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Tiergestützte Pädagogik und Therapie bei Kindern und Jugendlichen - Jennifer Baur Freiburger Institut für tiergestützte Therapie (F.I.T.T) Herrmann-Mitschstrasse 47 79106 Freiburg Rainer Wohlfahrt, Bettina Mutschler Fortbildung "Fachkraft für Tiergestützte Therapie und Pädagogik" Zur Erlangung des Zertifikats zur „Fachkraft für Tiergestützte Therapie, Pädagogik und Beratung“ Thesis Tiergestützte Pädagogik und Therapie bei Kindern und Jugendlichen - Exemplarische Anwendung eines Therapiehundes bei Kindern und Jugendlichen mit unterkontrollierendem Verhalten Verfasserin: Baur Jennifer Gabelsbergerstr. 53 86199 Augsburg [email protected] 0176/10365726 eingereicht am: 15. Oktober 201 2

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Freiburger Institut für tiergestützte Therapie (F.I.T.T)Herrmann-Mitschstrasse 4779106 Freiburg Rainer Wohlfahrt, Bettina MutschlerFortbildung "Fachkraft für Tiergestützte Therapie und Pädagogik"Zur Erlangung des Zertifikats zur „Fachkraft für Tiergestützte Therapie, Pädagogik und Beratung“

Thesis

Tiergestützte Pädagogik und Therapie

bei Kindern und Jugendlichen-

Exemplarische Anwendung eines Therapiehundes

bei Kindern und Jugendlichen mit unterkontrollierendem

Verhalten

Verfasserin:

Baur JenniferGabelsbergerstr. 53

86199 Augsburg

[email protected]

0176/10365726

eingereicht am: 15. Oktober 201

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Anmerkungen:

Um einen besseren Lesefluss zu gewährleisten wird auf die Unterscheidung der

männlichen und weiblichen Form verzichtet. In der Nennung der männlichen Form ist

somit die Weibliche eingeschlossen.

Tiergestützte Therapie und Tiergestützte Pädagogik sind Eigennamen und werden somit

groß geschrieben.

Wenn von Kindern oder Jugendlichen die Rede ist, sind im allgemeinen beide

Altersgruppen gemeint. Diese werden als eine Zielgruppe zusammengefasst.

Hund ist in dieser Arbeit gleichbedeutend mit Therapiehund, außer wenn es um

allgemeine Wirkungen von Tieren geht.

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Inhaltsverzeichnis1 Einleitung........................................................................................................................42 Theoretische Grundlagen................................................................................................63 Studien und Praxismodelle der Tiergestützten Therapie und Pädagogik.....................234 Reflexion und Diskussion.............................................................................................315 Ausblick........................................................................................................................366 Literatur und Quellenangaben......................................................................................397 Abbildungsverzeichnis.................................................................................................408 Tabellenverzeichnis......................................................................................................409 Erklärung......................................................................................................................41

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1 EinleitungDas Ziel der Arbeit ist es, einen tieferen Einblick in den Anwendungsbereich der

Tiergestützten Pädagogik und Therapie bei Kindern und Jugendlichen zu geben und

diesen in Theorie und Praxis zu reflektieren. Dazu werden theoretische

Einwirkungsmöglichkeiten eines Therapiehundes bei Kindern und Jugendlichen mit

AD(H)S und Verhaltensauffälligkeiten aufgezeigt, welche durch Studien und

Praxisprojekte belegt werden. Die Kernfragen, welche durch diese Arbeit beantwortet

werden sollen sind folgende:

•Welche Anknüpfungspunkte gibt es bei Kindern und Jugendlichen mit AD(H)S und

Verhaltensauffälligkeiten für die Tiergestützte Pädagogik und Therapie?

•In wie weit ist die Tiergestützte Pädagogik und Therapie in diesem Bereich

wissenschaftlich erforscht? Welche Studien können dazu herangezogen werden?

Wie und in wie weit können diese Studienergebnisse auf die genannten

Störungen übertragen werden?

•Welche Praxisprojekte mit Kindern und Jugendlichen gibt es und stimmen dessen

Resultate mit den Studienergebnissen überein?

•Was sind die Vor- und Nachteile der Tiergestützten Pädagogik und Therapie bei

Kindern und Jugendlichen mit Störungen bei unterkontrollierendem Verhalten?

Um diese Fragen in den einzelnen Kapiteln zu beantworten, ist die Arbeit wie folgt

aufgebaut:

Bevor auf die Entstehung der unterschiedlichen Begrifflichkeit sowie auf die in dieser

Arbeit verwendeten Definitionen eingegangen wird, soll ein Schaubild einen Überblick

über die Tiergestützte Pädagogik und Therapie auf der einen Seite, über AD(H)S und

Verhaltensauffälligkeiten auf der anderen Seite, sowie über deren Verknüpfungspunkt

geben. Dazu werden sämtliche Äste des Baumes übertragen, d. h. Zielgruppen und An-

wendungsgebiete der Tiergestützten Pädagogik und Therapie erwähnt, jedoch nur dem

Thema zugeordnete Äste weitergeführt. Anschließend werden die Tiergestüzte Therapie

und Pädagogik sowie die Anwendungsbereiche AD(H)S und Verhaltensauffälligkeiten

erläutert und definiert. Dazu werden die Störungsbilder beschrieben und schließlich

Anknüpfungspunkte der Tiergestützten Therapie bzw. Pädagogik gefunden. Dabei sol-

len allgemeine Erklärungsmodelle der Tiergestützten Therapie im Hintergrund bleiben,

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da der Schwerpunkt auf den unterschiedlichen Ansatzmöglichkeiten dieser Therapie an

den jeweiligen Defiziten liegt. Die Wirkung sowie die Möglichkeit einer praktischen

Anwendung werden im Anschluss in Kapitel drei anhand von Studien und begleiteten

Praxisprojekten genauer ausgeführt.

Das vierte Kapitel führt die beiden vorhergehenden zusammen, diskutiert die

Vereinbarkeit von Theorie und Praxis und würdigt die Studien und Praxismodelle

kritisch. Schließlich wird der Mehrwert der Tiergestützten Therapie und Pädagogik bei

der Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen dargestellt, aber auch Probleme der

Umsetzung in der Praxis beleuchtet. Der abschließende Ausblick des fünften Kapitels

beleuchtet das Thema von einer höheren Ebene. Er fasst den Mehrwert zusammen,

ordnet die fokussierte Zielgruppe wieder in den Gesamtzusammenhang der

Tiergestützten Pädagogik und Therapie ein. Der Stellenwert der Tiergestützten

Pädagogik und Therapie in Deutschland wird schließlich bewertet und ein Ausblick in

die Zukunft wird gegeben.

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2 Theoretische GrundlagenDas Kapitel zwei soll für ein theoretisches Verständnis in Bezug auf das Themengebiet

sorgen und Hintergrundwissen für die anschließende Diskussion mit an die Hand geben:

Es gibt einen Überblick über Zielgruppen und Anwendungsgebiete der Tiergestützten

Pädagogik und Therapie und die Einordnung der Zielgruppe der Kinder und

Jugendlichen mit AD(H)S oder Verhaltensauffälligkeiten in diesem

Gesamtzusammenhang. Anschließend wird die Tiergestützte Pädagogik und Therapie

näher beleuchtet. Definitionen werden zu Grunde gelegt und Einwirkungsmöglichkeiten

aufgezeigt. Mit dem Thema AD(H)S und Verhaltensauffälligkeiten wird ebenso

verfahren. Nach Definitionsversuchen werden Einwirkungsbereiche der Tiergestützten

Pädagogik und Therapie bei AD(H)S und Verhaltensauffälligkeiten genannt.

2.1 Tiergestützte Pädagogik und Therapie

2.1.1 Ein ÜberblickZu Anfang soll ein Gesamtüberblick über das Thema der Tiergestützten Pädagogik und

Therapie gegeben werden (siehe Abbildung 1, linker Baum):

Die Tiergestützte Pädagogik und Therapie kann bei unterschiedlichen Zielgruppen

eingesetzt werden. Hier ist der Bereich der Rehabilitation, die Behindertenarbeit, die

Arbeit mit Senioren und schließlich die mit Kindern und Jugendlichen zu nennen. Bei

Kindern und Jugendlichen gibt es verschiedene Einsatzbereiche. Therapietiere können

z.B. in Form von pädagogischen Projekten, wie einem Hundeführerschein für Kinder,

präventiv eingesetzt werden. Oft steht die Tiergestützte Therapie als unterstützende

Maßnahme, die in eine Fachtherapie integriert ist. Das ist im Bereich der Ergo-, Physio-

und Psychotherapie sowie der Logopädie möglich. Als ein eigenständiger Bereich kann

das Anwendungsfeld der Verhaltensauffälligkeiten bzw. des AD(H)S angesehen werden.

In diesen unterschiedlichen Anwendungsbereichen können wiederum verschiedene

(Therapie-)Tiere zum Einsatz kommen. Für diese Arbeit ist der Therapiehund für den

Einsatz bei Kindern und Jugendlichen exemplarisch ausgewählt worden.

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Abb. 1: Berührungspunkte Tiergestützte

Pädagogik/Therapie und

ADHS/Verhaltensauffälligkeiten und

Gesamtzusammenhang

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Der zweite Baum (Abbildung 1) gibt einen Überblick über AD(H)S und Verhal-

tensauffälligkeiten um auch dieses Thema von allen Seiten beleuchtet zu haben. Für das

Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom sowie Verhaltensauffälligkeiten

allgemein gibt es unterschiedliche Erklärungsansätze. Auf der einen Seite steht die med-

izinische Erklärung, welche von einer genetischen Prädisposition ausgeht. Dem ge-

genüber steht die soziale Erklärung, wie sie in dieser Arbeit genannt wird. Sie meint

zusammengefasst gesagt, dass die Symptome aus einer ungünstigen Umwelt bzw.

Erziehung herrühren. Ansatzpunkte, welche sich daraus für die Tiergestützte Pädagogik

und Therapie mit einem Hund ergeben, sind die psychische, die physische, die emo-

tionale und die soziale Ebene der Kinder und Jugendlichen.

Der Therapiehund, die Kinder und Jugendlichen, die Symptome von AD(H)S bzw. Ver-

haltensauffälligkeiten sind also Teilbereiche des Komplexes der Tiergestützten Pädago-

gik und Therapie. Diese ausgewählte Zielgruppe soll in dieser Arbeit genauer beleuchtet

werden.

