Thoraxschmerzen, Ruhedyspnoe und Fieber bei einem 62jährigen Patienten mit 1 Jahr zuvor...

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A.J. Peters 1 · F.Gradaus 1 · L. Poll 2 · Ch. Perings 1 · M.P.Heintzen 1 · F.C.Schoebel 1 · B.-E. Strauer 1 1 Medizinische Klinik und Poliklinik B, Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 2 Institut für Diagnostische Radiologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Thoraxschmerzen, Ruhedyspnoe und Fieber bei einem 62jährigen Patienten mit 1 Jahr zuvor stattgehabter Aspergilluspneumonie der bronchoalveolären Lavage Acineto- bacter, Hefen und Aspergillus fumiga- tus nachgewiesen. Die Therapie wurde auf Teicoplanin, Imipenem und liposo- males Amphoterecin B 200 mg pro Tag (Schüttelfrost im Rahmen der Testdosis von konventionellem Amphotericin B) umgestellt. Bei radiologischer und kli- nischer Besserung wurde trotz noch be- stehender Entzündungsparameter (sub- febrile Temperaturen, C-reaktives Pro- tein 15,0 mg/dl) die antimikrobielle Therapie am 29.10. beendet. Die zwei- malig bestimmte Pilzserologie ergab mit 1:10 jeweils einen negativen Befund für Aspergillus. Die Diabeteseinstellung erfolgt mit Insulin (Mischinsulin 30/70, 40 IU pro Tag), und der Patient konnte am 11.11.96 entlassen werden. Bei einer pneumologischen Nach- untersuchung im Dezember 1996 ergab sich klinisch und bronchoskopisch (La- vage und transbronchiale Biopsie) kein Hinweis auf eine persistierende Asper- gillusinfektion bei radiologisch rundli- cher Verdichtungsstruktur im linken Ober- bis Mittelfeld und einer beidseits perihilären Zeichnungsvermehrung im Sinne eines Residualzustandes (Abb. 1b). Bezüglich der Laborbefunde siehe Ta- belle 1. Die Spirometrie ergab eine nor- male ventilatorische Funktion (Vitalka- Der Internist 7·99 | 795 Kasuistik Internist 1999 · 40:795799 © Springer-Verlag 1999 Dr. A.J. Peters Medizinische Klinik und Poliklinik B, Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie, Heinrich-Heine-Universität, Moorenstraße 5, D-40225 Düsseldorf& / f n - b l o c k : & b d y : Redaktion K.Werdan, Halle Fallbericht Anamnese Ein 61jähriger männlicher Patient stell- te sich wegen seit 3 Tagen bestehendem Fieber, produktivem Husten, Müdigkeit und allgemeiner Schwäche erstmals am 26.9.1996 auf unserer Notaufnahme vor. Bei dem Patienten war 1992 ein Diabe- tes mellitus diagnostiziert worden, eine medikamentöse Therapie war bisher jedoch nie erfolgt. Weitere Vorerkran- kungen waren nicht bekannt. Der Pati- ent hatte bis 1975 Zigarettenkonsum be- trieben, war leicht übergewichtig mit 80 kg Körpergewicht bei 173 cm Kör- pergröße und trank täglich ca. 0,5 Liter Bier. Die Diagnostik ergab eine diabeti- sche Ketoazidose und eine Broncho- pneumonie. Bezüglich des Infekts er- folgte eine zunächst ungezielte antibio- tische Therapie mit Ampicillin und Ci- profloxacin und am Folgetag bei klini- scher Verschlechterung zusätzlich mit Tobramycin. Im Sputum konnte Sta- phylococcus aureus nachgewiesen wer- den, Ampicillin wurde durch Oxacillin ersetzt. Im Verlauf kam es bei persistie- rendem Fieber zur Entwicklung von beidseitigen multiplen zentral akzentu- ierten fleckförmigen und teils rundlich konfluierenden pulmonalen Infiltraten (Abb. 1a) und einem weiteren Anstieg des C-reaktiven Proteins von 26,3 auf 42,1 mg/dl (Normbereich <0,6 mg/dl). Am 4.10. wurde eine diagnostische Bronchoskopie durchgeführt und in Liebe Leserinnen, liebe Leser Wie hätten Sie es gemacht? Wir behandeln Kranke, nicht Krank- heiten. Deshalb finden sich bei jeder unserer vorgestellten Kasuistiken individuelle Besonderheiten des Krankheitsverlaufs. Hätten Sie bei der Betreuung des Patienten einen anderen Weg gewählt? Schreiben Sie uns. Gerne regen wir einen Gedanken- austausch mit den Autoren an und bringen diesen ggf. zur Veröffentli- chung. Senden Sie Ihre Anregungen oder Kasuistiken an: Prof. Dr. K. Werdan Klinikum Kröllwitz, Innere Medizin III Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg Ernst-Grube-Str. 40 D-06097 Halle/Saale Fax 03 45/5 57 24 22 [email protected]

