Untersuchungen zum Einsatz von Verdunstungskühlung innerhalb eines hybriden Lüftungskonzeptes

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380 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bauphysik 32 (2010), Heft 6 Das Aufrechterhalten der thermischen Behaglichkeit bei hoch- sommerlichen Verhältnissen stellt auch in neuen Gebäuden mit hohem Niveau der Wärmedämmung ohne Nutzung energieinten- siver RLT-Anlagen eine Herausforderung dar. Trotz moderater in- nerer Gewinne und Schutz vor solaren Gewinnen bleibt oft eine die thermische Behaglichkeit beeinträchtigende Kühllast beste- hen. Dieser Artikel beschreibt rechnerische Untersuchungen zu einem hybriden Lüftungskonzept für einen Raum, in dem die Küh- lung von einem direkten Verdunstungskühler bereitgestellt wird. Die Forschungsarbeiten werden im Rahmen eines DST-DFG-Ko- operations-Programmes mit dem Indian Institute of Technology Roorkee durchgeführt, wo ein Prototyp eines solchen Kühlers vermessen und optimiert wird. Dieser Artikel analysiert die An- wendungsmöglichkeiten von direkter Verdunstungskühlung im Niedrigenergiehaus und im schlecht gedämmten Gebäude unter mitteleuropäischen sommerlichen Wetterverhältnissen. Der Ein- fluss der Verschattung, der Lüftungsstrategie, der Wärmedäm- mung und der Feuchtehaushalt der Außenwände werden disku- tiert. Als Ergebnis lässt sich ausweisen, dass in Kombination mit einer passenden Lüftungsstrategie und ausreichender Verschat- tung der direkte Verdunstungskühler in der Lage ist, die thermi- sche Behaglichkeit auf einem mit einer RLT-Anlage vergleichba- ren Niveau zu halten. Investigation and application of evaporate cooling within a hybrid ventilation scheme. It is a challenge to attain a high level of thermal comfort during the summer without using energy in- tensive air conditioning systems even with high insulation stan- dards of the walls in new buildings. Despite moderate inner loads and intensive protections against solar gains a cooling load often remains that affects the thermal comfort. This paper investigates by means of computer simulation a hybrid ventila- tion concept where cooling is provided by a direct evaporative cooler. The research work has been carried out within a DST- DFG cooperation program with the Indian Institute of Technology Roorkee, where a prototype of such a cooler is investigated and optimised. This paper analyses the potential for use of evaporative cooler in low energy buildings and traditional buildings with lower insula- tion standard under Central European summer conditions. In addition, the influence of shading appliances, ventilation strategy, thermal insulation of the building and the humidity content of the outside walls is investigated. It has been found that evaporative coolers, together with a suit- able ventilation strategy and sufficient shading are able to provide levels of thermal comfort comparable with those gained by mechanical air conditioning systems. 1 Einleitung In vielen Teilen der Welt ermöglichen die klimatischen Be- dingungen die Nutzung von Verdunstungskühlung. Mit den Mitteln der thermischen Gebäudesimulation kann untersucht werden, welche raumklimatischen Parameter beim Einsatz von Verdunstungskühlung in Kombination mit anderen Maßnahmen, die vorrangig die Gebäudehülle betreffen, erreichbar sind. Dazu wurde ein Modellraum ausgewählt, der als repräsentativ für ein Büro oder auch ein Wohnzimmer angesehen werden kann und bereits zu Untersuchungen zum sommerlichen Kühlfall herangezo- gen wurde [1], siehe auch Bild 1. Bevor die Zusammen- stellung der Randbedingungen erfolgt, sei kurz auf das be- nutzte Programmsystem eingegangen. 2 Überblick über das Programmsystem Das den vorgestellten Untersuchungen zugrunde liegende Programmsystem TRNSYS-TUD ist eine Dresdner univer- sitäts- bzw. institutsinterne Weiterentwicklung des kom- merziellen Gebäudesimulationsprogrammes TRNSYS [2]. Für Details bezüglich der vorgenommenen umfangreichen Modifikationen sei auf [3] verwiesen. Für die Modellierung der Verdunstungskühlung im Rahmen eines hybriden Lüftungskonzeptes ist das Pro- grammsystem um entsprechende Unterprogramme (TYPEs) ergänzt worden, ansonsten konnte auf die Programm- struktur zurückgegriffen werden, die innerhalb des IEA- ECBCS-Projektes Annex 41 „Whole Building heat, air and moisture response“ entwickelt und validiert wurde, siehe [4]. Die Parameter zur Charakterisierung des Verdun- stungskühlers sind unter anderem aus den Messungen am IIT Roorkee [5] abgeleitet worden. 3 Randbedingungen, Parameter und Berechnungsvarianten Gebäude bzw. Raum und Wetterbedingungen Der in Bild 1 dargestellte Raum ist als Teil eines Gebäudes zu verstehen, das aus gleichartigen Räumen besteht. Der Raum ist 5 m breit, 6 m lang und 3 m hoch. Das Fenster ist nach Sü- den ausgerichtet und hat eine Fläche von 4,5 m 2 , was einem Drittel der Fläche der Außenfassade entspricht. Der Raum ist einerseits im Niedrigenergiehausstandard (U-Wert Fenster 2,31 W/m 2 K, G-Wert 0,62) und andererseits als massive Be- tonkonstruktion mit Einscheibenverglasung ausgeführt. Untersuchungen zum Einsatz von Verdunstungskühlung innerhalb eines hybriden Lüftungskonzeptes Wojciech Kozak Markus Rösler Alf Perschk Fachthemen DOI: 10.1002/bapi.201010043

