liegt hier demnach eine fakultative Substitution vor
311 Konjunktivische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung
3111 Objektsaumltze
Unter den komplexen Saumltzen die Objektsaumltze enthalten findet sich im Traumlgersatz ein faktives Verb bUden frohlocken Der Nebensatz steht im Konjunktiv39
(23) Abraham ther aHo er blidta sih thes Mrto I er thes sih muasi frowon then mfnan dag bisc6won (Otfrid III1849f)
Der alte Abraham frohlockte sehr daszlig er sich dessen dereinst wuumlrde freuen koumlnnen meinen Tag zu schauen
Der Konjunktiv duumlrfte hier autonom eingesetzt sein und zwar um die Unwirklichkeit des Ereignisses hervorzuheben4o muasi ist somit eine Substitutionsform mit Eigenbedeutung
38 Zum folgenden vgl Erdmann (1874 36f) Klaren
39 Zu indikativischen Nebensaumltzen bei Verben des Preuens im Matrixsatz vgl Wunder (196S 222)
40 Erdmann (187437)
192 RLuumlhr
Moumlglicherweise ebenfalls als autonom ist der Konjunktiv im Falle eishynes uumlbergeordneten wenn-Verbs das Bestandteil einer Aufforderung ist zu beurteilen41
Giwerdo uns geban druhtin mit thines selbes mahtin wir unsih muazin bIlden mit heilegon thinen (Otfrid Y241f) Laszlig dich herab uns mit deiner Allmacht zu gewaumlhren daszlig wir uns mit deishynen Heiligen freuen duumlrfen
In Frage kommt der Konjunktiv in der Funktion eines Optativs Ein Sonderfall einer Substitution mit Eigenbedeutung begegnet im
Falle eines wohl zu ergaumlnzenden wenn-Verbs
(25) Ward in sar tho filu leid thaz er sih sar fon in firmeid thaz muasin sih sin frowonjoh inan lango scouon (Otfrid YlO2lf) Es tat ihnen bald ungemein leid daszlig er sich schnell von ihnen entfernte [und es ihnen so unmoumlglich machte42] daszlig sie sich seiner freuen und ihn lange schauen konnten
Ist ein wenn-Verb verneint wird uumlber die Realisierung des Kompleshymentsatzgeschehens nichts ausgesagt sondern es wird nur erwaumlhnt In solchen Faumlllen tritt im abhaumlngigen Satz bevorzugt der Konjunktiv auf43
Dies gilt auch fuumlr das folgende Beispiel in dem ein mit ni daszlig einshygeleiteter konjunktivischer Nebensatz von einem negierten wenn-Verb abhaumlngt
(26) ni mugut ouh firlazan ni ir sulih sculit niazan (Otfrid Il2228) ihr koumlnnt nicht umhin daszlig ihr solches genieszligen werdet
Die Bedeutung des Modalverbs kann wohl mit werden umschrieben werden
Gegenuumlber den wenn-Verben erfordern die Verba sentiendi normashylerweise sowohl in der Affirmation als auch in der Negation einen konshyjunktivischen Nebensatz44 Eine Substitution mit Eigenbedeutung zeigt sich
(27) So hoh ist gomaheit sfn thaz mih ni thunkit megi sin theih scuahriomon sine zinbintanne birine (Otfrid 12757f)
41 Zum Problem des Konjunktivs bei raquomodalisierten Traumlgersaumltzenlaquo mit wennmiddotYershyben vgl Schrodt (1983 177)
42 Ygl Kelle (1881 266) es tat den Juumlngern von Emaus leid daszlig er sich ihnen entzog (und daszlig er sich ihnen dadurch entzog) daszlig sie sich seiner freuen konnshyten
43 Schrodt (1983 73f)
44 Zum Konjunktiv in den von Yerba sentiendi abhaumlngigen Nebensaumltzen vgl Schrodt (1983 259ff und 264) (anders dazu Wunder 1965 198ff)
Modalverben als Substitutionsormen 193
So groszlig ist seine Persoumlnlichkeit daszlig ich nicht daszlig ich seine Schuhshyriemen beruumlhren kann um sie zu loumlsen
Ebenso wie hinter den Verba sentiendi steht hinter Verben des Bittens der Nebensatz im Konjunktiv45 Die Modalverben haben Eigenbedeushytung in
(28) Thih bfttu ih mines muates thaz mir queme alles guates in ewon ginuagi zi druton thinen fUagi Thaz ih famer druhtin min mit themo droste
megi sin (Otfrid 1253ff)
Ich bitte dich von Herzen daszlig mir alles Gute immerzu hinreichend zuteil wird und daszlig ich zu Qeinen Lieben gehoumlre daszlig ich stets Herr mit deiner Hilfe sein kann
(29) Mit allen unsen kreftin bittemes nu druhtin Thaz wir unsih in then riuon ni muazin io biscowon Thaz Wir unsih muazin samanon zen gotes druttheganon Joh muazin mit then druton thes hfmilriches nioton Joh wir thar muazin untar fn blfde fora gote sin (Otfrid 128lff) Mit allen unseren Kraumlften bitten wir nun den Herrn daszlig wir uns nie im Ungluumlck befinden (eigentlich umsehen muumlssen) daszlig wir uns zu den lieben Dienern Gottes gesellen duumlrfen und mit den Heiligen das Himmelshyreich genieszligen duumlrfen und wir da zwischen ihnen froh vor Gott sein duumlrshyfen
Eigenbedeutung duumlrfte ferner vorliegen im Falle der Modalverben die in einem von Verben des Bemuumlhens abhaumlngigen konjunktivischen Neshybensatz46 vorkommen
(30) Ni thurfut ir biginnan thaz Ir ouh megit bringan thaz ir gote thionot joh thoh thia worolt minnot (Otfrid 1I223f) Ihr duumlrft nicht versuchen daszlig ihr zustande bringt (zustande bringen koumlnnt) Gott zu dienen und doch die Welt zu lieben
Nach den neuhochdeutschen Sprachregeln ist das Modalverb koumlnnen im Nebensatz uumlberfluumlssig Im aumllteren Deutsch ist aber hinter einem Verb der Bedeutung versuchen im Nebensatz sicher noch die Bedeushytung in der Lage sein von koumlnnen empfunden worden
Auch Verben des Wuumlnschens machen einen Nebensatz im Konjunkshytiv erforderlich47 Dem Modalverb kommt Eigenbedeutung zu in
(31) Sie wunsgtun muasin rinan thoh sinan tradon einan in sinen (Otfrid 1Il99f)
Sie wuumlnschten daszlig sie wenigstens einen Faden in seinem Gewand beruumlhren durften
45 Schrodt (1983
46 Schrodt (1983
47 Schrodt (1983
194 R Luumlhr
Im Falle von Verba dicendi im uumlbergeordneten Satz begegnet eine Satz verschraumlnkung in
(32) wer quedenl sie theih sculi sin odo ouh nicha wese min (Otfrid m128)
wer sagen sie daszlig ich sein soll oder wie es um mich bestellt sei
Das Verb quedan ist ebenso wie sprehhan ein raquoschwach transitives(( Verb solche Verben verlangen einen Inhaltssatz im Konjunktiv woshydurch Abhaumlngigkeit vom Traumlgersatz signalisiert wird48 Die Modalverbshyfugung ist eigentlich wiederzugeben mit wer sagen sie daszlig mir beshystimmt ist zu sein Moumlglich erscheint aber auch eine Wiedergabe mit wer sagen sie daszlig ich sein soll mit soll im Sinne man sagt Hier zeigt sich also moumlglicherweise ein Ansatz zu dem spaumlteren epistemishyschen Gebrauch von sollen49
Aumlhnlich liegt wohl der Fall bei einem verneinten Verbum dicendi im Traumlgersatz mit ni als Konjunktion
(33) Nintheizit mir iz muat min ni ther fon gote scuE sin 1es aumllleswio ni th6nkit ther sulih werk wirkit (Otfrid III20 I 49f)
Mein Herz stellt es mir nicht in Abrede daszlig der von Gott sein muszlig der auf nichts anderes sinnt als daszlig er ein solches Werk tut
Zugrunde liegt die Vorstellung ni ther fon gote sculi sfn daszlig dem beshystimmt ist von Gott zu sein
3112 Adverbialsaumltze
Bei den Adverbialsaumltzen herrscht in den Finalsaumltzen wie bemerkt der Konjunktiv50 daher haben die Modalverben die Funktion von Substishytutionen und zwar mit Eigenbedeutung Es kommen die Modalverben muazan mugan und einmal wollen vor die wie gezeigt werden kann voneinander deutlich unterschiedene semantische Leistungen erbrinshygen51
(34) sie fergont druta ouh sille thes liebes in nirzfhe Thaz muazin sih thes fr6won (Otfrid V2350f) sie flehen auch seine Lieben an daszlig er ihnen das Ersehnte nicht vorenthalshyten moumlge damit sie sich daran erfreuen koumlnnen
48 Schrodt (1983 222)
49 Zu Zeugnissen fuumlr die epistemlsche Verwendung von Modalverben im Fruumlhneushyhochdeutschen vgl Fritz (1991 33ff)
50 Dazu Kahl (1890 45)
51 Dazu Luumlhr (1996)
Modalverben als Substitutions formen 195
(35) Druhtin atleswio ni dua mih io fuagi tharazua thaz fh mih untar thinen iamer muazi bUden (Otfrid V2417f)
Herr versage es nicht geselle mich stets dazu damit ich mich unter den Deinen immerzu freuen kann
(36) In rehtemo muate erge uns iz io zi guate 1 thaz wIr io muazin blide wesan sdlka sine (Otfrid III2014lf)
In rechtem Sinn wende es sich uns stets zum Guten damit wir immerzu froh deine Diener sein koumlnnen 152
(37) Nu bifflu ih mih hiar then beziron allen in war 1 allen g6tes theganon mit selben Kristes seganon 1 Thaz thie se1bun smahi min in gihugti muazin iro sin (Otfrid V2587fq
Und ich empfehle mich fuumlrwahr hier allen Gottesfuumlrchtigen indem ich fuumlr alle Diener Gottes den Segen Christi selber anrufe damit ich in ihrer Erinneshyrung sein kann
(38) bat man gabi imo then man thoh tho so bilibanan 1 Thaz muasi er thara wisen then lfchamon 16sen (Otfrid IV356f)
er [Joseph von Arimathaumla] bat daszlig man ihm den Mann gebe der doch so umgekommen war damit er Vorbereitungen treffen konnte den Leichnam abzunehmen
(39) sie warun wartenti wara man nan legeti 1 Thaz sIe nan muasin fuaren gishysuaslicho biruaren I Joh muasin thes giflfzan gisuaslicho birfazan (Otfrid IV3524ff)
sie beobachteten wohin man ihn legte damit sie ihn ruumlsten konnten auf vertraute Weise beruumlhren und danach trachten konnten ihn liebevoll zu beweinen
(40) Ira ferah bot thaz wib thaz iz muasi haben Ifb (Otfrid 12019)
Ihr Leben bot die Frau an damit es [das Kind] am Leben bleiben durfte
(41) irquicki in mir thia mina muadun sela 1 Theih hiar in libe irwizze zi thishynemo disge ouh sizze 1so er deta after thiu ih muad thingen zi thiu (Otfrid III I 22ff)
belebe in mir meine muumlde Seele damit ich hier im Leben befahigt bin auch an deinem Tische zu sitzen damit ich wie er [Lazarus] es spaumlter tat dahin gelangen darf
(42) Ther scado fliehe in gahe joh thiz sih uns io nahe I joh mit thfu giwerkon thaz thu uns es muazis thankon (Otfrid II2437f)
Das (moralische) Gebrechen weiche schnell und dies [die Heilung durch dich] nahe sich uns immer und damit wollen wir wirken damit du gar nicht anders kannst als es uns zu lohnen ( damit du uns es lohnen muszligt)
(43) Inliuht er unsih filu fram joh er hera in worolt quam 1 Thaz wir thaz irshykantin wara wir gangan scoltin I Joh wir nan muazin scowon 6ffenen 6ugon 1 Ofenemo muate theiz uns irge zi guate I mit thes herzen ougon muazin iamer sc6won (Otfrid III21 29ff)
52 V gl auch Otfrid V 241 f
196 RLuumlhr
Er erleuchte uns ganz und gar und er kam hierher auf die Welt damit wir erkennen wohin wir gehen sollen und damit wir ihn mit offenen Aushygen anschauen koumlnnen mit offenem Sinn damit es uns zum Heile gereishyche [damit] die Augen des Herzens [ihn] stets schauen koumlnnen
(44) Gerota iuer harto selb ther wfdarwerto thaz muasi er redan iu thaz muat s6 man korn in sfbe duat (Otfrid IV1315f)
Der Satan selbst begehrte euch heftig damit er Gelegenheit bekommt euer Herz zu sieben wie man Korn in das Sieb tut
fuumlr lat ecce satanas expetivit vos ut cribraret sicut triticum
(45) HaIt unsih in n6tin fon allen widarmuatin thaz muazin wir biwankon then abahen githankon (Otfrid 1I2423f) Beschuumltze uns sorgfaltig vor allen Verfolgungen damit es uns gegeben ist den boumlsen Gedanken zu entrinnen
(46) Thie selbun ewarton joh thie hereston suahtun 10 innan thiu urkundi luggu Thaz sie nan thoh mit liiginon m6hlin thar bir6dinon (Otfrid IV1923ff) Dieselben Hohenpriester und die Aumlltesten suchten inzwischen falsche Zeugnisse damit sie ihn wenigstens mit Luumlgen da uumlberfuumlhren konnten
(47) Det er iz then mannon zi einen frfstfrangon thaz sIe nan mohtin ghinashybrechon (Otfrid IV1963f) Er [der Hohepriester] verhalf den Menschen zu einer Gelegenheit [das Urshyteil zu fallen] damit sie ihn zugrunde richten konnten53
(48) Kapfetun sie lango was wuntar sie thero thingo mit hanton oba then 6ushygon thaz Mz sie mohtin sc6uon (Otfrid V1737f) Sie schauten lange sie wunderten sich uumlber die Dinge mit den Haumlnden uumlber den Augen damit sie besser sehen konnten
(49) Wir sculun hiar nu suntar gizellen ander wuntar Thaz wir fon seltsane w6la megin sare irkennen so iz giscrfban stat thia wuntarlichun g6tes dat (Otfrid V1215ff) Wir werden hier nun noch ein anderes Wunder erzaumlhlen damit wir aus einem Wunder sogleich das Wunder Gottes recht erkennen koumlnnen wie es beschrieben ist
(50) Beginnet g6te thankon thaz megit ir biwankon theso egislichun grunni ir natarono kiinni (Otfrid I2341f) Dankt Gott damit (so daszlig) ihr diesem schrecklichen Ungluumlck entrinnen koumlnnt ihr Natterngeschlechtl
Und das Beispiel mit wollen im Finalsatz ist
(51 ) gil6ubet thoh thera dati I Thaz ir thaz irkennet joh ouh gil6uben wollet thaz wir ein sculun sin fh inti fater minI (Otfrid III2262ff)
53 Zur Interpretation der Stelle vgl Kelle (1881 169)
Modalverben als Substitutions formen 197
Auf eine an eine 2 Person Plural gerichtete Aufforderung folgt ein Fishynalsatz mit dem konjunktivischen Modalverb wollet ebenfalls in der 2 Person Plural Behaumllt man in der neuhochdeutschen Uumlbersetzung das Modalverb bei so ergibt sich sofern man keinen Finalsatz mit einem nach der heutigen Sprachnorm redundanten Modalverb moumlgen bildet
so glaubt doch diesem Werk ihr moumlget erkennen und glauben daszlig uns bestimmt ist eins zu sein ich und mein Vater
Einer an eine 2 Person Plural gerichteten Aufforderung folgt also eine weitere Aufforderung mit einem Modalverb das einen Wunsch ausshydruckt Wird nun die erste Aufforderung als Bedingung und die zweite Aufforderung als eine erwuumlnschte Folge betrachtet wird zwischen den beiden Sachverhaltsbeschreibungen eine finale Relation etabliert54 Otshyfrid hat diese beiden Sachverhaltsbeschreibungen wohl in einer solchen Beziehung gesehen denn er hat in (51) die Konjunktion thaz im Sinne von damit verwendet
Als Finalsatz oder als Konsekutivsatz kann aufgefaszligt werden der Nebensatz in
(52) Driihtin fon then stankon thaz muaz55 ih ser biwankon I mih rum so Lazarum thu dati (Otfrid IIIl19f)
Herr befreie mich von dem Verwesungsgeruch [der Suumlnde] wie du es mit Lazarus tatest so daszlig56damit ich dem Leid entrinnen kann
Es ist nun zu prufen ob neben diesen Faumlllen in denen konjunktivische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung anzunehmen sind auch konshyjunktivische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung auftreten
312 Konjunktivische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung
3121 Objektsaumltze
Auf jeden Fall verblaszligt ist die Bedeutung des Modalverbs in (53) - im Matrixsatz erscheint ein Verbum sentiendi
(53) Gistuant gener (wan ih) thenken thaz er wolti wenken (Otfrid IV175)
Jener versuchte vermutlich [dem Hieb] auszuweichen (woumlrtliCh Jener glaube ich begann daran zu denken daszlig er [dem Hieb] ausweichen wollte)
54 Vgl dazu Luumlhr (1994217)
55 Mit Apokope vgl Piper (1884314)
56 Wunder (1965 230)
198 R Luumlhr
wollen kann hier aber futurischen Charakter haben indem es dem Vollshyverb wenken - insbesondere bei einem Verb des Anfangens in der Traumlshygerstruktur - ingressive Aktionsart verleiht57 Auf jeden Fall ermoumlglicht die Verwendung eines Modalverbs daszlig die beiden Vollverben reimen (thenken wenken) weshalb man von einer durch den Reim bedingten Substitutionsform sprechen kann
Moumlglicherweise ist so auch das schon behandelte Beispiel (3) intershypretierbar
Wir ei gun kuning einan anderan nih6inan I joh wanen waltan wolle ther keisor ubar alle (Otfrid IV2421f)
Da waumlnen im Althochdeutschen sowohl Vermutung als auch Erwartung ausdruumlckt58 erscheint bei einem solchen uumlbergeordneten Verb im abshyhaumlngigen Satz ein Modalverb das einen Eintritt eines Sachverhalts zum Ausdruck bringen kann (vgl oben) plausibel Auch hier spielt wie schon bemerkt der Reim eine Rolle (wolle alle)
Allein der Reim ist wohl fuumlr die Verwendung von scolti in (54) vershyantwortlich
(54) sie warun 6isconti war er wesan scolti (Otfrid II11538) fuumlr lat [ quaerebant eum] et dicebant ubi est ille sie fragten wo er sei
Zum Reim -nti(+ n) -lti(+ n) vgl Otfrid III2131 Thaz wir thaz irshykantin wara wir gangan scoltin
Trifft diese Annahme fuumlr (54) zu so stellt scolti eine konjunktivische Substitutionsform ohne Eigenbedeutung dar Denn indirekte Frageshysaumltze die von Verben des Fragens abhaumlngig sind stehen im Konjunkshytiv59
Ebenso also als Substitutionform ohne Eigenbedeutung die aus Reimgruumlnden - hier aber wegen des Reims der Vollverben gesetzt ist ist das Modalverb scolti aufzufassen in
(55) rafsta nan tho worto thera ungilouba harto I Ziu er scolti io thes githenken joh muates io giwenken (Otfrid III844f) er tadelte ihn heftig mit seinem Worte wegen des Unglaubens warum er das gedacht und keinen Mut gehabt habe
57 VgL DWb 30
58 Schuumltzcichel (1989 280) 59 Wunder (1965 309) Schrodt (1983 257f)
Modalverben als Substitutions formen 199
tadeln ist hier nicht als faktives Verb verwendet vielmehr fragt der ziushySatz nach den Gruumlnden des Tadelns60
313 Indikativische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung
Im Falle eines Attributsatzes der mit daszlig eingeleitet ist sind die Beshylege (56) und (56a) zu vergleichen
(56) tho ward irftlllit thiu zft I thaz sUliga thiu alta thaz kind tho beran scolta (Otfrid I9lf)
Da war die Zeit crfuumllltdaszlig die Gluumlckselige dic alte Frau das Kind gebaumlren sollte
(56a) thio zfti sih iIvUltun I thaz si chfnd bari zi woralti einmari (Otfrid 11129f)
die Zeiten erfuumlllten sich daszlig sie cin auszligerordentliches Kind ZUr Welt brachte
Da in (56a) der Konjunktiv steht handelt es sich bei scolta in (56) um eine indikativische Ersatzform mit Eigenbedeutung scolta reimt auf alta weshalb das Modalverb hier zu den reimbedingten Substitutionsshyformen zu zaumlhlen
Nach Erdmann ist zu den indikativischen Substitutionsformen Beishyspiel (57) zu rechnen61
(57) Bi hiu se thes ni h6getin 6ba sie thaz gifrumitin I thaz er nan mohta ana wan heizan Mur Uf stan I Joh mit theru krefti avur nan irqufcti I (Otfrid IV313ff)
Warum haumltten sic [die Juden] das nicht bedacht daszlig er [JcsusJ wenn sie das vollfuumlhrten [naumlmlich die Toumltung des Lazarusj ihn [Lazarusj aufs neue auferstehen lassen konntc und ihn abermals zum Leben erwecken wuumlrde
Der mit daszlig eingeleitete Nebensatz haumlngt von einem Verb des Denkens in einer konjunktivischen direkten Frage ab und wird mit einem konshyjunktivischen Verb fortgefuumlhrt Nach den althochdeutschen Modusreshygeln waumlre eigentlich mohti zu erwarten wie es die Freisinger Handshyschrift bietet Die Wiener Handschrift die die Quelle aller Handschrifshyten und vermutlich von Otfrid mit eigener Hand revidiert ist hat dageshygen mohta Dieses mohta nun sieht wie eine indikativische Ersatzform mit Eigenbedeutung aus Ebenso wie im abhaumlngigen Nebensatz autoshynome Konjunktive vorkommen gibt es aber moumlglicherweise in eigentshy
60 Vgl Wunder (1965307)
61 Erdmann (1874 37 und 111)
200 RLuumlhr
lich konjunktivischen Nebensaumltzen einen autonomen Indikativ Vielshyleicht hat Otfrid bewuszligt den Indikativ mohta gewaumlhlt um seiner Uumlbershyzeugung Ausdruck zu verleihen daszlig Jesus einerlei wie die Umstaumlnde sind in der Lage ist Lazarus von den Toten aufzuerwecken
314 Indikativische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung
Ein indirekter Fragesatz mit der Subjunktion ob liegt vor in
(58) thaz ir irkfaset ubar al aba siu fruma wesan seal (Otfrid S 6) damit ihr ganz und gar pruumlft ob es [likza Bruchstuumlck] gelungen ist
In den mit oba eingeleiteten indirekten Fragesaumltzen ist der Konjunktiv die Regel62 seal ist demnach indikativische Substitutionform ohne Eishygenbedeutung die offensichtlich aus Reimgruumlnden gewaumlhlt ist
32 Auswertung
Ordnet man nun die im Althochdeutschen moumlglichen Faumllle von Substishytution nach dem Grad ihrer Oumlkonomie so ergeben sich - da im Altshyhochdeutschen ja nur fakultative Substitution vorkommt dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung
Von den 36 fuumlr Substitution in Betracht kommenden Nebensaumltzen shynach unserer Definition ist ja Substitution nur in Nebensaumltzen die den Konjunktiv verlangen moumlglich - fallen die meisten naumlmlich 29 auf den Typ c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung Objektsaumltze 11 Adverbialsaumltze 18
62 Kelle (1881451) Zu zwei Ausnahmen im Indikativ und deren Begruumlndung Wunder (1965 284)
Modalverben als Substitutionsarmen 201
Danach folgt der Typ d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung Objektsaumltze 4 (53) (3) (54) (55) wolle
2mal seolti)
und dann der Typ cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung Objektsaumltze 2 (56) (57) (seolta mohta)
Nur in einem Objektsatz (58) hat man den Fall dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
Mit Ausnahme von mohta in (57) sind die Substitutionsformen der Tyshypen d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung (wolti wolle 2mal seolti) cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung (scolta) und dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
durch den Reim bedingt und in mohta liegt moumlglicherweise ein autoshynomer Indikativ vor Weil also der Konjunktiv in den konjunktivischen Nebensaumltzen bei weitem uumlberwiegt kann man sagen daszlig der Regel raquoKonjunktiv im Nebensatzlaquo ein groumlszligeres Gewicht zukommt als dem Prinzip der Sprachoumlkonomie Nur in drei Faumlllen von 29 erscheint ein indikativisches Modalverb als Substitution zweimal reimbedingt und einmal wohl aus inhaltlichen Gruumlnden In der Anwendung der den Neshybensatz kennzeichnenden Mittel hat also im Althochdeutschen der Konjunktiv eindeutig Vorrang vor der Kennzeichnung eines konjunkshytivischen Nebensatzes durch ein Modalverb
Zu fragen bleibt noch wieso von den althochdeutschen Modalverben am ehesten die Verben sollen und wollen als Konjunktiversatz auftreshyten Es liegt wohl an der Bedeutung dieser Modalverben Im Neuhochshydeutschen ist nach Oumlhlschlaumlger den beiden Verben im nicht-epistemishysehen Gebrauch gemeinsam daszlig dem Eintritt des durch die Infinitivshykonstruktion bezeichneten Sachverhalts eine Praumlferenz zukommt ohne
202 RLuumlhr
daszlig besondere Bedingungen eine Rolle spielen63 Demgegenuumlber ist bei den anderen nicht-epistemisch verwendeten Modalverben von Bedeushytung ob eine (vom Kontext gelieferte) Quelle oder der mit dem Subjekt bezeichnete Gegenstand den Eintritt des durch die Infinitivkonstruktion bezeichneten Sachverhalts zulaumlszligt oder wuumlnscht oder auch eine Faumlhigshykeit zu einer bestimmten Handlung hat Auch die althochdeutschen Modalverben sollen und wollen bringen bei Otfrid eine Praumlferenz zum Ausdruck wohingegen sich die uumlbrigen althochdeutschen Modalverben auf semantische Kategorien wie Permission Wunsch oder Faumlhigkeit beziehen Nimmt man nun an daszlig von diesen semantischen Kategorien die der Praumlferenz am wenigsten Eigenbedeutung hat wuumlrde verstaumlndshylich warum Otfrid aus Reimgruumlnden zur Substitution des Konjunktivs die Modalverben sollen und wollen verwendet hat Jedenfalls kann man bei Otfrid fuumlr die Hypotaxe allenfalls von einer reimbedingten Substitushytion des Konjunktivs durch Modalverben sprechen
33 Substitution durch Modalverben im Fruumlhneuhochdeutschen
Nach der Besprechung des althochdeutschen Materials stellt sich nun die Frage ob auch noch in der Sprache Luthers Substitution durch Moshydalverben vorhanden war Wie einige Beispiele belegen sollen ist dies in der Tat der Fall
331 Objektsatz
Es findet sich obligatorische Substitution Eigenbedeutung des Moshydalverbs
(59) haben wyr euch nicht mit ernst gepotten das yhr nicht sollt leren ynn dishysem namen (1522 Apg 528)
(60) Und wenn ich sie hette sollen fragen wie man die ersten zwey wort Matthei 1 Liber Generationis solte verdeutschen so hette yhr keiner gewist gack dazu zu sagen (Sendbrief 63335ff)
Und fakultative Substitutionen mit Eigenbedeutung begegnen in
(61) vnnd da si yhn sahen baten sie yhn das er weychen wolt von yhr grentze (1522 Matth 834) Das er von jrer Grentze weichen wolte64 (1546)
63 Oumlhlschlaumlger (1989 248ff)
64 Zu wollen mit Eigenbedeutung in von Verben des Bittens abhaumlngigen Saumltzen vgl DWb 30
Modalverben als Substitutions formen 203
(62) vnnd baU das er eyne hutten finden mochte dem Gott Jacob (1522 Apg746)
(63) Ich hab mich des getlissen ym dolmetzschen das ich rein und klar teutsch geben mOumlchte (Sendbrief 636 15f)
(64) vnd schaffet das man die iungen kindlin hyn werffen muste das sie nit lebendig blieben65 (1522 Apg 719)
332 Adverbialsatz
Auch in Finalsaumltzen erscheinen obligatorische und fakultative Substitushytionen mit Eigenbedeutung und zwar teils als eindeutige Konjunktivshyformen
(65) und eren umb keiner ander ursachen willen so starck wider die werck und treiben allein auff den glauben das die leute sollen sich ergern stossen und faUen (Sendbrief 64134ff)
(66) Denn wer dolmetzschen wil mus grosse vorrath von worten haben das er die wol kOumlnne haben wo eins an allen orten nicht lauten will (Sendbrief 6392lff)
(67) ehe den wir solche wacken und klotze aus dem wege reuumlmeten auff das man kOndte so fein daher gehen66 (Sendbrief 63624f)
Und ein Beleg fuumlr einen Konditionalsatz in dem das Modalverb Eigenshybedeutung hat ist
(68) Wenn ich nu den buchstaben nach aus der esel kunst solt des Engels wort verdeutschen muste ich also sagen (Sendbrief 639 1Of)
Diese Belege zeigen daszlig konjunktivische Modalverben mit Eigenbeshydeutung ebenso wie im Althochdeutschen noch im fruumlhneuhochdeutshysehen Nebensatz als Substitutionsformen des Konjunktivs fungieren67
65 Hinter einem faktiven Verb ist kein Konjunktiv zu erwarten
Mich wundert aber das man sich yn diser offentlichen sachen so mag sperren (Sendbrief 6426f)
66 Der Finalsatz wird mit Hauptsatzwortfolge weitergefuumlhrt in
Auff das wenn wir sagen die Christenheit yrre nicht so sollen wir auch sagen das sie auch nicht yrren und also kein lUumlgen auch an yn mUumlge gestrafft werden (Sendbrief 6452ff)
67 Weitere Belege sind
Und urteileten dem guten man sein werck die jhenigen so ym nicht gnug gewest weren das sie ym die schuch hetten sollen wischen (Sendbrief 6343ff)
204 R Luumlhr
Das Prinzip der Sprachoumlkonomie das in seiner striktesten Auspraumlgung eigentlich nur obligatorische indikativische Substitutionen des Konshyjunktivs fordert ist hier also noch nicht wirksam68
34 Faktoren fuumlr die Aufgabe der Substitution durch Modalverben im Neuhochdeutschen
Wieso hat sich dieser Sprachgebrauch nun zum Neuhochdeutschen hin geaumlndert Es gibt zweifellos aumluszligere Indizien die auf eine bewuszligte Unshyterdruumlckung der Modalverben als Substitutionen schlieszligen lassen Die Sprachkritiker des 19 Jahrhunderts haben vielfach die Beseitigung von Redundanz wie sie durch Modalverben in semantisch eindeutigen Neshybensaumltzen entsteht gefordert69 Verpoumlnt sind zB Ausdrucksweisen wie
(69) Wenn zur Einloumlsung eines Pfandes ein Vers verlangt werden sollte so richshytete man die Forderung meist an mich (Goethe) (anstatt Wenn zur Einloumlshysung eines Pfandes ein Vers verlangt wurde so )70
(70) Die Moumlglichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden haben mag (anstatt Die Moumlgshy
sie sind nicht werd das sie meine erbeit sollen erkennen (Sendbrief 64014f)
Es hatten vnser veter die hutten des zeugnis ynn der wusten wie er yhn das verordenet hatte da er zu Mosen redte das er sie machen solt nach dem furbild das er gesehen hatte (1522 Apg 744)
Wenn sie euch nu vbirantworten werden so sorget nicht wie oder was yhr reden solt (1522 Matth 1019)
Da diese rede horeten der hohe priester vnd die fursteher des tempels vnnd ander hohe priester worden si vbir yhn betretten was doch das werden wollt (1522 Apg 524)
nach dem es vnmuglich war das er sollt von yhm gehallten werden (1522 Apg 224)
Vgl auch
Wol hat Heintzens Lesterbuch bey jnen den verstand (Auffassung) das es ein scharff schwert sey wider den ChurfUumlrsten und uns das uns aufffressen solle im Augenblick 0541 Wider Hans Worst 47517ff)
68 Einschlaumlgige Belege finden sich auch in den Zeitungen des Jahres 1609 vgl den Beitrag von Fritz in diesem Band S 279
69 Vgl Luumlhr (1992 354)
70 Sanders (1894256)
Modalverben als Substitutionsarmen 205
lichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden hat)
(71) Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintreten muszligshyten (anstatt Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintraten) 1
(72) Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert sein soll (anstatt Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert ist) 72
(73) Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sollen sieben Zigeuner erfroren sein (anstatt Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sind sieben Zigeushyner erfroren)
(74) Zuverlaumlssig wird gemrudet daszlig die Feinde dort angekommen sein sollen (anstatt Zuverlaumlssig wird gemeldet daszlig die Feinde dort angekommen sind)3
Vor gar nicht langer Zeit waren also Ausdrucksweisen wie sie bereits im Althochdeutschen belegt werden konnten auch noch im Neuhochshydeutschen vorhanden Daszlig sie heute als schlechtes Deutsch gelten kann jedoch nicht allein dem Einfluszlig der Sprachkritiker zugeschrieben werden In der Sprache muumlssen sich Wandel vollzogen haben die den Einsatz von Modalverben in Nebensaumltzen uumlberfluumlssig machen Moumlgshylicherweise besteht ein Zusammenhang mit dem Ruumlckgang des Konshyjunktivs in Nebensaumltzen eine Vermutung die naumlherer Untersuchung bedarf Da im Althochdeutschen die Modalverben im Nebensatz in den allermeisten Faumlllen eine lexikalische Bedeutung haben entspricht die Verwendung der Modalverben im Nebensatz weitgehend der im Hauptshysatz Die Faumllle in denen Modalverben ohne Eigenbedeutung im Altshyhochdeutschen Konjunktivformen im Nebensatz ersetzen sind zu vershyeinzelt als daszlig man von einem Ansatz zur Grammatikalisierung spreshychen koumlnnte denn die Bedingung fuumlr diesen Gebrauch ist hier eben der Reim
