Strategisches Projektmanagement || Organisatorische Entwicklung des Projektmanagements in der...

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10 Organisatorische Entwicklung des Projektmanagements in der Austrian Power Grid AG 1 Peter Jankowetz Inhaltsverzeichnis 10.1 Einleitung .................................................... 208 10.2 Austrian Power Grid AG .......................................... 209 10.2.1 Geschichtliche Eckdaten des Unternehmens ...................... 210 10.2.2 Unternehmensstruktur .................................... 211 10.3 Projektmanagement in der Austrian Power Grid AG und dessen organisatorische Entwicklung .................................................. 212 10.3.1 Projektmanagement in den Kinderschuhen ....................... 212 10.3.2 Erste Schritte zu einer zentralen und standardisierten Projektplanung ..... 213 10.3.3 Neuausrichtung der APG ................................... 214 10.3.4 Aufbau des Projektmanagements in der APG ..................... 218 10.3.5 Projektportfolio-Management ................................ 219 10.4 Professionalisierung des Projektmanagements in der APG ................... 219 10.5 Fazit und zukünſtige Entwicklung ................................... 224 10.5.1 Die nächsten Schritte ...................................... 224 10.5.2 Visionen für die Zukunſt ................................... 224 10.5.3 Lessons Learned ......................................... 225 1 Dieser Beitrag wurde Anfang 2011 verfasst und beschreibt die Entwicklung der Projektmanage- mentpraktiken an der Austrian Power Grid AG bis zu diesem Zeitpunkt. DI Dr. P. Jankowetz (B) Austrian Power Grid AG, Wagramer Straße 19, 1220 Wien e-mail: [email protected] 207 F. Ahlemann, C. Eckl (Hrsg.), Strategisches Projektmanagement, DOI 10.1007/978-3-642-34761-0_10, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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10Organisatorische Entwicklungdes Projektmanagementsin der Austrian Power Grid AG1

Peter Jankowetz

Inhaltsverzeichnis

10.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20810.2 Austrian Power Grid AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

10.2.1 Geschichtliche Eckdaten des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21010.2.2 Unternehmensstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

10.3 Projektmanagement in der Austrian Power Grid AG und dessen organisatorischeEntwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21210.3.1 Projektmanagement in den Kinderschuhen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21210.3.2 Erste Schritte zu einer zentralen und standardisierten Projektplanung . . . . . 21310.3.3 Neuausrichtung der APG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21410.3.4 Aufbau des Projektmanagements in der APG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21810.3.5 Projektportfolio-Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

10.4 Professionalisierung des Projektmanagements in der APG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21910.5 Fazit und zukünftige Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224

10.5.1 Die nächsten Schritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22410.5.2 Visionen für die Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22410.5.3 Lessons Learned . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

1 Dieser Beitrag wurde Anfang 2011 verfasst und beschreibt die Entwicklung der Projektmanage-mentpraktiken an der Austrian Power Grid AG bis zu diesem Zeitpunkt.

DI Dr. P. Jankowetz (B)Austrian Power Grid AG, Wagramer Straße 19, 1220 Wiene-mail: [email protected]

207F. Ahlemann, C. Eckl (Hrsg.), Strategisches Projektmanagement,DOI 10.1007/978-3-642-34761-0_10, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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10.1 Einleitung

Die Austrian Power Grid AG (APG) betreibt das größte und leistungsfähigste Hochspan-nungsnetz Österreichs mit den Spannungsebenen 380, 220 und 110 kV. Im Rahmen die-ser Aufgabe ist APG dafür zuständig, dass die erzeugte Energie über große Distanzen inRichtung der Verbraucherzentren geleitet wird. Das Unternehmen stellt in dieser Funkti-on auch die Verbindungen für den Energieaustausch mit dem angrenzenden Ausland zurVerfügung. Die Erzeugung selbst beziehungsweise die Verteilung der Energie bis zumEnd-verbraucher erfolgt durch andere Unternehmen.

