Über psychische symptome bei multipler sklerose des gehirns und rückenmarks

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Uber psyehische $ymptome bei multipler Sklerose des fiehirns und Riickenmarks. Von Dr. Ernst Bloeh, Nervenarzt in Kattowitz O.-S. ( Eingeganyen am 13. Juli 1910.) Psychische StSrungen bei multipler Sklerose sind seit langer Zeit bekannt. Sie tragen meist den Charakter der Demenz, die abet hie so hochgradig ist, wie bei der Krankheit, welche ihren Namen yon der Demenz hat, bei der Dementia paralytiea. Sehwierigkeiten in bezug auf die Differentialdiagnose bieten beide Krankheiten, der Demenz wegen, wohl kaum noch, es miiSte denn sein, wie es einige Male beobachtet und dutch den anatomisehen Befund erwiesen ist, dab beide Krank- heiten nebeneinander vorkommenl). AuBer dieser Demenz sind in den letzten Jahren auBer den, eigent- lich bei keiner multiplen Sklerose fehlenden, sog. ,,hysterischen" Sym- ptomen auch Zust~nde beobachtet worden yon akuten Erregungs- und Verwirrtheitszust~nden, yon Aphasie und GrSi]enideen. Etwas seltener sind paranoide Zust~nde beschrieben worden, ich verweise auf die Ar- beiten von t~eke und Lannois2). Wegen der Seltenheit des Vorkommens will ieh hier einen Fall ver- 5ffentlichen von ,,paranoiden Zust~nden" bei multipler Sklerose, den ich im letzten Jahr zu beobachten Gelegenheit hatte. Zun~hst eine Bemerkung fiber den Ausdruek: paranoide Zust~nde. Diese Zust~nde haben natiirlich nichts zu tun mit der Paranoia K r a e p e- lins oder der Dementia paranoides desselben Autors. Die Paranoia Kraepelins -- vorl~tufig mu$ man sich doch, um das Verst~ndnis zu erleichtern, des einmal feststehenden Ausdrueks bedienen, trotz aller Sturml~ufe, welehe dagegen gefiihrt werden -- wiirde eine Sch~rfe und 1) Vgl. die Arbeit yon Spielmeyer: Uber einige Ahnlichkeiten zwischen progressiver Paralyse und multipler Sklerose. Diese Zeitschr. Orig. I, 660. 1910. 2) R~c ke, Vierteljahrssehr. f. gerichtl. Medizin 34. 1907. Derselbe, ttysteri- forme Zust/s Aphasie, Erregungs- und Verwirrtheitszust~nde, GriiBenideen. Archiv f. Psych. u. Nervenkrankh. 4~. 1906. Lannois, Troubles psychiques d~ns un e~s de scl~ro~e en pl~que~. Rev. neur. Nr. 17. 1903. Uber p~rano'ide Zust~nde bei M. scl. Seiffer, Archiv fiir Psychiatrie B. 40.

Transcript of Über psychische symptome bei multipler sklerose des gehirns und rückenmarks

Uber psyehische $ymptome bei multipler Sklerose des fiehirns und Riickenmarks.

Von

Dr. Ernst Bloeh, Nervenarzt in Kattowitz O.-S.

( Eingeganyen am 13. Juli 1910.)

Psychische StSrungen bei multipler Sklerose sind seit langer Zeit bekannt. Sie tragen meist den Charakter der Demenz, die abet h ie so hochgradig ist, wie bei der Krankheit , welche ihren Namen yon der Demenz hat, bei der Dementia paralytiea. Sehwierigkeiten in bezug auf die Differentialdiagnose bieten beide Krankheiten, der Demenz wegen, wohl kaum noch, es miiSte denn sein, wie es einige Male beobachtet und dutch den anatomisehen Befund erwiesen ist, dab beide Krank- heiten n e b e n e i n a n d e r vorkommenl) .

AuBer dieser Demenz sind in den letzten Jahren auBer den, eigent- lich bei keiner multiplen Sklerose fehlenden, sog. ,,hysterischen" Sym- ptomen auch Zust~nde beobachtet worden yon akuten Erregungs- und Verwirrtheitszust~nden, yon Aphasie und GrSi]enideen. Etwas seltener sind paranoide Zust~nde beschrieben worden, ich verweise auf die Ar- beiten von t ~ e k e und L a n n o i s 2 ) .