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380 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bauphysik 32 (2010), Heft 6

Das Aufrechterhalten der thermischen Behaglichkeit bei hoch-sommerlichen Verhältnissen stellt auch in neuen Gebäuden mithohem Niveau der Wärmedämmung ohne Nutzung energieinten-siver RLT-Anlagen eine Herausforderung dar. Trotz moderater in-nerer Gewinne und Schutz vor solaren Gewinnen bleibt oft einedie thermische Behaglichkeit beeinträchtigende Kühllast beste-hen. Dieser Artikel beschreibt rechnerische Untersuchungen zueinem hybriden Lüftungskonzept für einen Raum, in dem die Küh-lung von einem direkten Verdunstungskühler bereitgestellt wird.Die Forschungsarbeiten werden im Rahmen eines DST-DFG-Ko-operations-Programmes mit dem Indian Institute of TechnologyRoorkee durchgeführt, wo ein Prototyp eines solchen Kühlersvermessen und optimiert wird. Dieser Artikel analysiert die An-wendungsmöglichkeiten von direkter Verdunstungskühlung imNiedrigenergiehaus und im schlecht gedämmten Gebäude untermitteleuropäischen sommerlichen Wetterverhältnissen. Der Ein-fluss der Verschattung, der Lüftungsstrategie, der Wärmedäm-mung und der Feuchtehaushalt der Außenwände werden disku-tiert. Als Ergebnis lässt sich ausweisen, dass in Kombination miteiner passenden Lüftungsstrategie und ausreichender Verschat-tung der direkte Verdunstungskühler in der Lage ist, die thermi-sche Behaglichkeit auf einem mit einer RLT-Anlage vergleichba-ren Niveau zu halten.

Investigation and application of evaporate cooling within a hybrid ventilation scheme. It is a challenge to attain a high levelof thermal comfort during the summer without using energy in-tensive air conditioning systems even with high insulation stan-dards of the walls in new buildings. Despite moderate inner loads and intensive protections against solar gains a coolingload often remains that affects the thermal comfort. This paperinvestigates by means of computer simulation a hybrid ventila-tion concept where cooling is provided by a direct evaporativecooler. The research work has been carried out within a DST-DFG cooperation program with the Indian Institute of TechnologyRoorkee, where a prototype of such a cooler is investigated andoptimised. This paper analyses the potential for use of evaporative cooler inlow energy buildings and traditional buildings with lower insula-tion standard under Central European summer conditions. In addition, the influence of shading appliances, ventilation strategy,thermal insulation of the building and the humidity content of theoutside walls is investigated. It has been found that evaporative coolers, together with a suit -able ventilation strategy and sufficient shading are able to provide levels of thermal comfort comparable with those gainedby mechanical air conditioning systems.

1 Einleitung

In vielen Teilen der Welt ermöglichen die klimatischen Be-dingungen die Nutzung von Verdunstungskühlung. Mitden Mitteln der thermischen Gebäudesimulation kannuntersucht werden, welche raumklimatischen Parameterbeim Einsatz von Verdunstungskühlung in Kombinationmit anderen Maßnahmen, die vorrangig die Gebäudehüllebetreffen, erreichbar sind. Dazu wurde ein Modellraumausgewählt, der als repräsentativ für ein Büro oder auchein Wohnzimmer angesehen werden kann und bereits zuUntersuchungen zum sommerlichen Kühlfall herangezo-gen wurde [1], siehe auch Bild 1. Bevor die Zusammen-stellung der Randbedingungen erfolgt, sei kurz auf das be-nutzte Programmsystem eingegangen.

