Universität Bielefeld · Der argentinische Soziologe und Kulturwissenschaftler Nestor...
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Universität Bielefeld Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft
Masterarbeit
im Studiengang InterAmerikanische Studien
zum Thema:
Geographien der Angst
Eine Untersuchung des urbanen Raumes von Bogotá mit
Hilfe von Twitter-Daten.
vorgelegt von
Marian Poppe
Erstgutachter: Prof. Dr. Olaf Kaltmeier
Zweitgutachter: Prof. Dr. Klaus Weinhauer
Bielefeld, im November 2015
Seite 2
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung.........................................................................................................................................3
Fragestellung und Gliederung..........................................................................................................4
Forschungsstand...............................................................................................................................5
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität.........................................................................................10
2.1 Historischer Kontext....................................................................................................................10
2.2 Ergebnisse bisheriger Studien.....................................................................................................19
Ergebnisse aus akademischen Arbeiten vor 2010...........................................................................19
Ergebnisse aus Umfragen und öffentlichen Erhebungen nach 2010..............................................23
Zusammenfassung..........................................................................................................................28
2.3 Theoretischer Rahmen.................................................................................................................29
Urbane Imaginarien........................................................................................................................29
Kollektive Angst.............................................................................................................................31
Medien und Kommunikation..........................................................................................................34
3. Angst und Kriminalität bei Twitter.................................................................................................37
3.1 Methodische Vorüberlegungen....................................................................................................37
3.2 Datensammlung und Auswertung................................................................................................39
Datensammlung..............................................................................................................................39
Die Aufbereitung der Daten zur Auswertung.................................................................................40
3.3 Vergleichende Analyse der Ergebnisse........................................................................................43
Die Nutzer......................................................................................................................................45
Die Vorfälle.....................................................................................................................................48
Die Angst........................................................................................................................................52
Das historische Gedächtnis.............................................................................................................54
4. Fazit................................................................................................................................................56
5. Literaturverzeichnis........................................................................................................................59
6. Abbildungsverzeichnis...................................................................................................................64
7. Anhang............................................................................................................................................65
1. Einleitung Seite 3
1. Einleitung
Paradoxically, the cities originally constructed to provide safety for all its inhabitants,
are these days associated more often with danger than security.1
Es dürfte in den letzten 30 Jahren kaum einen Bürgermeisterwahlkampf in Bogotá gegeben haben,
in dem es das Thema der Unsicherheit nicht in die politischen Debatten, auf die Wahlplakate und
auf die Titelseiten der großen Zeitungen geschafft hätte. So formulierte der Kandidat des rechts-
konservativen „Centro Democratico“, Francisco Santos, im Kontext der Wahlen die im Oktober
2015 stattfinden sollten die These, dass sich Bogotá „in den Händen von Delinquenten“2 befände.
Der Ex-Bürgermeister Enrique Peñalosa nannte Bogotá gar „eine der gefährlichsten Städte der
Welt“3. Dabei kann man beim Blick auf die Geschichte der Gewalt in Kolumbien, in Anbetracht von
sinkenden Mordraten und wachsendem Wohlstand, den Eindruck gewinnen, dass die Hauptstadt
Kolumbiens mit ihren 8 Millionen Einwohner ihre gefährlichsten Zeiten hinter sich hat. Doch die
Angst lässt sich nicht so leicht abschütteln. Sie ist das Ergebnis der Schrecken des andauernden be-
waffneten Konflikts, von Mordanschlägen auf Politiker und Bomben in der Innenstadt. In einem
Land in dem in den letzten 20 Jahren mehr als 250.000 Menschen „verschwunden“ sind und 6,7
Millionen Menschen vertrieben wurden, sind die Ängste einer Stadt zugleich die eines ganzen Lan-
des. Wer als Fremder nach Bogotá kommt sieht sich konfrontiert mit einer lauten, verregneten und
grauen Großstadt, dessen Zentrum wie wohl in kaum einer anderen Hauptstadt mit dem Gefühl der
Angst assoziiert wird. Diese Fremden, das sind nicht nur die 9 Millionen Touristen, die jedes Jahr
Bogotá besuchen, sondern auch die über 420.000 Vertriebenen des internen Konflikts, die zwischen
2000 und 2014 in der Hauptstadt Zuflucht suchten. In den 1950er Jahren lebten in Bogotá 700.000
Menschen heute verteilen sich zehn Mal so viele Menschen auf 20 Stadtteile und 1200 Stadtviertel.
Man sieht der Stadt ihr unkontrolliertes Wachstum an. Zu den offiziell 38.400 Hektar urbaner Flä-
che kommen noch zahlreiche illegale Siedlungen in den Randgebieten der Stadt hinzu. Doch nicht
nur in der Informalität dieser Siedlungen, die sich in den Stadtteilen Ciudad Bolívar, Usme oder
Bosa finden lassen, sondern auch mitten im Zentrum Bogotás befinden sich Räume der Angst. In
dieser Stadt, so erfährt man von seinen Einwohnern, ist es nicht genug zu wissen, wie man von A
1 Zygmunt Bauman, City of fears, city of hopes, Critical urban studies: occasional papers (London: Goldsmith's Colle-
ge, 2003)
2 El Espectador, „"Bogotá está en manos de los delincuentes",“ zuletzt geprüft am 04.11.2015, http://www.elespecta-
dor.com/noticias/bogota/bogota-esta-manos-de-los-delincuentes-articulo-561709
3 El Espectador, „“Bogotá es una de las ciudades más inseguras del mundo”“ zuletzt geprüft am 04.11.2015, http://ww-
w.elespectador.com/noticias/bogota/bogota-una-de-ciudades-mas-inseguras-delmundo-articulo-561723
1. Einleitung Seite 4
nach B kommt, sondern auch welche Wege man besser vermeidet. Die Angst wird eine Variable, die
den bloßen Straßenplan verändert und ihre Orte mit Bedeutung füllt. Es handelt sich dabei um eine
neue Dimension von Stadtplan, die in den Köpfen ihrer Einwohner existiert und weitergegeben
wird. Die nicht mehr ganz so neuen Medien sind Teil einer alltäglichen Strategie geworden mit der
Angst vor einer konkreten, aber auch weniger konkreten Gefahr umzugehen. Bei der Angst von der
Stadt verschluckt zu werden, bieten das Mobiltelefon und die sozialen Netzwerke die Möglichkeit
eine Spur zu hinterlassen. Sie können damit zum Werkzeug in einer Strategie zur Verringerung der
individuellen Angst werden, aber sie helfen auch dabei bereits bestehende Ängste zu verbreiten. Die
Geschichten von Überfällen, Missbrauch und Chaos verbreiten sich in den sozialen Medien rasant.
Doch wie konkret ist die Gefahr wirklich? Es gibt einen Unterschied zwischen wahrgenommener
und tatsächlicher Gefahr Opfer eines Verbrechens zu werden. Wir neigen dazu Situationen als ge-
fährlicher wahrzunehmen, als sie wirklich sind. Dieses Phänomen, so kann man annehmen, tritt be-
sonders dann verstärkt auf, wenn wir täglich mit Nachrichten konfrontiert werden, die unser kollek-
tives Imaginarium4 mit diesen Geschichten der Angst füllt.
Der Kurznachrichtendienst Twitter ist spätestens seit den Protesten des arabischen Frühlings im Jahr
2010 im medialen Mainstream angekommen. Und auch in der Forschung lassen sich immer mehr
Studien finden, die von den gewaltigen Datenmengen und dem nicht abreißenden Strom von Nach-
richten profitieren wollen. Aufgrund der Vielzahl der vertretenen Akteure im Kurznachrichtennetz-
werk und der Offenheit des Zugangs bietet sich Twitter hervorragend an, um die Untersuchung der
Imaginarien der Angst im städtischen Raum im digitalen fortzuführen und sich mit Hilfe ihrer Da-
ten an den mentalen Stadtplan Bogotás anzunähern.
Fragestellung und Gliederung
Diese Arbeit wird das Thema der Angst vor Kriminalität in Bogotá untersuchen. Dabei soll die Aus-
wertung von Twitterdaten einen neuen Zugang zum Thema der Kommunikation über Angst bereiten
und den Vergleich zu klassischen Studien und öffentlichen Erhebungen ermöglichen. Die Frage
nach den Orten und den Auslösern der Angst innerhalb der Stadt steht im Vordergrund und es soll
auf historischer und theoretischer Grundlage besprochen werden, wo die kollektive Angst ihren Ur-
sprung hat und welche Auswirkungen sie auf eine Stadt haben kann.
4 Das Konzept eines kollektiven Imaginariums als Baustein für die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit hat
im Deutschen viele Namen erhalten. So ist teilweise vom „kollektiven Gedächtnis“ oder „kulturellen Gedächtnis“, vom
„gesellschaftlich Imaginären“ oder von der „Soziologie der Imagination“ die Rede. Da ich in dieser Arbeit auf das Kon-
zept der „imaginarios urbanos“ aufbaue, wie es Nestor Garcia-Canclini und Armando Silva in spanischer Sprache erar-
beitet haben, möchte ich mich auch begrifflich nicht zu weit entfernen und werde im Zuge dieser Arbeit von „Imaginari-
en“ sprechen.
1. Einleitung Seite 5
Um diesem Ziel näher zu kommen wird zu Beginn des zweiten Kapitels zunächst der historische
Kontext der Angst in Bogotá thematisiert. Von ihrem Ursprungsmythos ausgehend werden beson-
ders die letzten 30 Jahre skizziert und von der Frage begleitet, welche Ereignisse und Tendenzen im
historischen Gedächtnis der Einwohner Bogotas verblieben sind. Der historische Kontext wird au-
ßerdem die Verknüpfung mit den vorhanden Studien über die aktuelle Situation der Angst und Kri-
minalität erleichtern und im Laufe der Arbeit immer wieder ein Bezugspunkt bei der Analyse der
Geographie der Angst in Bogotá sein. Die Besprechung der Ergebnisse der Studien wird ferner die
Basis für den Vergleich mit den Twitterdaten schaffen und erste Einblicke in die Wahrnehmung von
Angst und Kriminalität liefern. Dabei stellen die umfassenden Arbeiten von Armando Silva und So-
ledad Niño Murcia, die zum Ende der 1990er und zu Beginn der 2000er Jahre veröffentlicht wur-
den, die Schnittstelle zwischen historischen und empirischen Teil der Gegenwart dar. So werden
hier die Daten über konkrete Vorfälle in bestimmten und unbestimmten Orten der Stadt mit den Er-
gebnissen über die Wahrnehmung von Sicherheit und Angst verglichen. Die Frage nach den unmit-
telbaren Auswirkungen und der Herkunft der Angst lässt sich aber nicht ausschließlich historisch
oder empirisch beantworten. Daher wird ein theoretischer Teil den Begriff der kollektiven Angst vor
Kriminalität innerhalb des urbanen Imaginariums einordnen. Die Reproduktion der Angst als Ergeb-
nis eines Kommunikationsprozesses wird die Überleitung zum Thema der Datensammlung und
Auswertung der Twitternachrichten ermöglichen.
Im dritten Kapitel müssen zu aller erst Begriffe und methodische Vorüberlegungen im Umgang mit
dem Kurznachrichtendienst Twitter geklärt werden, ehe die angewendete Methode der Datensamm-
lung und Auswertung vorgestellt wird. Die Präsentation der Ergebnisse wird in einer vergleichenden
Analyse durchgeführt, wobei das Vorgehen aus Kapitel 2 Orientierung bietet. Es wird dabei eine
Analyse der Vorfälle, der Wahrnehmung, der bestimmten und unbestimmten Orte, aber auch der
Spuren im historischen Gedächtnisses vorgenommen.
Forschungsstand
Bogotá ist, wie vermutlich jede bedeutende Großstadt, schon häufig zum Untersuchungsinteresse
für nationale und internationale Forscher der verschiedensten Disziplinen geworden. Das Thema der
Angst genauso wie das der Imaginarien ist zum einen für die Psychoanalytik, zum anderen für die
Soziologie und Sozialwissenschaft von Interesse. Ausgangspunkt für die theoretische Grundlage
dieser Arbeit wird das Konzept der kollektiven bzw. sozialen Imaginarien nach Castoriadis5 und
Durand6 basierend auf dem sozial-konstruktivistischen Grundsatz von Luckmann und Berger7 sein.
Bei dem Begriff des historischen Gedächtnisses orientiert sich die Arbeit am Konzept von Maurice
5 Cornelius Castoriadis, The Imaginary Institution of Society (Cambrigde, Malden: Polity Press, 1997)
1. Einleitung Seite 6
Halbwachs8 und an der Forschung des kolumbianischen Sozialwissenschaftlers und Philosophen
Armando Silva. Dieser wendete das Konzept der kollektiven Imaginarien auf die Stadt an als er sein
Buch „Imaginarios Urbanos“9 im Jahr 1992 zum ersten Mal veröffentlichte. Die Ergebnisse seiner
Forschungsmethode fasste er in „Bogotá Imaginada“10 zusammen.Seitdem haben sich viele weitere
Forscher seiner Methode angenommen und publizierten im ähnlichen Stile Bücher wie: „Barcelona
imaginada“, „Sao Paolo imaginada“ und viele mehr. Im Jahr 2013 veröffentlichte Silva eine neue
Version seiner Arbeit mit dem Titel „Imaginarios. El asombro social.“11. In dieser nimmt er Bezug
auf die Ergebnisse seines Projekts in der ganzen Welt und ergänzt sie durch neue Überlegungen.
Des weiteren nimmt Silva umfassend Bezug auf das Thema der Angst in Bogotá und liefert inter-
essante Einblicke und Analysen, die für eine Geographie der Angst sehr hilfreich sind. Seine Ergeb-
nisse zum historischen Gedächtnis liefern dieser Arbeit außerdem Orientierung für das Kapitel über
den historischen Kontext.
Der argentinische Soziologe und Kulturwissenschaftler Nestor Garcia-Canclini entwickelte ebenso
ein Konzept über die Stadt als Raum von kollektiven Vorstellungen und besprach es 1995 in seinem
Buch „Consumidores y ciudadanos“12, setze seine Überlegungen im Artikel „Ciudades y ciudadanos
imaginados por los medios“13 in einen deutlicheren Kontext der Medien fort und veröffentlichte
1997 ein weiteres Buch mit dem Titel „Imaginarios Urbanos“14. Seine Überlegungen waren beson-
ders für die Verknüpfung von Imaginarium und Kommunikation von großem Interesse.
Die kolumbianische Pädagogin Soledad Niño-Murcia beschäftigte sich ab 1997 mit den Territorien
der Angst in Bogotá in einem Projekt unter dem Titel „Territorios del miedo en Santafé de Bogotá“
und veröffentlichte im Jahr 2002 den Artikel „Eco del miedo en Santafé de Bogotá e imaginarios de
6 Gilbert Durand, La imaginación simbólica, 2a. ed., Biblioteca de filosofía (Buenos Aires, Madrid: Amorrortu editores,
2007
7 Peter L. Berger und Thomas Luckmann, The social construction of reality: A treatise in the sociology of knowledge.
(Garden City, N.Y.: Doubleday, 1987)
8 Maurice Halbwachs, Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen, 1. Aufl., [Nachdr.], Suhrkamp-Taschenbuch
Wissenschaft 538 (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2008)
9 Armando Silva Téllez, Imaginarios Urbanos, 5. Aufl. (Bogotá: Arango Editores Ltda, 2006)
10 Armando Silva Téllez, Bogotá imaginada, 1. Aufl. (Bogotá: Convenio Andrés Bello; Taurus, 2003)
11 Armando Silva Téllez, Imaginarios, el asombro social, 1. Aufl. (Bogotá: Universidad Externado de Colombia, 2013)
12 Néstor García Canclini, Consumidores y ciudadanos: Conflictos multiculturales de la globalización (Mexico: Grijal-
bo, 1995)
13 Néstor García Canclini, „Ciudades y ciudadanos imaginados por los medios,“ Perfiles Latinoamericanos 5, Nr. 9
(1996)
14 Néstor García Canclini, Imaginarios urbanos, 1. ed., Serie Aniversario (Buenos Aires: Ed. Univ. de Buenos Aires
EUDEBA, 1997)
1. Einleitung Seite 7
sus ciudadanos“15. Sie liefert neben ihren spannenden Ergebnissen auch einen wichtigen theoreti-
schen Bezugspunkt für das Thema der kollektiven Angst.
Um über das Thema der Angst in der Stadt in einem größeren Kontext zu sprechen, bieten sich eine
Reihe von bekannten Arbeiten an. Zum Beispiel über die Privatisierung der Sicherheit und ihre Aus-
wirkungen auf die Stadt, wie sie von Mike Davis (City of Quartz16), Edward Soja (Postmetropolis17)
und Steven Flusty (Buildung Paranoia 199418) beschrieben wurden. Auch Zygmunt Bauman (Cities
of fear, cities of hope19) und Loic Wacquant (Punir les pouvres 200420) sind in diesem Kontext zu
nennen. Alle diese Arbeiten, die einen eher pessimistischen Blick auf die aktuelle Stadtentwicklung
werfen, beziehen sich jedoch nicht explizit auf den lateinamerikanischen Kontext. Das heißt nicht,
dass ihre Resultate nicht auch in einer Stadt wie Bogotá ihre Gültigkeit haben, aber dennoch er-
scheint es an dieser Stelle angemessener sich bevorzugt auf die zahlreichen und hervorragenden Ar-
beiten aus dem lateinamerikanischen Raum zu beziehen. Wo es möglich ist werden daher in dieser
Arbeit besonders lateinamerikanische Forscher zu Wort kommen, aber natürlich dürfen die Erkennt-
nisse von Arbeiten aus anderen kulturellen Kontexten nicht vernachlässigt werden. So hat auch das
Konzept der globalen Angst wie Bauman es in Liquid Fear21 beschreibt seine Berechtigung aber
wenn im speziellen Fall von Bogotá eine Abwägung zwischen lokalen gegenüber globalen Ängste
geschehen muss, dann sei in diesem Fall den lokalen eine größere Bedeutung beigemessen.
Auf den Zusammenhang von Medien und Angst im spezifischen Kontext von Bogotá wird in dem
Artikel „¿más crimen?, ¿más miedo?“22 von Elvira María Restrepo y Álvaro José Moreno eingegan-
gen. Hier finden sich aufschlussreiche Erkenntnisse zum Thema Angst vor Kriminalität in Bogotá,
15 Soledad Niño Murcia, „Eco del miedo en Santafé de Bogotá e imaginarios de sus ciudadanos,“ in El miedo: Refle-
xiones sobre su dimensíon social y cultural, hrsg. v. Jean Delumeau (Medellín: Corporación Región, 2002), 189–212
16 Mike Davis, City of quartz: Excavating the future in Los Angeles, mit der Unterstützung von Robert Morrow, New
ed. (London: Verso, 2006)
17 Edward W. Soja, Postmetrópolis: Estudios críticos sobre las ciudades y las regiones, 1. ed., Mapas 21 (Madrid: Tra-
ficantes de Sueños, 2008)
18 Steven Flusty, Building Paranoia: The Proliferation of Interdictory Space and the Erosion of Spatial Justice (LA Fo-
rum for Arch & Urban Design, 1994)
19 Bauman, City
20 Loïc Wacquant, Punir les pauvres: Le nouveau gouvernement de l'insécurité sociale, Contre-feux (Marseille: Agone,
2004)
21 Zygmunt Bauman, Liquid fear, Reprint. (twice) (Cambridge [u.a.]: Polity Press, 2007)
22 Elvira M. Restrepo und Álvaro J. Moreno, „Bogotá: ¿más crimen?, ¿más miedo?,“ Desarrollo y Sociedad 59 (2007),
zuletzt geprüft am 18.05.2015, http://www.scielo.org.co/scielo.php?script=sci_arttext&pid=S0120-
35842007000100006&lng=en&nrm=iso
1. Einleitung Seite 8
die durch aktuelle Daten von Umfragen der Handelskammer Bogotás23, des „Centro de Estudio y
Análisis en Convivencia“24 und der Studienreihe „Bogotá como vamos“25 ergänzt werden.