2.1.2 DefinitionDie positive Wirkung von Tieren ist schon seit mehreren hundert Jahren bekannt.

Begriffe und Definitionen sind jedoch, durch einen Mangel an Aufzeichnungen, erst

sehr spät entstanden. Als Urvater der tiergestützten Arbeit gilt Boris Levinson, ein

amerikanischer Kinderpsychotherapeut. Er entdeckte die Wirkung seines Hundes bei

einem Kind, während dessen Behandlung im Jahre 1962, eher zufällig. Das Kind

begann beim ersten Anblick des Hundes mit diesem zu kommunizieren, obwohl es

vorher fast nie Kontakt zu seiner Außenwelt aufgenommen hatte.

Mit der Veröffentlichung seiner Beobachtungen und des gezielten Einsatzes des Hundes

in der Kinderpsychotherapie, begannen Wissenschaftler die Wirkung von Tieren auf den

Menschen zu untersuchen. Ein neuer wissenschaftlicher Zweig entstand: Die

Untersuchung der „Mensch-Tier-Beziehung“.

Im Zuge dessen entstanden im anglo-amerikanischen Raum die ersten Definitionen zur

Tiergestützten Arbeit: Versuche, Tiere, auch Haustiere, in Therapien zu integrieren,

wurden „Pet Therapy“ genannt. Dieser Begriff wurde schnell durch „Pet-Facilitated

Therapy“ abgelöst, welcher beinhaltet, dass das Tier ein „Hilfsmittel“ einer Fachkraft

und kein Therapeut ist. Als die Wirkung der Tiere auf die Psyche erkannt wurde,

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entwickelte sich der Begriff „Pet-Facilitated Psychotherapy“, welcher eine Sonderform

bezeichnet. „Pet“ wurde schließlich durch „Animal“ ersetzt: „Animal-facilitated

Therapy“ schloss auch nicht-domestizierte Tiere, wie Lamas und Delphine, ein.

Mit der Gründung der Delta Society 1977 - eine noch heute weltweit führende

Organisation in Bezug auf die Mensch-Tier-Beziehung – kristallisierten sich zwei heute

noch gültige Begriffe heraus: Die „Animal-Assisted Activities“ (AAA) und die

„Animal-Assisted Therapy“ (AAT). AAA bezeichnet zusammengefasst Aktivitäten

durch eher weniger qualifizierte Personen, z.B. Ehrenamtliche, welche keine konkreten

Ziele anstreben und ihre Aktivitäten auch nicht dokumentieren. Sie erhoffen sich eine

Steigerung der Lebensqualität der Betroffenen, da sie von möglichen positiven Effekten

der Tiere auf den Menschen ausgehen. „AAT (hingegen) ist eine zielgerichtete

Intervention, bei der ein Tier, welches spezifische Merkmale aufweist, integraler

Bestandteil des Behandlungsprozesses ist. AAT ist (…) gebunden an qualifizierte

Experten (…) mit spezifischer Ausbildung, die das Tier in ihrem Berufs-/Praxisfeld

einsetzen.“ (Vernooij, Schneider 2007, S. 31; Ergängzung JB) Diese Art der Therapie

muss im Vergleich zu AAA dokumentiert und auf das gesetzte Ziel hin evaluiert werden.

Im deutschsprachigen Raum gibt es keine offiziell festgelegten Begrifflichkeiten.

Jedoch gibt es im Kern folgende vier Begriffe:

•die Tiergestützte Aktivität (TGA)

•die Tiergestützte Förderung (TGF)

•die Tiergestützte Pädagogik (TGP)

•die Tiergestützte Therapie (TGT)

Diese werden im Folgenden in Abgrenzung zueinander erläutert.

Tiergestützte Aktivitäten haben das Ziel die Lebensqualität, d.h. das allgemeine

Wohlbefinden, zu verbessern. Sie können, nach Schneider, auch von Personen ohne

einschlägige Berufsausbildung durchgeführt werden, die lediglich Spaß und einen

reflektierten Umgang mit Mensch und Tier haben sollen. Als Grundvoraussetzung solle

jedoch zumindest der artgerechte Umgang mit dem Tier beherrscht und Stresssignale

des Tieres erkannt werden. Um dieses Wissen zu erwerben, sollte eine Einführung oder

Fortbildung, z.B. von Vereinen, besucht werden. Die eingesetzten Tiere sollten geeignet

sein, d.h. spezielle Merkmale aufweisen, wie z.B. nicht aggressiv sein. Ein Beispiel aus

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der Praxis ist der Tierbesuchsdienst durch Ehrenamtliche in Seniorenheimen oder

Krankenhäusern.

Die Tiergestützte Förderung kann, nach Schneider, von unterschiedlich qualifizierten

Personen durchgeführt werden, d.h. zum Beispiel von (Sozial-)Pädagogen,

Sprachtherapeuten oder Personen mit Fachwissen über Hunde. Bei der TGF geht es im

Schwerpunkt um Förderung. Förderung wird definiert, Impulse zur Entwicklung zu

geben, um diese auf Basis vorhandener Ressourcen zu verbessern oder zu unterstützen.

Hierzu muss von der Fachkraft ein Förderplan mit genau festgesetzten,

klientenorientierten Zielen erstellt werden. Der Durchführende sollte, wenn nicht selbst

fachkundig, vom Fachmann eingewiesen werden. Schneider kritisiert hier jedoch, dass

es auch für Deutschland erstrebenswert wäre wie in Amerika die Voraussetzung einer

Fortbildung im Bereich tiergestützten Arbeitens einzuführen, denn das Tier sollte für

den Einsatzbereich trainiert sein.

In der Tiergestützten Pädagogik ist eine berufliche Qualifikation im pädagogischen

Bereich unabdingbar. Lernprozesse, welche auf der Basis der Ressourcen des Klienten

aufgebaut sind, sollen ermöglicht, unterstützt und angeregt werden. Schneider spricht

von der sozialen und emotionalen Intelligenz, welche im Mittelpunkt der Förderung

steht. Konkrete Zielvorgaben müssen in einem Konzept erstellt, sowie die einzelnen

Sitzungen dokumentiert werden. Das Tier muss für den Einsatz spezifisch trainiert sein.

Dazu muss der Pädagoge umfangreiches Fachwissen und Kompetenzen im artgerechten

Umgang mit dem eingesetzten Tier haben.

Die Tiergestützte Therapie wird von speziell ausgebildetem Fachpersonal (Therapeuten)

oder in Zusammenarbeit mit diesen durchgeführt. Methoden, Ziele, Teilziele und

Förderpläne mit zeitlichem, inhaltlichem und organisatorischem Einsatz des Tieres sind

Kriterien für die TGT. „Der Schwerpunkt (liegt) in der Tiergestützten Therapie eher auf

der gezielten Einwirkung auf bestimmte Persönlichkeits- oder Leistungsbereiche, auf

Verarbeitung von Erlebnissen, auf der Lösung von emotionalen Blockaden, auf der

Reduzierung sozialer Ängste.“ (Schneider, S. 43, Anpassung JB)

Das Tier sollte, wie bei der TGP, spezifisch auf seinen Einsatzbereich trainiert bzw.

ausgebildet sein.

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Zusammengefasst kann gesagt werden, dass im anglo-amerikanischen Raum die

„Animal Assisted-Activities“ (Tiergestützte Aktivitäten) und „Animal Assisted

Therapy“ (Tiergestützte Therapie) offiziell anerkannt sind und durchgeführt werden. In

Deutschland werden die Begriffe eher uneinheitlich verwendet. Jedoch zeichnen sich

laut Schneider drei Begrifflichkeiten ab, welche auch die Praxisfelder repräsentieren:

Die Tiergestützte Aktivität, die Tiergestützte Pädagogik und die Tiergestützte Therapie

(siehe Tabelle 1). In dieser Arbeit werden die Begriffe Tiergestützte Pädagogik und

Tiergestützte Therapie verwendet, da es um die professionelle Anwendung bei Kindern

und Jugendlichen geht.

(Vernooij/Scheider 2008, S. 26-53)

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Interventions-form

Durchführende Zielgruppe Ziel Zeitraum

Tiergestützte Aktivität

Laien

ehrenamtliche Personen

geeignetes Tier

Menschen jeden Alters (sehr allgemein)

Verbesserung des Wohlbefindens

bzw. der Lebensqualität

sporadische Aktivitäten,

z.B. Tierbesuchsdienst

Tiergestützte Pädagogik

Personen mit

Berufsqualifikation im

pädagogischen Bereich

spezifisch trainiertes Tier

Kinder und Jugendliche mit Proble-

men im sozialen und emotionalen

Bereich

eigenständige Maßnahme mit dem

Ziel des Lernfortschrittes:

Initiierung von Lernprozessen im

sozio-emotionalen Bereich

unter Berücksichtigung

vorhandener Ressourcen

anhand konkreter Zielvorgaben

festgelegte Zeiten

mehrmalig oder über längeren Zeitraum

Tiergestützte Therapie

qualifizierte Therapeuten

bzw. Zusammenarbeit mit

diesen (Berufsqualifikation

im sozialen Bereich)

spezifisch trainiertes Tier

Kinder, Jugendliche oder

Erwachsene mit einer psycho-

physischen Störung oder Erkrankung

in eine Fachtherapie integrierte

Maßnahme, als Unterstützung,

mit dem Ziel der

Lebensgestaltungskompetenz:

Behandlung nach Therapieplan

regelmäßige Sitzungen zu festgelegten

Zeiten

längerer Zeitraum

Tab. 1: Überblick über Formen tiergestützter Intervention (abgewandelt durch JB nach Vernooij/Schneider 2008, S. 46, 47, 50)

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Um die Begriffe Tiergestützte Therapie und Tiergestützte Pädagogik klar voneinander

abgrenzen zu können, wird die Dimension der Eigenständigkeit der jeweiligen

Maßnahme herangezogen. Der Unterschied zwischen Tiergestützter Therapie und

Tiergestützter Pädagoik wird in dieser Arbeit deshalb, wie in Tabelle 1 dargestellt,

darüber definiert, dass die Tiergestützte Pädagogik als eigenständige Maßnahme

durchgeführt wird und die Tiergestützte Therapie direkt in eine Fachtherapie, z. B.

Psychotherapie oder Ergotherapie, eingebunden ist.

2.1.3 Anwendungsbereiche der Tiergestützten PädagogikDie Tiergestützte Pädagogik bietet unterschiedliche Ansatzpunkte. Da sie dem Prinzip

der Ganzheitlichkeit Rechnung trägt, werden auch andere Bereiche indirekt mit

beeinflusst.

Vom Allgemeinen zum Speziellen können folgende Bereiche beeinflusst werden: das

ganzheitliche Lernen, die Selbststeuerung, die nonverbale Kommunikation, die sozialen

und emotionalen Kompetenzen, Verhaltensauffälligkeiten bzw. -störungen.

