Tosstorff, Reiner. Moskau Oder Amsterdam. Die Rote Gewerkschaftsinternationale 1920 Bis 1937

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Komintern y sindicalismo

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  • Die Rote Gewerkschaftsinternationale (RILU/Red International ofLabour Unions / oder in der russischen Abkrzung Prontern) wurde1921 in Moskau gegrndet und dort sechzehn Jahre spter aufgelst.

    Urteile ber ihre Bedeutung weichen stark voneinander ab. Thefate of the Prontern will never be more than a footnote in the hi-story of the international labour movement it never amounted tomuch (...).1 Dagegen argumentiert E. H. Carr, da The Red Inter-national of Trade Unions (Prontern) was in the nineteen-twentiesby far the most powerful and important of the auxiliary organiza-tions which gravitated around the Comintern. It was, indeed, theonly one which could claim some independence, and was more thana mere subsidiary organ.2 Swains Urteil basiert auf einem be-stimmten Aspekt, nmlich dem Scheitern der RGI, Anfang derzwanziger Jahre eine einureiche kommunistische Gewerkschafts-bewegung in Deutschland aufzubauen. Carr dagegen basiert seineEinschtzung auf the large organization of the Prontern, and itsextensive representation abroad, in which it far surpassed any otherof the auxiliaries der Komintern.3

    An ihrer Bedeutung fr die organisatorische Entwicklung sowohlder internationalen kommunistischen Bewegung was uns hiernicht weiter interessieren wird wie fr die internationale Gewerk-schaftsbewegung in der Zwischenkriegszeit kann jedoch kein Zwei-fel bestehen. Die Auseinandersetzung zwischen der Internationale inMoskau und ihrem sozialdemokratisch ausgerichteten Widerpart inAmsterdam prgte die ganze internationale Arbeiterbewegung jenerJahre. So ist es eher verwunderlich, da ihre Geschichte bis heuterecht stiefmtterlich behandelt wurde. In der Historiographie derinternationalen Arbeiterbewegung erscheint sie fast nur als ein un-tergeordneter Aspekt der Kommunistischen Internationale.4 In derwestlichen Geschichtsschreibung der Arbeiterbewegung, von ein paarAusnahmen abgesehen5, wurde sie nur im Zusammenhang mit na-tionalen Gewerkschaftsbewegungen oder mit einzelnen Kommuni-stischen Parteien dort, wo diese zumindest fr einen gewissen Zeit-raum Gewerkschaftseinu ausbten, behandelt. Zu einem Teil wardies sicher auch der Tatsache geschuldet, da das Archiv der RGI, imParteiarchiv der KPdSU aufbewahrt, fr westliche Historiker nichtzugnglich war. Dies hat sich seit 1991 bekanntlich gendert, so dain der Zukunft mit einer Reihe von Studien ber die Rolle der RGIauf internationaler Ebene wie in einzelnen nationalen Gewerk-schaftsbewegungen zu rechnen ist.

    Reiner Tosstorff Jg. 1951,Dr. phil., wissenschaftlicherMitarbeiter am Forschungs-projekt zum InternationalenGewerkschaftsbund und zurInternationalen Arbeitsorga-nisation, Universitt Mainz,Mitherausgeber mehrererBnde der Trotzki-Schriften-Ausgabe; zuletzt in UTOPIEkreativ: Spanischer Brger-krieg, Stalinismus undPOUM, Heft 69/70(Juli/August 1996)

    Dieser stark geraffteberblick ber die Ge-schichte der RGI basiert aufmeiner HabilitationsschriftMoskau oder Amsterdam.Die Geschichte der RotenGewerkschaftsinternationale(1920-1937), UniversittMainz. Dort finden sichauch ausfhrliche Literatur-angaben und Hinweise aufArchivbestnde zur RGI.

    704 UTOPIE kreativ, H. 177/178 (Juli/August 2005), S. 704-718

    REINER TOSSTORFFMoskau oder Amsterdam? Die Rote Gewerkschaftsinternationale 1920 bis 1937

  • Towards a revolutionary trade union internationalDer Erste Weltkrieg hatte wie bei der politischen Internationale auchzur Paralyse der 1901 gegrndeten gewerkschaftlichen Internatio-nale gefhrt. Im Jahre 1901 hatten sich berwiegend sozialdemo-kratisch beeinute Landeszentralen (neben den franzsischen Syn-dikalisten der CGT sowie den britischen und spter auch denUS-amerikanischen Trade Unionists) zunchst in einem Internatio-nalen Sekretariat zusammengeschlossen, das sich 1913 in den Inter-nationalen Gewerkschaftsbund (IGB) umwandelte.6 Sekretr warCarl Legien, der Fhrer der deutschen Gewerkschaften. Nach 1914beanspruchte er, die Organisation fortzufhren, was von den Ge-werkschaftsbnden der Entente heftig bestritten wurde. Faktischhrte der IGB auf zu bestehen und mute nach Kriegsende neu ge-grndet werden, was, nach einer ersten Zusammenkunft im Februar1919 in Bern, im Juli/August 1919 in Amsterdam geschah.

    Der Weltkrieg hatte auch die Bemhungen der revolutionrenSyndikalisten zur internationalen Zusammenarbeit unterbrochen.7Diese hatten allerdings mit Ausnahme der franzsischen CGT, diejedoch die einureichste syndikalistische Organisation in Europadarstellte schon sehr bald nach seiner Grndung das InternationaleSekretariat als reformistisch und als Hindernis im revolutionrenKampf verurteilt und zur Schaffung einer revolutionren Gegenin-ternationale aufgerufen. Diese Bemhungen kamen aber ber infor-melle Kontakte nicht hinaus. Nicht zuletzt lag das darin begrndet,da die syndikalistischen Verbnde, auch wenn sie in vielen Lndernexistierten, nur kleine Minderheiten organisierten. Doch auch dieseVerbindungen waren nun unterbrochen.

    Eine russische Landeszentrale hatte vor 1914, wegen der repressivenBedingungen im Zarenreich, nicht existiert. Erst die Revolution machtesie mglich. Sie konstituierte sich im Juli 1917; seit ihrem Kongre imJanuar 1918 wurde sie von den Bolschewiki dominiert.8 Von diesemKongre erging ein Aufruf zur Reorganisation der internationalen Ge-werkschaftsbewegung, doch die Bedingungen des Brgerkriegs fhrtendazu, da er kein Gehr fand und auch die bolschewistischen Gewerk-schafter mit ganz anderen Aufgaben befat waren. Diese Lage fhrteauch dazu, da eine bereits beschlossene russische Delegation nichtan der internationalen Gewerkschaftskonferenz in Bern teilnehmenkonnte.9 Auch in Amsterdam waren die Russen nicht vertreten. Damitwaren sie von der Wiedergrndung des IGB faktisch ausgeschlossengewesen. Da sie bei einer Teilnahme scharfe politische Kritik an demVerhalten der meisten Gewerkschaftsfhrungen im Krieg und in der un-mittelbaren Nachkriegszeit gebt htten, ist zwar offensichtlich. Dochob sie sich prinzipiell einer Mitgliedschaft verweigert htten, ist heutenatrlich nur eine spekulative Frage. Jedenfalls mute dies den politi-schen Bruch zwischen der russischen und der westlichen Gewerk-schaftsbewegung verschrfen. So reagierte man in Moskau mit einerheftigen Denunziation des IGB, der als gelbe, klassenverrterischeOrganisation angegriffen wurde. Er sei ein Werkzeug in den Hndendes imperialistischen Vlkerbundes. Mit seiner Untersttzung der neu-geschaffenen Internationalen Arbeitsorganisation habe sich der IGB frdie Klassenzusammenarbeit entschieden. Gegen ihn msse man nuneine revolutionre Alternative schaffen.

    1 Geoffrey Swain: Was theProfintern Really Neces-sary? In: European HistoryQuarterly, No. 1, 1987,pp. 57-77, here p. 73.

    2 E. H. Carr: Socialism in One Country 1924-1926,3 Vols., (London 1964),Vol. 3, pt. 2, p. 938.

    3 Ebenda, p. 939.

    4 In der frheren sowjeti-schen und osteuropischenHistoriographie wurdenmehrere allgemeine Darstel-lungen in den 70er und 80erJahren verffentlicht. Ob-wohl unter Heranziehungdes RGI-Archivs erstellt,waren alle diese Studientypische Produkte der spt-stalinistischen Geschichts-schreibung mit all ihrenGrenzen, Auslassungenusw.: G. M. Adibekov:Krasnyj internacional prof-sojuzov, Moskau 1979; B.A. Karpacev: Krasnyj inter-nacional profsojuzov. Istorijavoznikovenija i pervye godydejatelnosti Profinterna1920-1924gg. Saratov1976; Ders.: Krasnyj inter-nacional profsojuzov (1933-1937), Saratov 1981; Ders.:Krasnyj internacional prof-sojuzov 1920-1937 gody,Saratov 1987; A. Kochanski,Czerwony Miedzynarodo-wka Zwiazkw Zawodo-wych (Profintern) 1920-1937, Warschau 1985.Adibekov schrieb spter,nach Beginn von Glasnost,eine interessante Selbstkri-tik: O politike komunistov vprofsojuznom dvizenii, in:Voprosy istorii KPSS, No. 8,1991, S. 97-109.