2 Überblick über das Programmsystem

Das den vorgestellten Untersuchungen zugrunde liegendeProgrammsystem TRNSYS-TUD ist eine Dresdner univer-sitäts- bzw. institutsinterne Weiterentwicklung des kom-merziellen Gebäudesimulationsprogrammes TRNSYS [2].Für Details bezüglich der vorgenommenen umfangreichenModifikationen sei auf [3] verwiesen.

Für die Modellierung der Verdunstungskühlung imRahmen eines hybriden Lüftungskonzeptes ist das Pro-grammsystem um entsprechende Unterprogramme (TYPEs)ergänzt worden, ansonsten konnte auf die Pro gramm -struktur zurückgegriffen werden, die innerhalb des IEA-ECBCS-Projektes Annex 41 „Whole Building heat, air andmoisture response“ entwickelt und validiert wurde, siehe[4]. Die Parameter zur Charakterisierung des Verdun-stungskühlers sind unter anderem aus den Messungen amIIT Roorkee [5] abgeleitet worden.

3 Randbedingungen, Parameter und Berechnungsvarianten

Gebäude bzw. Raum und WetterbedingungenDer in Bild 1 dargestellte Raum ist als Teil eines Gebäudes zuverstehen, das aus gleichartigen Räumen besteht. Der Raumist 5 m breit, 6 m lang und 3 m hoch. Das Fenster ist nach Sü-den ausgerichtet und hat eine Fläche von 4,5 m2, was einemDrittel der Fläche der Außenfassade entspricht. Der Raum isteinerseits im Niedrigenergiehausstandard (U-Wert Fenster2,31 W/m2K, G-Wert 0,62) und andererseits als massive Be-tonkonstruktion mit Einscheibenverglasung ausgeführt.

Untersuchungen zum Einsatz von Verdunstungskühlunginnerhalb eines hybriden Lüftungskonzeptes

Wojciech KozakMarkus RöslerAlf Perschk

Fachthemen

DOI: 10.1002/bapi.201010043

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Für die vorliegenden Untersuchungen wurden dieWetterdaten für einen extremen Sommer im östlichen TeilDeutschlands (TRY04_SOM) verwendet, Referenzstationist Potsdam.

Innere GewinneIm Zeitraum zwischen 08:00 Uhr und 12:00 Uhr und zwi-schen 13:00 Uhr und 17:00 Uhr befinden sich im Raumzwei Menschen, deren Wärmeabgabe mit 100 W und de-ren Wasserdampfimmission mit 35 g/h je Person ange-nommen wurde. Da der Raum zunächst ein Büro darstel-len soll, wurden in der Zeit zwischen 08:00 Uhr und17:00 Uhr zusätzlich zwei Computer mit einer Wärmeab-gabe von je 100 W modelliert.

Lüftung und VerdunstungskühlerDurch eine einfache Lüftungsanlage wird der Raum mitAußenluft versorgt. Die Lufteintrittsöffnung befindet sichinnerhalb der Fensterkonstruktion und ist, wie auch dieAustrittsöffnung, in Bild 1 gekennzeichnet. Der Luftwech-sel in dem untersuchten Raum beträgt maximal 1,0 h–1

und ist von der Lüftungsart abhängig. Es wurden drei Lüf-tungsarten definiert:

Lüftungsart 1Es wird mit dem Luftwechsel von 1,0 h–1 nur in der Nut-zungszeit gelüftet, d. h., wenn die Personen im Raum anwe-send sind (08:00–12:00 und 13:00–17:00). Die Lüftung kanndirekt mit Außenluft, mit der Luft aus dem Verdunstungs-kühler oder einer Mischung davon erfolgen. Zur Lüftung indieser Zeit wird die in Bild 2 dargestellte Anlage genutzt.

Lüftungsart 2Zusätzlich zur Lüftung in der Nutzungszeit wird in derNacht zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr mit Außenluftunter Annahme eines konstanten Luftwechsels von 1,0 h–1

gelüftet. Die Nachtlüftung wird beendet, wenn die Emp-findungstemperatur im Raum unter 20 °C fällt.

