Über die Wirkung von Apocodein auf das Froschherz

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Io Aus dem Pharmakologisehen Institut der Medizinischen Akademie DUsseldorf. Uber die Wirkung yon Apocodein auf das Frosehherz. Yon Paul Peters. (Mit 4 Kurven.) (Eingegangen am 17. VII. 1926.) Die bisherigen Angaben tiber die pharmakologisehe Wirkung des Apocodeins 1) schwanken erheblich, was offenbar auf Verwendnng un- reiner Pr~parate zuriickzufUhren ist. Vor knrzem hat Krayer 2) tiber ein neues Handelspri~parat berichtet, das an den fur den Apoeodein- effekt charakteristischen Angriffspunkten eine etwa ftinffach st~rkere Wirkung besitzt als die bisher nntersuchten Pr~parate. Die Herz- wirkung ist in den Untersnchnngen Krayers nicht niiher analysiert; wir haben es daher unternommen~ mit dem gleiehen Pr~iparat 3) die Frage eingehend zn nntersnehen. Die Versuehe hierzn wurden ans- gefiihrt mit Temporariaherzen an der Straubschen Kantile, znm Tell auch in Suspension nach Engelmann in] Februar und April 1926. Wirkung auf das intakto Herz. Die Angaben Krayel"s tiber die Wirkung der versehiedenen Gift- konzentrationen auf das Eskulentenherz k~nnen wir am Temporal'ia- herzen bet~tigen. Bei Apoeodeinkonzentrationen yon 1 : 40--50000 tritt in den meisten F~llen leiehtes Ansteig'en der Hubh~hen ein, das aber nach kurzer Zeit abgelSst wird durch allmKhliches Absinken der GipfelhShe unter gleichzeitigem geringen Abnehmen der Frequenz. Bei 1 : 30000 fiillt meistens das erste Stadium der positiven Inotropie 1) Heffters Handbuch flit experimentelle Pharmakologie Bd. 2, I. 2) Krayer, Arch. f. exp. Pathol. n. PharmakoI. 1926, Bd. 111, S. 60. 3) Dasselbe wurde tins in freundlicher Weise yon den Chemischen Fabriken Dr. Wiernik & Co., A.-G., Berlin, zur Verfiigung gestellt. Archly f. experiment,. :Path. u. :PharmakoL Bd. 117. 1

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Io

Aus dem Pharmakologisehen Institut der Medizinischen Akademie DUsseldorf.

Uber die Wirkung yon Apocodein auf das Frosehherz.

Y o n

Paul Peters. (Mit 4 Kurven.)

(Eingegangen am 17. VII. 1926.)

Die bisherigen Angaben tiber die pharmakologisehe Wirkung des Apocodeins 1) schwanken erheblich, was offenbar auf Verwendnng un- reiner Pr~parate zuriickzufUhren ist. Vor knrzem hat K r a y e r 2) tiber ein neues Handelspri~parat berichtet, das an den fur den Apoeodein- effekt charakteristischen Angriffspunkten eine etwa ftinffach st~rkere Wirkung besitzt als die bisher nntersuchten Pr~parate. Die Herz- wirkung ist in den Untersnchnngen K r a y e r s nicht niiher analysiert; wir haben es daher unternommen~ mit dem gleiehen Pr~iparat 3) die Frage eingehend zn nntersnehen. Die Versuehe hierzn wurden ans- gefiihrt mit Temporariaherzen an der Straubschen Kantile, znm Tell auch in Suspension nach E n g e l m a n n in] Februar und April 1926.

Wirkung auf das intakto Herz. Die Angaben Krayel"s tiber die Wirkung der versehiedenen Gift-

konzentrationen auf das Eskulentenherz k~nnen wir am Temporal'ia- herzen bet~tigen. Bei Apoeodeinkonzentrationen yon 1 : 40--50000 tritt in den meisten F~llen leiehtes Ansteig'en der Hubh~hen ein, das aber nach kurzer Zeit abgelSst wird durch allmKhliches Absinken der GipfelhShe unter gleichzeitigem geringen Abnehmen der Frequenz. Bei 1 : 30000 fiillt meistens das erste Stadium der positiven Inotropie

1) Heffters Handbuch flit experimentelle Pharmakologie Bd. 2, I. 2) Krayer, Arch. f. exp. Pathol. n. PharmakoI. 1926, Bd. 111, S. 60. 3) Dasselbe wurde tins in freundlicher Weise yon den Chemischen Fabriken

Dr. Wiernik & Co., A.-G., Berlin, zur Verfiigung gestellt. Archly f. experiment,. :Path. u. :PharmakoL Bd. 117. 1