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A.J. Peters1 · F. Gradaus1 · L. Poll2 · Ch. Perings1 · M.P. Heintzen1 · F.C. Schoebel1 · B.-E. Strauer1

1 Medizinische Klinik und Poliklinik B, Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie

der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf2 Institut für Diagnostische Radiologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Thoraxschmerzen, Ruhedyspnoeund Fieber bei einem62jährigen Patienten mit 1 Jahrzuvor stattgehabterAspergilluspneumonie

der bronchoalveolären Lavage Acineto-bacter, Hefen und Aspergillus fumiga-tus nachgewiesen. Die Therapie wurdeauf Teicoplanin, Imipenem und liposo-males Amphoterecin B 200 mg pro Tag(Schüttelfrost im Rahmen der Testdosisvon konventionellem Amphotericin B)umgestellt. Bei radiologischer und kli-nischer Besserung wurde trotz noch be-stehender Entzündungsparameter (sub-febrile Temperaturen, C-reaktives Pro-tein 15,0 mg/dl) die antimikrobielleTherapie am 29.10. beendet. Die zwei-malig bestimmte Pilzserologie ergabmit 1:10 jeweils einen negativen Befundfür Aspergillus. Die Diabeteseinstellungerfolgt mit Insulin (Mischinsulin 30/70,40 IU pro Tag), und der Patient konnteam 11.11.96 entlassen werden.

Bei einer pneumologischen Nach-untersuchung im Dezember 1996 ergabsich klinisch und bronchoskopisch (La-vage und transbronchiale Biopsie) keinHinweis auf eine persistierende Asper-gillusinfektion bei radiologisch rundli-cher Verdichtungsstruktur im linkenOber- bis Mittelfeld und einer beidseitsperihilären Zeichnungsvermehrung imSinne eines Residualzustandes (Abb. 1b).Bezüglich der Laborbefunde siehe Ta-belle 1. Die Spirometrie ergab eine nor-male ventilatorische Funktion (Vitalka-

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KasuistikInternist1999 · 40:795–799 © Springer-Verlag 1999

Dr. A.J. PetersMedizinische Klinik und Poliklinik B, Klinik

für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie,

Heinrich-Heine-Universität, Moorenstraße 5,

D-40225 Düsseldorf&/fn-block:&bdy:

RedaktionK.Werdan, Halle

Fallbericht

Anamnese

Ein 61jähriger männlicher Patient stell-te sich wegen seit 3 Tagen bestehendemFieber, produktivem Husten, Müdigkeitund allgemeiner Schwäche erstmals am26.9.1996 auf unserer Notaufnahme vor.Bei dem Patienten war 1992 ein Diabe-tes mellitus diagnostiziert worden, einemedikamentöse Therapie war bisherjedoch nie erfolgt. Weitere Vorerkran-kungen waren nicht bekannt. Der Pati-ent hatte bis 1975 Zigarettenkonsum be-trieben, war leicht übergewichtig mit80 kg Körpergewicht bei 173 cm Kör-pergröße und trank täglich ca. 0,5 LiterBier.