Tiere sprechen Menschen ganzheitlich an, d.h. den Körper (z.B. Blutdrucksenkung), den

Geist (z.B. Konzentrationstraining) und die Seele (z.B. Wohlbefinden). Vernooij nennt

zusätzlich noch den sozialen Bereich, d.h. soziale Kompetenzen, die durch das

ausgeprägte Sozialverhalten, einschließlich der Kommunikation der Tiere verbessert

werden können. Um das ganzheitliche Lernen bei Kindern und Jugendlichen zu

veranschaulichen, erläutert Vernooij das Beispiel des Spieles mit einem Hund. Durch

das Spielen mit einem Hund kann das Kind seine Körperfunktionen trainieren, z.B.

Kondition, es kann seine kognitiven Fähigkeiten trainieren, z.B. Handlungsplanung, es

kann sein (soziales) Verhaltensrepertoire ausbauen durch die Erprobung neuer Rollen,

es kann Energie und Konflikte abbauen, was zu seinem Wohlbefinden beiträgt.

Dadurch, dass das Tier verschiedene Sinneskanäle anspricht, wird der Lernfortschritt

ebenfalls enorm gesteigert. Die genannten Aspekte werden im Folgenden näher erklärt.

Zum ganzheitlichen Lernen und zur Persönlichkeitsentwicklung gehört Entscheidungs-

und Handlungskompetenz, welche auf der kognitiven Ebene angesiedelt sind. Durch das

Lebewesen Hund werden diese Kompetenzen in besonderer Weise gefördert. Das Kind

muss sich vor bzw. während des Spiels mit dem Tier einige Fragen beantworten, wie

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zum Beispiel, ob der Hund lieber spielen oder ruhen will, welches Spielzeug er wann

bevorzugt, wann der Hund genug hat, welches Spiel für den Hund zu leicht oder zu

schwer ist usw. Hierzu benötigt das Kind Entscheidungskompetenz.

Die Körperfunktionen werden beim Spiel mit dem Hund ebenfalls in besonderer Weise

gefördert. Dadurch, dass der Hund agiert und reagiert, wird Geschicklichkeit im

Umgang trainiert. Schnelligkeit ist besonders bei dem Tier Hund, welcher ein Jäger ist,

gefragt. Aber auch Koordination wird gefordert. Durch das körperliche Spiel können

Kräfte gemessen und somit bewusst gemacht werden. Der emotionale Bereich wird

unmittelbar angesprochen. Das Kind lässt sich auf den Hund ein, bezieht diesen und

dessen Handlungen, in das eigene Verhalten mit ein. Kommunikation findet statt, das

Verhalten muss aufeinander abgestimmt werden. Verhaltensformen müssen erkannt,

Verhaltensregeln eingehalten werden. Es besteht die Möglichkeit neue Verhaltensmuster

zu testen. Der Hund kann geführt werden oder das Kind kann sich vom Spiel und

Verhaltens des Hundes leiten lassen. Es wird eine Beziehung aufgebaut zwischen Kind

bzw. Jugendlichem und Tier. In der Beziehung kann der Jugendliche das Spiel vorgeben

oder auf gleicher Ebene den Partner Hund gleichrangig mit einbeziehen.

Durch die speziellen Eigenschaften des Tieres – es (be)wertet nicht, belehrt nicht,

beurteilt sich, verurteilt nicht – kann das Kind oder der Jugendliche angstfrei agieren.

Das Tier stellt keine Erwartungen, wie Menschen es oft tun. Der Jugendliche muss sich

nicht beweisen, er wird vom Tier so angenommen wie er ist. Dieses freie Gefühl ist eine

Grundvoraussetzung für Lernen und somit für die Entwicklung seiner Stärken und

Persönlichkeit.

Neben dem Ganzheitlichen Lernen fördern Tiere die Selbststeuerung bzw. das

selbstgesteuerte Lernen. Selbststeuerung im Lernen heißt, entscheiden zu können, was

man wann, wie und wie lange lernt. Dazu wird Eigenmotivation benötigt. Tiere

motivieren durch ihren Aufforderungscharakter und durch die positive und angstfreie

Atmosphäre. Kinder werden motiviert kreativ zu sein, neues auszuprobieren. Am

Beispiel des Hindernisparkours kann die Selbststeuerung und das selbstgesteuerte

Lernen am besten veranschaulicht werden. Eigene Kompetenzen müssen abgeschätzt

werden, ein Handlungsplan und eine Reihenfolge zur Erstellung des Parkours entworfen

werden, die Tauglich- und Bewältigbarkeit des Parkours getestet und bewertet, evtl.

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Alternativen gefunden werden.

Bei der gemeinsamen Bewältigung des Parkours gibt der Hund Rückmeldung, welche

vom Jugendlichen beurteilt und bewertet werden müssen, um den Parkour evtl.

anzupassen. Im Anschluss kann die eigene Leistung zur gesamten Aufgabe beurteilt und

eingeschätzt werden.

An dritter Stelle ist, neben dem ganzheitlichen und selbstgesteuerten Lernen, die

nonverbale Kommunikation zu nennen. Diese macht in der Gesamtkommunikation den

Löwenanteil aus, 75-80%. Die Stimme steht an zweiter Stelle und das gesprochene Wort

an Letzter. Unter nonverbaler oder analoger Kommunikation versteht man

Körpersprache, Mimik, Gestik, Haltung und je nach Auffassung die Stimmlage. Die

analoge Kommunikation wird auch die ehrliche und authentische Kommunikation

genannt. Nonverbale Kommunikationsprozesse „sind die Hauptträger

zwischenmenschlicher Beziehungsbotschaften und das Zusammenleben bzw.

Zusammensein zwischen Menschen basiert zu großen Teilen darauf, wie genau

Elemente der nonverbalen Kommunikation – wie Gestik, Mimik, Körper- und

Blickkontakt oder das Nähe- und Distanzverhalten – wahrgenommen werden und ob

entsprechend darauf reagiert werden werden kann“ (Vernooij/Schneider 2008, S. 123).

Vor allem Hunde – auch Pferde – besitzen von Natur aus ein großes Spektrum an

analogen Kommunikationsprozessen, die diese auch in der Kommunikation zu

Menschen benutzen. Deshalb kann gesagt werden, dass der Umgang mit Tieren,

insbesondere Hunden, die Fähigkeit zur nonverbalen Kommunikation, d.h. sowohl die

bewusste Beobachtung, als auch den bewussten Einsatz von Körpersprache, bei

Menschen fördert. An dieser Stelle kann die Methode der freien Begegnung eingesetzt

werden, z.B. wenn Kind und Pädagoge zwei spielende Hunde in Hinblick auf Formen

der Verständigung genau beobachten und versuchen, diese herauszufinden. Aber auch

im gemeinsamen Spiel von Hund und Mensch wird das Kind oder der Jugendliche

versuchen durch Versuch und Irrtum eine gemeinsame wortlose Sprache zu finden, um

zu verstehen, was der andere will oder nicht will. Ziel ist es, den Kindern und

Jugendlichen Sicherheit in der analogen Kommunikation zu geben, um diese schließlich

mit Hilfe des Pädagogen auf zwischenmenschliche Verständigung übertragen zu können

bzw. die Anwendung zu erproben und umzusetzen.

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Die vorletzte Einwirkungsmöglichkeit durch Tiergestützte Pädagogik, welche für das

Thema AD(H)S von Bedeutung ist, bietet der Bereich der sozialen und emotionalen

Kompetenzen. Diese können sowohl der Sozial- als auch der Selbstkompetenz

zugeordnet werden. Vernooij/Schneider dröseln beide Bereiche in Teilkompetenzen auf,

welche durch die Tiergestützte Pädagogik gesondert bearbeitet bzw. trainiert werden

können:

• Selbsteinschätzung, Selbstwertgefühl

• Selbstvertrauen

• (emotionale) Selbststeuerung

• Kompromissbereitschaft

• soziale Sensibilität

• Empathie

• soziale Zuverlässigkeit

• Fairness

• Authentizität

Die eigenen Stärken und Schwächen werden mit der pädagogischen Arbeit mit Tieren

bewusst und die Selbsteinschätzung dieser trainiert. Durch eine Steigerung der

realistischen Einschätzung steigt das Selbstwertgefühl. Dies ist auch ein Baustein des

Selbstvertrauens, welches durch Erfolge und das Vertrauen-Können in die eigenen

Fähigkeiten, gestärkt wird. Die Kenntnis eigener Fähigkeiten, Stärken und Schwächen

ist wiederum eine Voraussetzung für die emotionale Selbststeuerung. Wenn der

Jugendliche im Stande ist, seine Gefühle zu kennen und zu steuern, ist er auch eher im

Stande sich anzupassen und Beziehungen einzugehen. Kompromisse fallen leichter.

Durch das Eingehen einer Beziehungen zum Hund, wird automatisch die soziale

Feinfühligkeit trainiert, wie schon bei der nonverbalen Kommunikation beschrieben. Es

steigt die Fähigkeit zur Empathie, d.h. sich in andere Lebewesen hineinzuversetzen.

Durch die immer bessere Kommunikation, Selbsteinschätzung und Selbstwertgefühl

durch die Tiergestützte Arbeit, steigt schließlich die soziale Zuverlässigkeit, d.h.

Eindeutigkeit und Glaubwürdigkeit im eigenen Handeln und in Bezug auf Erwartungen.

Zusammengefasst kann gesagt werden, dass „das Zusammensein, die Kommunikation

und Interaktion mit dem Tier, (…) dem Kind eine positive Rückmeldung (bieten), sich

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seiner eigenen Gefühle, Wünsche, Bedürfnisse und Fähigkeiten (wieder) bewusst zu

werden, sie angstfrei auszuleben und beispielsweise im Spiel mit dem Tier zum

Ausdruck zu bringen.“ (Vernooij/Schneider 2008, S. 127, Anpassung durch JB)

Man sieht, dass die Bereiche ineinander übergehen und sich gegenseitig direkt oder

indirekt beeinflussen.

(Vernooij/Schneider 2008, S. 117-130)

2.2 Störungen mit unterkontrollierendem Verhalten

2.2.1 DefinitionNach Prothmann (2008, S. 213-225) lassen sich das Aufmerksamkeits-Defizit-

Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) sowie Verhaltensstörungen den Störungen mit

unterkontrollierendem Verhalten unterordnen. AD(H)S und Verhaltensstörungen sollen

im Folgenden genauer ausgeführt und definiert werden.

