Symposium kienbaum

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Rede von Hartmut Koschyk MdB Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen „Sparen und Gestalten - Gegensatz oder Ergänzung“ anlässlich des 2. Symposiums der Kienbaum Management Consultants GmbH „Führung und Steuerung in der öffentlichen Verwaltung“ am 16. September 2010

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Rede

von

Hartmut Koschyk MdB

Parlamentarischer Staatssekretär

beim Bundesminister der Finanzen

„Sparen und Gestalten - Gegensatz oder Ergänzung“

anlässlich

des 2. Symposiums

der Kienbaum Management Consultants GmbH

„Führung und Steuerung in der öffentlichen Verwaltung“

am 16. September 2010

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Meine sehr geehrten Damen und

Herren,

Deutschland ist bislang besser durch

die Krise gekommen als erwartet:

Deutschland ist die Wachstums-

lokomotive im Euroraum mit einem

sehr stabilen Arbeitsmarkt.

Man muss fast schon daran erinnern:

Wir hatten im vergangenen Jahr einen

historisch einmaligen Rückgang des

Bruttoinlandsprodukts um 4,7 Prozent.

Die EU-Kommission hat in dieser

Woche ihre Frühjahrsprognose vorge-

legt. Bisher hat sie uns, der

Bundesrepublik Deutschland, für dieses

Jahr ein reales Wachstum in Höhe von

1,2 Prozent prognostiziert. In dieser

Woche hat sie ihre Prognose auf

3,4 Prozent angehoben. Der IWF prog-

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nostiziert für dieses Jahr ähnlich. Das

heißt, wir sind auf einem guten

wirtschaftlichen Weg.

- Ausschlaggebend sind zunächst

die Unternehmer, die gemeinsam

mit verantwortlichen Belegschaf-

ten und Mitarbeitern zum

Wachstum beitragen.

- Die Restrukturierung deutscher

Unternehmen hat ohne Zweifel zu

mehr internationaler Wettbewerbs-

fähigkeit und stärkerer

betrieblicher Flexibilität geführt.

Die Krise konnte dadurch stärker

abgefangen werden, zugleich ist

ein schnelleres Wiedererstarken

bei anziehender Weltkonjunktur

möglich.

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- Beigetragen haben aber auch

wichtige strukturelle Reformen,

von denen mancher, der zwischen

1998 und 2009 noch in Regie-

rungsverantwortung stand, heute

nichts mehr wissen möchte

- Nicht zuletzt bedeutend: Das

beherzte Eingreifen der Bundes-

regierung im Rahmen der Finanz-

und Wirtschaftskrise: Banken-

rettungspakete, Garantie der

Spareinlagen, Konjunkturpakete

(in der historischen Ausnahme-

situation ausnahmsweise gerecht-

fertigt) haben die erwünschte

stabilisierende Wirkung entfaltet.

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Konsolidierung hat jetzt Priorität! (Finanzpolitische

Exit-Strategie)

Es ist aber auch ganz klar: Die politisch

entscheidende Aufgabe ist jetzt, den

rechtzeitigen Rückzug des Staates aus

den außergewöhnlichen finanzpoli-

tischen Maßnahmen zu organisieren,

die nur durch die außergewöhnliche

Krise zu rechtfertigen waren.

Denn gerade in der Krise hat es sich

gezeigt, wie notwendig tragfähige

Haushalte für die Handlungsfähigkeit

von Staaten und das Vertrauen von

Bürgern und Investoren sind und wie

notwendig tragfähige Haushalte für

eine stabile Währung sind.

Zur Fragestellung des Vortrags:

„Sparen und Gestalten - Gegensatz

oder Ergänzung?“ unterstreiche ich,

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was diese Koalition in ihrem

Koalitionsvertrag festgehalten hat;

„Nur eine durchgreifende Konsolidie-

rungspolitik verschafft dem Staat Spiel-

räume, um zu gestalten und den Bürger

zu entlasten.“ Sparen ist Voraussetzung

für Handlungsfähigkeit!

Wenn Sie erst einmal in der Lage wie

andere Länder - auch in Europa - sind,

dass Sie zu Getriebenen der Kapital-

märkte werden und dass ihre Zinszah-

lungen immer größere Anteile am

Haushalt ausmachen, dann spätestens

zeigt sich die Bedeutung eines

sparsamen Umgangs mit öffentlichen

Mitteln.