4 Fazit
Nach dem weitreichendsten Prinzip der Sprachoumlkonomie wuumlrde man fuumlr die althochdeutsche Sprachperiode in konjunktivischen Nebensaumltshyzen Modalverben als fakultative indikativische Ersatzformen ohne Eishygenbedeutung vorhersagen Die Beleglage ergab jedoch daszlig als Ershy
7 Matthias (1906446)
72 Andresen (1923 156)
73 Lehmann (1878 181f)
206 RLuumlhr
satzform der Typ fakultatives konjunktivisches Modalverb mit Eigenshybedeutung bei weitem vorherrscht Das zeigt daszlig im Althochdeutschen im Falle der Kennzeichnung eines konjunktivischen Nebensatzes der Konjunktiv einen houmlheren Rang einnimmt als das Modalverb Auch im Fruumlhneuhochdeutschen kommen noch Modalverben als fakultative konjunktivische Ersatzformen mit Eigenbedeutung vor Die Kennzeichshynung eines konjunktivischen Nebensatzes durch ein Modalverb ist also in dieser Spachperiode nicht auf die obligatorischen Faumllle in denen der Konjunktiv des Vollverbs mit dem Indikativ formal zusammenfallen wuumlrde beschraumlnkt Was nun das Neuhochdeutsche angeht so gelten heute wie bei den Sprachkritikem des 19 Jahrhunderts Ausdrucksweishysen in denen ein Modalverb die Bedeutung eines semantisch eindeutishygen Nebensatzes verstaumlrkt als anstoumlszligig Erst in dieser Zeit kommt im Falle der Substitution des Konjunktivs durch Modalverben aus welchen Gruumlnden auch immer das schon im Althochdeutschen theoretisch zu erwartende sprachoumlkonomische Prinzip voll zum Tragen
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188 R Liihr
Ein wenn-Verb also ein Verb das in der affirmativen Behauptung die Wahrheit des Komplements impliziert und so den Indikativ verlangt (vgl oben) begegnet in
(13) ther loz ther rfhtit unsih aI weliches siu wesan seal (Otfrid IV28 12) das Los das weist uns genau an wem sie (die Tunika) gehoumlren
Schwieriger ist folgender Fall mit einem wenn-Verb zu beurteilen In (14) gehoumlrt das uumlbergeordnete Verb zu der schon erwaumlhnten Gruppe von Verben der sinnlichen Wahrnehmung die eine Aktivitaumlt des Agens bezeichnen
Wanta iagilih tho thar instuant thaz ther man scolta wesan guat 1 zi guaten sih gizeliti ther suntigan so queliti (Otfrid Ill 1747f) Denn jeder begriff da sofort daszlig es sich gebuumlhrt daszlig der Mann gerecht ist [der] moumlge sich zu den Frommen zaumlhlen der einen Suumlnder so strafen will
Zwar folgt auf einen Nebensatz der das indikativische Modalverb seolta enthaumllt eine Fuumlgung im Konjunktiv Da jedoch instantan in eishynem weiteren Beleg mit einem indikativischen Komplementsatz vershybunden ist28 duumlrfte der Konjunktiv gizeliti autonom sein und die Funkshytion eines Wunsches haben seolta ist daher ebensowenig wie in den vorhergehenden Beispielen Ersatzform
Was Verben des Sagens im Traumlgersatz wie in (15) und (16) angeht so tritt hinter indikativischem nicht negiertem sagen in den mit wie einshygeleiteten Nebensaumltzen in gleicher Weise der Indikativ auf29
Sagen ih iu wio Ir nan sculut ffndan I (Otfrid 11217) Ich sage euch wie ihr ihn finden werdet
(16) joh selbo in sageta ubar aI wio egislih iz wesan scal (Otfrid V204)
27 Als indikativischer Nebensatz kann auch gedeutet werden
Tho rfht unsih thiu redina thaz wir uns warten thanana 1 thaz suht ni derre uns mera then lfdin joh thera sela (Otfrid m55) Da lehrte uns dieser Ausspruch daszlig wir uns davor in Acht nehmen damit
28 Hiar mugun wir instaotan 1 thaz quement ununahti fon suntono suhti (Otfrid III51f) Hieran koumlnnen wir erkennen daszlig koumlrperliche Krankheiten vom Verderben der Suumlnden kommen (vgl Schrodt 1983 164)
29 ih sagen thir wio sie datun (Otfrid 1937)
Uuio sie avur got thar drosta joh Moyses irlosta I thaz sagent buah zi waru (Otfrid H 87f)
Modalverben als Substitutionsormen 189
und er sagte ihnen deutlich wie schrecklich es juumlngste Gerichtl sein wird
seal steht hier also im Sinne von wird eine Bedeutung die sich mit der Bezeichnung einer Notwendigkeit oder eines Erfordernisses einer Handlung vertraumlgt Setzt man die von Oumlhlschlaumlger angenommene neushyhochdeutsche Bedeutung von soUen eine (vom Kontext gelieferte) Quelle will daszlig der mit dem Subjekt und der Infinitivkonstruktion beshyzeichnete Sachverhalt eintritt30 auch fuumlr das Althochdeutsche an so ist als erstes Argument einer Modalverbfuumlgung wie in (16) eine Fuumlllung wie In Hinblick auf das was Gott vorhat denkbar
Aumlhnlich
(17) Er zalt in ouh tho thar meist wio ther heilego geist 1 thie wfzzi in scolta meshyron mit sInes selbes leron I NiMinemo ni brusti ni er aHa fruma westi (Otfrid IV 1 537ff)
Auch erzaumlhlte er ihnen da insbesondere wie der heilige Geist ihnen den Verstand durch seine Lehren vermehren wird keinem duumlrfte mehr fehlen alles Nuumltzliche zu wissen3)
Vgl auch
(18) er unthankes in za]ta wio iz wesan scolta (Otfrid 1II2534)
Tho zalt in thiu sin guati I WIO se scoltun fahan zi herizohon zlahan I (Otfrid IV713ff)
tMr in ana zalta wio Krist in queman scolta (Otfrid V618)
joh wio er in thar gizalta wio thaz al wesan scolta (Otfrid IV634)32
232 Attributsaumltze
Ein mit der Subjunktion wie eingeleiteter indirekter Fragesatz als Attrishybutsatz findet sich in
(19) raquoSage uns meistar tMnne WIO thiu zft gigaoge I zeichan wio thu queman scaIt joh wio thiu woroIt ouh (Otfrid II2239f) Sage uns Herr nun wie die Zeit ablaumluft ein Zeichen wie du kommen wirst und wie die Welt auch untergeht
30 Oumlhlschlaumlger (1989 174)
31 Der Konjunktiv brust ist autonom
32 Dagegen koumlnnte der Konjunktiv die Bedeutung des Modalverbs verstaumlrken in
Zalt er ouh then mannon wio er se wolti minnon (Otfrid IV655 Schrodt 1983244 anders Wunder 1965291)
190 R Luumlhr
In diesem Beispiel faumlllt der Wechsel zwischen Konjunktiv (gigange) und Indikativ (scalt zigat) auf Da hinter imperativischem sagen sonst der Konjunktiv steht33 ist zu vermuten daszlig das fuumlr den Attributsatz fungierende Bezugswort Zeichen ein Substantiv das die Semantik eishynes wenn-Verbs hat den Moduswechsel zum Indikativ verursacht seal ist jedenfalls keine Ersatzform
233 Adverbialsaumltze
Ein reales Konditionalsatzgefuumlge liegt vor in
(20) Wio harto mihiJes mer gfuit druhtin tuer I guat ob ir mo folget inan bltshyten wollet (Otfrid IV77f)
Um wieviel mehr gibt euer Herr euch Gut wenn ihr ihm folgen und ihn bitshyten werdet
Da die einem Matrixsatz folgenden mit oba eingeleiteten Konditionalshysaumltze eine raquonachtraumlgliche oft ziemlich unwesentliche oder uumlberfluumlssige Angabe einer zum Eintreten des ersten angegebenen Ereignisses erforshyderlichen Vorbedingunglaquo34 enthalten kann man wollet mit werdet wiedergeben Geht man wieder von Oumlhlschlaumlgers Bedeutungsbeschreishybung des entsprechenden neuhochdeutschen Modalverbs aus35 so paszligt diese Bedeutung (vereinfacht ausgedruumlckt) auch fuumlr das Althochdeutshysche Der mit dem Subjekt bezeichnete Gegenstand zieht es vor daszlig der mit der Infinitivkonstruktion bezeichnete Sachverhalt eintritt vgl ferner fuumlr die 2 Person
(21) raquoWi1 thu thaz richi druhtin mit thfnes selbes rruihtin I ersezen thesen lfutin laquo (Otfrid V173) fuumlr lat acta apostol 16 domine in tempore hoc restitues regnum Israel36
Auf die gleiche Weise kann indikativisches wollen in dem in eine indishyrekte Rede eingebetteten als direkte Rede fungierenden Konditionalshysatz37 wiedergegeben werden
33 Nach Schrodt (1983 laumlszligt sich der Wechsel von Konjunktiv und Indikativ hier nur erklaumlren raquowenn man bei zielgerichtet modalisiertem Traumlgersatz autoshynome Modussetzung annimmllaquo Doch handelt es sich bei dem indikativischen Nebensatz um einen Attributsatz
34 Erdmann (1874 104)
35 Oumlh1schlaumlger (1989 166)
36 Zu weiteren Belegen vgl Kelle (1881 686f)
37 ErdrnannlW oIff (1973 128)
Modalverben als Substitutionsformen 191
quadun ni gisufchi nub er then Hut bisuichi I Joh er se thes gibCitti zi altere flf16itti I zi altemo wewen raquooba sie mo wollent hOrenlaquo (Otfrid mlS44ff) sie sagten er houmlre nicht auf daszlig er das Volk hintergehe und er sie noumltige
er] sie fuumlr immer zum ewigen Verderbnis verleite raquowenn sie auf ihn houmlren werdenlaquo
In allen diesen Faumlllen haben also die Modalverben Eigenbedeutung und sind weil sie in indikativischen Nebensaumltzen erscheinen keine Substishytutionsformen
3 Substitution durch Modalverben
31 Im Althochdeutschen38
Anders koumlnnte es sich in konjunktivischen Nebensaumltzen die Modalvershyben aufweisen verhalten Zu bedenken ist dabei daszlig wie bemerkt im Althochdeutschen der Konjunktiv vom Indikativ formal klar geschieden ist Behaumllt man den Begriff raquoSubstitutionlaquo bei so liegt hier demnach eine fakultative Substitution vor
311 Konjunktivische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung
3111 Objektsaumltze
Unter den komplexen Saumltzen die Objektsaumltze enthalten findet sich im Traumlgersatz ein faktives Verb bUden frohlocken Der Nebensatz steht im Konjunktiv39
(23) Abraham ther aHo er blidta sih thes Mrto I er thes sih muasi frowon then mfnan dag bisc6won (Otfrid III1849f)
Der alte Abraham frohlockte sehr daszlig er sich dessen dereinst wuumlrde freuen koumlnnen meinen Tag zu schauen
Der Konjunktiv duumlrfte hier autonom eingesetzt sein und zwar um die Unwirklichkeit des Ereignisses hervorzuheben4o muasi ist somit eine Substitutionsform mit Eigenbedeutung
38 Zum folgenden vgl Erdmann (1874 36f) Klaren
39 Zu indikativischen Nebensaumltzen bei Verben des Preuens im Matrixsatz vgl Wunder (196S 222)
40 Erdmann (187437)
192 RLuumlhr
Moumlglicherweise ebenfalls als autonom ist der Konjunktiv im Falle eishynes uumlbergeordneten wenn-Verbs das Bestandteil einer Aufforderung ist zu beurteilen41
Giwerdo uns geban druhtin mit thines selbes mahtin wir unsih muazin bIlden mit heilegon thinen (Otfrid Y241f) Laszlig dich herab uns mit deiner Allmacht zu gewaumlhren daszlig wir uns mit deishynen Heiligen freuen duumlrfen
In Frage kommt der Konjunktiv in der Funktion eines Optativs Ein Sonderfall einer Substitution mit Eigenbedeutung begegnet im
Falle eines wohl zu ergaumlnzenden wenn-Verbs
(25) Ward in sar tho filu leid thaz er sih sar fon in firmeid thaz muasin sih sin frowonjoh inan lango scouon (Otfrid YlO2lf) Es tat ihnen bald ungemein leid daszlig er sich schnell von ihnen entfernte [und es ihnen so unmoumlglich machte42] daszlig sie sich seiner freuen und ihn lange schauen konnten
Ist ein wenn-Verb verneint wird uumlber die Realisierung des Kompleshymentsatzgeschehens nichts ausgesagt sondern es wird nur erwaumlhnt In solchen Faumlllen tritt im abhaumlngigen Satz bevorzugt der Konjunktiv auf43
Dies gilt auch fuumlr das folgende Beispiel in dem ein mit ni daszlig einshygeleiteter konjunktivischer Nebensatz von einem negierten wenn-Verb abhaumlngt
(26) ni mugut ouh firlazan ni ir sulih sculit niazan (Otfrid Il2228) ihr koumlnnt nicht umhin daszlig ihr solches genieszligen werdet
Die Bedeutung des Modalverbs kann wohl mit werden umschrieben werden
Gegenuumlber den wenn-Verben erfordern die Verba sentiendi normashylerweise sowohl in der Affirmation als auch in der Negation einen konshyjunktivischen Nebensatz44 Eine Substitution mit Eigenbedeutung zeigt sich
(27) So hoh ist gomaheit sfn thaz mih ni thunkit megi sin theih scuahriomon sine zinbintanne birine (Otfrid 12757f)
41 Zum Problem des Konjunktivs bei raquomodalisierten Traumlgersaumltzenlaquo mit wennmiddotYershyben vgl Schrodt (1983 177)
42 Ygl Kelle (1881 266) es tat den Juumlngern von Emaus leid daszlig er sich ihnen entzog (und daszlig er sich ihnen dadurch entzog) daszlig sie sich seiner freuen konnshyten
43 Schrodt (1983 73f)
44 Zum Konjunktiv in den von Yerba sentiendi abhaumlngigen Nebensaumltzen vgl Schrodt (1983 259ff und 264) (anders dazu Wunder 1965 198ff)
Modalverben als Substitutionsormen 193
So groszlig ist seine Persoumlnlichkeit daszlig ich nicht daszlig ich seine Schuhshyriemen beruumlhren kann um sie zu loumlsen
Ebenso wie hinter den Verba sentiendi steht hinter Verben des Bittens der Nebensatz im Konjunktiv45 Die Modalverben haben Eigenbedeushytung in
(28) Thih bfttu ih mines muates thaz mir queme alles guates in ewon ginuagi zi druton thinen fUagi Thaz ih famer druhtin min mit themo droste
megi sin (Otfrid 1253ff)
Ich bitte dich von Herzen daszlig mir alles Gute immerzu hinreichend zuteil wird und daszlig ich zu Qeinen Lieben gehoumlre daszlig ich stets Herr mit deiner Hilfe sein kann
(29) Mit allen unsen kreftin bittemes nu druhtin Thaz wir unsih in then riuon ni muazin io biscowon Thaz Wir unsih muazin samanon zen gotes druttheganon Joh muazin mit then druton thes hfmilriches nioton Joh wir thar muazin untar fn blfde fora gote sin (Otfrid 128lff) Mit allen unseren Kraumlften bitten wir nun den Herrn daszlig wir uns nie im Ungluumlck befinden (eigentlich umsehen muumlssen) daszlig wir uns zu den lieben Dienern Gottes gesellen duumlrfen und mit den Heiligen das Himmelshyreich genieszligen duumlrfen und wir da zwischen ihnen froh vor Gott sein duumlrshyfen
Eigenbedeutung duumlrfte ferner vorliegen im Falle der Modalverben die in einem von Verben des Bemuumlhens abhaumlngigen konjunktivischen Neshybensatz46 vorkommen
(30) Ni thurfut ir biginnan thaz Ir ouh megit bringan thaz ir gote thionot joh thoh thia worolt minnot (Otfrid 1I223f) Ihr duumlrft nicht versuchen daszlig ihr zustande bringt (zustande bringen koumlnnt) Gott zu dienen und doch die Welt zu lieben
Nach den neuhochdeutschen Sprachregeln ist das Modalverb koumlnnen im Nebensatz uumlberfluumlssig Im aumllteren Deutsch ist aber hinter einem Verb der Bedeutung versuchen im Nebensatz sicher noch die Bedeushytung in der Lage sein von koumlnnen empfunden worden
Auch Verben des Wuumlnschens machen einen Nebensatz im Konjunkshytiv erforderlich47 Dem Modalverb kommt Eigenbedeutung zu in
(31) Sie wunsgtun muasin rinan thoh sinan tradon einan in sinen (Otfrid 1Il99f)
Sie wuumlnschten daszlig sie wenigstens einen Faden in seinem Gewand beruumlhren durften
45 Schrodt (1983
46 Schrodt (1983
47 Schrodt (1983
194 R Luumlhr
Im Falle von Verba dicendi im uumlbergeordneten Satz begegnet eine Satz verschraumlnkung in
(32) wer quedenl sie theih sculi sin odo ouh nicha wese min (Otfrid m128)
wer sagen sie daszlig ich sein soll oder wie es um mich bestellt sei
Das Verb quedan ist ebenso wie sprehhan ein raquoschwach transitives(( Verb solche Verben verlangen einen Inhaltssatz im Konjunktiv woshydurch Abhaumlngigkeit vom Traumlgersatz signalisiert wird48 Die Modalverbshyfugung ist eigentlich wiederzugeben mit wer sagen sie daszlig mir beshystimmt ist zu sein Moumlglich erscheint aber auch eine Wiedergabe mit wer sagen sie daszlig ich sein soll mit soll im Sinne man sagt Hier zeigt sich also moumlglicherweise ein Ansatz zu dem spaumlteren epistemishyschen Gebrauch von sollen49
Aumlhnlich liegt wohl der Fall bei einem verneinten Verbum dicendi im Traumlgersatz mit ni als Konjunktion
(33) Nintheizit mir iz muat min ni ther fon gote scuE sin 1es aumllleswio ni th6nkit ther sulih werk wirkit (Otfrid III20 I 49f)
Mein Herz stellt es mir nicht in Abrede daszlig der von Gott sein muszlig der auf nichts anderes sinnt als daszlig er ein solches Werk tut
Zugrunde liegt die Vorstellung ni ther fon gote sculi sfn daszlig dem beshystimmt ist von Gott zu sein
3112 Adverbialsaumltze
Bei den Adverbialsaumltzen herrscht in den Finalsaumltzen wie bemerkt der Konjunktiv50 daher haben die Modalverben die Funktion von Substishytutionen und zwar mit Eigenbedeutung Es kommen die Modalverben muazan mugan und einmal wollen vor die wie gezeigt werden kann voneinander deutlich unterschiedene semantische Leistungen erbrinshygen51
(34) sie fergont druta ouh sille thes liebes in nirzfhe Thaz muazin sih thes fr6won (Otfrid V2350f) sie flehen auch seine Lieben an daszlig er ihnen das Ersehnte nicht vorenthalshyten moumlge damit sie sich daran erfreuen koumlnnen
48 Schrodt (1983 222)
49 Zu Zeugnissen fuumlr die epistemlsche Verwendung von Modalverben im Fruumlhneushyhochdeutschen vgl Fritz (1991 33ff)
50 Dazu Kahl (1890 45)
51 Dazu Luumlhr (1996)
Modalverben als Substitutions formen 195
(35) Druhtin atleswio ni dua mih io fuagi tharazua thaz fh mih untar thinen iamer muazi bUden (Otfrid V2417f)
Herr versage es nicht geselle mich stets dazu damit ich mich unter den Deinen immerzu freuen kann
(36) In rehtemo muate erge uns iz io zi guate 1 thaz wIr io muazin blide wesan sdlka sine (Otfrid III2014lf)
In rechtem Sinn wende es sich uns stets zum Guten damit wir immerzu froh deine Diener sein koumlnnen 152
(37) Nu bifflu ih mih hiar then beziron allen in war 1 allen g6tes theganon mit selben Kristes seganon 1 Thaz thie se1bun smahi min in gihugti muazin iro sin (Otfrid V2587fq
Und ich empfehle mich fuumlrwahr hier allen Gottesfuumlrchtigen indem ich fuumlr alle Diener Gottes den Segen Christi selber anrufe damit ich in ihrer Erinneshyrung sein kann
(38) bat man gabi imo then man thoh tho so bilibanan 1 Thaz muasi er thara wisen then lfchamon 16sen (Otfrid IV356f)
er [Joseph von Arimathaumla] bat daszlig man ihm den Mann gebe der doch so umgekommen war damit er Vorbereitungen treffen konnte den Leichnam abzunehmen
(39) sie warun wartenti wara man nan legeti 1 Thaz sIe nan muasin fuaren gishysuaslicho biruaren I Joh muasin thes giflfzan gisuaslicho birfazan (Otfrid IV3524ff)
sie beobachteten wohin man ihn legte damit sie ihn ruumlsten konnten auf vertraute Weise beruumlhren und danach trachten konnten ihn liebevoll zu beweinen
(40) Ira ferah bot thaz wib thaz iz muasi haben Ifb (Otfrid 12019)
Ihr Leben bot die Frau an damit es [das Kind] am Leben bleiben durfte
(41) irquicki in mir thia mina muadun sela 1 Theih hiar in libe irwizze zi thishynemo disge ouh sizze 1so er deta after thiu ih muad thingen zi thiu (Otfrid III I 22ff)
belebe in mir meine muumlde Seele damit ich hier im Leben befahigt bin auch an deinem Tische zu sitzen damit ich wie er [Lazarus] es spaumlter tat dahin gelangen darf
(42) Ther scado fliehe in gahe joh thiz sih uns io nahe I joh mit thfu giwerkon thaz thu uns es muazis thankon (Otfrid II2437f)
Das (moralische) Gebrechen weiche schnell und dies [die Heilung durch dich] nahe sich uns immer und damit wollen wir wirken damit du gar nicht anders kannst als es uns zu lohnen ( damit du uns es lohnen muszligt)
(43) Inliuht er unsih filu fram joh er hera in worolt quam 1 Thaz wir thaz irshykantin wara wir gangan scoltin I Joh wir nan muazin scowon 6ffenen 6ugon 1 Ofenemo muate theiz uns irge zi guate I mit thes herzen ougon muazin iamer sc6won (Otfrid III21 29ff)
52 V gl auch Otfrid V 241 f
196 RLuumlhr
Er erleuchte uns ganz und gar und er kam hierher auf die Welt damit wir erkennen wohin wir gehen sollen und damit wir ihn mit offenen Aushygen anschauen koumlnnen mit offenem Sinn damit es uns zum Heile gereishyche [damit] die Augen des Herzens [ihn] stets schauen koumlnnen
(44) Gerota iuer harto selb ther wfdarwerto thaz muasi er redan iu thaz muat s6 man korn in sfbe duat (Otfrid IV1315f)
Der Satan selbst begehrte euch heftig damit er Gelegenheit bekommt euer Herz zu sieben wie man Korn in das Sieb tut
fuumlr lat ecce satanas expetivit vos ut cribraret sicut triticum
(45) HaIt unsih in n6tin fon allen widarmuatin thaz muazin wir biwankon then abahen githankon (Otfrid 1I2423f) Beschuumltze uns sorgfaltig vor allen Verfolgungen damit es uns gegeben ist den boumlsen Gedanken zu entrinnen
(46) Thie selbun ewarton joh thie hereston suahtun 10 innan thiu urkundi luggu Thaz sie nan thoh mit liiginon m6hlin thar bir6dinon (Otfrid IV1923ff) Dieselben Hohenpriester und die Aumlltesten suchten inzwischen falsche Zeugnisse damit sie ihn wenigstens mit Luumlgen da uumlberfuumlhren konnten
(47) Det er iz then mannon zi einen frfstfrangon thaz sIe nan mohtin ghinashybrechon (Otfrid IV1963f) Er [der Hohepriester] verhalf den Menschen zu einer Gelegenheit [das Urshyteil zu fallen] damit sie ihn zugrunde richten konnten53
(48) Kapfetun sie lango was wuntar sie thero thingo mit hanton oba then 6ushygon thaz Mz sie mohtin sc6uon (Otfrid V1737f) Sie schauten lange sie wunderten sich uumlber die Dinge mit den Haumlnden uumlber den Augen damit sie besser sehen konnten
(49) Wir sculun hiar nu suntar gizellen ander wuntar Thaz wir fon seltsane w6la megin sare irkennen so iz giscrfban stat thia wuntarlichun g6tes dat (Otfrid V1215ff) Wir werden hier nun noch ein anderes Wunder erzaumlhlen damit wir aus einem Wunder sogleich das Wunder Gottes recht erkennen koumlnnen wie es beschrieben ist
(50) Beginnet g6te thankon thaz megit ir biwankon theso egislichun grunni ir natarono kiinni (Otfrid I2341f) Dankt Gott damit (so daszlig) ihr diesem schrecklichen Ungluumlck entrinnen koumlnnt ihr Natterngeschlechtl
Und das Beispiel mit wollen im Finalsatz ist
(51 ) gil6ubet thoh thera dati I Thaz ir thaz irkennet joh ouh gil6uben wollet thaz wir ein sculun sin fh inti fater minI (Otfrid III2262ff)
53 Zur Interpretation der Stelle vgl Kelle (1881 169)
Modalverben als Substitutions formen 197
Auf eine an eine 2 Person Plural gerichtete Aufforderung folgt ein Fishynalsatz mit dem konjunktivischen Modalverb wollet ebenfalls in der 2 Person Plural Behaumllt man in der neuhochdeutschen Uumlbersetzung das Modalverb bei so ergibt sich sofern man keinen Finalsatz mit einem nach der heutigen Sprachnorm redundanten Modalverb moumlgen bildet
so glaubt doch diesem Werk ihr moumlget erkennen und glauben daszlig uns bestimmt ist eins zu sein ich und mein Vater
Einer an eine 2 Person Plural gerichteten Aufforderung folgt also eine weitere Aufforderung mit einem Modalverb das einen Wunsch ausshydruckt Wird nun die erste Aufforderung als Bedingung und die zweite Aufforderung als eine erwuumlnschte Folge betrachtet wird zwischen den beiden Sachverhaltsbeschreibungen eine finale Relation etabliert54 Otshyfrid hat diese beiden Sachverhaltsbeschreibungen wohl in einer solchen Beziehung gesehen denn er hat in (51) die Konjunktion thaz im Sinne von damit verwendet
Als Finalsatz oder als Konsekutivsatz kann aufgefaszligt werden der Nebensatz in
(52) Driihtin fon then stankon thaz muaz55 ih ser biwankon I mih rum so Lazarum thu dati (Otfrid IIIl19f)
Herr befreie mich von dem Verwesungsgeruch [der Suumlnde] wie du es mit Lazarus tatest so daszlig56damit ich dem Leid entrinnen kann
Es ist nun zu prufen ob neben diesen Faumlllen in denen konjunktivische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung anzunehmen sind auch konshyjunktivische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung auftreten
312 Konjunktivische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung
3121 Objektsaumltze
Auf jeden Fall verblaszligt ist die Bedeutung des Modalverbs in (53) - im Matrixsatz erscheint ein Verbum sentiendi
(53) Gistuant gener (wan ih) thenken thaz er wolti wenken (Otfrid IV175)
Jener versuchte vermutlich [dem Hieb] auszuweichen (woumlrtliCh Jener glaube ich begann daran zu denken daszlig er [dem Hieb] ausweichen wollte)
54 Vgl dazu Luumlhr (1994217)
55 Mit Apokope vgl Piper (1884314)
56 Wunder (1965 230)
198 R Luumlhr
wollen kann hier aber futurischen Charakter haben indem es dem Vollshyverb wenken - insbesondere bei einem Verb des Anfangens in der Traumlshygerstruktur - ingressive Aktionsart verleiht57 Auf jeden Fall ermoumlglicht die Verwendung eines Modalverbs daszlig die beiden Vollverben reimen (thenken wenken) weshalb man von einer durch den Reim bedingten Substitutionsform sprechen kann
Moumlglicherweise ist so auch das schon behandelte Beispiel (3) intershypretierbar
Wir ei gun kuning einan anderan nih6inan I joh wanen waltan wolle ther keisor ubar alle (Otfrid IV2421f)
Da waumlnen im Althochdeutschen sowohl Vermutung als auch Erwartung ausdruumlckt58 erscheint bei einem solchen uumlbergeordneten Verb im abshyhaumlngigen Satz ein Modalverb das einen Eintritt eines Sachverhalts zum Ausdruck bringen kann (vgl oben) plausibel Auch hier spielt wie schon bemerkt der Reim eine Rolle (wolle alle)
Allein der Reim ist wohl fuumlr die Verwendung von scolti in (54) vershyantwortlich
(54) sie warun 6isconti war er wesan scolti (Otfrid II11538) fuumlr lat [ quaerebant eum] et dicebant ubi est ille sie fragten wo er sei
Zum Reim -nti(+ n) -lti(+ n) vgl Otfrid III2131 Thaz wir thaz irshykantin wara wir gangan scoltin
Trifft diese Annahme fuumlr (54) zu so stellt scolti eine konjunktivische Substitutionsform ohne Eigenbedeutung dar Denn indirekte Frageshysaumltze die von Verben des Fragens abhaumlngig sind stehen im Konjunkshytiv59
Ebenso also als Substitutionform ohne Eigenbedeutung die aus Reimgruumlnden - hier aber wegen des Reims der Vollverben gesetzt ist ist das Modalverb scolti aufzufassen in
(55) rafsta nan tho worto thera ungilouba harto I Ziu er scolti io thes githenken joh muates io giwenken (Otfrid III844f) er tadelte ihn heftig mit seinem Worte wegen des Unglaubens warum er das gedacht und keinen Mut gehabt habe
57 VgL DWb 30
58 Schuumltzcichel (1989 280) 59 Wunder (1965 309) Schrodt (1983 257f)
Modalverben als Substitutions formen 199
tadeln ist hier nicht als faktives Verb verwendet vielmehr fragt der ziushySatz nach den Gruumlnden des Tadelns60
313 Indikativische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung
Im Falle eines Attributsatzes der mit daszlig eingeleitet ist sind die Beshylege (56) und (56a) zu vergleichen
(56) tho ward irftlllit thiu zft I thaz sUliga thiu alta thaz kind tho beran scolta (Otfrid I9lf)
Da war die Zeit crfuumllltdaszlig die Gluumlckselige dic alte Frau das Kind gebaumlren sollte
(56a) thio zfti sih iIvUltun I thaz si chfnd bari zi woralti einmari (Otfrid 11129f)
die Zeiten erfuumlllten sich daszlig sie cin auszligerordentliches Kind ZUr Welt brachte
Da in (56a) der Konjunktiv steht handelt es sich bei scolta in (56) um eine indikativische Ersatzform mit Eigenbedeutung scolta reimt auf alta weshalb das Modalverb hier zu den reimbedingten Substitutionsshyformen zu zaumlhlen
Nach Erdmann ist zu den indikativischen Substitutionsformen Beishyspiel (57) zu rechnen61
(57) Bi hiu se thes ni h6getin 6ba sie thaz gifrumitin I thaz er nan mohta ana wan heizan Mur Uf stan I Joh mit theru krefti avur nan irqufcti I (Otfrid IV313ff)
Warum haumltten sic [die Juden] das nicht bedacht daszlig er [JcsusJ wenn sie das vollfuumlhrten [naumlmlich die Toumltung des Lazarusj ihn [Lazarusj aufs neue auferstehen lassen konntc und ihn abermals zum Leben erwecken wuumlrde
Der mit daszlig eingeleitete Nebensatz haumlngt von einem Verb des Denkens in einer konjunktivischen direkten Frage ab und wird mit einem konshyjunktivischen Verb fortgefuumlhrt Nach den althochdeutschen Modusreshygeln waumlre eigentlich mohti zu erwarten wie es die Freisinger Handshyschrift bietet Die Wiener Handschrift die die Quelle aller Handschrifshyten und vermutlich von Otfrid mit eigener Hand revidiert ist hat dageshygen mohta Dieses mohta nun sieht wie eine indikativische Ersatzform mit Eigenbedeutung aus Ebenso wie im abhaumlngigen Nebensatz autoshynome Konjunktive vorkommen gibt es aber moumlglicherweise in eigentshy
60 Vgl Wunder (1965307)
61 Erdmann (1874 37 und 111)
200 RLuumlhr
lich konjunktivischen Nebensaumltzen einen autonomen Indikativ Vielshyleicht hat Otfrid bewuszligt den Indikativ mohta gewaumlhlt um seiner Uumlbershyzeugung Ausdruck zu verleihen daszlig Jesus einerlei wie die Umstaumlnde sind in der Lage ist Lazarus von den Toten aufzuerwecken
314 Indikativische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung
Ein indirekter Fragesatz mit der Subjunktion ob liegt vor in
(58) thaz ir irkfaset ubar al aba siu fruma wesan seal (Otfrid S 6) damit ihr ganz und gar pruumlft ob es [likza Bruchstuumlck] gelungen ist
In den mit oba eingeleiteten indirekten Fragesaumltzen ist der Konjunktiv die Regel62 seal ist demnach indikativische Substitutionform ohne Eishygenbedeutung die offensichtlich aus Reimgruumlnden gewaumlhlt ist
32 Auswertung
Ordnet man nun die im Althochdeutschen moumlglichen Faumllle von Substishytution nach dem Grad ihrer Oumlkonomie so ergeben sich - da im Altshyhochdeutschen ja nur fakultative Substitution vorkommt dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung
Von den 36 fuumlr Substitution in Betracht kommenden Nebensaumltzen shynach unserer Definition ist ja Substitution nur in Nebensaumltzen die den Konjunktiv verlangen moumlglich - fallen die meisten naumlmlich 29 auf den Typ c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung Objektsaumltze 11 Adverbialsaumltze 18
62 Kelle (1881451) Zu zwei Ausnahmen im Indikativ und deren Begruumlndung Wunder (1965 284)
Modalverben als Substitutionsarmen 201