So umfangreich die vorhandenen Studien aus allen Disziplinen zur Geschichte und Theorie der
Angst im städtischen Raum sind, so rar sind die Studien, die den Umgang mit Twitterdaten auf me-
thodischer Ebene thematisieren oder auf ihrer Grundlage erstellt wurden. Die Studien über Twitter
beschäftigten sich mit der Erkennung von Ereignissen, mit Netzwerkanalysen und Wahlprognosen.
Sie zeigen auf welche Möglichkeiten das Medium in der Forschung bieten kann – aber auch welche
methodischen Schwierigkeiten im Umgang mit ihnen vorherrschen. Dabei zählen zu den For-
schungsvorteilen nicht nur die gewaltige Menge an Daten, die bei Twitter zur Verfügung stehen,
sondern auch die vermeintliche Unbefangenheit der „Befragten“, die im Gegensatz zu einem Inter-
view, gar nicht erst befragt werden müssen.
In dem Artikel „Digital social research, social media and the sociological imagination: surrogacy,
augmentation and reorientation“26 diskutieren die Autoren die Bedeutung von Twitter als Werkzeug
innerhalb der Sozialwissenschaften. Sie halten es für fraglich, ob die Analyse einen Daten-Streams
die traditionellen sozialwissenschaftlichen Forschungsmethoden ersetzen kann.27 Es sei in vielen
Fällen schwierig die Zuverlässigkeit der Daten einzuschätzen und Nutzer von sozialen Netzwerken
in die klassischen Kategorien wie Alter, Geschlecht und Klasse einzuordnen. Durch die Forschung
in den sozialen Netzwerken versprechen sich die Autoren allerdings Erkenntnisse über bislang
schwer zu erreichende Gruppen zu erlangen.28 Die Rolle, welche beispielsweise Twitterdaten eineh-
men können, sehen sie in der Ergänzung und Anreicherung von anderen Ergebnissen, die mit klassi-
schen Untersuchungsmethoden gewonnen wurden.
Eine konkrete Methode für die Untersuchung eines Themenfeldes wie Angst und Kriminalität inner-
halb einer Stadt gibt es nicht. Es lassen sich aber viele interessante Untersuchungen finden die eine
23 Cámara de Comercio de Bogotá, „Encuesta de percepción y victimización: Bogotá y localidades. Segundo semestre
2014.,“ zuletzt geprüft am 06.08.2015, http://www.ccb.org.co/content/download/6047/87205/file/Encuesta%20de
%20percepci%C3%B3n%20y%20victimizaci%C3%B3n%20II%20semestre%202014.pdf
24 Centro de Estudio y Análisis en Convivencia y Seguridad Ciudadana, „Balance y comportamiento delitos de mayor
impacto periodo enero-abril años 2014-2015 bogota d.c.,“ zuletzt geprüft am 03.06.2015, http://www.ceacsc.gov.co/in-
dex.php/descargas1/category/6-caracterizacion-muertes-violentas?download=28:balance-delitos-ene-abr-2014-2015
25 Mónica V. Carrasquilla, „Bogotá cómo vamos? Informe de calidad de vida Bogotá 2014,“ zuletzt geprüft am
23.08.2015, https://s3.amazonaws.com/s3.documentcloud.org/documents/2290836/informe-calidad-de-vida-2014.pdf.
26 Adam Edwards et al., „Digital social research, social media and the sociological imagination: surrogacy, augmentati-
on and re-orientation,“ International Journal of Social Research Methodology 16, Nr. 3 (2013),
http://dx.doi.org/10.1080/13645579.2013.774185
27 Ebd., 247
28 Ebd., 249
1. Einleitung Seite 9
grundlegende methodische Orientierung bieten können. Mit Retweets, also dem Teilen einer be-
stimmten Nachricht im Twitternetzwerk, beschäftigt sich der Artikel von Araujo Recuero29. Der Au-
tor entwickelte eine Methode in der er einerseits einen konkreten Fragebogen mit 151 Nutzern teilte
und andererseits eine Inhaltsanalyse von vier Fallstudien mit insgesamt 2590 Tweets durchführte.
Dabei stellt sich die Retweet-Funktion als Mittel der Verbreitung innerhalb verhältnismäßig ge-
schlossener Gruppen in der sich ein Benutzer bewegt dar. Bei der Nutzung von Retweets gehe es
hauptsächlich darum eine Information zu verbreiten. Ein Nutzer, dessen Beitrag häufig geteilt wur-
de erfahre außerdem ein besonderes Maß an sozialer Anerkennung innerhalb seiner Gruppe.
Viele Arbeiten über Twitter sind im Kontext von Wahlen entstanden, wobei hier die Netzwerke 30
und die Kommunikation der Anhänger verschiedener politischer Parteien untereinander31 untersucht
wurden. Wiederholt wurde versucht mit den Erkenntnissen aus der Datenanalyse Wahlvorhersagen
zu treffen. Daniel Gayo-Avello32 stellt diese Möglichkeit in Frage, wenn er feststellt, dass die bishe-
rigen Methoden in einigen Fällen in der Lage seien die richtige Antwort zu geben, aber dass nie-
mand genau wisse warum, und dass die Ergebnisse nicht reproduzierbar seien. Er weist außerdem
darauf hin, dass die Gefahr der Manipulation solcher Vorhersagen im Gegensatz zu klassischen Me-
thoden im Kurznachrichtendienst ungleich höher ist. Andere Studien beschäftigen sich beispielswei-
se mit der Beziehung zwischen Twitternutzer und Followern33 oder mit der automatischen Erken-
nung von Ereignissen, wie Erdbeben, Anschlägen oder Sportveranstaltungen, so zum Beispiel die
Studie von Naaman Becker34 und Lee Weng35.
29 Raquel Recuero, Ricardo Araujo und Gabriela Zago, „How Does Social Capital Affect Retweets?,“ in International
AAAI Conference on Weblogs and Social Media; Fifth International AAAI Conference on Weblogs and Social Media,
zuletzt geprüft am 06.05.2015, http://www.aaai.org/ocs/index.php/ICWSM/ICWSM11/paper/view/2807/3286
30 Albert Feller et al., „Divided They Tweet: The Network Structure of Political Microbloggers and Discussion Topics,“
in, International AAAI Conference on Weblogs and Social Media; Fifth International AAAI Conference on Weblogs and
Social Media (s. Anm. 27)
31 Michael Conover et al., „Political Polarization on Twitter,“ in, International AAAI Conference on Weblogs and Soci-
al Media; Fifth International AAAI Conference on Weblogs and Social Media (s. Anm. 28), 11.
32 Daniel Gayo-Avello, Panagiotis T. Metaxas und Eni Mustafaraj, „Limits of Electoral Predictions Using Twitter,“ in,
International AAAI Conference on Weblogs and Social Media; Fifth International AAAI Conference on Weblogs and
Social Media (s. Anm. 29)
33 A. E. Marwick und d. boyd, „I tweet honestly, I tweet passionately: Twitter users, context collapse, and the imagined
audience,“ New Media & Society 13, Nr. 1 (2011), doi:10.1177/1461444810365313
34 Hila Becker, Mor Naaman und Luis Gravano, „Beyond Trending Topics: Real-World Event Identification on Twit-
ter,“ in, International AAAI Conference on Weblogs and Social Media; Fifth International AAAI Conference on Weblogs
and Social Media (s. Anm. 30)
35 Jianshu Weng und Bu-Sung Lee, „Event Detection in Twitter,“ in, International AAAI Conference on Weblogs and
Social Media; Fifth International AAAI Conference on Weblogs and Social Media (s. Anm. 31)
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 10
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität
2.1 Historischer Kontext
Um sich dem Thema der Angst in Bogotá historisch zu nähern bieten sich verschiedene Vorgehens-
weisen an. Es wäre beispielsweise interessant zu untersuchen wie das Misstrauen in einen schwa-
chen Staat und einen ineffizienten Polizeiapparat zu einer Privatisierung der Sicherheit in Bogotá
führte, wobei man sich thematisch nah an der Arbeit von Mike Davis orientieren könnte.
Je komplexer jedoch die Erklärungsansätze, desto schwieriger wird es eine Vergleichbarkeit mit den
Studien und der Auswertung der Twitterdaten herzustellen, die im Kontext dieser Arbeit besprochen
werden. Daher muss es an dieser Stelle genügen Momente, Personen und Tendenzen aufzuzeigen,
dessen Spuren im historischen Gedächtnis der Bewohner Bogotás wiederzufinden sind und welche
das Gefühl von Unsicherheit und Gewalt geprägt haben. Auch wenn sich diese Arbeit auf das The-
ma der Alltagskriminalität im urbanen Raum beschränken möchte gilt zu beachten was Jesus Mar-
tin-Barbero meint, wenn er sagt, dass die Ängste Bogotás nicht nur die Ängste einer Stadt, sondern
die eines ganzen Landes sind36. Anhaltspunkte für den Verbleib dieser Ereignisse im historischen
Gedächtnis liefert hierbei unter anderem die Arbeit „Bogotá Imaginada“ von Armando Silva dessen
Ergebnisse mit Hilfe anderer Quellen sowie der jüngeren Berichterstattung kontextualisiert werden.
Zunächst aber erscheint es sinnvoll eine kurze Periodisierung der Gewalt in ganz Kolumbien vorzu-
nehmen, wie sie Luis Peña Reyes37 vorgeschlagen hat:
1. Die Phase der politischen Gewalt während des zwei-Parteien Konfliktes (1944-1953) und
dem herausragenden Ereignis der Ermordung des Präsidentschaftskandidaten Jorge Eliecer
Gaitán in Bogotá im Jahr 1948. Aus dieser Periode entspringen, so Reyes, eine Vielzahl der
Mythen, Identitäten und Repräsentationen der Gewalt, die sich in den folgenden Phasen re-
produzierten. In dieser Periode lebten 38,6% der Bevölkerung in den Städten.38
2. Die Phase der organisierten Kriminalität und der Entstehung der Guerilla (1954-1964), in
der die Gewalt von Netzwerken der Parteien vorangetrieben wurde. Sie zeichnete sich durch
die Störungen des Kaffeemarktes und des Landhandels aus und rief erste kommunistisch ge-
36 Jesús Martín-Barbero, „Los laberintos urbanos del miedo,“ Universitas Humanística, Nr. 56 (2003): 75, zuletzt ge-
prüft am 04.05.2015, http://redalyc.org/articulo.oa?id=79105605
37 Luis B. Peña Reyes, „La sécurisation de la cité. Politiques publiques, actions collectives et pratiques individuelles
dans une métropole latino-américaine: Bogota (Colombie).“ (Dissertation, Ecole Doctorale - Sciences Humaines et So-
ciales, UNIVERSITÉ EUROPÉENNE DE BRETAGNE, 30.01.2015), 81–82
38 Ebd., 84
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 11
prägte Widerstandsbewegungen in Tolima und Sumapaz hervor. Im städtischen Raum trat
dabei besonders die organisierte Kriminalität um den Smaragdhandel in Erscheinung. In die-
ser Periode lebten zwischen 53 und 60% der Bevölkerung in den Städten.39
3. Die Phase der Gewalt durch die Guerillaorganisationen (1965-1989), welche ab den 1980er
Jahren nicht länger nur auf den ländlichen Raum beschränkt waren, sondern mit dem Auftre-
ten der M-19 und den Stadtfronten der FARC auch im urbanen Raum in Aktion traten. Die
wachsende Gewalt manifestierte sich in den Städten besonders durch Bombenanschläge und
Entführungen. 1985 lebten 65% der Kolumbianern in den Städten.40
4. Die Phase von gemischter Gewalt (1989-heute) durch Drogenhandel, Guerilla, Paramilitär,
Allianzen zwischen Polizei, Militär, Politik und Paramilitär, sowie in den Städten auch häus-
liche Gewalt, Überfälle und Bandenkriminalität. Außerdem eine starke Zuwanderung in die
Städte durch die Vertriebenen des bewaffneten Konflikts, insbesondere nach dem Zusam-
menschluss des Paramilitärs im Jahr 1996. Im Jahr 2012 lebten 74% der Bevölkerung in den
Städten.41
Auch wenn für den historischen Kontext Bogotás im Zuge dieser Arbeit besonders die letzte Phase
von großer Bedeutung ist, sei dennoch zuerst die Bedeutung der Ermordung Gaitans, des sogenann-
ten „Bogotazos“ hervorgehoben. Der Mordanschlag auf den liberalen Präsidentschaftskandidaten
Jorge Elicier Gaitan am 9. April 1948 im Zentrum Bogotas war nicht nur deshalb von großer Be-
deutung, weil der Anschlag als Ausgangspunkt für den mehr als 60 Jahre andauernden bewaffneten
Konflikt im ganzen Land gilt, sondern auch weil er das Gesicht der einst optimistischen und moder-
nen Hauptstadt nachhaltig prägte. Nach den Ergebnissen von Armando Silva beschreiben 60% der
Einwohner Bogotás dieses historische Ereignis im Jahr 2002 noch immer als „große Wunde“42 ihrer
Stadt. Doch die Gewalt die sich entwickelte traf zuerst die ländlichen Gebiete des Landes. Erst ab
den 1980er Jahren, so Reyes, wurde die Stadt zunehmend gefährlicher und verlor ihren Status als si-
cherer Zufluchtsort:
La ciudad colombiana en los últimos 30 años ha dejado de ser un espacio de refugio de
la violencia y se ha convertido en un teatro más de ésta.43
39 Ebd.
40 Ebd., 85
41 Ebd., 84
42 Silva Téllez, Bogotá, 76
43 Peña Reyes, „sécurisation,“ 87
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 12
Dies hing nicht nur mit der politischen Auseinandersetzung im Land zusammen, sondern begründe-
te sich auch in dem aufkommenden, kommerziellen Drogenhandel. Dabei ist die Geschichte von
Pablo Escobar und seinem Kartell von Medellin, die weltweit vermutlich meist referenzierte. Esco-
bar ist zu einer weltweiten Kultfigur der Kriminalität geworden und sein Leben wurde längst nicht
nur in Büchern oder Dokumentationen verarbeitet, sondern auch in Filmen („Blow“) und in kolum-
bianischen („El patron del mal“) und US-amerikanischen Serien („Narcos“). Die Auswirkungen des
wachsenden Einflusses der Drogenkriminalität waren nicht nur die Toten auf den Straßen und die
politische Einflussnahme der sogenannten „Narco-Politiker“, sondern auch die indirekten Auswir-
kungen in der symbolischen Konstruktion der Angst und ihrer Verknüpfung an bestimmte Orte und
Gruppen. Der Konsum von Drogen wie Marihuana, wurde und wird immer noch bestimmten Grup-
pen, wie Jugendlichen, Studenten oder Punks zugeschrieben, die aus bestimmten Stadtteilen oder
Milieus kommen und denen unterstellt wird kriminell, verwahrlost oder faul zu sein. Dabei sind sol-
che Zuschreibungen in vielen Orten dieser Welt zu finden. Doch neben den bekannten „Premium-
Produkten“ aus dem Sortiment der Kartelle, wie Kokain und Marihuana kam in Bogotá mit dem
„Bazuco“ eine sehr billige Droge auf den Markt. Ähnlich wie das aus dem US-amerikanischen
Kontext bekannte „Crack“ besteht es aus einer Mischung von Grundpaste des Kokains und Lö-
sungsmittel. Keine andere Droge wird so oft im Zusammenhang mit der „Calle del Cartucho“ in
Bogotá genannt. Die Calle del Cartucho, oft auch „Bronx“ genannt, liegt an der Stadtteilgrenze zwi-
schen Los Mártires und Santa Fé und ist in weniger als 30 Minuten zu Fuß vom Präsidentenpalast
zu erreichen. Sie war einst Teil des bürgerlichen Stadtviertels Santa Ines, das nach ihrem zunehmen-
den Zerfall in den 1980er Jahren von Müllsammlern, Obdachlosen und Drogenabhängigen besetzt
wurde.
En los años veinte y treinta esta zona estaba habitada por sectores de la burguesía crio-
lla. […] Con el tiempo esas mansiones se volvieron inquilinatos, lugares de tráfico de
armas y drogas y bodegas de basura para el reciclaje.44
Das Stadtviertel wurde zu einem der größten und bekanntesten Brennpunkte der Stadt, ganz beson-
ders deshalb, weil es sich nicht am Stadtrand befand, sondern im unmittelbaren Zentrum. Es wurde
Zufluchtsort für Kriminelle und auch die FARC wollte von den anarchischen Zuständen profitieren,
als sie im Jahr 2002 den Präsidentenpalast von hier mit Mörsern in Beschuss nahm. Das Stadtviertel
wurde im Jahr 2005 geräumt, eine Parkanlage errichtet und die ehemalige „Bronx“ umfasst heute
nur noch wenige hundert Meter im Bereich der Calle 10 und Carrera 15. Nach Angaben der Zeitung
44 Silva Téllez, Bogotá, 86
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 13
El Espectador45 sollen im Jahr 2011 noch immer 90% aller Drogen, die in Bogotá im Umlauf sind,
hier angebaut, weiterverarbeitet oder verkauft worden sein.
Neben den lokalen Auswirkungen von Konsum und Handel welche die langfristigen Dynamiken der
Gesellschaft innerhalb der Stadt veränderten, gab es in der Geschichte Bogotás aber auch jene
punktuelle Momente die in der Lage waren alle Bewohner der Stadt zu erschüttern. Herausragend
sind dabei die Anschläge, die das Medellin Kartell unter Pablo Escobar46 in ihrem Krieg gegen den
kolumbianischen Nationalstaat in Bogotá verübten. Dazu zählt (1) der Bombenanschlag auf das Ge-
bäude des Geheimdienstes „DAS“ in Bogotá am 6. Dezember 1989 bei dem 70 Menschen ums Le-
ben kamen und mehr als 500 verletzt wurden, (2) die Ermordung des liberalen Präsidentschaftskan-
didaten Luis Carlos Galán47, der in Soacha im ländlichen Gebiet Bogotás bei einer Wahlkampfver-
anstaltung vor mehr als 10.000 Anwesenden erschossen wurde, und (3) der Bombenanschlag gegen
die Tageszeitung El Espectador, der ebenfalls im Jahr 1989 durchgeführt wurde.
45 El Espectador, „Hay cuatro nuevos Cartuchos,“ zuletzt geprüft am 09.10.2015, http://www.elespectador.com/notici-
as/bogota/hay-cuatro-nuevos-cartuchos-articulo-296865
46 Silva Téllez, Bogotá, 57
47 Ebd., 58
Abbildung 1: Foto - La calle del cartucho 1997 von Jorge Parga. In: Góngora und Suárez 2008,
20
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 14
Neben dem Drogenhandel und der mit ihr einhergehenden Kriminalität ist den Bewohnern Bogotás
die Stadtguerilla M-19 im historischen Gedächtnis geblieben. Nach den zu Anfang symbolischen
Aktionen der Guerilla, zählen im Jahr 2002 noch 50% der Befragten48 die Besetzung des Justizpa-
lastes durch die Guerilla und ihre gewaltsame Räumung durch das Militär im Jahr 1985 zu den be-
deutendsten Momenten in der Geschichte der Stadt. Besonders die Rolle der Regierung und das
Eingreifen des Militärs sorgen bis heute für Gesprächsstoff. Nach Ergebnis der Wahrheitskommissi-
on von 2006 sei das Militär nicht an einer Deeskalation, oder der Befreiung der Geiseln interessiert
gewesen, sondern habe die Situation ausgenutzt49 um politische Gegner bei der Räumung und noch
nach ihrer Festnahme zu exekutieren50 und „verschwinden“51 zu lassen.