APG kann bereits auf einen großen Erfahrungsschatz auf dem Gebiet der Projektpla-nung und -umsetzung zurückblicken. Seit über 60 Jahren wird das Hoch- und Höchst-spannungsnetz intensiv ausgebaut, um dem steigenden Energiebedarf gerecht zu werden.In diesem Zusammenhang wurden viele Leitungsbauprojekte umgesetzt und die dazuge-hörigen Schaltanlagen beziehungsweise Umspannanlagen errichtet. Wesentlich sind auchdie Instandhaltungsprojekte, welche im Leitungsbau eine große Rolle spielen, da die Le-bensdauer mancher Anlagenteile 50 oder sogar 100 Jahre überschreitet.

APGhatte in den letzten Jahren eine steigende Anzahl an Projekten mit einer gleichblei-benden oder sogar sinkenden Anzahl an Mitarbeitern umzusetzen. Aktuell sind ca. 1500Projekte und Maßnahmen in der 5-Jahres-Mittelfristplanung der APG abgebildet. DieseVorhaben reichen von einer einfachen Sanierung eines Transportweges in einer Umspan-nanlage über den Tausch von Schaltgeräten in den Umspannanlagen, der Sanierung vonganzen Leitungszügen bis hin zu Großprojekten wie dem Neubau einer mehr als 100 Kilo-meter langen Übertragungsleitung.

Das letzte abgeschlossene Großprojekt der APG war der Bau einer solchen fast 100 kmlangen 380-kV-Leitung mit circa 350 Masten vom Süden Österreichs Richtung Norden.Aufgrund der Größe des Projektes wurde der Bau der Leitung in 5 Baulose aufgeteilt,wobei jedes einzelne von insgesamt 4 Großbaufirmen mit Leitungsbauerfahrung realisiertwurde. Zusätzlich mussten innerhalb dieses Projektes entsprechende Anpassungen in denUmspannwerken an beiden Enden der Leitung durchgeführt werden. Das Investitionsvo-lumen für den Bau dieser Leitung inklusive den entsprechendenUmspannstationen betrugcirca 181 Mio. €. Von Seiten APG waren dabei etwa 40 Mannjahre Projektaufwand für dieSteuerung des Ablaufes notwendig.

Um solch umfangreiche Projekte beziehungsweise die große Anzahl von Projekten miteiner sinkenden Zahl von Mitarbeitern bewältigen zu können, war es notwendig, APG zurestrukturieren. Gesetzliche Rahmenbedingungen habenAPGdarüber hinaus gezwungen,sich von der Konzernmutter Verbund AG weiter zu entfernen, neu auszurichten und da-mit auch das Projektmanagement weiterzuentwickeln. Resultat ist eine effiziente, schlankeStruktur, welche vom eingesetzten Projektmanagement optimal unterstützt wird.

Im Folgenden wird das Unternehmen APG kurz beschrieben, danach wird auf das Pro-jektmanagement der APG eingegangen. Hierzu wird die Entwicklung des Projektmanage-ments von der Standardisierung über die Zentralisierung bis hin zu einer aktuell umgesetz-

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ten Professionalisierung aufgezeigt. Den Abschluss bildet das Fazit zusammen mit einemAusblick auf die zukünftige Entwicklung des Projektmanagements bei APG.

10.2 Austrian Power Grid AG

Austrian Power Grid AG (APG), die unabhängige Netz-Tochtergesell-schaft vom Verbund, betreibt 95% des gesamten Übertragungsnetzesin Österreich (etwa 5% sind noch in der Hand der VKW-Netz AG).Dieses Netz ist eingebettet in das gesamteuropäische Übertragungs-

netz der Regional Group Continental Europe (RG CE, vormals UCTE – Union for theCoordination of the Transmission of Electricity) der ENTSO-E (European Network ofTransmission System Operators for Electricity). Die beiden Kernaufgaben von APG sind:Regelzonenführer und Betreiber des Übertragungsnetzes.

In der Funktion als Regelzonenführer ist die APG für die stabile Frequenzhaltung(50Hz) sowie den Import bzw. Export von elektrischer Energie in die bzw. von den Nach-barländern verantwortlich. Dazu ist es notwendig, in jedem Bruchteil einer Sekunde dieBilanz zwischen Erzeugung und Verbrauch auszugleichen.