Danach folgt der Typ d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung Objektsaumltze 4 (53) (3) (54) (55) wolle
2mal seolti)
und dann der Typ cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung Objektsaumltze 2 (56) (57) (seolta mohta)
Nur in einem Objektsatz (58) hat man den Fall dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
Mit Ausnahme von mohta in (57) sind die Substitutionsformen der Tyshypen d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung (wolti wolle 2mal seolti) cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung (scolta) und dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
durch den Reim bedingt und in mohta liegt moumlglicherweise ein autoshynomer Indikativ vor Weil also der Konjunktiv in den konjunktivischen Nebensaumltzen bei weitem uumlberwiegt kann man sagen daszlig der Regel raquoKonjunktiv im Nebensatzlaquo ein groumlszligeres Gewicht zukommt als dem Prinzip der Sprachoumlkonomie Nur in drei Faumlllen von 29 erscheint ein indikativisches Modalverb als Substitution zweimal reimbedingt und einmal wohl aus inhaltlichen Gruumlnden In der Anwendung der den Neshybensatz kennzeichnenden Mittel hat also im Althochdeutschen der Konjunktiv eindeutig Vorrang vor der Kennzeichnung eines konjunkshytivischen Nebensatzes durch ein Modalverb
Zu fragen bleibt noch wieso von den althochdeutschen Modalverben am ehesten die Verben sollen und wollen als Konjunktiversatz auftreshyten Es liegt wohl an der Bedeutung dieser Modalverben Im Neuhochshydeutschen ist nach Oumlhlschlaumlger den beiden Verben im nicht-epistemishysehen Gebrauch gemeinsam daszlig dem Eintritt des durch die Infinitivshykonstruktion bezeichneten Sachverhalts eine Praumlferenz zukommt ohne
202 RLuumlhr
daszlig besondere Bedingungen eine Rolle spielen63 Demgegenuumlber ist bei den anderen nicht-epistemisch verwendeten Modalverben von Bedeushytung ob eine (vom Kontext gelieferte) Quelle oder der mit dem Subjekt bezeichnete Gegenstand den Eintritt des durch die Infinitivkonstruktion bezeichneten Sachverhalts zulaumlszligt oder wuumlnscht oder auch eine Faumlhigshykeit zu einer bestimmten Handlung hat Auch die althochdeutschen Modalverben sollen und wollen bringen bei Otfrid eine Praumlferenz zum Ausdruck wohingegen sich die uumlbrigen althochdeutschen Modalverben auf semantische Kategorien wie Permission Wunsch oder Faumlhigkeit beziehen Nimmt man nun an daszlig von diesen semantischen Kategorien die der Praumlferenz am wenigsten Eigenbedeutung hat wuumlrde verstaumlndshylich warum Otfrid aus Reimgruumlnden zur Substitution des Konjunktivs die Modalverben sollen und wollen verwendet hat Jedenfalls kann man bei Otfrid fuumlr die Hypotaxe allenfalls von einer reimbedingten Substitushytion des Konjunktivs durch Modalverben sprechen
33 Substitution durch Modalverben im Fruumlhneuhochdeutschen
Nach der Besprechung des althochdeutschen Materials stellt sich nun die Frage ob auch noch in der Sprache Luthers Substitution durch Moshydalverben vorhanden war Wie einige Beispiele belegen sollen ist dies in der Tat der Fall
331 Objektsatz
Es findet sich obligatorische Substitution Eigenbedeutung des Moshydalverbs
(59) haben wyr euch nicht mit ernst gepotten das yhr nicht sollt leren ynn dishysem namen (1522 Apg 528)
(60) Und wenn ich sie hette sollen fragen wie man die ersten zwey wort Matthei 1 Liber Generationis solte verdeutschen so hette yhr keiner gewist gack dazu zu sagen (Sendbrief 63335ff)
Und fakultative Substitutionen mit Eigenbedeutung begegnen in
(61) vnnd da si yhn sahen baten sie yhn das er weychen wolt von yhr grentze (1522 Matth 834) Das er von jrer Grentze weichen wolte64 (1546)
63 Oumlhlschlaumlger (1989 248ff)
64 Zu wollen mit Eigenbedeutung in von Verben des Bittens abhaumlngigen Saumltzen vgl DWb 30
Modalverben als Substitutions formen 203
(62) vnnd baU das er eyne hutten finden mochte dem Gott Jacob (1522 Apg746)
(63) Ich hab mich des getlissen ym dolmetzschen das ich rein und klar teutsch geben mOumlchte (Sendbrief 636 15f)
(64) vnd schaffet das man die iungen kindlin hyn werffen muste das sie nit lebendig blieben65 (1522 Apg 719)
332 Adverbialsatz
Auch in Finalsaumltzen erscheinen obligatorische und fakultative Substitushytionen mit Eigenbedeutung und zwar teils als eindeutige Konjunktivshyformen
(65) und eren umb keiner ander ursachen willen so starck wider die werck und treiben allein auff den glauben das die leute sollen sich ergern stossen und faUen (Sendbrief 64134ff)
(66) Denn wer dolmetzschen wil mus grosse vorrath von worten haben das er die wol kOumlnne haben wo eins an allen orten nicht lauten will (Sendbrief 6392lff)
(67) ehe den wir solche wacken und klotze aus dem wege reuumlmeten auff das man kOndte so fein daher gehen66 (Sendbrief 63624f)
Und ein Beleg fuumlr einen Konditionalsatz in dem das Modalverb Eigenshybedeutung hat ist
(68) Wenn ich nu den buchstaben nach aus der esel kunst solt des Engels wort verdeutschen muste ich also sagen (Sendbrief 639 1Of)
Diese Belege zeigen daszlig konjunktivische Modalverben mit Eigenbeshydeutung ebenso wie im Althochdeutschen noch im fruumlhneuhochdeutshysehen Nebensatz als Substitutionsformen des Konjunktivs fungieren67
65 Hinter einem faktiven Verb ist kein Konjunktiv zu erwarten
Mich wundert aber das man sich yn diser offentlichen sachen so mag sperren (Sendbrief 6426f)
66 Der Finalsatz wird mit Hauptsatzwortfolge weitergefuumlhrt in
Auff das wenn wir sagen die Christenheit yrre nicht so sollen wir auch sagen das sie auch nicht yrren und also kein lUumlgen auch an yn mUumlge gestrafft werden (Sendbrief 6452ff)
67 Weitere Belege sind
Und urteileten dem guten man sein werck die jhenigen so ym nicht gnug gewest weren das sie ym die schuch hetten sollen wischen (Sendbrief 6343ff)
204 R Luumlhr
Das Prinzip der Sprachoumlkonomie das in seiner striktesten Auspraumlgung eigentlich nur obligatorische indikativische Substitutionen des Konshyjunktivs fordert ist hier also noch nicht wirksam68
34 Faktoren fuumlr die Aufgabe der Substitution durch Modalverben im Neuhochdeutschen
Wieso hat sich dieser Sprachgebrauch nun zum Neuhochdeutschen hin geaumlndert Es gibt zweifellos aumluszligere Indizien die auf eine bewuszligte Unshyterdruumlckung der Modalverben als Substitutionen schlieszligen lassen Die Sprachkritiker des 19 Jahrhunderts haben vielfach die Beseitigung von Redundanz wie sie durch Modalverben in semantisch eindeutigen Neshybensaumltzen entsteht gefordert69 Verpoumlnt sind zB Ausdrucksweisen wie
(69) Wenn zur Einloumlsung eines Pfandes ein Vers verlangt werden sollte so richshytete man die Forderung meist an mich (Goethe) (anstatt Wenn zur Einloumlshysung eines Pfandes ein Vers verlangt wurde so )70
(70) Die Moumlglichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden haben mag (anstatt Die Moumlgshy
sie sind nicht werd das sie meine erbeit sollen erkennen (Sendbrief 64014f)
Es hatten vnser veter die hutten des zeugnis ynn der wusten wie er yhn das verordenet hatte da er zu Mosen redte das er sie machen solt nach dem furbild das er gesehen hatte (1522 Apg 744)
Wenn sie euch nu vbirantworten werden so sorget nicht wie oder was yhr reden solt (1522 Matth 1019)
Da diese rede horeten der hohe priester vnd die fursteher des tempels vnnd ander hohe priester worden si vbir yhn betretten was doch das werden wollt (1522 Apg 524)
nach dem es vnmuglich war das er sollt von yhm gehallten werden (1522 Apg 224)
Vgl auch
Wol hat Heintzens Lesterbuch bey jnen den verstand (Auffassung) das es ein scharff schwert sey wider den ChurfUumlrsten und uns das uns aufffressen solle im Augenblick 0541 Wider Hans Worst 47517ff)
68 Einschlaumlgige Belege finden sich auch in den Zeitungen des Jahres 1609 vgl den Beitrag von Fritz in diesem Band S 279
69 Vgl Luumlhr (1992 354)
70 Sanders (1894256)
Modalverben als Substitutionsarmen 205
lichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden hat)
(71) Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintreten muszligshyten (anstatt Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintraten) 1
(72) Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert sein soll (anstatt Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert ist) 72
(73) Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sollen sieben Zigeuner erfroren sein (anstatt Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sind sieben Zigeushyner erfroren)
(74) Zuverlaumlssig wird gemrudet daszlig die Feinde dort angekommen sein sollen (anstatt Zuverlaumlssig wird gemeldet daszlig die Feinde dort angekommen sind)3
Vor gar nicht langer Zeit waren also Ausdrucksweisen wie sie bereits im Althochdeutschen belegt werden konnten auch noch im Neuhochshydeutschen vorhanden Daszlig sie heute als schlechtes Deutsch gelten kann jedoch nicht allein dem Einfluszlig der Sprachkritiker zugeschrieben werden In der Sprache muumlssen sich Wandel vollzogen haben die den Einsatz von Modalverben in Nebensaumltzen uumlberfluumlssig machen Moumlgshylicherweise besteht ein Zusammenhang mit dem Ruumlckgang des Konshyjunktivs in Nebensaumltzen eine Vermutung die naumlherer Untersuchung bedarf Da im Althochdeutschen die Modalverben im Nebensatz in den allermeisten Faumlllen eine lexikalische Bedeutung haben entspricht die Verwendung der Modalverben im Nebensatz weitgehend der im Hauptshysatz Die Faumllle in denen Modalverben ohne Eigenbedeutung im Altshyhochdeutschen Konjunktivformen im Nebensatz ersetzen sind zu vershyeinzelt als daszlig man von einem Ansatz zur Grammatikalisierung spreshychen koumlnnte denn die Bedingung fuumlr diesen Gebrauch ist hier eben der Reim
4 Fazit
Nach dem weitreichendsten Prinzip der Sprachoumlkonomie wuumlrde man fuumlr die althochdeutsche Sprachperiode in konjunktivischen Nebensaumltshyzen Modalverben als fakultative indikativische Ersatzformen ohne Eishygenbedeutung vorhersagen Die Beleglage ergab jedoch daszlig als Ershy
7 Matthias (1906446)
72 Andresen (1923 156)
73 Lehmann (1878 181f)
206 RLuumlhr
satzform der Typ fakultatives konjunktivisches Modalverb mit Eigenshybedeutung bei weitem vorherrscht Das zeigt daszlig im Althochdeutschen im Falle der Kennzeichnung eines konjunktivischen Nebensatzes der Konjunktiv einen houmlheren Rang einnimmt als das Modalverb Auch im Fruumlhneuhochdeutschen kommen noch Modalverben als fakultative konjunktivische Ersatzformen mit Eigenbedeutung vor Die Kennzeichshynung eines konjunktivischen Nebensatzes durch ein Modalverb ist also in dieser Spachperiode nicht auf die obligatorischen Faumllle in denen der Konjunktiv des Vollverbs mit dem Indikativ formal zusammenfallen wuumlrde beschraumlnkt Was nun das Neuhochdeutsche angeht so gelten heute wie bei den Sprachkritikem des 19 Jahrhunderts Ausdrucksweishysen in denen ein Modalverb die Bedeutung eines semantisch eindeutishygen Nebensatzes verstaumlrkt als anstoumlszligig Erst in dieser Zeit kommt im Falle der Substitution des Konjunktivs durch Modalverben aus welchen Gruumlnden auch immer das schon im Althochdeutschen theoretisch zu erwartende sprachoumlkonomische Prinzip voll zum Tragen
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190 R Luumlhr
In diesem Beispiel faumlllt der Wechsel zwischen Konjunktiv (gigange) und Indikativ (scalt zigat) auf Da hinter imperativischem sagen sonst der Konjunktiv steht33 ist zu vermuten daszlig das fuumlr den Attributsatz fungierende Bezugswort Zeichen ein Substantiv das die Semantik eishynes wenn-Verbs hat den Moduswechsel zum Indikativ verursacht seal ist jedenfalls keine Ersatzform
233 Adverbialsaumltze
Ein reales Konditionalsatzgefuumlge liegt vor in
(20) Wio harto mihiJes mer gfuit druhtin tuer I guat ob ir mo folget inan bltshyten wollet (Otfrid IV77f)
Um wieviel mehr gibt euer Herr euch Gut wenn ihr ihm folgen und ihn bitshyten werdet
Da die einem Matrixsatz folgenden mit oba eingeleiteten Konditionalshysaumltze eine raquonachtraumlgliche oft ziemlich unwesentliche oder uumlberfluumlssige Angabe einer zum Eintreten des ersten angegebenen Ereignisses erforshyderlichen Vorbedingunglaquo34 enthalten kann man wollet mit werdet wiedergeben Geht man wieder von Oumlhlschlaumlgers Bedeutungsbeschreishybung des entsprechenden neuhochdeutschen Modalverbs aus35 so paszligt diese Bedeutung (vereinfacht ausgedruumlckt) auch fuumlr das Althochdeutshysche Der mit dem Subjekt bezeichnete Gegenstand zieht es vor daszlig der mit der Infinitivkonstruktion bezeichnete Sachverhalt eintritt vgl ferner fuumlr die 2 Person
(21) raquoWi1 thu thaz richi druhtin mit thfnes selbes rruihtin I ersezen thesen lfutin laquo (Otfrid V173) fuumlr lat acta apostol 16 domine in tempore hoc restitues regnum Israel36
Auf die gleiche Weise kann indikativisches wollen in dem in eine indishyrekte Rede eingebetteten als direkte Rede fungierenden Konditionalshysatz37 wiedergegeben werden
33 Nach Schrodt (1983 laumlszligt sich der Wechsel von Konjunktiv und Indikativ hier nur erklaumlren raquowenn man bei zielgerichtet modalisiertem Traumlgersatz autoshynome Modussetzung annimmllaquo Doch handelt es sich bei dem indikativischen Nebensatz um einen Attributsatz
34 Erdmann (1874 104)
35 Oumlh1schlaumlger (1989 166)
36 Zu weiteren Belegen vgl Kelle (1881 686f)
37 ErdrnannlW oIff (1973 128)
Modalverben als Substitutionsformen 191
quadun ni gisufchi nub er then Hut bisuichi I Joh er se thes gibCitti zi altere flf16itti I zi altemo wewen raquooba sie mo wollent hOrenlaquo (Otfrid mlS44ff) sie sagten er houmlre nicht auf daszlig er das Volk hintergehe und er sie noumltige
er] sie fuumlr immer zum ewigen Verderbnis verleite raquowenn sie auf ihn houmlren werdenlaquo
In allen diesen Faumlllen haben also die Modalverben Eigenbedeutung und sind weil sie in indikativischen Nebensaumltzen erscheinen keine Substishytutionsformen
3 Substitution durch Modalverben
31 Im Althochdeutschen38
Anders koumlnnte es sich in konjunktivischen Nebensaumltzen die Modalvershyben aufweisen verhalten Zu bedenken ist dabei daszlig wie bemerkt im Althochdeutschen der Konjunktiv vom Indikativ formal klar geschieden ist Behaumllt man den Begriff raquoSubstitutionlaquo bei so liegt hier demnach eine fakultative Substitution vor
311 Konjunktivische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung
3111 Objektsaumltze
Unter den komplexen Saumltzen die Objektsaumltze enthalten findet sich im Traumlgersatz ein faktives Verb bUden frohlocken Der Nebensatz steht im Konjunktiv39
(23) Abraham ther aHo er blidta sih thes Mrto I er thes sih muasi frowon then mfnan dag bisc6won (Otfrid III1849f)
Der alte Abraham frohlockte sehr daszlig er sich dessen dereinst wuumlrde freuen koumlnnen meinen Tag zu schauen
Der Konjunktiv duumlrfte hier autonom eingesetzt sein und zwar um die Unwirklichkeit des Ereignisses hervorzuheben4o muasi ist somit eine Substitutionsform mit Eigenbedeutung
38 Zum folgenden vgl Erdmann (1874 36f) Klaren
39 Zu indikativischen Nebensaumltzen bei Verben des Preuens im Matrixsatz vgl Wunder (196S 222)
40 Erdmann (187437)
192 RLuumlhr
Moumlglicherweise ebenfalls als autonom ist der Konjunktiv im Falle eishynes uumlbergeordneten wenn-Verbs das Bestandteil einer Aufforderung ist zu beurteilen41
Giwerdo uns geban druhtin mit thines selbes mahtin wir unsih muazin bIlden mit heilegon thinen (Otfrid Y241f) Laszlig dich herab uns mit deiner Allmacht zu gewaumlhren daszlig wir uns mit deishynen Heiligen freuen duumlrfen
In Frage kommt der Konjunktiv in der Funktion eines Optativs Ein Sonderfall einer Substitution mit Eigenbedeutung begegnet im
Falle eines wohl zu ergaumlnzenden wenn-Verbs
(25) Ward in sar tho filu leid thaz er sih sar fon in firmeid thaz muasin sih sin frowonjoh inan lango scouon (Otfrid YlO2lf) Es tat ihnen bald ungemein leid daszlig er sich schnell von ihnen entfernte [und es ihnen so unmoumlglich machte42] daszlig sie sich seiner freuen und ihn lange schauen konnten
Ist ein wenn-Verb verneint wird uumlber die Realisierung des Kompleshymentsatzgeschehens nichts ausgesagt sondern es wird nur erwaumlhnt In solchen Faumlllen tritt im abhaumlngigen Satz bevorzugt der Konjunktiv auf43
Dies gilt auch fuumlr das folgende Beispiel in dem ein mit ni daszlig einshygeleiteter konjunktivischer Nebensatz von einem negierten wenn-Verb abhaumlngt
(26) ni mugut ouh firlazan ni ir sulih sculit niazan (Otfrid Il2228) ihr koumlnnt nicht umhin daszlig ihr solches genieszligen werdet
Die Bedeutung des Modalverbs kann wohl mit werden umschrieben werden
Gegenuumlber den wenn-Verben erfordern die Verba sentiendi normashylerweise sowohl in der Affirmation als auch in der Negation einen konshyjunktivischen Nebensatz44 Eine Substitution mit Eigenbedeutung zeigt sich
(27) So hoh ist gomaheit sfn thaz mih ni thunkit megi sin theih scuahriomon sine zinbintanne birine (Otfrid 12757f)
41 Zum Problem des Konjunktivs bei raquomodalisierten Traumlgersaumltzenlaquo mit wennmiddotYershyben vgl Schrodt (1983 177)
42 Ygl Kelle (1881 266) es tat den Juumlngern von Emaus leid daszlig er sich ihnen entzog (und daszlig er sich ihnen dadurch entzog) daszlig sie sich seiner freuen konnshyten
43 Schrodt (1983 73f)
44 Zum Konjunktiv in den von Yerba sentiendi abhaumlngigen Nebensaumltzen vgl Schrodt (1983 259ff und 264) (anders dazu Wunder 1965 198ff)
Modalverben als Substitutionsormen 193
So groszlig ist seine Persoumlnlichkeit daszlig ich nicht daszlig ich seine Schuhshyriemen beruumlhren kann um sie zu loumlsen
Ebenso wie hinter den Verba sentiendi steht hinter Verben des Bittens der Nebensatz im Konjunktiv45 Die Modalverben haben Eigenbedeushytung in
(28) Thih bfttu ih mines muates thaz mir queme alles guates in ewon ginuagi zi druton thinen fUagi Thaz ih famer druhtin min mit themo droste
megi sin (Otfrid 1253ff)
Ich bitte dich von Herzen daszlig mir alles Gute immerzu hinreichend zuteil wird und daszlig ich zu Qeinen Lieben gehoumlre daszlig ich stets Herr mit deiner Hilfe sein kann
(29) Mit allen unsen kreftin bittemes nu druhtin Thaz wir unsih in then riuon ni muazin io biscowon Thaz Wir unsih muazin samanon zen gotes druttheganon Joh muazin mit then druton thes hfmilriches nioton Joh wir thar muazin untar fn blfde fora gote sin (Otfrid 128lff) Mit allen unseren Kraumlften bitten wir nun den Herrn daszlig wir uns nie im Ungluumlck befinden (eigentlich umsehen muumlssen) daszlig wir uns zu den lieben Dienern Gottes gesellen duumlrfen und mit den Heiligen das Himmelshyreich genieszligen duumlrfen und wir da zwischen ihnen froh vor Gott sein duumlrshyfen
Eigenbedeutung duumlrfte ferner vorliegen im Falle der Modalverben die in einem von Verben des Bemuumlhens abhaumlngigen konjunktivischen Neshybensatz46 vorkommen
(30) Ni thurfut ir biginnan thaz Ir ouh megit bringan thaz ir gote thionot joh thoh thia worolt minnot (Otfrid 1I223f) Ihr duumlrft nicht versuchen daszlig ihr zustande bringt (zustande bringen koumlnnt) Gott zu dienen und doch die Welt zu lieben
Nach den neuhochdeutschen Sprachregeln ist das Modalverb koumlnnen im Nebensatz uumlberfluumlssig Im aumllteren Deutsch ist aber hinter einem Verb der Bedeutung versuchen im Nebensatz sicher noch die Bedeushytung in der Lage sein von koumlnnen empfunden worden
Auch Verben des Wuumlnschens machen einen Nebensatz im Konjunkshytiv erforderlich47 Dem Modalverb kommt Eigenbedeutung zu in
(31) Sie wunsgtun muasin rinan thoh sinan tradon einan in sinen (Otfrid 1Il99f)
Sie wuumlnschten daszlig sie wenigstens einen Faden in seinem Gewand beruumlhren durften
45 Schrodt (1983
46 Schrodt (1983
47 Schrodt (1983
194 R Luumlhr
Im Falle von Verba dicendi im uumlbergeordneten Satz begegnet eine Satz verschraumlnkung in
(32) wer quedenl sie theih sculi sin odo ouh nicha wese min (Otfrid m128)
wer sagen sie daszlig ich sein soll oder wie es um mich bestellt sei
Das Verb quedan ist ebenso wie sprehhan ein raquoschwach transitives(( Verb solche Verben verlangen einen Inhaltssatz im Konjunktiv woshydurch Abhaumlngigkeit vom Traumlgersatz signalisiert wird48 Die Modalverbshyfugung ist eigentlich wiederzugeben mit wer sagen sie daszlig mir beshystimmt ist zu sein Moumlglich erscheint aber auch eine Wiedergabe mit wer sagen sie daszlig ich sein soll mit soll im Sinne man sagt Hier zeigt sich also moumlglicherweise ein Ansatz zu dem spaumlteren epistemishyschen Gebrauch von sollen49
Aumlhnlich liegt wohl der Fall bei einem verneinten Verbum dicendi im Traumlgersatz mit ni als Konjunktion
(33) Nintheizit mir iz muat min ni ther fon gote scuE sin 1es aumllleswio ni th6nkit ther sulih werk wirkit (Otfrid III20 I 49f)
Mein Herz stellt es mir nicht in Abrede daszlig der von Gott sein muszlig der auf nichts anderes sinnt als daszlig er ein solches Werk tut
Zugrunde liegt die Vorstellung ni ther fon gote sculi sfn daszlig dem beshystimmt ist von Gott zu sein
3112 Adverbialsaumltze
Bei den Adverbialsaumltzen herrscht in den Finalsaumltzen wie bemerkt der Konjunktiv50 daher haben die Modalverben die Funktion von Substishytutionen und zwar mit Eigenbedeutung Es kommen die Modalverben muazan mugan und einmal wollen vor die wie gezeigt werden kann voneinander deutlich unterschiedene semantische Leistungen erbrinshygen51
(34) sie fergont druta ouh sille thes liebes in nirzfhe Thaz muazin sih thes fr6won (Otfrid V2350f) sie flehen auch seine Lieben an daszlig er ihnen das Ersehnte nicht vorenthalshyten moumlge damit sie sich daran erfreuen koumlnnen
48 Schrodt (1983 222)
49 Zu Zeugnissen fuumlr die epistemlsche Verwendung von Modalverben im Fruumlhneushyhochdeutschen vgl Fritz (1991 33ff)
50 Dazu Kahl (1890 45)
51 Dazu Luumlhr (1996)
Modalverben als Substitutions formen 195
(35) Druhtin atleswio ni dua mih io fuagi tharazua thaz fh mih untar thinen iamer muazi bUden (Otfrid V2417f)
Herr versage es nicht geselle mich stets dazu damit ich mich unter den Deinen immerzu freuen kann
(36) In rehtemo muate erge uns iz io zi guate 1 thaz wIr io muazin blide wesan sdlka sine (Otfrid III2014lf)
In rechtem Sinn wende es sich uns stets zum Guten damit wir immerzu froh deine Diener sein koumlnnen 152
(37) Nu bifflu ih mih hiar then beziron allen in war 1 allen g6tes theganon mit selben Kristes seganon 1 Thaz thie se1bun smahi min in gihugti muazin iro sin (Otfrid V2587fq
Und ich empfehle mich fuumlrwahr hier allen Gottesfuumlrchtigen indem ich fuumlr alle Diener Gottes den Segen Christi selber anrufe damit ich in ihrer Erinneshyrung sein kann
(38) bat man gabi imo then man thoh tho so bilibanan 1 Thaz muasi er thara wisen then lfchamon 16sen (Otfrid IV356f)
er [Joseph von Arimathaumla] bat daszlig man ihm den Mann gebe der doch so umgekommen war damit er Vorbereitungen treffen konnte den Leichnam abzunehmen
(39) sie warun wartenti wara man nan legeti 1 Thaz sIe nan muasin fuaren gishysuaslicho biruaren I Joh muasin thes giflfzan gisuaslicho birfazan (Otfrid IV3524ff)
sie beobachteten wohin man ihn legte damit sie ihn ruumlsten konnten auf vertraute Weise beruumlhren und danach trachten konnten ihn liebevoll zu beweinen
(40) Ira ferah bot thaz wib thaz iz muasi haben Ifb (Otfrid 12019)
Ihr Leben bot die Frau an damit es [das Kind] am Leben bleiben durfte
(41) irquicki in mir thia mina muadun sela 1 Theih hiar in libe irwizze zi thishynemo disge ouh sizze 1so er deta after thiu ih muad thingen zi thiu (Otfrid III I 22ff)
belebe in mir meine muumlde Seele damit ich hier im Leben befahigt bin auch an deinem Tische zu sitzen damit ich wie er [Lazarus] es spaumlter tat dahin gelangen darf
(42) Ther scado fliehe in gahe joh thiz sih uns io nahe I joh mit thfu giwerkon thaz thu uns es muazis thankon (Otfrid II2437f)
Das (moralische) Gebrechen weiche schnell und dies [die Heilung durch dich] nahe sich uns immer und damit wollen wir wirken damit du gar nicht anders kannst als es uns zu lohnen ( damit du uns es lohnen muszligt)
(43) Inliuht er unsih filu fram joh er hera in worolt quam 1 Thaz wir thaz irshykantin wara wir gangan scoltin I Joh wir nan muazin scowon 6ffenen 6ugon 1 Ofenemo muate theiz uns irge zi guate I mit thes herzen ougon muazin iamer sc6won (Otfrid III21 29ff)
52 V gl auch Otfrid V 241 f
196 RLuumlhr
Er erleuchte uns ganz und gar und er kam hierher auf die Welt damit wir erkennen wohin wir gehen sollen und damit wir ihn mit offenen Aushygen anschauen koumlnnen mit offenem Sinn damit es uns zum Heile gereishyche [damit] die Augen des Herzens [ihn] stets schauen koumlnnen
(44) Gerota iuer harto selb ther wfdarwerto thaz muasi er redan iu thaz muat s6 man korn in sfbe duat (Otfrid IV1315f)
Der Satan selbst begehrte euch heftig damit er Gelegenheit bekommt euer Herz zu sieben wie man Korn in das Sieb tut
fuumlr lat ecce satanas expetivit vos ut cribraret sicut triticum
(45) HaIt unsih in n6tin fon allen widarmuatin thaz muazin wir biwankon then abahen githankon (Otfrid 1I2423f) Beschuumltze uns sorgfaltig vor allen Verfolgungen damit es uns gegeben ist den boumlsen Gedanken zu entrinnen
(46) Thie selbun ewarton joh thie hereston suahtun 10 innan thiu urkundi luggu Thaz sie nan thoh mit liiginon m6hlin thar bir6dinon (Otfrid IV1923ff) Dieselben Hohenpriester und die Aumlltesten suchten inzwischen falsche Zeugnisse damit sie ihn wenigstens mit Luumlgen da uumlberfuumlhren konnten
(47) Det er iz then mannon zi einen frfstfrangon thaz sIe nan mohtin ghinashybrechon (Otfrid IV1963f) Er [der Hohepriester] verhalf den Menschen zu einer Gelegenheit [das Urshyteil zu fallen] damit sie ihn zugrunde richten konnten53
(48) Kapfetun sie lango was wuntar sie thero thingo mit hanton oba then 6ushygon thaz Mz sie mohtin sc6uon (Otfrid V1737f) Sie schauten lange sie wunderten sich uumlber die Dinge mit den Haumlnden uumlber den Augen damit sie besser sehen konnten
(49) Wir sculun hiar nu suntar gizellen ander wuntar Thaz wir fon seltsane w6la megin sare irkennen so iz giscrfban stat thia wuntarlichun g6tes dat (Otfrid V1215ff) Wir werden hier nun noch ein anderes Wunder erzaumlhlen damit wir aus einem Wunder sogleich das Wunder Gottes recht erkennen koumlnnen wie es beschrieben ist
(50) Beginnet g6te thankon thaz megit ir biwankon theso egislichun grunni ir natarono kiinni (Otfrid I2341f) Dankt Gott damit (so daszlig) ihr diesem schrecklichen Ungluumlck entrinnen koumlnnt ihr Natterngeschlechtl
Und das Beispiel mit wollen im Finalsatz ist
(51 ) gil6ubet thoh thera dati I Thaz ir thaz irkennet joh ouh gil6uben wollet thaz wir ein sculun sin fh inti fater minI (Otfrid III2262ff)
53 Zur Interpretation der Stelle vgl Kelle (1881 169)
Modalverben als Substitutions formen 197
Auf eine an eine 2 Person Plural gerichtete Aufforderung folgt ein Fishynalsatz mit dem konjunktivischen Modalverb wollet ebenfalls in der 2 Person Plural Behaumllt man in der neuhochdeutschen Uumlbersetzung das Modalverb bei so ergibt sich sofern man keinen Finalsatz mit einem nach der heutigen Sprachnorm redundanten Modalverb moumlgen bildet
so glaubt doch diesem Werk ihr moumlget erkennen und glauben daszlig uns bestimmt ist eins zu sein ich und mein Vater
Einer an eine 2 Person Plural gerichteten Aufforderung folgt also eine weitere Aufforderung mit einem Modalverb das einen Wunsch ausshydruckt Wird nun die erste Aufforderung als Bedingung und die zweite Aufforderung als eine erwuumlnschte Folge betrachtet wird zwischen den beiden Sachverhaltsbeschreibungen eine finale Relation etabliert54 Otshyfrid hat diese beiden Sachverhaltsbeschreibungen wohl in einer solchen Beziehung gesehen denn er hat in (51) die Konjunktion thaz im Sinne von damit verwendet
Als Finalsatz oder als Konsekutivsatz kann aufgefaszligt werden der Nebensatz in
(52) Driihtin fon then stankon thaz muaz55 ih ser biwankon I mih rum so Lazarum thu dati (Otfrid IIIl19f)
Herr befreie mich von dem Verwesungsgeruch [der Suumlnde] wie du es mit Lazarus tatest so daszlig56damit ich dem Leid entrinnen kann
Es ist nun zu prufen ob neben diesen Faumlllen in denen konjunktivische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung anzunehmen sind auch konshyjunktivische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung auftreten
312 Konjunktivische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung
3121 Objektsaumltze
Auf jeden Fall verblaszligt ist die Bedeutung des Modalverbs in (53) - im Matrixsatz erscheint ein Verbum sentiendi
(53) Gistuant gener (wan ih) thenken thaz er wolti wenken (Otfrid IV175)
Jener versuchte vermutlich [dem Hieb] auszuweichen (woumlrtliCh Jener glaube ich begann daran zu denken daszlig er [dem Hieb] ausweichen wollte)
54 Vgl dazu Luumlhr (1994217)
55 Mit Apokope vgl Piper (1884314)
56 Wunder (1965 230)
198 R Luumlhr
wollen kann hier aber futurischen Charakter haben indem es dem Vollshyverb wenken - insbesondere bei einem Verb des Anfangens in der Traumlshygerstruktur - ingressive Aktionsart verleiht57 Auf jeden Fall ermoumlglicht die Verwendung eines Modalverbs daszlig die beiden Vollverben reimen (thenken wenken) weshalb man von einer durch den Reim bedingten Substitutionsform sprechen kann
Moumlglicherweise ist so auch das schon behandelte Beispiel (3) intershypretierbar
Wir ei gun kuning einan anderan nih6inan I joh wanen waltan wolle ther keisor ubar alle (Otfrid IV2421f)