Lüftungsart 3In der Zeit zwischen 06:00 Uhr und 22:00 Uhr wird derRaum mit Außenluft, Luft aus dem Verdunstungskühleroder einer Mischung davon belüftet. In der Nacht(22:00–06:00) wird mit Außenluft gelüftet, solange die mi-nimale Temperatur von 20 °C nicht unterschritten wird.

VerschattungEs wurden drei Arten der Verschattung modelliert:1. keine Verschattung.2. normale Verschattung – die außenliegenden Jalousien

schirmen 67 % der gesamten Solarstrahlung ab. Siewerden aktiviert, wenn die solare Einstrahlung auf dieFensteroberfläche einen Wert von 180 W/m2 über-schreitet und werden deaktiviert, wenn dieser Wert un-ter 110 W/m2 fällt.

3. starke Verschattung – die außenliegenden Jalousienschirmen 84 % der gesamten Solareinstrahlung ab undwerden genau wie in Fall 2 betrieben.

4 Bewertungswerkzeuge

Thermische BehaglichkeitAus Messungen oder rechnerischen Simulationen einesGebäudes lässt sich eine große Anzahl zeitlicher Verläufeder Temperatur und anderer Größen gewinnen, wie inBild 3 beispielhaft dargestellt. Um die Ergebnisse verschie-dener Konfigurationen gut vergleichen zu können, werdendie zeitlichen Verläufe in eine Häufigkeitsverteilung umge-formt. Aus einer Funktion der Temperatur in Abhängigkeitvon der Zeit entsteht eine Funktion der Häufigkeit desAuftretens einer Temperatur von diesem Wert, wie inBild 4 dargestellt (blaue Balken). Die Verteilung ist ausden in Bild 3 ersichtlichen Daten generiert.

Aus der Verteilung kann wiederum eine summativeHäufigkeit gebildet werden, die über den untersuchtenTemperaturbereich immer die Werte zwischen 0 und 100 %annimmt (rote Linie in Bild 4). Die summative Häufigkeitkann für alle interessanten Größen erzeugt werden und er-

Bild 1. Modellraum mit einem nach Süden ausgerichtetenFensterFig. 1. Modelled room with south-facing window

Bild 2. Schema eines Verdunstungskühlers und der Zuluft-anlageFig. 2. Evaporative cooler and supply-air appliance

Bild 3. Beispiel eines TemperaturverlaufesFig. 3. Example of temperature curve

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laubt einen einfachen Vergleich zwischen mehreren Konfi-gurationen. In diesem Beitrag werden operative Tempera-tur (Empfindungstemperatur) und Predicted Percentage ofDissatisfied (PPD) nach [6] mit Hilfe der summativen Häu-figkeit ausgewertet, um die thermische Behaglichkeit imRaum zu beurteilen.

EnergiebedarfNeben der thermischen Behaglichkeit ist vor allem der En-ergiebedarf von Interesse, der sich bei der angenommenenKonstellation von Gebäude und Anlage ergibt. Dieser hatdirekten Einfluss auf die Höhe der Betriebskosten und dieCO2-Emission, die von der Anlage verursacht wird. DerBetrieb der Lüftungsanlage wirkt sich im Stromverbrauchfür den Ventilator aus. Der Betrieb des Verdunstungs-kühlers wirkt sich im Stromverbrauch der Wasserumwälz-pumpe und im Wasserverbrauch aus. Zur Abschätzung desEnergiebedarfs wird hier die Betriebszeit der Lüftungsan-lage und des Verdunstungskühlers aufgenommen und mitder angenommenen elektrischen Leistung des Ventilatorsund der Umwälzpumpe multipliziert.

5 Ausgewählte Ergebnisse

Potential des VerdunstungskühlersDie wichtigste Frage ist sicherlich, wie groß der potentielleBeitrag des Verdunstungskühlers zur Verbesserung derthermischen Behaglichkeit unter verschiedenen Konstel-lationen ist. Die Frage lässt sich leicht beantworten, wenndie Ergebnisse der Simulationen ohne Kühlung, d. h., beiLüftung mit Außenluft, mit denen bei Kühlung der Außen-luft über den Verdunstungskühler verglichen werden.Bild 5 stellt diese Ergebnisse für die Lüftungsart 1 (Lüf-tung bzw. Lüftung mit Kühlung nur bei Belegung) grafischals farbige Fläche dar. Die Grenzkurven der Flächen zei-gen gleichzeitig die summativen Häufigkeiten für die auf-tretenden operativen Temperaturen mit und ohne Nut-zung des Verdunstungskühlers. Die jeweils höheren Wertekennzeichnen die Situation ohne Nutzung des Verdun-stungskühlers. Das Potential des Kühlers wird kleiner mitsinkender Wärmebelastung des Raumes. Die Intensität derLüftung, hier bezeichnet mit Lüftungsart 1, 2, 3, spieltebenfalls eine wichtige Rolle. Wenn der Raum gut ver-schattet und intensiv belüftet wird, kann der Verdun-