Die Zeit zwischen 1990 und 2000 gilt als ein Moment in der die Stadt versuchte die Kriminalität
und das Chaos zu verwalten. Bogotá, eine von sehr wenigen Städten dieser Größe ohne geregelten
öffentlichen Nahverkehr, durch Straßenbahn, U-Bahn oder einheitlichem Bussystem, blickte auf
eine hohen Rate an Toten durch Verkehrsunfälle. Die Mordrate lag im Jahr 1990 bei 48 pro 100.000
Einwohner. Eine Zahl die sich innerhalb von drei Jahren fast verdoppelte und mit 80 Morden52 ihren
historischen Höchststand erreichte.53
Auch das Thema der Jugendgewalt stand zu dieser Zeit im Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit. Da-
bei war es, ganz ähnlich wie der Drogenhandel und später der Paramilitarismus, ein stark ortsgebun-
denes Phänomen. Kriminelle Jugendbanden wurden besonders in den ärmeren Randgebieten, wie
zum Beispiel Ciudad Bolívar im Südwesten Bogotás, beobachtet. In Ciudad Bolivar gehören 57%
der Menschen der niedrigsten sozio-ökonomischen Schicht54 an und mehr als die Hälfte der einkom-
mensschwächsten Menschen aus ganz Bogotá haben hier ihren Wohnsitz. Zwischen 1990 und 1992
wurden in Ciudad Bolivar etwa 500 Jugendliche Opfer der Gewalt durch Jugendbanden, Paramilitär
48 Ebd., 75
49 Jorge Aníbal Gómez Gallego, José Roberto Herrera Vergara und Nilson Pinilla Pinilla, Informe Final. Comisión de
la Verdad sobre los hechos del Palacio de Justicia (Bogotá: Editorial Universidad del Rosario, 2010), 331–32
50 Ebd., 239
51 Ebd., 262
52 Silva Téllez, Bogotá, 83
53 Seitdem fiel sie bis zum Erscheinen des Buches von Armando Silva im Jahr 2002 auf 25 und lag im Jahr 2014 bei
16,4 In: El Espectador, „Tasa de homicidios en Bogotá se sitúa en 16,4 por cada 100 mil habitantes,“ zuletzt geprüft am
09.10.2015, http://www.elespectador.com/noticias/bogota/tasa-de-homicidios-bogota-se-situa-164-cada-100-mil-hab-
articulo-503104
54 Bogotá teilt sich in sechs sozio-ökonomische Schichten (estratos) ein. Estrato 1 Bajo-bajo bis Estrato 6 Alto. Diese
Schichten sind an die Immobilien gebunden und bestimmen beispielsweise den Betrag den ihre Bewohner für öffentli-
che Versorgung zahlen müssen.
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 15
und Drogenkriminalität.55 Der gesamte Stadtteil, in dem heute schätzungsweise 690.000 Menschen
wohnen, wurde medienwirksam als „tickende Zeitbombe“5657 bezeichnet.
Die Demobilisierung der Stadtguerilla M-19, die im Jahr 1990 begann, schien nur kurzfristig die Si-
tuation der politischen Gewalt in Bogotá zu entspannen. Der friedliche Übergang in eine politische
Partei mit dem Namen „Alianza Democrática M-19“ schien wenig erfolgversprechend, nachdem ihr
charismatischer Anführer Carlos Pizarro, der mit guten Chancen für die Präsidentschaft kandidierte,
noch im April 1990 in einem Flugzeug erschossen wurde.
Doch es gab in den 1990er Jahren auch Entwicklungen, die Hoffnung auf eine Verbesserung der Si-
tuation in Bogotá machten. Die Zerschlagung des Medellin-Kartells und der Tod von Pablo Escobar
im Jahr 1993 beendete den erklärten Krieg gegen den kolumbianischen Nationalstaat und sorgte in
der Hauptstadt für einen Moment der Entspannung. Auch der Einfluss auf die „städtische Kultur“
durch den unabhängigen Bürgermeister und ehemaligen Hochschulrektor der Universidad Nacional,
Antanas Mockus, der im Jahr 1995 ins Amt kam, wird immer wieder positiv hervorgehoben5859.
Mockus wurde durch sein Programm der „Cultura Ciudadana“ bekannt, in dem er unkonventionelle
Methoden entwickelte um das Verhalten der Bürger untereinander und ihre Beziehung zur Stadt zu
verändern. Er sorgte durch sein reflektiertes Auftreten und seine selbstironischen Aktionen, in denen
er beispielsweise die Stadt im Superhelden-Kostüm von Müll befreite, für Momente an die sich vie-
le Bewohner Bogotás gerne zurückerinnern.
Prinzipiell nimmt das gesellschaftliche Ansehen der Person des Bürgermeisters in Bogotá eine be-
sondere Rolle ein. Wie in kaum einer anderen Stadt werden Erfolge und Misserfolge in allen Berei-
chen mit der Person des Bürgermeisters in Verbindung gebracht. So überrascht es nicht, dass Ar-
mando Silva auf die Frage nach der bedeutendsten Person der Stadt nicht etwa wie im Fall von Bar-
celona (Antonio Gaudi), Medellin (Juanes) oder Quito (Flórez Milo) eine bestimmte Person aus Ge-
schichte und Kultur genannt wurde, sondern mit „Bürgermeister“ eine Amtsbezeichnung.60 Mockus
Nachfolger, Enrique Peñalosa, wusste auf die kulturellen Veränderungen mit einem urbanen Re-
strukturierungsprogramm aufzubauen. Er errichtete Parks, Bibliotheken und Schulen im ganzen
55 Martha C. Herrera und Alvaro Chaustre, „Violencia urbana, memoria y derecho a la ciudad: experiencias juveniles
en Ciudad Bolivar,“ Pro-Posições 23: 71, http://www.scielo.br/scielo.php?script=sci_arttext&pid=S0103-
73072012000100005&nrm=iso
56 José Navia, „CAZUCÁ, UNA BOMBA DE TIEMPO,“ El Tiempo, 23.06.1996, zuletzt geprüft am 18.10.2015,
http://www.eltiempo.com/archivo/documento/MAM-456808
57 Herrera und Chaustre, „Violencia,“ 73
58 Silva Téllez, Bogotá, 60
59 Martín-Barbero, „laberintos,“ 78–9
60 Silva Téllez, Imaginarios, 200–201
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 16
Stadtgebiet, schuf mit dem „Transmilenio“ ein modernes Massentransportmittel und arbeitete mit
Erfolg an Konzepten um die Stadt für Fußgänger und Radfahrer attraktiver zu machen. Der Trans-
milenio ist ein Bussystem, das auf eigene Busspuren und Gelenkbusse großer Kapazität setzt. Das
System ist darauf ausgelegt Wartezeiten zu verkürzen und besteht heute aus einem Netz aus 134
Haltestellen, zuzüglich Zubringersystemen und täglich fast 2 Millionen Nutzern.61
Peñalosa wechselte sich erneut mit Antanas Mockus im Amt ab und zusammen schafften sie es für
einen Rückgang der Gewalt und der Verkehrstoten zu sorgen. Peñalosa war es auch der die Räu-
mung des Stadtviertels Santa Ines anordnete und mit großer Entschlossenheit gegen die ansässigen
Besetzer, Müllsammler und Obdachlosen vorging. Ein Großteil des Stadtviertels wurde abgerissen
und auf ihrem Gebiet im Jahr 2005 der Park „Tercer Milenio“ eröffnet. Diesen kontroversen Schritt
der Vertreibung bezeichnet Armando Silva als einen „therapeutischen Einschritt in das kulturelle
Gedächtnis“62 der Einwohner Bogotas, die sich in der Mehrzahl erleichtert über das Verschwinden
dieses Viertels aus dem Zentrum der Stadt zeigten.
61 TRANSMILENIO S.A, „Nuestra Entidad » Historia,“ zuletzt geprüft am 10.11.2015, http://www.transmilenio.gov.-
co/es/articulos/historia
62 Silva Téllez, Bogotá, 87
Abbildung 2: Foto - Antanas Mockus im Wahlkampf. Quelle: The Telegraph
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 17
Während ein Schandfleck aus dem unmittelbaren Zentrum der Stadt und vor Augen der Mittel- und
Oberschicht verschwand, so entstanden in den Randgebieten neue Konfliktfelder im Kontext der
Auseinandersetzung zwischen Guerilla, Staat und Paramilitär. Die paramilitärischen Gruppen
schlossen sich mit dem Ziel der Zurückdrängung der Guerilla im Jahr 1997 zu den „Autodefensas
Unidas de Colombia“ (AUC) zusammen und gingen bis zu ihrer Demobilisierung im Jahr 2006
nicht nur gegen die Guerillabewegungen, sondern auch gegen die vermeintlich sympathisierende
Zivilbevölkerung vor. Ihr Vorgehen führte neben hunderttausenden Toten und „Verschwundenen“ zu
mehr als als 6,3 Millionen63 Vertriebenen im Land. Fast eine halbe Million64 dieser Menschen flüch-
teten nach Bogotá und führten damit zu einem Stadtwachstum der Randgebiete, das sich dem klas-
sischen Zusammenhang von Stadt- und Wirtschaftswachstum völlig entzog. Die Flüchtenden, wel-
che häufig ohne soziales Netzwerk und mit wenig finanziellen Möglichkeiten in der Hauptstadt an-
kamen führten zu einem Anwachsen des illegalen Siedlungsbaus. In den Armutsvierteln am Rande
der Stadt, in dessen informellen Strukturen die staatliche Gewalt noch nicht vorgedrungen war, kam
es zu einer Reproduktion der Gewalt. So belegen die Zahlen aus dem Jahr 1999, dass die Menschen
die in den niedrigsten sozio-ökonomischen Schichten der Stadt wohnten mit 93% die meisten verur-
teilten Mörder und mit 95,1% auch die mit Abstand meisten Mordopfer innerhalb des Stadtgebiets
stellten.65 Besonders in diesen Randgebieten versuchte auch das Paramilitär unter dem Namen des
„Bloque Capital“ ihren Einfluss innerhalb Bogotás auszubauen. Selbst nach der offiziellen Demobi-
lisierung der AUC im Jahr 2005 werden ihren Nachfolgeorganisationen, ab jetzt als Bandas Crimi-
nales (BACRIM) bezeichnet, 800 Morde zugeschrieben die im Stadtgebiet Bogotás begangen wur-
den.66 Bis heute werden von den Gruppen Pamphlete ausgegeben und Ausgangssperren verhängt. Es
werden Verhaltens- und Kleidungsregeln für Jugendliche aufgestellt und „soziale Säuberungen“ ge-
genüber Drogenabhängigen, Prostituierten und Obdachlosen durchgeführt:
Entre 1990 y 1992 se calcula que fueron asesinados alrededor de 500 jóvenes (Navia,
1994). “Las víctimas fueron en su mayoría jóvenes de la más variada condición: algu-
nos se dedicaban actividades comunitarias, culturales y deportivas; otros eran peque-
ños distribuidores y consumidores de alucinógenos; un tercer grupo simplemente era de
63 Unidad para la atención y reparación integral a las víctimas, „Red Nacional de Información,“ zuletzt geprüft am
09.10.2015, http://rni.unidadvictimas.gov.co/v-reportes
64 Nach Angaben der Unidad para la atención y reparación integral a las víctimas, Red Nacional de Información, Total
Nacional – Desplazamiento forzado, In: ebd. für den Zeitraum von 2000 bis 2014.
65 (INPEC 2013 zitiert in Peña Reyes, „sécurisation,“ 99)
66 Jymy A. Forero Hidalgo, „Evolución del uribismo en Ciudad Bolívar: un análisis histórico, 2002-2007,“ Anuario
Colombiano de Historia Social y de la Cultura 39, Nr. 1 (2012): 165, zuletzt geprüft am 29.09.2015,
http://redalyc.org/articulo.oa?id=127124561006
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 18
alguno de los parches (Neira, 1993, p. 28). […] Hacia mediados del 2009 los jóvenes
fueron de nuevo objeto de intimidaciones a través de panfletos fijados en lugares públi-
cos. En mayo de 2010 circularon en el barrio María Auxiliadora panfletos en donde
con nombre propio se amenazaba a algunos jóvenes entre los 13 y los 16 años (El Tiem-
po, mayo 13 de 2010).67
Neben dieser Art von Gewalt, die vor allem die Unterschicht Bogotás traf, war die Ermordung des
Satirikers Jaime Garzón ein Vorfall der in der ganzen Stadt großes Bedauern hervorrief. Der studier-
te Rechtswissenschaftler und Politologe Garzón etablierte sich zu Beginn der 1990er Jahren als be-
liebter Satiriker und trat außerhalb seiner Beschäftigung in den Medien als Unterhändler für den
Frieden im Konflikt mit der FARC auf.
Seine Ermordung im Jahr 1999 wurde vom paramilitärischen Führer der AUC, Carlos Castaño, in
Auftrag gegeben und sein Tod ist, wie Armando Silva feststellt68 und die Diskussionen über die wei-
teren Verantwortlichen des Mordanschlags im Jahr 2015 belegen69, immer noch im kollektiven Ge-
dächtnis und in der Medienberichterstattung präsent.
67 Herrera und Chaustre, „Violencia,“ 72
68 Silva Téllez, Bogotá, 59
69 El Espectador, „Fiscalía recibirá declaración de 'Don Berna' en investigación por crimen de Jaime Garzón: Una co-
misión especial del ente investigador viajará a Estados Unidos este lunes,“ zuletzt geprüft am 29.09.2015, http://www.e-
lespectador.com/noticias/judicial/fiscalia-recibira-declaracion-de-don-berna-investigacio-articulo-578024
Abbildung 3: Wandbild - Jaime Garzon in der Universidad Nacional de Colombia, 15.9.2013,
Quelle: Luisr2692 Wikimedia
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 19
Während die Amtszeit von Luis Eduardo Garzón in den Jahren 2004 bis 2008 verhältnismäßig ruhig
verlief und die Stadt versuchte ein soziales Programm gegen Armut, Hunger und Ausgrenzung um-
zusetzen, kam es im Jahr 2011 zu einem gravierenden Einbruch des Vertrauensverhältnisses zwi-
schen Bürgermeister und Einwohnern. Der Bürgermeister Samuel Moreno der linken Partei „Polo
Democrático Alternativo“ hatte zusammen mit einer Gruppe von Industriellen, Senatoren, Reprä-
sentanten und Funktionären beim Ausbau der dritten Phase des Transmilenio systematisch Geld ver-
untreut. Der finanzielle Schaden, des als „Carrusel de la contratación“ bekannt gewordenen Korrup-
tionsskandal, belief sich am Ende auf geschätzte 466 Millionen Euro70 und das Vertrauen der Bürger
in die Führung der Stadt wurde nachhaltig beschädigt. Der im Jahr 2012 gewählte Bürgermeister
der sozialistischen Partei „Progresistas“ und ehemalige Anhänger der M-19, Gustavo Petro, ver-
suchte mit seinem Sozialprogramm „Bogotá Humana“ die Lebenssituation der unteren sozio-ökono-
mischen Schichten zu verbessern und der zunehmenden Privatisierung entgegenzuwirken. Seine
Amtszeit war von starken Auseinandersetzungen mit der Oberschicht, dem Justiz- und Polizeiappa-
rat und der Industrie geprägt. Seine Kritiker warfen ihm vor nötige städtische Entwicklungen nicht
durchgeführt zu haben und für einen Anstieg an Kriminalität durch mangelnde Konsequenz in der
Strafverfolgung verantwortlich gewesen zu sein.
Wie das Beispiel von Ciudad Bolivar und der ehemaligen Calle del Cartucho gezeigt hat, sind die
historischen Eckpunkte der Angst stark ortsgebunden. Sie werden aber auch an bestimmten Grup-
pen wie Jugendlichen, Obdachlosen und Drogenabhängigen festgemacht. Der Einfluss des landes-
weiten bewaffneten Konflikts und der Auseinandersetzung mit den großen Drogenkartellen der
1980er Jahren zeigt sich in den großen Anschlägen gegen den Staat und wird von allen Menschen
der Stadt wahrgenommen.
2.2 Ergebnisse bisheriger Studien
Ergebnisse aus akademischen Arbeiten vor 2010
Der Artikel „Eco del miedo en Santafé de Bogotá e imaginarios de sus ciudadanos“71 von Soledad
Niño Murcia basiert auf einer Untersuchung, die vom kolumbianischen Institut für Anthropologie
durchgeführt wurde. Nach 900 intensiven Interviews und Workshops in neun Stadtteilen, kommt sie
zu dem Ergebnis, dass 58% der Befragten zu jeder Zeit im gesamten Stadtgebiet von Bogotá Angst
70 Noticias Caracol, „Contraloría abre investigación contra el grupo Nule,“ zuletzt geprüft am 09.10.2015, http://we-
b.archive.org/web/20130813235142/http://www.noticiascaracol.com/justicia/articulo-198963-contraloria-abre-investi-
gacion-contra-el-grupo-nule
71 Soledad Niño Murcia, „Eco,“ in El miedo (s. Anm. 14)
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 20
empfinden. Weitere 15% geben an Angst in bestimmten Stadtteilen und zu bestimmten Uhrzeiten zu
haben.72 Auf die Ausprägung der Angst angesprochen sagen 50,3%, dass sie große Angst haben,
38,6% sprechen von mittelgroßer Angst und 11% geben an wenig Angst zu haben.73 Auch Armando
Silva kommt in den Umfragen, die er im Kontext seines 2003 erschienenen Buches „Bogotá Imagi-
nada“ durchgeführt hat, zu dem Ergebnis, dass mehr als die Hälfte der Befragten die Angst als
stärkstes Gefühl nennen das sie mit Bogotá verbinden:
Entre los sentimientos que Bogotá inspira a sus habitantes, el más notable es el miedo –
supera el 50% de marcaciones - , aunque en los últimos años su primacía viene redu-
ciéndose. Estos temores han hecho que la ciudad sea usada con innumerables restric-
ciones y prevenciones y no tenga mucha vida nocturna.74
Beide Autoren versuchen die kollektive Angst zu kontextualisieren, indem sie nach bestimmen Or-
ten und Umständen suchen. Dabei kommt Silva zu dem Ergebnis, dass die Stadtteile Engativá und
Suba im Nordwesten der Stadt, das Stadtzentrum, Teile von Chapinero und Kennedy besonders häu-
fig mit Angst assoziiert werden.75 Engativá, Suba und Kennedy liegen im Westen der Stadt und sind
mit zusammen 2,8 Millionen Einwohnern76 bevölkerungsreiche Stadtteile, die im Großteil der so-
zio-ökonomischen Schicht 2 und 3 zugeordnet77 werden. Kennedy weist mit 283 Bewohner pro
Hektar78 die zweithöchste Bevölkerungsdichte aller Stadtteile in Bogotá auf. Chapinero ist mit et-
was mehr als 100.000 Einwohnern ein verhältnismäßig kleiner Stadtteil, der mit 101 Einwohnern
pro Hektar79 die geringste Bevölkerungsdichte aufweist. In diesem Stadtteil sind alle sozio-ökono-
mischen Schichten vertreten, in der Mehrzahl allerdings die höheren Schichten 4 bis 680.