Da waumlnen im Althochdeutschen sowohl Vermutung als auch Erwartung ausdruumlckt58 erscheint bei einem solchen uumlbergeordneten Verb im abshyhaumlngigen Satz ein Modalverb das einen Eintritt eines Sachverhalts zum Ausdruck bringen kann (vgl oben) plausibel Auch hier spielt wie schon bemerkt der Reim eine Rolle (wolle alle)
Allein der Reim ist wohl fuumlr die Verwendung von scolti in (54) vershyantwortlich
(54) sie warun 6isconti war er wesan scolti (Otfrid II11538) fuumlr lat [ quaerebant eum] et dicebant ubi est ille sie fragten wo er sei
Zum Reim -nti(+ n) -lti(+ n) vgl Otfrid III2131 Thaz wir thaz irshykantin wara wir gangan scoltin
Trifft diese Annahme fuumlr (54) zu so stellt scolti eine konjunktivische Substitutionsform ohne Eigenbedeutung dar Denn indirekte Frageshysaumltze die von Verben des Fragens abhaumlngig sind stehen im Konjunkshytiv59
Ebenso also als Substitutionform ohne Eigenbedeutung die aus Reimgruumlnden - hier aber wegen des Reims der Vollverben gesetzt ist ist das Modalverb scolti aufzufassen in
(55) rafsta nan tho worto thera ungilouba harto I Ziu er scolti io thes githenken joh muates io giwenken (Otfrid III844f) er tadelte ihn heftig mit seinem Worte wegen des Unglaubens warum er das gedacht und keinen Mut gehabt habe
57 VgL DWb 30
58 Schuumltzcichel (1989 280) 59 Wunder (1965 309) Schrodt (1983 257f)
Modalverben als Substitutions formen 199
tadeln ist hier nicht als faktives Verb verwendet vielmehr fragt der ziushySatz nach den Gruumlnden des Tadelns60
313 Indikativische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung
Im Falle eines Attributsatzes der mit daszlig eingeleitet ist sind die Beshylege (56) und (56a) zu vergleichen
(56) tho ward irftlllit thiu zft I thaz sUliga thiu alta thaz kind tho beran scolta (Otfrid I9lf)
Da war die Zeit crfuumllltdaszlig die Gluumlckselige dic alte Frau das Kind gebaumlren sollte
(56a) thio zfti sih iIvUltun I thaz si chfnd bari zi woralti einmari (Otfrid 11129f)
die Zeiten erfuumlllten sich daszlig sie cin auszligerordentliches Kind ZUr Welt brachte
Da in (56a) der Konjunktiv steht handelt es sich bei scolta in (56) um eine indikativische Ersatzform mit Eigenbedeutung scolta reimt auf alta weshalb das Modalverb hier zu den reimbedingten Substitutionsshyformen zu zaumlhlen
Nach Erdmann ist zu den indikativischen Substitutionsformen Beishyspiel (57) zu rechnen61
(57) Bi hiu se thes ni h6getin 6ba sie thaz gifrumitin I thaz er nan mohta ana wan heizan Mur Uf stan I Joh mit theru krefti avur nan irqufcti I (Otfrid IV313ff)
Warum haumltten sic [die Juden] das nicht bedacht daszlig er [JcsusJ wenn sie das vollfuumlhrten [naumlmlich die Toumltung des Lazarusj ihn [Lazarusj aufs neue auferstehen lassen konntc und ihn abermals zum Leben erwecken wuumlrde
Der mit daszlig eingeleitete Nebensatz haumlngt von einem Verb des Denkens in einer konjunktivischen direkten Frage ab und wird mit einem konshyjunktivischen Verb fortgefuumlhrt Nach den althochdeutschen Modusreshygeln waumlre eigentlich mohti zu erwarten wie es die Freisinger Handshyschrift bietet Die Wiener Handschrift die die Quelle aller Handschrifshyten und vermutlich von Otfrid mit eigener Hand revidiert ist hat dageshygen mohta Dieses mohta nun sieht wie eine indikativische Ersatzform mit Eigenbedeutung aus Ebenso wie im abhaumlngigen Nebensatz autoshynome Konjunktive vorkommen gibt es aber moumlglicherweise in eigentshy
60 Vgl Wunder (1965307)
61 Erdmann (1874 37 und 111)
200 RLuumlhr
lich konjunktivischen Nebensaumltzen einen autonomen Indikativ Vielshyleicht hat Otfrid bewuszligt den Indikativ mohta gewaumlhlt um seiner Uumlbershyzeugung Ausdruck zu verleihen daszlig Jesus einerlei wie die Umstaumlnde sind in der Lage ist Lazarus von den Toten aufzuerwecken
314 Indikativische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung
Ein indirekter Fragesatz mit der Subjunktion ob liegt vor in
(58) thaz ir irkfaset ubar al aba siu fruma wesan seal (Otfrid S 6) damit ihr ganz und gar pruumlft ob es [likza Bruchstuumlck] gelungen ist
In den mit oba eingeleiteten indirekten Fragesaumltzen ist der Konjunktiv die Regel62 seal ist demnach indikativische Substitutionform ohne Eishygenbedeutung die offensichtlich aus Reimgruumlnden gewaumlhlt ist
32 Auswertung
Ordnet man nun die im Althochdeutschen moumlglichen Faumllle von Substishytution nach dem Grad ihrer Oumlkonomie so ergeben sich - da im Altshyhochdeutschen ja nur fakultative Substitution vorkommt dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung
Von den 36 fuumlr Substitution in Betracht kommenden Nebensaumltzen shynach unserer Definition ist ja Substitution nur in Nebensaumltzen die den Konjunktiv verlangen moumlglich - fallen die meisten naumlmlich 29 auf den Typ c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung Objektsaumltze 11 Adverbialsaumltze 18
62 Kelle (1881451) Zu zwei Ausnahmen im Indikativ und deren Begruumlndung Wunder (1965 284)
Modalverben als Substitutionsarmen 201
Danach folgt der Typ d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung Objektsaumltze 4 (53) (3) (54) (55) wolle
2mal seolti)
und dann der Typ cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung Objektsaumltze 2 (56) (57) (seolta mohta)
Nur in einem Objektsatz (58) hat man den Fall dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
Mit Ausnahme von mohta in (57) sind die Substitutionsformen der Tyshypen d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung (wolti wolle 2mal seolti) cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung (scolta) und dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
durch den Reim bedingt und in mohta liegt moumlglicherweise ein autoshynomer Indikativ vor Weil also der Konjunktiv in den konjunktivischen Nebensaumltzen bei weitem uumlberwiegt kann man sagen daszlig der Regel raquoKonjunktiv im Nebensatzlaquo ein groumlszligeres Gewicht zukommt als dem Prinzip der Sprachoumlkonomie Nur in drei Faumlllen von 29 erscheint ein indikativisches Modalverb als Substitution zweimal reimbedingt und einmal wohl aus inhaltlichen Gruumlnden In der Anwendung der den Neshybensatz kennzeichnenden Mittel hat also im Althochdeutschen der Konjunktiv eindeutig Vorrang vor der Kennzeichnung eines konjunkshytivischen Nebensatzes durch ein Modalverb
Zu fragen bleibt noch wieso von den althochdeutschen Modalverben am ehesten die Verben sollen und wollen als Konjunktiversatz auftreshyten Es liegt wohl an der Bedeutung dieser Modalverben Im Neuhochshydeutschen ist nach Oumlhlschlaumlger den beiden Verben im nicht-epistemishysehen Gebrauch gemeinsam daszlig dem Eintritt des durch die Infinitivshykonstruktion bezeichneten Sachverhalts eine Praumlferenz zukommt ohne
202 RLuumlhr
daszlig besondere Bedingungen eine Rolle spielen63 Demgegenuumlber ist bei den anderen nicht-epistemisch verwendeten Modalverben von Bedeushytung ob eine (vom Kontext gelieferte) Quelle oder der mit dem Subjekt bezeichnete Gegenstand den Eintritt des durch die Infinitivkonstruktion bezeichneten Sachverhalts zulaumlszligt oder wuumlnscht oder auch eine Faumlhigshykeit zu einer bestimmten Handlung hat Auch die althochdeutschen Modalverben sollen und wollen bringen bei Otfrid eine Praumlferenz zum Ausdruck wohingegen sich die uumlbrigen althochdeutschen Modalverben auf semantische Kategorien wie Permission Wunsch oder Faumlhigkeit beziehen Nimmt man nun an daszlig von diesen semantischen Kategorien die der Praumlferenz am wenigsten Eigenbedeutung hat wuumlrde verstaumlndshylich warum Otfrid aus Reimgruumlnden zur Substitution des Konjunktivs die Modalverben sollen und wollen verwendet hat Jedenfalls kann man bei Otfrid fuumlr die Hypotaxe allenfalls von einer reimbedingten Substitushytion des Konjunktivs durch Modalverben sprechen
33 Substitution durch Modalverben im Fruumlhneuhochdeutschen
Nach der Besprechung des althochdeutschen Materials stellt sich nun die Frage ob auch noch in der Sprache Luthers Substitution durch Moshydalverben vorhanden war Wie einige Beispiele belegen sollen ist dies in der Tat der Fall
331 Objektsatz
Es findet sich obligatorische Substitution Eigenbedeutung des Moshydalverbs
(59) haben wyr euch nicht mit ernst gepotten das yhr nicht sollt leren ynn dishysem namen (1522 Apg 528)
(60) Und wenn ich sie hette sollen fragen wie man die ersten zwey wort Matthei 1 Liber Generationis solte verdeutschen so hette yhr keiner gewist gack dazu zu sagen (Sendbrief 63335ff)
Und fakultative Substitutionen mit Eigenbedeutung begegnen in
(61) vnnd da si yhn sahen baten sie yhn das er weychen wolt von yhr grentze (1522 Matth 834) Das er von jrer Grentze weichen wolte64 (1546)
63 Oumlhlschlaumlger (1989 248ff)
64 Zu wollen mit Eigenbedeutung in von Verben des Bittens abhaumlngigen Saumltzen vgl DWb 30
Modalverben als Substitutions formen 203
(62) vnnd baU das er eyne hutten finden mochte dem Gott Jacob (1522 Apg746)
(63) Ich hab mich des getlissen ym dolmetzschen das ich rein und klar teutsch geben mOumlchte (Sendbrief 636 15f)
(64) vnd schaffet das man die iungen kindlin hyn werffen muste das sie nit lebendig blieben65 (1522 Apg 719)
332 Adverbialsatz
Auch in Finalsaumltzen erscheinen obligatorische und fakultative Substitushytionen mit Eigenbedeutung und zwar teils als eindeutige Konjunktivshyformen
(65) und eren umb keiner ander ursachen willen so starck wider die werck und treiben allein auff den glauben das die leute sollen sich ergern stossen und faUen (Sendbrief 64134ff)
(66) Denn wer dolmetzschen wil mus grosse vorrath von worten haben das er die wol kOumlnne haben wo eins an allen orten nicht lauten will (Sendbrief 6392lff)
(67) ehe den wir solche wacken und klotze aus dem wege reuumlmeten auff das man kOndte so fein daher gehen66 (Sendbrief 63624f)
Und ein Beleg fuumlr einen Konditionalsatz in dem das Modalverb Eigenshybedeutung hat ist
(68) Wenn ich nu den buchstaben nach aus der esel kunst solt des Engels wort verdeutschen muste ich also sagen (Sendbrief 639 1Of)
Diese Belege zeigen daszlig konjunktivische Modalverben mit Eigenbeshydeutung ebenso wie im Althochdeutschen noch im fruumlhneuhochdeutshysehen Nebensatz als Substitutionsformen des Konjunktivs fungieren67
65 Hinter einem faktiven Verb ist kein Konjunktiv zu erwarten
Mich wundert aber das man sich yn diser offentlichen sachen so mag sperren (Sendbrief 6426f)
66 Der Finalsatz wird mit Hauptsatzwortfolge weitergefuumlhrt in
Auff das wenn wir sagen die Christenheit yrre nicht so sollen wir auch sagen das sie auch nicht yrren und also kein lUumlgen auch an yn mUumlge gestrafft werden (Sendbrief 6452ff)
67 Weitere Belege sind
Und urteileten dem guten man sein werck die jhenigen so ym nicht gnug gewest weren das sie ym die schuch hetten sollen wischen (Sendbrief 6343ff)
204 R Luumlhr
Das Prinzip der Sprachoumlkonomie das in seiner striktesten Auspraumlgung eigentlich nur obligatorische indikativische Substitutionen des Konshyjunktivs fordert ist hier also noch nicht wirksam68
34 Faktoren fuumlr die Aufgabe der Substitution durch Modalverben im Neuhochdeutschen
Wieso hat sich dieser Sprachgebrauch nun zum Neuhochdeutschen hin geaumlndert Es gibt zweifellos aumluszligere Indizien die auf eine bewuszligte Unshyterdruumlckung der Modalverben als Substitutionen schlieszligen lassen Die Sprachkritiker des 19 Jahrhunderts haben vielfach die Beseitigung von Redundanz wie sie durch Modalverben in semantisch eindeutigen Neshybensaumltzen entsteht gefordert69 Verpoumlnt sind zB Ausdrucksweisen wie
(69) Wenn zur Einloumlsung eines Pfandes ein Vers verlangt werden sollte so richshytete man die Forderung meist an mich (Goethe) (anstatt Wenn zur Einloumlshysung eines Pfandes ein Vers verlangt wurde so )70
(70) Die Moumlglichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden haben mag (anstatt Die Moumlgshy
sie sind nicht werd das sie meine erbeit sollen erkennen (Sendbrief 64014f)
Es hatten vnser veter die hutten des zeugnis ynn der wusten wie er yhn das verordenet hatte da er zu Mosen redte das er sie machen solt nach dem furbild das er gesehen hatte (1522 Apg 744)
Wenn sie euch nu vbirantworten werden so sorget nicht wie oder was yhr reden solt (1522 Matth 1019)
Da diese rede horeten der hohe priester vnd die fursteher des tempels vnnd ander hohe priester worden si vbir yhn betretten was doch das werden wollt (1522 Apg 524)
nach dem es vnmuglich war das er sollt von yhm gehallten werden (1522 Apg 224)
Vgl auch
Wol hat Heintzens Lesterbuch bey jnen den verstand (Auffassung) das es ein scharff schwert sey wider den ChurfUumlrsten und uns das uns aufffressen solle im Augenblick 0541 Wider Hans Worst 47517ff)
68 Einschlaumlgige Belege finden sich auch in den Zeitungen des Jahres 1609 vgl den Beitrag von Fritz in diesem Band S 279
69 Vgl Luumlhr (1992 354)
70 Sanders (1894256)
Modalverben als Substitutionsarmen 205
lichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden hat)
(71) Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintreten muszligshyten (anstatt Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintraten) 1
(72) Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert sein soll (anstatt Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert ist) 72
(73) Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sollen sieben Zigeuner erfroren sein (anstatt Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sind sieben Zigeushyner erfroren)
(74) Zuverlaumlssig wird gemrudet daszlig die Feinde dort angekommen sein sollen (anstatt Zuverlaumlssig wird gemeldet daszlig die Feinde dort angekommen sind)3
Vor gar nicht langer Zeit waren also Ausdrucksweisen wie sie bereits im Althochdeutschen belegt werden konnten auch noch im Neuhochshydeutschen vorhanden Daszlig sie heute als schlechtes Deutsch gelten kann jedoch nicht allein dem Einfluszlig der Sprachkritiker zugeschrieben werden In der Sprache muumlssen sich Wandel vollzogen haben die den Einsatz von Modalverben in Nebensaumltzen uumlberfluumlssig machen Moumlgshylicherweise besteht ein Zusammenhang mit dem Ruumlckgang des Konshyjunktivs in Nebensaumltzen eine Vermutung die naumlherer Untersuchung bedarf Da im Althochdeutschen die Modalverben im Nebensatz in den allermeisten Faumlllen eine lexikalische Bedeutung haben entspricht die Verwendung der Modalverben im Nebensatz weitgehend der im Hauptshysatz Die Faumllle in denen Modalverben ohne Eigenbedeutung im Altshyhochdeutschen Konjunktivformen im Nebensatz ersetzen sind zu vershyeinzelt als daszlig man von einem Ansatz zur Grammatikalisierung spreshychen koumlnnte denn die Bedingung fuumlr diesen Gebrauch ist hier eben der Reim
4 Fazit
Nach dem weitreichendsten Prinzip der Sprachoumlkonomie wuumlrde man fuumlr die althochdeutsche Sprachperiode in konjunktivischen Nebensaumltshyzen Modalverben als fakultative indikativische Ersatzformen ohne Eishygenbedeutung vorhersagen Die Beleglage ergab jedoch daszlig als Ershy
7 Matthias (1906446)
72 Andresen (1923 156)
73 Lehmann (1878 181f)
206 RLuumlhr
satzform der Typ fakultatives konjunktivisches Modalverb mit Eigenshybedeutung bei weitem vorherrscht Das zeigt daszlig im Althochdeutschen im Falle der Kennzeichnung eines konjunktivischen Nebensatzes der Konjunktiv einen houmlheren Rang einnimmt als das Modalverb Auch im Fruumlhneuhochdeutschen kommen noch Modalverben als fakultative konjunktivische Ersatzformen mit Eigenbedeutung vor Die Kennzeichshynung eines konjunktivischen Nebensatzes durch ein Modalverb ist also in dieser Spachperiode nicht auf die obligatorischen Faumllle in denen der Konjunktiv des Vollverbs mit dem Indikativ formal zusammenfallen wuumlrde beschraumlnkt Was nun das Neuhochdeutsche angeht so gelten heute wie bei den Sprachkritikem des 19 Jahrhunderts Ausdrucksweishysen in denen ein Modalverb die Bedeutung eines semantisch eindeutishygen Nebensatzes verstaumlrkt als anstoumlszligig Erst in dieser Zeit kommt im Falle der Substitution des Konjunktivs durch Modalverben aus welchen Gruumlnden auch immer das schon im Althochdeutschen theoretisch zu erwartende sprachoumlkonomische Prinzip voll zum Tragen
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Wunder D Der Nebensatz bei Otfrid Untersuchungen zur Syntax des deutschen Nebensatzes Heidelberg 1965
192 RLuumlhr
Moumlglicherweise ebenfalls als autonom ist der Konjunktiv im Falle eishynes uumlbergeordneten wenn-Verbs das Bestandteil einer Aufforderung ist zu beurteilen41
Giwerdo uns geban druhtin mit thines selbes mahtin wir unsih muazin bIlden mit heilegon thinen (Otfrid Y241f) Laszlig dich herab uns mit deiner Allmacht zu gewaumlhren daszlig wir uns mit deishynen Heiligen freuen duumlrfen
In Frage kommt der Konjunktiv in der Funktion eines Optativs Ein Sonderfall einer Substitution mit Eigenbedeutung begegnet im
Falle eines wohl zu ergaumlnzenden wenn-Verbs
(25) Ward in sar tho filu leid thaz er sih sar fon in firmeid thaz muasin sih sin frowonjoh inan lango scouon (Otfrid YlO2lf) Es tat ihnen bald ungemein leid daszlig er sich schnell von ihnen entfernte [und es ihnen so unmoumlglich machte42] daszlig sie sich seiner freuen und ihn lange schauen konnten
Ist ein wenn-Verb verneint wird uumlber die Realisierung des Kompleshymentsatzgeschehens nichts ausgesagt sondern es wird nur erwaumlhnt In solchen Faumlllen tritt im abhaumlngigen Satz bevorzugt der Konjunktiv auf43
Dies gilt auch fuumlr das folgende Beispiel in dem ein mit ni daszlig einshygeleiteter konjunktivischer Nebensatz von einem negierten wenn-Verb abhaumlngt
(26) ni mugut ouh firlazan ni ir sulih sculit niazan (Otfrid Il2228) ihr koumlnnt nicht umhin daszlig ihr solches genieszligen werdet
Die Bedeutung des Modalverbs kann wohl mit werden umschrieben werden
Gegenuumlber den wenn-Verben erfordern die Verba sentiendi normashylerweise sowohl in der Affirmation als auch in der Negation einen konshyjunktivischen Nebensatz44 Eine Substitution mit Eigenbedeutung zeigt sich
(27) So hoh ist gomaheit sfn thaz mih ni thunkit megi sin theih scuahriomon sine zinbintanne birine (Otfrid 12757f)
41 Zum Problem des Konjunktivs bei raquomodalisierten Traumlgersaumltzenlaquo mit wennmiddotYershyben vgl Schrodt (1983 177)
42 Ygl Kelle (1881 266) es tat den Juumlngern von Emaus leid daszlig er sich ihnen entzog (und daszlig er sich ihnen dadurch entzog) daszlig sie sich seiner freuen konnshyten
43 Schrodt (1983 73f)
44 Zum Konjunktiv in den von Yerba sentiendi abhaumlngigen Nebensaumltzen vgl Schrodt (1983 259ff und 264) (anders dazu Wunder 1965 198ff)
Modalverben als Substitutionsormen 193
So groszlig ist seine Persoumlnlichkeit daszlig ich nicht daszlig ich seine Schuhshyriemen beruumlhren kann um sie zu loumlsen
Ebenso wie hinter den Verba sentiendi steht hinter Verben des Bittens der Nebensatz im Konjunktiv45 Die Modalverben haben Eigenbedeushytung in
(28) Thih bfttu ih mines muates thaz mir queme alles guates in ewon ginuagi zi druton thinen fUagi Thaz ih famer druhtin min mit themo droste
megi sin (Otfrid 1253ff)
Ich bitte dich von Herzen daszlig mir alles Gute immerzu hinreichend zuteil wird und daszlig ich zu Qeinen Lieben gehoumlre daszlig ich stets Herr mit deiner Hilfe sein kann
(29) Mit allen unsen kreftin bittemes nu druhtin Thaz wir unsih in then riuon ni muazin io biscowon Thaz Wir unsih muazin samanon zen gotes druttheganon Joh muazin mit then druton thes hfmilriches nioton Joh wir thar muazin untar fn blfde fora gote sin (Otfrid 128lff) Mit allen unseren Kraumlften bitten wir nun den Herrn daszlig wir uns nie im Ungluumlck befinden (eigentlich umsehen muumlssen) daszlig wir uns zu den lieben Dienern Gottes gesellen duumlrfen und mit den Heiligen das Himmelshyreich genieszligen duumlrfen und wir da zwischen ihnen froh vor Gott sein duumlrshyfen
Eigenbedeutung duumlrfte ferner vorliegen im Falle der Modalverben die in einem von Verben des Bemuumlhens abhaumlngigen konjunktivischen Neshybensatz46 vorkommen
(30) Ni thurfut ir biginnan thaz Ir ouh megit bringan thaz ir gote thionot joh thoh thia worolt minnot (Otfrid 1I223f) Ihr duumlrft nicht versuchen daszlig ihr zustande bringt (zustande bringen koumlnnt) Gott zu dienen und doch die Welt zu lieben
Nach den neuhochdeutschen Sprachregeln ist das Modalverb koumlnnen im Nebensatz uumlberfluumlssig Im aumllteren Deutsch ist aber hinter einem Verb der Bedeutung versuchen im Nebensatz sicher noch die Bedeushytung in der Lage sein von koumlnnen empfunden worden
Auch Verben des Wuumlnschens machen einen Nebensatz im Konjunkshytiv erforderlich47 Dem Modalverb kommt Eigenbedeutung zu in
(31) Sie wunsgtun muasin rinan thoh sinan tradon einan in sinen (Otfrid 1Il99f)
Sie wuumlnschten daszlig sie wenigstens einen Faden in seinem Gewand beruumlhren durften
45 Schrodt (1983
46 Schrodt (1983
47 Schrodt (1983
194 R Luumlhr
Im Falle von Verba dicendi im uumlbergeordneten Satz begegnet eine Satz verschraumlnkung in
(32) wer quedenl sie theih sculi sin odo ouh nicha wese min (Otfrid m128)
wer sagen sie daszlig ich sein soll oder wie es um mich bestellt sei
Das Verb quedan ist ebenso wie sprehhan ein raquoschwach transitives(( Verb solche Verben verlangen einen Inhaltssatz im Konjunktiv woshydurch Abhaumlngigkeit vom Traumlgersatz signalisiert wird48 Die Modalverbshyfugung ist eigentlich wiederzugeben mit wer sagen sie daszlig mir beshystimmt ist zu sein Moumlglich erscheint aber auch eine Wiedergabe mit wer sagen sie daszlig ich sein soll mit soll im Sinne man sagt Hier zeigt sich also moumlglicherweise ein Ansatz zu dem spaumlteren epistemishyschen Gebrauch von sollen49
Aumlhnlich liegt wohl der Fall bei einem verneinten Verbum dicendi im Traumlgersatz mit ni als Konjunktion
(33) Nintheizit mir iz muat min ni ther fon gote scuE sin 1es aumllleswio ni th6nkit ther sulih werk wirkit (Otfrid III20 I 49f)
Mein Herz stellt es mir nicht in Abrede daszlig der von Gott sein muszlig der auf nichts anderes sinnt als daszlig er ein solches Werk tut
Zugrunde liegt die Vorstellung ni ther fon gote sculi sfn daszlig dem beshystimmt ist von Gott zu sein
3112 Adverbialsaumltze
Bei den Adverbialsaumltzen herrscht in den Finalsaumltzen wie bemerkt der Konjunktiv50 daher haben die Modalverben die Funktion von Substishytutionen und zwar mit Eigenbedeutung Es kommen die Modalverben muazan mugan und einmal wollen vor die wie gezeigt werden kann voneinander deutlich unterschiedene semantische Leistungen erbrinshygen51
(34) sie fergont druta ouh sille thes liebes in nirzfhe Thaz muazin sih thes fr6won (Otfrid V2350f) sie flehen auch seine Lieben an daszlig er ihnen das Ersehnte nicht vorenthalshyten moumlge damit sie sich daran erfreuen koumlnnen
48 Schrodt (1983 222)
49 Zu Zeugnissen fuumlr die epistemlsche Verwendung von Modalverben im Fruumlhneushyhochdeutschen vgl Fritz (1991 33ff)
50 Dazu Kahl (1890 45)
51 Dazu Luumlhr (1996)
Modalverben als Substitutions formen 195
(35) Druhtin atleswio ni dua mih io fuagi tharazua thaz fh mih untar thinen iamer muazi bUden (Otfrid V2417f)
Herr versage es nicht geselle mich stets dazu damit ich mich unter den Deinen immerzu freuen kann
(36) In rehtemo muate erge uns iz io zi guate 1 thaz wIr io muazin blide wesan sdlka sine (Otfrid III2014lf)
In rechtem Sinn wende es sich uns stets zum Guten damit wir immerzu froh deine Diener sein koumlnnen 152
(37) Nu bifflu ih mih hiar then beziron allen in war 1 allen g6tes theganon mit selben Kristes seganon 1 Thaz thie se1bun smahi min in gihugti muazin iro sin (Otfrid V2587fq
Und ich empfehle mich fuumlrwahr hier allen Gottesfuumlrchtigen indem ich fuumlr alle Diener Gottes den Segen Christi selber anrufe damit ich in ihrer Erinneshyrung sein kann
(38) bat man gabi imo then man thoh tho so bilibanan 1 Thaz muasi er thara wisen then lfchamon 16sen (Otfrid IV356f)
er [Joseph von Arimathaumla] bat daszlig man ihm den Mann gebe der doch so umgekommen war damit er Vorbereitungen treffen konnte den Leichnam abzunehmen
(39) sie warun wartenti wara man nan legeti 1 Thaz sIe nan muasin fuaren gishysuaslicho biruaren I Joh muasin thes giflfzan gisuaslicho birfazan (Otfrid IV3524ff)
sie beobachteten wohin man ihn legte damit sie ihn ruumlsten konnten auf vertraute Weise beruumlhren und danach trachten konnten ihn liebevoll zu beweinen
(40) Ira ferah bot thaz wib thaz iz muasi haben Ifb (Otfrid 12019)
Ihr Leben bot die Frau an damit es [das Kind] am Leben bleiben durfte
(41) irquicki in mir thia mina muadun sela 1 Theih hiar in libe irwizze zi thishynemo disge ouh sizze 1so er deta after thiu ih muad thingen zi thiu (Otfrid III I 22ff)
belebe in mir meine muumlde Seele damit ich hier im Leben befahigt bin auch an deinem Tische zu sitzen damit ich wie er [Lazarus] es spaumlter tat dahin gelangen darf
(42) Ther scado fliehe in gahe joh thiz sih uns io nahe I joh mit thfu giwerkon thaz thu uns es muazis thankon (Otfrid II2437f)
Das (moralische) Gebrechen weiche schnell und dies [die Heilung durch dich] nahe sich uns immer und damit wollen wir wirken damit du gar nicht anders kannst als es uns zu lohnen ( damit du uns es lohnen muszligt)
(43) Inliuht er unsih filu fram joh er hera in worolt quam 1 Thaz wir thaz irshykantin wara wir gangan scoltin I Joh wir nan muazin scowon 6ffenen 6ugon 1 Ofenemo muate theiz uns irge zi guate I mit thes herzen ougon muazin iamer sc6won (Otfrid III21 29ff)
52 V gl auch Otfrid V 241 f
196 RLuumlhr
Er erleuchte uns ganz und gar und er kam hierher auf die Welt damit wir erkennen wohin wir gehen sollen und damit wir ihn mit offenen Aushygen anschauen koumlnnen mit offenem Sinn damit es uns zum Heile gereishyche [damit] die Augen des Herzens [ihn] stets schauen koumlnnen
(44) Gerota iuer harto selb ther wfdarwerto thaz muasi er redan iu thaz muat s6 man korn in sfbe duat (Otfrid IV1315f)
Der Satan selbst begehrte euch heftig damit er Gelegenheit bekommt euer Herz zu sieben wie man Korn in das Sieb tut
fuumlr lat ecce satanas expetivit vos ut cribraret sicut triticum
(45) HaIt unsih in n6tin fon allen widarmuatin thaz muazin wir biwankon then abahen githankon (Otfrid 1I2423f) Beschuumltze uns sorgfaltig vor allen Verfolgungen damit es uns gegeben ist den boumlsen Gedanken zu entrinnen
(46) Thie selbun ewarton joh thie hereston suahtun 10 innan thiu urkundi luggu Thaz sie nan thoh mit liiginon m6hlin thar bir6dinon (Otfrid IV1923ff) Dieselben Hohenpriester und die Aumlltesten suchten inzwischen falsche Zeugnisse damit sie ihn wenigstens mit Luumlgen da uumlberfuumlhren konnten
(47) Det er iz then mannon zi einen frfstfrangon thaz sIe nan mohtin ghinashybrechon (Otfrid IV1963f) Er [der Hohepriester] verhalf den Menschen zu einer Gelegenheit [das Urshyteil zu fallen] damit sie ihn zugrunde richten konnten53
(48) Kapfetun sie lango was wuntar sie thero thingo mit hanton oba then 6ushygon thaz Mz sie mohtin sc6uon (Otfrid V1737f) Sie schauten lange sie wunderten sich uumlber die Dinge mit den Haumlnden uumlber den Augen damit sie besser sehen konnten
(49) Wir sculun hiar nu suntar gizellen ander wuntar Thaz wir fon seltsane w6la megin sare irkennen so iz giscrfban stat thia wuntarlichun g6tes dat (Otfrid V1215ff) Wir werden hier nun noch ein anderes Wunder erzaumlhlen damit wir aus einem Wunder sogleich das Wunder Gottes recht erkennen koumlnnen wie es beschrieben ist
(50) Beginnet g6te thankon thaz megit ir biwankon theso egislichun grunni ir natarono kiinni (Otfrid I2341f) Dankt Gott damit (so daszlig) ihr diesem schrecklichen Ungluumlck entrinnen koumlnnt ihr Natterngeschlechtl
Und das Beispiel mit wollen im Finalsatz ist
(51 ) gil6ubet thoh thera dati I Thaz ir thaz irkennet joh ouh gil6uben wollet thaz wir ein sculun sin fh inti fater minI (Otfrid III2262ff)
53 Zur Interpretation der Stelle vgl Kelle (1881 169)
Modalverben als Substitutions formen 197
Auf eine an eine 2 Person Plural gerichtete Aufforderung folgt ein Fishynalsatz mit dem konjunktivischen Modalverb wollet ebenfalls in der 2 Person Plural Behaumllt man in der neuhochdeutschen Uumlbersetzung das Modalverb bei so ergibt sich sofern man keinen Finalsatz mit einem nach der heutigen Sprachnorm redundanten Modalverb moumlgen bildet
so glaubt doch diesem Werk ihr moumlget erkennen und glauben daszlig uns bestimmt ist eins zu sein ich und mein Vater
Einer an eine 2 Person Plural gerichteten Aufforderung folgt also eine weitere Aufforderung mit einem Modalverb das einen Wunsch ausshydruckt Wird nun die erste Aufforderung als Bedingung und die zweite Aufforderung als eine erwuumlnschte Folge betrachtet wird zwischen den beiden Sachverhaltsbeschreibungen eine finale Relation etabliert54 Otshyfrid hat diese beiden Sachverhaltsbeschreibungen wohl in einer solchen Beziehung gesehen denn er hat in (51) die Konjunktion thaz im Sinne von damit verwendet
Als Finalsatz oder als Konsekutivsatz kann aufgefaszligt werden der Nebensatz in
(52) Driihtin fon then stankon thaz muaz55 ih ser biwankon I mih rum so Lazarum thu dati (Otfrid IIIl19f)
Herr befreie mich von dem Verwesungsgeruch [der Suumlnde] wie du es mit Lazarus tatest so daszlig56damit ich dem Leid entrinnen kann