Wegen der Seltenheit des Vorkommens will ieh hier einen Fall ver- 5ffentlichen von ,,paranoiden Zust~nden" bei multipler Sklerose, den ich im letzten Jahr zu beobachten Gelegenheit hatte.

Z u n ~ h s t eine Bemerkung fiber den Ausdruek: paranoide Zust~nde. Diese Zust~nde haben natiirlich nichts zu tun mit der Paranoia K r a e p e- l i n s oder der Dementia paranoides desselben Autors. Die Paranoia K r a e p e l i n s - - vorl~tufig mu$ man sich doch, um das Verst~ndnis zu erleichtern, des einmal feststehenden Ausdrueks bedienen, trotz aller Sturml~ufe, welehe dagegen gefiihrt werden - - wiirde eine Sch~rfe und

1) Vgl. die Arbeit yon Spie lmeyer : Uber einige Ahnlichkeiten zwischen progressiver Paralyse und multipler Sklerose. Diese Zeitschr. Orig. I, 660. 1910.

2) R~c ke, Vierteljahrssehr. f. gerichtl. Medizin 34. 1907. Derselbe, ttysteri- forme Zust/s Aphasie, Erregungs- und Verwirrtheitszust~nde, GriiBenideen. Archiv f. Psych. u. Nervenkrankh. 4~. 1906. Lannois , Troubles psychiques d~ns un e~s de scl~ro~e en pl~que~. Rev. neur. Nr. 17. 1903. Uber p~rano'ide Zust~nde bei M. scl. Seiffer , Archiv fiir Psychiatrie B. 40.

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Genauigke i t des logischen Schlusses und ein ausgebi ldetes Sys tem voraussetzen, das bei der mul t ip len Sklerose i m m e r fehlt , bei der Demen t i a paranoides desselben Autors t r i t t die D e m e n z wieder mehr in den Vordergrund, wie sie bei der mul t ip len Sklerose wohl nur in den le tz ten Stadien , wenn i iberhaupt , beobach te t wird.

Gemeinsam ist be iden K r a n k h e i t e n mi t den paranoisehen Zus t s nur der sog. B e z i e h u n g s w a h n , der aber s t s und logiseher aus- gebi lde t ist bei der Pa rano ia , sehws und jeder Logik en tbeh rend bei der D e m e n t i a paranoides .

Der Fal l , den ieh im folgenden besehreiben will, zeigt wieder e inmal deut l ich, welehen Sehwier igkei ten m a n m i t u n t e r bei E r h e b u n g der Anamnese - - welche ja fiir den Nervena rz t h/iufig a l l e s bedeu te t - - ausgesetz t ist.

Im Jahre 1909 suehte mich ein junger, krs gebauter Mann yon 26 Jahren auf mit der Angabe, er habe gestern nachmittag einen Weinkrampf gehabt. Auf meine Frage naeh Dauer, Ursache usw. des Weinkrampfes wurde mir die Ant- wort, es ws ganz plStzlich und ohne Ursache fiber ihn gekommen. Die Frage, ob er so etwas sehon mal gehabt habe, wurde verneint. Als ich reich nach seinem vergangenen Leben erkundigte, ob er schon friiher nervSse Symptome gehabt h~tte, gab er an: Jetzt nicht, aber er sei vom Miht/~r im gahre 1906 entlassen worden wegen ,,Nervenkrankheit". Auf meine eingehenden Erkundigungen kam folgen- des heraus, etwas stockend, aber durchaus nicht anffi~llig:

Es w/~re seinen Vorgesetzten eine gewisse Ungeschickliehkeit aufgefallen, die zuerst getadelt, dann als ,,Schlappheit" aufgefallt wurde, und die schliel31ich zu einer Uberfiihrung ins Lazarett gefiihrt h~tte, yon wo er schlieBlieh wegen ,,Nerven- krankheit" entlassen worden sei. Es sei ihm auch 6fters aufgefallen, dal~ er bei ls danernden Ms h/s Schwindel und Miidigkeit 1) verspiirt habe, er habe aber nicht darauf geachtet, sondern geglaubt, ,,es miisse so sein". Weitere Fragen naeh Heredits Schlaf, Sehfis Verlangsamung im Sprechen usw. werden mit fast stereotypem ,,Nein, j e t z t nicht" beantwortet. Weiter war aus ihm nichts herauszubekommen.