Niño Murcia stellt fest, dass besonders viele Menschen die verhältnismäßig kleinen und zentralen
Stadtteile La Candelaria und Antonio Nariño, sowie das am südwestlichen Stadtrand liegende Ciu-
dad Bolívar mit einem hohen Niveau an Angst verbinden.81 Die zentralen Stadtteile Chapinero, San-
ta Fé, Barrios Unidos und Teusaquillo; die nordwestlichen Fontibón, Engativá und Suba; und die
südwestlichen Tunjuelito und Rafael Uribe, werden mit einem mittelgroßen Niveau von Angst in
72 Ebd., 191.
73 Ebd., 198.
74 Silva Téllez, Bogotá, 53
75 Ebd., 83
76 Alcaldía Mayor de Bogotá, 21 Monografías de las localidades. Distrito Capital 2011 (Bogotá, 2011), 63
77 Ebd., 65
78 Ebd., 63
79 Ebd.
80 Ebd., 65
81 Soledad Niño Murcia, „Eco,“ in El miedo (s. Anm. 14), 199
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 21
Verbindung gebracht.82 Armando Silva stellt diese Auflistung von Stadtteilen noch in das Verhältnis
zu der Mordrate nach den offiziellen Kriminalitätsstatistiken, wonach der Großteil der Morde in nur
drei der insgesamt zwanzig Stadtteile stattfinden: die zentralen Puente Aranda, Los Mártires und
Santa Fé.83 Als weitere Orte der Angst nennen sowohl Niño Murcia84 als auch Silva85 die Calle del
Cartucho und die Avenida Caracas. Niño Murcia beobachtet außerdem ein generelles Misstrauen
gegenüber öffentlichen Plätzen und öffentlichen Verkehrsmitteln, wie beispielsweise Straßen, Halte-
stellen, Kreuzungen, Fußgängerbrücken und Bussen.86
Etwas später als Niño Murcia und Silva erarbeiteten Elvira Maria Restrepo und Alvaro Jose Moreno
auf Basis der Umfrage „Encuesta Uniandes 2006“ in einem Artikel87 den Zusammenhang zwischen
Kriminalität, Angst und Medien. Sie stellen die Frage warum die Angst, trotz der starken Abnahme
von Raubüberfällen und Morden in den Jahren zuvor, nicht wesentlich geringer geworden ist. An-
ders als Silva und Niño Murcia beschäftigen sie sich weniger mit Orten der Angst, als mit den Vor-
fällen und den Personen die Angst empfinden. Sie stellen fest, dass in allen untersuchten Fällen die
Angst vor Kriminalität größer ist, als die Gefahr Opfer eines Verbrechens zu werden:
Se puede observar que para todos los delitos hay más miedo que victimización subjeti-
va y que victimización objetiva88
Dabei unterscheiden sie zwischen objektiven Opferzahlen („victimización objetiva“), welche die
Anzahl der Opfer von Verbrechen anhand der offiziellen Statistiken wiederzugeben versuchen und
der subjektiven Opferzahlen („victimización subjetiva“), in der die Befragten der Untersuchung
Auskunft geben, ob sie selbst, ein Familienmitglied, Lebensgefährte oder enger Freund in den letz-
ten zwei Jahren Opfer eines Verbrechens wurde. Die Umfrage kommt zu dem Ergebnis, dass die
Angst in Bogotá Opfer eines Raubüberfalls zu werden mit 86% am größten ist und damit den sub-
jektiven Opferzahlen von 82% fast entspricht. Die tatsächliche Gefahr und die gefühlte Gefahr sind
in diesem Fall also fast deckungsgleich. Bei den anderen untersuchten Delikten präsentiert sich der
Unterschied als weitaus größer, wie die Abbildung 4 zeigt.
82 Ebd., 198.
83 Silva Téllez, Bogotá, 84
84 Soledad Niño Murcia, „Eco,“ in El miedo (s. Anm. 14), 205
85 Silva Téllez, Bogotá, 84
86 Ebd., 204.
87 Restrepo und Moreno, „Bogotá,“ 178
88 Ebd.
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 22
So liegt die Angst vor einem Einbruch in die private Wohnung oder Haus bei 61%, die subjektiven
Opferzahlen allerdings nur bei 30%. Ein noch stärkerer Unterschied ist bei den Gewaltverbrechen:
Entführung, sexueller Übergriff und Mord festzustellen.89
Die Autoren stellen abschließend fest, dass das Gefühl und die Ausprägung von Angst, weniger mit
dem gefühlten Risiko oder den subjektiven Opferzahlen, als mit dem sozialen Umfeld zusammen-
hängt. Junge Studenten beispielsweise würden eine soziale Blase entwickeln, in der sie weniger als
andere Gruppen ein Gefühl von Angst entwickeln würden, obwohl gerade sie es sind, die besonders
häufig Opfer von Kriminalität werden.90 Ähnlich verhalte es sich mit Personen, die einen privaten
Sicherheitsdienst bezahlen und damit eine Art physikalische Blase erzeugen mit dem Ergebnis we-
niger Angst zu haben als Menschen ohne diese Möglichkeit.91 Einen Zusammenhang zwischen
Medienkonsum und Angst vor Kriminalität konnten die Autoren in ihrer Untersuchung nicht fest-
stellen92.
89 Ebd., 179
90 Ebd., 205
91 Ebd.
92 Ebd.
Abbildung 4: Diagramm - subjektive Opferzahlen und Angst. In (Restrepo und Moreno
2007, 179)
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 23
Ergebnisse aus Umfragen und öffentlichen Erhebungen nach 2010
Die Handelskammer von Bogotá führt seit 199893 zweimal im Jahr eine Umfrage über Kriminalität
und gefühlte Gefahr in den 19 urbanen Stadtteilen Bogotás durch. Zum Zeitpunkt dieser Arbeit lag
die „Encuesta de percepción y victmización“ für die erste Hälfte des Jahres 2015 noch nicht vor, da-
her wurden die Daten aus der Umfrage für die zweite Hälfte 2014 konsultiert. In der Umfrage, bei
der insgesamt 9867 Menschen befragt wurden94, wird zwischen direkten und indirekten Opferzahlen
unterschieden. Hierbei ist indirektes Opfer jeder der in seinem unmittelbaren sozialen Umfeld von
einer Straftat gehört hat. Außerdem wird in der Umfrage die wahrgenommene Gefahr Opfer eines
Verbrechens zu werden und ihre Änderung zum Vorjahr untersucht. Der Vorteil gegenüber offiziel-
len Kriminalitätsstatistiken wird deutlich, wenn die Quote der Verbrechen betrachten wird, die zur
Anzeige gebracht werden: Dabei erreicht beispielsweise der Stadtteil La Candelaria den Höchstwert
von 45,8%. In Ciudad Bolivar allerdings werden lediglich 10,7% der Verbrechen angezeigt. Im
Durchschnitt sind es im gesamten Stadtgebiet 26%.95 Beim Blick auf die Abbildung 5 fällt auf, dass
besonders die Stadtteile um das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum Bogotás mit den Stadtteilen
Chapinero, Santa Fé, La Candelaria und Barrios Unidos die höchsten Werte aufweisen.
93 Mehr zu der Methode in Cámara de Comercio de Bogotá, „Encuesta de percepción y victimización de Bogotá: His-
toria y metodología,“ zuletzt geprüft am 29.09.2015, http://www.ccb.org.co/content/download/3014/38165/file/Historia
%20y%20metodolog%C3%ADa%20de%20la%20encuesta%20de%20percepci%C3%B3n%20y%20victimizaci
%C3%B3n.pdf
94 Cámara de Comercio de Bogotá, „Encuesta“, 2
95 Ebd., 11
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 24
Die Stadtteile, die in der zweiten Hälfte 2014 die höchsten direkten Opferzahlen aller Verbrechen
aufweisen sind: Los Mártires mit 24,5%, Tunjuelito mit 19,1% und Antonio Nariño mit 18,3%. Am
wenigsten direkte Opfer gab es laut der Erhebung in Kennedy mit 10,1%, Fontibón mit 8,9% und
La Candelaria mit 6,6%.96 Nach der Wahrnehmung von Sicherheit in ihren Stadtvierteln gefragt ga-
ben im Stadtteil Los Mártires nur 14,8% an, dass sie sich sicher fühlen. Die Stadtteile Bosa mit
19,9% und Tunjuelito mit 20,7% folgen in der Statistik des Sicherheitsgefühls. Am sichersten in ih-
ren Stadtvierteln fühlen sich die Bewohner von Usaquén mit 55%, Chapinero mit 47,9% und Puente
Aranda mit 46,6%.97
Wie der Abbildung 6 zu entnehmen ist sind Wahrnehmung von Unsicherheit und direkte Opferzah-
len niemals deckungsgleich. Dabei scheinen die Opferzahlen im Stadtteil Los Mártires und Tunjue-
lito mit dem starken Gefühl von Unsicherheit zu korrelieren. Anders verhält es sich beispielsweise
im Stadtteil Bosa, welches eine mittlere Anzahl an Opfern von Kriminalität hat, das Gefühl von Un-
sicherheit aber sehr hoch ist. Im Gegensatz dazu weist der Stadtteil Usaquén, in dem sich die meis-
ten Menschen sicher fühlen, keineswegs die geringste Anzahl von Verbrechen auf.
96 Ebd., 6
97 Ebd., 42
Abbildung 5: Karte - Prozentsatz der Verbrechen, die zur Anzeige gebracht wurden. In (Cámara de
Comercio de Bogotá 2014, 11)
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 25
Von allen Vorfällen die untersucht wurden sind mit 75% am häufigsten Raubüberfälle, mit 8% we-
niger häufig Autodiebstähle, Überfälle auf Geschäfte und private Wohnungen mit insgesamt 12%
und Körperverletzungen mit 3%, genannt worden.98 Verbrechen seien besonders auf der Straße mit
51% und im öffentlichen Nahverkehr mit 21% begangen worden. Weniger häufig in Einkaufszen-
tren und Wohnungen mit jeweils 11%. Andere Orte wie Bankautomaten, Haltestellen, Parks, Fuß-
gängerüberwege, Brachflächen wurden mit einer Häufigkeit von 6% genannt.99 Diese Zahlen de-
cken sich mit der Untersuchung der „Fundación ideas para la paz“ aus dem Jahr 2014, wonach 49%
der Überfälle auf den Straßen, 17% im öffentlichen Nahverkehr, und 16% in Einkaufszentren statt-
gefunden haben sollen.100
Gemäß der Wahrnehmung von Unsicherheit führt die Liste auch hier mit 41% die Straße an, danach
folgen Fußgängerüberwege mit 20%, Brachflächen mit 15%, Parks mit 10% und Haltestellen mit
98 Ebd., 7
99 Ebd., 9
100 Patricia Bulla und Juan F. García, „La inseguridad en Bogotá: La enfermedad no está en las sábanas,“ zuletzt ge-
prüft am 06.08.2015, http://cdn.ideaspaz.org/media/website/document/54f6404e41a67.pdf, 6
Abbildung 6: Diagramm - Opferzahlen und Unsicherheitsgefühl in den Stadtteilen
Antonio Nariño
Barrios Unidos
Bosa
Chapinero
Ciudad Bolívar
Engativá
Fontibón
Kennedy
La Candelaria
Los Mártires
Puente Aranda
Rafael Uribe Uribe
San Cristóbal
Santa Fe
Suba
Teusaquillo
Tunjuelito
Usaquén
Usme
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
Victimización directa Percepción de inseguridad (en el Barrio)
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 26
6%. Andere Strukturen innerhalb der Stadt machen noch einmal 8% aus.101 Im Bezug auf den öf-
fentlichen Nahverkehr artikulieren ferner 44% der Einwohner Bogotás, dass sie sich im Taxi unsi-
cher fühlen und 89% geben an bei der Benutzung des Transmilenio Angst zu haben.102 Auf konkrete
kriminelle Vorfälle bezogen fürchten 49% der Befragten Opfer von Raubüberfällen und 16% Opfer
von Tötungsdelikten zu werden.103
Das „Centro de Estudio y Análisis en Convivencia y Seguridad Ciudadana“ (CEASC) untersucht
unterschiedliche Straftaten gemäß ihrer Häufigkeit, des Wochentags, Geschlecht des Opfers und des
Stadtteils, wobei es sich auf die offiziellen Kriminalitätsstatistiken beruft. Bei den Raubüberfällen
im Zeitraum von Januar bis April 2014 führen die bevölkerungsreichen Stadtteile Suba mit 1116
und Kennedy mit 1044 Vorfällen die Liste an. Die einkommensstärkeren Stadtteile Chapinero
(1014) und Usaquén (863) folgen. Santa Fé kommt auf 622 Raubüberfälle. Am wenigsten Vorfälle
wurden in den Stadtteilen La Candelaria (187), Antonio Nariño (199) und Usme (214) gemeldet.104
Besonders häufig wurden Überfälle am Mittwoch (1653) begangen, während Sonntags (965) am
wenigsten gezählt wurden.105 Die häufigsten Opfer von Überfällen waren zwischen 20 und 40 Jah-
ren alt und mit 62,1% in der Mehrzahl männlich.106 Bei den Körperverletzungen für die erste Hälfte
2015 kommen sie zu dem Ergebnis, dass Suba mit 507 Vorfällen, Ciudad Bolivar (478) und Kenne-
dy (456) die gefährlichsten, La Candelaria mit 52, Antonio Nariño (96) und Teusaquilo (96) die si-
chersten Stadtteile sind.107 Besonders häufig treten Delikte von Körperverletzung am Wochenende
auf (1797), während Mittwochs (510) und Dienstags (538) am wenigsten gezählt werden.108 Mehr
als die Hälfte der Opfer ist dabei zwischen 20 und 35 Jahre alt und in 60% der Fälle männlich.109
101 Cámara de Comercio de Bogotá, „Encuesta“, 35
102 Ebd., 36
103 Ebd.
104 Centro de Estudio y Análisis en Convivencia y Seguridad Ciudadana, „Balance y comportamiento delitos de mayor
impacto periodo enero-abril años 2014-2015 bogota d.c.,“ zuletzt geprüft am 03.06.2015, http://www.ceacsc.gov.co/in-
dex.php/descargas1/category/6-caracterizacion-muertes-violentas?download=28:balance-delitos-ene-abr-2014-2015, 24
105 Ebd., 27
106 Ebd., 29–30
107 Ebd., 4
108 Ebd., 6
109 Ebd., 8–9
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 27
Die Studienreihe „Bogotá como vamos“, die in Zusammenarbeit mit der Universidad Javeriana, der
Handelskammer Bogotás, der Fundación Corona und der Tageszeitung El Tiempo entstanden ist,
hat eine Vielzahl von Arbeiten zu den Themen Lebensqualität, Sicherheit, Wirtschaft und Gesund-
heit herausgegeben. Sie liefert zum Beispiel eine Aufschlüsselung der Mordrate nach Stadtteilen,
die sich gut mit den Ergebnissen von Armando Silva vergleichen lässt. Während es 2003 noch
Puente Aranda, Los Mártires und Santa Fé waren, welche die meisten Morde aufwiesen, sind es
2015 die Stadtteile Ciudad Bolivar (262), Kennedy (157), Bosa und San Cristobal (jeweils 116),die
48% aller Morde im gesamten Stadtgebiet unter sich aufteilen.110 Auch von Interesse ist die Aufbe-
reitung der Ergebnisse der Umfragen über die Wahrnehmung der Stadt. Dafür wurden 1502 Frauen
und Männer aus den sechs sozio-ökonomischen Schichten und den 19 Stadtteilen Bogotás befragt.
Dabei handelten die Fragen weniger um konkrete Kriminalität oder Angst, sondern um Zufrieden-
heit, Optimismus und Stolz. Zu Beginn der Untersuchung im Jahr 1998 gaben 40% der Einwohner
an, dass sich Bogota gut entwickelt. In der zweiten Amtszeit von Mockus über Garzon, bis zu Mo-
reno, in den Jahren zwischen 2002 und 2008, erreichte der Indikator seine Höchstwerte zwischen
60% und 70% Zustimmung. Seit 2009 und der Aufdeckung des „Carrusel de la Contratación“ ging
der Wert unter Bürgermeister Samuel Moreno, Interims-Bürgermeisterin Clara Lopez und Gustavo
Petro auf einen Tiefstand von 30% im Jahr 2014 herunter.111 Die Frage ob sie „Stolz“ auf Bogotá
110 Mónica V. Carrasquilla, „Bogotá cómo vamos? Informe de calidad de vida Bogotá 2014,“ zuletzt geprüft am
23.08.2015, https://s3.amazonaws.com/s3.documentcloud.org/documents/2290836/informe-calidad-de-vida-2014.pdf,
128
111 Mónica V. Carrasquilla, „Bogotá cómo vamos? Encuesta de Percepción Ciudadana 2014,“ zuletzt geprüft am
23.08.2015, https://s3.amazonaws.com/s3.documentcloud.org/documents/1374444/encuesta-de-percepcion-ciudadana-
Abbildung 7: Diagramm - Zufriedenheit unter den letzten 6 Bürgermeistern. In (Carrasquilla 2014,
12)
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 28
seien, bejahten im Jahr 2014 mit 46% so wenig Bürger wie nie zuvor, wohingegen noch 2008 mehr
als 70% zustimmten.112
Die Indikatoren „Stolz“ und „Optimismus“ hängen sicher nicht unmittelbar mit der Frage nach der
Sicherheit zusammen, aber sie taugen die vorherrschende Angst in einem Kontext der Unzufrieden-
heit einzuordnen. Hierbei ist auch das zusammenfassende Ergebnis dieser Auswertung interessant,
das einen Zusammenhang zwischen Gefühl von Unsicherheit und Arbeit des Bürgermeisters her-
stellt. So fasst die Studie zusammen, dass sich jene Personen, die sich in der Stadt unsicher fühlen
auch eine besonders schlechte Meinung vom Bürgermeister haben:
De las personas que se sienten inseguras en la ciudad: [...] Tienen una imagen más
desfavorable del Alcalde, confían mucho menos en este y aprueban menos su gestión.113
Zusammenfassung
Im Bezug auf die Stadtteile sind im Vergleich der Studien vor 2010 und nach 2010 einige Verände-
rungen festzustellen. Während der historische Stadtkern La Candelaria noch bis zum Jahr 2006 sehr
häufig mit Kriminalität und Angst in Verbindung gebracht wurde, so gehört er mittlerweile zu den
sichersten Stadtteilen in Bogotá. Die Calle del Cartucho ist in den Studien nach 2003 nicht mehr er -
wähnt worden. Die 2005 abgeschlossene Räumung scheint der Gegend ihren Schrecken genommen
zu haben. Die Stadtteile Suba und Kennedy wurden schon bei der Untersuchung von Armando Silva
mit einem großen Niveau an Angst in Verbindung gebracht. Das hat sich in den letzten Jahren nicht
wesentlich verändert. Die hohen absoluten Kriminalitätszahlen müssen aber unbedingt im Kontext
der Größe dieser Stadtteile, die beide mehr als 1 Millionen Einwohner zählen, beachtet werden.
Dann fällt auf, dass Kennedy in der zweiten Hälfte 2015 entgegen des schlechten Rufes, zu den drei
sichersten Stadtteilen Bogotás gehörte.
Wenn es um die konkreten Vorfälle geht, dann werden Tötungsdelikte mit 16% zwar immer noch
häufig als Ursache von Angst genannt, jedoch deutlich seltener als noch im Jahr 2006. Die Mordrate
in Bogotá liegt deutlich unter dem lateinamerikanischen Durchschnitt und es sind daher besonders
die Raubüberfälle und Diebstähle, die nicht nur am häufigsten auftreten, sondern auch am meisten
Angst generieren. Zu einem neuen Symbol der Angst scheint das öffentliche Nahverkehrssystem
Transmilenio geworden zu sein, bei dessen Nutzung sich 89% der Befragten der Handelskammer
unsicher fühlen.
2014.pdf, 12
112 Ebd.
113 Ebd., 39
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 29
Prinzipiell lässt sich feststellen, dass Opferzahl und Unsicherheitsgefühl in ihrer Ausprägung nur in
sehr wenigen Fällen miteinander korrelieren. Dabei legen Restrepo und Moreno dar, dass der Ur-
sprung der Angst weder nur in der Kriminalität begründet liegt noch dass es ein Phänomen ist, wel-
ches durch den Medienkonsum entscheidend beeinflusst wird. Sie deuten an, dass die sozialen Hin-
tergründe der Personen mit Angst eine wesentliche Rolle spielen und auch Faktoren wie Optimis-
mus und Zufriedenheit, wie sie die Studie „Bogotá como vamos“ untersuchte können mit dem Ge-
fühl von Unsicherheit zusammenhängen. Diese Arbeiten machen deutlich, dass es notwendig ist
sich dem Phänomen der Angst im urbanen Raum auch auf theoretischer Ebene zu nähern.
2.3 Theoretischer Rahmen
Wie sich gezeigt hat lässt sich die Angst und die Wahrnehmung von Kriminalität in Bogotá nicht
ausschließlich auf historischer oder empirischer Basis erklären. Einige Orte die noch vor wenigen
Jahrzehnten mit einem starken Gefühl der Angst assoziiert wurden, werden heute als sicher wahrge-
nommen, während der Rückgang von Kriminalität in anderen Orten zu keinem Rückgang der Angst
vor Kriminalität führen konnte. Andere Aspekte als die unmittelbare Kriminalitätsrate scheinen
einen Einfluss auf die Wahrnehmung von Sicherheit zu haben. In diesem Teil soll daher eine Annä-
herung an die kulturelle Dimension der Angst innerhalb der Stadt geschehen, was zuallerst eine Di-
stanzierung von den physikalischen Sinneinheiten des urbanen Raums verlangt. Auf sozial-kon-
struktivistischem Wege gilt es die Stadt als die Summe der Gefühle ihrer Einwohner zu verstehen
und nach ihren kollektiven Manifestierungen innerhalb des urbanen Imaginariums zu suchen.