stungskühler unter den angenommenen Bedingungen nurwenig zur Verbesserung der thermischen Behaglichkeitbeitragen, siehe dazu Bild 6 für die Lüftungsart 3 (perma-nente Lüftung bzw. Lüftung mit Kühlung).

Tabelle 1 zeigt zusammengefasst das Kühlpotential desVerdunstungskühlers für ein Niedrigenergiehaus (leichtebis mittelschwere Bauweise) in deutschem Klima (TRY04-Sommer) in Grad-Stunden. Das Potential ist nicht beson-ders groß, sobald eine wirkungsvolle Außenverschattungaktiviert ist. Diese Aussage bleibt auch weitestgehend füreinen ungedämmten Raum in schwerer Bauweise erhalten,der in analogen Untersuchungen zunächst den gleichenWetterbedingungen ausgesetzt wurde. Die Ergebnisse sindin Tabelle 2 zusammengestellt, eine detaillierte Analyse

Bild 4. Häufigkeitsverteilung der Temperatur(blau) und ihresummative Häufigkeit (rot)Fig. 4. Distribution (blue) and aggregated frequency (red) of the temperature

Bild 5. Kühlpotential des Verdunstungskühlers für Lüftungs -art 1Fig. 5. Cooling potential of evaporative cooler in ventilationmode 1

Bild 6. Kühlpotential des Verdunstungskühlers für Lüftungs-art 3Fig. 6. Cooling potential of evaporative cooler in ventilationmode 3

Tabelle 1. Kühlpotential des Verdunstungskühlers im Raumeines Niedrigenergiehauses in deutschem Klima in Grad-StundenTable 1. Cooling potential of evaporative cooler in a room of alow energy building in German climate conditions in degree-hours

VerschattungLüftungsart

1 2 3

keine 2395 1486 1623normal 1521 135 150stark 574 4 14

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folgt weiter unten. Abhängig von der angewendeten Lüf-tung und den baulichen Maßnahmen kann der Verdun-stungskühler als eine wertvolle Vervollständigung des Lüf-tungskonzeptes oder als nur selten notwendiges Zusatz-gerät wirken. Diese Einschätzung hängt aber stark von dengewählten Randbedingungen, den Wetterverhältnissen undteilweise auch von der Bauweise ab. Unter deutlich ande-ren Wetterverhältnissen, z. B. von New Delhi, wird sicht-bar, dass der Verdunstungskühler einen größeren Beitragzur Verbesserung des Raumklimas leisten kann. Diese Un-tersuchungsergebnisse werden jedoch aus Platzgründen ineiner gesonderten Veröffentlichung erscheinen. Hier er-folgt eine Analyse der untersuchten Konfigurationen hin-sichtlich des Einflusses einzelner Maßnahmen zur Lüftung,Verschattung und zur Wärmedämmung immer in Kombi-nation mit Verdunstungskühlung, d. h., der reine Außen-luftbetrieb wird außer zur Nachtlüftung nicht mehr be-trachtet.

Einfluss der Lüftungsart und der VerschattungDer Einfluss der Lüftungsart (oder auch Betriebsweise desVerdunstungskühlers) ist für den Raum ohne jegliche Ver-schattung am deutlichsten ausgeprägt. Das Niveau derthermischen Behaglichkeit ist in diesem Fall nur bei Lüf-tungsart 3, dem durchgehenden Betrieb von Lüftung mitKühlung akzeptabel, Bild 7. Im System von Verdunstungs-kühlung mit Nachtlüftung (Lüftungsart 2) ist der Behag-lichkeitsindex PPD im Raum für fast 20 % der Zeit über30 %. Die Situation verbessert sich deutlich, sobald eineAußenverschattung genutzt wird. Der gering belüftete undgekühlte Raum hält den Behaglichkeitsindex PPD unter30 % für fast die gesamte Zeit und bei intensiverer Lüftungund Kühlung sogar unter 20 %, siehe dazu ebenfalls Bild 7.Das Anbringen der Verschattung verbessert die Bedingun-gen im Raum deutlich. Die Ursache dafür ist der Aufbaudes Raumes mit einem großen, nach Süden ausgerichtetenFenster. Ohne Abschirmung der direkten solaren Ge-winne kann keine akzeptable thermische Behaglichkeit indiesem Raum erreicht werden. Das Zusammenwirken vonVerdunstungskühlung, Nachtlüftung und Verschattung er-gibt ein Behaglichkeitsniveau, das mit klimatisierten Räu-men vergleichbar ist.