    5 Z. B. Albert Resis: TheProfintern. Origins to 1923,PhD thesis Columbia Uni-versity 1964. Vor allem abersind hier die entsprechen-den Abschnitte in der mehr-bndigen History of Soviet

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  • Doch gab es zunchst keine klare Vorstellung ber die Form der Or-ganisation. Whrend schon die Idee der Schaffung einer eigenstn-digen Gewerkschaftsinternationale auftauchte, drngte die Fhrungder im Mrz 1919 geschaffenen Kommunistischen Internationale,des Zusammenschlusses der kommunistischen Parteien, darauf, daauch die Gewerkschaften ihr beitreten sollten wie in der I. solltenauch in der III. Internationale alle Formen von Arbeiterorganisatio-nen ihren Platz nden. Jedoch nur die ganz von den Kommunistendominierten russischen Gewerkschaften bernahmen diese Position.Dazu kam, da die junge kommunistische Bewegung im Westennoch ganz ber die Frage ihrer Einstellung zu den Gewerkschaftenzerstritten war. Whrend ein Teil fr die Spaltung der bestehenden,reformistisch dominierten Verbnde und fr die Schaffung revolu-tionrer Gewerkschaften eintrat, auch wenn diese nur kleine Min-derheiten umfaten, sprachen sich die anderen fr die Mitarbeit inden existierenden Massenorganisationen aus, um sie zu revolutio-nieren. Dieser Standpunkt wurde von den Bolschewiki untersttzt,die ja auch so in Ruland verfahren hatten.10 Er setzte sich auf demzweiten Kongre der Komintern im Juli/August 1920 durch.

    Jedoch war der konkrete Schritt, der in diesen Monaten in Moskauzur Grndung der zuknftigen Roten Gewerkschaftsinternationaleunternommen wurde, eher das Resultat einer zuflligen Konstella-tion. Dort waren zahlreiche Delegationen verschiedenster Arbeiter-organisationen zu Besuch, die sich ber die Lage im revolutionrenRuland ein Bild aus erster Hand machen wollten. Viele davon wa-ren zugleich Vertreter ihrer Organisationen fr den Komintern-Kon-gre. Zunchst kam es zu Besprechungen der Russen mit Reprsen-tanten des linken Flgels von Amsterdam (aus Grobritannien,Italien und Norwegen).11 Man einigte sich auf die Schaffung einesInternationalen Gewerkschaftsrats, der einen internationalen revolu-tionren Gewerkschaftskongre einberufen sollte. Im Verlauf desJuli erklrten sich auch eine Reihe von syndikalistischen Vertreternzu seiner Untersttzung bereit.12 Die Erwartungshaltung war dabeiaber unterschiedlich: Whrend die linken Amsterdamer sich vomGewerkschaftsrat eine Verstrkung ihres Einusses innerhalb desIGB erhofften, sahen die Syndikalisten darin eine Mglichkeit, ihrelanggehegte Idee der Schaffung einer revolutionren Alternative zuihm zu verwirklichen.

    Aber auch die Russen hatten sich ja jetzt gegen Amsterdam ge-stellt und sahen dabei eine Mglichkeit zur engen Zusammenarbeitmit den Syndikalisten. Dafr hatten sich die Bolschewiki schon imgemeinsamen Anti-Kriegs-Kampf whrend des Weltkriegs ausge-sprochen. Zugleich erwarteten sie, da sich dem Gewerkschaftsratsehr schnell bedeutende Teile von Amsterdam anschlieen wrden.Diese Einschtzung war ganz von den revolutionren Illusionen derNachkriegskmpfe bestimmt, wie sie fr die kommunistische Bewe-gung jener Jahre so charakteristisch waren. Daran sollte auch nichtsndern, da der Gewerkschaftsrat sofort mit einer intensiven Kam-pagne in der internationalen Gewerkschaftsbewegung begann unddafr, von seinem Hauptsitz in Moskau aus, einen internationalenApparat mit publizistischen Organen und einer Reihe von Bros imAusland aufbaute.13 Sehr schnell sollte sich erweisen, da sich nur

    Russia von E. H. Carr zunennen, die die bestmgli-che Darstellung der RGI biszur Wende von 1928/29,wo seine Geschichte endet,enthlt, die man ohne Zu-gang zu den sowjetischenArchiven schreiben konnte.

    6 Zur Geschichte des In-ternationalen Sekretariatsund dann des IGB sei hiernur pauschal verwiesen aufAnthony Carew u. a.: TheInternational Confederationof Free Trade Unions, Bernu. a. 2000, pp. 25-163.

    7 Die Geschichte des syndikalistischen Inter-nationalismus ist bei WayneThorpe: The WorkersThemselves. RevolutionarySyndicalism and Internatio-nal Labour 1913-1923, Dor-drecht u. a. 1989, beschrie-ben. Speziell ber die Rolleder CGT dabei vgl. SusanMilner: The Dilemmas of Internationalism. FrenchSyndicalism and the Inter-national Labour Movement1900-1914, Oxford 1990.

    8 Vgl. dazu das entspre-chende Protokoll: Pervyjvserossijskij s-ezd profes-sionalnych sojuzov.7- 14 janvarja 1918g.Polnyj stenograficeskijotcet s predisloviem M.Tomskogo, Moskau 1918.

    9 Im Jahre 1919. Vgl.Otcet Vserossijskogo Cen-tralnogo Soveta Professio-nalnych Sojuzov (Mart1920g. Aprel 1921g.),Moskau 1921, S. 56-59.

    10 Dieser Standpunktwurde vor allem von Leninin seiner bekannten Streit-schrift Der linke Radikalis-mus die Kinderkrankheitim Kommunismus gegendie kommunistische Ultra-linke entwickelt. Zur fr dieRGI so entscheidenden Ent-wicklung der Komintern sei

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  • wenige Verbnde des IGB geschlossen fr Moskau und die Be-schickung des revolutionren Gewerkschaftskongresses ausspra-chen.

    So reprsentierten die Delegierten des in Moskau vom 3. bis 19.Juli 1921 stattndenden Grndungskongresses der RGI von eini-gen Ausnahmen abgesehen, auf die noch zurckzukommen seinwird zum einen zahlreiche kleine unabhngige syndikalistischeOrganisationen und zum anderen die kommunistischen Minderhei-ten (Fraktionen) innerhalb der zum IGB gehrenden Verbnde(wozu noch die russischen Gewerkschaften hinzukamen, die alsquasi-staatliche Organisation allerdings eine nach Millionenzhlende Mitgliedschaft aufweisen konnten). Nach scharfen Ausein-andersetzungen mit einem Teil der Syndikalisten, die die neue Inter-nationale politisch und organisatorisch unabhngig von den kommu-nistischen Parteien halten wollten, kam es dennoch zur Grndungder Roten Gewerkschaftsinternationale.14 Von Beginn an stand sie ineinem Dilemma. Whrend sie einerseits fr das kommunistischePrinzip eintrat, keine knstliche Spaltung der bestehenden Gewerk-schaften durchzufhren, stellte sie zugleich auf organisatorischerEbene einen Bruch mit Amsterdam dar. Kommunistische Gewerk-schafter, die in zum IGB gehrenden Organisationen arbeiteten,konnten so und wurden der Doppelzngigkeit, der Zugehrigkeitzu zwei verschiedenen, antagonistischen Internationalen angeklagt.