Mit einer Trassenlänge von rund 3500 Kilometern und darauf verlaufenden Leitun-gen mit einer Gesamtlänge von knapp 6800 Kilometern bildet dieses Übertragungsnetzdas Rückgrat der österreichischen Stromversorgung (Abb. 10.1). Es stellt den überregiona-len innerösterreichischen sowie den internationalen Energieaustausch zwischen Erzeugern

Abb. 10.1 Leitungsnetz der APG

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undVerbrauchern sicher und gewährleistet die stabile Versorgung der Verteilnetze und so-mit der Verbraucher.

Das Übertragungsnetz ist per gesetzlichem Auftrag sicher, effizient und kostengüns-tig zu betreiben, die Anforderungen des liberalisierten europäischen Strommarktes sowiedie europäischen Sicherheits- und Qualitätskriterien sind zu erfüllen. Dafür sind Ausbauund Instandhaltung ein unabdingbares Muss. Für die Umsetzung von Projekten bedeu-tet das wiederum, dass der Stand der Technik zu berücksichtigen ist. Aber auch interneVorgaben, unter anderem durch das integrierte Managementsystem der APG (SIO 9001,ISO 14001, EMAS, OHSAS 18001, ISMS 27001), zeichnen den Weg vor, wie ein Projektumgesetzt wird. Hierunter fallen zum Beispiel die Berücksichtigung von Bescheiden oderdas Beantragen eines Umweltverträglichkeits-prüfungsverfahrens (UVP-Verfahren). EineProblematik, die Unternehmen betrifft, welche über Bundeslandgrenzen hinweg agieren,sind die unterschiedlichen Landesgesetze. Auch auf dem Gebiet der Energieübertragunggibt es hier verschiedene gesetzliche Auslegungen.

10.2.1 Geschichtliche Eckdaten des Unternehmens

Im Jahre 1947 erfolgte die Gründung vom Verbund im Zuge des 2. Verstaatlichungsge-setzes als „Österreichische Elektrizitätswirtschafts-AG“. Rund 40 Jahre später wurde eineTeilprivatisierung durchgeführt, wobei 51% in der Hand des Staates verblieben.

1999 wurde eine für die APG sehr einschneidende Änderung in der Konzernstrukturdes Verbunds vorgenommen. Gemäß der Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parla-ments und des Rates zum Elektrizitätsbinnenmarkt musste die Konzernstruktur so ange-passtwerden, dass Erzeugung,Handel undÜbertragung vonEnergie voneinander getrenntsind. Das Resultat war, dass der österreichische Strommarkt als einer der Ersten in derEuropäischen Union vollständig liberalisiert wurde. So entstand die Netztochter AustrianPower Grid AG (APG), die die Aufgabe der Energieübertragung übernimmt.

Aktuell steht APG vor der Umsetzung des 3. Energieliberalisierungspaketes der Euro-päischenUnion, welches am03.09.2009 in Kraft getreten ist.Wesentliche Änderungen sindein verschärftes Unbundling-Regime. Im 3. EU-Binnenmarktpaket schreibt die EU-Kom-mission dieweitereTrennung der Bereiche Stromerzeugung und Stromhandel vomBereichder Übertragungsnetze vor. Erklärtes Ziel der europäischen Politik ist es, mit der Schaf-fung europaweit und von der Erzeugung unabhängiger, autonomerÜbertragungsnetze denWettbewerb am europäischen Strommarkt zu fördern. Dadurch soll eine Chancengleich-heit aller Energieproduzenten hergestellt werden. Bis März 2012 muss diese Trennung inganz Europa vollzogen sein. Der Verbund hat sich für die Variante des sogenannten ITO(Independent Transmission System Operator) entschieden. Damit die APG auch in Zu-kunft zu 100% Eigentum des Verbundkonzerns bleiben kann, muss sie rechtlich und orga-nisatorisch vollständig vomVerbund getrennt werden. Diese Trennung brachte und bringtfür die APG viele sichtbare und spürbare Veränderungen mit sich. Sie hat auch wesentli-chen Einfluss auf das Projektmanagement. Regelungen, Vorgabedokumente undÄhnliches

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Tab. 10.1 Kennzahlen APG 2009 und 2010

2009 2010Umsatzerlöse 350,5 Mio. € 316,9 Mio. €EBIT 77,5 Mio. € 56,4 Mio. €EGT 58,3 Mio. € 36,8 Mio. €Jahresüberschuss 48,2 Mio. € 34,8 Mio. €Betriebswirtschaftlicher Personalstand 430 Personen 434 Personen

Abb. 10.2 Struktur des Unter-nehmens

mussten undmüssen nochweiter eigens für dieAPG erstellt werden, wobeiman sich natür-lich stark an die bereits existierenden Dokumente halten wird. Die aktuellen Kennzahlenvon APG sind in der Tab. 10.1 dargestellt.