Verschattung und Lüftungsart schlagen sich auch imEnergieverbrauch des Verdunstungskühlers nieder. DieIntensität der Lüftung wirkt sich direkt auf die Laufzeitdes Ventilators und somit auf seinen Elektroenergiever-brauch aus, Bild 8. Die Verschattung des Außenfenstersreduziert die thermischen Lasten, die im Raum anfallen.Dadurch wird auch der Kühlbedarf reduziert, was sichauf die Laufzeit und den Energieverbrauch der Umwälz-pumpe auswirkt. Die Lastenreduktion durch Verschat-tung und die Vorkühlung des Raumes durch Nachtlüf-tung führen zu einer Situation in der der Verdunstungs-kühler nur selten zum Einsatz kommt, was auch in deroben dargestellten Analyse des Kühlpotentials sichtbarwurde.

Einfluss des RegelungsalgorithmusDer Einfluss des Regelungsalgorithmus auf die thermischeBehaglichkeit wurde für zwei Reglerarten untersucht: 1. einen PI-Regler, mit Sollwerttemperatur 24,5 °C und2. einen Zwei-Punkt-Regler (2P), dessen Einschalttempera-

tur auf 24,75 °C und Ausschalttemperatur auf 24,25 °Cgesetzt wurde.

Der Einfluss der Reglerart ist bei hohen Lasten sehr ge-ring, weil der Verdunstungskühler die ganze Zeit in Betriebbleibt. Die entsprechenden Häufigkeitskurven sind bei-nahe deckungsgleich. Die Situation bleibt auch nahezu un -verändert, wenn Verschattung benutzt wird. Dies ist durchdie geringe Leistung des Verdunstungskühlers und einekleine Schalthysterese zu erklären.

Deswegen ist der Zwei-Punkt-Regler als eine kosten-günstigere Lösung zu empfehlen.

Einfluss des DämmstandardsWie oben angegeben, wurden die Simulationen auch füreinen traditionellen, schlecht gedämmten Raum durchge-führt. Er besitzt die gleiche Geometrie und ist anlagen-technisch analog ausgestattet. Der Unterschied liegt in derWandkonstruktion, die hier aus geputztem Stahlbeton be-steht und dem Fenster, das hier nur eine einfache Vergla-sung besitzt. Das Kühlpotential des Verdunstungskühlers

Bild 7. Einfluss der Lüftungsart auf den PPD-Index imRaum ohne Verschattung (durchgezogene Linien) und mitstarker Verschattung (gestrichelte Linien)Fig. 7. Influence of ventilation mode on PPD-Index in roomwithout external shading (continuous lines) and with strongshading (dashed lines)

Bild 8. Gesamtenergieverbrauch des Verdunstungskühlers(helle Farben) und Elektroenergieverbrauch der Umwälz-pumpe (dunkle Farben) in Abhängigkeit von Verschattungund LüftungsartFig. 8. Total energy consumption of evaporative cooler (lightcolours) and electricity consumption of the circulation pump(dark colours) depending on shading and ventilation mode

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in diesem Raum wurde mit Hilfe von Grad-Stunden be-reits in Tabelle 2 erfasst.

Es ist ersichtlich, dass die Anwendung des Verdun-stungskühlers im traditionellen Gebäude auch bei sehrstarker Verschattung sinnvoll ist, um die thermische Behag-lichkeit im Raum zu erhalten. Die Unterschiede im Kühl-potential des Verdunstungskühlers sind auf die größereMasse des traditionellen Gebäudes und die schwache Iso-lierung des Fensters zurückzuführen. In den Bildern 9 und10 wurden die Unterschiede im Behaglichkeitsniveau zwi-schen moderner und traditioneller Bauweise dargestellt.