    Fr die Bolschewiki stellte die Grndung der RGI dennoch einenErfolg insofern dar, als sie damit einen wichtigen Sektor der Syndi-kalisten gewonnen hatten. Das brachte eine bedeutende Verstrkungbei der Bildung kommunistischer Parteien mit sich, hauptschlich inSdeuropa, aber auch in Nord- wie Sdamerika. Dieser organisato-rische Zugewinn hatte aber auch eine politisch-strategische Seite.Die kommunistische Gewerkschaftsaktivitt gerade in diesen An-fangsjahren der RGI war nicht unbeeinut von syndikalistischenKonzepten: Anstelle von begrenzten konomischen Kmpfen, diedeutlich von politischen Forderungen, der Domne der (sozialdemo-kratischen) Partei, abgegrenzt waren, wie dies der klassischen so-zialdemokratischen Gewerkschaftskonzeption und damit auch denVorstellungen des IGB entsprach, trat die RGI fr eine industrialstrategy ein. Streiks und andere Kmpfe sollten, nicht unhnlich al-ten syndikalistischen Ideen, hin zur Revolution entwickelt werden,was zugleich mit der Organisierung der rank-and-le-Mitglieder ge-gen die Gewerkschaftsbrokratie verbunden sein sollte. Entspre-chend wurde eine ganze Reihe programmatischer Positionen z. B.zur Arbeiterkontrolle, zur Organisierung der Arbeitslosen, zurStreikstrategie auf den ersten Kongressen angenommen.15

    Aber auch auf einem anderen Gebiet hob sich die RGI vom IGBab. Als bedingungslose Gegnerin von Kolonialismus und Imperialis-mus von der Grndung ab proklamierte sie die Bereitschaft, die Ar-beiter in den kolonialen und halbkolonialen Lndern zu organisie-ren nicht nur fr den Kampf um Unabhngigkeit, sondern ebensofr ihre konomischen Interessen und schlielich fr die sozialisti-sche Revolution. Es ist nicht verwunderlich, da sich gerade auf die-sem Gebiet die RGI als erfolgreich erweisen sollte. Denn nicht nurwar der IGB hier praktisch nicht existent. Seine Mitgliedsorganisa-

    hier nur verwiesen auf diemonumentale Darstellungvon Pierre Brou: Histoirede lInternationale Commu-niste 1919-1943, Paris1997.

    11 Nur ein Protokoll desersten Treffens vom 16. Juniwurde in einer kommunisti-schen Broschre ber denGrndungsproze verffent-licht: A. Losowski: Der Inter-nationale Rat der Fach- undIndustrieverbnde (Moskaugegen Amsterdam), Berlin1920, S. 69-73.

    12 Zu deren Beteiligungan den Verhandlungen vgl.Thorpe: The Workers Them-selves, pp. 128-149. Inter-essantes, bisher kaum auf-gearbeitetes Material zurHaltung der Syndikalistenfindet sich in den Jack Tan-ner Papers (Nuffield CollegeOxford University). Tannerwar Delegierter der briti-schen Shop Stewards inMoskau.

    13 Hauptsttzpunkt war(bis 1933) Berlin. Dort resi-dierte das MitteleuropischeBro, das die bersetzungund Verbreitung der in Mos-kau erstellten Publikationensicherstellte, aber auch ei-gene (so einen Nachrichten-dienst) herausgab, vor allemaber einen wichtigen orga-nisatorischen Faktor fr diewesteuropische kommuni-stische Gewerkschaftsbe-wegung darstellte sowie dieInformation der MoskauerZentrale sicherstellte. Ne-ben diesem Bro existiertenin den folgenden Jahrennoch in einigen weiteren eu-ropischen, aber auch ber-seeischen Lndern zeitwei-lige Vertretungen. Derzentrale Apparat in Moskauverfgte sehr schnell bermehr als 100 Mitarbeiter,mit dessen Hilfe der Ge-werkschaftsrat (spter das

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  • tionen in den kolonialen Metropolen hatten oftmals kein Verstndnisfr den antikolonialen Kampf, wenn sie nicht sogar direkt den Ko-lonialismus verteidigten.16

    Vor allem konnte die RGI in China in der Revolution von 1925 bis1927 einen groen Einu gewinnen und in Gestalt ihrer neuge-wonnenen Mitgliedsorganisation Millionen Anhnger organisieren.17Aber ein hnlicher, wenn auch nicht so spektakulrer Einu zeigtesich in vielen Lndern der im heutigen Sprachgebrauch DrittenWelt. Dies sollte bald zur Idee der Grndung regionaler Organisa-tionen fhren.

    From confrontation to unity of action?In jedem Fall arbeitete die RGI von Beginn an Hand in Hand mit derKommunistischen Internationale. Dies hatte der Grndungskongretrotz heftigen Widerstandes von seiten der meisten Syndikalisten ineiner direkten organisatorischen Verbindung durch die gegenseitigeVertretung in den Leitungsgremien institutionalisiert. Auch auf na-tionaler Ebene gab es eine hnliche direkte Verschrnkung zwischenKommunistischer Partei und den revolutionren Gewerkschaftern.Ein Teil der Syndikalisten, der besonders eng mit anarchistischenGruppen verbunden war, nahm dies zum Anla, die neue Internatio-nale gleich wieder zu verlassen, und grndete nach heftigen Pole-miken Ende 1922 die Internationale Arbeiterassoziation (IAA).18

    In Frankreich, dem Land mit dem bedeutendsten syndikalistischenEinu, gelang es der RGI jedoch, eine solche Entwicklung zu ver-hindern.19 Dort war es Ende 1921 zur Spaltung der CGT gekommen.Im neuen revolutionren Gewerkschaftsverband, der CGTU, gabenzunchst anarchosyndikalistische Strmungen den Ton an, die aufder Unabhngigkeit der Gewerkschaften von Parteieinu beharr-ten. Daraufhin erklrte die RGI auf ihrem zweiten Kongre im No-vember 1922 den Verzicht auf die organische Verbindung von RGIund Komintern, d. h. auf die gegenseitige Vertretung in den Lei-tungsorganen. Jetzt sollten die Fhrungen der RGI und der Kom-intern nur noch in konkreten Fllen auf formal gleichberechtigterEbene zusammenarbeiten. Da so die gewerkschaftliche Unabhn-gigkeit betont sei, erklrte die CGTU ihren Beitritt.

    Fr die Praxis bedeutete diese nderung der Statuten allerdingsnicht viel. Von Beginn an waren der kommunistische Einu, dieBeschlsse der Komintern und in letzter Instanz der Fhrung der so-wjetischen KP, entscheidend gewesen. Nicht nur stellten die sowje-tischen Gewerkschaften den Lwenanteil der Mitgliedschaft. Sie be-setzten mit dem Generalsekretr Aleksandr Lozovskij, der diesesAmt von der Grndung bis zur Ausung der RGI 1937 innehatteund der als Mitglied der bolschewistischen Partei natrlich an derenDisziplin gebunden war, nicht nur die wichtigste Fhrungsposition.Aufgrund des Sitzes der RGI in Moskau, was sich aus der Tatsacheergeben hatte, da er natrlich in keinem anderen Land htte einge-richtet werden knnen, gewannen sie fast automatisch auch einenentscheidenden Einu auf den Apparat der RGI und seine Zusam-mensetzung.

    Es wre aber falsch, diese Entwicklung der RGI hin zu einer aus-schlielich kommunistischen Ausrichtung einfach als Ergebnis eines

    Vollzugsbro) umfangreicheInformations-, vor allem Anleitungsarbeit gegenberder internationalen Gewerk-schaftsbewegung leistete.In Moskau wurde auch dasOrgan (seit Herbst 1921 unter dem Titel: Rote Ge-werkschaftsinternationale)erstellt.

    14 Vgl. das Protokoll:1-yj mezdunarodnyj kon-gress revoljucionnych,professionalnych i proiz-vodstvennych sojuzov.Stenograficeskij otcet,Moskau 1921.

    15 Diese Beeinflussungdurch syndikalistischeVorstellungen hob etwa derscharfsinnige sozialdemo-kratische Beobachter Salomon Schwartz hervor. Siehe seinen Beitrag RoteGewerkschaftsinternationale(RGI), in: InternationalesHandwrterbuch des Ge-werkschaftswesens, Berlin1932, Bd. 2, S. 1348-1359,hier S. 1350. Die Program-matik der RGI, die natrlichzunchst in den Kongre-resolutionen festgelegt war,wurde dann von ihrem Ge-neralsekretr Lozovskij ineinem international weitverbreitetem Buch populari-siert: A. Losowski: Das Aktionsprogramm der RotenGewerkschafts-Intenatio-nale, Berlin 1921.

    16 Eine vergleichendeSkizze bei Willy Buschak:Internationaler Gewerk-schaftsbund, Rote Gewerk-schaftsinternationale unddie Gewerkschaftsbewe-gung in Kolonien und halb-kolonialen Lndern, in:Gewerkschaftsbewegungim 20. Jahrhundert imVergleich, Bochum 1985,S. 34-55.

    17 Vgl. dazu die zeit-genssische Darstellungdurch einen der fhrenden

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  • geheimen machiavellistischen Plans abzutun. Sie hatte letztlichihren Grund darin, da der ursprnglichen Idee der RGI als einerAllianz von Kommunisten und Syndikalisten sehr bald nach ihrerGrndung durch den Gang der Dinge die praktische Basis entzogenworden war. Entweder schieden die Syndikalisten aus grundstzli-cher Opposition heraus aus oder sie schlossen sich den kommunisti-schen Parteien in den verschiedenen Lndern an. Eine separate syn-dikalistische Strmung hrte somit sptestens nach dem zweitenRGI-Kongre auf zu bestehen. Die RGI wurde politisch homogen.Alle Fhrer der RGI hatten nun kommunistische Mitgliedskartenund waren damit an die Parteidisziplin gebunden; damit war die RGIquasi automatisch an die Beschlsse der Komintern bzw. der so-wjetischen KP gebunden.