Es ist nun zu prufen ob neben diesen Faumlllen in denen konjunktivische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung anzunehmen sind auch konshyjunktivische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung auftreten
312 Konjunktivische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung
3121 Objektsaumltze
Auf jeden Fall verblaszligt ist die Bedeutung des Modalverbs in (53) - im Matrixsatz erscheint ein Verbum sentiendi
(53) Gistuant gener (wan ih) thenken thaz er wolti wenken (Otfrid IV175)
Jener versuchte vermutlich [dem Hieb] auszuweichen (woumlrtliCh Jener glaube ich begann daran zu denken daszlig er [dem Hieb] ausweichen wollte)
54 Vgl dazu Luumlhr (1994217)
55 Mit Apokope vgl Piper (1884314)
56 Wunder (1965 230)
198 R Luumlhr
wollen kann hier aber futurischen Charakter haben indem es dem Vollshyverb wenken - insbesondere bei einem Verb des Anfangens in der Traumlshygerstruktur - ingressive Aktionsart verleiht57 Auf jeden Fall ermoumlglicht die Verwendung eines Modalverbs daszlig die beiden Vollverben reimen (thenken wenken) weshalb man von einer durch den Reim bedingten Substitutionsform sprechen kann
Moumlglicherweise ist so auch das schon behandelte Beispiel (3) intershypretierbar
Wir ei gun kuning einan anderan nih6inan I joh wanen waltan wolle ther keisor ubar alle (Otfrid IV2421f)
Da waumlnen im Althochdeutschen sowohl Vermutung als auch Erwartung ausdruumlckt58 erscheint bei einem solchen uumlbergeordneten Verb im abshyhaumlngigen Satz ein Modalverb das einen Eintritt eines Sachverhalts zum Ausdruck bringen kann (vgl oben) plausibel Auch hier spielt wie schon bemerkt der Reim eine Rolle (wolle alle)
Allein der Reim ist wohl fuumlr die Verwendung von scolti in (54) vershyantwortlich
(54) sie warun 6isconti war er wesan scolti (Otfrid II11538) fuumlr lat [ quaerebant eum] et dicebant ubi est ille sie fragten wo er sei
Zum Reim -nti(+ n) -lti(+ n) vgl Otfrid III2131 Thaz wir thaz irshykantin wara wir gangan scoltin
Trifft diese Annahme fuumlr (54) zu so stellt scolti eine konjunktivische Substitutionsform ohne Eigenbedeutung dar Denn indirekte Frageshysaumltze die von Verben des Fragens abhaumlngig sind stehen im Konjunkshytiv59
Ebenso also als Substitutionform ohne Eigenbedeutung die aus Reimgruumlnden - hier aber wegen des Reims der Vollverben gesetzt ist ist das Modalverb scolti aufzufassen in
(55) rafsta nan tho worto thera ungilouba harto I Ziu er scolti io thes githenken joh muates io giwenken (Otfrid III844f) er tadelte ihn heftig mit seinem Worte wegen des Unglaubens warum er das gedacht und keinen Mut gehabt habe
57 VgL DWb 30
58 Schuumltzcichel (1989 280) 59 Wunder (1965 309) Schrodt (1983 257f)
Modalverben als Substitutions formen 199
tadeln ist hier nicht als faktives Verb verwendet vielmehr fragt der ziushySatz nach den Gruumlnden des Tadelns60
313 Indikativische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung
Im Falle eines Attributsatzes der mit daszlig eingeleitet ist sind die Beshylege (56) und (56a) zu vergleichen
(56) tho ward irftlllit thiu zft I thaz sUliga thiu alta thaz kind tho beran scolta (Otfrid I9lf)
Da war die Zeit crfuumllltdaszlig die Gluumlckselige dic alte Frau das Kind gebaumlren sollte
(56a) thio zfti sih iIvUltun I thaz si chfnd bari zi woralti einmari (Otfrid 11129f)
die Zeiten erfuumlllten sich daszlig sie cin auszligerordentliches Kind ZUr Welt brachte
Da in (56a) der Konjunktiv steht handelt es sich bei scolta in (56) um eine indikativische Ersatzform mit Eigenbedeutung scolta reimt auf alta weshalb das Modalverb hier zu den reimbedingten Substitutionsshyformen zu zaumlhlen
Nach Erdmann ist zu den indikativischen Substitutionsformen Beishyspiel (57) zu rechnen61
(57) Bi hiu se thes ni h6getin 6ba sie thaz gifrumitin I thaz er nan mohta ana wan heizan Mur Uf stan I Joh mit theru krefti avur nan irqufcti I (Otfrid IV313ff)
Warum haumltten sic [die Juden] das nicht bedacht daszlig er [JcsusJ wenn sie das vollfuumlhrten [naumlmlich die Toumltung des Lazarusj ihn [Lazarusj aufs neue auferstehen lassen konntc und ihn abermals zum Leben erwecken wuumlrde
Der mit daszlig eingeleitete Nebensatz haumlngt von einem Verb des Denkens in einer konjunktivischen direkten Frage ab und wird mit einem konshyjunktivischen Verb fortgefuumlhrt Nach den althochdeutschen Modusreshygeln waumlre eigentlich mohti zu erwarten wie es die Freisinger Handshyschrift bietet Die Wiener Handschrift die die Quelle aller Handschrifshyten und vermutlich von Otfrid mit eigener Hand revidiert ist hat dageshygen mohta Dieses mohta nun sieht wie eine indikativische Ersatzform mit Eigenbedeutung aus Ebenso wie im abhaumlngigen Nebensatz autoshynome Konjunktive vorkommen gibt es aber moumlglicherweise in eigentshy
60 Vgl Wunder (1965307)
61 Erdmann (1874 37 und 111)
200 RLuumlhr
lich konjunktivischen Nebensaumltzen einen autonomen Indikativ Vielshyleicht hat Otfrid bewuszligt den Indikativ mohta gewaumlhlt um seiner Uumlbershyzeugung Ausdruck zu verleihen daszlig Jesus einerlei wie die Umstaumlnde sind in der Lage ist Lazarus von den Toten aufzuerwecken
314 Indikativische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung
Ein indirekter Fragesatz mit der Subjunktion ob liegt vor in
(58) thaz ir irkfaset ubar al aba siu fruma wesan seal (Otfrid S 6) damit ihr ganz und gar pruumlft ob es [likza Bruchstuumlck] gelungen ist
In den mit oba eingeleiteten indirekten Fragesaumltzen ist der Konjunktiv die Regel62 seal ist demnach indikativische Substitutionform ohne Eishygenbedeutung die offensichtlich aus Reimgruumlnden gewaumlhlt ist
32 Auswertung
Ordnet man nun die im Althochdeutschen moumlglichen Faumllle von Substishytution nach dem Grad ihrer Oumlkonomie so ergeben sich - da im Altshyhochdeutschen ja nur fakultative Substitution vorkommt dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung
Von den 36 fuumlr Substitution in Betracht kommenden Nebensaumltzen shynach unserer Definition ist ja Substitution nur in Nebensaumltzen die den Konjunktiv verlangen moumlglich - fallen die meisten naumlmlich 29 auf den Typ c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung Objektsaumltze 11 Adverbialsaumltze 18
62 Kelle (1881451) Zu zwei Ausnahmen im Indikativ und deren Begruumlndung Wunder (1965 284)
Modalverben als Substitutionsarmen 201
Danach folgt der Typ d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung Objektsaumltze 4 (53) (3) (54) (55) wolle
2mal seolti)
und dann der Typ cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung Objektsaumltze 2 (56) (57) (seolta mohta)
Nur in einem Objektsatz (58) hat man den Fall dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
Mit Ausnahme von mohta in (57) sind die Substitutionsformen der Tyshypen d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung (wolti wolle 2mal seolti) cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung (scolta) und dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
durch den Reim bedingt und in mohta liegt moumlglicherweise ein autoshynomer Indikativ vor Weil also der Konjunktiv in den konjunktivischen Nebensaumltzen bei weitem uumlberwiegt kann man sagen daszlig der Regel raquoKonjunktiv im Nebensatzlaquo ein groumlszligeres Gewicht zukommt als dem Prinzip der Sprachoumlkonomie Nur in drei Faumlllen von 29 erscheint ein indikativisches Modalverb als Substitution zweimal reimbedingt und einmal wohl aus inhaltlichen Gruumlnden In der Anwendung der den Neshybensatz kennzeichnenden Mittel hat also im Althochdeutschen der Konjunktiv eindeutig Vorrang vor der Kennzeichnung eines konjunkshytivischen Nebensatzes durch ein Modalverb
Zu fragen bleibt noch wieso von den althochdeutschen Modalverben am ehesten die Verben sollen und wollen als Konjunktiversatz auftreshyten Es liegt wohl an der Bedeutung dieser Modalverben Im Neuhochshydeutschen ist nach Oumlhlschlaumlger den beiden Verben im nicht-epistemishysehen Gebrauch gemeinsam daszlig dem Eintritt des durch die Infinitivshykonstruktion bezeichneten Sachverhalts eine Praumlferenz zukommt ohne
202 RLuumlhr
daszlig besondere Bedingungen eine Rolle spielen63 Demgegenuumlber ist bei den anderen nicht-epistemisch verwendeten Modalverben von Bedeushytung ob eine (vom Kontext gelieferte) Quelle oder der mit dem Subjekt bezeichnete Gegenstand den Eintritt des durch die Infinitivkonstruktion bezeichneten Sachverhalts zulaumlszligt oder wuumlnscht oder auch eine Faumlhigshykeit zu einer bestimmten Handlung hat Auch die althochdeutschen Modalverben sollen und wollen bringen bei Otfrid eine Praumlferenz zum Ausdruck wohingegen sich die uumlbrigen althochdeutschen Modalverben auf semantische Kategorien wie Permission Wunsch oder Faumlhigkeit beziehen Nimmt man nun an daszlig von diesen semantischen Kategorien die der Praumlferenz am wenigsten Eigenbedeutung hat wuumlrde verstaumlndshylich warum Otfrid aus Reimgruumlnden zur Substitution des Konjunktivs die Modalverben sollen und wollen verwendet hat Jedenfalls kann man bei Otfrid fuumlr die Hypotaxe allenfalls von einer reimbedingten Substitushytion des Konjunktivs durch Modalverben sprechen
33 Substitution durch Modalverben im Fruumlhneuhochdeutschen
Nach der Besprechung des althochdeutschen Materials stellt sich nun die Frage ob auch noch in der Sprache Luthers Substitution durch Moshydalverben vorhanden war Wie einige Beispiele belegen sollen ist dies in der Tat der Fall
331 Objektsatz
Es findet sich obligatorische Substitution Eigenbedeutung des Moshydalverbs
(59) haben wyr euch nicht mit ernst gepotten das yhr nicht sollt leren ynn dishysem namen (1522 Apg 528)
(60) Und wenn ich sie hette sollen fragen wie man die ersten zwey wort Matthei 1 Liber Generationis solte verdeutschen so hette yhr keiner gewist gack dazu zu sagen (Sendbrief 63335ff)
Und fakultative Substitutionen mit Eigenbedeutung begegnen in
(61) vnnd da si yhn sahen baten sie yhn das er weychen wolt von yhr grentze (1522 Matth 834) Das er von jrer Grentze weichen wolte64 (1546)
63 Oumlhlschlaumlger (1989 248ff)
64 Zu wollen mit Eigenbedeutung in von Verben des Bittens abhaumlngigen Saumltzen vgl DWb 30
Modalverben als Substitutions formen 203
(62) vnnd baU das er eyne hutten finden mochte dem Gott Jacob (1522 Apg746)
(63) Ich hab mich des getlissen ym dolmetzschen das ich rein und klar teutsch geben mOumlchte (Sendbrief 636 15f)
(64) vnd schaffet das man die iungen kindlin hyn werffen muste das sie nit lebendig blieben65 (1522 Apg 719)
332 Adverbialsatz
Auch in Finalsaumltzen erscheinen obligatorische und fakultative Substitushytionen mit Eigenbedeutung und zwar teils als eindeutige Konjunktivshyformen
(65) und eren umb keiner ander ursachen willen so starck wider die werck und treiben allein auff den glauben das die leute sollen sich ergern stossen und faUen (Sendbrief 64134ff)
(66) Denn wer dolmetzschen wil mus grosse vorrath von worten haben das er die wol kOumlnne haben wo eins an allen orten nicht lauten will (Sendbrief 6392lff)
(67) ehe den wir solche wacken und klotze aus dem wege reuumlmeten auff das man kOndte so fein daher gehen66 (Sendbrief 63624f)
Und ein Beleg fuumlr einen Konditionalsatz in dem das Modalverb Eigenshybedeutung hat ist
(68) Wenn ich nu den buchstaben nach aus der esel kunst solt des Engels wort verdeutschen muste ich also sagen (Sendbrief 639 1Of)
Diese Belege zeigen daszlig konjunktivische Modalverben mit Eigenbeshydeutung ebenso wie im Althochdeutschen noch im fruumlhneuhochdeutshysehen Nebensatz als Substitutionsformen des Konjunktivs fungieren67
65 Hinter einem faktiven Verb ist kein Konjunktiv zu erwarten
Mich wundert aber das man sich yn diser offentlichen sachen so mag sperren (Sendbrief 6426f)
66 Der Finalsatz wird mit Hauptsatzwortfolge weitergefuumlhrt in
Auff das wenn wir sagen die Christenheit yrre nicht so sollen wir auch sagen das sie auch nicht yrren und also kein lUumlgen auch an yn mUumlge gestrafft werden (Sendbrief 6452ff)
67 Weitere Belege sind
Und urteileten dem guten man sein werck die jhenigen so ym nicht gnug gewest weren das sie ym die schuch hetten sollen wischen (Sendbrief 6343ff)
204 R Luumlhr
Das Prinzip der Sprachoumlkonomie das in seiner striktesten Auspraumlgung eigentlich nur obligatorische indikativische Substitutionen des Konshyjunktivs fordert ist hier also noch nicht wirksam68
34 Faktoren fuumlr die Aufgabe der Substitution durch Modalverben im Neuhochdeutschen
Wieso hat sich dieser Sprachgebrauch nun zum Neuhochdeutschen hin geaumlndert Es gibt zweifellos aumluszligere Indizien die auf eine bewuszligte Unshyterdruumlckung der Modalverben als Substitutionen schlieszligen lassen Die Sprachkritiker des 19 Jahrhunderts haben vielfach die Beseitigung von Redundanz wie sie durch Modalverben in semantisch eindeutigen Neshybensaumltzen entsteht gefordert69 Verpoumlnt sind zB Ausdrucksweisen wie
(69) Wenn zur Einloumlsung eines Pfandes ein Vers verlangt werden sollte so richshytete man die Forderung meist an mich (Goethe) (anstatt Wenn zur Einloumlshysung eines Pfandes ein Vers verlangt wurde so )70
(70) Die Moumlglichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden haben mag (anstatt Die Moumlgshy
sie sind nicht werd das sie meine erbeit sollen erkennen (Sendbrief 64014f)
Es hatten vnser veter die hutten des zeugnis ynn der wusten wie er yhn das verordenet hatte da er zu Mosen redte das er sie machen solt nach dem furbild das er gesehen hatte (1522 Apg 744)
Wenn sie euch nu vbirantworten werden so sorget nicht wie oder was yhr reden solt (1522 Matth 1019)
Da diese rede horeten der hohe priester vnd die fursteher des tempels vnnd ander hohe priester worden si vbir yhn betretten was doch das werden wollt (1522 Apg 524)
nach dem es vnmuglich war das er sollt von yhm gehallten werden (1522 Apg 224)
Vgl auch
Wol hat Heintzens Lesterbuch bey jnen den verstand (Auffassung) das es ein scharff schwert sey wider den ChurfUumlrsten und uns das uns aufffressen solle im Augenblick 0541 Wider Hans Worst 47517ff)
68 Einschlaumlgige Belege finden sich auch in den Zeitungen des Jahres 1609 vgl den Beitrag von Fritz in diesem Band S 279
69 Vgl Luumlhr (1992 354)
70 Sanders (1894256)
Modalverben als Substitutionsarmen 205
lichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden hat)
(71) Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintreten muszligshyten (anstatt Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintraten) 1
(72) Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert sein soll (anstatt Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert ist) 72
(73) Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sollen sieben Zigeuner erfroren sein (anstatt Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sind sieben Zigeushyner erfroren)
(74) Zuverlaumlssig wird gemrudet daszlig die Feinde dort angekommen sein sollen (anstatt Zuverlaumlssig wird gemeldet daszlig die Feinde dort angekommen sind)3
Vor gar nicht langer Zeit waren also Ausdrucksweisen wie sie bereits im Althochdeutschen belegt werden konnten auch noch im Neuhochshydeutschen vorhanden Daszlig sie heute als schlechtes Deutsch gelten kann jedoch nicht allein dem Einfluszlig der Sprachkritiker zugeschrieben werden In der Sprache muumlssen sich Wandel vollzogen haben die den Einsatz von Modalverben in Nebensaumltzen uumlberfluumlssig machen Moumlgshylicherweise besteht ein Zusammenhang mit dem Ruumlckgang des Konshyjunktivs in Nebensaumltzen eine Vermutung die naumlherer Untersuchung bedarf Da im Althochdeutschen die Modalverben im Nebensatz in den allermeisten Faumlllen eine lexikalische Bedeutung haben entspricht die Verwendung der Modalverben im Nebensatz weitgehend der im Hauptshysatz Die Faumllle in denen Modalverben ohne Eigenbedeutung im Altshyhochdeutschen Konjunktivformen im Nebensatz ersetzen sind zu vershyeinzelt als daszlig man von einem Ansatz zur Grammatikalisierung spreshychen koumlnnte denn die Bedingung fuumlr diesen Gebrauch ist hier eben der Reim
4 Fazit
Nach dem weitreichendsten Prinzip der Sprachoumlkonomie wuumlrde man fuumlr die althochdeutsche Sprachperiode in konjunktivischen Nebensaumltshyzen Modalverben als fakultative indikativische Ersatzformen ohne Eishygenbedeutung vorhersagen Die Beleglage ergab jedoch daszlig als Ershy
7 Matthias (1906446)
72 Andresen (1923 156)
73 Lehmann (1878 181f)
206 RLuumlhr
satzform der Typ fakultatives konjunktivisches Modalverb mit Eigenshybedeutung bei weitem vorherrscht Das zeigt daszlig im Althochdeutschen im Falle der Kennzeichnung eines konjunktivischen Nebensatzes der Konjunktiv einen houmlheren Rang einnimmt als das Modalverb Auch im Fruumlhneuhochdeutschen kommen noch Modalverben als fakultative konjunktivische Ersatzformen mit Eigenbedeutung vor Die Kennzeichshynung eines konjunktivischen Nebensatzes durch ein Modalverb ist also in dieser Spachperiode nicht auf die obligatorischen Faumllle in denen der Konjunktiv des Vollverbs mit dem Indikativ formal zusammenfallen wuumlrde beschraumlnkt Was nun das Neuhochdeutsche angeht so gelten heute wie bei den Sprachkritikem des 19 Jahrhunderts Ausdrucksweishysen in denen ein Modalverb die Bedeutung eines semantisch eindeutishygen Nebensatzes verstaumlrkt als anstoumlszligig Erst in dieser Zeit kommt im Falle der Substitution des Konjunktivs durch Modalverben aus welchen Gruumlnden auch immer das schon im Althochdeutschen theoretisch zu erwartende sprachoumlkonomische Prinzip voll zum Tragen
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194 R Luumlhr
Im Falle von Verba dicendi im uumlbergeordneten Satz begegnet eine Satz verschraumlnkung in
(32) wer quedenl sie theih sculi sin odo ouh nicha wese min (Otfrid m128)
wer sagen sie daszlig ich sein soll oder wie es um mich bestellt sei
Das Verb quedan ist ebenso wie sprehhan ein raquoschwach transitives(( Verb solche Verben verlangen einen Inhaltssatz im Konjunktiv woshydurch Abhaumlngigkeit vom Traumlgersatz signalisiert wird48 Die Modalverbshyfugung ist eigentlich wiederzugeben mit wer sagen sie daszlig mir beshystimmt ist zu sein Moumlglich erscheint aber auch eine Wiedergabe mit wer sagen sie daszlig ich sein soll mit soll im Sinne man sagt Hier zeigt sich also moumlglicherweise ein Ansatz zu dem spaumlteren epistemishyschen Gebrauch von sollen49
Aumlhnlich liegt wohl der Fall bei einem verneinten Verbum dicendi im Traumlgersatz mit ni als Konjunktion
(33) Nintheizit mir iz muat min ni ther fon gote scuE sin 1es aumllleswio ni th6nkit ther sulih werk wirkit (Otfrid III20 I 49f)
Mein Herz stellt es mir nicht in Abrede daszlig der von Gott sein muszlig der auf nichts anderes sinnt als daszlig er ein solches Werk tut
Zugrunde liegt die Vorstellung ni ther fon gote sculi sfn daszlig dem beshystimmt ist von Gott zu sein
3112 Adverbialsaumltze
Bei den Adverbialsaumltzen herrscht in den Finalsaumltzen wie bemerkt der Konjunktiv50 daher haben die Modalverben die Funktion von Substishytutionen und zwar mit Eigenbedeutung Es kommen die Modalverben muazan mugan und einmal wollen vor die wie gezeigt werden kann voneinander deutlich unterschiedene semantische Leistungen erbrinshygen51
(34) sie fergont druta ouh sille thes liebes in nirzfhe Thaz muazin sih thes fr6won (Otfrid V2350f) sie flehen auch seine Lieben an daszlig er ihnen das Ersehnte nicht vorenthalshyten moumlge damit sie sich daran erfreuen koumlnnen
48 Schrodt (1983 222)
49 Zu Zeugnissen fuumlr die epistemlsche Verwendung von Modalverben im Fruumlhneushyhochdeutschen vgl Fritz (1991 33ff)
50 Dazu Kahl (1890 45)
51 Dazu Luumlhr (1996)
Modalverben als Substitutions formen 195
(35) Druhtin atleswio ni dua mih io fuagi tharazua thaz fh mih untar thinen iamer muazi bUden (Otfrid V2417f)
Herr versage es nicht geselle mich stets dazu damit ich mich unter den Deinen immerzu freuen kann
(36) In rehtemo muate erge uns iz io zi guate 1 thaz wIr io muazin blide wesan sdlka sine (Otfrid III2014lf)
In rechtem Sinn wende es sich uns stets zum Guten damit wir immerzu froh deine Diener sein koumlnnen 152
(37) Nu bifflu ih mih hiar then beziron allen in war 1 allen g6tes theganon mit selben Kristes seganon 1 Thaz thie se1bun smahi min in gihugti muazin iro sin (Otfrid V2587fq
Und ich empfehle mich fuumlrwahr hier allen Gottesfuumlrchtigen indem ich fuumlr alle Diener Gottes den Segen Christi selber anrufe damit ich in ihrer Erinneshyrung sein kann
(38) bat man gabi imo then man thoh tho so bilibanan 1 Thaz muasi er thara wisen then lfchamon 16sen (Otfrid IV356f)
er [Joseph von Arimathaumla] bat daszlig man ihm den Mann gebe der doch so umgekommen war damit er Vorbereitungen treffen konnte den Leichnam abzunehmen
(39) sie warun wartenti wara man nan legeti 1 Thaz sIe nan muasin fuaren gishysuaslicho biruaren I Joh muasin thes giflfzan gisuaslicho birfazan (Otfrid IV3524ff)
sie beobachteten wohin man ihn legte damit sie ihn ruumlsten konnten auf vertraute Weise beruumlhren und danach trachten konnten ihn liebevoll zu beweinen
(40) Ira ferah bot thaz wib thaz iz muasi haben Ifb (Otfrid 12019)
Ihr Leben bot die Frau an damit es [das Kind] am Leben bleiben durfte
(41) irquicki in mir thia mina muadun sela 1 Theih hiar in libe irwizze zi thishynemo disge ouh sizze 1so er deta after thiu ih muad thingen zi thiu (Otfrid III I 22ff)
belebe in mir meine muumlde Seele damit ich hier im Leben befahigt bin auch an deinem Tische zu sitzen damit ich wie er [Lazarus] es spaumlter tat dahin gelangen darf
(42) Ther scado fliehe in gahe joh thiz sih uns io nahe I joh mit thfu giwerkon thaz thu uns es muazis thankon (Otfrid II2437f)
Das (moralische) Gebrechen weiche schnell und dies [die Heilung durch dich] nahe sich uns immer und damit wollen wir wirken damit du gar nicht anders kannst als es uns zu lohnen ( damit du uns es lohnen muszligt)
(43) Inliuht er unsih filu fram joh er hera in worolt quam 1 Thaz wir thaz irshykantin wara wir gangan scoltin I Joh wir nan muazin scowon 6ffenen 6ugon 1 Ofenemo muate theiz uns irge zi guate I mit thes herzen ougon muazin iamer sc6won (Otfrid III21 29ff)
52 V gl auch Otfrid V 241 f
196 RLuumlhr
Er erleuchte uns ganz und gar und er kam hierher auf die Welt damit wir erkennen wohin wir gehen sollen und damit wir ihn mit offenen Aushygen anschauen koumlnnen mit offenem Sinn damit es uns zum Heile gereishyche [damit] die Augen des Herzens [ihn] stets schauen koumlnnen
(44) Gerota iuer harto selb ther wfdarwerto thaz muasi er redan iu thaz muat s6 man korn in sfbe duat (Otfrid IV1315f)
Der Satan selbst begehrte euch heftig damit er Gelegenheit bekommt euer Herz zu sieben wie man Korn in das Sieb tut
fuumlr lat ecce satanas expetivit vos ut cribraret sicut triticum
(45) HaIt unsih in n6tin fon allen widarmuatin thaz muazin wir biwankon then abahen githankon (Otfrid 1I2423f) Beschuumltze uns sorgfaltig vor allen Verfolgungen damit es uns gegeben ist den boumlsen Gedanken zu entrinnen
(46) Thie selbun ewarton joh thie hereston suahtun 10 innan thiu urkundi luggu Thaz sie nan thoh mit liiginon m6hlin thar bir6dinon (Otfrid IV1923ff) Dieselben Hohenpriester und die Aumlltesten suchten inzwischen falsche Zeugnisse damit sie ihn wenigstens mit Luumlgen da uumlberfuumlhren konnten
(47) Det er iz then mannon zi einen frfstfrangon thaz sIe nan mohtin ghinashybrechon (Otfrid IV1963f) Er [der Hohepriester] verhalf den Menschen zu einer Gelegenheit [das Urshyteil zu fallen] damit sie ihn zugrunde richten konnten53
(48) Kapfetun sie lango was wuntar sie thero thingo mit hanton oba then 6ushygon thaz Mz sie mohtin sc6uon (Otfrid V1737f) Sie schauten lange sie wunderten sich uumlber die Dinge mit den Haumlnden uumlber den Augen damit sie besser sehen konnten
(49) Wir sculun hiar nu suntar gizellen ander wuntar Thaz wir fon seltsane w6la megin sare irkennen so iz giscrfban stat thia wuntarlichun g6tes dat (Otfrid V1215ff) Wir werden hier nun noch ein anderes Wunder erzaumlhlen damit wir aus einem Wunder sogleich das Wunder Gottes recht erkennen koumlnnen wie es beschrieben ist
(50) Beginnet g6te thankon thaz megit ir biwankon theso egislichun grunni ir natarono kiinni (Otfrid I2341f) Dankt Gott damit (so daszlig) ihr diesem schrecklichen Ungluumlck entrinnen koumlnnt ihr Natterngeschlechtl
Und das Beispiel mit wollen im Finalsatz ist
(51 ) gil6ubet thoh thera dati I Thaz ir thaz irkennet joh ouh gil6uben wollet thaz wir ein sculun sin fh inti fater minI (Otfrid III2262ff)
53 Zur Interpretation der Stelle vgl Kelle (1881 169)
Modalverben als Substitutions formen 197
Auf eine an eine 2 Person Plural gerichtete Aufforderung folgt ein Fishynalsatz mit dem konjunktivischen Modalverb wollet ebenfalls in der 2 Person Plural Behaumllt man in der neuhochdeutschen Uumlbersetzung das Modalverb bei so ergibt sich sofern man keinen Finalsatz mit einem nach der heutigen Sprachnorm redundanten Modalverb moumlgen bildet
so glaubt doch diesem Werk ihr moumlget erkennen und glauben daszlig uns bestimmt ist eins zu sein ich und mein Vater
Einer an eine 2 Person Plural gerichteten Aufforderung folgt also eine weitere Aufforderung mit einem Modalverb das einen Wunsch ausshydruckt Wird nun die erste Aufforderung als Bedingung und die zweite Aufforderung als eine erwuumlnschte Folge betrachtet wird zwischen den beiden Sachverhaltsbeschreibungen eine finale Relation etabliert54 Otshyfrid hat diese beiden Sachverhaltsbeschreibungen wohl in einer solchen Beziehung gesehen denn er hat in (51) die Konjunktion thaz im Sinne von damit verwendet
Als Finalsatz oder als Konsekutivsatz kann aufgefaszligt werden der Nebensatz in
(52) Driihtin fon then stankon thaz muaz55 ih ser biwankon I mih rum so Lazarum thu dati (Otfrid IIIl19f)
Herr befreie mich von dem Verwesungsgeruch [der Suumlnde] wie du es mit Lazarus tatest so daszlig56damit ich dem Leid entrinnen kann
Es ist nun zu prufen ob neben diesen Faumlllen in denen konjunktivische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung anzunehmen sind auch konshyjunktivische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung auftreten
312 Konjunktivische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung
3121 Objektsaumltze
Auf jeden Fall verblaszligt ist die Bedeutung des Modalverbs in (53) - im Matrixsatz erscheint ein Verbum sentiendi
(53) Gistuant gener (wan ih) thenken thaz er wolti wenken (Otfrid IV175)
Jener versuchte vermutlich [dem Hieb] auszuweichen (woumlrtliCh Jener glaube ich begann daran zu denken daszlig er [dem Hieb] ausweichen wollte)
54 Vgl dazu Luumlhr (1994217)
55 Mit Apokope vgl Piper (1884314)
56 Wunder (1965 230)
198 R Luumlhr
wollen kann hier aber futurischen Charakter haben indem es dem Vollshyverb wenken - insbesondere bei einem Verb des Anfangens in der Traumlshygerstruktur - ingressive Aktionsart verleiht57 Auf jeden Fall ermoumlglicht die Verwendung eines Modalverbs daszlig die beiden Vollverben reimen (thenken wenken) weshalb man von einer durch den Reim bedingten Substitutionsform sprechen kann
Moumlglicherweise ist so auch das schon behandelte Beispiel (3) intershypretierbar
Wir ei gun kuning einan anderan nih6inan I joh wanen waltan wolle ther keisor ubar alle (Otfrid IV2421f)
Da waumlnen im Althochdeutschen sowohl Vermutung als auch Erwartung ausdruumlckt58 erscheint bei einem solchen uumlbergeordneten Verb im abshyhaumlngigen Satz ein Modalverb das einen Eintritt eines Sachverhalts zum Ausdruck bringen kann (vgl oben) plausibel Auch hier spielt wie schon bemerkt der Reim eine Rolle (wolle alle)
Allein der Reim ist wohl fuumlr die Verwendung von scolti in (54) vershyantwortlich
(54) sie warun 6isconti war er wesan scolti (Otfrid II11538) fuumlr lat [ quaerebant eum] et dicebant ubi est ille sie fragten wo er sei
Zum Reim -nti(+ n) -lti(+ n) vgl Otfrid III2131 Thaz wir thaz irshykantin wara wir gangan scoltin
Trifft diese Annahme fuumlr (54) zu so stellt scolti eine konjunktivische Substitutionsform ohne Eigenbedeutung dar Denn indirekte Frageshysaumltze die von Verben des Fragens abhaumlngig sind stehen im Konjunkshytiv59
Ebenso also als Substitutionform ohne Eigenbedeutung die aus Reimgruumlnden - hier aber wegen des Reims der Vollverben gesetzt ist ist das Modalverb scolti aufzufassen in
(55) rafsta nan tho worto thera ungilouba harto I Ziu er scolti io thes githenken joh muates io giwenken (Otfrid III844f) er tadelte ihn heftig mit seinem Worte wegen des Unglaubens warum er das gedacht und keinen Mut gehabt habe
57 VgL DWb 30
58 Schuumltzcichel (1989 280) 59 Wunder (1965 309) Schrodt (1983 257f)
Modalverben als Substitutions formen 199
tadeln ist hier nicht als faktives Verb verwendet vielmehr fragt der ziushySatz nach den Gruumlnden des Tadelns60
313 Indikativische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung
Im Falle eines Attributsatzes der mit daszlig eingeleitet ist sind die Beshylege (56) und (56a) zu vergleichen
(56) tho ward irftlllit thiu zft I thaz sUliga thiu alta thaz kind tho beran scolta (Otfrid I9lf)
Da war die Zeit crfuumllltdaszlig die Gluumlckselige dic alte Frau das Kind gebaumlren sollte
(56a) thio zfti sih iIvUltun I thaz si chfnd bari zi woralti einmari (Otfrid 11129f)
die Zeiten erfuumlllten sich daszlig sie cin auszligerordentliches Kind ZUr Welt brachte