Denn die Rechnung aus der Vergan-

genheit kommt ganz gewiss – in Form

hoher Zinslasten sofort und in Form

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steigender Steuern und Abgaben früher

oder später.

Und dann ist jeglicher Handlungsspiel-

raum für politische Gestaltung bereits

verspielt. In diese Situation wollen wir

in Deutschland nicht kommen, und in

diese Situation werden wir auch nicht

kommen, wenn wir die Politik der

Bundesregierung und der christlich-

liberalen Koalition konsequent

weiterführen.

Wichtigster „Helfer“ einer verantwort-

lichen Finanzpolitik ist die neue

Schuldenregel.

Die zulässige strukturelle Kreditauf-

nahme wird im Jahr 2016 nicht mehr

als 10. Mrd. € betragen dürfen. Bis

dahin müssen wir die noch bestehende

Kreditaufnahme in jährlich gleich

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bleibenden Schritten abbauen.

Die Schuldenregel hat „unterstützende“

Funktion. Im öffentlichen Diskurs

entsteht leicht der Eindruck, die

Haushaltskonsolidierung diene

ausschließlich der Erfüllung rechtlicher

Vorgaben.

Es ist aber wie gesagt genau

umgekehrt: Wir brauchen die

Haushaltskonsolidierung für die

Zukunftsfähigkeit unseres Landes.

Die neue Schuldenregel soll uns dabei

nur helfen, nachdem die alte

offenkundig nicht genügt hat. Die

Bindung der Neuverschuldung an die

Investitionen hat schlichtweg nicht

funktioniert. Die öffentliche Verschul-

dung ist explodiert und mit ihr auch die

Zinszahlungen. Allein der Bund zahlt

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jedes Jahr rd. 37 Mrd. Euro und damit

jeden achten Euro seiner Ausgaben für

Zinsen.

Wenn der Staat auch in der nächsten

Krise handlungsfähig sein soll, müssen

wir die Neuverschuldung Schritt für

Schritt reduzieren. Wir müssen uns von

einem Kreislauf fernhalten, in dem

Schulden immer neue Schulden nähren.

Wachstumsfreundliche Konsolidierung

Das national und international

manchmal vorgebrachte Argument,

Deutschland solle die Staatsausgaben

noch möglichst lange auf dem (hohen)

Krisenniveau halten, um „den

beginnenden Aufschwung nicht

abzuwürgen“ geht daher fehl.

Erstens, weil die einzelnen Schritte zur

Rückführung des Defizits alles in allem

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sehr moderat ausfallen. Von einem

abrupten Umsteuern also nicht die

Rede sein kann.

Die Konjunkturpakete laufen

planmäßig aus und entfalten Wirkung

noch bis 2011. Damit ist kein abrupter

Ausstieg gegeben.

Bei der Verabschiedung des Haushalts-

entwurfs 2010 lagen wir noch bei rund

80 Milliarden Euro Neuverschuldung,

bei der Einbringung bei annähernd

86 Milliarden Euro. Im tatsächlichen

Verlauf werden wir irgendwo unterhalb

von 60 Milliarden Euro liegen. Wir

führen die Neuverschuldung des

Bundes in den Jahren 2011 bis 2014

konsequent von 57,5 Milliarden Euro -

im Haushalt 2011 auf 24,1 Milliarden

Euro in 2014 zurück.

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Zur Umsetzung der Schuldenbremse

müssen alle staatlichen Ebenen

beitragen. Ab 2020 dürfen die Länder

keine neuen Schulden mehr machen!

Auch das EU-Defizitverfahren bezieht

sich auf den öffentlichen Gesamthaus-

halt.

Zweitens, weil Wachstum über eine

schuldenfinanzierte zusätzliche

Nachfrage nicht nachhaltig ist. Solide

Finanzen sind die beste Wachstums-

politik, weil sie das Vertrauen der

Konsumenten und Investoren stärken.

Meinungsumfragen belegen: Sorge

der Menschen vor hohen Staats-

schulden ist das größte Hindernis für

eine positive wirtschaftliche

Entwicklung und für eine stärkere

Inlandsnachfrage.

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Solide Staatsfinanzen haben einen

unmittelbar positiven Einfluss auf die

privaten Investitionen, da

Erwartungen positiv beeinflusst

werden. Investoren können langfristig

mit einer moderaten Steuer- und

Abgabenentwicklung rechnen und

müssen auch nicht befürchten, dass

der Staat sie bei der Finanzierung

wichtiger Investitionen aus dem

Markt drängt.