Urbane Imaginarien
Bei der Untersuchung des Imaginären, im Sinne einer Ansammlung von Vorstellungen über eine
nicht unmittelbar wahrzunehmende Sache, lässt sich zwischen dem auf das Individuum bezogene
Konzept, das zum Beispiel in der Psychoanalyse von Jacques Lacan zur Anwendung kam, und dem,
von Cornelius Castoriadis114 und Gilbert Durand115 formulierten, gesellschaftlichen Konzept unter-
scheiden. Kollektive Imaginarien sind der Zusammenschluss aus symbolischen Repräsentationen
und setzen sich aus den Geschichten, den Erfahrungen, Ängsten und Hoffnungen zusammen, die in-
nerhalb einer Gesellschaft geteilt werden. Sie liefern Erklärungen für Dinge, die außerhalb des per-
sönlichen Erfahrungsschatzes oder der aktuellen Wahrnehmung liegen. Das kann bedeuten, dass
sich die Konstruktion der Realität mithilfe des kollektiven Imaginariums einer Person, die sich in
einer großer emotionalen oder räumlichen Distanz zu einer Sache befindet, deutlich von der Kon-
114 Castoriadis, Imaginary
115 Durand, imaginación
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 30
struktion der Realität einer Person die sich näher zu derselben befindet unterscheiden kann. Imagi-
narien haben Einfluss auf unsere täglichen Handlungen und bilden sich in unserer Kommunikation
ab. Sie können reproduziert, angezweifelt oder bestärkt werden. Damit sind sie dem Wandel der Ge-
sellschaft unterworfen und ihre Erklärungsmodelle müssen sich beweisen um bestehen zu können.
Das kollektive Imaginarium erfüllt innerhalb einer Stadt eine wichtige Funktion. Es hilft dabei sich
in einer immer komplexeren Welt zurechtzufinden.
Armando Silva hat in seinem Buch „Imaginarios Urbanos“ diese theoretische Grundlage auf den ur-
banen Raum übertragen und eine Methode entwickelt um sich dem Imaginären innerhalb einer
Stadt zu nähern. Dabei interessierten Silva auch die Territorien, die mentalen Stadtpläne und die
kulturellen Grammatiken, die ihrem Entstehen zu Grunde liegen. Neben dem physisch begreifbaren
Stadtplan, der den urbanen Raum in Straßen, Pfade, Haltestellen, Gebäude und Grünflächen einteilt
gibt es nach Silva auch einen mentalen Plan, der mit Geschichten, Erinnerungen und Gefühlen ver-
bunden ist. Silva sieht hier eine wechselseitige Beziehung: das physikalisch Fassbare hat Auswir-
kung auf das Symbolische, und ihre Repräsentation wiederum hat Einfluss auf den physikalischen
Raum:
[…] en una ciudad lo físico produce efectos en lo simbólico: sus escrituras y represen-
taciones. Y que las representaciones que se hagan de la urbe, de la misma manera,
afectan y guían su uso social y modifican la concepción del espacio.116
Dieser mentale Stadtplan ist für Andrés Salcedo, der sich mit der Kultur der Angst in Bogotá be-
schäftigt, geprägt von indirekter Information und wird angereichert mit Vorurteilen und Stereoty-
pen.117 Ein Ort in einer Stadt wird zum Beispiel mit einer bestimmten Geschichte oder einem be-
stimmten Geruch verbunden, ebenso wie die Menschen, die in diesem Ort wohnen oder sich dort
aufhalten. Die imaginäre Dimension kann also wichtiger sein als die real erfahrene. Ein Beispiel in
dem das urbane Imaginarium sichtbar wird, ist für Armando Silva die Vorstellung, dass das moder-
ne Bogotá ihren Ursprung im Mord von Gaitán hat:
[...] son los imaginarios urbanos los que habitan a sus ciudadanos, situación dispuesta
en el tiempo […] como la visión colectiva de que la Bogotá moderna nace con el mag-
nicidio de Jorge Eliécer Gaitán en 1948 […]118
116 Silva Téllez, Imaginarios, 26
117 Andrés Salcedo, „La cultura del miedo: la violencia en la ciudad,“ Controversia, Nr. 169 (1996): 102, zuletzt ge-
prüft am 01.06.2015, http://bibliotecavirtual.clacso.org.ar/Colombia/cinep/20100916105745/Laculturadelmie
118 Silva Téllez, Imaginarios, 199
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 31
Um das Verhältnis zwischen Realität und urbanen Imaginarium zu untersuchen, sei es nun auf Orte,
Geschichte oder Personengruppen bezogen, hat Armando Silva ein Modell entwickelt, in dem die
Variablen des Reellen und Imaginären zueinander in Beziehung gesetzt werde. Beim Beispiel von
Kriminalität und ihrer Wahrnehmung ergeben sich hieraus drei mögliche Beziehungen:
1. Die Realität ist stärker als das Imaginarium (Я¹=Iʳ)119: Situationen in denen die Realität stär-
ker als die Vorstellung innerhalb der urbanen Imaginarien sind, finden sich dann, wenn ge-
wisse Themen im öffentlichen Diskurs unterrepräsentiert oder gewisse Gruppen in der Öf-
fentlichkeit nicht oder nur zu geringem Teil wahrgenommen werden. Im Kontext der Krimi-
nalität könnte es bedeuten, dass Stadtteile oder konkrete Verbrechen viel problematischer
sind, als die kollektive Vorstellung über sie. Es würde bedeuten, dass die Bewohner der
Stadt das Problem der Kriminalität nicht ernst nehmen oder die Verwaltung und Polizei kei-
ne Maßnahmen zur Reduzierung dieser Kriminalität ergreift. Ein Beispiel wäre Gewalt in
Familien. Ein Verbrechen, was sich von offizieller Seite nur dann untersuchen lässt, wenn es
zur Anzeige kommt, und das in der Gesellschaft tabuisiert oder trivialisiert wird.
2. Das Imaginarium ist stärker als die Realität (Я²=R¹)120: Diese Situation liegen dann vor,
wenn die Vorstellung über den Umfang der Kriminalität und der Gefahr Opfer dieser zu
werden, wesentlich größer ist, als die objektive Gefahr, der man sich beispielsweise anhand
von Kriminalitätsstatistiken und Umfragen annähern kann. Dies ist ein klassisches Szenario,
das sich auch bei der Auswertung der empirischen Daten aus Bogotá beobachten ließ.
3. Eine Situation in der das Imaginarium und die Realität koinzidieren (Я³=(I≈R≈I'))121: Im
Beispiel der Kriminalität ein vermutlich nicht ungünstiger Zustand, in dem das Imaginarium
einen Stadtteil mit großer Gefahr assoziiert und dieser tatsächlich eine hohe Kriminalitätsra-
te aufweist. Das Imaginarium ist real, weil sich die Mehrheit der Gesellschaft die Realität so
vorstellt.
Auch wenn es ein Modell ohne scharfe Übergänge ist, so kann es doch helfen die Ausprägungen des
urbanen Imaginariums im Kontext der Kriminalität besser zu verstehen, so dass nun die Annähe-
rung an die Angst als Produkt dieses Imaginariums geschehen kann.
Kollektive Angst
Die Angst wird als das Produkt eines kulturellen Gedächtnisses verstanden, das Orte und Situatio-
nen mit Unbehagen oder Gefahr verbindet. Sie ist ein Gefühl, das wir alle schon einmal gespürt ha-
119 Ebd., 212
120 Ebd., 218
121 Ebd., 221
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 32
ben, aber dennoch ist es schwierig es einzufangen, es zu quantifizieren, es auszuwerten und zu stu-
dieren. Das was Angst genannt wird ist dabei nicht nur in ihrer individuellen, sondern auch in ihrer
gesellschaftlichen Auswirkung auf unsere Wahrnehmung, Handlung und Kommunikation innerhalb
einer Gruppe von Bedeutung. Sie wird häufig als ein Instinkt verstanden, der dem Menschen in ei-
ner konkreten Situation Handlungsanweisungen, wie beispielsweise Flucht, Verteidigung oder An-
griff bieten kann.
Elvira Maria Restrepo und Alvaro Jose Moreno fassen drei populäre Thesen über die Herkunft der
Angst vor Kriminalität zusammen:
1. Die Angst vor Kriminalität hängt unmittelbar mit dem Erlebnis zusammen Opfer eines Ver-
brechens gewesen zu sein oder in einer engen Beziehung mit jemandem zu stehen, der Opfer
eines Verbrechens geworden ist.122
2. Die Angst vor Kriminalität hängt mit der Ohnmacht jedes einzelnen zusammen, sein eigenes
Leben und das Verhalten der anderen Menschen in seiner Umgebung zu kontrollieren. Auf
Grund dieser Ohnmacht kann nicht verhindert werden Opfer eines Verbrechens zu wer-
den.123
3. Die Angst vor Kriminalität ist das Ergebnis der Interpretation der städtischen Umgebung.
Dabei wird davon ausgegangen, dass beispielsweise leerstehende Häuser, kaputte Straßen,
die Präsens von Obdachlosen, etc. dazu führe sich unsicher zu fühlen. Weitergedacht wird
diese These in der Broken-Window Theorie von Wilson und Kelling aus dem Jahr 1982, die
davon ausgeht, dass schon kleinere Unregelmäßigkeiten, wie eben zerbrochene Fenster oder
Graffiti einen Prozess beginnen können, der zur kompletten Verwahrlosung und zu einem
Anstieg von Kriminalität führen kann.124
Um mit der Angst in und vor der Stadt umzugehen, entwickeln ihre Bewohner eine Reihe von Stra-
tegien und Erklärungsmuster, die ebenso wie die Angst selber in einem kulturellen Prozess reprodu-
ziert werden. Im kolumbianischen Kontext hört man den Ausdruck „No dar papaya“, was im Deut-
schen am ehesten mit „Gelegenheit macht Diebe“ zu übersetzen ist. Dadurch kommt es zu einer Na-
turalisierung der Kriminalität. Den Opfern wird auf Grund ihres Verhaltens eine Teilschuld gege-
ben. Diesem Verständnis folgend dürfe man sich nicht wundern überfallen zu werden, wenn man
nachts alleine durch eine dunkle Straße geht. Ebenso wenig, dass einem das Mobiltelefon gestohlen
wird, wenn man im überfüllten Bus damit spricht. Im Umkehrschluss werden diese Vorfälle in kon-
krete Strategien übersetzt, wie man sich zu verhalten hat damit man eben nicht Opfer eines Verbre-
122 Restrepo und Moreno, „Bogotá,“ 169
123 Ebd.
124 Ebd.
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 33
chens wird. Im Zuge der Naturalisierung kann es auch zu einer Trivialisierung der Kriminalität
kommen, bei der aus einer Auseinandersetzung von Jugendlichen mit Messern und Schlagstöcken
eine bloße „Streiterei“125 wird, die von der Öffentlichkeit und von Zeugen in ihrer Schwere herun-
tergespielt wird.
Ferner kommt es in diesem Kontext auch zu einer Stereotypisierung von Gruppen und Stadtteilen
sowie zu einem prinzipiellen Misstrauen gegenüber Fremden. Bei der Begegnung mit einer Person
auf der Straße kommt es nach Hannerz zu einer konkreten Anwendung des vorherrschenden Imagi-
nariums. Der Vorgang, den sie „competencia callejera“ nennt, beschreibt wie der Gegenüber einer
Prüfung gemäß des Imaginariums unterzogen wird und als gefährlich oder vermutlich ungefährlich
eingestuft wird.126
Eine andere Strategie, zu der nicht alle Bewohner der Stadt Zugang haben, ist die steigende Privati-
sierung der Sicherheitsdienste. Wer es sich erlauben kann zahlt für die privaten Sicherheitsdienste,
die beispielsweise den Zugang zu Wohnhäusern kontrollieren. Dabei spielt in diesem Kontext auch
das geringe Vertrauen zum öffentlichen Sicherheitsapparat eine große Rolle. Auch das private Auto
verspricht mehr Sicherheit als der öffentliche Nahverkehr und wird so zu einer weiteren Strategie
zur Verringerung der Angst. Das eigene Auto ist ein weiteres Beispiel für eine „physikalische Bla-
se“, wie sie von Moreno und Restrepo angesprochen wurde (siehe Kapitel 2.2). Die Auswirkungen
auf das Leben in der Stadt sind in der Einschätzung von Niño Murcia fatal, da sie zu permanentem
Misstrauen und sozialer Isolierung führen:
Así se producen estados de prevención y sospecha permanente, de aislamiento y de in-
dividualidad, que dificultan lograr una vida amable en la ciudad.127
Niño Murcia nähert sich der Angst mit Bezug auf die ungarische Philosophin Agnes Heller an, die
die Angst als Affekt versteht, der stark expressiv und damit kommunikativ ist. Dies hat zur Folge,
dass man jemandem Angst ansehen kann und ferner, dass sie enorm „ansteckend“ ist.128 Das bedeu-
tet auch, dass man die Angst nicht selber in einer konkreten Situation erfahren haben muss, sondern
sie von anderen Menschen „lernen“ beziehungsweise mit ihr „infiziert“ werden könne. Sie ist also
nicht nur Produkt der eigenen Erfahrungen, sondern auch das Ergebnis eines kulturellen Prozesses,
der von der Erziehung, der Umgebung und den Medien beeinflusst wird. Der Zusammenhang zwi-
schen urbanem Imaginarium als Produkt eine kulturellen Prozesses und der Angst vor Kriminalität
125 Siehe dazu Jimeno 1994 in Salcedo, „cultura,“ 119
126 Hannerz 1981, zitiert in Salcedo ebd.
127 Soledad Niño Murcia, „Eco,“ in El miedo (s. Anm. 14), 200
128 Ebd., 193.
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 34
kann zu der paradoxen Situation führen, in der ein Fremder aus einem anderen kulturellen Kontext
in einer Stadt weniger Angst empfindet als ihre Bewohner:
Esto le da un carácter subjetivo a la interpretación del territorio, en donde la utiliza-
ción del territorio está dada por la mediación entre la idea que se interpone entre el es-
pacio y el ser humano, es una creación cultural y sólo se entienden sus códigos desde
donde se producen129
Teresa Caldeira stellt in ihrem Buch „City of Walls“ fest, dass die Angst vor Kriminalität und der
Austausch über Sie, nicht nur das kollektive Imaginarium reproduziert, sondern konkrete Auswir-
kungen in die Organisation des städtischen Raumes hat:
The fear and the talk of crime not only produce certain types of interpretations and ex-
planations (usually simplistic and stereotypical); they also organize the urban land-
scape and public space, shaping the scenario for social interactions, which acquire new
meanings in a city becoming progressively walled.130
Wenn die Angst also ansteckend ist und allein das Reden über Kriminalität den städtischen Raum
neu ordnen kann, dann scheint es nötig zu sein, dass Thema der Angst im Kontext der großen und
kleinen Kommunikationsmedien zu besprechen.
Medien und Kommunikation
Welche Gegenden, Menschen oder Situationen zu meiden sind lernen wir meist durch die Kommu-
nikation mit anderen. So sehen wir uns in der Lage unsere Einschätzung über beispielsweise einen
vermeintlich gefährlichen Stadtteil abzugeben, ohne ihn jemals selbst betreten zu haben. Bestäti-
gungen für unsere Einschätzungen finden sich in den großen Medien, die über Kriminalität in den
unterschiedlichsten Teilen der Stadt informieren.
Auf das Thema der mentalen Stadtpläne zurückkommend sagt Nestor Garcia-Canclini in einem In-
terview mit Alicia Lindon, dass es nötig ist eine Stadt anhand von zwei Stadtplänen zu untersuchen,
einem den er „physisch“ oder „real“ nennt, und einem anderen den die Massenmedien, die Kulturin-
dustrie und die Kommunikationsmedien zeichnen.131
129 Ebd., 204.
130 Caldeira, Teresa Pires do Rio, City of walls: Crime, segregation, and citizenship in São Paulo (Berkeley: Univ. of
California Press, 2000), Univ., Diss.--Berkeley, 20
131 Alicia Lindon, „Diálogo con Néstor García Canclini: ¿Qué son los imaginarios y cómo actúan en la ciudad?,“ Eure
33, Nr. 99 (2007): 92, zuletzt geprüft am 04.08.2015, http://www.scielo.cl/pdf/eure/v33n99/art08.pdf
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 35
In diesem Zusammenhang sind auch die Vorurteile und Stereotypen von Wichtigkeit, die in dem ur-
banen Imaginarium präsent sind und in den Massenmedien aufgegriffen werden. Im Kontext der
Untersuchung spielt der Einfluss der Medien für Nestor Garcia-Canclini besonders dann eine große
Rolle, wenn sie durch ihre Berichterstattung der Stigmatisierung von „schlechten“, oder „gefährli-
chen“ Stadtteilen Vorschub leisten (Siehe Ciudad Bolívar in Kapitel 2.1). Auch Armando Silva er-
kennt diesen Einfluss der Medien und spricht dabei von der „Satanisierung“ und „Verunglimpfung“
von bestimmten Orten:
A la realidad de los entornos físicos, los medios aportan un cubrimiento que contribuye
a generar juicios que denigran y satanizan ciertos escenarios132
Silva stellt ferner fest, dass die Unsicherheit eines der stärksten Imaginarien, vermutlich in ganz La-
teinamerika, ist und dass die Medien alles dafür tun diese Vorstellung aufrecht zu erhalten:
El tema de la inseguridad quizá sea el imaginario más fuerte que se manifiesta en las
ciudades de América Latina, y Bogotá no es la excepción. Este hecho es altamente ex-
plotado por los medios de comunicación, que llegan a hacer su mejor esfuerzo por de-
mostrar que las ciudades son en extremo decadentes.133
Der Kommunikationswissenschaftler Martin Barbero beschäftigt sich in seinem Artikel „Los Labe-
rintos Urbanos del Miedo. La ciudad entre medios y miedos“134 auch mit diesem Thema und wirft
der Medienlandschaft Bogotás vor, besonders jenen Menschen, die bereits große Angst haben sich
in der Stadt zu bewegen, die Bilder zu liefern, die ihr Imaginarium manifestieren:
Para unos bogotanos que desconfían de su ciudad, que la esquivan, que la caminan lo
menos posible, las imágenes de la ciudad que normalmente construye la televisión son
en gran medida reforzadoras de los imaginarios del miedo135
Aber nicht nur die großen Medien sieht Silva für diesen Effekt verantwortlich. Es sei auch, und das
ist im Kontext dieser Arbeit am wichtigsten, die alltägliche Kommunikation zwischen den Bewoh-
nern einer Stadt, die dazu führt, dass sich die Imaginarien, seien sie nun vorurteilsbehaftet, negativ
oder positiv, reproduzieren:
[…] los imaginarios sociales son la realidad urbana construida desde los ciudadanos136
132 Silva Téllez, Bogotá, 23
133 Ebd., 84
134 Martín-Barbero, „laberintos,“
135 Ebd., 74
136 Silva Téllez, Bogotá, 24
2. Imaginarien der Angst und Kriminalität Seite 36
Soledad Niño Murcia stimmt zu und betont, welche Auswirkung jedes Gerücht das in der Stadt im
Umlauf ist, bei der Reproduktion und Festigung des Imaginariums der Angst haben kann:
Consideramos que esta imagen de ciudad productora de miedo, responde en parte a los
hechos de violencia que se presentan, pero en gran medida responde al imaginario
creado a partir del flujo de información, tanto de los medios de comunicación, como
del rumor, el chisme, y la misma interacción que se establece con los grupos de sociali-
zación, mediante la recreación de sucesos y experiencias que a diario circulan por la
ciudad, reforzando la idea de ciudad peligrosa, violenta, y en general de ciudad que
produce miedo.137
Letzteres ist besonders im Kontext der Arbeit mit dem Kurznachrichtendienst Twitter von Bedeu-
tung. Denn bei Twitter sind nicht nur die großen Zeitungen, die politischen Parteien und die Promi-
nenten eines Landes vertreten, sondern vor allem sehr viele private Nutzer, die sich keiner genauen
politischen Agenda zuordnen lassen und die nicht von wirtschaftlichem Interesse getrieben werden.