    Doch zur gleichen Zeit erwiesen sich die whrend der Grndungproklamierten Erwartungen auf groe Erfolge als illusorisch. DieAmsterdamer Linke, die 1920/21 mit Moskau geirtet hatte, hattesich sehr bald verabschiedet. Delegierte sowohl der italienischen wieder norwegischen Landeszentrale hatten noch am RGI-Grndungs-kongre teilgenommen. Bereits im November 1921 erklrten die ita-lienischen Gewerkschaften ihren denitiven Bruch mit der RGI.Komplizierter verlief die Diskussion in Norwegen, wo der norwegi-sche Gewerkschaftsbund 1922/23 schlielich seine Unabhngigkeitsowohl gegenber der RGI wie dem IGB proklamierte. Damit wolleman als Faktor der internationalen Einigung wirken, hie es.

    Nur in zwei westeuropischen Lndern hatte die RGI zwei Ge-werkschaftsbnde mit Masseneinu gewonnen. Beide waren ausAbspaltungen der zu Amsterdam gehrenden Landeszentralen her-vorgegangen. In Frankreich war so die CGTU aus der CGT entstan-den. In der Tschechoslowakei, wo die kommunistische Partei aus derAbspaltung von der Sozialdemokratie hervorgegangen war, warauch der sozialdemokratische Gewerkschaftsbund davon betroffen.Im Jahre 1922 wurden die zur RGI tendierenden Krfte daraus aus-geschlossen und konstituierten sich im Oktober zum InternationalenAllgewerkschaftlichen Verband (Mezinrodni vseodborovy svaz MVS), der sofort seinen Beitritt zur RGI erklrte.20 In allen anderenLndern, insbesondere in Deutschland mit der strksten Arbeiterbe-wegung Europas, muten sich die Anhnger der RGI darauf be-schrnken, sich als Minderheit in den zum IGB gehrenden Landes-zentralen zu organisieren.

    Normalerweise implizierte das, da die Krfte der RGI mit denkommunistischen Parteifraktionen identisch waren. Sie konstituier-ten sich als nationale Sektionen der RGI und entsandten z. B. Dele-gierte zu den Kongressen oder Vertreter in die Fhrungsgremien derRGI. Nur in einigen begrenzten Fllen, vor allem in Grobritannien,konnte sich die RGI-Tendenz in diesem Fall innerhalb des TUC als eine selbstndige Formation unter dem Namen National MinorityMovement konstituieren.21 Dies beruhte auf den besonderen Tradi-tionen des britischen Syndikalismus, an dessen Vorkriegsentwick-lung das Minority Movement anknpfen wollte. Vorsitzender warder Veteran des britischen Syndikalismus, Tom Mann. Jedenfallsversuchte sich das Minority Movement breiter zu geben als eine ein-fache Parteifraktion.

    kommunistischen Gewerk-schafter: Deng Zhongxia:Anfnge der chinesischenArbeiterbewegung 1919-1926, Hamburg 1975, dieklassische Studie ist: JeanChesnaux: Le mouvementouvrier chinois de 1919 1927, Paris 1962.

    18 Die IAA blieb jedochmarginal. Zwar traten ihrzahlreiche anarchosyndikali-stische Gewerkschaften bei,vor allem aus Sdeuropaund Lateinamerika. Dochnur in Spanien berflgeltendie Syndikalisten der Confe-deracin Nacional del Tra-bajo (CNT) ihren sozialde-mokratischen Konkurrenten.Aufgrund der 1923 errichte-ten Diktatur Primo de Ri-veras sollten sie allerdingsin der IAA keine bedeutendeRolle spielen. Der Bruch derCNT mit Moskau hatte aller-dings fr die RGI und denspanischen Kommunismuseinen schweren Rckschlagdargestellt. Vgl. dazu Thorpe,The Workers Themselves.

    19 Zu Frankreich, derSpaltung der CGT und derEntwicklung der CGTU, vgl.die berblicksdarstellungenbei Georges Lefranc: Lemouvement syndical sous la Troisime Rpublique,Paris 1967, und MichelDreyfus: Histoire de laC.G.T, Brssel 1995.

    20 Vgl. Kevin McDermott:The Czech Red Unions,1918-1929. A Study of theirRelations with the Commu-nist Party and the MoscowInternationals, Boulder 1988.

    21 Vgl. dazu RoderickMartin: Communism andthe British Trade Unions1924-1933. A Study of theNational Minority Move-ment, Oxford 1969. hnlichauch in den USA, wo dieTrade Union EducationalLeague gegrndet wurde.

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  • Doch all dies bedeutete, da die Konfrontation zwischen Moskauund Amsterdam in der internationalen Gewerkschaftsbewegungdazu tendierte, mehr auf organisatorischer als auf politischer Ebenezu verlaufen, wobei Auseinandersetzungen um Ausschlsse undSpaltungen im Vordergrund standen. Sehr bald nach ihrer Grndungsah die Bilanz fr die RGI eher enttuschend aus. Kein wirklicherDurchbruch war mglich gewesen. Amsterdam dominierte weiterhindie internationale Gewerkschaftsbewegung.

    Als Ausweg aus dieser Sackgasse wandte sich die RGI verstrkteiner Einheitsfrontpolitik zu. Ein erster Kontakt hatte sich auf demvom IGB im Dezember 1922 in Den Haag veranstalteten Anti-Kriegs-Kongre ergeben, zu dem auch eine Delegation der russi-schen Gewerkschaften die indirekt die RGI vertraten eingeladenwar.22 An dessen Rand war es zu informellen Kontakten gekommen.Doch der eigentliche Ansto ergab sich durch die Ruhr-Krise imJanuar 1923, als franzsische und belgische Truppen das Ruhrgebietals Pfand zur Sicherung der deutschen Reparationsleistungen be-setzten. Damit schien ein neuer Krieg in Europa mglich zu werden.Es war insbesondere der IGB-Sekretr Edo Fimmen zugleich Se-kretr der Internationalen Transportarbeiterfderation , der sich kri-tisch von der Passivitt der brigen IGB-Fhrung absetzte und nunseine Bereitschaft ausdrckte, mit den Russen zu sprechen.23 DochGesprche kamen nur auf der Ebene der Berufssekretariate24 zu-stande. Im Mai 1923 trafen sich die Transportarbeiter in Berlin unddie Metaller in Friedrichshafen. Allerdings konnten die dabei erfolg-ten Vereinbarungen schlielich nicht verwirklicht werden.

    Dagegen war es erst gar nicht zu Gesprchen zwischen IGB undRGI (oder zumindest den russischen Gewerkschaften) gekommen.Im Gegenteil, innerhalb des IGB setzte eine heftige Gegenkampagnegegen jede Art von Absprache mit Moskau ein, die im NovemberEdo Fimmen zum Rcktritt von seinem Posten im IGB zwang. (Erblieb allerdings Transportarbeiter-Sekretr.) Die Berufssekretariatewurden zur strikten Unterordnung unter die Abgrenzung von Mos-kau aufgefordert. Es war allerdings nicht mehr mglich, die Auf-nahme der russischen Lebensmittelarbeiter in das entsprechendeSekretariat Anfang Oktober zu verhindern. Doch sollte das der ein-zige Fall einer russischen Mitgliedschaft in einem Berufssekretariatbleiben, obwohl es zu entsprechenden Bemhungen in praktisch al-len kam.

    Das kommunistische Vorgehen im Jahre 1923 war ganz von derErwartung erfllt gewesen, die Krise in Deutschland wrde im Ge-folge der Ruhrbesetzung eine revolutionre Situation auf die Tages-ordnung setzen. Die RGI nahm z. B. im September einen Aktions-plan an, der u. a. nach Beginn der Kmpfe in Deutschland dieVerlegung ihres Sitzes vorsah. Die Berufssekretariate, mit denen dierussischen Gewerkschaften in Kontakt standen, und vor allem Fim-men selbst wurden angesprochen, beim Ausbruch revolutionrerKmpfe internationale Solidarittsaktionen durchzufhren. DochFimmen warnte in einem langen Brief die bolschewistische Fhrung,sie schtze die politische Situation in Deutschland vllig falsch ein.Der RGI-Generalsekretr Lozovskij hielt sich ab Mitte Oktober (bisMitte Dezember) in Deutschland auf. Bekanntlich endete die deut-

    22 Vgl. Bericht ber deninternationalen Friedens-kongre. Abgehalten imHaag (Holland) vom 10. 15. Dezember 1922 unterden Auspizien des Interna-tionalen Gewerkschaftsbun-des, Amsterdam 1923.