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weg, das Herz reagiert sofort mit dem Absinken der Hubhi~he und Frequenz. Noeh sti~rker seh[idigend wirkt 1 : 20000; bei dieser Kon- zentration nimmt die Amplitude stark ab, indem FuB- und Gipfelpunkt aufeinander zurticken, und bald setzt Alternation des Pulses ein, der nach kurzer Zeit Herzbloek folgt. 1 : 10000 fiihrt hi~ufig unvermittelt, ohne dab sich vorher Alternation des Pulses einstellt, zum Herzblock. Apoeodein 1 :50000 zeitigt endlich innerhalb weniger Minuten Still- stand des Herzens in Mittelstellung.

Kurve 1. Typische Apocodeinwirknng (~') in Konzentration 1:10000.

Wirkung auf die vagalen und sympathischen Nervenendigungen.

Es war zunitchst zu prtifen, wie die vagalen und sympathischen Nervenendigungen dnrch Apocodein beeinfiuSt werden, zumal K r a y e r eine Analyse in dieser Richtung nieht durchgeftthrt hat. Es stellte sich heraus, dab die dutch Apocodein hervorgernfene negative Ino- tropie und Chronotropie nicht auf Vaguswirkung beruht; denn nach Ausschaltung der Vagusendigungen dutch Atropin wird die Apocodein- wirkung in keiner Weise ver~tndert. Bei Versuchen mit Adrenalin ergab sich eine Abh~ngigkeit yore Zeitpunkt der Applikation. Wurde kurz hinter der Apocodeindarreichung Adrenalin gegeben, so erreichte man positive Inotropie und Chronotropie; nach l~ingerer Apocodein- einwirkung war jedoeh der Adrenalineffekt aufgehoben.

Um eindeutig die Beeinflnssnng der vag~len und sympathischen Nervenendigungen durch Apoeodein zu prtifen, wurden nach dem yon v. Sk r am l ik 1) angegebenen Verfahren die Herznerven anfgesplittert

1) v. Skramlik, Zentralbl. f. Physiol. Nr. 9, S. 3L

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und die einzelnen Fasern vor und nach Apocodeinbebandlung gereizt. Es sei hier ein Versuch, mit dem aIIe a nderen diesbeztigliehen iiber- einshmmen: in Protokollform angefiihrt.

P ro tokol l yore 15.1V. 1926. O ~ Froschherz, 16 Pulse.

4 h 20'. Reiz einer Akzeleransfaser: Deutliehe positive Chronotropie, Frequenz stelgt auf das Doppelte.

4 ~ 22'. Das tterz sehl~gt wieder normal. 4 r 23'. Reiz derselben Akzeleransfaser: Wiederum Ansehnellen des

Pulses auf 32. 4 ~ 25'. Das tterz hat wieder nol"mal 17 Pulse. 4 ~ 26'. -[-1 : 30000 Apoeodein: Laugsames Abnehmen der Hubh~he

und Frequenz. 4 h 29'. Reiz: Frequenz bleibt gleich. 4 ~ 30'. Keine Xnderung der Frequenz. 4 h 32'. Spfilen: Herz sprieht naeh dem Spiilen auf Reiz wieder mit

einer deutliehen positiven Chronotropie an.

Bei Reizung einer hemmenden Faser zeigte das Herz nach Apo- codeineinwirkung genau dasselbe Verhalten wie unvorbehandelt. In

Kurve 2. Reiz des Vagusstammes fiihrt in der Norm zu positiver Chronotropie nnter Anstieg der Hubh~hen. ~Nach Apocodein 1:40000 (J') bewirkt tier erste 1%iz noch ann~hernd dasselbe: w~hrend einige l~r sparer auf den Reiz

deufliche Vaguswirkun~ zutage tritt.

einem anderen Fall wurde der ganze Vagusstamm gereizt, was ein unmittelbares Ansteigen yon Amplitude und Frequenz zur Folge hatte,

1.

