Ueber das Auffinden von Strychnin im thierischen Körper

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3. Auf gerichtliche Chemie beziigliche. 265 3. Auf gerichtliche Chemie bezfigliche analytisehe Methoden. Von C. Neubauer. Ueber das Auffinden yon Strychnin im thierischen K~rper. Strychnin ist bekanntlieh eine Substanz, die Eigenschaften besitzt, an denen sie noch in hochgradiger Verdtinnung leicht erkannt werden kann. Unter diesen hebt Cloetta *) besonders hervor : 1) seine in- tensive Bitterkeit; 2) das VermOgen, wenn es in reiner concentrirter Schwefels~ure gelSst und mit stark oxydirenden Substanzen, namentlich doppelt-chromsaurem Kali zusammengebracht wird, eine schSne violette Farbe zu erzeugen; 3) die Eigenschaft, mit Chromsiiure eine in Wasser fast unlSslicbe Yerbindung zu geben. Der bittere Geschmack ist selbst in hoctlgradiger Yerdiinnung noch zu erkennen. Bringt man 1 CC. einer Liisung yon 1 Gran Strychnin in 17000 CC. Wasser auf die Zunge, so erkennt Bin Unbefangener noeh den bitteren Geschmack, bei stiirkerer Verdfinnung verliert sich derselbe. Durch die Reaction mit Schwefels~iure und doppelt-chromsaurem Kali l~tsst sich nach Cloetta h6chstens 1/7ooo Gran erkennen. Die Versuche wurden in folgender Weise angestellt: Von einer L6sung eines Grans reinen Strych- nlns in einer bestimmten Zahl yon CC. destill{rten Wassers wurde 1 CC. auf eine Uhrschale gebraeht und der Yerdunstung fiberlassen. I)er Rfickstand wurde in reiner concentrirter Schwefelsiiure gel(ist und in die LSsung ein kleiner reiner Krystall yon Kalibichromat gegeben. Bei 1/7ooo Gran ist die violette F~irbung schon sehr blass und dartlber hinaus nicht mehr sicher als solche erkennbar. Sobald irgend welche andere Beimengungen vorhanden sind~ sinkt die Grenze der Empfind- lichkeit noch welt unter die angegebene Zahl. Die Chroms~iure fiillt endlich aus neutralen oder sauren LOsungen das Strychnin in nadel- f6rmigen oder bei langsamer Ausscheidung in warfelf6rmigen gelben Krystallen. Diese Verbindung ist in Wasser so schwer 15slich, dass nach Zusatz einer genfigenden Menge yon chromsaurem Kali zu einer Strychninl(isung die fiber dem Niederschlage stehende Flfissigkeit kaum bitter schmeekt. Aus 1 CC. einer Strychninl0sung, die ~/3oo Gran reines Strychnin enthiilt, fallt 1 Tropfen einer L6sung von Kalibichro- *) Archiv f. pathol. Anat. etc. Bd. 35, p. 369.

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3. Auf gerichtliche Chemie beziigliche. 265

3. A u f g e r i c h t l i c h e C h e m i e b e z f i g l i c h e a n a l y t i s e h e M e t h o d e n .

Von

C. Neubauer.

Ueber das Auffinden yon Strychnin im thierischen K~rper. Strychnin ist bekanntlieh eine Substanz, die Eigenschaften besitzt, an denen sie noch in hochgradiger Verdtinnung leicht erkannt werden kann. Unter diesen hebt C l o e t t a *) besonders hervor : 1) seine in- tensive Bitterkeit; 2) das VermOgen, wenn es in reiner concentrirter Schwefels~ure gelSst und mit stark oxydirenden Substanzen, namentlich doppelt-chromsaurem Kali zusammengebracht wird, eine schSne violette Farbe zu erzeugen; 3) die Eigenschaft, mit Chromsiiure eine in Wasser fast unlSslicbe Yerbindung zu geben. Der bittere Geschmack ist selbst in hoctlgradiger Yerdiinnung noch zu erkennen. Bringt man 1 CC. einer Liisung yon 1 Gran Strychnin in 17000 CC. Wasser auf die Zunge, so erkennt Bin Unbefangener noeh den bitteren Geschmack, bei stiirkerer Verdfinnung verliert sich derselbe. Durch die Reaction mit Schwefels~iure und doppelt-chromsaurem Kali l~tsst sich nach C l o e t t a h6chstens 1/7ooo Gran erkennen. Die Versuche wurden in folgender Weise angestellt: Von einer L6sung eines Grans reinen Strych- nlns in einer bestimmten Zahl yon CC. destill{rten Wassers wurde 1 CC. auf eine Uhrschale gebraeht und der Yerdunstung fiberlassen. I)er Rfickstand wurde in reiner concentrirter Schwefelsiiure gel(ist und in die LSsung ein kleiner reiner Krystall yon Kalibichromat gegeben. Bei 1/7ooo Gran ist die violette F~irbung schon sehr blass und dartlber hinaus nicht mehr sicher als solche erkennbar. Sobald irgend welche andere Beimengungen vorhanden sind~ sinkt die Grenze der Empfind- lichkeit noch welt unter die angegebene Zahl. Die Chroms~iure fiillt endlich aus neutralen oder sauren LOsungen das Strychnin in nadel- f6rmigen oder bei langsamer Ausscheidung in warfelf6rmigen gelben Krystallen. Diese Verbindung ist in Wasser so schwer 15slich, dass nach Zusatz einer genfigenden Menge yon chromsaurem Kali zu einer Strychninl(isung die fiber dem Niederschlage stehende Flfissigkeit kaum bitter schmeekt. Aus 1 CC. einer Strychninl0sung, die ~/3oo Gran reines Strychnin enthiilt, fallt 1 Tropfen einer L6sung von Kalibichro-