Die kSrperliche Untersuchung ergab: Die linke Pupille deutlieh welter wie die rechte, beide iibermittelweit, Abblassung der temporalen H/s der Papillen bei Sehsch/irfe = 5/5, sehr starke Knochenreflexe bei Fehlen der Hautreflexe, Sehwindel gesteigert bis zum Umfallen beim Zusammenstellen der FiiBe schon bei offenen Augen, starkes Flattern bei Augenschlu$, gewisse Unsicherheit beim Gehen mit gesehlossenen Augen, Puls von 100. Sensibilit/~t besonders an den Beinen etwas vermindert, links mehr wie rechts, dagegen Warm- und Kalt- empfindung beiderseits gleich.

Ich stellte die Diagnose auf multiple Sklerose, gab ihm zuns Tct. Valeriana und bestellte ihn auf den n/ichsten Tag zusammen mit seinem Schwager wieder, um mit demselben Riieksprache fiber die weiterhin anzuwendende Therapie zu nehmen. Als ich ihm das Rezept iibergab, glitt ein spSttisches L/icheln fiber seine Ziige u n d e r sagte: ,,Das haben sie mir sehon mal gegeben, in U . . . miinde."

Ich war natiirlich iiberrascht und machte ihm Vorwiirfe, dal~ er mir vorher irgend etwas verschwiegen hatte usw., was er sich alles mit demselben spSttischen

1) Ober das Miidigkeitsgeffihl als e r s t e s Symptom der multiplen Sklerose siehe Mii l ler , Neurol. Centralbl. 1905, Nr. 13.

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IAicheln wie vorher anhSrte. Als ich ihn fragte, warm er in U . . . mfinde gewesen sei, sagte er, wieder mit demselben L~cheln: ,,In der Anstalt d i r e k t nicht ." Ich: Sie haben mir doeh aber gesagt, dab Sie in der Anstalt gewesen wEren. ,,Ja, ich weiB nicht, ob ich in der Anstalt war, aber es kommt mir so vor, als ob ieh v o n d e r A n s t a l t aus b e o b a c h t e t w i i rde . " Wer hat Sie denn beobachtet? ,,Na, die J4xzte." Kennen Sie denn die Jt~rzte persSnlich? ,,Nein, das nicht. Abet es ist real einer im Laden gewesen, wo ich in Stellung war, und da sagten die Leute, es were ein Arzt aus der Anstalt ." Warum sind Sie denn beobaehtet wor- den? ((J%erlegen l~chelnd): ,,Ja, das weiB ich auch nieht, aber es wird wohl sehon so gewesen sein." Warum denn? ,,Ich weiB nicht." Waren Sie auBerdem noeh in einer Anstalt? ,,Ja, in S . . . wedel und in E . . . en." Auf meine Entgegnung, dab in diesen StEdten keinerlei Anstalt und, soviel ieh wiiBte, auch kein Arzt were, der sieh mit der unmittelbaren Behandlung von Geisteskrankheiten be- fasse, wurde mir zur Antwort: ,,Es ist mir aber so vorgekommen."

Weiter war an diesem Tage nichts aus dem jungen Mann herauszubekommen, auf alle Fragen hatte er dieselbe Antwort und dasselbe L~cheln: ,,Mir ist es abet so vorgekommen."

Als ich ihn am nEchsten Tage in Begleitung seines Sehwagers wiedersah - - der die Erkrankung, besonders den psychischen Teil, ziemlich leicht nahm und mir fiberlegen 1Echelnd die weiteren Mitteilungen machte - - erhielt ich folgende Mitteilungen: Sein Sehwager hEtte die ,,Einbildung", in einer Irrenanstalt ge- wesen zu sein, seit etwa einem halbert Jahr, spr~iche sich aber wenig darfiber aus. Er sei aus seinen versehiedenen Stellen durchaus freiwillig fortgegangen und h~itte die verschiedenen Posten stets zur Zufriedenheit seines jedesmaligen Chefs aus- geffihrt. DaB er in den drei genannten StEdten in SteUung gewesen were, stimme. Von seiner Erkrankung als Soldat wisse er nichts Genaues, nehme aber an, sie sei infolge einer Die n s t be s c h E d ig u ng erfolgt, da sein Schwager Pension beziehe. Zu irgendwelcher UnzutrEgliehkeit habe die sonderbare Geistesrichtung seines Schwagers n i e geffihrt, auch sei sein Schwager fleiBig und arbeitsam. Er arbeite jeden Tag auf dem ihm gehSrigen Gartengrundstiick, nur in der letzten Zeit nicht, da er immer mfide sei. - - Zwei Brfider seines Schwiegervaters seien in einer Pro- vinzialirrenanstalt gestorben.