Die Diagnostik ergab eine diabeti-sche Ketoazidose und eine Broncho-pneumonie. Bezüglich des Infekts er-folgte eine zunächst ungezielte antibio-tische Therapie mit Ampicillin und Ci-profloxacin und am Folgetag bei klini-scher Verschlechterung zusätzlich mitTobramycin. Im Sputum konnte Sta-phylococcus aureus nachgewiesen wer-den, Ampicillin wurde durch Oxacillinersetzt. Im Verlauf kam es bei persistie-rendem Fieber zur Entwicklung vonbeidseitigen multiplen zentral akzentu-ierten fleckförmigen und teils rundlichkonfluierenden pulmonalen Infiltraten(Abb. 1a) und einem weiteren Anstiegdes C-reaktiven Proteins von 26,3 auf42,1 mg/dl (Normbereich <0,6 mg/dl).

Am 4.10. wurde eine diagnostischeBronchoskopie durchgeführt und in

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Wie hätten Sie esgemacht?

Wir behandeln Kranke, nicht Krank-heiten. Deshalb finden sich bei jederunserer vorgestellten Kasuistikenindividuelle Besonderheiten desKrankheitsverlaufs. Hätten Sie bei derBetreuung des Patienten einen anderenWeg gewählt? Schreiben Sie uns.Gerne regen wir einen Gedanken-austausch mit den Autoren an undbringen diesen ggf. zur Veröffentli-chung. Senden Sie Ihre Anregungenoder Kasuistiken an:

Prof. Dr. K.WerdanKlinikum Kröllwitz, Innere Medizin IIIMartin-Luther-Universität, Halle-WittenbergErnst-Grube-Str. 40D-06097 Halle/Saale

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pazität 85%, Einsekundenkapazität imVerhältnis zur Vitalkapazität 95%) undes bestand eine normale Blutgasanalyse(pO2 74 mmHg, pCO2 38,5 mmHg).

Im Juni 1997 wurde dem Patientenin einer auswärtigen Klinik ein Zwei-kammer-Schrittmachersystem bei atrio-ventrikulärem Block III° implantiert. Ei-ne echokardiographische Untersuchungfand nicht statt.Zu diesem Zeitpunkt be-standen keine Temperaturen,eine leichteLeukozytose und das C-reaktive Proteinwar leicht erhöht (s. Tabelle 1).

Am 23.8.1997 stellte sich der Patientwegen seit 4 Stunden bestehenden retr-osternalen Schmerzen ohne Ausstrah-lung und Ruhedyspnoe erneut auf un-serer Notaufnahme vor. Zuvor war esseit ca. 1 Woche zu einer progredientenReduktion des Allgemeinzustandes mitallgemeiner Schwäche und Temperatu-ren gekommen. Die im Vorjahr einge-leitete Insulintherapie war fortgeführt

worden, eine zwischenzeitliche antibio-tische oder immunsuppressive Thera-pie war nicht erfolgt.

Aufnahmebefunde im August 1997

Klinischer Untersuchungsbefund

Auf der Notaufnahmestation stellte sichein blasser und kaltschweißiger Patient

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Abb. 1 b Röntgenaufnahmen desThorax 10/96 (a); 12/96 (b); 8/97 (c).Befund siehe Falldarstellung

Tabelle 1

Leukozytenzahl, C-reaktives Protein (CRP) und Temperatur im zeitlichen Verlauf

September 1996 Dezember 1996 Juni 1997 23.8.97 16.9.97

Leukozyten/ul 30000 10000 12500 20400 10300CRP [mg/dl] 42,1# 2,3# 8,9* 13,4# 15,9#Temperatur [°C] 38,5 36,8 36,9 39,0 39,2