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wahrend die erwartete Vaguswirkung gar nicht zum Vorschein kam. 1 Minute naeh Apocodeindarreichung war bei Reiz diese positive Inotropie und Chronotropie nut noch schwaeh angedeutet; nacll wen teren 2 Minuten Apocodeineinwirkung reagierte das Herz mit einer ausgesproehenen negativen Inotropie, indem FuB- und Gipfelpunkt sich einander n~iherten (s. Kurve 2). Diese negative inotrope Wirkunff war unter Zunehmen tier Amplitude naeh 1 Minute abgeklungen; zur Kontrolle wurde noehmals gereizt, und wieder spraeh das Herz mit steilem Absinken der Hubh~he an. Naeh dem Auswasehen des Apo- c0deins lieB das tterz auf Reiz wieder deutliehe positive Inotropie und Chronotropie folgen. Dieses Verhalten 1KBt sich nur dadureh er- kl~iren, dab bei unvorbehandelten Herzen bei Reizung des Vagusstammes die Sympathikuswirkung tiberwog und die des Vagus vollkommen verdeckte, und dab erst nach Aussehaltung der Sympathikusnerven- endigungen durch Apoeodein die Vaguswirkung - - an diesem tterzen in Form der negativen Inotropie - - deutlieh zum Vorsehein trat. Demnaeh sind die sympathisehen Nervenendigungen bedeutend emp- findlieher gegen d ie Giftwirkung des Apoeodeins; zum Beginn der Wirkung werden sie vorUbergehend erregt - - positive Inotropie und Chronotropie -- , diese Erregung geht aber naeh kiirzester Zeit in eine L~hmung i]ber.

Wirkung, auf/lie Iteizleitung, Auf [lberleitungsstSrungen, die im Verlauf der Apoeodeinvergif-

tung auftreten, hat schon K r a y e r kurz hingewiesen. Schon bei m~13i-

a 5

Kurve 3. ~berleitungszeit Vorhof--Ventrikel. a: normal, b: 3 Minuten nach Apocodein 1 : 15 000. Zeitschreibung t/~ Sekunde. Oben Vorhof, unten Ventrikel.

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gen Konzentrationen steigt die Uberleitnngszeit auf das Doppelte (Kurve 3). Bei Konzentrationen 1 :25000 kommt as zu partiellem tIerzbloek 7 hitufig eingeleitet dureh Pulsus alternans. Bei noeh hSheren Dosen beobaehtet man vollkommene Dissoziation mit Kammerautomatie (s. Kur~e 4). Bei dem in situ sehlagenden Iterzen (Engelmannsche Suspension) treten die gleiehen negativ inotropen und ehronotropen Erseheinungen auf; Herzbloek dagegen wurde nieht beobaehtet, wohl aber eine leiehte Verlangsamung der [lberleitung vom Vorhof zum Ventrikel.

Kurve 4. Totuler Block nach Apocodein 1:10000. oben Vorkof, unten Ventrikel Zeitschreibung 1/5 Sekunde.

Einflufi auf refrakt i i re Phase und Herzmuskel .

Zwecks PrUfung der Anspruchsfiihigkeit der motorisehen End- apparate im Herzen haben wir weiter die Beeinflnssung der refrakti~ren Phase durch Apocodein nntersucht. Die Versuehsanordnung war fol- gende:

Der an der Straubschen Kaniile vom Vorhof durch Stannius II iso- lierte VentrikeI wurde mittels zweier Platinelektroden~ yon denen eine in die RingerlSsung der Kaniile taucht% die andere der Herzkammer anlag, vom Schlitteninduktorium aus gereizt. In den Primitrkreis war ein Elek- tronom eingeschaltet~ das regelmi~ftig alle 3/10 Sekunden den Stromkreis schloft und unterbrach, so daft jede 3/j 0 Sekunde ein Reiz gesetzt wurde. Augerdem befand sich im Primi~rkreis ein Signal~ das jeden Reiz auf der Trommel registrierte. Als Kriterium ffir die Dauer der refraktaren Periode galt uns die Zeit~ die bei regelmi~flig gesetzten Reizen yore Anfang einer Kontraktion his zum Beginn der daranffolgenden verstrich.

Sechs der ausgeftihrten Versuche seien hier in Tabellenform an- geftihrt.

Ans der Tabelle ergibt sich eine Verli~ngerung tier Refrakr und zwar schon bei verh~Itnism~tBig niedriger Apocodeinkonzentration Gleichzeitig zeigt die Tabelle, dab die Anspruehsfi~higkeit des Iterzens

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6 ~. PAUL PETERS.

Refrakt i i rzei t in Sekunden.

Versueh Hr.

1 2 3 4 5 6

Normal

6/10 4/10 9/i0 8/10 5/10 9/t0

R,A.

13,0 13,0 10,0 11,0 11,5 12,0

1 : 100 000

6/10 12/10 I0/10 6/10

11/~ 0

Nach Apocodeindarreichung

12,5 8,0

10,0 11,0 10,5

1 : 50 000 [ R.A.

9/io 12,0 S/lo 11,5

13/lo 8,0 1~/Io 9,0 7/~o 10,0

WIo 9,5

1 : 25 000

11/10 9/10

18/l o 14/10 9/10

161t 0

R.A.