Die nochmals genau an mehreren Tagen aufgenommene Anamnese ergab jetzt folgendes Resultat: Als Kind immer gesund gewesen. Das Gymnasium habe er bis Obertertia besucht, sei aber aus dieser Klasse nach 11/2 Jahren im Alter von 18 Jahren abgegangen, weil ihm fremde Spraehen schwer gefallen seien, und yon dort sei er naeh U. in die Lehre gekommen. In U. habe er 3 Jahre gelernt, es were ihm nichts aufgefallen. Von U. sei er direkt zum MilitEr gekommen, wo sieh sein Dienst, sein Lazarettaufenthalt und seine Entlassung in der oben ge- schilderten Weise abgespielt babe. Auf der Tafel fiber seinem Bett habe ,,Nerven- krankheit" gestanden, aueh wEhrend seiner MilitErzeit habe er nichts bemerkt, besonders seien die MilitErErzte nett und freundlich zu ihm gewesen.

Nach U. in seine Lehrstelle zurfickgekehrt, sei ihm zum ersten Male der Ge- danke gekommen, dab er y o n de r A n s t a l t aus beobaehtet wfirde: Es w~ren 5fter Patienten der Anstalt, die auswErts in Pflege gewesen w~ren, in den Laden, wo er bedienstet war, gekommen, h~tten sich Tabak oder sonst irgendeine Kleinig- keit gekauft und ihn so s o n d e r b a r dabei angesehen; auch sei ihm aufgefallen, dal~ diese Patienten genau dieselbe Mfitze wie er getragen h~tten. Er hEtte sich natiirlich nie in ein GesprEch mit ihnen eingelassen, aber es w~re ihm so vorgekommen, als wenn sie auf ihn gesehen herren, ein paarmal h~tten sie auch mit einem Seiten- bliek auf ihn a u s g e s p u c k t . Er h~itte zuerst nicht darauf geachtet, als es aber sich wiederholte, sei es ihm aufgefallen, abet ohne dal3 er sich dariiber irgend-

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welche Gedanken gemaeht h/itte. Er h/itte sich dann mit den Leuten n/iher unter- halten, und da h/itte er yon einem erfahren, dall er, d. h. der betreffende Patient, yon der Anstalt mit elektrisehen Apparaten aus beobachtet wiirde. D ies h a b e i h m zu d e n k e n g e g e b e n , und er sei endlich zu dem Resultat gekommen, dall er a u e h yon der Anstalt beobachtet wfirde, zu welchem Zweck und wer das getan habe, konnte er sieh nieht erkl/iren. Best/itigt wurde sein Verdaeht noch da- durch, dalt mehrere J~rrzte yon der Anstalt, die sich Zigarren einkauften, sich mit ihm fiber ganz gleichgiiltige, femliegende Dinge unterhielten, was sie sonst n ie getan h/itten. Auch sei der Direktor der Anstalt kurze Zeit, nachdem er zur K l a r - h e i r gekommen war, in den Laden gekommen und habe zu dem Assistenten, der mit ihm war, gesagt: ,,Ja, ja, es wird sehon so sein" und habe dazu v i e l s a g e n d mit dem Kopfe genickt.

Alle diese und die folgenden J~ugerungen kamen nicht etwa stockend oder verlegen heraus, sondem ziemlich im Zusammenhange und fliegend. Er w/ire auch ein paarmat drin in der Anstalt gewesen, besehrieb den Waehsaal usw. ganz genau, und nannte auch den Namen des Leiters, Geheimrat K . . . ganz genau.

Er ging dann noeh 3/4 Jahr fort aus U . . . miinde, nicht etwa, weil er be- obachtet wiirde oder sonst irgendwie Zwistigkeiten gehabt h/itte, sondern einzig und allein aus dem Grunde, well er das 1/ingere Stehen hinter dem Ladentische nicht h/itte aushalten kSnnen. Er ging dann naeh S., wo sich nach einer kleinen Weile dasselbe Spiel wiederholte, n/imlich die Beobachtung durch dortige Arzte, obwohl er zugab, dab er mit den dortigen J~rzten nie andere als gleiehgfiltige Worte gewechselt habe. Auf Befragen nannte er die Namen der Arzte in S. richtig, wie durch den Reiehsmedizinalkalender festgestellt wurde. Nach einem halben Jahr g i n g e r yon dort weg nach Hause, blieb eine Weile zu Hause und ging dann zu seinem Schwager nach K. in der angegebenen Weise.