*) Archiv f. pathol. Anat. etc. Bd. 35, p. 369.

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mat bach liingerer Zeit deutlich die angegebenen krystallinischen Aus- scheidungen. Bringt man einen solchen noch so kleinen Krystall mit concentrirter Schwefelsiiure ]u Beriihrubg~ so resultirt sogleich die cha- rakteristische F~rbung.

Zur Abscheidung des Strychnins benutzte C l o e t t a die folgende Methode: Die Fliissigkeiten (B~ut, Gewebsausziige, Harn) wurden, so- fern sie noch eiweissartige Substanzen enthielten, durch Erhitzen yon denselben befreit, dann durch Bleiessig gefi~llt; aus dem Filtrate das Blei dtu'ch Schwefelwasserstoff ebtferut, und dana das Filtrat zur Trockne eingedampft. Der mit Ammon tibersi~ttigte Rtickstabd wurde 24 Stun- den stehen gelassen, darauf derselbe mit dem doppeltea Volumen Chloro- form in einem Glascylinder mit ausgezogenem Ende wiederholt und stark geschOttelt. Nachdem sich die schwere Chloroformschicht voll- sti~ndig abgesetzt hatte, liess man dieselbe dutch das ausgezogene Ende des Glascy]iaders abfiiessen, tiberliess die CloroformlSsung der Verdun- stung, priifte "den Riickstand auf bitteren Geschmack, 10ste denselben in 2 CC. mit reiner S~lpeters~ure angesi~uertem Wasser, filtrirtc und brachte zum Filtrat, das in einem Ui~rgl~se gesammelt wurde~ 2 Tropfea einer L0sung yon Kalibichromat. War Strychnin vorhanden, so setz- ten sich. nach einigen Tagen, je n~ch der Quantit~tt, mit blossom Auge odor mikroscopisch erkennbare wiirfelf(Srmige Krystalle yon chromsaurem Strychnin ab, die auf Zusatz yon Schwefels~ture sogleich die intensiv violette F~rbung zeigten. Zur Controle wurde die yon der Chloro- formschicht getrennte Fltissigkeit bach der Methode yon v. U s l a r ubd E r d m a n n *) mit Amylalkohol behandelt. Es hat sich ergebeu, dass das Chloroform ~lles Strychnin aufnimmt and jedenfalls ftir dieses Alkaloid unter den bekabnten das beste L0sungsmittel ist.

In 650 CC. ttarn konnte bach der augegebenen Methode noch 1]~o Gran Strychnin mit allot Sichcrheit erkanut, ~]4o Gran dagegen nicht mehr aufgefunden werden. Es ist somit ein grosser Unterschied, oh man eine LSsung yon Strychnin in destillirtem Wasser oder d,iese Substanz gemengt mit anderen vor sich hat.

In der 24sttindigen Urinmenge (circa 1000 CC.) yon drci Kran- ken, die langere Zeit t~tglich 1/3, tier zweite a/a und der dritte 1 I/6 Gran salpetersaures Strychnin aahmen, konnte Strychnin auch nicht einmal spurenweise erkabut werdeb.

Ein Pferd wurde mit 20 C~r~n salpetersaurem SWychuin vergiftet. Nach 30 Minuten erfolgte der Tod. In 15 Unzen Blut aus der Vene

*) Diese Zeitschrift Bd. 1, p. 267.

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3. Auf gerichtliche Chemie beztigliche. 267

der vorderen M~genwand, 10 Unzen Blut aus dem rechten tIerzen und 12 Unzen Urin aus der Harnblase wurde des Sti'ychnin vergeb- lich gesucht.

Ein zweites Pferd wurde, nachdem es 15 Stunden gehungert, mit 25 Gran salpetersaurem Strychnin vergiftet. Nach 26 Minuten er- folgte der Tod, allein weder in der Lymphe, aus dem duc~us thora- cicus entnommen, noch im Herzblut, noch in der Leber konnte Strych- niu gefunden werden.