Natürlich geht es auch bei Twitter um Auflage, genauer gesagt um die Vergrößerung seines Kreises
an Followern. Und es geht um Retweets, weil mit ihr nicht nur die Reichweite deutlich wird, son-
dern durch sie das soziale Kapital des Nutzers138 abgebildet werden. Die Interaktivität und Horizon-
talität der Kommunikationsform unterscheidet sich aber doch stark von den klassischen Medien.
Die Twitter-Nachrichten sollen daher als Artikulation des vorherrschenden Imaginariums innerhalb
einer Stadt verstanden werden. Die Annahme ist, dass sie ganz ähnlich wie die direkte Kommunika-
tion zwischen zwei oder mehr Personen einen Teil zur ihrer Konstruktion, Reproduktion und Mani-
festation beitragen. Dabei wird die Auswertung der Twitterdaten, die außerhalb eines wissenschaft-
lichen Kontexts auf natürliche Weise entstanden sind, mit dem Belauschen von Gesprächen im öf-
fentlichen Raum vergleichbar.
137 Soledad Niño Murcia, „Eco,“ in El miedo (s. Anm. 14), 191
138 Raquel Recuero, Ricardo Araujo und Gabriela Zago, „How,“ in International AAAI Conference on Weblogs and So-
cial Media; Fifth International AAAI Conference on Weblogs and Social Media (s. Anm. 26)
3. Angst und Kriminalität bei Twitter Seite 37
3. Angst und Kriminalität bei Twitter
3.1 Methodische Vorüberlegungen
Im Zentrum des im März 2006 gegründeten Kurznachrichtendienst Twitter steht der Austausch un-
ter den Nutzern mit sogenannten Tweets – Kurznachrichten, die nicht mehr als 140 Zeichen beinhal-
ten. Das US-Amerikanische Unternehmen Twitter zählt im dritten Quartal 2015 weltweit 307 Mil-
lionen aktive Nutzerkonten.139 Dabei hat Twitter eine interessante Entwicklung hinter sich. Konzi-
piert als ein öffentliches Tagebuch im Kurzformat entwickelte es sich durch die Implementierung
neuer Funktionen zu einer dynamischen Kommunikationsplattform und dem neben Facebook ver-
mutlich bekanntesten Social-Media Unternehmen. Die Plattform ist im Gegensatz zu Facebook
standardmäßig offen, das heißt dass man nicht angemeldet sein muss um Nachrichten und Benutzer-
profile zu lesen. Das Unternehmen stellt außerdem eine Programmierschnittstelle (API) zur Verfü-
gung mit der es möglich ist eigene Anwendungen zu entwickeln, die mit dem Dienst kommunizie-
ren und Zugriff auf den Daten-Stream der Twitternachrichten haben. Sie erlaubt die Integration in
andere Anwendungen und Dienste und ermöglicht es so, dass Marketingunternehmen oder Forscher
auf die zahlreichen Daten, die bei Twitter generiert werden, komfortabel zugreifen können.
Die Interaktion zwischen den Nutzern erfolgt mit Hilfe von Verweisen „@“ auf andere Nutzerprofi-
le und durch Gruppendiskussionen, die mit einer Raute „#“ eingeleitet werden. Es erlaubt außerdem
Inhalte durch sogenannte Retweets, die in der Regel mit dem Kürzel „RT“ eingeleitet werden, zu
teilen. Ähnlich wie bei Facebook ist es auch bei Twitter möglich bestimmte Nachrichten zu favori-
sieren und so für alle Nutzer seine Unterstützung sichtbar zu machen. Auch die Einbindung von Hy-
perlinks ist möglich, wobei auf Grund der Zeichenbegrenzung häufig ein Kurz-URL Dienst wie
zum Beispiel bit.ly oder goo.gl verwendet wird. Ein Twitternutzer hat die Möglichkeit anderen Nut-
zern zu folgen und bekommt daraufhin jede Nachricht dieses Nutzers in seiner persönlichen Timeli-
ne angezeigt. Die Timeline stellt eine personalisierte Übersicht aller Tweets aller gefolgter Nutzer
dar. Im Nutzerprofil eines jeden Nutzers wird die Gesamtanzahl der verfassten Tweets und die An-
zahl der Follower, also den Personen, welche die Tweets des Nutzers abonniert haben, angezeigt.
Die Anzahl von Followern wird häufig als Indikator für die Reichweite, Einfluss oder gar Beliebt-
heit eines Nutzerkontos verstanden.
139 Statista, „Anzahl der monatlich aktiven Nutzer von Twitter weltweit vom 1. Quartal 2010 bis zum 3. Quartal 2015
(in Millionen),“ zuletzt geprüft am 04.11.2015, http://de.statista.com/statistik/daten/studie/232401/umfrage/monatlich-
aktive-nutzer-von-twitter-weltweit-zeitreihe/
3. Angst und Kriminalität bei Twitter Seite 38
So hat die Zeitschrift Dinero140 im Jahr 2012 über die „einflussreichsten“ Twitter-Nutzer aus Ko-
lumbien berichtet und dabei die Anzahl ihrer Follower gemessen. Der vermeintliche Zusammen-
hang zwischen Einfluss und Anzahl der Follower wird häufig hergestellt und hat zur Folge, dass
eine große Anzahl von falschen Nutzerkonten existieren, die ausschließlich zu dem Zweck erstellt
wurden die Anzahl von Followern zu manipulieren und dadurch einen größeren Einfluss einer Per-
son zu suggerieren. Die Offenheit von Twitter für Fremdprogramme und die fehlende Regulierung
der Erstellung von Nutzerkonten begünstigt diese Entwicklung. Es wird davon ausgegangen, dass
lediglich 35% der Nutzer reale Personen sind141 und Follower lassen sich in Mengen zwischen 100
und 100.000 bequem bei Ebay oder anderen Webseiten kaufen142. Der Onlinedienst „fakers.status-
people.com“ erlaubt es Twitterkonten auf eben solche Manipulationen hin zu untersuchen. Anhand
der Liste aus der Zeitschrift Dinero hat sich nach einer Stichprobe des Bloggers Ricardo Galan er-
geben143, dass die Anzahl der gefälschten Followern bei den 10 meist-gefolgten Nutzerkonten von
kolumbianischen Politikern zwischen 5% und 31% liegt. Abzüglich der inaktiven Nutzerkonten
bleibt die Zahl der realen Nutzerkonten zwischen 19% und 55% der angezeigten Anzahl.
Bis zum Oktober 2013 wurden 17 Millionen Nutzerkonten in Kolumbien eröffnet - ein Viertel da-
von werden als aktiv vermutet144. Es lässt sich von etwa 4,4 Millionen145 aktiven Nutzern in Kolum-
bien ausgehen, was im Verhältnis zu der Einwohnerzahl Bogotás etwa 734.000 aktive Twitternutzer
bedeuten würde. Die Zahl von Nutzern in Bogotá wird im Jahr 2015 etwas höher liegen, da die Ver-
breitung von Twitter in städtischen Gebieten größer ist als auf dem Land und da Bogotá als Haupt-
stadt in der Medienlandschaft Kolumbiens eine wichtige Rolle einnimmt. Außerdem ist die Gesamt-
zahl der Twitternutzer weltweit seit Oktober 2013 um weitere 40 Millionen Nutzerkonten ange-
wachsen146 und es ist anzunehmen, dass einige der neuen Nutzer auch in Kolumbien leben. So wün-
schenswert es wäre eine verlässliche Schätzung über die Anzahl und Zusammensetzung der Twitter-
nutzer in Bogotá angeben zu können, so bleibt es letztlich im Zuge dieser Arbeit nicht von entschei-
140 Dinero, „Twitter manía,“ zuletzt geprüft am 18.05.2015, http://www.dinero.com/edicion-
impresa/caratula/articulo/twitter-mania/157358
141 Ian Urbina, „I Flirt and Tweet. Follow Me at #Socialbot.,“ zuletzt geprüft am 04.11.2015,
http://www.nytimes.com/2013/08/11/sunday-review/i-flirt-and-tweet-follow-me-at-socialbot.html?_r=1
142 z.B. bei http://www.buycheapfollowersfast.com/twitter/ (zuletzt geprüft am 4.11.2015)
143 Ricardo Galán, „Mis apuntes sobre la influencia en Twitter,“ zuletzt geprüft am 18.05.2015, http://libretadeapun-
tes.com/archivos/29941
144 Oscar Morales Guevara, „Estadisticas Twitter 2014 en colombia y el mundo,“ zuletzt geprüft am 18.05.2015,
http://www.oamg.co/blog/social-media/41-estadisticas-twitter-2014-en-colombia-y-el-mundo
145 Ebd.
146 Alex Wilhelm, „Here’s Twitter’s Slowing User Growth In One Chart,“ zuletzt geprüft am 18.05.2015, http://tech-
crunch.com/2015/02/05/heres-twitters-slowing-user-growth-in-one-chart/
3. Angst und Kriminalität bei Twitter Seite 39
dender Bedeutung. Die Verbreitung von Twitter und die Anzahl von Nutzern in der Hauptstadt ist in
jedem Fall als relevant hoch einzuschätzen.
Ein großes Problem im Kontext einer sozialwissenschaftlichen Arbeit ist die Anonymität und Frei-
willigkeit der Profilangaben. Jedem Nutzer steht es frei in seinem Profil einen Ort anzugeben. Diese
Ortsangabe ist außerdem absolut beliebig. Das heißt, dass ein Textfeld mit dem Namen „Ort“ jede
beliebige Eingabe zulässt, also an keinerlei Bedingungen seitens Twitter gebunden ist. Die Einga-
ben werden nicht mit einer Liste von real existierenden Orten abgeglichen und auch keiner Recht-
schreibkontrolle, bzw. sprachlicher Angleichung unterzogen. Auch wird seitens Twitter keine Über-
prüfung unternommen, ob der angegebene Ort tatsächlich mit dem aktuellen Aufenthaltsort überein-
stimmt. Dadurch ergibt sich im Zuge der Datenerhebung das Problem, dass nur dann ein Treffer ge-
neriert wird, wenn ein Benutzer „Bogotá“ (in dieser oder anderer Schreibweise147) in seinem Profil
als Aufenthaltsort angegeben hat. Außerdem lässt sich keine Angabe über Einkommen, Herkunft,
ethnischer Zugehörigkeit oder Geschlecht machen, außer der Nutzer teilt diese Information freiwil-
lig mit, aber selbst dann ergibt sich das Problem, dass die Richtigkeit der Angaben nicht überprüf
werden kann.
3.2 Datensammlung und Auswertung
Datensammlung
Um das Panorama der Angst in Bogotá zu untersuchen wurden im Zeitraum vom 29. Juni 2015 bis
zum 31. Juli 2015 Twitter Nachrichten gesammelt. Dabei speicherte ein Computerprogramm die
Nachrichten aus dem Live-Stream von Twitter anhand eines definierten Wörterbuchs. Jede Nach-
richt bei Twitter konnte so im JSON-Format, das Daten in einfachen Attribut-Wert Paaren struktu-
riert, heruntergeladen und zur weiteren Verarbeitung in eine Datenbank geschrieben werden. Das
Programm zur Datensammlung ist ein einfaches Pythonscript, das die Verbindung zum Live-Stream
herstellt und die Nachricht speichert, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: 1. der Twitternutzer hat
als Ort in seinem Profil „Bogotá“ angegeben und 2. der Nachrichtentext enthält mindestens eines
der Wörter aus dem Wörterbuch.
Das Wörterbuch wurde mit Begriffen der Gewalt, Kriminalität und Angst gefüllt und umfasste ins-
gesamt 208 Wörter148, darunter Substantive, Adjektive und Verben im Infinitiv und konjugierten Va-
rianten, wie zum Bespiel: „inseguridad“, „tiroteo“, „temer“, „robaron“. Die Daten wurden zur wei-
147 Insgesamt wurden 11 unterschiedliche Schreibweisen vom Programm zugelassen.
148 Die komplette Liste der Wörter und Zusammenstellung der Suchbegriffe ist im Anhang zu finden.
3. Angst und Kriminalität bei Twitter Seite 40
teren Verwendung in eine CouchDB-Datenbank gespeichert, die im folgenden per Logstash für die
Auswertung mithilfe von Elasticsearch vorbereitet wurden.
Die Aufbereitung der Daten zur Auswertung
Die Aufbereitung der Daten zur Auswertung wurde mit einer neuen Wortliste durchgeführt, die eine
Zuordnung in unterschiedliche Kategorien zuließ. Die gesammelten Tweets wurden im ersten
Schritt entsprechend ihres Nachrichteninhalts in zwei Kategorien eingeteilt:
• Angst und Misstrauen
• Kriminalität
Eine Zuordnung zu einer Kategorie fand immer dann statt, wenn ein Wort aus der Wortliste149 im
Nachrichteninhalt vorhanden war. Das bedeutet, dass eine Nachricht die ein Wort aus beiden Kate-
gorien enthielt, auch zu beiden zugeordnet wurde (und dies gilt rekursiv bis zur untersten Ebene der
Kategorisierung). Ein Tweet150, welcher der Kategorie „Angst und Misstrauen“ zugeordnet werden
sollte, enthielt beispielsweise das Wort „miedo“:
Volvimos a la época de escobar?Con miedo a que nos estalle una bomba en cualquier
ciudad?Qué tristeza , que falta nos haces @AlvaroUribeVel151
Tweets, die der Kategorie „Kriminalität“ zugeordnet wurden, enthielten ein Wort aus der Wortliste,
das auf einen konkreten Vorfall schließen lässt. Dabei wurde die Kategorie der Kriminalität noch
einmal in Unterkategorien aufgeteilt, um eine bessere Vergleichbarkeit mit den in 2.2 besprochenen
Ergebnissen herzustellen:
• Kriminalität
◦ Einkommensdelikte
▪ davon nur Raub / Überfälle
◦ Gewaltdelikte
▪ davon nur Mord
Folgender Tweet berichtet von dem Mord an einer Frau im Stadtteil Kennedy:
149 Siehe komplette Wortliste der Datensammlung im Anhang
150 Die hier zitierten Tweets enthalten den Nutzernamen des Twitter-Nutzers, den Zeitstempel wie er von Twitter über-
mittelt wurde und die einmalige Identifikationsnummer (id), welche die Nachricht innerhalb meiner Datenbank hat.
151 Tweet: JpabloSabogal; Sat Jul 04 23:59:11 +0000 2015; fb45ef25128e2bca5b8145bba2ec6ef5
3. Angst und Kriminalität bei Twitter Seite 41
Sujeto mató a puñal a su mujer en vivienda de Kennedy http://t.co/EOBPAV6FlR
http://t.co/Ud2nJ7ReG0152
Da diese Nachricht das Wort „mató“ enthält, findet es sich in der Unterkategorie „Mord“ der Unter-
kategorie „Gewaltdelikte“ der Kategorie „Kriminalität“ wieder.
Diese erste Einordnung der gesammelten Nachrichten ist notwendig, aber sie kann noch keine zu-
verlässigen Aussagen über das Thema von Angst und Kriminalität in Bogotá zulassen, wie man an
den folgenden zwei Tweets feststellen kann:
Me da miedo irme a cortar el cabello, las peluqueras de por aquí no entienden eso de
"Solo las puntas".153
@PulzoCol a mi papa lo robaron hace dos dias en medellin a una cuadra habia un cai
y el fue a pedir auxilio y el policia no hizo nada154
Der erste Tweet enthält zwar das Wort „miedo“, jedoch drückt die Nutzerin ihre Angst davor aus
zum Friseur zu gehen, um sich die Haare schneiden zu lassen, was nicht unmittelbar für diese Arbeit
relevant ist. Der zweite Tweet enthält das Wort „robaron“ und wurde daher der Unterkategorie
„Raub / Überfall“ zugeordnet, jedoch geht aus dem Inhalt hervor, dass sich der Vorfall in Medellin
und nicht Bogotá ereignete.
Um die Relevanz der gesammelten Tweets zu erhöhen und ihre räumliche Zuordnung zu ermögli-
chen, wurde im zweiten Schritt eine weitere Wortliste erstellt. Diese Wortliste enthält die Namen
der 19 Stadtteile155 im urbanen Stadtgebiet Bogotás, die Namen sonstiger unkonkreter Orte, die an-
hand der vorhergegangenen Studien (siehe Kapitel 2.2) identifiziert wurden, Transportmittel der
Stadt, Tagesangaben, sowie ausgewählte historische Schlagwörter, um einen Vergleich mit den Er-
gebnissen aus Kapitel 2.1 zuzulassen. Ein Tweet, der ein Wort aus beiden Listen enthält wird nun
als relevant betrachtet.
152 Tweet: AlertaBogota; Mon Jul 27 15:08:04 +0000 2015; 0ff54a997d19a823625cc397011b8619
153 Tweet: Luzrussi1127; Fri Jul 31 00:48:50 +0000 2015; d1da1a58b58da2631cfd8b4d5a02bef1
154 Tweet: gongorajuanc ; Tue Jul 07 02:09:36 +0000 2015 ; 9368f49b0d1734a23e2162798696fabe
155 Es gilt, für alle Wörter innerhalb der Wörterbücher, dass Groß- und Kleinschreibung, sowie Akzentuierung igno-
riert werden, dass heißt die Schreibweise des Stadtteils „usaquén“ wird genauso wie die Schreibweise „Usaquen“ ak-
zeptiert.
3. Angst und Kriminalität bei Twitter Seite 42
Dabei setzt sich der Suchterm aus 1. der Wortliste einer Kategorie, in diesem Beispiel Gewaltdelikte
und 2. einer Kontextangabe, in diesem Fall der Stadtteilname Kennedy zusammen. Der Suchterm
folgt der Apache Lucene Syntax156 und sieht folgend aus:
(matad? matando matar* mat? asesina* asesin? homicidio cuchillada*
pelea* riña* puñal*) AND Kennedy
Bei den Symbolen „?“ und „*“ handelt es sich um sogenannte „Wildcards“. Sie helfen den Such-
term möglichst kurz zu halten. Das „?“ ersetzt hier ein beliebiges zusätzliches Zeichen. Im Beispiel
„matad?“ also für sowohl das weibliche „matada“ also auch das männliche „matado“. Das „*“ für
kein oder beliebig viele Zeichen, so dass „matar*“ sowohl für den Infinitiv „matar“ als auch die 3.
Person Plural Indefinido „mataron“ ein Ergebnis liefert. Die Wörter in der Klammer stehen dabei,
der Aussagenlogik folgend, in disjunktiver Beziehung. Als Wortgruppe stehen sie mit dem Wort
Kennedy in einer konjunktiven Beziehung. Der Suchterm generiert also genau dann ein Ergebnis,
wenn eines oder mehr Wörter innerhalb der Gruppe und das Wort „Kennedy“ zusammen in einer
Nachricht gefunden wurden. Im folgenden Beispiel ist die Zuordnung des Vorfalls in eine Kategorie
fettgedruckt und das Signalwort, der örtlichen Zuordnung unterstrichen.
Sujeto mató a puñal a su mujer en vivienda de Kennedy http://t.co/EOBPAV6FlR
http://t.co/Ud2nJ7ReG0157
Bei der Auswertung der Daten wurden die Tweets, die nicht das Präfix für einen Retweet „rt“ tragen
gesondert untersucht. Dabei ist die Annahme das ein Tweet der kein Retweet ist eine bessere Aussa-
ge über die Häufigkeit eines Ereignisses liefern kann. Im Gegensatz dazu kann die Gesamtzahl der
Tweets einschließlich der Retweets eine bessere Aussage über die Relevanz eines Ereignisses zulas-
sen. Wenn beispielsweise ein Twitternutzer über einen Schusswechsel in seiner Nachbarschaft be-
richtet und 20 weitere Nutzer diesen Beitrag teilen, dann finden sich insgesamt 21 Tweets in der Da-
tenbank. Das heißt aber nicht, dass es 21 Schusswechsel gab. Erst wenn die Retweets ausgeschlos-
sen werden, erfolgt eine Annäherung an die tatsächliche Anzahl. Gleichzeitig bedeuten zwei Tweets
über eine Schießerei nicht, dass es auch zwei Schusswechsel gab sondern lediglich, dass zwei Quel-
len über einen Schusswechsel berichten. Dabei kann es sich um einen einzelnen Vorfall oder um
156 Die Dokumentation zur Syntax ist zu finden in: https://lucene.apache.org/core/2_9_4/queryparsersyntax.html (zu-
letzt geprüft am 4.11.2015)
157 Tweet: AlertaBogota; Mon Jul 27 15:08:04 +0000 2015; 0ff54a997d19a823625cc397011b8619
3. Angst und Kriminalität bei Twitter Seite 43
zwei unterschiedliche Vorfälle handeln.158 Dies ist von äußerster Wichtigkeit bei der Interpretation
der folgenden Daten.