Da in (56a) der Konjunktiv steht handelt es sich bei scolta in (56) um eine indikativische Ersatzform mit Eigenbedeutung scolta reimt auf alta weshalb das Modalverb hier zu den reimbedingten Substitutionsshyformen zu zaumlhlen
Nach Erdmann ist zu den indikativischen Substitutionsformen Beishyspiel (57) zu rechnen61
(57) Bi hiu se thes ni h6getin 6ba sie thaz gifrumitin I thaz er nan mohta ana wan heizan Mur Uf stan I Joh mit theru krefti avur nan irqufcti I (Otfrid IV313ff)
Warum haumltten sic [die Juden] das nicht bedacht daszlig er [JcsusJ wenn sie das vollfuumlhrten [naumlmlich die Toumltung des Lazarusj ihn [Lazarusj aufs neue auferstehen lassen konntc und ihn abermals zum Leben erwecken wuumlrde
Der mit daszlig eingeleitete Nebensatz haumlngt von einem Verb des Denkens in einer konjunktivischen direkten Frage ab und wird mit einem konshyjunktivischen Verb fortgefuumlhrt Nach den althochdeutschen Modusreshygeln waumlre eigentlich mohti zu erwarten wie es die Freisinger Handshyschrift bietet Die Wiener Handschrift die die Quelle aller Handschrifshyten und vermutlich von Otfrid mit eigener Hand revidiert ist hat dageshygen mohta Dieses mohta nun sieht wie eine indikativische Ersatzform mit Eigenbedeutung aus Ebenso wie im abhaumlngigen Nebensatz autoshynome Konjunktive vorkommen gibt es aber moumlglicherweise in eigentshy
60 Vgl Wunder (1965307)
61 Erdmann (1874 37 und 111)
200 RLuumlhr
lich konjunktivischen Nebensaumltzen einen autonomen Indikativ Vielshyleicht hat Otfrid bewuszligt den Indikativ mohta gewaumlhlt um seiner Uumlbershyzeugung Ausdruck zu verleihen daszlig Jesus einerlei wie die Umstaumlnde sind in der Lage ist Lazarus von den Toten aufzuerwecken
314 Indikativische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung
Ein indirekter Fragesatz mit der Subjunktion ob liegt vor in
(58) thaz ir irkfaset ubar al aba siu fruma wesan seal (Otfrid S 6) damit ihr ganz und gar pruumlft ob es [likza Bruchstuumlck] gelungen ist
In den mit oba eingeleiteten indirekten Fragesaumltzen ist der Konjunktiv die Regel62 seal ist demnach indikativische Substitutionform ohne Eishygenbedeutung die offensichtlich aus Reimgruumlnden gewaumlhlt ist
32 Auswertung
Ordnet man nun die im Althochdeutschen moumlglichen Faumllle von Substishytution nach dem Grad ihrer Oumlkonomie so ergeben sich - da im Altshyhochdeutschen ja nur fakultative Substitution vorkommt dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung
Von den 36 fuumlr Substitution in Betracht kommenden Nebensaumltzen shynach unserer Definition ist ja Substitution nur in Nebensaumltzen die den Konjunktiv verlangen moumlglich - fallen die meisten naumlmlich 29 auf den Typ c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung Objektsaumltze 11 Adverbialsaumltze 18
62 Kelle (1881451) Zu zwei Ausnahmen im Indikativ und deren Begruumlndung Wunder (1965 284)
Modalverben als Substitutionsarmen 201
Danach folgt der Typ d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung Objektsaumltze 4 (53) (3) (54) (55) wolle
2mal seolti)
und dann der Typ cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung Objektsaumltze 2 (56) (57) (seolta mohta)
Nur in einem Objektsatz (58) hat man den Fall dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
Mit Ausnahme von mohta in (57) sind die Substitutionsformen der Tyshypen d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung (wolti wolle 2mal seolti) cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung (scolta) und dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
durch den Reim bedingt und in mohta liegt moumlglicherweise ein autoshynomer Indikativ vor Weil also der Konjunktiv in den konjunktivischen Nebensaumltzen bei weitem uumlberwiegt kann man sagen daszlig der Regel raquoKonjunktiv im Nebensatzlaquo ein groumlszligeres Gewicht zukommt als dem Prinzip der Sprachoumlkonomie Nur in drei Faumlllen von 29 erscheint ein indikativisches Modalverb als Substitution zweimal reimbedingt und einmal wohl aus inhaltlichen Gruumlnden In der Anwendung der den Neshybensatz kennzeichnenden Mittel hat also im Althochdeutschen der Konjunktiv eindeutig Vorrang vor der Kennzeichnung eines konjunkshytivischen Nebensatzes durch ein Modalverb
Zu fragen bleibt noch wieso von den althochdeutschen Modalverben am ehesten die Verben sollen und wollen als Konjunktiversatz auftreshyten Es liegt wohl an der Bedeutung dieser Modalverben Im Neuhochshydeutschen ist nach Oumlhlschlaumlger den beiden Verben im nicht-epistemishysehen Gebrauch gemeinsam daszlig dem Eintritt des durch die Infinitivshykonstruktion bezeichneten Sachverhalts eine Praumlferenz zukommt ohne
202 RLuumlhr
daszlig besondere Bedingungen eine Rolle spielen63 Demgegenuumlber ist bei den anderen nicht-epistemisch verwendeten Modalverben von Bedeushytung ob eine (vom Kontext gelieferte) Quelle oder der mit dem Subjekt bezeichnete Gegenstand den Eintritt des durch die Infinitivkonstruktion bezeichneten Sachverhalts zulaumlszligt oder wuumlnscht oder auch eine Faumlhigshykeit zu einer bestimmten Handlung hat Auch die althochdeutschen Modalverben sollen und wollen bringen bei Otfrid eine Praumlferenz zum Ausdruck wohingegen sich die uumlbrigen althochdeutschen Modalverben auf semantische Kategorien wie Permission Wunsch oder Faumlhigkeit beziehen Nimmt man nun an daszlig von diesen semantischen Kategorien die der Praumlferenz am wenigsten Eigenbedeutung hat wuumlrde verstaumlndshylich warum Otfrid aus Reimgruumlnden zur Substitution des Konjunktivs die Modalverben sollen und wollen verwendet hat Jedenfalls kann man bei Otfrid fuumlr die Hypotaxe allenfalls von einer reimbedingten Substitushytion des Konjunktivs durch Modalverben sprechen
33 Substitution durch Modalverben im Fruumlhneuhochdeutschen
Nach der Besprechung des althochdeutschen Materials stellt sich nun die Frage ob auch noch in der Sprache Luthers Substitution durch Moshydalverben vorhanden war Wie einige Beispiele belegen sollen ist dies in der Tat der Fall
331 Objektsatz
Es findet sich obligatorische Substitution Eigenbedeutung des Moshydalverbs
(59) haben wyr euch nicht mit ernst gepotten das yhr nicht sollt leren ynn dishysem namen (1522 Apg 528)
(60) Und wenn ich sie hette sollen fragen wie man die ersten zwey wort Matthei 1 Liber Generationis solte verdeutschen so hette yhr keiner gewist gack dazu zu sagen (Sendbrief 63335ff)
Und fakultative Substitutionen mit Eigenbedeutung begegnen in
(61) vnnd da si yhn sahen baten sie yhn das er weychen wolt von yhr grentze (1522 Matth 834) Das er von jrer Grentze weichen wolte64 (1546)
63 Oumlhlschlaumlger (1989 248ff)
64 Zu wollen mit Eigenbedeutung in von Verben des Bittens abhaumlngigen Saumltzen vgl DWb 30
Modalverben als Substitutions formen 203
(62) vnnd baU das er eyne hutten finden mochte dem Gott Jacob (1522 Apg746)
(63) Ich hab mich des getlissen ym dolmetzschen das ich rein und klar teutsch geben mOumlchte (Sendbrief 636 15f)
(64) vnd schaffet das man die iungen kindlin hyn werffen muste das sie nit lebendig blieben65 (1522 Apg 719)
332 Adverbialsatz
Auch in Finalsaumltzen erscheinen obligatorische und fakultative Substitushytionen mit Eigenbedeutung und zwar teils als eindeutige Konjunktivshyformen
(65) und eren umb keiner ander ursachen willen so starck wider die werck und treiben allein auff den glauben das die leute sollen sich ergern stossen und faUen (Sendbrief 64134ff)
(66) Denn wer dolmetzschen wil mus grosse vorrath von worten haben das er die wol kOumlnne haben wo eins an allen orten nicht lauten will (Sendbrief 6392lff)
(67) ehe den wir solche wacken und klotze aus dem wege reuumlmeten auff das man kOndte so fein daher gehen66 (Sendbrief 63624f)
Und ein Beleg fuumlr einen Konditionalsatz in dem das Modalverb Eigenshybedeutung hat ist
(68) Wenn ich nu den buchstaben nach aus der esel kunst solt des Engels wort verdeutschen muste ich also sagen (Sendbrief 639 1Of)
Diese Belege zeigen daszlig konjunktivische Modalverben mit Eigenbeshydeutung ebenso wie im Althochdeutschen noch im fruumlhneuhochdeutshysehen Nebensatz als Substitutionsformen des Konjunktivs fungieren67
65 Hinter einem faktiven Verb ist kein Konjunktiv zu erwarten
Mich wundert aber das man sich yn diser offentlichen sachen so mag sperren (Sendbrief 6426f)
66 Der Finalsatz wird mit Hauptsatzwortfolge weitergefuumlhrt in
Auff das wenn wir sagen die Christenheit yrre nicht so sollen wir auch sagen das sie auch nicht yrren und also kein lUumlgen auch an yn mUumlge gestrafft werden (Sendbrief 6452ff)
67 Weitere Belege sind
Und urteileten dem guten man sein werck die jhenigen so ym nicht gnug gewest weren das sie ym die schuch hetten sollen wischen (Sendbrief 6343ff)
204 R Luumlhr
Das Prinzip der Sprachoumlkonomie das in seiner striktesten Auspraumlgung eigentlich nur obligatorische indikativische Substitutionen des Konshyjunktivs fordert ist hier also noch nicht wirksam68
34 Faktoren fuumlr die Aufgabe der Substitution durch Modalverben im Neuhochdeutschen
Wieso hat sich dieser Sprachgebrauch nun zum Neuhochdeutschen hin geaumlndert Es gibt zweifellos aumluszligere Indizien die auf eine bewuszligte Unshyterdruumlckung der Modalverben als Substitutionen schlieszligen lassen Die Sprachkritiker des 19 Jahrhunderts haben vielfach die Beseitigung von Redundanz wie sie durch Modalverben in semantisch eindeutigen Neshybensaumltzen entsteht gefordert69 Verpoumlnt sind zB Ausdrucksweisen wie
(69) Wenn zur Einloumlsung eines Pfandes ein Vers verlangt werden sollte so richshytete man die Forderung meist an mich (Goethe) (anstatt Wenn zur Einloumlshysung eines Pfandes ein Vers verlangt wurde so )70
(70) Die Moumlglichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden haben mag (anstatt Die Moumlgshy
sie sind nicht werd das sie meine erbeit sollen erkennen (Sendbrief 64014f)
Es hatten vnser veter die hutten des zeugnis ynn der wusten wie er yhn das verordenet hatte da er zu Mosen redte das er sie machen solt nach dem furbild das er gesehen hatte (1522 Apg 744)
Wenn sie euch nu vbirantworten werden so sorget nicht wie oder was yhr reden solt (1522 Matth 1019)
Da diese rede horeten der hohe priester vnd die fursteher des tempels vnnd ander hohe priester worden si vbir yhn betretten was doch das werden wollt (1522 Apg 524)
nach dem es vnmuglich war das er sollt von yhm gehallten werden (1522 Apg 224)
Vgl auch
Wol hat Heintzens Lesterbuch bey jnen den verstand (Auffassung) das es ein scharff schwert sey wider den ChurfUumlrsten und uns das uns aufffressen solle im Augenblick 0541 Wider Hans Worst 47517ff)
68 Einschlaumlgige Belege finden sich auch in den Zeitungen des Jahres 1609 vgl den Beitrag von Fritz in diesem Band S 279
69 Vgl Luumlhr (1992 354)
70 Sanders (1894256)
Modalverben als Substitutionsarmen 205
lichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden hat)
(71) Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintreten muszligshyten (anstatt Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintraten) 1
(72) Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert sein soll (anstatt Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert ist) 72
(73) Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sollen sieben Zigeuner erfroren sein (anstatt Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sind sieben Zigeushyner erfroren)
(74) Zuverlaumlssig wird gemrudet daszlig die Feinde dort angekommen sein sollen (anstatt Zuverlaumlssig wird gemeldet daszlig die Feinde dort angekommen sind)3
Vor gar nicht langer Zeit waren also Ausdrucksweisen wie sie bereits im Althochdeutschen belegt werden konnten auch noch im Neuhochshydeutschen vorhanden Daszlig sie heute als schlechtes Deutsch gelten kann jedoch nicht allein dem Einfluszlig der Sprachkritiker zugeschrieben werden In der Sprache muumlssen sich Wandel vollzogen haben die den Einsatz von Modalverben in Nebensaumltzen uumlberfluumlssig machen Moumlgshylicherweise besteht ein Zusammenhang mit dem Ruumlckgang des Konshyjunktivs in Nebensaumltzen eine Vermutung die naumlherer Untersuchung bedarf Da im Althochdeutschen die Modalverben im Nebensatz in den allermeisten Faumlllen eine lexikalische Bedeutung haben entspricht die Verwendung der Modalverben im Nebensatz weitgehend der im Hauptshysatz Die Faumllle in denen Modalverben ohne Eigenbedeutung im Altshyhochdeutschen Konjunktivformen im Nebensatz ersetzen sind zu vershyeinzelt als daszlig man von einem Ansatz zur Grammatikalisierung spreshychen koumlnnte denn die Bedingung fuumlr diesen Gebrauch ist hier eben der Reim
4 Fazit
Nach dem weitreichendsten Prinzip der Sprachoumlkonomie wuumlrde man fuumlr die althochdeutsche Sprachperiode in konjunktivischen Nebensaumltshyzen Modalverben als fakultative indikativische Ersatzformen ohne Eishygenbedeutung vorhersagen Die Beleglage ergab jedoch daszlig als Ershy
7 Matthias (1906446)
72 Andresen (1923 156)
73 Lehmann (1878 181f)
206 RLuumlhr
satzform der Typ fakultatives konjunktivisches Modalverb mit Eigenshybedeutung bei weitem vorherrscht Das zeigt daszlig im Althochdeutschen im Falle der Kennzeichnung eines konjunktivischen Nebensatzes der Konjunktiv einen houmlheren Rang einnimmt als das Modalverb Auch im Fruumlhneuhochdeutschen kommen noch Modalverben als fakultative konjunktivische Ersatzformen mit Eigenbedeutung vor Die Kennzeichshynung eines konjunktivischen Nebensatzes durch ein Modalverb ist also in dieser Spachperiode nicht auf die obligatorischen Faumllle in denen der Konjunktiv des Vollverbs mit dem Indikativ formal zusammenfallen wuumlrde beschraumlnkt Was nun das Neuhochdeutsche angeht so gelten heute wie bei den Sprachkritikem des 19 Jahrhunderts Ausdrucksweishysen in denen ein Modalverb die Bedeutung eines semantisch eindeutishygen Nebensatzes verstaumlrkt als anstoumlszligig Erst in dieser Zeit kommt im Falle der Substitution des Konjunktivs durch Modalverben aus welchen Gruumlnden auch immer das schon im Althochdeutschen theoretisch zu erwartende sprachoumlkonomische Prinzip voll zum Tragen
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196 RLuumlhr
Er erleuchte uns ganz und gar und er kam hierher auf die Welt damit wir erkennen wohin wir gehen sollen und damit wir ihn mit offenen Aushygen anschauen koumlnnen mit offenem Sinn damit es uns zum Heile gereishyche [damit] die Augen des Herzens [ihn] stets schauen koumlnnen
(44) Gerota iuer harto selb ther wfdarwerto thaz muasi er redan iu thaz muat s6 man korn in sfbe duat (Otfrid IV1315f)
Der Satan selbst begehrte euch heftig damit er Gelegenheit bekommt euer Herz zu sieben wie man Korn in das Sieb tut
fuumlr lat ecce satanas expetivit vos ut cribraret sicut triticum
(45) HaIt unsih in n6tin fon allen widarmuatin thaz muazin wir biwankon then abahen githankon (Otfrid 1I2423f) Beschuumltze uns sorgfaltig vor allen Verfolgungen damit es uns gegeben ist den boumlsen Gedanken zu entrinnen
(46) Thie selbun ewarton joh thie hereston suahtun 10 innan thiu urkundi luggu Thaz sie nan thoh mit liiginon m6hlin thar bir6dinon (Otfrid IV1923ff) Dieselben Hohenpriester und die Aumlltesten suchten inzwischen falsche Zeugnisse damit sie ihn wenigstens mit Luumlgen da uumlberfuumlhren konnten
(47) Det er iz then mannon zi einen frfstfrangon thaz sIe nan mohtin ghinashybrechon (Otfrid IV1963f) Er [der Hohepriester] verhalf den Menschen zu einer Gelegenheit [das Urshyteil zu fallen] damit sie ihn zugrunde richten konnten53
(48) Kapfetun sie lango was wuntar sie thero thingo mit hanton oba then 6ushygon thaz Mz sie mohtin sc6uon (Otfrid V1737f) Sie schauten lange sie wunderten sich uumlber die Dinge mit den Haumlnden uumlber den Augen damit sie besser sehen konnten
(49) Wir sculun hiar nu suntar gizellen ander wuntar Thaz wir fon seltsane w6la megin sare irkennen so iz giscrfban stat thia wuntarlichun g6tes dat (Otfrid V1215ff) Wir werden hier nun noch ein anderes Wunder erzaumlhlen damit wir aus einem Wunder sogleich das Wunder Gottes recht erkennen koumlnnen wie es beschrieben ist
(50) Beginnet g6te thankon thaz megit ir biwankon theso egislichun grunni ir natarono kiinni (Otfrid I2341f) Dankt Gott damit (so daszlig) ihr diesem schrecklichen Ungluumlck entrinnen koumlnnt ihr Natterngeschlechtl
Und das Beispiel mit wollen im Finalsatz ist
(51 ) gil6ubet thoh thera dati I Thaz ir thaz irkennet joh ouh gil6uben wollet thaz wir ein sculun sin fh inti fater minI (Otfrid III2262ff)
53 Zur Interpretation der Stelle vgl Kelle (1881 169)
Modalverben als Substitutions formen 197
Auf eine an eine 2 Person Plural gerichtete Aufforderung folgt ein Fishynalsatz mit dem konjunktivischen Modalverb wollet ebenfalls in der 2 Person Plural Behaumllt man in der neuhochdeutschen Uumlbersetzung das Modalverb bei so ergibt sich sofern man keinen Finalsatz mit einem nach der heutigen Sprachnorm redundanten Modalverb moumlgen bildet
so glaubt doch diesem Werk ihr moumlget erkennen und glauben daszlig uns bestimmt ist eins zu sein ich und mein Vater
Einer an eine 2 Person Plural gerichteten Aufforderung folgt also eine weitere Aufforderung mit einem Modalverb das einen Wunsch ausshydruckt Wird nun die erste Aufforderung als Bedingung und die zweite Aufforderung als eine erwuumlnschte Folge betrachtet wird zwischen den beiden Sachverhaltsbeschreibungen eine finale Relation etabliert54 Otshyfrid hat diese beiden Sachverhaltsbeschreibungen wohl in einer solchen Beziehung gesehen denn er hat in (51) die Konjunktion thaz im Sinne von damit verwendet
Als Finalsatz oder als Konsekutivsatz kann aufgefaszligt werden der Nebensatz in
(52) Driihtin fon then stankon thaz muaz55 ih ser biwankon I mih rum so Lazarum thu dati (Otfrid IIIl19f)
Herr befreie mich von dem Verwesungsgeruch [der Suumlnde] wie du es mit Lazarus tatest so daszlig56damit ich dem Leid entrinnen kann
Es ist nun zu prufen ob neben diesen Faumlllen in denen konjunktivische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung anzunehmen sind auch konshyjunktivische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung auftreten
312 Konjunktivische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung
3121 Objektsaumltze
Auf jeden Fall verblaszligt ist die Bedeutung des Modalverbs in (53) - im Matrixsatz erscheint ein Verbum sentiendi
(53) Gistuant gener (wan ih) thenken thaz er wolti wenken (Otfrid IV175)
Jener versuchte vermutlich [dem Hieb] auszuweichen (woumlrtliCh Jener glaube ich begann daran zu denken daszlig er [dem Hieb] ausweichen wollte)
54 Vgl dazu Luumlhr (1994217)
55 Mit Apokope vgl Piper (1884314)
56 Wunder (1965 230)
198 R Luumlhr
wollen kann hier aber futurischen Charakter haben indem es dem Vollshyverb wenken - insbesondere bei einem Verb des Anfangens in der Traumlshygerstruktur - ingressive Aktionsart verleiht57 Auf jeden Fall ermoumlglicht die Verwendung eines Modalverbs daszlig die beiden Vollverben reimen (thenken wenken) weshalb man von einer durch den Reim bedingten Substitutionsform sprechen kann
Moumlglicherweise ist so auch das schon behandelte Beispiel (3) intershypretierbar
Wir ei gun kuning einan anderan nih6inan I joh wanen waltan wolle ther keisor ubar alle (Otfrid IV2421f)
Da waumlnen im Althochdeutschen sowohl Vermutung als auch Erwartung ausdruumlckt58 erscheint bei einem solchen uumlbergeordneten Verb im abshyhaumlngigen Satz ein Modalverb das einen Eintritt eines Sachverhalts zum Ausdruck bringen kann (vgl oben) plausibel Auch hier spielt wie schon bemerkt der Reim eine Rolle (wolle alle)
Allein der Reim ist wohl fuumlr die Verwendung von scolti in (54) vershyantwortlich
(54) sie warun 6isconti war er wesan scolti (Otfrid II11538) fuumlr lat [ quaerebant eum] et dicebant ubi est ille sie fragten wo er sei
Zum Reim -nti(+ n) -lti(+ n) vgl Otfrid III2131 Thaz wir thaz irshykantin wara wir gangan scoltin
Trifft diese Annahme fuumlr (54) zu so stellt scolti eine konjunktivische Substitutionsform ohne Eigenbedeutung dar Denn indirekte Frageshysaumltze die von Verben des Fragens abhaumlngig sind stehen im Konjunkshytiv59
Ebenso also als Substitutionform ohne Eigenbedeutung die aus Reimgruumlnden - hier aber wegen des Reims der Vollverben gesetzt ist ist das Modalverb scolti aufzufassen in
(55) rafsta nan tho worto thera ungilouba harto I Ziu er scolti io thes githenken joh muates io giwenken (Otfrid III844f) er tadelte ihn heftig mit seinem Worte wegen des Unglaubens warum er das gedacht und keinen Mut gehabt habe
57 VgL DWb 30
58 Schuumltzcichel (1989 280) 59 Wunder (1965 309) Schrodt (1983 257f)
Modalverben als Substitutions formen 199
tadeln ist hier nicht als faktives Verb verwendet vielmehr fragt der ziushySatz nach den Gruumlnden des Tadelns60
313 Indikativische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung
Im Falle eines Attributsatzes der mit daszlig eingeleitet ist sind die Beshylege (56) und (56a) zu vergleichen
(56) tho ward irftlllit thiu zft I thaz sUliga thiu alta thaz kind tho beran scolta (Otfrid I9lf)
Da war die Zeit crfuumllltdaszlig die Gluumlckselige dic alte Frau das Kind gebaumlren sollte
(56a) thio zfti sih iIvUltun I thaz si chfnd bari zi woralti einmari (Otfrid 11129f)
die Zeiten erfuumlllten sich daszlig sie cin auszligerordentliches Kind ZUr Welt brachte
Da in (56a) der Konjunktiv steht handelt es sich bei scolta in (56) um eine indikativische Ersatzform mit Eigenbedeutung scolta reimt auf alta weshalb das Modalverb hier zu den reimbedingten Substitutionsshyformen zu zaumlhlen
Nach Erdmann ist zu den indikativischen Substitutionsformen Beishyspiel (57) zu rechnen61
(57) Bi hiu se thes ni h6getin 6ba sie thaz gifrumitin I thaz er nan mohta ana wan heizan Mur Uf stan I Joh mit theru krefti avur nan irqufcti I (Otfrid IV313ff)
Warum haumltten sic [die Juden] das nicht bedacht daszlig er [JcsusJ wenn sie das vollfuumlhrten [naumlmlich die Toumltung des Lazarusj ihn [Lazarusj aufs neue auferstehen lassen konntc und ihn abermals zum Leben erwecken wuumlrde
Der mit daszlig eingeleitete Nebensatz haumlngt von einem Verb des Denkens in einer konjunktivischen direkten Frage ab und wird mit einem konshyjunktivischen Verb fortgefuumlhrt Nach den althochdeutschen Modusreshygeln waumlre eigentlich mohti zu erwarten wie es die Freisinger Handshyschrift bietet Die Wiener Handschrift die die Quelle aller Handschrifshyten und vermutlich von Otfrid mit eigener Hand revidiert ist hat dageshygen mohta Dieses mohta nun sieht wie eine indikativische Ersatzform mit Eigenbedeutung aus Ebenso wie im abhaumlngigen Nebensatz autoshynome Konjunktive vorkommen gibt es aber moumlglicherweise in eigentshy
60 Vgl Wunder (1965307)
61 Erdmann (1874 37 und 111)
200 RLuumlhr
lich konjunktivischen Nebensaumltzen einen autonomen Indikativ Vielshyleicht hat Otfrid bewuszligt den Indikativ mohta gewaumlhlt um seiner Uumlbershyzeugung Ausdruck zu verleihen daszlig Jesus einerlei wie die Umstaumlnde sind in der Lage ist Lazarus von den Toten aufzuerwecken
314 Indikativische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung
Ein indirekter Fragesatz mit der Subjunktion ob liegt vor in
(58) thaz ir irkfaset ubar al aba siu fruma wesan seal (Otfrid S 6) damit ihr ganz und gar pruumlft ob es [likza Bruchstuumlck] gelungen ist
In den mit oba eingeleiteten indirekten Fragesaumltzen ist der Konjunktiv die Regel62 seal ist demnach indikativische Substitutionform ohne Eishygenbedeutung die offensichtlich aus Reimgruumlnden gewaumlhlt ist
32 Auswertung
Ordnet man nun die im Althochdeutschen moumlglichen Faumllle von Substishytution nach dem Grad ihrer Oumlkonomie so ergeben sich - da im Altshyhochdeutschen ja nur fakultative Substitution vorkommt dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung
Von den 36 fuumlr Substitution in Betracht kommenden Nebensaumltzen shynach unserer Definition ist ja Substitution nur in Nebensaumltzen die den Konjunktiv verlangen moumlglich - fallen die meisten naumlmlich 29 auf den Typ c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung Objektsaumltze 11 Adverbialsaumltze 18
62 Kelle (1881451) Zu zwei Ausnahmen im Indikativ und deren Begruumlndung Wunder (1965 284)
Modalverben als Substitutionsarmen 201
Danach folgt der Typ d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung Objektsaumltze 4 (53) (3) (54) (55) wolle
2mal seolti)
und dann der Typ cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung Objektsaumltze 2 (56) (57) (seolta mohta)
Nur in einem Objektsatz (58) hat man den Fall dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
Mit Ausnahme von mohta in (57) sind die Substitutionsformen der Tyshypen d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung (wolti wolle 2mal seolti) cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung (scolta) und dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
durch den Reim bedingt und in mohta liegt moumlglicherweise ein autoshynomer Indikativ vor Weil also der Konjunktiv in den konjunktivischen Nebensaumltzen bei weitem uumlberwiegt kann man sagen daszlig der Regel raquoKonjunktiv im Nebensatzlaquo ein groumlszligeres Gewicht zukommt als dem Prinzip der Sprachoumlkonomie Nur in drei Faumlllen von 29 erscheint ein indikativisches Modalverb als Substitution zweimal reimbedingt und einmal wohl aus inhaltlichen Gruumlnden In der Anwendung der den Neshybensatz kennzeichnenden Mittel hat also im Althochdeutschen der Konjunktiv eindeutig Vorrang vor der Kennzeichnung eines konjunkshytivischen Nebensatzes durch ein Modalverb
Zu fragen bleibt noch wieso von den althochdeutschen Modalverben am ehesten die Verben sollen und wollen als Konjunktiversatz auftreshyten Es liegt wohl an der Bedeutung dieser Modalverben Im Neuhochshydeutschen ist nach Oumlhlschlaumlger den beiden Verben im nicht-epistemishysehen Gebrauch gemeinsam daszlig dem Eintritt des durch die Infinitivshykonstruktion bezeichneten Sachverhalts eine Praumlferenz zukommt ohne
202 RLuumlhr
daszlig besondere Bedingungen eine Rolle spielen63 Demgegenuumlber ist bei den anderen nicht-epistemisch verwendeten Modalverben von Bedeushytung ob eine (vom Kontext gelieferte) Quelle oder der mit dem Subjekt bezeichnete Gegenstand den Eintritt des durch die Infinitivkonstruktion bezeichneten Sachverhalts zulaumlszligt oder wuumlnscht oder auch eine Faumlhigshykeit zu einer bestimmten Handlung hat Auch die althochdeutschen Modalverben sollen und wollen bringen bei Otfrid eine Praumlferenz zum Ausdruck wohingegen sich die uumlbrigen althochdeutschen Modalverben auf semantische Kategorien wie Permission Wunsch oder Faumlhigkeit beziehen Nimmt man nun an daszlig von diesen semantischen Kategorien die der Praumlferenz am wenigsten Eigenbedeutung hat wuumlrde verstaumlndshylich warum Otfrid aus Reimgruumlnden zur Substitution des Konjunktivs die Modalverben sollen und wollen verwendet hat Jedenfalls kann man bei Otfrid fuumlr die Hypotaxe allenfalls von einer reimbedingten Substitushytion des Konjunktivs durch Modalverben sprechen
33 Substitution durch Modalverben im Fruumlhneuhochdeutschen
Nach der Besprechung des althochdeutschen Materials stellt sich nun die Frage ob auch noch in der Sprache Luthers Substitution durch Moshydalverben vorhanden war Wie einige Beispiele belegen sollen ist dies in der Tat der Fall
331 Objektsatz
Es findet sich obligatorische Substitution Eigenbedeutung des Moshydalverbs
(59) haben wyr euch nicht mit ernst gepotten das yhr nicht sollt leren ynn dishysem namen (1522 Apg 528)
(60) Und wenn ich sie hette sollen fragen wie man die ersten zwey wort Matthei 1 Liber Generationis solte verdeutschen so hette yhr keiner gewist gack dazu zu sagen (Sendbrief 63335ff)
Und fakultative Substitutionen mit Eigenbedeutung begegnen in
(61) vnnd da si yhn sahen baten sie yhn das er weychen wolt von yhr grentze (1522 Matth 834) Das er von jrer Grentze weichen wolte64 (1546)
63 Oumlhlschlaumlger (1989 248ff)
64 Zu wollen mit Eigenbedeutung in von Verben des Bittens abhaumlngigen Saumltzen vgl DWb 30
Modalverben als Substitutions formen 203
(62) vnnd baU das er eyne hutten finden mochte dem Gott Jacob (1522 Apg746)
(63) Ich hab mich des getlissen ym dolmetzschen das ich rein und klar teutsch geben mOumlchte (Sendbrief 636 15f)
(64) vnd schaffet das man die iungen kindlin hyn werffen muste das sie nit lebendig blieben65 (1522 Apg 719)
332 Adverbialsatz
Auch in Finalsaumltzen erscheinen obligatorische und fakultative Substitushytionen mit Eigenbedeutung und zwar teils als eindeutige Konjunktivshyformen
(65) und eren umb keiner ander ursachen willen so starck wider die werck und treiben allein auff den glauben das die leute sollen sich ergern stossen und faUen (Sendbrief 64134ff)
(66) Denn wer dolmetzschen wil mus grosse vorrath von worten haben das er die wol kOumlnne haben wo eins an allen orten nicht lauten will (Sendbrief 6392lff)
(67) ehe den wir solche wacken und klotze aus dem wege reuumlmeten auff das man kOndte so fein daher gehen66 (Sendbrief 63624f)
Und ein Beleg fuumlr einen Konditionalsatz in dem das Modalverb Eigenshybedeutung hat ist
(68) Wenn ich nu den buchstaben nach aus der esel kunst solt des Engels wort verdeutschen muste ich also sagen (Sendbrief 639 1Of)