    23 Vgl. den Beitrag desVerfassers: Unity BetweenMoscow and Amsterdam?Edo Fimmens relationshipto the Communist TradeUnion Movement, in: BobReinalda (Ed.): The Inter-national TransportworkersFederation 1914-1945. TheEdo Fimmen Era, Amster-dam 1997, pp. 94-105.

    24 Aus Platzgrnden kannin diesem Beitrag nicht wei-ter auf die Haltung der RGIzu den Berufssekretariateneingegangen werden. Hierschlugen die kommunisti-schen Gewerkschaften einebesondere Taktik ein. Dazuschuf sich die RGI die so-genannten InternationalenPropagandakomitees frdie wichtigsten Branchen.Die RGI wollte damit keineeigenen roten Berufs-sekretariate schaffen, son-dern die bestehenden nurrevolutionieren, da sie imUnterschied zum IGB alsbeeinflubar galten. DieAuseinandersetzung kon-zentrierte sich in der Folge-zeit auf die Frage derBeitrittsmglichkeit der rus-sischen Gewerkschaften.Vgl. dazu den in Vorberei-tung zur Verffentlichungbefindlichen Artikel des Ver-fasser Between Moscowand Amsterdam: The Inter-national Trade Union Move-ment of the 1920s BetweenSplits and Unity, paperpresented at the 1998 Con-vention of the AmericanHistorical Association.

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  • sche Oktoberrevolution Anfang November in einem Fiasko. Diepolitische Lage stabilisierte sich in den folgenden Monaten, doch dieKPD, die sich um ihren vermeintlichen Sieg betrogen sah, radikali-sierte sich, was auch zu heftigen Konfrontationen in den Gewerk-schaften fhrte. Aufgrund einer ultralinken Wende nach Absetzungder bisherigen, stark auf die Arbeit in den Gewerkschaften orientier-ten Fhrung verlor sie fast vollstndig ihren Gewerkschaftseinu und damit die RGI ihre bedeutendste Massenbasis auerhalb Ru-lands. Die Lage in Westeuropa stabilisierte sich. Damit entschwan-den erst einmal die Aussichten auf revolutionre Entwicklungen,whrend sich fast zeitgleich in der Sowjetunion durch den TodLenins und den Beginn des Kampfes in der Parteifhrung zwischenStalin mit seinen wechselnden Verbndeten und Trotzki ein neuesKapitel auftat.

    Towards international trade union unity?Die weitere Politik der RGI wurde jetzt aber vor allem durch dieEntwicklung innerhalb des IGB bestimmt. Zwar hatte dieser imJahre 1923 jedwede Einheitsfront nicht zuletzt wegen des Drucksder deutschen Gewerkschaften abgelehnt. Doch verschob sich imGefolge der Inationskrise, die auch die deutschen Gewerkschaftenpraktisch an den Rand des Bankrotts fhrte und sie viele Mitgliederkostete, das Gewicht innerhalb des IGB jetzt noch strker zugunstender Briten, des TUC. Sie stellten nun die grte Mitgliedsorganisa-tion und leisteten ihre Beitrge in der strksten Whrung. Innerhalbdes TUC kam es zu einem gewissen Linksruck, Ausdruck der Krise,in der das Land seit dem Weltkriegsende lebte. Sie drckte sich in ei-ner hohen Arbeitslosigkeit und nicht zuletzt in einer groen Krisedes Bergbaus aus. Der Generalrat des TUC forderte eine auenpoli-tische Verstndigung mit den Russen, um sie in die Weltwirtschaftwieder einzubeziehen, und nahm Verbindung zu den russischen Ge-werkschaften auf. Der russische Gewerkschaftsvorsitzende Tomskijwar Gast des TUC-Kongresses im September 1924. Im Gegenzugbesuchte eine englische Delegation im November/Dezember 1924das Land und verffentlichte einen optimistischen, wenn auch nichtunkritischen Bericht.25

    Bereits auf dem Wiener Kongre des IGB (Juni 1924) hatten dieBriten darauf gedrngt, zwar nicht der RGI denn diese sei eineSpalterinternationale, fr die es neben dem IGB keine Existenz-berechtigung gebe , wohl aber den Russen einen Weg in ihre Rei-hen zu ffnen. Solche Einladungen hatte der IGB schon seit 1920immer wieder ffentlich gemacht. Doch waren das eher propagandi-stische Manver im Schlagabtausch zwischen Moskau und Am-sterdam gewesen. Man hatte gar kein wirkliches Interesse daran ge-zeigt. Nun drngte der neue IGB-Vorsitzende Purcell, untersttztvom TUC-Generalrat, darauf, ein solches Angebot ernsthaft zu ver-folgen. Sie konnten dabei auch auf den Zuspruch Fimmens, der im-merhin noch Sekretr des strksten Berufssekretariats war, bauen.Doch stie dies innerhalb der IGB-Fhrung auf heftigen Widerstand,der sich allerdings weniger in offener Ablehnung als durch die Ver-knpfung eines solchen Angebots mit Bedingungen, die faktisch dieRussen zur Ablehnung zwingen sollten, uerte. Als Anfang 1925

    25 Zur englischenGewerkschaftsdiplomatievgl. Daniel F. Calhoun: TheUnited Front. The TUC andthe Russians 1923-1928,Cambridge 1976.

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  • auf diese Weise ein Angebot des IGB an die russischen Gewerk-schaften zustande kam, das intern von z. B. den Briten und Fimmenheftig kritisiert worden war, da es kein wirkliches Einheitsangebotsei, trafen sich im April Vertreter des TUC und der russischen Ge-werkschaften in London und grndeten das Anglo-Russische Komi-tee, um die internationale Gewerkschaftseinheit durchzusetzen. Die-ses Komitee traf sich in der Folgezeit mehrere Male (17. 9. 1925;8./9. 12. 1925; 30. 6. 1926; 23. 8. 1926; 23. 3. 1. 4. 1927). Dochseine Ergebnisse blieben immer vage. Es war zwar immer wiedervon den Bemhungen die Rede, die russischen Gewerkschaften inden IGB hineinzuziehen. Jedoch wollten sich die britischen Ge-werkschaften zu nichts Konkretem verpichten. Schlielich setztensich die Auseinandersetzungen innerhalb der IGB-Fhrung fort, dieauf dem Pariser IGB-Kongre (August 1927) in einer offenen Kon-frontation zwischen dem TUC und den meisten brigen Delegatio-nen gipfelten. Heftige gegenseitige Beschuldigungen, zu manipulie-ren oder Moskauer Agenten zu sein, wurden erhoben.

    Doch die eigentliche Ursache fr das Scheitern des Anglo-Russi-schen Komitees lieferte der britische Generalstreik im Mai 1926, derzur Untersttzung eines Bergarbeiterstreiks erfolgte. Als dieser vomTUC-Generalrat nach einer Woche ohne konkrete Resultate abge-brochen wurde, kam es zu heftigen Vorwrfen aus Moskau. Mansprach vom Verrat an den Bergarbeitern. Diese verblieben noch Mo-nate lang alleine im Streik. Auch wenn noch mehrere Treffen desAnglo-Russischen Komitees erfolgten, es war damit paralysiert, soda seine ofzielle Aufkndigung durch den TUC-Jahreskongre imSeptember 1927 in Edinburgh faktisch nur noch einen Leichnam be-traf. Diese Entwicklung war auch dadurch zustande gekommen, dadie einheitsfreundliche Linke im Generalrat ab dem TUC-Kongrevon 1925 zurckgedrngt worden war. Des weiteren war es nachdem Generalstreik zu heftigen Konfrontationen zwischen dem kom-munistisch gefhrten Minority Movement und den britischen Ge-werkschaftsfhrungen gekommen. Solange an die Gesprche vonTUC und russischen Gewerkschaften Erwartungen auf eine wie im-mer geartete internationale Einheit geknpft werden konnten, hattedas Minority Movement den Generalrat dabei untersttzt. Nun, nachdem Streik, stimmte es in die heftigen Verratsvorwrfe mit ein. Dar-aufhin griff der Generalrat geschlossen sowohl sein rechter wiesein linker Flgel zu Disziplinierungsmanahmen und drngte die-sen Einu in den folgenden Jahren zurck, wozu allerdings auchdie durch die Niederlage hervorgerufene Situation der Demoralisie-rung entschieden beitrug.