Die Grenzen der entwickelten Methode liegen in der Erkennung von semantischen Sinnzusammen-
hängen innerhalb einer Nachricht. Da die Zuordnung der Tweets ausschließlich auf der Basis der
Kombination von zwei Wortlisten erfolgt, konnten einige Untersuchungen nicht angestellt werden.
Es ist beispielsweise nicht möglich gewesen einzelne Gruppen in ihrer Beziehung zueinander zu un-
terscheiden. Beispielsweise hätte die Suche nach dem Geschlecht allein keine Aussage zugelassen,
ob beispielsweise eine Frau das Opfer oder der Täter in einem Vorfall ist.
3.3 Vergleichende Analyse der Ergebnisse
Im Untersuchungszeitraum vom 29. Juni 2015 bis zum 31. Juli 2015 wurden mit Hilfe der Wortliste
insgesamt 192.942 Nachrichten von insgesamt 33.386 unterschiedlichen Nutzern gesammelt, die in
ihrem Nutzerprofil Bogotá als Standort genannt haben. Von diesen Nachrichten konnten 49% an-
hand des Präfixes „rt“ als Retweet einer anderen Nachricht identifiziert werden. In die besproche-
nen Kategorien: Angst und Misstrauen, Kriminalität, sowie in ihre Untergruppen ließen sich
112.590 Nachrichten einordnen. Eine Kontextualisierung gemäß dem Untersuchungsinteresse lie-
ßen 28.958 Nachrichten zu.
Im Durchschnitt wurden etwas mehr als 6029 Tweets am Tag gesammelt. Zu dem Spitzenwert von
9711 Nachrichten kam es am 2. Juli 2015, an dem es zwei Bombenanschläge im Zentrum Bogotás
gab159. Die verzeichneten Tiefstwerte von weniger als 4000 Tweets am Tag erklären sich jeweils
durch einen Ausfall der Datensammlungsstruktur vor Ort.
158 Tweets aus unterschiedlichen Quellen, die den gleichen Vorfall betreffen erscheinen in der Regel in kurzem zeitli-
chen Abstand zu einander und verwenden sehr ähnliche Wörter. Es wäre denkbar eine weitere Filterebene einzubauen,
die den zeitlichen Abstand und die verwendeten Worte überprüft und gegebenenfalls eine Annahme treffen kann, ob es
eine inhaltliche Übereinstimmung gibt und damit mit großer Wahrscheinlichkeit der gleiche Vorfall behandelt wird.
Schwieriger wird es, wenn beispielsweise am folgenden Tag die Täter eines Raubüberfalls über den berichtet wurde ge-
fasst werden. Da es in dieser Arbeit aber nicht darum ging ein Instrument zu entwickeln das kriminelle Vorfälle zuver-
lässig identifizieren kann ist es für das Ergebnis der Untersuchung nicht entscheidend zu wissen wie viele Vorfälle es
exakt gab. Eine Verbesserung der Filtermethode unter Berücksichtigung dieser Überlegungen wäre dennoch eine wert-
volle Ergänzung in Bezug auf die Genauigkeit der Ergebnisse.
159 El Tiempo, „Diez lesionados dejaron las dos explosiones en Bogotá,“ zuletzt geprüft am 04.11.2015, http://www.el-
tiempo.com/bogota/explosion-en-el-norte-de-bogota/16035782
3. Angst und Kriminalität bei Twitter Seite 44
Im Verlauf eines Tages lässt sich feststellen, dass rund um die Uhr Nachrichten verfasst werden -
besonders häufig jedoch zwischen 07:00 und 23:00Uhr. Eine Spitze ergibt sich dabei in der Regel
zwischen 08:00 und 09:00 morgens und zwischen 17:00 und 20:00 Uhr abends, wie aus der folgen-
den Abbildung 9 für die Tage vom 18.7 bis zum 21.7 zu entnehmen ist.
Abbildung 8: Diagramm – Übersicht Tweets pro Tag vom 29.6.-31.7.2015
Abbildung 9: Diagramm - Übersicht Tweets pro Stunde vom 18.7.-21.7.2015
3. Angst und Kriminalität bei Twitter Seite 45
Die Nutzer
Ehe die Vorfälle und die Geographie der Angst besprochen wird, soll ein kurzer Blick auf die Nut-
zer gerichtet werden, die im Untersuchungszeitraum am meisten Nachrichten zum Themenkomplex
verfasst haben. Wie im Vorfeld erwähnt, lassen sich mit Hilfe der Daten aus den Nutzerprofilen kei-
ne zuverlässigen Aussagen über Alter, Herkunft, Geschlecht oder soziale Schicht machen. Die In-
formationsfelder des Profils genügen den Voraussetzungen an eine maschinelle Auswertung nicht.
Doch auch wenn es auf automatisiertem Wege nicht möglich ist, so lässt sich doch auf traditionelle
Art, durch Aufsuchen des Nutzerprofils, Interpretation der Profilbilder und der Zuordnung der ver-
fassten Nachrichten, eine grobe Einordnung der Nutzer vornehmen.
Im Durchschnitt hatten die erfassten Twitternutzer 55 Follower, wobei der Spitzenwert bei mehr als
4 Millionen lag. Sie verfassten im Untersuchungszeitraum im Durschnitt 5,8 Tweets zum Untersu-
chungsthema. Der Nutzer „jealvarezb343“ mit 19.444 Followern hat jeden Tag im Schnitt 105
Nachrichten bei Twitter allein über das Thema Kriminalität und Angst in Bogotá verfasst und Nach-
richten zu diesem Thema geteilt. Mit einer Gesamtanzahl von 3364 Nachrichten hat er fast dreimal
soviele Tweets verfasst, wie das Nachrichtenportal mit dem Nutzernamen „LAFmNoticas“ mit 1234
Nachrichten bei 1.289.173 Followern.
3. Angst und Kriminalität bei Twitter Seite 46
Um einen genaueren Einblick in die Zusammensetzung der Nutzer zu erhalten, wurden die 100 Nut-
zer mit den meisten Beiträgen näher manuell untersucht.160 Diese 0,003% der Gesamtzahl der Nut-
zer haben zusammen 36.446 Nachrichten verfasst, was etwa 19% aller gesammelten Nachrichten im
Untersuchungszeitraum entspricht. Die Profile dieser besonders aktiven Nutzer wurden aufgerufen,
die freiwillige Beschreibung gelesen und die Profilbilder sowie die letzten Tweets und Retweets
zum Zeitpunkt der Stichprobe am 25.9.2015 betrachtet. Dabei ließen sich im Wesentlichen vier un-
terschiedliche Benutzergruppen identifizieren:
• Mit 62% waren die privaten161 Nutzerkonten in der Mehrheit.
• 24% konnten den Medien zugeordnet werden. Dazu gehören die Twitterprofile von Zeitun-
gen, Radio- oder Fernsehstationen und Programmen.
160 Die Auswertungsübersicht ist an die Arbeit angehängt.
161 Als privat gilt in diesem Kontext alles, was nicht eindeutig politisch oder kommerziell eingeordnet werden konnte.
Abbildung 10: Tabelle - 15 Twitter-Nutzernamen mit den meisten Nachrichten
unter Angabe der Anzahl ihres Höchstwerts an Followern
3. Angst und Kriminalität bei Twitter Seite 47
• 6% wurden den Auftritten von politischen Parteien oder Institutionen des Staates zugeord-
net.
• 5% der Konten wurden im Bereich des Marketing zugeordnet, wie beispielsweise Veranstal-
tungshinweise in Bogotá.
• Die restlichen 3% der Konten fielen in der Datenbank durch Spam auf und waren zur Zeit
der Stichprobe bereits gelöscht.
Von den 62 privaten Nutzern der Top 100 ließen 18 eine eindeutige politische Zuordnung zu. Diese
Nutzer nannten ihre politischen Ansichten in der freiwilligen Selbstbeschreibung in ihrem Profil
oder nutzten Profilbilder in denen sie deutlich Stellung zu Politikern oder Parteien nahmen. Der
Nutzer „jealvarezb343“ gab in seinem Twitterprofil eine Beschreibung über sich selbst an, die ihn
eindeutig als Anhänger des Ex-Präsidenten Álvaro Uribe Velasquez zu erkennen gab:
„DEFENSOR DE LOS VALORES DEMOCRATICOS – URIBISTA“162
Von den 18 eindeutig zuzuordnenden Nutzern bezeichnen sich insgesamt 15 als Uribisten oder Un-
terstützer der rechts-konservativen Partei „Centro Democratico“ von Álvaro Uribe.
Wenn man nicht nur die Beschreibung und die Fotos der Nutzer betrachtet, sondern auch die Tweets
und Retweets, die eine politische Einordnung zulassen, dann fällt auf, dass bei den 62 privaten Kon-
ten, welche die meisten Tweets zu dem Untersuchungsthema verfassten, eine konservative oder
rechts-konservative politische Einstellung zu erkennen war. In fast einem Viertel der Fälle äußerten
sich die Nutzer aber so differenziert, dass eine politische Einordnung nicht möglich war. Viele
Nachrichten und Profile ließen eine deutliche politische Gegnerschaft zum damaligen Bürgermeis-
ter Gustavo Petro zu, nicht aber eine eindeutige Zuordnung der Anhängerschaft.
162 https://twitter.com/jealvarezb343 (zuletzt geprüft am 9.11.2015)
3. Angst und Kriminalität bei Twitter Seite 48
Die Vorfälle
El 63% de los delitos contra el patrimonio es el hurto a personas, concentrado en Cha-
pinero. Algo tenemos que hacer en nuestra localidad.163
Bei der Kategorisierung der Tweets ließen sich 40.003 der Angst und 72.587 der Kriminalität zuord-
nen. In den Unterkategorien Einkommensdelikte finden sich 17.327 und bei den Gewaltdelikten
23.790 Tweets. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Nachricht über ein Gewaltdelikt im
Netzwerk häufiger geteilt wird mit 50,32% etwas größer als bei den Einkommensdelikten mit
48,06%. Es wurden 70 Untersuchungskontexte definiert, die wichtigsten davon die Stadtteile und
die unkonkreten Orte in einer Stadt. 15 % aller Tweets ließen sich in mindestens einen dieser Kon-
texte zuordnen. In 2001 Tweets wurde ein Stadtteilname genannt: Besonders häufig die Stadtteile
Suba und Santa Fé, sehr selten die Stadtteile Barrios Unidos, Los Mártires, Antonio Nariño und Ra-
fael Uribe Uribe, wie die Abbildung 12 zeigt.
163 Tweet: Elbayabuyiba; July 29th 2015, 09:24:00.000; 19be6792900e3792cf74317dd4bb88ca
Abbildung 11: Diagramm - Politische Einordnung der Top 100
Twitternutzer
Uribista
Konservativ
Liberal
Links
Sonstige
Unklar
3. Angst und Kriminalität bei Twitter Seite 49
Diese Übersicht hilft die allgemeine Bedeutung der Stadtteile im Kontext des Themas der Gewalt,
Kriminalität und Angst einzuschätzen. Je mehr Tweets ein Stadtteil aufweist, desto größer ist die
Übereinstimmung. Die geringe Anzahl an Tweets über die Stadtteile Antonio Nariño (5) und Los
Mártires (10) verwundert, da es sich bei diesen Stadtteilen, wie im Kapitel 2.1 und 2.2. besprochen,
um tendenziell problematische Stadtteile handelt.
Eine Annäherung an die Häufigkeit von kriminellen Vorfällen in den Stadtteilen wird durch die Ka-
tegorisierung mit Hilfe der Wortlisten und dem Ausschluss von Retweets erreicht.
Abbildung 12: Karte - Gesamtzahl der zugeordneten Tweets in den Stadtteilen
3. Angst und Kriminalität bei Twitter Seite 50
Insgesamt ließen sich dabei 377 Tweets identifizieren, die von konkreten kriminellen Vorfällen un-
ter Nennung des Stadtteilnamens berichten. Die einwohnerstarken Stadtteilen Suba, Kennedy, Bosa,
und Ciudad Bolívar an den Rändern der Stadt wiesen die größte Anzahl an Tweets auf. Die einkom-
mensstärkeren Stadtteile Usaquén und Chapinero erreichten mit jeweils 20 und 18 Tweets ein mitt-
leres Niveau, ebenso wie Engativá und Teusaquillo. Im Vergleich zu den Ergebnissen der Handels-
kammer fällt auf, dass die konfliktreichen Stadtteile Los Mártires, Tunjuelito und Antonio Nariño164
bei der Auswertung der Twitterdaten besonders selten genannt werden. Das nach der Handelskam-
mer konfliktarme Kennedy165 weist hingegen eine hohe Anzahl von Tweets über Kriminalität auf.
Die Ergebnisse bezüglich der Stadtteile La Candelaria und Fontibón sind sehr ähnlich. Da die Han-
delskammer die Kriminalität allerdings in Relation zu der Anzahl der Befragten angibt und eine sol-
che Betrachtung durch den Versuchsaufbau der Twitterdatensammlung nicht möglich ist, lässt sich
nicht eindeutig klären wodurch der Unterschied im Fall des Stadtteils Kennedy zustande kommt. Es
fällt jedoch auf, dass die Studie des CEASC, die über die absoluten Zahlen von kriminellen Vorfäl-
164 Cámara de Comercio de Bogotá, „Encuesta“, 6
165 Ebd.
Abbildung 13: Karte – Tweets über Kriminalität in den Stadtteilen
3. Angst und Kriminalität bei Twitter Seite 51
len Auskunft gibt, deutliche Parallelen zu der absoluten Anzahl an Tweets über Vorfälle in den
Stadtteilen aufweist. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass es in Suba und Kennedy am meisten
Raubüberfälle gibt, Usaquén und Santa Fé liegen hier im mittleren Bereich und sehr wenig sind in
La Candelaria und Antonio Nariño zu finden.166 Auch bei der Analyse der Twitterdaten ordnen sich
diese Stadtteile sehr ähnlich an, wie die Abbildung 14 zeigt:
Bei der Untersuchung der Tweets über Gewaltdelikte fällt auf, dass sich 76% aller gefundener
Nachrichten auf nur fünf Stadtteile: Bosa, Ciudad Bolívar, Kennedy, Santa Fé und Suba aufteilen.
Eben diese Stadtteile weisen auch in der Untersuchung des CEASC die größte Anzahl an begange-
nen Körperverletzungen auf.167 Im Unterschied zu den Gewaltdelikten fällt auf, dass sich die Ein-
kommensdelikte auf eine viel größere Zahl an Stadtteilen aufteilt.
166 Centro de Estudio y Análisis en Convivencia y Seguridad Ciudadana, „Balance“, 8–9
167 Ebd., 4
Abbildung 14: Tabelle – Gegenüberstellung von Tweets über Einkommensdelikten und Gewalt-
delikten in den Stadtteilen
3. Angst und Kriminalität bei Twitter Seite 52
Die Ergebnisse der Studie „Bogotá como vamos“ hat festgestellt, dass der Großteil der Morde im
Stadtgebiet in den drei Stadtteilen Ciudad Bolívar, Kennedy und Bosa stattfinden168. Diese Ergeb-
nisse bestätigt auch die Auswertung der Twitterdaten.
Die Angst
A esta hora en Transmilenio, cualquiera es sospechoso.169
Die Kartierung der Angst und des Misstrauens war ein besonderes Anliegen dieser Arbeit. Es konn-
ten insgesamt 351 Tweets über dieses Thema den verschiedenen Stadtteilen zugeordnet werden. Der
Stadtteil Suba im Nordwesten der Stadt führt die Rangliste mit 85 Tweets an. Auch die Stadtteile
Bosa (46) und Santa Fé (32) werden häufig zusammen mit einem Wort der Angst bei Twitter er-
wähnt. Sehr selten genannt wurden die Stadtteile Puente Aranda mit 2 Tweets, Antonio Nariño mit
einem Tweet und der Stadtteil Barrios Unidos, der nicht ein einziges Mal genannt wurde.
168 Carrasquilla, „Bogotá“, 128
169 Tweet: GigiMendozaN; Fri Jul 10 02:22:47 +0000 2015; 131b043bea0839f670f7e6b91a2b3c0c
Abbildung 15: Karte - Tweets über Angst in den Stadtteilen
3. Angst und Kriminalität bei Twitter Seite 53
Suba, Santa Fé und Bosa weisen in der Analyse der Twitterdaten eine hohe Anzahl an Tweets über
Kriminalität auf und werden auch in der Studie der Handelskammer stark mit dem Gefühl von
Angst assoziiert170. In der Studie wird Kennedy mit einem hohen Niveau an Angst in Verbindung
gebracht, die Auswertung der Twitterdaten ordnen den Stadtteil aber eher dem Mittelfeld zu, in dem
sich 7 der 19 Stadtteile befinden. Dass sich die Tweets nicht gleichmäßiger über die Stadtteile auf-
teilen, überrascht ein wenig. Es war zu vermuten, dass sich beispielsweise über den historisch und
aktuell konfliktreichen Stadtteil Ciudad Bolivar mehr Tweets zum Thema der Angst finden lassen.
Insgesamt konnten nur 10,5% aller Tweets, die von Angst und Misstrauen handeln, im städtischen
Raum kontextualisiert werden. Bei der Kriminalität waren es mit 14,9% deutlich mehr.
Immerhin 795 Tweets ließen sich unkonkreten, öffentlichen Orten innerhalb einer Stadt zuordnen.
Mehr als die Hälfte der Tweets enthielten einen Bezug zur Straße. Immerhin 16% der Tweets nen-
nen Parks im Kontext der Angst, (Super)Märkte und Läden folgen mit 12% und Haltestellen mit
9%. Die Fußgängerbrücken und Brachflächen, die in der Untersuchung der Handelskammer in je-
weils mehr als 15% der Fälle genannt wurden171, sind in den Twitterdaten kaum zu finden.
170 Cámara de Comercio de Bogotá, „Encuesta“, 42
171 Ebd., 35
Abbildung 16: Diagramm – Vergleich zwischen Tweets und Ergebnissen der Handelskammer zu
unkonkreten Orten der Angst
0,00%
10,00%
20,00%
30,00%
40,00%
50,00%
60,00%
Angst (Twitter)
Angst (Handelskammer)
3. Angst und Kriminalität bei Twitter Seite 54
Die Handelskammer hat beobachtet, dass 89% der Bewohner Bogotás Angst empfinden, wenn sie
den Transmilenio benutzen und 56% wenn sie in ein Taxi steigen.172 Bei der Untersuchung der Twit-
terdaten konnten 909 Tweets gefunden werden, die das Thema der Fortbewegung innerhalb der
Stadt mit Angst in Verbindung brachten. Dabei nannten 31,6% der Tweets den Transmilenio und das
angeschlossene Verbundnetzwerk SITP , 40,1% nannten das Taxi, 13,3% das Fahrrad und 14,9%
das Auto. Diese Ergebnisse lassen sich nicht unmittelbar miteinander vergleichen, aber sie zeigen
ein großes Misstrauen gegenüber der Fortbewegung im öffentlichen Nahverkehr auf. Einen Rück-
schluss auf Tageszeiten die besonders häufig im Kontext der Angst genannt wurden liefern insge-
samt 87 Tweets. Wenig überraschend wird in 80% der Nachrichten die Nacht mit einem Gefühl von
Angst assoziiert.