Die internationale wirtschaftswissen-

schaftliche Forschung ist sich

weitgehend einig, dass die Reduktion

hoher Schuldenstandsquoten in

Industrieländern das Wachstums-

potenzial erhöht – und umgekehrt zu

hohe Schulden das Wachstum

dämpfen!

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„Zukunftspaket“ der BReg

Und drittens deswegen, weil wir auf

intelligente Weise konsolidieren. Im

Rahmen der Konsolidierung bleibt

Raum für eine Stärkung der

Wachstumsmotoren der deutschen

Volkswirtschaft.

Dies ist der Grund, warum Sparen und

Gestalten sich ergänzen, und kein

Widerspruch sind!

Das Zukunftspaket sieht u. a. vor:

Bei Bildung und Forschung

Mehrausgaben von 12 Mrd. Euro

Der Sozialbereich kann bei der

Konsolidierung nicht ausgespart

werden, wenn ein Großteil der

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Einnahmen des Bundes für soziale

Aufgaben verwendet wird

Die Koalition will aber keine

Kürzungen von Sozialleistungen „mit

dem Rasenmäher“. Stattdessen sollen

z. B. durch den Umbau der Arbeits-

förderung oder die Anrechnung von

Elterngeld auf ALG-II-Leistungen

die Anreize zur Aufnahme von Arbeit

gestärkt werden.

Die Koalition sieht im Rahmen der

Konsolidierung keine generellen

Steuererhöhungen, sondern nur

moderate Eingriffe wie die

Abschöpfung eines Teils der Gewinne

aus der Verlängerung der AKW-

Laufzeiten, mehr Gerechtigkeit und

Steuervereinfachung bei der

„Ökosteuer“ vor.

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Dass einzelne Elemente des

Konsolidierungspakets umstritten sind,

ist ganz normal. Manches wird auch im

parlamentarischen Verfahren noch

verändert werden. Nur eines muss klar

sein: Das Gesamtvolumen der Konsoli-

dierung werden wir halten!

Je schneller wir Erfolge beim Defizit-

abbau erreichen, umso eher haben wir

künftig Spielräume, die wir auch für

eine steuerliche Entlastung von

Leistungsträgern der Mittelschicht

nutzen können

Europäische Dimension

Die zu hohen Staatsdefizite in vielen

Ländern, insbesondere Industrie-

ländern, sind eine der Hauptursachen

der Krisen, die wir an den Finanz-

märkten und am Schluss auch in der

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Euro-Zone in diesem Jahr hatten. Wer

uns krisenfester für die Zukunft

machen will, der muss diese zu hohen

Defizite zurückführen. Daran führt kein

Weg vorbei, in Deutschland nicht und

auch in Europa nicht.

Der Europäische Stabilisierungs-

mechanismus war ein notwendiger

Schritt, aber wir haben uns nur „Zeit

gekauft“, die wir jetzt auch nutzen

müssen. Griechenland akzeptiert

derzeit starke Eingriffe in seine

Souveränität. Das muss letztlich

Vorbild sein für ein früheres Eingreifen

im Rahmen eines reformierten

Stabilitäts- und Wachstumspaktes.

Die Staatsschuldenkrise im Euroraum

muss aber nachhaltig gelöst werden.

Wir müssen den europäischen

Stabilitäts- und Wachstumspakt

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stärken; denn seine Instrumente haben

nicht ausgereicht, die Krise des Euro,

ausgehend von Griechenland, zu

verhindern.

Die Bundeskanzlerin hat am 25. März

dieses Jahres im Europäischen Rat

durchgesetzt, dass wir konsequent

daran arbeiten, die Instrumente des

Stabilitäts- und Wachstumspaktes

effizienter zu gestalten. Hierzu wurde

eine Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz

des europäischen Ratspräsidenten van

Rompuy eingerichtet. Diese so

genannte Taskforce hat den Auftrag,

zunächst einmal bis Oktober die

Schritte zu definieren und

vorzuschlagen, die wir ohne Änderung

der europäischen Verträge zustande

bringen können. Danach reden wir in

der zweiten Etappe über diejenigen

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Schritte, die eine Veränderung in den

europäischen Verträgen notwendig

machen.