AD(H)S wird hier beispielhaft für Auffälligkeiten und Störungen im sozialen und

emotionalen Bereich aufgeführt, da dieses an fixen Kriterien festgemacht werden kann

und somit die Anwendung Tiergestützter Therapie und Pädagogik konkrete

Ansatzpunkte aufweist, wie nachfolgend beschrieben. Die Verhaltensauffälligkeiten und

-störungen können aber auch als gesondertes Störungsbild neben AD(H)S gesehen

werden. Die Grenzen sind fließend und je nach Literatur und Definition werden beide

Störungen in unterschiedlichen Verhältnissen zueinander gesetzt. In dieser Arbeit stehen

AD(H)S und Verhaltensauffälligkeiten gleichrangig nebeneinander. Auch wird AD(H)S

von ADS hier nicht unterschieden, da diese Ausführung die Arbeit sprengen würde. Es

steht nicht die Abgrenzung dieser verschiedenen Begriffe zueinander im Blickpunkt,

sondern wie bei Prothmann (2008) ein gemeinsamer Ursprung bzw. eine Einordnung

der Störungsbilder unter Störungen mit unterkontrolliertem Verhalten. So schreibt

Prothmann, dass "zu den Störungen mit unterkontrollierend-externalisiertem Verhalten

(...) das Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (AD(H)S) und die

Verhaltensstörungen zusammengefasst (werden)" (Prothmann 2008, S. 213).

Prothmann (2008) erklärt, dass Kinder mit AD(H)S sich nicht altersentsprechend

verhalten können, z.B. sich in bestimmten Situationen nicht ruhig verhalten können. Sie

bezeichnet das Verhalten dieser Kinder auch als sprunghaft, unorganisiert, taktlos,

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eigensinnig und herrisch. Prothmann weist auch darauf hin, dass die Grenzen zu einer

krankhaften Störung fließend sind, Kinder mit motorischer Unruhe häufiger eine

Verhaltensstörung entwickeln als Kinder mit einfachem Aufmerksamkeitsdefizit. Dass

die Abgrenzung nicht immer vollständig geschehen kann, bestätigt die Tatsache, dass

zwischen AD(H)S und Verhaltensstörungen eine Überlappung von 30 bis 90% bestehen

kann.

Ein Unterschied den Prothmann nennt, ist in dieser Arbeit lediglich für den Ansatz der

Tiergestützten Therapie von Bedeutung: AD(H)S-Kinder sind von aufgabenirrelevantem

Verhalten - vor allem in Leistungssituationen wie Schule - sowie durch kognitive

Defizite und Leistungsprobleme geprägt. Dem gegenüber sind Kinder mit einer

primären Verhaltensstörung antisozial und feindlich eingestellt und sind von einem

hohen Risiko für Delinquenz geprägt.

Kinder und Jugendliche mit AD(H)S haben durch ihr Verhalten häufig Schwierigkeiten

mit Gleichaltrigen, was die Entwicklung von Freundschaften erschwert und dadurch die

Einsamkeit erhöht. "Die Kinder übersehen häufig subtile Hinweise, erleben viele

Missverständnisse, woraus sich Defizite in der sozialen Kompetenz entwickeln"

(Prothmann 2008, S. 214). Auch führt ihre Impulsivität im Spiel meist dazu, dass diese

ausgegrenzt werden.

Der Ursprung von AD(H)S wird sowohl in Richtung einer Prädisposition, als auch in

Richtung einer ungünstigen Erziehung gesehen. Behandlungsansätze gehen daher meist

beide Wege - der medikamentösen und der psychotherapeutischen/

verhaltenstherapeutischen Lösung. Die Tiergestützte Therapie und Pädagogik kann eine

Alternative zur Medikation oder eine ergänzende Maßnahme im Bereich der

verhaltensorientierten, sozialen bzw. lerntheoretischen Richtung sein.

Die Bundesärztekammer definiert AD(H)S nach dem ICD-10, einem psychologischen

Testungsverfahren: Es gibt drei Grundmerkmale. An erster Stelle steht die Störung der

Aufmerksamkeit, d.h. es herrscht ein Mangel an Ausdauer bei (kognitiven)

Beschäftigungen. Zweitens besteht eine Hyperaktivität, also unruhiges Verhalten,

welches sich häufig in der Unfähigkeit des Stillsitzens zeigt. Drittes Kriterium ist die

Impulsivität, welche durch abrupte, häufig unpassende, motorische oder verbale

Aktionen gekennzeichnet ist.

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Tiergestützte Pädagogik und Therapie bei Kindern und Jugendlichen - Jennifer Baur

Das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information ordnet AD(H)S

den Verhaltens- und emotionalen Störungen zu. Zusammengefasst kann man also sagen,

dass bei AD(H)S-Kindern verschiedene Bereiche betroffen sind welche, neben einer

fachtherapeutischen Behandlung, durch Tiergestützte Pädagogik positiv beeinflusst

werden können. Diese Bereiche sind Motorik und Körpergefühl, Kognition und Lernen,

Soziabilität und Emotionalität.

"Davison und Neale subsummieren unter Verhaltensstörungen eine Gruppe von

Verhaltensauffälligkeiten, die durch fehlende Impulskontrolle charakterisiert sind:

Aggression, Trotz, Ungehorsam, verbale Feindseligkeit, Lügen, Zerstörungswut,

Vandalismus, Diebstahl, Promiskuität und Substandabusus. All diesen

Verhaltensmustern ist gemeinsam, dass Normen und Rechte anderer verletzt und

missachtet werden." (Prothmann 2008, S. 218)

In dieser Arbeit werden vor allem Ansatzpunkte beim Aufmerksamkeits-Defizit-

Hyperaktivitäts-Sydrom, mit Tendenz zur sozialen Störung, vorgestellt und diskutiert.

Der Bereich der Verhaltensstörungen spielt hier somit nur im Anfangsstadium bzw. im

Übergangsbereich eine Rolle, in der aggressive Verhaltensweisen in milderer Form - im

Vergleich zur Delinquenz - vorkommen. Der Grund ist, dass die Tiergestützte Pädagogik

im Vergleich zur Tiergestützten Therapie bei leichten Formen als eigenständige,

sekundär präventive Maßnahme eingesetzt werden kann, wenn diese im pädagogischen

Bereich ansetzt. Der Einfachkeit halber werden Verhaltensauffälligkeiten und

Verhaltensstörungen nicht weiter unterschieden.

2.2.2 Anwendung der Tiergestützten PädagogikUnter Motorik und Körpergefühl fasst Vernooij erstens die Motorik, zweitens die

Motolität und drittens die Psychomotorik zusammen. Vernooij versteht unter Motorik

die Gesamtheit aller willkürlich gesteuerten Bewegungsvorgänge, die erlernt und

trainiert werden können. Das Gegenstück dazu ist die Motolität, d.h. die (passive)

Beweglichkeit. Die Psychomotorik umfasst bewusste und unbewusste

Bewegungsabläufe, z.B. Mimik, Gestik und Sprache.

Kinder und Jugendliche mit AD(H)S haben in diesen Bereichen Probleme, sind oft

grobmotorisch und haben ein schlechtes Körpergefühl. Hier kann die Tiergestützte

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Pädagogik ansetzen. Zum Beispiel bei der Kommandoarbeit müssen virtuelle Zeichen

deutlich sicht- und erkennbar für den Hund ausgeführt werden. Hier erkennt das Kind

oder der Jugendliche sehr schnell, dass die sorgfältige und eindeutige Zeichengebung

vom Hund erkannt und ausgeführt wird. Durch den Erfolg wird sich die Konzentration

und Bemühung auf die eigene Motorik verbessern.

Die Motorik (Hyperaktivität) kann durch gezielte und bewusste Bewegungsabläufe mit

Hilfe eines Therapiehundes verbessert werden. Hierzu zählen die allgemeine

Bewegungsfreudigkeit und -koordination, sowie die Erweiterung des

Bewegungsrepertoires. Zum Beispiel durch die gemeinsame Bewältigung eines

Parkours kann die Freude an Bewegung und die Koordination verbessert werden. Durch

die non-verbale Kommunikation mit dem Hund, z.B. ihm zu zeigen, wie man durch

einen Tunnel läuft, wird das Bewegungsrepertoire erweitert. Gleichzeitig wird bei der

Bewältigung eines Parkours unbewusst die Motilität gefördert, da man Bewegungen

ausführt, welche im normalen Alltag eher selten ausgeführt werden, wie über Hürden zu

springen oder durch Tunnel zu robben.

Die Psychomotorik wurde schon angesprochen. Der unbewusste Ausdruck von

Gefühlen in der Körpersprache kann ebenfalls am Beispiel Parkour erläutert werden.

Dadurch dass eine Kommunikation mit dem Hund für die gemeinsame Bewältigung des

Parkours unabdingbar ist, werden Gestik und Sprache, d.h. die körperliche

Ausdrucksfähigkeit, in die Wahrnehmung gerückt und somit verbessert.

Das allgemeine Körpergefühl bzw. die Körperwahrnehmung kann durch die Schulung

des kinästhetischen Sinnes verbessert werden. Das Druck- und Berührungsempfinden

kann durch die bewusste Wahrnehmung des warmen und weichen Fells oder des

Gewichts eines leichten Hundes, der über ein liegendes Kind läuft, gefördert werden.

Kognition und Lernen ist der zweite große Bereich, welcher bei Kindern und

Jugendlichen mit AD(H)S betroffen ist. Vernooij bezeichnet Kognition als Prozesse,

welche mit dem Erkennen der Wirklichkeit, zusammenhängen. Durch Wahrnehmen,

Erkennen und Beurteilen erhält das Kinder bzw. der Jugendliche Kenntnis von sich und

seiner Umwelt. Grundlegend für Kognition sind die emotionale und soziale Intelligenz,

welche wiederum Basis der Handlungskompetenz sind. Kinder und Jugendliche mit

Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätssyndrom können häufig nicht zwischen wichtig und

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unwichtig unterscheiden und nehmen deswegen zu viel wahr bzw. können sich nicht auf

das wichtige konzentrieren. Auch sind sie häufig nicht in der Lage, Emotionen und das

Ausdrucksverhalten anderer richtig zu erkennen und einzuschätzen, woraufhin sie evtl.

der Situation unangepasst handeln (Impulsivität). Dadurch erzielte Misserfolge lassen

ihr Selbstbewusstsein mindern. Durch einfache Wahrnehmungsübungen, z.B. das

Erinnern an das Aussehen des Hundes, sowie durch den gezielten und erfolgreichen

Einsatz von Körpersprache oder das Planen eines Apportiervorganges, können Erfolge

erzielt werden, Kognition und Konzentration geübt werden, sowie das

Selbstbewusstsein gesteigert werden.