Das historische Gedächtnis
Die Versuchsanordnung der Twitterdatensammlung war nicht darauf ausgelegt das historische Ge-
dächtnis der Nutzer im Detail zu untersuchen. Dennoch ließen sich einige Spuren finden, die an die-
ser Stelle kurz illustriert werden sollen und so auch einen Ausblick geben können, welche Möglich-
keit die Twitterdaten bei der Betrachtung von Erinnerungskultur bieten könnten. Im Kapitel 2.1
wurde die historische Dimension der Angst in Bogotá rekapituliert. Dabei wurden Vorfälle und Per-
sonen identifiziert: Jaime Garzon, Gaitan, der Bogotazo, M-19. Auch in den Twitterdaten, die im
Untersuchungszeitraum gewonnen wurden lassen sich Spuren dieses historischen Gedächtnisses
wiederfinden. Mehr als 160 Tweets zeigen, dass das Vermächtnis von Pablo Escobar auch im Jahr
2015 noch deutlich zu erkennen ist. Sein Name wurde beispielsweise mit den Bombenanschlägen
vom 2. Juli oder auch mit der Flucht des mexikanischen Drogenboss Joaquín Guzman, des Sinaloa
Kartells in Verbindung gebracht:
Se fugó el Chapo Guzman,el mayor narco mexicano!!!esa historia ya la conocemos en
Colombia,con Pablo Escobar!!! #ChapoGuzman173
Auch die Stadtguerilla M-19 findet noch häufig Erwähnung bei Twitter, wobei hier besonders die
Vergangenheit des Bürgermeisters Gustavo Petro kommentiert wurde.
La #BogotaHumana de @petrogustavo es un homenaje al terrorismo del M19, lo demás
es carreta. https://t.co/VbFS28Roo6174
172 Ebd., 36
173 Tweet: MontesRubiel; Sun Jul 12 12:32:23 +0000 2015; 72a444481e366df2e008a80202bfcd22
174 Tweet: Manoloparis_; Sun Jul 12 16:50:17 +0000 2015; 72a444481e366df2e008a80202e6b28f
3. Angst und Kriminalität bei Twitter Seite 55
Auch zum Tod des Satirikers Jaime Garzón finden sich eine Reihe von Tweets:
Me imagino que Jaime Garzón echaba chistes buenos porque lo mataron. En Colombia
la gente no entiende los chistes buenos.175
Ebenso wie zum Korruptionsskandal des Carrusel de la contratación:
RT @LaSuperNea: Clara López = Secretaria de Samuel Moreno. Su esposo miembro
del Carrusel de la Contratación!! LADRONES DE BOGOTÁ!! https:/…176
Die Calle del Cartucho, das ehemalige Paradebeispiel für einen Ort der Angst in Bogotá ist hinge-
gen ebenso selten, wie die Person Galán, Gaitán und Pizarro zu finden.
175 Tweet: Marcodelenguaje; Sun Jul 19 23:02:54 +0000 2015; 7c8a0d26c0df750927892db33ff6bb38
176 Tweet: Marianaftv1; Mon Jul 20 16:52:57 +0000 2015; 5fe877132b74a5b0259216a1137847ec
Abbildung 17: Diagramm - Tweets mit Bezug auf das historische Gedächtnis
4. Fazit Seite 56
4. Fazit
Die kollektive Angst in Bogotá folgt einem historischen Narrativ, dessen Beginn die Ermordung
Jorge Elicier Gaitans ist. Die Stadt wurde dabei im Kontext des bewaffneten Konflikts von einem
Zufluchtsort zu einem weiteren Schauplatz der Gewalt. Personen wie Pablo Escobar reichern dieses
Narrativ der Angst und Gewalt an und werden als Teil der Populärkultur weit über das Land hinaus
bekannt. Auch wenn die Angst in der Hauptstadt Kolumbiens mit der Situation im ganzen Land zu-
sammenhängt, so konnte dennoch eine Annäherung an den mentalen Stadtplan der Angst in Bogotá
erreicht werden. Die lokalen Imaginarien einzelner Stadtteile, seien sie bestimmt von Drogenkrimi-
nalität wie in der Calle del Cartucho oder von kriminellen Jugendbanden in Ciudad Bolívar, sind
Teil einer Wirklichkeitskonstruktion, die sich nur schwer überwinden lässt. Die Entspannung der Si-
tuation im Hinblick auf die starke Verringerung der Kriminalitätsrate die zur Jahrtausendwende er-
reicht wurde, konnte nicht gleichzeitig zu einer ähnlich starken Verringerung der Angst führen. Im
theoretischen Rahmen dieser Arbeit wurde deutlich, dass die Angst vor Kriminalität auch von ande-
ren Faktoren neben der tatsächlichen Kriminalität beeinflusst wird. Es ließ sich feststellen, dass die
individuelle Ohnmacht Opfer von Kriminalität zu werden und die Ästhetik einer Stadt eine ebenso
wichtige Rolle spielen können. Doch besonders hervorzuheben ist die kulturelle Reproduktion der
Imaginarien der Angst, die Erziehung zur Angst, die Entwicklung von Strategien und Verhaltens-
weisen und der Austausch mit anderen Menschen. Anhand einer Vielzahl von Studien wurden die
zentralen Orte der Angst in Bogotá identifiziert. Es sind die bevölkerungsreichen Stadtteile der ein-
kommensschwächeren Bewohner am Rande der Stadt, aber es sind auch die Straßen, die Taxis und
die Busse, die Teil des Alltags vieler Menschen sind. Dabei zeigte sich, dass nur in wenigen Fällen
ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Kriminalität und Angst besteht.
Die Kommunikation über Kriminalität und Angst bei Twitter ist nicht bloße Reproduktion von Arti-
keln der Massenmedien, sondern weist eine hohe Anzahl von einzigartigen Nachrichten von Privat-
personen auf. Die große Anzahl an Kurznachrichten (192.942) zu diesem Thema, die in nur einem
Monat gesammelt werden konnten und die große Anzahl an Nutzern, die über dieses Thema we-
nigstens einmal geschrieben haben (33.386), sind ein Beleg für ihre gesellschaftliche Bedeutung.
Wie die Auswertung der Nutzerdaten gezeigt hat, scheinen die Themen Kriminalität und Sicherheit
besonders von Twitternutzern bedient zu werden, die dem rechten oder konservativem Parteien-
spektrum zuzuordnen sind. Es wäre über diese Arbeit hinausgehend interessant das Netzwerk dieser
Nutzer zu untersuchen, um festzustellen wer ihren Profilen folgt und ihre Beiträge teilt. Die Ergeb-
4. Fazit Seite 57
nisse der Datenauswertung weisen Parallelen zu den Ergebnissen der klassischen Verfahren auf. Die
Orte der Angst und Kriminalität, sowie die Verteilung der Vorfälle sind sehr ähnlich. Einige Symbo-
le der Angst konnten durch die Analyse der Twitternachrichten aber nicht bestätigt werden. So
scheint beispielsweise die Calle del Cartucho weitestgehend aus dem öffentlichen Diskurs ver-
schwunden zu sein. Es wurde deutlich, dass die Arbeit mit großen Datenmengen aus sozialen Medi-
en die sozialwissenschaftliche Forschung bereichern kann, aber auch dass es an einer wohl definier-
ten Methode fehlt. Einige Probleme sind der Natur des Kurznachrichtendienst mit ihren freiwilligen
Nutzerangaben geschuldet. Andere Probleme werden sich in Zukunft lösen lassen. Die Arbeit mit
einem Wörterbuch stößt immer dann an seine Grenzen, wenn komplexe semantische Aussagen ge-
troffen werden wollen. Um noch bessere Ergebnisse zu erzielen wäre die Implementierung einer se-
mantischen Suche nötig, welche die Textteile eindeutig einem Inhalt zuordnen kann. So könnten
beispielsweise genaue Opfer- und Tätergruppen unterschieden werden. Die maschinelle Interpretati-
on eines Nachrichteninhalts gilt aber immer noch als eine große Herausforderung im Umgang mit
digitalen Texten und kann in ihrem Aufwand und ihrer Komplexität nicht im Rahmen einer solchen
Arbeit geleistet werden. Um die Nutzung von Twitterdaten in den Sozialwissenschaften voranzu-
treiben und die Funktionsweise der Programme zu erweitern, wäre es wünschenswert auf ein Repo-
sitorium an Werkzeugen und Programmen zurückgreifen zu können. So würde vermieden werden,
dass jeder Interessierte die grundlegende Arbeit von Neuem erledigen muss. Das im Kontext dieser
Arbeit entwickelte Programm zur Sammlung der Twitterdaten wird auch deshalb zur freien Verfü-
gung177 gestellt.
Die untersuchten Twitterdaten stammen vom Juli 2015 als der Wahlkampf zum Bürgermeisteramt in
Bogotá begann. Der politische Diskurs im Wahlkampf sollte keine herausragende Bedeutung für
diese Arbeit haben, aber dennoch ist deutlich geworden, dass das Bürgermeisteramt in der kolum-
bianischen Hauptstadt eine besondere Rolle einnimmt. Im historischen Gedächtnis und in der Refle-
xion über den Wandel zum Ende der 90er Jahre sind vor allem die kulturellen und städtebaulichen
Maßnahmen der Amtszeiten von Mockus-Peñalosa-Mockus in guter Erinnerung geblieben. In die-
sem Kontext und auf Grund der zuletzt geringen Zufriedenheit mit der Arbeit von Gustavo Petro ist
es also wenig überraschend, dass Enrique Peñalosa mit der Unterstützung von Antanas Mockus178,
die Wahl zum Bürgermeisteramt im Oktober 2015 erneut gewinnen konnte. Das Ergebnis ist ein
Zeichen dafür, dass sich viele Bewohner Bogotás einen Wandel wünschen, wie ihn diese beiden
177 https://github.com/mpoppe/collect_tweets
178 La Semana, „Mockus y Peñalosa: la nueva alianza,“ zuletzt geprüft am 04.11.2015, http://www.semana.com/naci-
on/articulo/antanas-mockus-se-adhiere-la-campana-de-enrique-penalosa/446169-3
4. Fazit Seite 58
Bürgermeister zum Ende der 90er Jahre erreicht haben. Längst ist beschlossen, dass das System des
Transmilenio durch eine Metro ergänzt werden soll. Peñalosa steht also erneut vor der Aufgabe den
öffentlichen Nahverkehr zu verbessern. Im Hinblick auf das Thema der Sicherheit ist die heutige Si-
tuation jedoch nicht mit der Situation der 90er Jahre vergleichbar. Die Mordrate hat bereits ein nied-
riges Niveau erreicht und es bleibt fraglich, ob Peñalosa eine Strategie finden wird, um die Anzahl
an Einkommensdelikten deutlich zu senken.
5. Literaturverzeichnis Seite 59
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6. Abbildungsverzeichnis Seite 64
6. Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Foto - La calle del cartucho 1997 von Jorge Parga. In: Góngora und Suárez 2008, 20
............................................................................................................................................................14
Abbildung 2: Foto - Antanas Mockus im Wahlkampf. Quelle: The Telegraph..................................17
Abbildung 3: Wandbild - Jaime Garzon in der Universidad Nacional de Colombia, 15.9.2013, Quel-
le: Luisr2692 Wikimedia....................................................................................................................19
Abbildung 4: Diagramm - subjektive Opferzahlen und Angst. In (Restrepo und Moreno 2007, 179)
............................................................................................................................................................23
Abbildung 5: Karte - Prozentsatz der Verbrechen, die zur Anzeige gebracht wurden. In (Cámara de
Comercio de Bogotá 2014, 11)...........................................................................................................25
Abbildung 6: Diagramm - Opferzahlen und Unsicherheitsgefühl in den Stadtteilen.........................26
Abbildung 7: Diagramm - Zufriedenheit unter den letzten 6 Bürgermeistern. In (Carrasquilla 2014,
12).......................................................................................................................................................28
Abbildung 8: Diagramm – Übersicht Tweets pro Tag vom 29.6.-31.7.2015.....................................45
Abbildung 9: Diagramm - Übersicht Tweets pro Stunde vom 18.7.-21.7.2015.................................45
Abbildung 10: Tabelle - 15 Twitter-Nutzernamen mit den meisten Nachrichten unter Angabe der
Anzahl ihres Höchstwerts an Followern.............................................................................................47
Abbildung 11: Diagramm - Politische Einordnung der Top 100 Twitternutzer.................................49
Abbildung 12: Karte - Gesamtzahl der zugeordneten Tweets in den Stadtteilen...............................50
Abbildung 13: Karte – Tweets über Kriminalität in den Stadtteilen..................................................51
Abbildung 14: Tabelle – Gegenüberstellung von Tweets über Einkommensdelikten und Gewaltde-
likten in den Stadtteilen......................................................................................................................52
Abbildung 15: Karte - Tweets über Angst in den Stadtteilen.............................................................53
Abbildung 16: Diagramm – Vergleich zwischen Tweets und Ergebnissen der Handelskammer zu un-
konkreten Orten der Angst..................................................................................................................54
Abbildung 17: Diagramm - Tweets mit Bezug auf das historische Gedächtnis.................................56
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Gesamtanzahl *
Gesamtanzahl (ohne Retweets) * -rt
Angst
Angst (ohne Retweets)
Kriminalität
Kriminalität (ohne Retweets)
Einkommensdelikte
Einkommensdelikte – Raub (asalt* atrac* hurto* robad? robando robar* rob?)
(asalt* atrac* hurto* robad? robando robar* rob?) -rt
Gewaltdelikte
Gewaltdelikte (ohne Retweets)
Gewaltdelikte – Mord (matad? matando matar* mat? asesina* asesin? homicidio)
(matad? matando matar* mat? asesina* asesin? Homicidio) -rt
Antonio Nariño Antonio AND Nari?o
Barrios Unidos Barrios AND Unidos
Bosa Bosa
Chapinero Chapinero
Ciudad Bolívar Ciudad AND Bol?var
Engativá Engativ?
Fontibón Fontib?n
Kennedy Kennedy
La Candelaria Candelaria
Los Mártires M?rtires
Puente Aranda Puente AND Aranda
Rafael Uribe Uribe Rafael AND Uribe
San Cristóbal San AND Crist?bal
Santa Fe Santa AND Fe
(angustia* asustad? desconfianza incertidumbre inquiet* insegur* miedo* p?nico peligro* preocup* p?nico recelo riesgo sospech* susto temer temo*)
(angustia* asustad? desconfianza incertidumbre inquiet* insegur* miedo* p?nico peligro* preocup* p?nico recelo riesgo sospech* susto temer temo*) -rt
(amenaz* asalt* asesina* ataca* atac? ataque atrac* chantaje* criminal* delincuen* delito dispar* estafa extorsi?n* homicido hurto* ladr?n* maleante? matad? matando matar* mat? robad? robando robar* rob? secuestr* tiroteo* vandalismo v?ndal* violencia cuchillada* pelea* riña* puñal*)
(amenaz* asalt* asesina* ataca* atac? ataque atrac* chantaje* criminal* delincuen* delito dispar* estafa extorsi?n* homicido hurto* ladr?n* maleante? matad? matando matar* mat? robad? robando robar* rob? secuestr* tiroteo* vandalismo v?ndal* violencia cuchillada* pelea* riña* puñal*) -rt
(asalt* atrac* hurto* robad? robando robar* rob? secuestr* chantaje* estafa extorsi?n*)
Einkommensdelikte (ohne Retweets)
(asalt* atrac* hurto* robad? robando robar* rob? secuestr* chantaje* estafa extorsi?n*) -rt
Einkommensdelikte – Raub (ohne Retweets)
(matad? matando matar* mat? asesina* asesin? homicidio cuchillada* pelea* riña* puñal*)
(matad? matando matar* mat? asesina* asesin? homicidio cuchillada* pelea* riña* puñal*) -rt
Gewaltdelikte – Mord (ohne Retweets)
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Suba Suba
Teusaquillo Teusaquillo
Tunjuelito Tunjuelito
Usaquén Usaqu?n
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Park parque*
Fußgängerbrücke puente* AND peatonal*
Haus und Wohnung (vivienda casa piso)
Haltestelle (paradero* estaci?n* terminal*)
Geldautomat cajero*
Einkaufszentrum centro* AND comercial*
Straße calle*
Stadtteil localidad*
Nachtleben (bar bares discoteca*)
Stadtviertel barrio*
Restaurants und Cafes (restaurante* café*)
Brachflächen potrero*
Supermärkte, Läden (*mercado* tienda*)
Universität universidad*
Schule escuela*
SITP und Transmilenio (sitp transmi*)
Omnibus (nicht SITP) buseta*
Taxi taxi*
Fahrrad bici*
Auto (autom?vil* coche* carro*)
Tagsüber ("durante el día" "de día" "durante el dia" "de dia")
Nachts ("por la noche" "de la noche" "de noche")
Morgens ("de la mañana" "por la mañana")
Frau mujer*
Mann hombre*
Drogenabhängige drogadict*
Obdachlose indigente* "habitante de calle" "habitantes de calle"
Afro-Kolumbianer afro* OR negro*
Indigene ind?gena* OR indio*
Jorge Eliécer Gaitán Jorge AND Eli* AND Gait?n
M-19 "M19" "M-19"
Carlos Pizarro Leongómez "Carlos Pizarro"
Pablo Escobar "Pablo Escobar"
Luis Carlos Galán „Luis Carlos Galán“
Jaime Garzón Jaime AND Garz?n
Carrusell de la contratación Carrusel AND contrataci?n
Calle del Cartucho Cartucho OR Bronx
Andrés Pastrana Arango Andr?s AND Pastrana
Jaime Castro Castro "Jaime Castro"
Antanas Mockus Sivickas Mockus
Enrique Peñalosa Londoño Peñalosa
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Luis Eduardo Garzón "Luis Eduardo Garzón" OR "Lucho Garzón"
Samuel Moreno Rojas "Samuel Moreno"
Gustavo Petro Urrego Petro
angustia
amenaza
amenazada
amenazado
angustiada
angustiado
ansiedad
ansiosa
ansioso
aporrear
aporreo
aporreo
arma
armas
asaltada
asaltado
asaltando
asaltar
asaltaron
asalto
asaltó
asco
asustada
asustado
atacada
atacado
atacando
atacar
atacaron
atacó
ataque
atracada
atracado
atracador
atracadores
atracando
atracar
atracaron
atraco
atracó
borracho
borrachos
chantaje
chantajeada
chantajeado
chantajeando
chantajear
criminal
criminal
criminales
criminales
criminalidad
cuchillada
cuchilladas
delincuencia
delincuente
delincuente
delincuentes
delincuentes
delito
delitos
desasosiego
desconfiada
desconfiado
desconfianza
desconfiar
desconfio
disparar
dispararon
disparo
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disparos
drogadicta
drogadicto
drogadictos
drogas
drogradictas
escama
escamada
escamado
espanto
estafa
extorsion
extorsión
extorsionada
extorsionado
extorsionando
extorsionar
herida
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heridos
hurto
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incertidumbre
indigente
indigentes
inquieta
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insegura
inseguridad
inseguro
ladron
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ladrones
lesion
lesión
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lesionando
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lesionaron
lesionó
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maleantes
matada
matado
matando
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miedo
miedosa
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mosqueado
mosqueo
narco
narcotraficante
narcotrafico
oscura
oscuridad
oscuro
pandilla
pandillas
pánico
pelea
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peligro
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peligroso
policia
policía
policias
policías
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preocupado
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preocupo
ratero
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repugnante
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robaron
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ruido
ruidoso
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seguridad
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Perfil Oficial - Ministerio de Defensa Nacional de la República de Colombia. Ministro Luis Carlos Villegas
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Economista. Profesor Asociado de @UniJaveriana Analista de @RCNLaRadio Director de @CERAC
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Como caballero del aire aprendí el valor de la libertad, como militar el valor del honor y la lealtad, por eso como estudioso del derecho, lucho por la equidad.
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Disfruto burlandome de los uribistas y de cualquier otro que defienda delincuentes.
E r k l ä r u n g
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Masterarbeit selbständig verfasst und
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erstellt habe. Ich habe keine anderen Quellen als die angegebenen benutzt und habe
die Stellen der Arbeit, die anderen Werken entnommen sind - einschl. verwendeter
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(Unterschrift)