    Vorbergehend hatte sich nach dem Scheitern des britischenWegs 1927/28 noch die Hoffnung erffnet, ber die skandinavi-schen Gewerkschaften eine neue internationale Einheitsoffensive zustarten. Die norwegischen und die nnischen Gewerkschaftsbndewaren international unabhngig. Sie hatten das Anglo-Russische Ko-mitee untersttzt, ohne aber Mitglied werden zu knnen, da der TUCweitere Aufnahmen abgelehnt hatte. Nun trafen sich Finnen, Nor-weger und Russen im Februar 1928 in Kopenhagen und erklrten,gemeinsam fr einen internationalen Vereinigungskongre der Ge-werkschaften kmpfen zu wollen. Doch trotz auch zustzlich erfolg-

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  • ter Gegenseitigkeitsvertrge zwischen einzelnen norwegischen, n-nischen und russischen Gewerkschaften erwies sich auch dieser Wegbald als eine Sackgasse, allerdings vor allem wegen der ab Sommer1928 einsetzenden kommunistischen Neuorientierung.

    Parallel zu diesen verschiedenen Gesprchen auf Fhrungsebene ab1924 war es auch in zahlreichen der brigen Amsterdamer Mitglieds-zentralen zu Einheitsbemhungen gekommen, die sich jedoch fastausschlielich auf die Mitgliederebene beschrnkten. Im allgemeinenauf Initiative der Kommunisten und oftmals in Verbindung mit derEinladung von Arbeiterdelegationen nach Ruland hatten sich in vie-len Lndern Einheitsgruppen gebildet, Sie gaben zumeist eine Zei-tung unter dem Namen Einheit heraus und fhrten Kampagnen zurUntersttzung der internationalen Gewerkschaftseinheit und vor allemdes Anglo-Russischen Komitees durch. Doch diese Gruppen kamenselten ber den bloen Einubereich der kommunistischen Parteienhinaus und ihr Mierfolg wurde oftmals noch zustzlich durch Aus-einandersetzungen in den kommunistischen Parteien verstrkt. ImVerlaufe der Jahre 1927/28 schliefen diese Ttigkeiten ein, was aberauch Ausdruck eines kommunistischen Strategiewechsels war.

    In dieser Einheitsbewegung hatte die RGI nur eine ambivalenteRolle gespielt. Der dritte RGI-Kongre im Juli 1924, einen Monatnach dem IGB-Kongre, hatte zwar die sich dort manifestierende Ent-wicklung zur Kenntnis genommen und sich ebenso fr die Herstel-lung der internationalen Gewerkschaftseinheit ausgesprochen. Aller-dings wurde darunter ein gleichberechtigter Zusammenschlu vonIGB und RGI durch einen internationalen Gewerkschaftskongre ver-standen. Doch der IGB lehnte schon jeden Kontakt zur RGI ab. Nurallenfalls die russische Landeszentrale knne einen Platz in ihren Rei-hen beanspruchen. Die RGI stehe dagegen fr Fraktionsttigkeit undin einer Reihe von Lndern sogar fr Abspaltungen. Die RGI-Fhrungunter Lozovskij sah es mit Mitrauen, da in dieser Situation die rus-sischen Gewerkschaftsfhrer um Tomskij die sich ihnen bietende Ge-legenheit aufgriffen und mehr oder minder offen mit einem Beitrittzum IGB liebugelten, der auf Kosten der RGI gehen mute. Ohneihre strkste Sektion konnte sie aber kein internationaler Faktor mehrsein. Hinter den Kulissen kam es deshalb zu heftigen Auseinanderset-zungen zwischen RGI und russischen Gewerkschaften. Doch solangeauch die sowjetische Parteifhrung um Stalin an die Kontakte zumTUC groe Erwartungen knpfte, konnte die RGI dagegen nicht vor-gehen und war gezwungen, nach auen hin diese Politik mitzutragen.

    Um ihr eigenes Gewicht dabei zu strken, bemhte sich die RGIFhrung zum einen, ihren organisatorischen Apparat auszubauenund ihre Mitgliedszentralen, vor allem die beiden westeuropischenmit Masseneinflu, zu stabilisieren. Doch noch aussichtsreicherschien andererseits der Umweg ber die Kolonial- und Halbkolo-niallnder. Dies galt besonders fr das ab 1925 von einer breitenrevolutionren Bewegung erschtterte China. Im Mai 1925 trat derneugegrndete chinesische Gewerkschaftsbund der RGI bei. Lozovs-kij selbst vertrat die RGI auf dem vierten chinesischen Gewerk-schaftskongre im Juni 1927. Doch da hatte die Revolution ihrenZenith bereits berschritten. Die nationalistische Guomindang brachmit den Kommunisten und erstickte blutig die Revolution.

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  • Noch im Mai 1927 war auf einem ebenfalls in China stattgefunde-nen Kongress versucht worden, den von China ausgehenden Impulsum eine internationale Dimension zu verbreitern. Schon einige Jahrezuvor war von australischen Gewerkschaften sie tendierten zurRGI die Idee einer den gesamten asiatisch-australischen Raum um-fassenden Gewerkschaftsfderation lanciert worden. Nun wurde dasPan-Pazische Gewerkschaftssekretariat (Pan-Pacic Trade UnionSecretariat PPTUS) gegrndet. Es war formal von der RGI unab-hngig, auch wenn die meisten Mitgliedsverbnde ihr angehrten,untersttzte aber die RGI-Forderung nach Herstellung der Einheitdurch einen internationalen Kongre.

    The ultra-left turn 1928/29Mit dem Scheitern der chinesischen Revolution erwiesen sich diedaran geknpften Hoffnungen auf die Strkung der RGI als illuso-risch. Zustzlich erbrachte die innere Entwicklung der Sowjetunion,erst die Ausschaltung der Linken um Trotzki Ende 1927 und dann imfolgenden Jahr die der Rechten um Bucharin und den Gewerk-schaftsfhrer Tomskij, eine grundstzliche Neuorientierung derkommunistischen Politik. Der Festigung der Stalinschen Diktatur imInneren durch Zwangskollektivierung und forcierte Industrialisie-rung entsprach eine ultralinke Wende in der internationalen Politik.Diese hatte unmittelbare Auswirkungen insbesondere auf das kom-munistische Verhltnis zu den reformistischen Gewerkschaften.Das noch von Lenin proklamierte Ziel ihrer Revolutionierung ver-mittels kommunistischer Fraktionsarbeit wurde verworfen. Siewurden als Agenturen des Sozialfaschismus und Werkzeuge in denHnden des Kapitals denunziert. Statt dessen sollten ber die Vor-stufe die Bildung revolutionrer Gewerkschaftsoppositionenselbstndige revolutionre (rote) Gewerkschaften geschaffenwerden.

    Dieser Kurs wurde auf dem vierten RGI-Kongre (17. 3. 3. 4. 1928)eingeleitet und dann auf weiteren Konferenzen gegen z. T. erheb-lichen Widerstand sanktioniert. So wurde in Deutschland die engmit der traditionellen Gewerkschaftsarbeit der Partei verbundeneRechte in den folgenden Monaten aus der Partei gedrngt. In derTschechoslowakei spaltete sich der MVS, einer der beiden seit ihrerAnfangszeit zur RGI gehrenden Gewerkschaftsbnde mit Mas-seneinu in Europa. Die Mehrheit brach mit der RGI (und sollte1930 zum sozialdemokratischen Gewerkschaftsbund zurckkehren).Zustzlich verschaffte die Ablsung der russischen Gewerkschafts-fhrung um Tomskij Ende 1928, auch wenn sie primr aus innerso-wjetischen Grnden erfolgte, freie Hand.

    Auf einer Konferenz am 30. 11./1. 12. 1929 wurde in Deutschlanddie Revolutionre Gewerkschaftsopposition (RGO) gegrndet, dieschnell zum Vorbild fr die Entwicklung in den brigen Lndern er-hoben wurde und dem neuen Kurs den Namen geben sollte.26 DieVerschrfung des ultralinken Kurses wurde auf dem fnften RGI-Kongre dem letzten besttigt, der im August 1930 stattfand.Nach auen hin schien er durch die Zahl der vertretenen Organisa-tionen und der Delegierten beeindruckend, doch de facto markierteer ihren unaufhrlichen Niedergang.27 Der Anzahl der berall auf der

    26 Zur RGO WernerMller: Lohnkampf, Mas-senstreik, Sowjetmacht.Ziele und Grenzen derRevolutionren Gewerk-schafts-Opposition (RGO)in Deutschland 1928-1933,Kln 1988.

    27 Auf dem viertenKongre 1928 vertraten421 Delegierte 49 Lnder,auf dem fnften 538 Dele-gierte 60 Lnder.

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  • Welt verkndeten Grndungen revolutionrer Gewerkschaftsorgani-sationen stand der Rckgang des realen Einusses gegenber.