Soziabilität ist der dritte Bereich neben Motorik und Kognition. "Der Begriff umfasst all

jene Eigenschaften und Verhaltensweisen, die ein auf die Gemeinschaft bezogenes,

angemessenes Handeln ermöglichen." (Vernooij/Schneider 2008, S. 113) Das gezeigte

Sozialverhalten spiegelt die Soziabilität eines Menschen wieder. Soziale Normen und

kulturelle Symbole, wie die Sprache, spielen hier eine große Rolle. Ein durch

altruistisches Verhalten ist durch Rücksichtnahme gekennzeichnet. Diese Normen

müssen erlernt werden. An dieser Stelle kann die Tiergestützte Pädagogik wie folgt

ansetzen. Wenn das Grundbedürfnis nach Kontakt verschüttet ist, kann dieses durch

einen Therapiehund reaktiviert werden, weil dieser unsere urältesten Gefühle anspricht.

Sowohl Rücksichtnahme als auch Selbstbehauptung werden einem durch den Umgang

mit dem Hund abverlangt. Wo Menschen soziale Ängste eher verstärken, können Tiere

diese, durch ihre Unvoreingenommenheit, mindern. Durch das angenommen und

gebraucht werden, kann das soziale Selbstwertgefühl gestärkt werden, wodurch eine

Übertragung auf soziale Situationen mit Menschen folgen kann.

Emotionalität ist der letzte wichtige Baustein im Lernen bei AD(H)S. Positive wie

negative Gefühle werden darunter gefasst. AD(H)S-Kinder haben häufig Probleme ihre

Emotionen zu kontrollieren. Auch ist die Frustrationstoleranz meist niedrig. Hier spielt

die subjektive Reizverarbeitung eine große Rolle. "Emotionen werden von Erregung

(Spannung) oder Beruhigung (Entspannung) begleitet." (Vernooij/Scheider 2008, S.

114) Gefühle beeinflussen wiederum Organfunktionen, wie Puls und Atmung.

Ansatzpunkte der Tiergestützten Pädagogik gibt es insofern, dass Tiere Gefühle

auslösen können. Die Anwesenheit eines Hundes hat eine beruhigende Wirkung bei

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einer hohen Erregbarkeit von AD(H)S-Kindern. Kinder und Jugendliche, welche sozial

unsicher sind, entspannen in der Nähe eines Hundes. Durch diese positive Atmosphäre

können Übungen leichter angesetzt und durchgeführt werden. Die Steuerung der

Emotionen kann durch das Therapietier insofern gefördert werden, als das Tier

unmittelbar und situationsangemessen reagiert.

Auch müssen die Kinder und Jugendlichen lernen, ihr eigenen Bedürfnisse hinter die

des Hundes zu stellen. Wenn der Hund z.B. vom Spielen müde ist und seine Ruhe haben

will, muss das Kind lernen, das zu akzeptieren, auch wenn es gerne selbst weiter spielen

will. Durch das Erlernen von Verantwortung für Lebewesen und das Verständnis dafür,

kann die Frustrationstoleranz erhöht werden.

(Vernooij/Schneider 2008, S. 110-115)

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3 Studien und Praxismodelle der Tiergestützten Therapie und Pädagogik

Im Folgenden werden Studien und Erfahrungsberichte aufgezeigt, welche die

Wirkungen eines Therapiehundes auf Kinder und Jugendliche untersucht bzw.

beobachtet haben. Insbesondere ist das Augenmerk auf Aspekte des (sozialen)

Verhaltens gerichtet, sowie auf typische Merkmale von Kindern oder Jugendlichen mit

Verhaltensauffälligkeiten bzw. AD(H)S, wie z.B. Konzentration, Aufmerksamkeit,

soziale Integration usw. Um die relevanten Aspekte herauszufiltern, werden die in

Kapitel zwei genannten Definitionen zu AD(H)S und Verhaltensauffälligkeiten

herangezogen. Schließlich werden aus den zitierten Studien und Erfahrungsberichten

Schlussfolgerungen gezogen und diskutiert, welche Wirkung ein Therapiehund auf diese

Zielgruppe hat bzw. haben kann.

3.1 Kotrschal und Ortbauer: Einflüsse auf das Sozialverhalten von Grundschülern

In Otterstedt 2003 (S. 267 ff) beschreiben Kurt Kotrschal und Brita Ortbauer ihre

Wiener Studie zu Kurzzeiteinflüssen von Hunden auf das Sozialverhalten von

Grundschülern. „Unsere Fragen waren, ob und wie die Kinder mit dem Hund

interagieren würden, ob und wie ihre Aktivität, ihr Verhalten und ihre sozialen

Interaktionen beeinflusst sein würden.“ (Kortschal und Ortbauer in Olbrich und

Otterstedt 2003, S. 269). Diese Studie wurde ausgewählt, weil es um den Einfluss von

Therapiehunden auf soziales Verhalten, die Aktivität der Kinder und ihre soziale

Interaktion geht, welches wesentliche Aspekte von Kindern mit AD(H)S und

Verhaltensauffälligkeiten sind.

Der Aufbau der Studie ist wie folgt: Ein Semester lang begleiteten drei verschiedene

Schulhunde dreimal pro Woche für je eine Stunde eine offene Unterrichtssituation in

einer Wiener Volksschulklasse. Die Mädchen und Jungen hatten zu fast 100% einen

Migrantenhintergrund. Insgesamt besuchten zehn Mädchen und 14 Jungen diese Klasse.

Mit Hilfe einer Videokamera wurden die standardisierten, offenen

Unterrichtssituationen festgehalten, in denen jeweils einer der Hunde ruhig im

Klassenzimmer lag, während die Kinder lebhaft ihren Tätigkeiten nachgingen. Zum

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Vergleich wurden auch offene Unterrichtseinheiten ohne die Anwesenheit eines Hundes

gefilmt. Die gefilmten Verhaltensweisen wurden individuell und quantitativ, d.h. die

Frequenz und Dauer des jeweiligen Verhaltens, dokumentiert und in Statistikprogramme

eingespeist, welche das Verhalten uni- und multivariat analysierten.

Das Ergebnis fassen Kotrschal und Ortbauer in einem Satz zusammen: „Die Hunde

verbesserten den sozialen Zusammenhalt der Klasse, die Aufmerksamkeit in Richtung

der Lehrerin und dämpften lautes, auffälliges und aggressives Verhalten.“ (Kotrschal

und Ortbauer 2003, S. 268). Für diese Arbeit ist vor allem das letztgenannte Ergebnis

von Bedeutung. Vorerst aber eine ausführlichere und allgemeine Beschreibung der

Ergebnisse zum Verständnis des Gesamtzusammenhangs.

Alle Schüler, auch diejenigen, welche den Schulhunden anfangs skeptisch gegenüber

standen, sagten aus, dass sie die Schule lieber besuchten, wenn ein Hund anwesend ist.

Ansonsten fielen die Ergebnisse uneinheitlich aus. Jeder Schüler baute seine

individuelle Beziehung zum Hund auf – der eine beschäftigte sich sehr viel mit dem

Hund, der andere beobachtete ihn nur, wieder ein anderer schien kaum interessiert. Die

Klasse insgesamt wurde jedoch einheitlicher im Verhalten, ruhiger und konzentrierter

auf die Lehrerin. Zurückgezogene Schüler kamen aus sich heraus und integrierten sich

mehr in die Klassengemeinschaft und deren gemeinsames Tun. Auffällige Kinder, vor

allem Jungen, wurden in der Anwesenheit des Hundes deutlich weniger auffällig. Die

Sozialkontakte, sowohl in direktem Zusammenhang mit dem Hund, als auch ganz

allgemein, stiegen an. Die Lehrerin wurde mit der Rolle als Hundetrainerin besser

akzeptiert, was sowohl für den Unterricht als auch für zwischenmenschliche

Angelegenheiten, wie Streitschlichtung, von Vorteil war. Auch nahmen die Kinder

Rücksicht auf das empfindliche Gehör des Hundes – es wurde ruhiger und „es kam zu

einer starken Abnahme aggressiver Auseinandersetzungen“ (Kotrschal und Ortbauer in

Otterstedt und Olbrich 2003, S. 271). Das bemerkenswerteste Ergebnis war jedoch, dass

die stärksten Effekte „bei einer Handvoll verhaltensauffälliger, lauter, bewegungsaktiver

Selbstdarsteller unter den Knaben, und auch dem einen oder anderen Mädchen mit

ähnlichen Neigungen zu bemerken (war).“ (Kotrschal und Ortbauer in Otterstedt und

Olbrich 2003, S. 271, Anpassung durch JB).

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3.2 Casaulta und Leung: Programm mit AD(H)S-KindernCasaulta und Leung führten ein Programm durch, in dem sie mit AD(H)S-Kindern

tiergestützt arbeiteten. Ihre Beobachtungen und Erfahrungen aus der Praxis werden im

Folgenden erläutert. In diesem tiergestützten Programm wurde ein Hund in einer

Kindergruppe eingesetzt. Die Kinder waren zwischen fünf und sieben Jahren alt, hatten

AD(H)S und besuchten einen heilpädagogischen Unterricht, in welchen der Hund zwei

Wochen lang integriert wurde. Die von den Pädagogen gemachten Erfahrungen waren

folgende: Durch den Hund nahmen die Kinder ihren Körper und den des Hundes

bewusster wahr, verglichen sich mit dem Hund und stellten Unterschiede und

Gemeinsamkeiten fest. „Durch diese Erkenntnis erlebten sich die Kinder als

eigenständige Personen“ (Prothmann 2008, S. 215). Auch begannen die Kinder nach

und nach vermehrt auf die Bedürfnisse des Hundes zu achten und ließen dem Hund

seine Ruhe, wenn er diese brauchte und versuchten herauszufinden, was dem Hund

gerade gefällt und gut tut und was nicht. Auch Auswirkungen auf die Hyperaktivität

konnten festgestellt werden: Nachdem die Kinder den Hund eine viertel Stunde lang

gestreichelt hatten, wurden die Kinder deutlich ruhiger und konnten sich sogar in

Gruppentätigkeiten integrieren. Besonders aber wurde durch das Streicheln und

Betasten des warmen Fells, durch das Fühlen des Herzschlags und das Belecktwerden

durch die Zunge des Hundes der taktil-kinästhetische Sinn geschult und körperbezogene

Wahrnehmungen gemacht.