#=Normbereich <0,6, *=Normbereich <5

mit leichter Zyanose der Lippen undAkren und Zeichen der Ruhedyspnoevor. Es bestand ein regelmäßiger tachy-karder Puls mit einer Frequenz von115/min bei einem Blutdruck von130/75 mmHg. Die Temperatur betrug39,0°C axillar. Über beiden Lungenmit-tel- und Unterfeldern bestanden fein-bis mittelblasige Rasselgeräusche. Eswar ein verbreiterter und hebenderHerzspitzenstoß zu palpieren. Der 1.Herzton war abgeschwächt, und es ließsich ein 3/6 bandförmiges Holosystoli-kum mit Fortleitung in die linke Axillaauskultieren. Pulsstatus, Hautbefundund eine orientierende neurologischeUntersuchung waren unauffällig.

Technisch gestützteUntersuchungsbefunde

Elektrokardiogramm. Elektrokardiogra-phisch zeigte sich eine vorhofgeführteVentrikelstimulation.

Laborchemische Befunde. Siehe Tabelle 1und 2.

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Röntgenthorax. Die im Vorjahr bestehen-de Verdichtungsstruktur im linken Mit-tel- bis Oberfeld ist nicht mehr nach-weisbar. Es bestehen Zeichen der pul-monalvenösen Stauung (Abb. 1c).

Transthorakale und transösophageale Echo-kardiographie. Es stellte sich eine relativscharf begrenzte flottierende (diasto-lisch in den linken Ventrikel und systo-lisch in das linke Atrium prolabierend)Struktur mittlerer Echodichte mit Ver-bindung zum anterioren Mitralsegelsowie ein systolisches Prolabieren desanterioren Mitralsegels in das linkeAtrium dar. Fast kompletter Verlust desanterolateralen Papillarmuskels. Es wur-de die Verdachtsdiagnose einer Rupturdes anterioren Papillarmuskels mit hoch-gradiger Mitralinsuffizienz gestellt. Lin-ker Ventrikel und linkes Atrium warennicht vergrößert. Die globale linksvent-rikuläre Funktion war leicht reduziert.Vegetationen im Sinne von flauen flot-tierenden Strukturen konnten nichtdargestellt werden.

Abdomensonographie. Leichte Splenome-galie (4,5×12,6 cm). Cholezystolithiasisohne Hinweis auf Aufstau oder Chole-

Verlauf und Therapie

Nach Asservation von Blutkulturen(n=6) und Sputum wurde eine empiri-sche antibiotische Therapie mit Oxacil-lin, Ciprofloxacin und Tobramycin ein-geleitet. Eine sofortige Operation wur-de unter der Vorstellung, den Patientenzunächst respiratorisch zu rekompen-sieren, von den chirurgischen Kollegennicht indiziert. Unter medikamentöserTherapie konnte die pulmonalvenöseStauung reduziert werden, die Entzün-dungskonstellation war jedoch nur we-nig rückläufig.

Am 1.9.97 erfolgte ein Mitralklap-penersatz (Saint-Jude-Medical 31) unddie Anlage von 2 aortokoronaren Ein-zelvenenumgehungen (Ramus inter-ventrikularis anterior und Ramus mar-ginalis). Intraoperativ stellte sich nebender Papillarmuskelruptur der Befundeiner Endokarditis mit entzündlicherVerquellung des anterioren und poste-rioren Mitralklappensegels und einerim Durchmesser ca. 0,5 cm großen Ve-getation am anterioren Mitralsegel dar.Es fand sich eine in das Interventriku-larseptum hineinreichende flache Ab-szedierung.

Am 3.9.97 wurde pathologisch-anatomisch (Abb. 2) und kulturell dieDiagnose einer Pilz- bzw. Aspergillusfumigatus Endokarditis gestellt und eineTherapie mit Amphotericin B (60 mgpro Tag) eingeleitet. Klinisch war derPatient postoperativ wach und nichtvollständig orientiert, was im Sinne ei-nes milden Durchgangssyndroms ge-wertet wurde.

