Umgang mit Heterogenität als komplexe Anforderungen an das Lehrerhandeln Beate Wischer...
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Umgang mit Heterogenität als komplexe Anforderungen an das Lehrerhandeln
Beate Wischer (Universität Osnabrück)
Unterschiede nutzen –
Gemeinsamkeiten stärken
Heterogenität als Chance sehen
und nutzen
Es ist normal verschieden
zu sein!
LehrerInnen/ReferendarInnen
Über den aktuellen wissenschaftlichen Diskurs informieren
Reflexionsangebote für den eigenen Umgang mit Heterogenität bereitstellen
Vorgehen1) Der aktuelle Diskurs zum Umgang mit
Heterogenität 2) Anforderungen an Lehrkräfte3) Probleme der Professionalisierung (incl. GA) 4) Perspektiven für das eigene Handeln
Ziele und Vorgehen
I Ausgangspunkt:
Es gibt einen breiten schulpädagogischen Diskurs zum Thema „Heterogenität“
Im Zentrum stehen 1. die Unterschiede zwischen SchülerInnen einer
Lerngruppe in ihrer Bedeutung und ihren Konsequenzen für den Unterricht didaktische Ebene
2. die Organisation des dt. Schulsystems strukturelle Ebene
Ernst Christian Trapp, Versuch einer Pädagogik, Berlin 1780
Ein altes Problem …
„Immer wird der Erzieher das Problem aufzulösen haben: Wie bearbeitest Du den rohen Geist der Jugend am
besten? (…) Wie machst Du aus einem jeden Kopf und Herzen, was daraus werden kann? (…). Und besonders:
Wie hast Du dies alles anzufangen bei einem Haufen Kinder, deren Anlagen, Fähigkeiten, Fertigkeiten,
Neigungen, Bestimmungen verschieden sind, die aber doch in einer und eben derselben Stunde von Dir erzogen
werden sollen?“
Vielfalt an Merkmalen
Komplexitätsproblem
Problemlösungsstrategie
Reduzieren: Homogenisierung von Lerngruppen (Systemebene)
Ignorieren: Orientierung des Unterrichts am „Mittelkopf“ (Unterrichtsebene)
„Ein weiterer Bereich, in dem ich ebenfalls einen dringenden Handlungsbedarf sehe, ist der Umgang mit Heterogenität. (…) In
der Verbesserung des Umgangs mit Differenz liegt vermutlich die eigentliche
Herausforderung der Modernisierung des System “
Prof. Dr. Jürgen Baumert (2002) vom MPI Berlin;
wiss. Leiter des dt. Teils der PISA-Studie 2000
mit neuen Problemen
Aktuelle Bedeutung des Themas
„PISA-Schock“: Schlechte Lernleistungen trotz Homogenisierung Alamierend hohe Zahl schwacher SchülerInnen Enger Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und
sozialer Herkunft Erfolge anderer Länder
„gefühlte“ Zunahme an Heterogenität (Migration, Individualisierung…)
Stärkerer Fokus auf das Subjekt Konstruktivistische Lerntheorien/Neurodidaktik
„Aufleben“ alter schulkritischer und reformerischer Traditionen
Forderung nach neuen Strategien …
Nicht mehr Reduzieren und Ignorieren, sondern Akzeptieren:Reflektierter Umgang und produktive Nutzung
Anforderungen an Lehrkräfte
Wahrnehmung/Einstellung
Förderdiagnostik/ Leistungsbeurteilung
Didakt.-methodische Unterrichtsgestaltung
Kooperation
imUmgang mit Heterogenität
(…)
Wahrnehmung: Von einzelnen
Verschiedenheitsdimensionen zur „generalisierten Verschiedenheit“
Bewertungsebene: Vom Problem zur Chance und Bereicherung
Konsequenz: Verändertes Rollenbild
Wahrnehmung und Einstellung
Abschied vom …
Optimale Anpassung der Lernwege, -inhalte, -zeiten und -ziele an den jeweiligen Entwicklungsstand (adaptiver Unterricht)
Differenzierte Lerndiagnosen Individualisierung und Differenzierung
Mehr selbstständigkeitsorientierte und kooperative Lernformen
Lernberatung und individuelle Unterstützung
Didaktisch-methodische Gestaltung
Nun die Gretchenfrage …
Wer von Ihnen bewertet die Heterogenität der
Lerngruppen als Bereicherung? gestaltet seinen Unterricht
differenziert und individualisiert?
Probleme der Professionalisierung
Binnendifferenzierung ist für mich das Wort des schlechten Gewissens. Das heißt… von daher negativ besetzt. Seitdem ich an der Gesamtschule bin, spukt dieses Wort immer rum und für jedes
Problem heißt es dann, wenn irgendwas auf die Tagesordnung kommt, was aus einer heterogenen Schülerschaft entspringt, da
kommt immer das Wort Binnendifferenzierung. Und auch jetzt wieder aktualisiert in den letzten 10 Jahren, wo ich verstärkt mit der Referendarsausbildung zu tun hab. Auch für die Referendare ist es das Zauberwort – Binnendifferenzierung. Und
das führt immer dazu, dass jeder Lehrer das Gefühl hat, da gibt es etwas, einen Anspruch, der an mich gestellt wird, die Quadratur des Kreises, die ich schaffen soll, aber ich tue es nicht, also bin ich ein
schlechter Lehrer.