Aber nicht nur auf der physischen Ebene wurden Wirkungen beobachtet. Auch im

kognitiven und psychischen Bereich erzielte der Einsatz des Hundes Effekte. Die

verbale Kommunikation der Kinder nahm durch den Hund stark zu. Vor allem Kinder

mit Sprachproblemen und Hemmungen schafften es ohne Schwierigkeiten mit dem

Hund zu sprechen. Die ausgeprägte Körpersprache des Caniden regte zu Beobachtungen

und Gesprächen an. Höhepunkt für die Kinder mit wenig Selbstbewusstsein waren

Momente, in denen der Hund ihre „Befehle“ befolgte. Die Kinder erfuhren dadurch

erstmals Selbstwirksamkeit.

Die Wirkung auf Gruppenebene bzw. auf Ebene des sozialen Verhaltens wurde schon

kurz angerissen. Der Hund sorgte nicht nur für gemeinsamen Gesprächsstoff, sondern

festigte auch die Beziehungen der einzelnen Kinder untereinander. Auch das

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Akzeptieren und Einhalten von Regeln sowie das Setzen eigener Regen erlernten die

Kinder durch den Umgang und die Regelkunde mit dem Hund.

Zusammengefasst nennt Prothmann (2008) die unterschiedlichen Wirkungsebenen auf

die sich der Hund bei Kindern mit AD(H)S ausgewirkt hat: Auf der Ebene der Ich-

Entwicklung fördert ein Therapiehund die Differenzierung zwischen dem Ich und

anderen Individuen, welches wiederum in besonderem Maße durch vielfältige taktil-

kinästhetische Erfahrungen ausgelöst wird. Der Hund schult die Fokussierung und

Aufmerksamkeit auf eine Sache, was durch das Lesen der Körpersprache des Hundes

ausgelöst werden kann. Mit der Beschäftigung damit, was der Hund ausdrücken will,

werden sozioemotionale Kompetenzen geschult, was das Verständnis anderer

Lebewesen und der daraus resultierenden Rücksichtnahme stärkt. Natürlich wird auch

die Beobachtungsgabe durch das „Lesen“ des Hundes und seiner Körpersprache

gefördert. Durch das Gespräch über diese Beobachtungen und den Austausch über das

Thema Hund wird gleichzeitig auch die Sprachkompetenz verbessert, was das Tier

durch seine „Akzeptanz“ von Fehlern, d.h. seiner Nichtbewertung, zusätzlich positiv

bestärkt. Diese Eigenschaft der unbedingten Annahme fördert auch die

Beziehungsfähigkeit der Kinder. Sie sind vermehrt interessiert daran, wie es dem Hund

geht, was er gerade macht und wo er ist. Sie erleben gegenseitiges Vertrauen und

überwinden somit Ängste bzw. lernen mit Angst und anderen Emotionen umzugehen.

Durch diese Basis des Vertrauens und einen angstfreien Raum können Lernfortschritte

gemacht und Selbstbewusstsein aufgebaut werden. Die Kinder werden offener,

akzeptieren auch Grenzen und bauen eigene zum Selbstschutz auf, d.h. erlernen den

Umgang mit Distanz und Nähe. Dies zeigt, dass ein Hund auf verschiedensten

Wirkungsebenen ansetzen kann, physisch, psychisch, emotional, kognitiv und sozial –

alles Kompetenzbereiche, welche bei AH(H)S-Kindern eingeschränkt bzw.

förderungsbedürftig sind.

(Prothmann 2008, S. 223 ff, 167 ff)

In einer Studie von Hergovich et al. wurden ebenfalls Kinder im frühen Grundschulalter

und der Einfluss auf diese durch Schulhunde untersucht. Unter anderem wurden soziale

Integration sowie aggressive Verhaltensweisen der Schüler in einem Lehrerfragebogen

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beurteilt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Empathie gegenüber den Hunden signifikant

anstieg, die Atmosphäre im Klassenzimmer sich zum Teil verändert hat und die Kinder

geselliger wurden. Es ist anzumerken, dass die Studie u.a. aufgrund fehlender

Randomisierung nicht vollständig dem Gütekriterium der Objektivität genügt.

(Prothmann 2008, S. 217)

Dass die motorische Unruhe bei Kindern durch den Einsatz von Tieren bemerkenswert

nachlässt und Kinder durch die Beschäftigung mit lebendigen Tieren, im Vergleich zum

Spiel mit Stofftieren, wacher und aufmerksamer sind haben Naar et al. gefunden. In

dieser experimentellen Studie, in der ganz allgemein das kindliche Verhalten unter dem

Einfluss eingesetzter Tiere - hier Meerschweinchen - untersucht wurde, konnte auch

festgestellt werden, dass Kinder wachsamer und aufmerksamer sind, wenn sich diese

mit dem lebendigen Tier anstelle eines Stofftieres beschäftigten. Auch hellte sich die

Stimmung der Kinder in der Sequenz mit dem Meerschweinchen auf, welche im

Experiment mit dem Spiel mit künstlichen Tieren abwechselte. Prothmann lässt die

Schlussfolgerung zu, dass Tiere, auch bei kurzzeitigen Kontakten, signifikant kindliches

Verhalten hin zu Offenheit, Neugierde und Fröhlichkeit verändern.

(Prothmann 2008, S. 218 ff)

3.3 Prothmann: Einfluss auf die Befindlichkeit von Kindern und Jugendlichen

Lange Zeit war es nicht anerkannt, subjektives Erleben und Empfinden als Wirkung

einer Therapie anzusehen. Man hat aber schließlich dessen Wichtigkeit herausgefunden,

als nachweisbar hochwirksame Medikamente trotz Wirksamkeit nicht zwingend zu

einem veränderten Erleben beim Patienten geführt haben. Aufgrund dieser Tatsache und

der Tatsache, dass sowohl die Beziehung zwischen Klient und Therapeut/Pädagoge als

auch das subjektive Erleben des Klienten von bedeutender Wichtigkeit sind, sollte die

Studie von Prothmann als relevant eingestuft werden. Diese Studie von Prothmann

untersucht die Veränderung der Befindlichkeit eines Klienten unter dem Einfluss

Tiergestützter Therapie.

An der Studie nahmen in Experimental- und Kontrollgruppe zusammengerechnet 100

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Kinder und Jugendliche im Alter von elf bis 20 Jahren, die in stationärer psychiatrischer

Behandlung waren, teil. Vier Therapiebegleithunde kamen einmal in der Woche für eine

halbe Stunde in eine nondirektive, freie tiergestützte Spieltherapie. Die Probanden

beurteilten jeweils vor und nach jeder Sitzung ihre subjektive, aktuelle Befindlichkeit

anhand der Basler Befindlichkeitsskala. Die Kontrollgruppe wurde ebenfalls, um

zufällige Stimmungsschwankungen ausschließen zu können, zeitgleich getestet.

Bei den Ergebnissen viel auf, dass sich die Mittelwerte der beiden Gruppen anfangs

nicht signifikant, jedoch am Ende signifikant unterschieden. Die folgenden vier

Subskalen wurden abgefragt: Vitalität, Vigilanz, soziale Extraversion und das

innerpsychische Gleichgewicht, außerdem die Gesamtbefindlichkeit. Diese waren bei

den Probanden der Tiergestützten Therapie um ein vielfaches höher als bei der

Kontrollgruppe. Ebenfalls beachtlich ist das Ergebnis des Zusammenhangs zwischen

dem Ausgangswert der Befindlichkeit und dem Ausmaß der Veränderung. Hier konnte

ein negativer Zusammenhang festgestellt werden, was bedeutet, dass die Veränderung

der subjektiven Befindlichkeit um so stärker war, desto niedriger das Ausgangsniveau

der Befindlichkeit zu Anfang der Therapie war.

Die Forscher interessierte außerdem die Frage, ob es Patienten gab, bei denen die

Tiergestützte Therapie einen gegenteiligen Effekt, nämlich eine Verschlechterung der

Befindlichkeit nach sich zog und was die Ursache dafür war. Eine gemittelte

Verschlechterung der Befindlichkeit war bei 11,5% der Probanden der Fall, das sind

sieben von 61 Probanden aus der Experimentalgruppe. Als Grund gaben die Klienten

die zeitgleiche Videoaufzeichnung, sowie die Unmöglichkeit mit dem Hund im freien

Spielen zu können, an.

Mögliche Bedenken, dass das Evaluationsinstrument - die Basler Befindlichkeitsskala

(BBS), welche für Erwachsene konzipiert wurde - nicht für Kinder und Jugendliche

angewandt werden kann, konnten ausgeräumt werden. Mit dem Anwendungsalter von

mindestens elf Jahren begegnete man möglichen Sprachverständnisschwierigkeiten.

Außerdem wurde der Test mit kindgerechten Umschreibungen im Multiple-Choice-

Verfahren angewandt.

"Wie die Ergebnisse der Vorher-Nachher-Messung zeigen, hatte die Gegenwart eines

Hundes einen hoch signifikanten Einfluss auf alle getesteten Dimensionen der

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kindlichen Befindlichkeit. Die Änderungen waren drei- bis 16fach stärker ausgeprägt

als in der Kontrollgruppe. Das heißt, die Präsenz eines Hundes steigerte in großem

Umfang die Wachheit und Aufmerksamkeit des Kindes, führte zu mehr Offenheit und

Bedürfnis nach Sozialkontakt und Austausch, förderte die Wahrnehmung gesunder und

vitaler Anteile und beeinflusste das innere seelische Gleichgewicht in Richtung zu mehr

Ausgewogenheit" (Prothmann 2008, S. 153).

Prothamnn (2008, S. 143 ff)

3.4 Allgemeiner positiver Einfluss von (Heim-)TierenÜber diese großen Studien hinaus gibt es noch einige Untersuchungen, welche zu

ähnlichen Ergebnissen kommen bzw. den allgemeinen positiven Einfluss von Tieren im

physischen, sozialen und emotionalen Bereich, sowie im Bereich der Kognition und

Sprache, belegen (Vernooij/Schneider 2008, S. 123 ff, S. 139ff, ). Ergebnisse dieser

sollen im Folgenden kurz umrissen werden:

Bergler (1994), Guttmann/Predovic/Zemanek (1985) belegen in Heimtierstudien zum

Beispiel, dass Kinder, welche mit Haustieren aufwachsen, eine subtilere

Kommunikation erlernen und den menschlichen Gesichtsausdruck genauer

interpretieren und deuten können. Dass Tiere Einsamkeit reduzieren und einen neuen

Anreiz geben, gebraucht und somit wieder aktiv zu werden, belegt Katcher (1980).

Tiere sind Pflegeobjekte, um die man sich gerne kümmert. Sie werden auch durch ihre

Wirkung als Emotions- und Aufmerksamkeitsobjekt bezeichnet. Diese Einflüsse werden

unter dem biologisch-physischem Bereich zusammengefasst.