Ab dem 12.9.97 fiel jedoch eine zu-nehmende Eintrübung des Patientenauf. Computertomographisch fand sichim Bereich des rechten Mediastromge-bietes eine hypodense Formation ohnerelevante Raumforderungszeichen miteinem kräftigen girlandenförmigen Kon-trastmittelenhancement (Abb. 3).

Unter der Verdachtsdiagnose ei-nes Aspergillusabszeß wurde die anti-mykotische Therapie um Fluconazol(3×200 mg pro Tag) und Flucytosin(4×250 mg pro Tag) erweitert. Die Erre-gerdiagnostik (Blut, Sputum, Urin undLiquor) blieb negativ. Eine Möglichkeitzur operativen Intervention wurde vonden neurochirurgischen Kollegen nichtgesehen. Bei persistierenden hohenEntzündungsparametern (Tabelle 1)verstarb der Patient am 29.9.97 koma-

zystitis. Normale Nierengröße. KeineNieren- oder Milzinfarkte nachweisbar.

Herzkatheteruntersuchung. Das linksvent-rikuläre Angiogramm demonstrierteeine hochgradige Mitralinsuffizienz(°III) bei vergrößertem linken Ventrikelmit einer Hypokinesie von Vorderwandund Spitze bei global leicht- bis mittel-gradig reduzierter Pumpfunktion. DasKoronargefäßsystem zeigte eine diffuseKoronarsklerose mit einer mittelgradi-gen proximalen Stenose des Ramusinterventrikularis anterior und einerhochgradigen Abgangsstenose einesSeptalastes. Im peripheren Drittel desersten Marginalastes deutlicher Pendel-fluß ohne Abstrom in die Peripherie. Ei-ne eigentliche Stenose war nicht zu er-kennen. Pulmonalarterielle Hypertoniemit einem Mitteldruck von 40 mm Hgbei erhöhtem pulmonalkapillären Ver-schlußdruck (Mitteldruck 28 mHg, V-Welle bis 50 mmHg).

Diagnose

Akute hochgradige Mitralinsuffizienznach Abriß des anterioren Papillarmuskelsbei Aspergillusendokarditis

Tabelle 2

Ausgewählte Laborparameter bei Aufnahme des Patienten im August1997

Ergebnis Normbereich

CK [U/l] 317 <80CK-MB [U/l] 26 <6%Troponin T pos. neg.LDH [U/l] 809 120–240GOT [U/l] 46 <17GPT [U/l] 30 <23HbA1c [%] 8,2 <6,1Leukozyten 1000/µl 20,4 4,0–11,0Hb [mg/dl] 11,6 14,0–17,5Thrombozyten 1000/µl 232 150–400Lymphozyten [%] 7,5 25,0–40,0Monozyten [%] 7,2 1,0–12,0Neutrophile [%] 84,5 50,0–75,0Eosinophile [%] 0,6 2,0–4,0Basophile [%] 0,5 0–1,0

Gesamtprotein [g/dl] 5,4 6,2–8,0Albumin [%] 49 58–70alpha-1 Globulin [%] 5,2 1,5–3,5alpha-2 Globulin [%] 11,9 5,0–10,0beta Globulin [%] 10,5 8,0–13,0 gamma Globulin [%] 23,7 10,0–19,0

HIV-Test neg.

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darstellen. Insgesamt wäre dann von ei-ner Latenz von ca. 11 Monaten bis zurReaktivierung der Erkrankung auszu-gehen. Eine derart lange Latenzperiodeist für eine Aspergillusendokarditis bis-her nicht beschrieben.

Zahlreiche Pilzorganismen kön-nen Endokarditiden hervorrufen. Da-bei sind Aspergillus species und Can-dida species die häufigsten Erreger[9]. Insgesamt muß die Inzidenz vonPilzendokarditiden als sehr gering an-gesehen werden. Die wichtigsten Risi-kofaktoren für das Auftreten einerPilzendokarditis sind offene kardio-chirurgische Eingriffe [8], Immunsup-pression, Antiobiotikatherapie [10],intravenöser Drogenmißbrauch undeine Vorschädigung der Herzklappen[12].