Wie ist nun das Verschwinden resp. Nichtauffinden des Strychnins zu erkl~ren? Dartiber kann man sich folgende Vorstellungen machen:

1) Es w~re denkbar, dass das Strychnin in so geringer Menge resorbirt wird, dass es bei der grossen Verdtinnung in den thierischen Geweben und Flilssigkeiten nicht nachgewiesen werden kann. Gegen diese Auffassung spricht schon der Umstand, dass wenn innerhalb 12 Stunden ein Mensch 11/6 Gran salpetersaures Strychnin geniesst, nicht eine Spur yon St~'ychnin in der innerhalb dieser und der darauffolgen- den 12 Stunden gesammelte Harnmenge n~chgewiesen werden kann~ obwohl nach den oben angegebenen Versuchen in 650 CC. Ham noch '/2o Gran mit Sicherheit erkannt werden kann.

2) Das Strychnin geht mSglicherweise mit den organischen Stoffeu des Blutes Verbindungen eiu, die es verdecken und die dessert Aus- scheidung durch die gewShnlichen Methoden unm6glich machen. Ein Weg k(innte hier vielleicht zur Entscheidung ftihren, n~tmlich der, dass man die thierische Substanz in der Strychniu gebunden sein-k6nnte, faulen l~tsst, da Strychnin eine Substanz ist, die der F~tulniss lange widersteht.

3) MSglicherweise wird das Strychnin durch die thierischen Fer- mente umgesetzt.

Ueber diese Fragen verspricht. C l o e t t a sp~ter Antwort zu geben.

Morphin verh~lt sich iihnlich wie Strychnin. Von einem Kranken, der seit einiger Zeit 6 - -7 Gran Morphium aceticum t~tglich consumirte, konnte in der 24stiindigen Urinmenge nach der Methode yon v. Us- l a r und E r d m a n n keine Spur dieses Alkaloids gefundeu werden.

Wie l a n g e w i d e r s t e h t das S t r y c h n i n dem F~ulniss~ pr oces s ? Zur Be~ntwortung dieser wiChtigen Frage wurde yon C 1 o e t t a eine Anzahl Menschenmagen, nachdem in jeden I Gran san petersaures Strychnin in LSsung gebracht worden war~ einzeln in einem Topf verschlossen aufbewahrt und 3 Fuss tier in die Erde begraben. - - Da sich der Mageninhalt und zum Theil auch die Magenw~tnde in

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eine schleimartige Masse umgewandelt hatten, so wurde zunachst diese gut abgeschabt. Die erhaltene Substanz wurde mit Essigs~ture ange- s~iuert, zu derselben 2 Unzen Weingeis t u n d darauf 12 Unzen destil- lirtes Wasser gebracht; der Zusatz yon Weingeist erschien nothwendig, um mSglichst wenig Schleim in LOsung zu erhalten. Das Gemenge wurde 24 Stunden stehcn gelassen und fieissig geschiittelt. Die rttck- sti~ndigen Magenwhnde wurden rein zerschnitten und mit essigs~ure- haltigem Wasser ausgezogen. Beide Ftiissigkeiten wurden dann ver- einigt, filtrirt, und aus dem Fi l t ra t dutch gelindes Erw~rraen auf dem Wasserbade zun~tchst der Weingeist abgedunstet. Dann wurde nach der oben angegebenen Methode weiter verfahren. Der erste ~agen wurde nach 3 Monaten ausgegraben. Resultat: Strychnin vorhanden. Der zweite wurde nach 6 Monaten und der dritte nach 111/2 Monaten ausgegraben, in beiden wurde Strychnin gefunden. Es ergibt sich somit, dass 1 Gran Strychnin mit Mageninhalt gemischt, noch min- destens nach 111/2 Monat nachweisbar ist. Auffallend ist es, dass eine Substanz, die so schwer durch Faulnissprocesse zersetzt wird, so leicht im lebenden KSrper umgesetzt werden sollte.

Chemisches Laboratorium und

Pharmaceutische Lehr-Anstalt , z u W i e s b a d e n .

Das chemische Laboratorium verfolgt wie bisher der~ .Zweck~ junge M~nner, welche die Chemieals Haupt- oder Htflfsfach erlernen wolten, auf's Grtindlichste in diese Wissenschaft einzuftihren und mit ihrer Anwendung im praktischen Leben bekannt zu machen, - - die pharmuceutische Lehranstal~ ist bestimmt, jungen Pharmaceuten: welche in ihrem Fache bereits praktisch erfahren sind, eine grilndliche und umfassende wissenschaftliche Ausbildung in den Natur- wissenschaften und der Pharmacie zu geben und denselbeu namentlich auch Gelegenheit zu bieten~ sich mit allen Theilen der praktischen Chemie ttichtig vertraut zu machen.

Der Winter-Cursus beider Anstalten beginnt am 15. Oc tobe r . Statuten und Yorlesungsverzeichniss sind durch C. W. K r e i d e l ' s Verlag

in Wiesbaden oder durch den Unterzeichneten unentgeltlich zu beziehen. W i e s b a d e n . Dr. R. ]~resenius, Geh. Hofrath und Professor.

D r u c k y o n P h , M i i l l e r u . C o m p . i n X V i e s b a d e n .