Nach der A r t der Beobaehtung gefragt, ob durch Maschinen, Telephon usw., wird in bestimmter Weise versichert, dab die Beobachtung persSnhch sei, nicht durch irgendwelche Apparate. Er mache den J~rzten keinerlei Vorwurf, im Gegen- tell ; er wisse sr ungef/ihr einem Jahre auch, wer ihn beobaehte bzw. beobaehten lasse: n/imlieh sein Vater, aus Furcht, dab ihm etwas ~hnliehes passieren kSnnte, wie seinen beiden Onkels. Sein Vater sei ja doch die einzige Person, die ein Interesse an seiner Gesundheit habe, sonst niemand. Es sei ihm vor einem Jahre ganz plStz- lich aufgefallen, wie ein ,,Blitz" sei es fiber ihn gekommen. Er h/itte sich nie seinem Vater oder seinem Schwager gegenfiber ausgesprochen, auch sei es ihm nicht welter peinlich, im Gegenteil, er sei seinen Verwandten dankbar fiir die Fiirsorge.

Ferner gab er auf Fragen wie: ob er sich fiir ein untergeschobenes Kind, ffir etwas Besonderes halte, ob noeh andere Leute mit im Spiel seien, ob er sich bewul~t w/ire, etwas begangen zu haben, in bestimmtem Tone eine v e r n e i n e n de Antwort.

Mehr war aus dem Patienten nicht herauszubringen. Er war einige Wochen in meiner Behandhmg und verlieB reich dann, um eine Stellung als Volont/ir auf einem Gute in seiner Heimat anzunehmen; dort soll es ihm nach Aussage seines Schwagers ganz gut gehen, nur klage er noch von Zeit zu Zeit fiber ein Miidig- keitsgefiihl.

Die Erscheinungen der multiplen Sklerose waren zur Zeit seines Wegganges unver/indert.

Fiir die P a r a n o i a im Sinne von K r a e p e l i n fehlt - - 3 Jahre nach Beginn der abnormen Geistesrichtung - - das feste System, das logische Aneinanderreihen yon Sehliissen, bei welchen nur die Unterlage eine falsehe ist. Anf~inge dazu sind zwar vorhanden, aber nur unsichere.

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Die abnorme Geistesriehtung f~ngt zwar genau so an, wie beim Para- noiker (Ausspueken, Blicke weehseln usw.), bleibt aber, nachdem dureh Naehdenken sieh die Beobachtung dutch den Vater ergeben hat, dabei stehen, geht nieht welter. Zweitens f eh l t die Betonung der Unlust, die beim Paranoiker nie fehlt; er empfindet das Motiv, aus dem die Beobaehtung entsprungen sein soUte, nieht als etwas L~tiges, sondern im Gegenteil, er ist dankbar ffir die Beobachtung. Die 4 Jahre h~tten femer sieher wohl genfigt, ein festes System bei ihm aufzubauen: da- yon ist aber anscheinend keine Rede, wenn man nur naeh den AuBe- rungen des Sehwagers geht und die des Patienten, gewissermaSen als Partei in der Saehe, ganz aus dem Spiel l~l~t.

Ffir Dementia paranoides sprieht aueh nichts, nieht einmal fiir einen Sehwachsinn, den man gewShnlich bei der multiplen Sklerose beobaehtet. Er weil~ fiber aUes gut Beseheid, fiber seinen frfiheren Beruf, maeht sich keine iibertriebenen Vorstellungen fiber seine Zu- kunft, seine Sehulbildung entsprieht der eines yon Obertertia ab- gegangenen, seine Merkf~higkeit ist eine gute, ebenso das Ged~ehtnis. Es fehlt die Neigung zu Verstimmungen - - die Weinkr~mpfe sind ja bei multipler Sklerose etwas ganz GewShnliehes - - , ferner die Neigung zur Euphorie, es fehlen, oder vorsiehtiger ausgedriickt, sind nieht naeh- zuweisen die Sinnest~uschungen.

Ob nun diese abnorme Geistesrichtung, die Beobachtung durch den Vater, etwas der multiplen Sklerose Eigentiimliches ist, oder ob hier eine besondere geistige Erkrankung vorliegt, wage ieh auf Grund e ines Falles nicht zu entseheiden. Die Angaben in der Literatur (s. o.) sind ziemlieh sp~rlich; ich mSchte aber auf Grund der Angaben yon L a n n o i s das erste annehmen.