Den sozialen und emotionalen Bereich decken Untersuchungen von Levionson (1962,

1986, 1969, 1975), Corson/Corson (1975, 1977,1979) und Salomon/Salomon (1982) ab.

Schlagworte sind die Katalysator-, Übertragungs- und Brückenfunktion der Tiere, durch

die Kontakt angebahnt werden kann, da sie eine emotional ansprechende Wirkung

haben und für eine positive Atmosphäre sorgen. Auch Lee (1978) hat im sozialen und

emotionalen Bereich herausgefunden, dass durch Tiere Gewalt reduziert wird und

Medikationen verringert werden können.

Im Bereich der Kognition und Sprache fanden Hendy (1984) sowie Limond et al.

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(1997), dass das Interesse an der Umwelt sowie die Aufmerksamkeitsspanne gesteigert

werden durch den Einsatz von Tieren. Ebenfalls zu Kognition und Sprache stellen Smith

(1984), Nathanson (1989, 1998), Kupper-Heilmann 1998, Kohn/Oerter (2004), sowie

Breitenbach et al. (2006) eine Erhöhung der Interaktionsbereitschaft, eine Erleichterung

der Kontaktaufnahme sowie eine verbesserte verbale Kommunikationsfähigkeit fest.

Dass Tiere eine günstige Basis für pädagogisches oder therapeutisches Arbeiten

schaffen, belegen Katcher (1980, 1981), Friedmann et al. (1983) und Braun et al.

(1984). Sie stellten fest, dass sich die Anwesenheit von Tieren auf Blutdruck, Kreislauf

und Hormonausschüttung positiv auswirken. Durch das Streicheln des Felles wird das

körpereigene Hormon Oxytocin ausgeschüttet, welches stressreduzierend wirkt und das

Vertrauen steigert. Dadurch reduziert sich auch Angst. Außerdem wird der Blutdruck

gesenkt und der Kreislauf stabilisiert.

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4 Reflexion und DiskussionIn diesem Abschnitt der Reflexion und Diskussion sollen alle Ergebnisse aus Theorie

und Praxis verglichen, zusammengefasst und im Überblick bewertet werden. Zu Grunde

gelegt werden die Fragen nach Vor- und Nachteilen, sowie dem Mehrwert der

Tiergestützten Pädagogik und Therapie bei Kindern und Jugendlichen mit Störungen

mit unterkontrollierendem Verhalten.

Die Studien haben gezeigt, dass die Tiergestützte Pädagogik und Therapie vielfältige

Ansatzpunkte für Kinder und Jugendliche mit AD(H)S und Verhaltensstörungen

aufweisen. Zusammengefasst kann man sagen, dass ein Therapiehund, richtig

eingesetzt, sowohl

a) die Grundvoraussetzungen im Kind selbst schafft, sich auf eine Therapie einlassen zu

können, b) die Voraussetzung der pädagogischen/therapeutischen Arbeit zwischen Kind

und Pädagoge/Therapeut schafft, c) eine allgemeine Lerngrundlage bietet bzw.

ganzheitliches Lernen möglich macht, als auch d) konkrete Ansatzpunkte der

Behandlung der spezifischen Störung bietet (siehe Abbildung 2).

d) Spezifische Einwirkung an Problemfeldern

c) Positive Beeinflussung des ganzheitlichen Lernens

b) Atmosphäre und Beziehung zum Therapeuten

a) Einstellung des Kindes zur Therapie

Positiver Einfluss eines Therapiehundes

Abb. 2: Ebenen der positiven Beeinflussung in einer Therapie

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In anderen Worten bedeutet dies für a), dass der Hund, durch seinen Einfluss auf die

biologisch-physische Ebene, die Voraussetzung einer positiven und vertrauten

Atmosphäre ohne Angst und Stress schafft. Durch die Blutdrucksenkung und die

Ausschüttung des Vertrauenshormons "fährt das Kind runter", beruhigt sich und beginnt

sich auf die Therapiesituation/Maßnahme einzulassen. Egal ob das Kind ängstlich,

traurig oder aggressiv ist, durch das Streicheln des Hundes und dessen Zuwendung kann

jede Emotion "neutralisiert" werden. Durch den Einsatz des Hundes wird folglich eine

essenzielle Voraussetzung überhaupt geschaffen, was ohne die Arbeit mit Tieren

gegebenenfalls auf der Strecke bleiben würde bzw. schlichtweg nicht oder nur schwer

beeinflusst werden kann oder aus kosten- und ökonomischen Gründen zu kurz kommt.

Auf dieser Basis wird wiederum b) eine wichtige Türe durch den Hund geöffnet: die

Kontaktaufnahme. Ein Kind, welches zum Therapeuten geht, hat noch keine

Krankheitseinsicht, weshalb es oft schwierig ist, einen Kontakt herzustellen. Hier kann

die Anwesenheit bzw. die Einbeziehung eines Hundes oder Tieres sehr hilfreich sein.

Durch das Tier kann eine natürliche Beziehung, in einer angstfreien Umgebung zu

Stande kommen. Dieser Vorgang nennt sich „Brückenfunktion“ (Vernooij/Schneider

2008, S. 57). Durch das therapeutische Dreieck Kind - Therapiehund -

Pädagoge/Therapeut (siehe Abbildung 3) hat der Therapeut oder Pädagoge die

Möglichkeit, gerade auch bei beziehungsgestörten Kindern, über das Tier mit diesen in

Kontakt zu treten.

Therapeut/Pädagoge

Kind/Jugendlicher Therapiehund

Abb. 3: Das therapeutische Dreieck

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Durch die unvoreingenommene Authentizität, die scheinbare Empathie und die

unbedingte Zuwendung des Hundes, fühlt sich das Kind angenommen so wie es ist und

beginnt sich dem Therapiehund gegenüber zu öffnen. Der Therapeut nutzt diese

Brückenfunktion des Hundes nun, um nach und nach selbst mit dem Kind in Kontakt zu

treten (b). Eine nicht unbedeutende Nebenwirkung ist, dass der Therapeut/Pädagoge

durch die Rolle des Hundeführers ganz allgemein vom Kind mehr geachtet wird - ein

weiterer Mehrwert der Tiergestützten Pädagogik. Auch die Tatsache, dass eine

Interaktion mit dem Hund geschieht, lässt oftmals die eigentliche Therapie vergessen

bzw. die Motivation des Jugendlichen steigern.

Drittens bietet der Hund unterschiedliche Ansatzpunkte des Lernens, vor allem aber auf

ganzheitlicher Ebene (c): Tiere, vor allem Hunde, sprechen die biologisch-physische,

psychische, soziale, emotionale und sprachlich-kognitive Ebene Kinder und

Jugendlicher an. Da diese Voraussetzung nun gegeben ist, kann der Therapeut an den

ganz speziellen Problemfeldern des Kindes ansetzen, wobei er natürlich

ressourcenorientiert handeln sollte. Dazu setzt er einen Schwerpunkt auf einer der vier

Kompetenzebenen: Fach-, Selbst-, Sozial- oder Methodenkompetenz. (siehe Abbildung

4)

Abb. 4: Kompetenzbereiche

33

Fach-

Selbst- Methoden- Therapiehund

Sozialkompetenz

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Nun sind alle Voraussetzungen erfüllt. Das Kind ist durch den Hund motiviert und hat

zum Therapeuten/Pädagogen eine Beziehung aufgenommen. Die eigentliche Therapie

bzw. Maßnahme kann beginnen. Im Folgenden werden die Kompetenzbereiche

exemplarisch beschrieben und Wirkungsfelder zugeordnet, um einen Überblick zu

geben.

Der erste Schritt ist es, Verhaltensregeln im Umgang mit dem Hund aufzustellen und zu

erlernen. Dies hat einen zweifachen Nutzen. Zum einen ist das richtige Verhalten die

Voraussetzung überhaupt mit dem Hund arbeiten zu können. Das Erlernen der

Hunderegeln gehört zum Bereich der Fachkompetenz. Das Kind erlernt etwas neues,

wird zum "Profi" in Sachen Hunde. Zum anderen werden durch dieses Fachwissen das

Selbstbewusstsein und die Motivation, gemeinsam mit Pädagoge und Hund zu arbeiten,

gesteigert.

Im zweiten Schritt können die geplanten Fein- und Grobziele umgesetzt werden. Der

Vorteil an der tiergestützten Arbeit mit dem Hund ist, dass sämtliche Wirkungsbereiche

angesprochen werden können. Zum Bereich der Selbstkompetenz, welche vor der

Sozial- und Methodenkompetenz stehen sollte, zählen (Körper-)Wahrnehmung,

Selbsteinschätzung, Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl, emotionale Selbststeuerung und

Authentizität. Wenn das Kind im Bereich der Selbstkompetenz gestärkt ist, kann zur

Ebene der Sozialkompetenz gegangen werden. Hierzu zählen Anpassungs- und

Kompromissbereitschaft, soziale Sensibilität, Empathie, soziale Zuverlässigkeit, verbale

und nonverbale Kommunikationsfähigkeit sowie Fairness. Je nach dem welche Methode

der Jugendliche erlernen soll - im Bereich von AD(H)S-Kindern bieten sich motorische

Fähigkeiten an - gehören Koordination, Geschicklichkeit, Handlungsplanung und

Entscheidungsfähigkeit zum Gebiet der Methodenkompetenz.

Nicht zuletzt werden durch Erfolgserlebnisse in Zusammenarbeit mit dem Hund

emotionale und soziale Fähigkeiten verbessert sowie eine stimmige Fremd- und

Selbsteinschätzung. Das Selbstbewusstsein wird durch die Erfahrung von

Selbstwirksamkeit angehoben, Frustrationstoleranz und Lernmotivation aufgebaut.

Diese Ziele können sowohl der Sozial- als auch der Selbstkompetenz zugeordnet

werden. Es gilt sich aus dieser Fülle von Eigenschaften Schwerpunkte herauszugreifen.

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Bei Kindern und Jugendlichen mit Verhaltensstörungen oder AD(H)S finden sich genau

jene Probleme im Bereich der sozialen und emotionalen Kompetenzen, an dem

gleichzeitig die Nachteile ansetzen:

AD(H)S-Kinder sind oft rücksichtslos und versuchen ohne Rücksicht auf Verluste ihre

Anschauungen, Wünsche und Vorhaben umzusetzen. Affekthandlungen sind das

Ergebnis eines unüberlegten und unreflektierten Umgangs mit sich und der Umwelt.