Moderne, hochgedämmte Gebäude (durchgezogeneLinien) verhalten sich unter den angenommenen Bedin-gungen besser als traditionelle Bauwerke (gestrichelte Li-

nien), solange sie eine starke Verschattung der Fenster be-sitzen. Wenn die Verschattung nicht vorhanden ist, ist derDiskomfort im traditionellen Gebäuden erkennbar gerin-ger. Bei normaler Verschattung und üblicher Lüftung ver-halten sich die beiden Bauweisen vergleichbar, mit leich-tem Gewinn für besser gedämmte Gebäude, da die maxi-malen Raumtemperaturen etwas geringer sind.

Einfluss der Effizienz des VerdunstungskühlersIn allen bisher dargestellten Untersuchungen ist eine kon-stante Effizienz der Befeuchtung angenommen worden.Sie betrug 60 %, was natürlich je nach Bauweise des Küh -lers variieren kann. Um diesen Einfluss zu quantifizieren,wurden auch Simulationen mit höherer Effizienz des Ver-dunstungskühlers durchgeführt.

Das Kühlpotential des Verdunstungskühlers ändertsich positiv bei Erhöhung seiner Effizienz. Bei hohen sola-ren Gewinnen und schwacher Lüftung ist dieses Potentialam größten. Beim modernen Gebäude mit starker Ver-schattung und intensiver Lüftung ist die Effizienz einesVerdunstungskühlers ohne großen Einfluss. In Gebäudenmit wenig Verschattung bzw. geringer Lüftung kann dage-gen eine Steigerung der Kühlereffizienz eine Verdopplungder Wirkung mit sich bringen.

Feuchtehaushalt der AußenwändeDer Verdunstungskühler kann potenziell Probleme mitdem Feuchtehaushalt der Wände verursachen, da er imSommer, wenn das Gebäude nach dem Winter austrock-net, noch eine zusätzliche Quelle des Wasserdampfes imInneren darstellt. Die ungünstigste Variante in dieser Hin-sicht ist die Lüftungsart 1 mit ihrer relativ kurzen Belüf-tungszeit nur bei Belegung des Raumes. Die behaglichenTemperaturen im Raum sind dabei aus dem Blickwinkelder Bauphysik ungünstiger als eine Überheizung desRaumes, die zu einer schnelleren Austrocknung der Wändeführt. Es wird daher für die ungünstigste Konfiguration dieflächenbezogene Wassermenge in der Wand und relativeFeuchte an der inneren Wandoberfläche ausgewertet.

Die relative Feuchte an der inneren Wandoberflächeerreicht dabei ein Niveau von ca. 60% und überschreitetnie 80 %, wie in Bild 12 sichtbar ist.

Bild 9. Thermische Behaglichkeit im modernen und tradi-tionellen, schweren Gebäude bei Lüftungsart 1Fig. 9. Thermal comfort in modern and traditional, heavybuilding in ventilation mode 1

Bild 10. Thermische Behaglichkeit im modernen und tradi-tionellen, schweren Gebäude bei Lüftungsart 2Fig. 10. Thermal comfort in modern and traditional, heavybuilding in ventilation mode 2

Tabelle 2. Kühlpotential des Verdunstungskühlers im Raumeines schweren, ungedämmten Gebäudes in deutschemKlima in Grad-StundenTable 2. Cooling potential of evaporative cooler in a room ofa heavy, non-insulated building under German climate con-ditions in degree-hours

VerschattungLüftungsart

1 2 3

keine 2243 1357 1536normal 1297 227 248stark 591 29 65

Bild 11. Wassermenge in der Außenwand eines modernen(rot) und traditionellen (blau) GebäudesFig. 11. Water content in outside wall of a modern (red) andtraditional, heavy (blue) building

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Für die schwere Bauweise ist der Wassergehalt deutlichhöher wegen der höheren Speicherkapazität des Betons,siehe Bild 11. Diese Kapazität dämpft auch deutlich besserdie Schwankungen der relativen Feuchte, die in diesem Fallum ca. 10% niedriger ausfallen, siehe dazu Bild 13.

Der Wassergehalt bleibt in der 5-Jahres-Simulationstabil, unabhängig von der Bauweise, und lässt dabei keineDurchfeuchtung der Wände zu. Die Situation fällt nochgünstiger aus, wenn in Lüftungsart 2 oder 3 Nachtlüftungeingesetzt wird.