10.2.2 Unternehmensstruktur

Die Struktur der APG gliedert sich in 3 Säulen (Abb. 10.2):

Anlagenmanagement und -services: Diese Säule beinhaltet das Anlagenmanagement(Asset Management), die Asset Serviceabteilungen Werke und Leitungen sowie denBereich Managementsysteme. Diese Abteilungen tragen die Verantwortung für eineganzheitlich wertorientierte Bewirtschaftung der Netzanlagen über deren Nutzungs-dauer. Ziel ist die Erreichung einer angemessenen Anlagenrendite (Gesamtoptimumaus Investitions- und Betriebskosten).

Netzbetrieb: Die Aufgabe dieser Säule liegt in der Netzbetriebsführung, um einen siche-ren und effizienten Netzbetrieb zu gewährleisten sowie die Einhaltung aller rechtlichenVorgaben und der Grenzen aller netzbetrieblichen Parameter zum Ziel hat. Von be-

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sonderer Bedeutung sind dabei die Versorgungssicherheit, die Personensicherheit undder Umweltschutz. In der operativen Arbeit ist aber zu beachten, dass die AbteilungenBetriebsregionen sowohl der Netzbetriebssäule als auch der Anlagensäule zuzurech-nen sind. Dies sind rund 150 Mitarbeiter, die über ganz Österreich verteilt sind undvor Ort an und in den Anlagen arbeiten. Dabei verrichten sie die Tätigkeiten der Be-triebsführung, aber vor allem auch Aufgaben der operativen Instandhaltung, wobei dieInstandhaltung per Definition dem Anlagenmanagement zugeordnet ist.

Netzvermarktung: Diese Säule ist vorwiegend mit der Betreuung der finanziellen Agen-den – vor allem der Einnahmen – betraut.

10.3 Projektmanagement in der Austrian Power Grid AG und dessenorganisatorische Entwicklung

Dieser Abschnitt beschreibt die Entwicklung des Projektmanagements in der APG von denersten Überlegungen bis hin zum heutigen umfassenden Ansatz. Der Fokus liegt dabei aufden aktuell praktizierten Management-Methoden, -Ansätzen und -Werkzeugen.

10.3.1 Projektmanagement in den Kinderschuhen

In den Anfängen des Verbunds erfolgte die Planung von Projekten dezentral und oft mitrudimentären, selbst entwickeltenWerkzeugen.DieDokumentationwarmeist ausführlich,aber noch formlos. Dadurch war Erfahrung eine wichtige Grundlage der Planung und Ab-wicklung von Projekten. Das bedeutete, dass die Entwicklung eines Mitarbeiters zu einemProjektleiter ein langwieriger Prozess war und dieser erst über Jahre in das Projektmana-gement hineinwuchs.

Das Budget wurde dezentral geplant und anschließend an eine zentrale Stelle gemeldet.Dieses Verfahren ergab sich insbesondere durch die sehr dezentralisierte Aufstellung desUnternehmens. In den Anfängen war das österreichische Übertragungsnetz in mehr alsein Dutzend Regionen aufgespalten, die jeweils eigenverantwortlich den Betrieb führ-ten sowie die Anlagen ausbauten und instand hielten. Durch die Planung in diesen sehrkleinen Gruppen wurde auch ein geringes Augenmerk auf die Ressourcenplanung gelegt.Außerdem standen zu diesem Zeitpunkt ausreichend Personalkapazitäten zur Verfü-gung.

In diesen ersten Tagen des Konzerns gab es wenige Großprojekte, die bezüglich Organi-sation und Personal relativ eigenständig abgewickelt wurden. Daneben gab es viele kleineProjekte undMaßnahmen, welche vorwiegend in der Linie in den oben beschriebenen Re-gionen abgearbeitet wurden. Unter diesen Voraussetzungen konnte noch nicht von einemkonzernweiten Projektportfolio-Management gesprochen werden.