Wenn jene Affekthandlungen überhand nehmen und sich die Aggression gegen den

Hund richtet, ist Vorsicht geboten und genau abzuwägen, ob die Maßnahme

weitergeführt oder abgebrochen werden muss. Eine wichtige präventive Maßnahme ist

die Auswahl eines geeigneten Therapiehundes. Dieser darf nicht zu sensibel sein bei der

Zielgruppe der AD(H)S- und verhaltensgestörten Kindern. Röger-Lagenbrink formuliert

dies treffend, was Menschen nicht unterschätzen sollten: “Oftmals wird unterschätzt,

welchen negativen und aggressiven Energien, Schwingungen und depressiven

Gefühlslagen die Hunde während einer Therapiestunde ausgesetzt sind. Hinzu kommt

eine eventuell spannungsgeladene oder auch traurige, leidende Atmosphäre in den

fremden Räumen – dies alles spüren Hunde extrem intensiver als die Menschen um sie

herum” (Röger-Lagenbrink 2008, S. 40).

Ein weiteres Problem stellt das Grundprinzip der Freiwilligkeit dar. Eine Voraussetzung

für erfolgreiche Tiergestützte Pädagogik und Therapie ist, dass der Klient freiwillig an

der Maßnahme teilnimmt. Hier zeichnen sich zugleich die Grenzen der Tiergestützten

Therapie ab: Was sich in einer tiergestützten Einzelmaßnahme noch als einfach

herausstellt, wird ein einer integrativen Maßnahme, z.B. der tiergestützten

Psychotherapie, evtl. zum Problem. Während die ergänzende oder alleinstehende

tiergestützte Maßnahme abgelehnt oder angenommen werden kann, besteht bei

bestimmten Therapien ein Zwang. Wenn dieser sich auf den integrativen Teil mit einem

Therapiehund überträgt, sind die Grundpfleiler verletzt.

Ein weiterer Nachteil sind die Ausschlusskriterien. Je nach Art der Aggression ist dies,

wie oben genannt, auch schon ein Ausschlusskriterium. Des Weiteren sind Allergien,

extreme Hundephobien und medizinische Indikatoren, welche eher bei anderen

Zielgruppen und in anderen Bereichen, z.B. im Krankenhaus, zu finden sind.

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Neben diesen Nachteilen ist grundsätzlich auch die Übertragbarkeit der

Studienergebnisse, welche eine allgemeine positive Wirkung beweisen,

diskussionswürdig. Prothmann´s Studie zur Befindlichkeit zum Beispiel besagt, dass die

Tiergestützte Therapie bei denjenigen Kindern mit dem schlechtesten Ausgangszustand

am besten angeschlagen hat. Nun ist die Frage, ob die besagten Wirkungen auf die

Befindlichkeit auch bei nicht so gravierend gestörten Kindern und Jugendlichen

anschlagen. Denn die Zielgruppe dieser Studie sind, im Vergleich zu ambulant

behandelten Kindern, stationär behandelte Kinder und Jugendliche.

5 AusblickDass die Tiergestützte Pädagogik und Therapie richtig eingesetzt einen großen

Mehrwert mit sich bringt, belegen Theorie und Praxis. Darüber hinaus ergeben sich

jedoch auf einer höheren Ebene einige Faktoren, welche die Tiergestützte Pädagogik

und Therapie in ihrem Vorankommen in Deutschland hindern oder bremsen:

Da die Risikofaktoren für Verhaltensstörungen bei Kindern laut Prothmann (2008, S.

219) ein niedriger sozioökonomischer Status, das Großstadtleben, Arbeitslosigkeit,

Alleinerziehende bzw. Patchwork-Familien sowie ein schlechtes Bildungsniveau sind,

ist es gerade für diese Schicht schwierig, die Tiergestützte Pädagogik und Therapie als

unterstützende Maßnahme zu erhalten. Der Grund dafür ist, dass diese Interventionen in

Deutschland noch nicht von der Kasse anerkannt sind und somit privat bezahlt werden

müssen. Hier besteht von Seiten der Politik dringend Handlungsbedarf, da die

Tiergestützte Therapie zum Beispiel in Amerika einen festen Stellenwert in der Medizin

hat und voll anerkannt ist.

Aber auch im Bereich der Forschung besteht Handlungsbedarf, da es vor allem viele

Studien mit Heimtieren gibt, die zwar die allgemeine positive Wirkung von

(Haus-)Tieren auf den Menschen belegen, aber strenggenommen nichts mit einem

aktiven, professionellen Einsatz von Therapietieren zu tun hat. Wichtig bei Studien ist

darüber hinaus auf die Einhaltung der Gütekriterien Objektivität, Validität und

Reliabiltät zu achten.

Auch die Standardisierung dieser Fachrichtung ist ein weiterer Problembereich.

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Tiergestützte Maßnahmen werden hierzulande mit ehrenamtlichen Besuchsdiensten

gleichgesetzt, weshalb eine Professionalisierung der Tiergestützten Pädagogik und

Therapie schwierig ist. Auch gibt es vielerlei (unprofessionelle) Anbieter von

Maßnahmen und Fortbildungen im Bereich der Tiergestützten Therapie. Dadurch wird

die Auswahl einer tiergestützten Maßnahme für das eigene Kind oder einer Fortbildung

in diesem Bereich Laien bzw. Interessierten sehr schwer gemacht.

Jedoch ist in positiver Hinsicht festzuhalten, dass mit Hilfe der Tiergestützten

Pädagogik und Therapie – gerade im Bereich der multimodalen Anwendung – sehr viel

erreicht werden kann. Der Grund hierfür ist, dass die Tiergestützte Therapie einen

großen Vorteil im Vergleich zu herkömmlichen Behandlungsansätzen hat: Sie setzt an

der inneren Einstellung, der intrinsichen Motivation an, welches meiner Meinung nach

der größte Mehrwert dieser Methode ist. Prothmann umschreibt diesen Wert mit einem

Satz, welcher auch auf pädagogische Maßnahmen übertragbar ist:

"Die Kinder und Jugendlichen erleben sich in eine Atmosphäre versetzt, die von

Wärme, Akzeptanz und Einfühlungsvermögen in ihre Gefühlswelt geprägt ist; Kriterien,

die über alle Psychotherapieschulen hinweg als Fundament einer tragfähigen, zu

Veränderungen ermutigenden Beziehung zwischen Patient und Therapeut angesehen

werden" (Prothmann 2008, S. 154).

Auch wird von vielen Experten eine multimodale Behandlung als wesentlich effizienter

und sinnvoller eingestuft, als die Behandlung durch eine einzige Methode. Deshalb

kann die Tiergestützte Pädagogik und Therapie grundsätzlich - wenn die Freiwilligkeit

des Patienten gegeben ist - nicht nur als sinnvolle Ergänzung angesehen werden,

sondern als ein Schritt in Richtung der gegenseitigen Befruchtung verschiedener

Wissenschaften und Ansätze. So vermutet Prothmann "dass die hier nachgewiesenen

Effekte in Synergie mit gezielten Interventionen durch einen geschulten

Psychotherapeuten den Therapieprozess erheblich katalysieren und vertiefen kann"

(Prothmann 2008, S. 154).

Nicht zuletzt sind die Vorteile eines Hundes, im Vergleich zu anderen Therapietieren,

von großer Bedeutung: Durch die ihm zugesprochenen Rogers-Variablen der Empathie,

der bedingungslosen Anerkennung und seiner Authentizität ist er, meiner Meiung nach

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ein Therapietier mit dem man gerade bei Kindern und Jugendlichen sehr viele Effekte

erzielen kann. Dadurch, dass er ein Rudeltier ist, können sozial gestörte und auffällige

Kinder sehr viel von diesem Wesen, welches von Fachkräften gezielt eingesetzt wird,

lernen. Der Canide macht den Kindern und Jugendlichen auf eine angenehme Art und

Weise klar, wenn ihr Verhalten nicht angebracht ist, indem er promt und ohne Urteile

auf unangemessenes Verhalten reagiert. Durch seinen Aufforderungscharakter werden

die Kinder und Jugendlichen trotzdem motiviert, sich mit ihrem eigenen Verhalten

auseinanderzusetzten – auch wenn diese dies gar nicht bemerken, da für sie der Spaß

und die Freude mit dem Tier im Vordergrund steht.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Tiergestützte Pädagogik und Therapie ein

Gegengewicht zu unserer schnelllebigen, von Medien durchfluteten Gesellschaft ist,

welche keine unerwünschten Nebenwirkungen birgt. Sie führt uns wieder zu unseren

urältesten Sinnen und evulutioären Erfahungen zurück, indem essentielle Bedürfnisse

befriedigt und die intrinsiche Motivation wieder in den Vordergrund allen Lernens und

aller Veränderung gerückt werden.

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6 Literatur und Quellenangaben

[1] Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ärztekammern:

www.Bundesärztekammer.de/page.asp?his=0.145, Berlin, letzte Änderung 2006, Abruf

am 2.6.11

[2] Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information:

www.dimdi.de/static/de/klassi/diagnosen/icd10/htmlamtl/fr-icd.htm?gf90.htm+, Abruf

am 2.6.11

[3] Kotrschal K./Ortbauer B. 2003: Kurzzeiteinflüsse von Hunden auf das

Sozialverhalten von Grundschülern in Otterstedt C. 2003, S. 267-272

[4] Otterstedt C. 2003: Menschen brauchen Tiere. Grundlagen und Praxis der

tiergestützten Pädagogik und Therapie. Stuttgart

[5] Prothmann, A. 2008: Tiergestützte Kinderpsychotherapie. Frankfurt am Main

[6] Röger-Lagenbrink, I. 2008: Das Therapiehunde-Team. Ein praktischer Wegweiser.

Lettland

[7] Vernooij M. A. /Schneider S. 2008: Handbuch der Tiergestützten Intervention.

Grundlagen, Konzepte, Praxisfelder. Wiebelsheim

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7 Abbildungsverzeichnis

Die Abbildungen und Tabellen stammen, soweit nicht anders angegeben, von der Autorin.

Abbildung 1: Berührungspunkte Tiergestützte Pädagogik/Therapie und

ADHS/Verhaltensauffälligkeiten und Gesamtzusammenhang .................................S. 07

Abbildung 2: Ebenen der positiven Beeinflussung in einer Therapie.......................S. 31

Abbildung 3: Das therapeutische Dreieck.................................................................S. 32

Abbildung 4: Kompetenzbereiche.............................................................................S. 33

8 Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Überblick über Formen der tiergestützten Intervention.....................S. 12

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9 Erklärung

Hiermit erkläre ich, dass ich diese Arbeit selbständig verfasst und alle verwendeten

Hilfsmittel und Quellen angegeben habe (auch Internetquellen).

………………………………………………………………………………………….Ort, Datum Unterschrift

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