Deutschland hat hier sehr früh seine

Vorschläge insbesondere zur

Verbesserung der Krisenprävention

und zur Krisenlösung eingebracht.

Die Kontrolle von Defizitsündern und

die Transparenz in der Abstimmung

der Haushaltsverfahren innerhalb

Europas soll z. B. mit dem

Europäischen Semester verbessert

werden. Es ist wichtig, dass alle

frühzeitig Kenntnis von den Verfahren

der anderen erhalten und dass wir als

nationale Haushaltsgesetzgeber uns

unserer Verantwortung für das Ganze

in Europa bewusst sind. Mehr

Transparenz und frühere Abstimmung

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sind ein Beitrag dazu, dass alle ihre

Verantwortung besser wahrnehmen.

Dazu gehört auch, dass wir die

Kriterien verschärfen, dass wir

insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit

der europäischen Volkswirtschaften als

ein wichtiges Element der Beurteilung

frühzeitig mit einbeziehen

Wir brauchen auch eine effektivere

Anwendung von Sanktionen bei

„Regelverstößen“. Etwa durch

Einbehalt von Mitteln des europäischen

Strukturfonds. Zudem brauchen wir in

einem zweiten Schritt - darüber gibt es

in Europa noch keinen völligen

Konsens - Maßnahmen, die nicht ohne

eine Änderung der europäischen

Verträge zu erreichen sind. Wer

beispielsweise nichtökonomische

Sanktionen, also etwa den Ausschluss

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von Stimmrechten, vorübergehend

einführen will, braucht dazu eine

Vertragsänderung. Wir brauchen solche

moralischen Sanktionen, weil die

ökonomischen Sanktionen zum Teil

nicht mehr richtig wirken, wenn das

Defizit eines Landes schon sehr weit

fortgeschritten ist. Das ist eine zusätz-

liche Maßnahme, um den europäischen

Stabilitäts- und Wachstumspakt zu

stärken.

Reformen auf den Finanzmärkten

Gestaltende Politik geht aber weit über

„Geldausgeben“ hinaus, sie umfasst

insbesondere die Gestaltung der

Rahmenbedingungen.

Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat

Defizite im Ordnungsrahmen unserer

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Wirtschaftssysteme deutlich gemacht.

Beim Wirtschaftswachstum, bei der

öffentlichen und teilweise auch der

privaten Verschuldung und auch auf

den Finanzmärkten gab es

Entwicklungen, die nicht tragfähig

waren.

Der Staat muss die Rahmenbedingun-

gen so setzen, dass Fehlentwicklungen,

die zu massiven real- und finanzwirt-

schaftlichen Verwerfungen führen,

künftig vermieden werden. Ein

wichtiges Stichwort ist in diesem

Zusammenhang etwa ganz im Sinne

von Ludwig Erhard die Stärkung von

Haftung und Verantwortung.

Daher bleibt auch die Re-Regulierung

der Finanzmärkte eine wichtige

Aufgabe. Es besteht durchaus ein

Zusammenhang mit der Euro-Staats-

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schuldenkrise: Wären die Finanzmärkte

in einer besseren Verfassung gewesen,

hätte sie auch die Insolvenz eines

wirtschaftlich kleinen Euro-Landes

absorbieren können.

Als Leitlinie für Neuordnung der

Finanzmärkte muss gelten: Gewinn-

chancen und Haftung müssen in einem

ausgewogenen Verhältnis stehen. Dort,

wo vollumfängliche Haftung Privater

nicht glaubwürdig ist, muss (quasi

hilfsweise) eine Regulierung einsetzen.

Abschluss

Mit den Maßnahmen im Bereich der

Konjunkturstabilisierung, der Finanz-

marktstabilisierung und der Stabilisie-

rung des Euro hat Deutschland

zusammen mit seinen europäischen und

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internationalen Partnern beherzt und

wirkungsvoll zur Abwehr der Krise

gehandelt.

Jetzt gilt es aber aus der Krise zu

lernen, den Ordnungsrahmen zu

verbessern und vor allem die

öffentlichen Haushalte zu sanieren!

Wir sparen, um gestalten zu können.

Damit wir für unsere Kinder und Enkel

ein lebenswertes zukunftsfähiges Land

erhalten könne. Hierbei hat die

christlich-liberale Bundesregierung mit

der Sozialen Marktwirtschaft ein klares

Leitbild für den vor uns liegenden

Weg!