Bemerkenswert ist auch die Sym-ptomkonstellation bei Aufnahme imAugust 1997. Führend waren die thora-kalen Schmerzen und die akut aufgetre-tene Dyspnoe. Diese Leitsymptomelenkten zunächst den Verdacht auf einischämisches Geschehen. Die Differen-tialdiagnose Endokarditis wurde nach6 negativen Blutkulturen und einem füreine frische Endokarditis untypischenechokardiographischen Befund als un-wahrscheinlich erachtet. Auch retro-spektiv ist eine echokardiographischeDifferenzierung zwischen den Anteilendes entzündlich veränderten und rup-turierten Papillarmuskels und der ei-gentlichen Vegetation nicht möglich ge-wesen.

Eine erneute primäre Infektion mitAusbildung einer Endokarditis er-scheint somit unwahrscheinlich. Es istanzunehmen, daß ein 1 Jahr zuvor er-worbener Herd reaktiviert wurde. DieRöntgenuntersuchung des Thorax zeig-te im Dezember 1996 noch eine pleura-ständige Infiltration im linken Oberfeldund eine feinnoduläre Zeichnungsver-mehrung perihilär beidseits. Mögli-cherweise muß dieser Restbefund re-trospektiv bei noch leicht erhöhtem C-reaktivem Protein als Zeichen einernicht ausgeheilten Pneumonie gewertetwerden, vor allem da das Infiltrat linksim August 1997 nicht mehr nachweisbarwar (vgl. Abb. 1b und c).

Neben einer späten hämatogenenStreuung von einem pulmonalen Herdist jedoch auch denkbar, daß bereits1996 eine Infektion der Mitralklappeund des Papillarmuskels stattgefundenhat und es dann zu einer Reaktivierungdes Entzündungsprozesses gekommenist. Dafür könnte sprechen, daß bereitsin einem im Oktober 1996 durchgeführ-ten Echokardiogramm der anteriorePapillarmuskel als auffällig echoreichbeschrieben wurde. Ebenfalls ist be-schrieben, daß Reizleitungsstörungenbei Aspergillusinfektionen der Aorten-klappe mit myokardialen Abszessenauftreten können [1]. Die intraoperativbeschriebenen bis in das Interventriku-larseptum hereinreichenden entzündli-chen Veränderungen könnten einemögliche Erklärung für den im Juni1997 aufgetretenen AV-Block III Grades

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tös und unter dem Bild einer Sepsis.Eine Obduktion wurde von der Ehefrauabgelehnt.

Diskussion

Der von uns berichtete Patient erkrank-te und verstarb im Verlauf eines Jahresan einer Aspergilluspneumonie, Asper-gillusendokarditis und einem zerebra-len Abszeß.

Ein bisher nicht medikamentös the-rapiepflichtiger Diabetes mellitus undeine kurzandauernde antibiotische The-rapie waren die in dem vorliegendenFall möglichen prädisponierenden Fak-toren für das Auftreten der Aspergillus-pneumonie. Zwar sind invasive Asper-gillusinfektionen bei sonst anschei-nend Gesunden beschrieben, in allerRegel treten sie jedoch bei schwer im-munsupprimierten Patienten, wie zumBeispiel nach Organtransplantationen,Zytostatikatherapie oder chronischerSteroidtherapie auf [11]. Diskutiert wirdauch ein Funktionsdefekt der NK-Zel-len (natural killer cells) [5]. Auffällig istauch, daß für die erneute klinisch appa-rente Erkrankung des Patienten an derAspergillusendokarditis neben dem imVerlauf befriedigend eingestellten Dia-betes mellitus keine weiteren Risiko-faktoren zu eruieren waren.