    Das Scheitern dieser ganzen Politik ist exemplarisch am Beispielder RGO in Deutschland anhand der zahlreichen taktischen Schwen-ker nachgezeichnet worden, mit denen die Fhrung den Rckschl-gen begegnen wollte, ohne die Orientierung grundstzlich zu ndern:Zuerst von 1928 bis zum Sommer 1929 die Klrung, d. h. dieDurchsetzung des neuen Kurses in der KPD gegen die Rechtenund Vershnler, dann bis zum Sommer 1930 als politische Vor-bereitung die Schaffung der RGO als Zusammenfassung der bis-herigen Gewerkschaftsfraktionen und ihre Herauslsung aus denGewerkschaften, drittens als organisatorische Umsetzung dieGrndung eigener Organisationen whrend des Winters 1930/31, dieironischerweise Einheitsverbnde genannt wurden, und schlie-lich bis zum 30. Januar 1933 die Bemhungen, das Scheitern dieserPolitik durch verschiedene taktische Manver z. B. durch Beschw-rung der Fraktionsarbeit in den reformistischen Gewerkschaften zukompensieren. Die Entwicklung in den brigen Lndern folgte imgroen und ganzen parallel.28

    Nirgendwo gelang es der RGI, neue revolutionre Gewerkschafts-verbnde mit wirklichem Masseneinu zu formen. berall hattendie neuen RGOs geringere Anhngerschaft als zuvor die kommuni-stischen Gewerkschaftsfraktionen in den noch nicht gespaltenenVerbnden. In den wenigen Fllen, in denen die RGI ber bereitsexistierende Gewekschaftszentralen verfgte, ging deren Einflustark zurck. Faktisch war die RGI darauf reduziert, wie Trotzki dasdann 1933 schrieb, nothing more than a Communist party, or partof a Communist party, only under another name zu sein.29

    Diese Politik hatte ihre scheinbare Legitimation durch die Welt-wirtschaftskrise und die dadurch hervorgerufene Massenarbeitslo-sigkeit erhalten. Doch tatschlich hatte die Wende der kommunisti-schen Gewerkschaftspolitik ja ein Jahr zuvor, als Ausdruck derPolitik Stalins, eingesetzt. Allerdings gewann sie durch die Krise beisich radikalisierenden Teilen der Arbeiterschaft Glaubwrdigkeit, dasie bei den reformistischen Gewerkschaften keinen Rckhalt mehrfanden. Ironischerweise gaben die RGOs die Arbeit unter den Er-werbslosen bald an die kommunistischen Parteien ab. Nachdem am25. Mrz 1931 ein internationaler Erwerbslosentag von den Par-teien und den RGOs durchgefhrt worden war, beschlo im August1931 eine Konferenz dieser Parteien und RGOs, die Erwerbslosen-bewegung gnzlich aus dem organisatorischen Rahmen der RGOsauszugliedern.30

    Die Wende der RGI 1928/29 hatte auch ihre Auswirkungen auf dieArbeit in den Koloniallndern. Das PPTUS wandte sich von jegli-cher Forderung nach internationaler Einheit mit den Klassenverr-tern ab, was zum Bruch mit den Gewerkschaften Australiens fhrte.Zustzliche regionale Unterorganisationen wurden geschaffen: inLateinamerika die Confederacin Sindical Latinoamericano (CSLA);fr Schwarzafrika, aber auch fr die Karibik und den Sden der USAdas Internationale Gewerkschaftskomitee der Negerarbeiter. EineZwischenstellung nahm die Internationale der Seeleute und Hafen-arbeiter ein. Diese war zum einen eine revolutionre Internationale

    28 Sie ist allerdings nochnicht so gut erforscht wiedas Beispiel Deutschland.Als Beispiele kurzer ber-blicke siehe zu den USAdas Kapitel Red Unionismbei Bert Cochran: Laborand Communism. The Con-flict that Shaped AmericanUnions, Princeton 1977, pp.43-81, und zu SpanienRafael Cruz: El PartidoComunista de Espaa en laSegunda Repblica, Madrid1987, S. 119 f., 142-148.Nur in Grobritannienschafften es die Parteifh-rung und vor allem diekommunistischen Gewerk-schaftskader, sich demMoskauer Drngen nachGrndung revolutionrerVerbnde zu entziehen, die angesichts der Bedeutungder TUC die Partei sicherendgltig in die Isolationgetrieben htte. Vgl. Martin,Communism, pp. 122-178.

    29 The EconomicOnslaught of the Counter-revolution and the Unions,in: Writings of Leon Trotsky(1932-1933), New York1972, pp. 169-172, hier pp.170. Weiter fgte er hinzu:This organization does notbind the party to the unions.Being, because of its smallnumbers, absolutely incap-able of replacing the tradeunions in the sphere ofmass action, the RILU is atthe same time incapable ofinfluencing them from out-side because it is hostilelyopposed to them as rivalorganizations.

    30 Mller, Lohnkampf,S. 223 f. Siehe auch LidiaSchewtschenko: Die Inter-nationalen Kampftage ge-gen die Erwerbslosigkeit1930 und 1931, in: Beitrgezur Geschichte der Arbeiter-bewegung, Nr. 3, 1988, S.361-371; Dies.: Erfahrungender KI und RGI im Kampf

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  • fr eine Branche, also ein rotes Berufssekretariat. Zum anderensollte es besonders auf die Koloniallnder (aus denen sich ja einGroteil der Schiffsbesatzungen auch der westeuropischen Lnderrekrutierte) einwirken. Alle diese Unter-Internationalen waren1929/30 zwar unter betrchtlichem publizistischen Aufwand prokla-miert worden, kamen aber ber einzelne Anfangserfolge nicht hin-aus und blieben letztlich marginal.

    The dissolution under the sign of the popular frontDer 30. Januar 1933, die Machtergreifung des Faschismus in Deutsch-land, bedeutete auch das Scheitern der Politik der internationalen kom-munistischen Bewegung. Die KPD stellte die strkste Sektion derKomintern, die RGO hatte Vorbildfunktion fr die RGI. Unmittelbarmachten sich die organisatorischen Auswirkungen bemerkbar. Die RGImute ihren organisatorischen Sttzpunkt, den sie bisher in Berlin frdie Arbeit in Westeuropa hatte, verlegen: nach Kopenhagen und nachParis. Doch politisch hatte das Debakel zunchst keine Folgen. Dieultralinke Politik wurde fortgesetzt, bis im folgenden Jahr im Zusam-menhang mit einem auenpolitischen Kurswechsel der Sowjetunion die Wende zur Volksfrontpolitik zunchst in Frankreich erfolgte.

    Dies hatte unmittelbare Folgerungen fr die Gewerkschaftspolitik.Jetzt sprach man wieder von einer Einheitsfront zwischen den Or-ganisationen. Sozialdemokraten und Gewerkschafter waren keinesozialfaschistischen Verrter mehr, sondern umworbene Bnd-nispartner. In zahlreichen Lndern lsten sich 1934/35 die revolu-tionren Gewerkschaften auf und traten den Mitgliedsfdera-tionen des IGB bei. In manchen Lndern, wo das Krfteverhltnisentsprechend war, kam es sogar zu regelrechten Fusionsverhandlun-gen. Das galt vor allem fr Frankreich, wo die Spaltung zudemschon 1922, also Jahre vor der kommunistischen Wende von 1928/29,erfolgt war. Im Mrz 1936 erfolgte der Zusammenschlu. Die ver-einigte Organisation nannte sich weiterhin CGT, so da die Kom-munisten deren Kontinuitt akzeptierten wie ebenso weitere Be-dingungen: Fortsetzung der Mitgliedschaft im IGB, Verzicht aufkommunistische Zellenbildung zumindest nach auen hin undauf die bernahme politischer mter. Eine Folge davon war, dakommunistische Gewerkschafter jetzt eine Prsenz im IGB sei esals Delegierte auf seinen Kongressen, sei es in den Leitungsgremien erhielten und dort auch sofort internationale Einheitsinitiativen,die auf den weltweiten Zusammenschlu mit den kommunistischenGewerkschaften und der RGI abzielten, untersttzten.31

    Tatschlich hatte sich die RGI schon bald nach Beginn der natio-nalen Einheitsverhandlungen im Mrz 1935 an den IGB gewandtund ein Treffen zur Untersttzung dieser Gesprche, aber eben auchzur Einleitung der internationalen Einheit vorgeschlagen. In seinerAntwort bekrftigte der IGB seine Haltung, die er schon Anfang derzwanziger Jahre eingenommen hatte. Es gebe keinen Platz fr zweiInternationalen. Die kommunistischen Gewerkschaften und ebenauch die RGI knnten sich nur ausen und dem IGB und seinenMitgliedsorganisationen beitreten. Folgerichtig hie es bald, fr dierussischen Gewerkschaften sei unter bestimmten Bedingungen Platzim IGB; die weiteren Avancen der RGI wurden ignoriert.

    um die ArbeitsbeschaffungAnfang der dreiiger Jahre,Nr. 2, 1989, S. 173-184.