6 Zusammenfassung und Ausblick

Die Ergebnisse der vorgenommen Untersuchungen belegen,dass direkte Verdunstungskühlung einen wirksamen Bei-trag zur Verbesserung der raumklimatischen Verhältnisse imHochsommer erbringen kann. In Kombination mit Ver-schattung und Nachtlüftung werden im Niedrigenergiehaussogar thermisch behagliche Verhältnisse der höchsten Kate-gorie erreicht. Der Energiebedarf dafür ist vergleichsweise

gering. Die Ergebnisse für einen Raum mit niedrigem Wär-medämmstandard, aber in schwerer Bauweise sind nichtwesentlich schlechter, können jedoch kaum als repräsenta-tiv für indische Verhältnisse angesehen werden, da ausGründen der Vergleichbarkeit zunächst die gleichen Wet-terdaten und eine eher untypische Gebäudedichtheit ange-nommen wurden. Insofern sollten voreilige Schlussfolge-rungen vermieden werden, denn die angegebenen Datensind immer im Zusammenhang mit den gesetzten Randbe-dingungen zu betrachten. Zu dem Umstand, dass eine be-sonders wirkungsvolle Außenverschattung kaum Potentialfür den Einsatz des Verdunstungskühlers lässt, ist zu bemer-ken, dass einerseits viele Situationen vorliegen, wo keineoder nur eingeschränkte Außenverschattung möglich istund andererseits nicht in Betracht gezogen wurde, inwie-weit bei starker Außenverschattung die Ausleuchtung mitTageslicht noch gewährleistet ist.

Der Verdunstungskühler hat eine deutliche Auswir-kung auf die thermische Behaglichkeit im Raum, wenn einenormale Verschattung angewendet wird. In einem solchemFall ist auch die Steigerung seiner Effizienz vorteilhaft fürdie Verhältnisse im Raum. Der Einsatz des Kühlers ist preis-günstig und erfordert, wie oben gezeigt, keine aufwendigeRegelung. Wegen seiner relativ geringen Leistung muss derVerdunstungskühler als eine zusätzliche Maßnahme zur Er-höhung der thermischen Behaglichkeit gesehen werden.Ohne andere bauliche und anlagetechnische Maßnahmenschafft er unter den angenommenen Bedingungen nicht, be-hagliche Verhältnisse im Raum zu gewährleisten.

Die durchgeführten Simulationen für mehrere Jahrelassen keine Probleme mit dem Feuchtehaushalt der Außen -wände erwarten, besonders dann, wenn die Nutzung derVerdunstungskühlung mit Nachtlüftung in einem hybri-den Lüftungskonzept kombiniert wird.

DanksagungDie Arbeiten wurden von der Deutschen Forschungsge-meinschaft im Rahmen des „Indo-German Programme ofCo-operation“ unterstützt.

Literatur

[1] Richter, W.: Handbuch der thermischen Behaglichkeit –Sommerlicher Kühlbetrieb. Schriftenreihe der Bundesanstaltfür Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Forschung F2071.Dortmund, Berlin, Dresden 2007.

[2] Klein, S. A., Duffie, J. A., Beckman, W. A.: TRNSYS – A Tran-sient Simulation Program. ASHRAE Trans 82, p. 623, 1976.

[3] Perschk, A.: Gebäude- und Anlagensimulation – „EinDresdner Modell“. GI Gesundheitsingenieur 131, (2010), H. 4.

[4] Perschk, A., Meinhold, U.: Ein Modell zur hygrisch-thermi-schen Gebäudesimulation mit Hilfe der Kopplung von Zonen- und Feldmodell. Bauphysik 29 (2007), H. 1, S. 55–62.

[5] Pradhan, S.: Enhancement of cooling efficiency of an eva-porative cooling system. Masterthesis, IIT Roorkee, 2008.

[6] DIN EN ISO 7730:2006-05 Analytische Bestimmung undInterpretation der thermischen Behaglichkeit durch Berech-nung des PMV- und des PPD-Indexes und Kriterien der loka-len thermischen Behaglichkeit. Berlin: Beuth Verlag, 2006.

Autoren dieses Beitrags:Dipl.-Ing. Wojciech Kozak, Dr.-Ing. Markus Rösler, Dr.-Ing. Alf Perschk, Alle:Technische Universität Dresden, Institut für Energietechnik, 01062 Dresden

Bild 12. Relative Feuchtigkeit an der Innenseite einerAußenwand des modernen Gebäudes über 5 JahreFig. 12. Relative humidity on the inner side of the outsidewall of a modern building over 5 years

Bild 13. Relative Feuchtigkeit an der Innenseite einerAußenwand des traditionellen Gebäudes über 5 JahreFig. 13. Relative humidity on the inner side of the outsidewall of a traditional, heavy building over 5 years