Diese Belege zeigen daszlig konjunktivische Modalverben mit Eigenbeshydeutung ebenso wie im Althochdeutschen noch im fruumlhneuhochdeutshysehen Nebensatz als Substitutionsformen des Konjunktivs fungieren67
65 Hinter einem faktiven Verb ist kein Konjunktiv zu erwarten
Mich wundert aber das man sich yn diser offentlichen sachen so mag sperren (Sendbrief 6426f)
66 Der Finalsatz wird mit Hauptsatzwortfolge weitergefuumlhrt in
Auff das wenn wir sagen die Christenheit yrre nicht so sollen wir auch sagen das sie auch nicht yrren und also kein lUumlgen auch an yn mUumlge gestrafft werden (Sendbrief 6452ff)
67 Weitere Belege sind
Und urteileten dem guten man sein werck die jhenigen so ym nicht gnug gewest weren das sie ym die schuch hetten sollen wischen (Sendbrief 6343ff)
204 R Luumlhr
Das Prinzip der Sprachoumlkonomie das in seiner striktesten Auspraumlgung eigentlich nur obligatorische indikativische Substitutionen des Konshyjunktivs fordert ist hier also noch nicht wirksam68
34 Faktoren fuumlr die Aufgabe der Substitution durch Modalverben im Neuhochdeutschen
Wieso hat sich dieser Sprachgebrauch nun zum Neuhochdeutschen hin geaumlndert Es gibt zweifellos aumluszligere Indizien die auf eine bewuszligte Unshyterdruumlckung der Modalverben als Substitutionen schlieszligen lassen Die Sprachkritiker des 19 Jahrhunderts haben vielfach die Beseitigung von Redundanz wie sie durch Modalverben in semantisch eindeutigen Neshybensaumltzen entsteht gefordert69 Verpoumlnt sind zB Ausdrucksweisen wie
(69) Wenn zur Einloumlsung eines Pfandes ein Vers verlangt werden sollte so richshytete man die Forderung meist an mich (Goethe) (anstatt Wenn zur Einloumlshysung eines Pfandes ein Vers verlangt wurde so )70
(70) Die Moumlglichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden haben mag (anstatt Die Moumlgshy
sie sind nicht werd das sie meine erbeit sollen erkennen (Sendbrief 64014f)
Es hatten vnser veter die hutten des zeugnis ynn der wusten wie er yhn das verordenet hatte da er zu Mosen redte das er sie machen solt nach dem furbild das er gesehen hatte (1522 Apg 744)
Wenn sie euch nu vbirantworten werden so sorget nicht wie oder was yhr reden solt (1522 Matth 1019)
Da diese rede horeten der hohe priester vnd die fursteher des tempels vnnd ander hohe priester worden si vbir yhn betretten was doch das werden wollt (1522 Apg 524)
nach dem es vnmuglich war das er sollt von yhm gehallten werden (1522 Apg 224)
Vgl auch
Wol hat Heintzens Lesterbuch bey jnen den verstand (Auffassung) das es ein scharff schwert sey wider den ChurfUumlrsten und uns das uns aufffressen solle im Augenblick 0541 Wider Hans Worst 47517ff)
68 Einschlaumlgige Belege finden sich auch in den Zeitungen des Jahres 1609 vgl den Beitrag von Fritz in diesem Band S 279
69 Vgl Luumlhr (1992 354)
70 Sanders (1894256)
Modalverben als Substitutionsarmen 205
lichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden hat)
(71) Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintreten muszligshyten (anstatt Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintraten) 1
(72) Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert sein soll (anstatt Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert ist) 72
(73) Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sollen sieben Zigeuner erfroren sein (anstatt Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sind sieben Zigeushyner erfroren)
(74) Zuverlaumlssig wird gemrudet daszlig die Feinde dort angekommen sein sollen (anstatt Zuverlaumlssig wird gemeldet daszlig die Feinde dort angekommen sind)3
Vor gar nicht langer Zeit waren also Ausdrucksweisen wie sie bereits im Althochdeutschen belegt werden konnten auch noch im Neuhochshydeutschen vorhanden Daszlig sie heute als schlechtes Deutsch gelten kann jedoch nicht allein dem Einfluszlig der Sprachkritiker zugeschrieben werden In der Sprache muumlssen sich Wandel vollzogen haben die den Einsatz von Modalverben in Nebensaumltzen uumlberfluumlssig machen Moumlgshylicherweise besteht ein Zusammenhang mit dem Ruumlckgang des Konshyjunktivs in Nebensaumltzen eine Vermutung die naumlherer Untersuchung bedarf Da im Althochdeutschen die Modalverben im Nebensatz in den allermeisten Faumlllen eine lexikalische Bedeutung haben entspricht die Verwendung der Modalverben im Nebensatz weitgehend der im Hauptshysatz Die Faumllle in denen Modalverben ohne Eigenbedeutung im Altshyhochdeutschen Konjunktivformen im Nebensatz ersetzen sind zu vershyeinzelt als daszlig man von einem Ansatz zur Grammatikalisierung spreshychen koumlnnte denn die Bedingung fuumlr diesen Gebrauch ist hier eben der Reim
4 Fazit
Nach dem weitreichendsten Prinzip der Sprachoumlkonomie wuumlrde man fuumlr die althochdeutsche Sprachperiode in konjunktivischen Nebensaumltshyzen Modalverben als fakultative indikativische Ersatzformen ohne Eishygenbedeutung vorhersagen Die Beleglage ergab jedoch daszlig als Ershy
7 Matthias (1906446)
72 Andresen (1923 156)
73 Lehmann (1878 181f)
206 RLuumlhr
satzform der Typ fakultatives konjunktivisches Modalverb mit Eigenshybedeutung bei weitem vorherrscht Das zeigt daszlig im Althochdeutschen im Falle der Kennzeichnung eines konjunktivischen Nebensatzes der Konjunktiv einen houmlheren Rang einnimmt als das Modalverb Auch im Fruumlhneuhochdeutschen kommen noch Modalverben als fakultative konjunktivische Ersatzformen mit Eigenbedeutung vor Die Kennzeichshynung eines konjunktivischen Nebensatzes durch ein Modalverb ist also in dieser Spachperiode nicht auf die obligatorischen Faumllle in denen der Konjunktiv des Vollverbs mit dem Indikativ formal zusammenfallen wuumlrde beschraumlnkt Was nun das Neuhochdeutsche angeht so gelten heute wie bei den Sprachkritikem des 19 Jahrhunderts Ausdrucksweishysen in denen ein Modalverb die Bedeutung eines semantisch eindeutishygen Nebensatzes verstaumlrkt als anstoumlszligig Erst in dieser Zeit kommt im Falle der Substitution des Konjunktivs durch Modalverben aus welchen Gruumlnden auch immer das schon im Althochdeutschen theoretisch zu erwartende sprachoumlkonomische Prinzip voll zum Tragen
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198 R Luumlhr
wollen kann hier aber futurischen Charakter haben indem es dem Vollshyverb wenken - insbesondere bei einem Verb des Anfangens in der Traumlshygerstruktur - ingressive Aktionsart verleiht57 Auf jeden Fall ermoumlglicht die Verwendung eines Modalverbs daszlig die beiden Vollverben reimen (thenken wenken) weshalb man von einer durch den Reim bedingten Substitutionsform sprechen kann
Moumlglicherweise ist so auch das schon behandelte Beispiel (3) intershypretierbar
Wir ei gun kuning einan anderan nih6inan I joh wanen waltan wolle ther keisor ubar alle (Otfrid IV2421f)
Da waumlnen im Althochdeutschen sowohl Vermutung als auch Erwartung ausdruumlckt58 erscheint bei einem solchen uumlbergeordneten Verb im abshyhaumlngigen Satz ein Modalverb das einen Eintritt eines Sachverhalts zum Ausdruck bringen kann (vgl oben) plausibel Auch hier spielt wie schon bemerkt der Reim eine Rolle (wolle alle)
Allein der Reim ist wohl fuumlr die Verwendung von scolti in (54) vershyantwortlich
(54) sie warun 6isconti war er wesan scolti (Otfrid II11538) fuumlr lat [ quaerebant eum] et dicebant ubi est ille sie fragten wo er sei
Zum Reim -nti(+ n) -lti(+ n) vgl Otfrid III2131 Thaz wir thaz irshykantin wara wir gangan scoltin
Trifft diese Annahme fuumlr (54) zu so stellt scolti eine konjunktivische Substitutionsform ohne Eigenbedeutung dar Denn indirekte Frageshysaumltze die von Verben des Fragens abhaumlngig sind stehen im Konjunkshytiv59
Ebenso also als Substitutionform ohne Eigenbedeutung die aus Reimgruumlnden - hier aber wegen des Reims der Vollverben gesetzt ist ist das Modalverb scolti aufzufassen in
(55) rafsta nan tho worto thera ungilouba harto I Ziu er scolti io thes githenken joh muates io giwenken (Otfrid III844f) er tadelte ihn heftig mit seinem Worte wegen des Unglaubens warum er das gedacht und keinen Mut gehabt habe
57 VgL DWb 30
58 Schuumltzcichel (1989 280) 59 Wunder (1965 309) Schrodt (1983 257f)
Modalverben als Substitutions formen 199
tadeln ist hier nicht als faktives Verb verwendet vielmehr fragt der ziushySatz nach den Gruumlnden des Tadelns60
313 Indikativische Substitutionsformen mit Eigenbedeutung
Im Falle eines Attributsatzes der mit daszlig eingeleitet ist sind die Beshylege (56) und (56a) zu vergleichen
(56) tho ward irftlllit thiu zft I thaz sUliga thiu alta thaz kind tho beran scolta (Otfrid I9lf)
Da war die Zeit crfuumllltdaszlig die Gluumlckselige dic alte Frau das Kind gebaumlren sollte
(56a) thio zfti sih iIvUltun I thaz si chfnd bari zi woralti einmari (Otfrid 11129f)
die Zeiten erfuumlllten sich daszlig sie cin auszligerordentliches Kind ZUr Welt brachte
Da in (56a) der Konjunktiv steht handelt es sich bei scolta in (56) um eine indikativische Ersatzform mit Eigenbedeutung scolta reimt auf alta weshalb das Modalverb hier zu den reimbedingten Substitutionsshyformen zu zaumlhlen
Nach Erdmann ist zu den indikativischen Substitutionsformen Beishyspiel (57) zu rechnen61
(57) Bi hiu se thes ni h6getin 6ba sie thaz gifrumitin I thaz er nan mohta ana wan heizan Mur Uf stan I Joh mit theru krefti avur nan irqufcti I (Otfrid IV313ff)
Warum haumltten sic [die Juden] das nicht bedacht daszlig er [JcsusJ wenn sie das vollfuumlhrten [naumlmlich die Toumltung des Lazarusj ihn [Lazarusj aufs neue auferstehen lassen konntc und ihn abermals zum Leben erwecken wuumlrde
Der mit daszlig eingeleitete Nebensatz haumlngt von einem Verb des Denkens in einer konjunktivischen direkten Frage ab und wird mit einem konshyjunktivischen Verb fortgefuumlhrt Nach den althochdeutschen Modusreshygeln waumlre eigentlich mohti zu erwarten wie es die Freisinger Handshyschrift bietet Die Wiener Handschrift die die Quelle aller Handschrifshyten und vermutlich von Otfrid mit eigener Hand revidiert ist hat dageshygen mohta Dieses mohta nun sieht wie eine indikativische Ersatzform mit Eigenbedeutung aus Ebenso wie im abhaumlngigen Nebensatz autoshynome Konjunktive vorkommen gibt es aber moumlglicherweise in eigentshy
60 Vgl Wunder (1965307)
61 Erdmann (1874 37 und 111)
200 RLuumlhr
lich konjunktivischen Nebensaumltzen einen autonomen Indikativ Vielshyleicht hat Otfrid bewuszligt den Indikativ mohta gewaumlhlt um seiner Uumlbershyzeugung Ausdruck zu verleihen daszlig Jesus einerlei wie die Umstaumlnde sind in der Lage ist Lazarus von den Toten aufzuerwecken
314 Indikativische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung
Ein indirekter Fragesatz mit der Subjunktion ob liegt vor in
(58) thaz ir irkfaset ubar al aba siu fruma wesan seal (Otfrid S 6) damit ihr ganz und gar pruumlft ob es [likza Bruchstuumlck] gelungen ist
In den mit oba eingeleiteten indirekten Fragesaumltzen ist der Konjunktiv die Regel62 seal ist demnach indikativische Substitutionform ohne Eishygenbedeutung die offensichtlich aus Reimgruumlnden gewaumlhlt ist
32 Auswertung
Ordnet man nun die im Althochdeutschen moumlglichen Faumllle von Substishytution nach dem Grad ihrer Oumlkonomie so ergeben sich - da im Altshyhochdeutschen ja nur fakultative Substitution vorkommt dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung
Von den 36 fuumlr Substitution in Betracht kommenden Nebensaumltzen shynach unserer Definition ist ja Substitution nur in Nebensaumltzen die den Konjunktiv verlangen moumlglich - fallen die meisten naumlmlich 29 auf den Typ c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung Objektsaumltze 11 Adverbialsaumltze 18
62 Kelle (1881451) Zu zwei Ausnahmen im Indikativ und deren Begruumlndung Wunder (1965 284)
Modalverben als Substitutionsarmen 201
Danach folgt der Typ d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung Objektsaumltze 4 (53) (3) (54) (55) wolle
2mal seolti)
und dann der Typ cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung Objektsaumltze 2 (56) (57) (seolta mohta)
Nur in einem Objektsatz (58) hat man den Fall dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
Mit Ausnahme von mohta in (57) sind die Substitutionsformen der Tyshypen d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung (wolti wolle 2mal seolti) cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung (scolta) und dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
durch den Reim bedingt und in mohta liegt moumlglicherweise ein autoshynomer Indikativ vor Weil also der Konjunktiv in den konjunktivischen Nebensaumltzen bei weitem uumlberwiegt kann man sagen daszlig der Regel raquoKonjunktiv im Nebensatzlaquo ein groumlszligeres Gewicht zukommt als dem Prinzip der Sprachoumlkonomie Nur in drei Faumlllen von 29 erscheint ein indikativisches Modalverb als Substitution zweimal reimbedingt und einmal wohl aus inhaltlichen Gruumlnden In der Anwendung der den Neshybensatz kennzeichnenden Mittel hat also im Althochdeutschen der Konjunktiv eindeutig Vorrang vor der Kennzeichnung eines konjunkshytivischen Nebensatzes durch ein Modalverb
Zu fragen bleibt noch wieso von den althochdeutschen Modalverben am ehesten die Verben sollen und wollen als Konjunktiversatz auftreshyten Es liegt wohl an der Bedeutung dieser Modalverben Im Neuhochshydeutschen ist nach Oumlhlschlaumlger den beiden Verben im nicht-epistemishysehen Gebrauch gemeinsam daszlig dem Eintritt des durch die Infinitivshykonstruktion bezeichneten Sachverhalts eine Praumlferenz zukommt ohne
202 RLuumlhr
daszlig besondere Bedingungen eine Rolle spielen63 Demgegenuumlber ist bei den anderen nicht-epistemisch verwendeten Modalverben von Bedeushytung ob eine (vom Kontext gelieferte) Quelle oder der mit dem Subjekt bezeichnete Gegenstand den Eintritt des durch die Infinitivkonstruktion bezeichneten Sachverhalts zulaumlszligt oder wuumlnscht oder auch eine Faumlhigshykeit zu einer bestimmten Handlung hat Auch die althochdeutschen Modalverben sollen und wollen bringen bei Otfrid eine Praumlferenz zum Ausdruck wohingegen sich die uumlbrigen althochdeutschen Modalverben auf semantische Kategorien wie Permission Wunsch oder Faumlhigkeit beziehen Nimmt man nun an daszlig von diesen semantischen Kategorien die der Praumlferenz am wenigsten Eigenbedeutung hat wuumlrde verstaumlndshylich warum Otfrid aus Reimgruumlnden zur Substitution des Konjunktivs die Modalverben sollen und wollen verwendet hat Jedenfalls kann man bei Otfrid fuumlr die Hypotaxe allenfalls von einer reimbedingten Substitushytion des Konjunktivs durch Modalverben sprechen
33 Substitution durch Modalverben im Fruumlhneuhochdeutschen
Nach der Besprechung des althochdeutschen Materials stellt sich nun die Frage ob auch noch in der Sprache Luthers Substitution durch Moshydalverben vorhanden war Wie einige Beispiele belegen sollen ist dies in der Tat der Fall
331 Objektsatz
Es findet sich obligatorische Substitution Eigenbedeutung des Moshydalverbs
(59) haben wyr euch nicht mit ernst gepotten das yhr nicht sollt leren ynn dishysem namen (1522 Apg 528)
(60) Und wenn ich sie hette sollen fragen wie man die ersten zwey wort Matthei 1 Liber Generationis solte verdeutschen so hette yhr keiner gewist gack dazu zu sagen (Sendbrief 63335ff)
Und fakultative Substitutionen mit Eigenbedeutung begegnen in
(61) vnnd da si yhn sahen baten sie yhn das er weychen wolt von yhr grentze (1522 Matth 834) Das er von jrer Grentze weichen wolte64 (1546)
63 Oumlhlschlaumlger (1989 248ff)
64 Zu wollen mit Eigenbedeutung in von Verben des Bittens abhaumlngigen Saumltzen vgl DWb 30
Modalverben als Substitutions formen 203
(62) vnnd baU das er eyne hutten finden mochte dem Gott Jacob (1522 Apg746)
(63) Ich hab mich des getlissen ym dolmetzschen das ich rein und klar teutsch geben mOumlchte (Sendbrief 636 15f)
(64) vnd schaffet das man die iungen kindlin hyn werffen muste das sie nit lebendig blieben65 (1522 Apg 719)
332 Adverbialsatz
Auch in Finalsaumltzen erscheinen obligatorische und fakultative Substitushytionen mit Eigenbedeutung und zwar teils als eindeutige Konjunktivshyformen
(65) und eren umb keiner ander ursachen willen so starck wider die werck und treiben allein auff den glauben das die leute sollen sich ergern stossen und faUen (Sendbrief 64134ff)
(66) Denn wer dolmetzschen wil mus grosse vorrath von worten haben das er die wol kOumlnne haben wo eins an allen orten nicht lauten will (Sendbrief 6392lff)
(67) ehe den wir solche wacken und klotze aus dem wege reuumlmeten auff das man kOndte so fein daher gehen66 (Sendbrief 63624f)
Und ein Beleg fuumlr einen Konditionalsatz in dem das Modalverb Eigenshybedeutung hat ist
(68) Wenn ich nu den buchstaben nach aus der esel kunst solt des Engels wort verdeutschen muste ich also sagen (Sendbrief 639 1Of)
Diese Belege zeigen daszlig konjunktivische Modalverben mit Eigenbeshydeutung ebenso wie im Althochdeutschen noch im fruumlhneuhochdeutshysehen Nebensatz als Substitutionsformen des Konjunktivs fungieren67
65 Hinter einem faktiven Verb ist kein Konjunktiv zu erwarten
Mich wundert aber das man sich yn diser offentlichen sachen so mag sperren (Sendbrief 6426f)
66 Der Finalsatz wird mit Hauptsatzwortfolge weitergefuumlhrt in
Auff das wenn wir sagen die Christenheit yrre nicht so sollen wir auch sagen das sie auch nicht yrren und also kein lUumlgen auch an yn mUumlge gestrafft werden (Sendbrief 6452ff)
67 Weitere Belege sind
Und urteileten dem guten man sein werck die jhenigen so ym nicht gnug gewest weren das sie ym die schuch hetten sollen wischen (Sendbrief 6343ff)
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Das Prinzip der Sprachoumlkonomie das in seiner striktesten Auspraumlgung eigentlich nur obligatorische indikativische Substitutionen des Konshyjunktivs fordert ist hier also noch nicht wirksam68
34 Faktoren fuumlr die Aufgabe der Substitution durch Modalverben im Neuhochdeutschen
Wieso hat sich dieser Sprachgebrauch nun zum Neuhochdeutschen hin geaumlndert Es gibt zweifellos aumluszligere Indizien die auf eine bewuszligte Unshyterdruumlckung der Modalverben als Substitutionen schlieszligen lassen Die Sprachkritiker des 19 Jahrhunderts haben vielfach die Beseitigung von Redundanz wie sie durch Modalverben in semantisch eindeutigen Neshybensaumltzen entsteht gefordert69 Verpoumlnt sind zB Ausdrucksweisen wie
(69) Wenn zur Einloumlsung eines Pfandes ein Vers verlangt werden sollte so richshytete man die Forderung meist an mich (Goethe) (anstatt Wenn zur Einloumlshysung eines Pfandes ein Vers verlangt wurde so )70
(70) Die Moumlglichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden haben mag (anstatt Die Moumlgshy
sie sind nicht werd das sie meine erbeit sollen erkennen (Sendbrief 64014f)
Es hatten vnser veter die hutten des zeugnis ynn der wusten wie er yhn das verordenet hatte da er zu Mosen redte das er sie machen solt nach dem furbild das er gesehen hatte (1522 Apg 744)
Wenn sie euch nu vbirantworten werden so sorget nicht wie oder was yhr reden solt (1522 Matth 1019)
Da diese rede horeten der hohe priester vnd die fursteher des tempels vnnd ander hohe priester worden si vbir yhn betretten was doch das werden wollt (1522 Apg 524)
nach dem es vnmuglich war das er sollt von yhm gehallten werden (1522 Apg 224)
Vgl auch
Wol hat Heintzens Lesterbuch bey jnen den verstand (Auffassung) das es ein scharff schwert sey wider den ChurfUumlrsten und uns das uns aufffressen solle im Augenblick 0541 Wider Hans Worst 47517ff)
68 Einschlaumlgige Belege finden sich auch in den Zeitungen des Jahres 1609 vgl den Beitrag von Fritz in diesem Band S 279
69 Vgl Luumlhr (1992 354)
70 Sanders (1894256)
Modalverben als Substitutionsarmen 205
lichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden hat)
(71) Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintreten muszligshyten (anstatt Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintraten) 1
(72) Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert sein soll (anstatt Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert ist) 72
(73) Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sollen sieben Zigeuner erfroren sein (anstatt Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sind sieben Zigeushyner erfroren)
(74) Zuverlaumlssig wird gemrudet daszlig die Feinde dort angekommen sein sollen (anstatt Zuverlaumlssig wird gemeldet daszlig die Feinde dort angekommen sind)3
Vor gar nicht langer Zeit waren also Ausdrucksweisen wie sie bereits im Althochdeutschen belegt werden konnten auch noch im Neuhochshydeutschen vorhanden Daszlig sie heute als schlechtes Deutsch gelten kann jedoch nicht allein dem Einfluszlig der Sprachkritiker zugeschrieben werden In der Sprache muumlssen sich Wandel vollzogen haben die den Einsatz von Modalverben in Nebensaumltzen uumlberfluumlssig machen Moumlgshylicherweise besteht ein Zusammenhang mit dem Ruumlckgang des Konshyjunktivs in Nebensaumltzen eine Vermutung die naumlherer Untersuchung bedarf Da im Althochdeutschen die Modalverben im Nebensatz in den allermeisten Faumlllen eine lexikalische Bedeutung haben entspricht die Verwendung der Modalverben im Nebensatz weitgehend der im Hauptshysatz Die Faumllle in denen Modalverben ohne Eigenbedeutung im Altshyhochdeutschen Konjunktivformen im Nebensatz ersetzen sind zu vershyeinzelt als daszlig man von einem Ansatz zur Grammatikalisierung spreshychen koumlnnte denn die Bedingung fuumlr diesen Gebrauch ist hier eben der Reim
4 Fazit
Nach dem weitreichendsten Prinzip der Sprachoumlkonomie wuumlrde man fuumlr die althochdeutsche Sprachperiode in konjunktivischen Nebensaumltshyzen Modalverben als fakultative indikativische Ersatzformen ohne Eishygenbedeutung vorhersagen Die Beleglage ergab jedoch daszlig als Ershy
7 Matthias (1906446)
72 Andresen (1923 156)
73 Lehmann (1878 181f)
206 RLuumlhr
satzform der Typ fakultatives konjunktivisches Modalverb mit Eigenshybedeutung bei weitem vorherrscht Das zeigt daszlig im Althochdeutschen im Falle der Kennzeichnung eines konjunktivischen Nebensatzes der Konjunktiv einen houmlheren Rang einnimmt als das Modalverb Auch im Fruumlhneuhochdeutschen kommen noch Modalverben als fakultative konjunktivische Ersatzformen mit Eigenbedeutung vor Die Kennzeichshynung eines konjunktivischen Nebensatzes durch ein Modalverb ist also in dieser Spachperiode nicht auf die obligatorischen Faumllle in denen der Konjunktiv des Vollverbs mit dem Indikativ formal zusammenfallen wuumlrde beschraumlnkt Was nun das Neuhochdeutsche angeht so gelten heute wie bei den Sprachkritikem des 19 Jahrhunderts Ausdrucksweishysen in denen ein Modalverb die Bedeutung eines semantisch eindeutishygen Nebensatzes verstaumlrkt als anstoumlszligig Erst in dieser Zeit kommt im Falle der Substitution des Konjunktivs durch Modalverben aus welchen Gruumlnden auch immer das schon im Althochdeutschen theoretisch zu erwartende sprachoumlkonomische Prinzip voll zum Tragen
Quellen
Berthold von Regensburg Vollstaumlndige Ausgabe seiner Predigten Mit Anmerkunshygen und Woumlrterbuch Band 1 hg von F Pfeiffer Wien 1862 Band 2 hg von J Strobl Wien 1880
D Martin Luthers Werke Kritische Gesamtausgabe 1 Werke 3 Deutsche Bibel Weimar 1883ff
Neidharts Lieder Hg von Moritz Haupt 2 Aufl neu bearbeitet von E Wieszligner Leipzig 1923
Otfrids Evangelienbuch Hg von O Erdmann Sechste Auflage besorgt von L Wolff Tuumlbingen 1973
Literatur
Andresen KG Sprachgebrauch und Sprachrichtigkeit im Deutschen Elfte Aufshylage hg von F Soumlhns Leipzig 1923
Bech G Das semantische System der deutschen Modalverba Kopenhagen 1949 (Travaux du Cercle Linguistique de Copenhague Vol IV)
Bech G Grundzuumlge der semantischen Entwicklungsgeschichte der hochdeutschen Modalverba Kopenhagen 1951 (Historisk-fi101ogiske Meddele1ser 326)
Behaghel 0 Deutsche Syntax Band III Die Satzgebilde Heidelberg 1928 Berger DDrosdowski G Duden Richtiges und gutes Deutsch Woumlrterbuch der
sprachlichen Zweifelsfaumllle Dritte Auflage MannheimlWienlZuumlrich 1985 Deutsches Woumlrterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm 16 Baumlnde (32 Teile) und
ein Quellenverzeichnis Leipzig 1854-1971 Nachdruck Muumlnchen 1984
Modalverben als Substitutionsarmen 207
Dietrich R Modalitaumlt im Deutschen Zur Theorie der relativen Modalitaumlt Wiesshybaden 1992
Drosdowski G Duden Grammatik der deutschen Gegenwartssprache Vierte Auflage MannheimlWienlZuumlrich 1984
Erdmann 0 Untersuchungen uumlber die Syntax der Sprache Otfrids Band I Die Formationen des Verbums in einfachen und zusammengesetzten Saumltzen Halle ad Saale 1874
ErdmannIWolff 1973 siehe Quellen raquoOtfrids Evangelienbuchlaquo Fritz G Deutsche Modalverben 1609 - Epistemische Verwendungsweisen Ein
Beitrag zur Bedeutungsgeschichte der Modalverben im Deutschen In Beitraumlge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 113 (1991) 28-52
Kahl W Die Bedeutungen und der syntaktische Gebrauch der Verben raquokoumlnnenlaquo und raquomoumlgenlaquo im Altdeutschen In Zeitschrift fuumlr deutsche Philologie 22 (1890) 1-60
Kasper W Semantik des Konjunktivs 11 in Deklarativsaumltzen des Deutschen Tuumlshybingen 1987
Kelle J Otfrids von Weissenburg Evangelienbuch Band III Glossar der Sprache Otfrids Regensburg 1881 Nachdruck Aalen 1963
Klaren GA Die Bedeutungsentwicklung von raquokoumlnnenlaquo raquomoumlgenlaquo und raquomuumlssenlaquo im Hochdeutschen Diss Lund 1913
Kratzer A What raquomustlaquo and raquocanlaquo must and can mean In Linguistics and Philoshysophy 1 (1977) 337-355
Kratzer A Semantik der Rede Kontexttheorie Modalwoumlrter Konditionalsaumltze Koumlnigstein Ts 1978
Lehmann AOL Sprachliche Suumlnden der Gegenwart Braunschweig 1878 Luumlhr R Zur Syntax des Nebensatzes bei Luther In Sprachwissenschaft 10
(1985) 26-48 Luumlhr R Zu Veraumlnderungen im System der Modalverben In Bergmann RTieshy
fenbach HVoetz L (Hg) Althochdeutsch Band I Grammatik Glossen und Texte Heidelberg 1987262-289
Luumlhr R Gleichartigkeit Vollstaumlndigkeit Vermeidung von Redundanz In Mutshytersprache 102 (1992) 341-358
Luumlhr R Zu Konkurrenzformen von Infinitivkonstruktionen im Indogermanischen Finale Infinitivkonstruktionen auf raquo-dhyailaquo und finale Adverbialsaumltze im Altindishyschen In Dunkel GE ua (Hg) Fruumlh- Mittel- Spaumltindogermanisch Wiesshybaden 1994207-223
Luumlhr R Althochdeutsche Modalverben in ihrer semantischen Leistung In Desshyportes Y (Hg) Althochdeutsche Syntax und Semantik Pariser Kolloquium Paris (1996 im Druck)
Matthias Th Sprachleben und Sprachschaumlden Ein Fuumlhrer durch die Schwankunshygen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs Dritte Auflage Leipshyzig 1906
Oumlhlschlaumlger G Zur Syntax und Semantik der Modalverben des Deutschen Tuumlshybingen 1989
Pantl E Die von L Bock aufgestellten Regeln uumlber den Gebrauch des Konjunkshytivs im Mittelhochdeutschen untersucht an den Schriften Meister Eckarts Proshygramm Freistadt in Ober-Oumlsterreich 1902
Paul HWiehl PGrosse S Mittelhochdeutsche Grammatik 23 Auflage Tuumlbinshygen 1989
208 R Luumlh
Piper P Otfrids Evangelienbuch Band 1I Glossar und Abriszlig der Grammatik Freiburg LBrruumlbingen 1884
Sanders D Woumlrterbuch der Hauptschwierigkeiten der deutschen Sprache Berlin 1894
Schrodt R System und Norm in der Diachronie des deutschen Konjunktivs Der Modus in althochdeutschen und mittelhochdeutschen Inhaltssaumltzen (Otfrid von Weiszligenburg - Konrad von Wuumlrzburg) Tuumlbingen 1983
Schuumltzeichel R Althochdeutsches Woumlrterbuch Vierte Auflage Tuumlbingen 1989 Seiffert L The semantics of the Old High German preterito-presents Matrix for a
diachronie study of verbal modality in German In Flood JLYeandle DN (Hg) raquomit regulu bithuunganlaquo Goumlppingen 1989 184-218
Sweetser E From etymology to pragmatics Metaphorical and cultural aspects of semantic structure Cambridge 1990
Thim-Mabrey Ch Die Fuumlgung raquoseinlaquo + raquozulaquo + Infinitiv In Sprachwissenschaft 11 (1986) 210-274
Welke K Untersuchungen zum System der Modalverben in der deutschen Sprashyche der Gegenwart Ein Beitrag zur Erforschung funktionaler und syntaktischer Beziehungen Berlin 1965
Wunder D Der Nebensatz bei Otfrid Untersuchungen zur Syntax des deutschen Nebensatzes Heidelberg 1965
200 RLuumlhr
lich konjunktivischen Nebensaumltzen einen autonomen Indikativ Vielshyleicht hat Otfrid bewuszligt den Indikativ mohta gewaumlhlt um seiner Uumlbershyzeugung Ausdruck zu verleihen daszlig Jesus einerlei wie die Umstaumlnde sind in der Lage ist Lazarus von den Toten aufzuerwecken
314 Indikativische Substitutionsformen ohne Eigenbedeutung
Ein indirekter Fragesatz mit der Subjunktion ob liegt vor in
(58) thaz ir irkfaset ubar al aba siu fruma wesan seal (Otfrid S 6) damit ihr ganz und gar pruumlft ob es [likza Bruchstuumlck] gelungen ist
In den mit oba eingeleiteten indirekten Fragesaumltzen ist der Konjunktiv die Regel62 seal ist demnach indikativische Substitutionform ohne Eishygenbedeutung die offensichtlich aus Reimgruumlnden gewaumlhlt ist
32 Auswertung
Ordnet man nun die im Althochdeutschen moumlglichen Faumllle von Substishytution nach dem Grad ihrer Oumlkonomie so ergeben sich - da im Altshyhochdeutschen ja nur fakultative Substitution vorkommt dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung
Von den 36 fuumlr Substitution in Betracht kommenden Nebensaumltzen shynach unserer Definition ist ja Substitution nur in Nebensaumltzen die den Konjunktiv verlangen moumlglich - fallen die meisten naumlmlich 29 auf den Typ c2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
mit Eigenbedeutung Objektsaumltze 11 Adverbialsaumltze 18
62 Kelle (1881451) Zu zwei Ausnahmen im Indikativ und deren Begruumlndung Wunder (1965 284)
Modalverben als Substitutionsarmen 201
Danach folgt der Typ d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung Objektsaumltze 4 (53) (3) (54) (55) wolle
2mal seolti)
und dann der Typ cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung Objektsaumltze 2 (56) (57) (seolta mohta)
Nur in einem Objektsatz (58) hat man den Fall dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
Mit Ausnahme von mohta in (57) sind die Substitutionsformen der Tyshypen d2) fakultative Substitution durch ein konjunktivisches Modalverb
ohne Eigenbedeutung (wolti wolle 2mal seolti) cl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb mit
Eigenbedeutung (scolta) und dl) fakultative Substitution durch ein indikativisches Modalverb ohshy
ne Eigenbedeutung (seal)
durch den Reim bedingt und in mohta liegt moumlglicherweise ein autoshynomer Indikativ vor Weil also der Konjunktiv in den konjunktivischen Nebensaumltzen bei weitem uumlberwiegt kann man sagen daszlig der Regel raquoKonjunktiv im Nebensatzlaquo ein groumlszligeres Gewicht zukommt als dem Prinzip der Sprachoumlkonomie Nur in drei Faumlllen von 29 erscheint ein indikativisches Modalverb als Substitution zweimal reimbedingt und einmal wohl aus inhaltlichen Gruumlnden In der Anwendung der den Neshybensatz kennzeichnenden Mittel hat also im Althochdeutschen der Konjunktiv eindeutig Vorrang vor der Kennzeichnung eines konjunkshytivischen Nebensatzes durch ein Modalverb
Zu fragen bleibt noch wieso von den althochdeutschen Modalverben am ehesten die Verben sollen und wollen als Konjunktiversatz auftreshyten Es liegt wohl an der Bedeutung dieser Modalverben Im Neuhochshydeutschen ist nach Oumlhlschlaumlger den beiden Verben im nicht-epistemishysehen Gebrauch gemeinsam daszlig dem Eintritt des durch die Infinitivshykonstruktion bezeichneten Sachverhalts eine Praumlferenz zukommt ohne
202 RLuumlhr
daszlig besondere Bedingungen eine Rolle spielen63 Demgegenuumlber ist bei den anderen nicht-epistemisch verwendeten Modalverben von Bedeushytung ob eine (vom Kontext gelieferte) Quelle oder der mit dem Subjekt bezeichnete Gegenstand den Eintritt des durch die Infinitivkonstruktion bezeichneten Sachverhalts zulaumlszligt oder wuumlnscht oder auch eine Faumlhigshykeit zu einer bestimmten Handlung hat Auch die althochdeutschen Modalverben sollen und wollen bringen bei Otfrid eine Praumlferenz zum Ausdruck wohingegen sich die uumlbrigen althochdeutschen Modalverben auf semantische Kategorien wie Permission Wunsch oder Faumlhigkeit beziehen Nimmt man nun an daszlig von diesen semantischen Kategorien die der Praumlferenz am wenigsten Eigenbedeutung hat wuumlrde verstaumlndshylich warum Otfrid aus Reimgruumlnden zur Substitution des Konjunktivs die Modalverben sollen und wollen verwendet hat Jedenfalls kann man bei Otfrid fuumlr die Hypotaxe allenfalls von einer reimbedingten Substitushytion des Konjunktivs durch Modalverben sprechen
33 Substitution durch Modalverben im Fruumlhneuhochdeutschen
Nach der Besprechung des althochdeutschen Materials stellt sich nun die Frage ob auch noch in der Sprache Luthers Substitution durch Moshydalverben vorhanden war Wie einige Beispiele belegen sollen ist dies in der Tat der Fall
331 Objektsatz
Es findet sich obligatorische Substitution Eigenbedeutung des Moshydalverbs
(59) haben wyr euch nicht mit ernst gepotten das yhr nicht sollt leren ynn dishysem namen (1522 Apg 528)
(60) Und wenn ich sie hette sollen fragen wie man die ersten zwey wort Matthei 1 Liber Generationis solte verdeutschen so hette yhr keiner gewist gack dazu zu sagen (Sendbrief 63335ff)
Und fakultative Substitutionen mit Eigenbedeutung begegnen in
(61) vnnd da si yhn sahen baten sie yhn das er weychen wolt von yhr grentze (1522 Matth 834) Das er von jrer Grentze weichen wolte64 (1546)
63 Oumlhlschlaumlger (1989 248ff)
64 Zu wollen mit Eigenbedeutung in von Verben des Bittens abhaumlngigen Saumltzen vgl DWb 30
Modalverben als Substitutions formen 203
(62) vnnd baU das er eyne hutten finden mochte dem Gott Jacob (1522 Apg746)
(63) Ich hab mich des getlissen ym dolmetzschen das ich rein und klar teutsch geben mOumlchte (Sendbrief 636 15f)
(64) vnd schaffet das man die iungen kindlin hyn werffen muste das sie nit lebendig blieben65 (1522 Apg 719)
332 Adverbialsatz
Auch in Finalsaumltzen erscheinen obligatorische und fakultative Substitushytionen mit Eigenbedeutung und zwar teils als eindeutige Konjunktivshyformen
(65) und eren umb keiner ander ursachen willen so starck wider die werck und treiben allein auff den glauben das die leute sollen sich ergern stossen und faUen (Sendbrief 64134ff)
(66) Denn wer dolmetzschen wil mus grosse vorrath von worten haben das er die wol kOumlnne haben wo eins an allen orten nicht lauten will (Sendbrief 6392lff)
(67) ehe den wir solche wacken und klotze aus dem wege reuumlmeten auff das man kOndte so fein daher gehen66 (Sendbrief 63624f)
Und ein Beleg fuumlr einen Konditionalsatz in dem das Modalverb Eigenshybedeutung hat ist
(68) Wenn ich nu den buchstaben nach aus der esel kunst solt des Engels wort verdeutschen muste ich also sagen (Sendbrief 639 1Of)
Diese Belege zeigen daszlig konjunktivische Modalverben mit Eigenbeshydeutung ebenso wie im Althochdeutschen noch im fruumlhneuhochdeutshysehen Nebensatz als Substitutionsformen des Konjunktivs fungieren67
65 Hinter einem faktiven Verb ist kein Konjunktiv zu erwarten
Mich wundert aber das man sich yn diser offentlichen sachen so mag sperren (Sendbrief 6426f)
66 Der Finalsatz wird mit Hauptsatzwortfolge weitergefuumlhrt in
Auff das wenn wir sagen die Christenheit yrre nicht so sollen wir auch sagen das sie auch nicht yrren und also kein lUumlgen auch an yn mUumlge gestrafft werden (Sendbrief 6452ff)
67 Weitere Belege sind
Und urteileten dem guten man sein werck die jhenigen so ym nicht gnug gewest weren das sie ym die schuch hetten sollen wischen (Sendbrief 6343ff)
204 R Luumlhr
Das Prinzip der Sprachoumlkonomie das in seiner striktesten Auspraumlgung eigentlich nur obligatorische indikativische Substitutionen des Konshyjunktivs fordert ist hier also noch nicht wirksam68
34 Faktoren fuumlr die Aufgabe der Substitution durch Modalverben im Neuhochdeutschen
Wieso hat sich dieser Sprachgebrauch nun zum Neuhochdeutschen hin geaumlndert Es gibt zweifellos aumluszligere Indizien die auf eine bewuszligte Unshyterdruumlckung der Modalverben als Substitutionen schlieszligen lassen Die Sprachkritiker des 19 Jahrhunderts haben vielfach die Beseitigung von Redundanz wie sie durch Modalverben in semantisch eindeutigen Neshybensaumltzen entsteht gefordert69 Verpoumlnt sind zB Ausdrucksweisen wie
(69) Wenn zur Einloumlsung eines Pfandes ein Vers verlangt werden sollte so richshytete man die Forderung meist an mich (Goethe) (anstatt Wenn zur Einloumlshysung eines Pfandes ein Vers verlangt wurde so )70
(70) Die Moumlglichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden haben mag (anstatt Die Moumlgshy
sie sind nicht werd das sie meine erbeit sollen erkennen (Sendbrief 64014f)
Es hatten vnser veter die hutten des zeugnis ynn der wusten wie er yhn das verordenet hatte da er zu Mosen redte das er sie machen solt nach dem furbild das er gesehen hatte (1522 Apg 744)
Wenn sie euch nu vbirantworten werden so sorget nicht wie oder was yhr reden solt (1522 Matth 1019)
Da diese rede horeten der hohe priester vnd die fursteher des tempels vnnd ander hohe priester worden si vbir yhn betretten was doch das werden wollt (1522 Apg 524)
nach dem es vnmuglich war das er sollt von yhm gehallten werden (1522 Apg 224)
Vgl auch
Wol hat Heintzens Lesterbuch bey jnen den verstand (Auffassung) das es ein scharff schwert sey wider den ChurfUumlrsten und uns das uns aufffressen solle im Augenblick 0541 Wider Hans Worst 47517ff)
68 Einschlaumlgige Belege finden sich auch in den Zeitungen des Jahres 1609 vgl den Beitrag von Fritz in diesem Band S 279
69 Vgl Luumlhr (1992 354)
70 Sanders (1894256)
Modalverben als Substitutionsarmen 205
lichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden hat)
(71) Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintreten muszligshyten (anstatt Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintraten) 1
(72) Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert sein soll (anstatt Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert ist) 72
(73) Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sollen sieben Zigeuner erfroren sein (anstatt Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sind sieben Zigeushyner erfroren)
(74) Zuverlaumlssig wird gemrudet daszlig die Feinde dort angekommen sein sollen (anstatt Zuverlaumlssig wird gemeldet daszlig die Feinde dort angekommen sind)3
Vor gar nicht langer Zeit waren also Ausdrucksweisen wie sie bereits im Althochdeutschen belegt werden konnten auch noch im Neuhochshydeutschen vorhanden Daszlig sie heute als schlechtes Deutsch gelten kann jedoch nicht allein dem Einfluszlig der Sprachkritiker zugeschrieben werden In der Sprache muumlssen sich Wandel vollzogen haben die den Einsatz von Modalverben in Nebensaumltzen uumlberfluumlssig machen Moumlgshylicherweise besteht ein Zusammenhang mit dem Ruumlckgang des Konshyjunktivs in Nebensaumltzen eine Vermutung die naumlherer Untersuchung bedarf Da im Althochdeutschen die Modalverben im Nebensatz in den allermeisten Faumlllen eine lexikalische Bedeutung haben entspricht die Verwendung der Modalverben im Nebensatz weitgehend der im Hauptshysatz Die Faumllle in denen Modalverben ohne Eigenbedeutung im Altshyhochdeutschen Konjunktivformen im Nebensatz ersetzen sind zu vershyeinzelt als daszlig man von einem Ansatz zur Grammatikalisierung spreshychen koumlnnte denn die Bedingung fuumlr diesen Gebrauch ist hier eben der Reim
4 Fazit
Nach dem weitreichendsten Prinzip der Sprachoumlkonomie wuumlrde man fuumlr die althochdeutsche Sprachperiode in konjunktivischen Nebensaumltshyzen Modalverben als fakultative indikativische Ersatzformen ohne Eishygenbedeutung vorhersagen Die Beleglage ergab jedoch daszlig als Ershy
7 Matthias (1906446)
72 Andresen (1923 156)
73 Lehmann (1878 181f)
206 RLuumlhr
satzform der Typ fakultatives konjunktivisches Modalverb mit Eigenshybedeutung bei weitem vorherrscht Das zeigt daszlig im Althochdeutschen im Falle der Kennzeichnung eines konjunktivischen Nebensatzes der Konjunktiv einen houmlheren Rang einnimmt als das Modalverb Auch im Fruumlhneuhochdeutschen kommen noch Modalverben als fakultative konjunktivische Ersatzformen mit Eigenbedeutung vor Die Kennzeichshynung eines konjunktivischen Nebensatzes durch ein Modalverb ist also in dieser Spachperiode nicht auf die obligatorischen Faumllle in denen der Konjunktiv des Vollverbs mit dem Indikativ formal zusammenfallen wuumlrde beschraumlnkt Was nun das Neuhochdeutsche angeht so gelten heute wie bei den Sprachkritikem des 19 Jahrhunderts Ausdrucksweishysen in denen ein Modalverb die Bedeutung eines semantisch eindeutishygen Nebensatzes verstaumlrkt als anstoumlszligig Erst in dieser Zeit kommt im Falle der Substitution des Konjunktivs durch Modalverben aus welchen Gruumlnden auch immer das schon im Althochdeutschen theoretisch zu erwartende sprachoumlkonomische Prinzip voll zum Tragen
Quellen
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Wunder D Der Nebensatz bei Otfrid Untersuchungen zur Syntax des deutschen Nebensatzes Heidelberg 1965
202 RLuumlhr
daszlig besondere Bedingungen eine Rolle spielen63 Demgegenuumlber ist bei den anderen nicht-epistemisch verwendeten Modalverben von Bedeushytung ob eine (vom Kontext gelieferte) Quelle oder der mit dem Subjekt bezeichnete Gegenstand den Eintritt des durch die Infinitivkonstruktion bezeichneten Sachverhalts zulaumlszligt oder wuumlnscht oder auch eine Faumlhigshykeit zu einer bestimmten Handlung hat Auch die althochdeutschen Modalverben sollen und wollen bringen bei Otfrid eine Praumlferenz zum Ausdruck wohingegen sich die uumlbrigen althochdeutschen Modalverben auf semantische Kategorien wie Permission Wunsch oder Faumlhigkeit beziehen Nimmt man nun an daszlig von diesen semantischen Kategorien die der Praumlferenz am wenigsten Eigenbedeutung hat wuumlrde verstaumlndshylich warum Otfrid aus Reimgruumlnden zur Substitution des Konjunktivs die Modalverben sollen und wollen verwendet hat Jedenfalls kann man bei Otfrid fuumlr die Hypotaxe allenfalls von einer reimbedingten Substitushytion des Konjunktivs durch Modalverben sprechen
33 Substitution durch Modalverben im Fruumlhneuhochdeutschen
Nach der Besprechung des althochdeutschen Materials stellt sich nun die Frage ob auch noch in der Sprache Luthers Substitution durch Moshydalverben vorhanden war Wie einige Beispiele belegen sollen ist dies in der Tat der Fall
331 Objektsatz
Es findet sich obligatorische Substitution Eigenbedeutung des Moshydalverbs
(59) haben wyr euch nicht mit ernst gepotten das yhr nicht sollt leren ynn dishysem namen (1522 Apg 528)
(60) Und wenn ich sie hette sollen fragen wie man die ersten zwey wort Matthei 1 Liber Generationis solte verdeutschen so hette yhr keiner gewist gack dazu zu sagen (Sendbrief 63335ff)
Und fakultative Substitutionen mit Eigenbedeutung begegnen in
(61) vnnd da si yhn sahen baten sie yhn das er weychen wolt von yhr grentze (1522 Matth 834) Das er von jrer Grentze weichen wolte64 (1546)
63 Oumlhlschlaumlger (1989 248ff)
64 Zu wollen mit Eigenbedeutung in von Verben des Bittens abhaumlngigen Saumltzen vgl DWb 30
Modalverben als Substitutions formen 203
(62) vnnd baU das er eyne hutten finden mochte dem Gott Jacob (1522 Apg746)
(63) Ich hab mich des getlissen ym dolmetzschen das ich rein und klar teutsch geben mOumlchte (Sendbrief 636 15f)
(64) vnd schaffet das man die iungen kindlin hyn werffen muste das sie nit lebendig blieben65 (1522 Apg 719)
332 Adverbialsatz
Auch in Finalsaumltzen erscheinen obligatorische und fakultative Substitushytionen mit Eigenbedeutung und zwar teils als eindeutige Konjunktivshyformen
(65) und eren umb keiner ander ursachen willen so starck wider die werck und treiben allein auff den glauben das die leute sollen sich ergern stossen und faUen (Sendbrief 64134ff)
(66) Denn wer dolmetzschen wil mus grosse vorrath von worten haben das er die wol kOumlnne haben wo eins an allen orten nicht lauten will (Sendbrief 6392lff)
(67) ehe den wir solche wacken und klotze aus dem wege reuumlmeten auff das man kOndte so fein daher gehen66 (Sendbrief 63624f)
Und ein Beleg fuumlr einen Konditionalsatz in dem das Modalverb Eigenshybedeutung hat ist
(68) Wenn ich nu den buchstaben nach aus der esel kunst solt des Engels wort verdeutschen muste ich also sagen (Sendbrief 639 1Of)
Diese Belege zeigen daszlig konjunktivische Modalverben mit Eigenbeshydeutung ebenso wie im Althochdeutschen noch im fruumlhneuhochdeutshysehen Nebensatz als Substitutionsformen des Konjunktivs fungieren67
65 Hinter einem faktiven Verb ist kein Konjunktiv zu erwarten
Mich wundert aber das man sich yn diser offentlichen sachen so mag sperren (Sendbrief 6426f)
66 Der Finalsatz wird mit Hauptsatzwortfolge weitergefuumlhrt in
Auff das wenn wir sagen die Christenheit yrre nicht so sollen wir auch sagen das sie auch nicht yrren und also kein lUumlgen auch an yn mUumlge gestrafft werden (Sendbrief 6452ff)
67 Weitere Belege sind
Und urteileten dem guten man sein werck die jhenigen so ym nicht gnug gewest weren das sie ym die schuch hetten sollen wischen (Sendbrief 6343ff)
204 R Luumlhr
Das Prinzip der Sprachoumlkonomie das in seiner striktesten Auspraumlgung eigentlich nur obligatorische indikativische Substitutionen des Konshyjunktivs fordert ist hier also noch nicht wirksam68
34 Faktoren fuumlr die Aufgabe der Substitution durch Modalverben im Neuhochdeutschen
Wieso hat sich dieser Sprachgebrauch nun zum Neuhochdeutschen hin geaumlndert Es gibt zweifellos aumluszligere Indizien die auf eine bewuszligte Unshyterdruumlckung der Modalverben als Substitutionen schlieszligen lassen Die Sprachkritiker des 19 Jahrhunderts haben vielfach die Beseitigung von Redundanz wie sie durch Modalverben in semantisch eindeutigen Neshybensaumltzen entsteht gefordert69 Verpoumlnt sind zB Ausdrucksweisen wie
(69) Wenn zur Einloumlsung eines Pfandes ein Vers verlangt werden sollte so richshytete man die Forderung meist an mich (Goethe) (anstatt Wenn zur Einloumlshysung eines Pfandes ein Vers verlangt wurde so )70
(70) Die Moumlglichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden haben mag (anstatt Die Moumlgshy
sie sind nicht werd das sie meine erbeit sollen erkennen (Sendbrief 64014f)
Es hatten vnser veter die hutten des zeugnis ynn der wusten wie er yhn das verordenet hatte da er zu Mosen redte das er sie machen solt nach dem furbild das er gesehen hatte (1522 Apg 744)
Wenn sie euch nu vbirantworten werden so sorget nicht wie oder was yhr reden solt (1522 Matth 1019)
Da diese rede horeten der hohe priester vnd die fursteher des tempels vnnd ander hohe priester worden si vbir yhn betretten was doch das werden wollt (1522 Apg 524)
nach dem es vnmuglich war das er sollt von yhm gehallten werden (1522 Apg 224)
Vgl auch
Wol hat Heintzens Lesterbuch bey jnen den verstand (Auffassung) das es ein scharff schwert sey wider den ChurfUumlrsten und uns das uns aufffressen solle im Augenblick 0541 Wider Hans Worst 47517ff)
68 Einschlaumlgige Belege finden sich auch in den Zeitungen des Jahres 1609 vgl den Beitrag von Fritz in diesem Band S 279
69 Vgl Luumlhr (1992 354)
70 Sanders (1894256)
Modalverben als Substitutionsarmen 205
lichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden hat)
(71) Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintreten muszligshyten (anstatt Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintraten) 1
(72) Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert sein soll (anstatt Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert ist) 72
(73) Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sollen sieben Zigeuner erfroren sein (anstatt Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sind sieben Zigeushyner erfroren)
(74) Zuverlaumlssig wird gemrudet daszlig die Feinde dort angekommen sein sollen (anstatt Zuverlaumlssig wird gemeldet daszlig die Feinde dort angekommen sind)3
Vor gar nicht langer Zeit waren also Ausdrucksweisen wie sie bereits im Althochdeutschen belegt werden konnten auch noch im Neuhochshydeutschen vorhanden Daszlig sie heute als schlechtes Deutsch gelten kann jedoch nicht allein dem Einfluszlig der Sprachkritiker zugeschrieben werden In der Sprache muumlssen sich Wandel vollzogen haben die den Einsatz von Modalverben in Nebensaumltzen uumlberfluumlssig machen Moumlgshylicherweise besteht ein Zusammenhang mit dem Ruumlckgang des Konshyjunktivs in Nebensaumltzen eine Vermutung die naumlherer Untersuchung bedarf Da im Althochdeutschen die Modalverben im Nebensatz in den allermeisten Faumlllen eine lexikalische Bedeutung haben entspricht die Verwendung der Modalverben im Nebensatz weitgehend der im Hauptshysatz Die Faumllle in denen Modalverben ohne Eigenbedeutung im Altshyhochdeutschen Konjunktivformen im Nebensatz ersetzen sind zu vershyeinzelt als daszlig man von einem Ansatz zur Grammatikalisierung spreshychen koumlnnte denn die Bedingung fuumlr diesen Gebrauch ist hier eben der Reim
4 Fazit
Nach dem weitreichendsten Prinzip der Sprachoumlkonomie wuumlrde man fuumlr die althochdeutsche Sprachperiode in konjunktivischen Nebensaumltshyzen Modalverben als fakultative indikativische Ersatzformen ohne Eishygenbedeutung vorhersagen Die Beleglage ergab jedoch daszlig als Ershy
7 Matthias (1906446)
72 Andresen (1923 156)
73 Lehmann (1878 181f)
206 RLuumlhr
satzform der Typ fakultatives konjunktivisches Modalverb mit Eigenshybedeutung bei weitem vorherrscht Das zeigt daszlig im Althochdeutschen im Falle der Kennzeichnung eines konjunktivischen Nebensatzes der Konjunktiv einen houmlheren Rang einnimmt als das Modalverb Auch im Fruumlhneuhochdeutschen kommen noch Modalverben als fakultative konjunktivische Ersatzformen mit Eigenbedeutung vor Die Kennzeichshynung eines konjunktivischen Nebensatzes durch ein Modalverb ist also in dieser Spachperiode nicht auf die obligatorischen Faumllle in denen der Konjunktiv des Vollverbs mit dem Indikativ formal zusammenfallen wuumlrde beschraumlnkt Was nun das Neuhochdeutsche angeht so gelten heute wie bei den Sprachkritikem des 19 Jahrhunderts Ausdrucksweishysen in denen ein Modalverb die Bedeutung eines semantisch eindeutishygen Nebensatzes verstaumlrkt als anstoumlszligig Erst in dieser Zeit kommt im Falle der Substitution des Konjunktivs durch Modalverben aus welchen Gruumlnden auch immer das schon im Althochdeutschen theoretisch zu erwartende sprachoumlkonomische Prinzip voll zum Tragen
Quellen
Berthold von Regensburg Vollstaumlndige Ausgabe seiner Predigten Mit Anmerkunshygen und Woumlrterbuch Band 1 hg von F Pfeiffer Wien 1862 Band 2 hg von J Strobl Wien 1880
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Neidharts Lieder Hg von Moritz Haupt 2 Aufl neu bearbeitet von E Wieszligner Leipzig 1923
Otfrids Evangelienbuch Hg von O Erdmann Sechste Auflage besorgt von L Wolff Tuumlbingen 1973
Literatur
Andresen KG Sprachgebrauch und Sprachrichtigkeit im Deutschen Elfte Aufshylage hg von F Soumlhns Leipzig 1923
Bech G Das semantische System der deutschen Modalverba Kopenhagen 1949 (Travaux du Cercle Linguistique de Copenhague Vol IV)
Bech G Grundzuumlge der semantischen Entwicklungsgeschichte der hochdeutschen Modalverba Kopenhagen 1951 (Historisk-fi101ogiske Meddele1ser 326)
Behaghel 0 Deutsche Syntax Band III Die Satzgebilde Heidelberg 1928 Berger DDrosdowski G Duden Richtiges und gutes Deutsch Woumlrterbuch der
sprachlichen Zweifelsfaumllle Dritte Auflage MannheimlWienlZuumlrich 1985 Deutsches Woumlrterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm 16 Baumlnde (32 Teile) und
ein Quellenverzeichnis Leipzig 1854-1971 Nachdruck Muumlnchen 1984
Modalverben als Substitutionsarmen 207
Dietrich R Modalitaumlt im Deutschen Zur Theorie der relativen Modalitaumlt Wiesshybaden 1992
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ErdmannIWolff 1973 siehe Quellen raquoOtfrids Evangelienbuchlaquo Fritz G Deutsche Modalverben 1609 - Epistemische Verwendungsweisen Ein
Beitrag zur Bedeutungsgeschichte der Modalverben im Deutschen In Beitraumlge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 113 (1991) 28-52
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204 R Luumlhr
Das Prinzip der Sprachoumlkonomie das in seiner striktesten Auspraumlgung eigentlich nur obligatorische indikativische Substitutionen des Konshyjunktivs fordert ist hier also noch nicht wirksam68
34 Faktoren fuumlr die Aufgabe der Substitution durch Modalverben im Neuhochdeutschen
Wieso hat sich dieser Sprachgebrauch nun zum Neuhochdeutschen hin geaumlndert Es gibt zweifellos aumluszligere Indizien die auf eine bewuszligte Unshyterdruumlckung der Modalverben als Substitutionen schlieszligen lassen Die Sprachkritiker des 19 Jahrhunderts haben vielfach die Beseitigung von Redundanz wie sie durch Modalverben in semantisch eindeutigen Neshybensaumltzen entsteht gefordert69 Verpoumlnt sind zB Ausdrucksweisen wie
(69) Wenn zur Einloumlsung eines Pfandes ein Vers verlangt werden sollte so richshytete man die Forderung meist an mich (Goethe) (anstatt Wenn zur Einloumlshysung eines Pfandes ein Vers verlangt wurde so )70
(70) Die Moumlglichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden haben mag (anstatt Die Moumlgshy
sie sind nicht werd das sie meine erbeit sollen erkennen (Sendbrief 64014f)
Es hatten vnser veter die hutten des zeugnis ynn der wusten wie er yhn das verordenet hatte da er zu Mosen redte das er sie machen solt nach dem furbild das er gesehen hatte (1522 Apg 744)
Wenn sie euch nu vbirantworten werden so sorget nicht wie oder was yhr reden solt (1522 Matth 1019)
Da diese rede horeten der hohe priester vnd die fursteher des tempels vnnd ander hohe priester worden si vbir yhn betretten was doch das werden wollt (1522 Apg 524)
nach dem es vnmuglich war das er sollt von yhm gehallten werden (1522 Apg 224)
Vgl auch
Wol hat Heintzens Lesterbuch bey jnen den verstand (Auffassung) das es ein scharff schwert sey wider den ChurfUumlrsten und uns das uns aufffressen solle im Augenblick 0541 Wider Hans Worst 47517ff)
68 Einschlaumlgige Belege finden sich auch in den Zeitungen des Jahres 1609 vgl den Beitrag von Fritz in diesem Band S 279
69 Vgl Luumlhr (1992 354)
70 Sanders (1894256)
Modalverben als Substitutionsarmen 205
lichkeit ist nicht ausgeschlossen daszlig unter den verschollenen Schiffen sich eins oder das andere befunden hat)
(71) Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintreten muszligshyten (anstatt Also war es unausbleiblich daszlig Meinungsverschiedenheiten eintraten) 1
(72) Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert sein soll (anstatt Es wird erzaumlhlt daszlig der Prinz verwundert ist) 72
(73) Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sollen sieben Zigeuner erfroren sein (anstatt Wie der Oberschlesische Anzeiger erfaumlhrt sind sieben Zigeushyner erfroren)
(74) Zuverlaumlssig wird gemrudet daszlig die Feinde dort angekommen sein sollen (anstatt Zuverlaumlssig wird gemeldet daszlig die Feinde dort angekommen sind)3
Vor gar nicht langer Zeit waren also Ausdrucksweisen wie sie bereits im Althochdeutschen belegt werden konnten auch noch im Neuhochshydeutschen vorhanden Daszlig sie heute als schlechtes Deutsch gelten kann jedoch nicht allein dem Einfluszlig der Sprachkritiker zugeschrieben werden In der Sprache muumlssen sich Wandel vollzogen haben die den Einsatz von Modalverben in Nebensaumltzen uumlberfluumlssig machen Moumlgshylicherweise besteht ein Zusammenhang mit dem Ruumlckgang des Konshyjunktivs in Nebensaumltzen eine Vermutung die naumlherer Untersuchung bedarf Da im Althochdeutschen die Modalverben im Nebensatz in den allermeisten Faumlllen eine lexikalische Bedeutung haben entspricht die Verwendung der Modalverben im Nebensatz weitgehend der im Hauptshysatz Die Faumllle in denen Modalverben ohne Eigenbedeutung im Altshyhochdeutschen Konjunktivformen im Nebensatz ersetzen sind zu vershyeinzelt als daszlig man von einem Ansatz zur Grammatikalisierung spreshychen koumlnnte denn die Bedingung fuumlr diesen Gebrauch ist hier eben der Reim
4 Fazit
Nach dem weitreichendsten Prinzip der Sprachoumlkonomie wuumlrde man fuumlr die althochdeutsche Sprachperiode in konjunktivischen Nebensaumltshyzen Modalverben als fakultative indikativische Ersatzformen ohne Eishygenbedeutung vorhersagen Die Beleglage ergab jedoch daszlig als Ershy
7 Matthias (1906446)
72 Andresen (1923 156)
73 Lehmann (1878 181f)
206 RLuumlhr
satzform der Typ fakultatives konjunktivisches Modalverb mit Eigenshybedeutung bei weitem vorherrscht Das zeigt daszlig im Althochdeutschen im Falle der Kennzeichnung eines konjunktivischen Nebensatzes der Konjunktiv einen houmlheren Rang einnimmt als das Modalverb Auch im Fruumlhneuhochdeutschen kommen noch Modalverben als fakultative konjunktivische Ersatzformen mit Eigenbedeutung vor Die Kennzeichshynung eines konjunktivischen Nebensatzes durch ein Modalverb ist also in dieser Spachperiode nicht auf die obligatorischen Faumllle in denen der Konjunktiv des Vollverbs mit dem Indikativ formal zusammenfallen wuumlrde beschraumlnkt Was nun das Neuhochdeutsche angeht so gelten heute wie bei den Sprachkritikem des 19 Jahrhunderts Ausdrucksweishysen in denen ein Modalverb die Bedeutung eines semantisch eindeutishygen Nebensatzes verstaumlrkt als anstoumlszligig Erst in dieser Zeit kommt im Falle der Substitution des Konjunktivs durch Modalverben aus welchen Gruumlnden auch immer das schon im Althochdeutschen theoretisch zu erwartende sprachoumlkonomische Prinzip voll zum Tragen
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Andresen KG Sprachgebrauch und Sprachrichtigkeit im Deutschen Elfte Aufshylage hg von F Soumlhns Leipzig 1923
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ein Quellenverzeichnis Leipzig 1854-1971 Nachdruck Muumlnchen 1984
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Quellen
Berthold von Regensburg Vollstaumlndige Ausgabe seiner Predigten Mit Anmerkunshygen und Woumlrterbuch Band 1 hg von F Pfeiffer Wien 1862 Band 2 hg von J Strobl Wien 1880
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Dietrich R Modalitaumlt im Deutschen Zur Theorie der relativen Modalitaumlt Wiesshybaden 1992
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