    31 Eine hnliche Entwick-lung galt z. B. fr die neu-gegrndete mexikanischeGewerkschaftsfderation,die Confederacin de Tra-bajadores de Mxico (CTM)mit ihrem prokommunisti-schen Vorsitzenden VicenteLombardo Toledano. Auchvon hier sollte sofort Unter-sttzung fr entsprechendeVorste im IGB kommen.Dagegen blieb das groeGewicht der amerikani-schen Kommunisten imneugegrndeten CIO (Com-mittee bzw. Congress ofIndustrial Organizations) aufinternationaler Ebene ohneBedeutung, da der AFL alsMitglied des IGB dem CIOden Beitritt versperrte, ab-gesehen davon, da derkommunistische Einflu sichvor allem an der Basis undweniger in der Fhrungs-spitze niederschlug.

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  • Die RGI, die brigens diesen ganzen politischen Kurswechsel ab1934 durchgemacht hatte, ohne da dies von einem eigentlich auf-grund der Statuten schon lngst berflligen Kongre auch nur dis-kutiert, geschweige denn beschlossen worden wre,32 stand wiedervor ihrem alten Dilemma. Doch diesmal waren die politischen Vor-gaben durch die sowjetische Fhrung noch drngender. Denn Stalinwollte ab 1934 mit allen Mitteln die Herstellung eines festen Bnd-nisses mit den Westmchten, wobei der IGB und seine bedeutend-sten Mitgliedsorganisationen aufgrund ihrer Verbindungen zur So-zialdemokratie dafr fr wichtig erachtet wurde.

    Damit war um die Jahreswende 1935/36 angesichts der IGB-Wei-gerung, mit der RGI ber eine internationale Vereinigung zu ver-handeln, deren Schicksal besiegelt. Noch im Januar 1936 hatte ihrGeneralsekretr Lozovskij versucht, weitergehenden Forderungendurch eine weitgehende Selbstbeschrnkung, Reduzierung ihres Ap-parats usw. zuvorzukommen, was zumindest die Weiterexistenz si-chern sollte. Doch es war jetzt der Kominternsekretr Dimitroff, der,nachdem er sich ebenfalls im Januar an Stalin gewandt hatte, offendie RGI fr obsolet erklrte und ber die Fhrung der Komintern dieAusung der RGI in die Wege leitete.33

    Die entsprechenden Schritte erfolgten nun zwischen April undJuni sehr schnell. Hatte der RGI-Apparat in Moskau noch zu Jahres-beginn ber 150 Mitarbeiter gehabt, waren es im April nur noch 100und im Juni 50. Im April/Mai stellten die Leitungsorgane (Vollzugs-bro und Sekretariat) ihre Ttigkeit ein. An ihre Stelle trat eine vonder Kominternfhrung eingesetzte Gewerkschaftstroika aus Lo-zovskij und den zwei Kominternfhrern Togliatti und Dimitroff. ImJuni stellten die publizistischen Organe der RGI ihr Erscheinen ein.In diesem Zeitraum beendeten auch die fr die Koloniallnder zu-stndigen Unterorganisationen ihre Ttigkeit.

    Zwar hatte man die Hoffnung, die RGI knne irgendwie gleichbe-rechtigt mit dem IGB die Einheit herstellen, nun auch ofziell auf-gegeben. Doch glaubte man noch an die Mglichkeit der Schaffungeines internationalen Einheitskomitees, durch das man auf den IGBDruck ausben knnte. Doch der Londoner IGB-Kongre im Julibekrftigte seine alte Haltung: Alle noch nicht zum IGB gehrendenGewerkschaftszentralen sollten beitreten, damit also auch die Rus-sen, ohne da man sie allerdings besonders heraushob. Die RGI fandnicht einmal mehr eine spezielle Erwhnung im Negativen.

    Der daraufhin einsetzende Briefwechsel mit den Russen kann hiernicht im einzelnen nachgezeichnet werden. Er fhrte, auch nach z. T.heftigen Diskussionen in der IGB-Fhrung, ob und welche Zuge-stndnisse man ihnen machen knne, dazu, da eine Delegation imNovember 1937 nach Moskau fuhr, um ber konkrete Beitrittsbe-dingungen zu verhandeln. Die Forderungen der Russen, die nicht aufBeitritt, sondern auf Einheit, d. h. eine Art Fusion von IGB undrussischer Landeszentrale hinausliefen, sollten aber schlielich vomIGB auf mehreren Tagungen bis zu seinem Kongre im Juli 1939nicht akzeptiert werden. (Erst 1945 sollte es nach der Grndung desWeltgewerkschaftsbundes wenn auch nur fr vier Jahre eineeinheitliche Gewerkschaftsinternationale geben.) Doch hatte dasTreffen unmittelbar danach, als das schlieliche Scheitern des russi-

    32 Auf dem siebtenKomintern-Kongre imJuli-August 1935 wurde al-lerdings die Volksfrontpolitikim nachhinein besttigt.An ihrem Rande tagte eineBeratung der Delegiertenmit Gewerkschaftsfunktio-nen, die die entsprechendebertragung auf diesenBereich diskutierte, nichtzuletzt auch unter demAspekt, wieweit man beiallen ideologischen Zuge-stndnissen den organisato-rischen Einflu der Kommu-nisten sicherstellen knne.Doch diese Beratung wurdegeheim gehalten. Schlie-lich war sie ja keine direkteRGI-Tagung und nachauen hin gab sich die RGIals unabhngige Institution.

    33 Auszge des Briefsbei Adibekov, O politikekomunistov, S. 102, derauch auf die generellePraxis der KonsultationStalins durch Dimitroff beianstehenden grerenProblemen hinweist.

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  • schen Aufnahmebegehrens noch nicht absehbar war, eine Konse-quenz gehabt. Am 27. Dezember 1937 beschlo das Komintern-Se-kretariat die einfache Ausung der RGI, deren Vermgen weitest-gehend von ihr bernommen wurde.

    Auch dieser Beschlu wurde geheim gehalten, so da im Mai1938 die Zeitschrift der amerikanischen Syndikalisten schlichtwegvon einer verlorenen Internationale sprach, von der man gar nichtsmehr wisse.34 Dieses Vorgehen hatte zweifellos seinen Hauptgrunddarin, da es vollkommen statutenwidrig vor sich ging. ber eineAusung auch ber entsprechende Schritte dahin htte nur dieRGI selbst entscheiden knnen. Das noch immer geltende Statut derRGI von ihrem Grndungskongre hatte dazu noch nicht einmal ir-gendwelche Bestimmungen vorgesehen. Doch wie der Ausungs-proze tatschlich abgelaufen war, hatte er genau das angezeigt, wasdie RGI die ganze Zeit ihrer Existenz immer heftig bestritten hatte:Sie war von der Komintern abhngig, in der die eigentlichen Ent-scheidungen elen.

    Some conclusionsIn der Rckschau auf den gesamten Zeitraum ihrer Existenz ist es of-fensichtlich, da die RGI zum Zeitpunkt ihres Endes nicht mehr die-selbe wie zur Zeit ihrer Grndung war. Wenn sie zu Beginn tief vomsyndikalistischen Impuls vieler ihrer Begrnder geprgt war undwenn sogar die Bolschewiki ihre Bereitschaft erklrten, von ihnenzu lernen, hatte sie sich unter dem Einu der allgemeinen Trans-formation der kommunistischen Bewegung nach ihrer Bolsche-wisierung und Stalinisierung seit Mitte der zwanziger Jahre gewan-delt. Whrend in der Anfangsphase die politische Betonung auf derindustriellen Kampfbereitschaft gelegen hatte, auf dem Kampf ge-gen die Gewerkschaftsbrokratie, hatte sie bald darauf alle Cha-rakteristiken eines brokratischen Apparats angenommen. Einer derGrnde, der in den internen Diskussionen fr ihre Ausung gege-ben wurde, war, da sie ein Hindernis fr die Kommunisten gewor-den war, Fhrungspositionen in den Gewerkschaftsfhrungen nachder Wiedervereinigung mit den Amsterdamern einzunehmen. Undindustrielle Kampfbereitschaft war nun den Erfordernissen derVolksfrontpolitik untergeordnet. Die kommunistische Gewerkschafts-bewegung hatte nun solche Prinzipien angenommen, die es ihr nachdem Zweiten Weltkrieg in den entwickelten Lndern wie z. B. inFrankreich oder Italien ermglichte, voll an dem fr den Kapita-lismus dieser Lnder nach 1945 so charakteristischen korporatisti-schen oder fordistischen Kompromi, wie er oft genannt wurde,teilzunehmen.

    34 (...) that seems to havevanished without leaving atrace behind. (JosephWagner: The lost inter-national, in: One Big UnionMonthly, Nr. 5, Mai 1938,pp. 20-23.)

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