10,0 8,0 6,0 7,0 8,0 8,5

auf den elektrischen Reiz stark abnimmt, denn dcr Rollenabstand (R. A.) muB w~ihrend der Apocodeinwirkung verringert werden~ damit noeh eine Kontraktion ausgelSst wird. Apocodein setzt demnach die An- spruchsfi~higkcit der motorischen Endapparate herab. Diese Tatsache und auch die Verringerung der Hubh~ihen ist im wesentlichen auf eine Muskelwirkun~ zu beziehen, denn auch die direkte Erregbarkeit des Skelettmuskels wird, wie dahin ~'erichtete Versuche ergaben~ durch Apocodein stark verringert und nach liingerer Zeit ganz aufgehobcn. Auf den motorischen Nerv dagcgen hat das Apocodein keinen EinfluB, denn indirekte Reizung" bet Eiutauchen des Iqerven in Apocodein- 15sungcn verschiedener Konzcntrationen ergab genau diesclben Zuckun- sen wie zuvor.

Calcium nnd ]~alium und Apoeodeineinwirkung.

Wetter war die Frage, in welcher Weise die Apocodeiuwirkun~ durch Vorbehandlung des Herzens mit Kalium bzw. Calcium modifiziert wUrde. Die yon uns verwandte RingerlSsung hattc folgende Zusammen- setzung: 6fi lqaC1; 0~24 CaC12; 0,4 KC1; 0,1 IqaHC03 auf 1000 ccm. Alle Yersuche fielen in der gleichen Richtung aus, zum Beleg seien zwei abgekiirzte Protokolle wiedergegeben.

Protokol l yore 25. III. 1926. Froschherz, Puls 32.

6 h 11'. -4- KCI 0~00025 auf 1 cem Ringer: Negative Inotropie wird leicht angedeutet.

6 h 12'. -~- 1 : 50000 Apocodein: Die Hubhiihe nimmt deutlieh ab, Ful~- und Gipfelpunkte rticken einander niiher~ Puls wird ganz klein und sehlieltlieh steUt sich Herzblock ein.

Pro tokol l yore 26. IIL 1926. Froschherz, Pals 36.

12 h 17'. --~--Ca(~I 2 0,00036 auf 1 cem Ringer: Zeitigt eine kaum wahrnehmbare positive Inotropie.

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Uber die Wirkung yon Apocodein auf das Froschherz. 7

12 h 18'. -4- 1 : 10000 Apocodein, das ganz allmiihllch die HubhShe sinken laBt: Nach 2~5 Minuten tritt Herzbloek ein.

12 ~ 21 r. Spiilen: Danach Frequenz 38. 12 ~ 23'. -{- 1 : 10000 Apoeodein~ das sofort die Amplitude steil ab-

fallen laBt~ dann Pulsus alternans und tterzbloek.

Aus dem ersten Protokoll geht hervor, daft durch die Vorbehand- lung mit KaliumtiberschuI~ der Apocodcineffekt versti~rkt wird~ wiih- rend das zweite den entgegengesetzt gerichteten Einfiu[~ der Calcium- vorbehandlung erkennen l~ t . Es besteht somit ein Synergismus zwischen Apocodein und Kalium~ und ein Antagonismus zwisehen Apoeodein und Calcium. Ob es sich hierbei um cine Summierung oder Abschw~tchung der verschiedenen Wirkungen handelt oder um ein beschleunigtes bzw. verzSgertes Eindringen des Apocodeins durch die Zellmembran infolge der Vorbchandlung mit Kalium oder Calcium 7 ist nicht zu entscheiden.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

Dutch Apocodein werden s~mtliche Tcilfunktionen des Herzens beeinfiul~t.

Die sympathischen hTervenendigungen werden schon durch geringe Apocodeinkonzentrationen ausgeschaltet, was sich in negativer Ino- und Chronotropie iiuBert.

Bei Anwendung geringer Konzentrationen wird die Reizleitung zwischen Vorhof und Kammer verlangsamt~ hShcre rufen partiellen bis totalen Block hervor.

Auch die refrakt~re Phase des Herzens zcigt unter Apocodein- wirkung eine deutliche Vcrliingerung, gleichzeitig sinkt die Anspruchs- fi~higkeit der motorischen Endapparate im Herzen.

Diese Wirkung auf den Herzmuskel l!~t sich auch am Skelett- muskel nachweisen~ dessen direkte Erregbarkeit durch Apocodein stark verringert und nach l~ingerer Zeit ganz aufgehoben wird.