Herr G. (55), seit 28 Jahren Lehrer an einer Gesamtschule
Probleme der Professionalisierung
„Wenn man nach Heterogenität fragt, nach Umgang mit Heterogenität, kommt innere Differenzierung,
Binnendifferenzierung, und das sind solche Hammerbegriffe, mit denen die Fachleiter auch häufig nicht umzugehen wissen. Ich
hatte mich im Rahmen des Fachseminars und des Hauptseminars mit der Binnendifferenzierung auseinandergesetzt, und das Feld, die Literatur – jeder schreibt sein Zeugs dazu, was da alles auf
dem Markt herumschwirrt, ist erstaunlich“.
Referendarin X aus dem Studienseminar Bielefeld
Was sind die Probleme?
Grundsätzlich: Idealistisch-reformerische Erwartungen
Idealisierung und Polarisierungsfalle
Defizitärer Ist-Zustand Idealer Soll-Zustand
Homogenisierung durch Negativauslese
Bestmögliche Förderung durch heterogene Gruppen
Unterricht wird gleichschrittig auf „Mittelköpfe“ ausgerichtet; Unter- und Überforderung
Maßnahmen der inneren Differenzierung sorgen für eine optimale Passung für jeden
SchülerInnen sind passiv u. unmotiviert
Aktive, motivierte SchülerInnen
LehrerInnen sind nur an der Gruppe, nicht am individuellen Kind orientiert
Das einzelne Kind mit seinen Bedürfnissen steht im Vordergrund
Leistungsfeststellungen dienen der Bewertung u. Selektion
Leistungsfeststellungen dienen der Diagnose und Förderung
Was sind die Probleme?
Grundsätzlich: Idealistisch-reformerische Erwartungen Reduzierte Problemsicht
Pädagogische Aufgaben vs. gesellschaftliche Funktionen von Schule
Ignorierung unterrichtlicher Komplexität Idealisiertes Lehrerbild (…)
Was sind die Probleme?
Speziell: Einstellung u. Wahrnehmung sowohl
biografisch wie auch strukturbedingt Grundsätzliche pädagogische Weltbilder Gruppenunterricht/Problem von Gleichheit
und Differenz Hohe Kompetenzen
„Adaptive Lehrkompetenz“*
Sachkompetenz: reichhaltiges, flexibel nutzbares Sachwissen, in dem man sich leicht und rasch geistig bewegen kann
Diagnostische Kompetenz: Lernvoraussetzungen u,- bedingungen (Vorwissen, Lernweisen, -tempo, -schwächen) und Lernergebnisse können bezogen auf Lerngegenstand zutreffend eingeschätzt werden
Didaktische Kompetenz: Beherrschung u. kompetenter Einsatz eines reichhaltigen Methodenspektrums
Klassenführungskompetenz: Klassen so führen können, dass sich die Lernenden aktiv, anhaltend und ohne Störungen lernen können
* Beck et al.: Adaptive Lehrkompetenz (2008)
Probleme der Professionalisierung – die Ausbilderperspektive (Projekt TIPP)
Gruppendiskussionen mit Haupt- und FachseminarleiterInnen des Studienseminars
Gruppendiskussion mit ReferendarInnen Forschungsinteresse:
Welchen Stellenwert hat das Thema „Heterogenität“ in der Ausbildung
Welche Ziele und Maßnahmen der Professionalisierung gibt es?
Welche Probleme werden wahrgenommen?
Ergebnisse für die AusbilderInnen
Heterogenität als wichtiges Thema, das aber zu „kurz“ kommt;
Hintergrund sind viele grundsätzliche Probleme der Ausbildung (z.B. Zeit; Beurteilungsverhältnis)
Aber auch spezielle Probleme Überforderung
Kompetenzentwicklung bei LehrerInnen*
Stufe I: „Survival stage“ sich selbst das Problem sein Ziel: Überleben im KlassenzimmerStufe II: „mastery stage“ Unterrichtssituation ist das Problem; Übergang vom
Ich- zum Situationsbezug Ziel: Beherrschen der UnterrichtssituationStufe III: „routine stage“ die Schüler und ihre individuellen Nöte/Interessen,
Übergang zu pädagogischer Perspektive Ziel: erzieherische Verantwortung im Blick auf das
Wohl der SchülerInnen
* Stufenmodell von Fuller & Brown (1975)
Ergebnisse für die AusbilderInnen
Heterogenität als wichtiges Thema, das aber zu „kurz“ kommt;
Hintergrund sind viele grundsätzliche Probleme der Ausbildung (Zeit; Beurteilungsverhältnis)
Aber auch spezielle Probleme Überforderung Rezepte vs. Reflexionswissen „Persönlichkeit“ als sensible Faktor
Perspektiven für das eigene pädagogische Handeln
Ein paar vorsichtige Tipps ...
Einige Dilemmata ...
Fremdrestriktionen vs. Selbstrestriktionen Umfassende Praxis von Differenzierung vs.
Überforderung/Risiken des Scheiterns Umgang mit Heterogenität als Überforderung
vs. Einschleifen „falscher“ Routinen Wunsch nach Rezepten vs. professionelle
Kompetenz („reflektierender Praktiker“)
Erste Schritte
Reflexion des eigenen Handlungsspielraums(eigene Kompetenz, aktuelle Entwicklungsaufgaben, schul. Rahmenbedingungen etc.)
Auswahl der „richtigen“ MentorInnen Empfehlungen und Instrumente nicht als Maßstab, aber
als Fundgrube nutzen Kompetenzraster Formen kooperativen Lernens
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