Abb. 2 m Diffuse Infiltration desKlappenstromas (Mitralklappenexzidat) durchzahlreiche Pilzhyphen (kulturell Aspergillusfumigatus) PAS, ×350

Abb. 3 m Computertomographie des Schädels im September 1997. Im Bereich des rechtenMediastromgebietes befindet sich eine hypodense (a) Formation, die ein kräftiges girlandenförmi-ges Kontrastmittelenhancement zeigt (b), ohne daß Zeichen einer relevanten Raumforderungbestehen

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In der Regel sind große Vegetatio-nen für eine Aspergillusendokarditistypisch, nichtvalvulärer Befall führt je-doch häufig zu falsch negativen Befun-den [7]. Unterstützt wurde die Ver-dachtsdiagnose einer ischämischen Pa-pillarmuskelruptur durch die erhöhteKreatinkinase mit einem grenzwertigerhöhten MB-Anteil und dem angio-graphisch nachweisbaren peripherenVerschluß des Marginalastes. Dabei warder Pendelfluß auffällig und möglicher-weise durch eine entzündliche Verände-rung des peripheren Stromgebietesoder durch eine Koronararterienembo-lie zu erklären [6]. Embolien in großeGefäße sind häufig ein Leitbefundeneiner Aspergillusendokarditis [9, 10],konnten jedoch im vorliegenden Fallnicht nachgewiesen werden.

Therapeutisch ist eine alleinige me-dikamentöse Therapie bei einer Asper-gillusendokarditis nicht effektiv. Nur ei-ne kombinierte chirurgische und medi-kamentöse Behandlung kann erfolg-reich sein, wobei die Mortalität nachden vorliegenden Untersuchungen den-noch sicher bei über 50% liegt [3]. Einefrühere Operation hätte in dem vorlie-genden Fall zu einer früheren Diagno-sestellung und antimykotischen Thera-pie geführt und eventuell die zerebra-len Embolien und den fatalen Ausgangverhindert.

Zerebrale Aspergillusinfektionenkönnen als Komplikation nach Asper-gillusendokarditiden auftreten [9]. Beidem beschriebenen Fall ist die Diagno-se eines zerebralen Aspergillusabszes-ses wahrscheinlich. Eine Option für einneurochirurgisches Vorgehen wurdebei dem beschriebenen Fall aufgrundder Lokalisation und der Begleiterkran-kungen nicht gesehen. Der fatale Aus-

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gang bestätigt die Auffassung, daß einzerebraler Aspergillusabszeß ebensowie die Aspergillusendokarditis nurdurch ein kombiniertes chirurgischesund medikamentöses Therapieregimezu beherrschen ist [2, 4].

Kontrollierte klinische Studien, dieeinen zusätzlichen Effekt von Flucyto-sin oder Fluconazol bei Patienten mitinvasiver systemischer Aspergillose be-weisen, existieren nicht. Verschiedeneexperimentelle Studien konnten jedocheinen synergistischen Effekt von Am-photericin B und Flucytosin aufzeigen[3]. Ferner weisen Fallbeobachtungenund retrospektive Untersuchungen aufeinen positiven Effekt einer Kombinati-onstherapie hin [2, 3, 4]. Unter diesenGesichtspunkten wurde bei dem be-schriebenen Fall eine maximale medi-kametöse Therapie durchgeführt.

Die Autoren danken Herrn PrivatdozentenDr. med. Sarbia vom Institut für Pathologieder Heinrich-Heine-Universität Düsseldorffür die Abbildung des histologischen Präpa-rates der Mitralklappe.

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Zusammenfassung

Der vorliegende Fall verdeutlicht, daßauch bei nicht hochgradig immun-supprimierten Patienten eine invasiveAspergillusinfektion differentialdiagno-stisch in Betracht gezogen werden muß.Ein persistierender Fokus kann auchohne offensichtlichen Auslöser reak-tiviert werden und zu einer schwer-wiegenden Erkrankung führen. EineAspergillusendokarditis kann sich aty-pisch präsentieren und muß als selteneDifferentialdiagnose bei Reizleitungs-störungen oder dem Verdacht auf eineischämische Herzerkrankung in Be-tracht gezogen werden.

Schlüsselwörter

Aspergillus · Endokarditis ·Papillarmuskelruptur · AV-Block