Die Nachteile einer solchen Struktur liegen auf der Hand: Sie zeichnet sich durch einhohes Maß an Intransparenz aus. Vor allem war es schwer, Prozessverbesserungen, die in

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einer Region entwickelt wurden, auf alle Regionen im Konzern zu übertragen, und diesnicht nur wegen der fehlenden zentralen Steuerung, sondern auch aufgrund von unter-schiedlichen Befindlichkeiten in den einzelnen Regionen.

10.3.2 Erste Schritte zu einer zentralen und standardisiertenProjektplanung

Im Laufe der Jahre wurde erkannt, wie wichtig es ist, die Arbeit rund um Projekte zu orga-nisieren. Personalressourcen standen nichtmehr in unbegrenztemAusmaß zurVerfügung.Ebenso musste nach der Teilprivatisierung und vor allem im Rahmen der Umwandlung ineine AG der Blick auf die Ausgabenseite geschärft werden. Der Konzern stand nun untergrößerer Beobachtung durch die Aktionäre.

Mit dem Einzug des Computers in die Bürowelt wurde die Einführung der zentra-len Planung und Steuerung von Projekten beschleunigt. Immer mehr Programme wurdenentwickelt, um die Projektmanagement-Tätigkeit zu unterstützen. Anfänglich wurden vorallemTabellen-kalkulationsprogramme verwendet, jedoch schon bald gelangte immer aus-gefeiltere Projektmanagement-Software auf den Markt.

Weiter unterstützte die Einführung einer Enterprise Ressource Planning Software(ERP) wie SAP die zentrale Datenverwaltung, insbesondere im Hinblick auf die betriebs-wirtschaftliche Seite der Projektabwicklung. Da ein solches datenbankbasiertes Programmjederzeit und für jeden unabhängig von seinem Standort immer dieselbe Datenbasis zurVerfügung stellt, ist es eine ausgezeichnete Grundlage für eine einheitliche und zentraleBudgetplanung und natürlich auch ein Projektcontrolling.

In diese Zeit fällt auch die Erstellung erster Vorgaben für das Projektmanagement. Da-mit wurde vor allem geregelt, wie eine Projektlenkung und -steuerung zu erfolgen hat.Diese Dokumente wurden zentral erarbeitet und sind konzernweit anzuwenden. Beispiel-haft wurden Richtlinien bzgl. des Ablaufes von Projekten verpflichtend eingeführt und eswurden Vorlagen entworfen, um ein einheitliches Erscheinen der Projektdokumentationsicherzustellen.

Eine Einrichtung, die sich in der APG sehr bewährt hat, war die Einführung von Pro-jektlaufwerken. Dabei erfolgt die gesamte Dokumentenablage der APG auf einem Server-Cluster. Für ein Projekt wird ein Ordner mit einer einheitlichen Unterstruktur angelegt,auf den alle Projektteammitglieder Zugriff haben.

Zu diesem Zeitpunkt wurde auch ein Projektportfolio-Management etabliert. Aller-dings wurden nur einige wenige strategisch wichtige Projekte verwaltet undmit Hilfe einesBerichtswesens dokumentiert. Eine aktive Steuerung der Projekte erfolgte noch nicht.

Ein Hauptvorteil der Zentralisierung und Standardisierung war das raschere Zurecht-finden der Projektteammitglieder in den einzelnen Projekten. Auch für Projektleiter undProjektauftraggeber ist diese Übersichtlichkeit und Einheitlichkeit ein sehr großer Effizi-enzgewinn.

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10.3.3 Neuausrichtung der APG

Durch die Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes zur Jahrtausendwende brachen rechtunsichere Zeiten für Übertragungsnetzbetreiber herein. Die Frage, wohin die Liberalisie-rung des Strommarktes durch die EU führt, war völlig offen. Ideen gingen bis zu einem zen-tralen gesamteuropäischen Übertragungsnetzbetreiber. In diesem Umfeld war die Investi-tionsfreudigkeit sehr gedämpft. Selbst eine Übernahme durch ein anderes Unternehmenoder eine Institutionmusste befürchtetwerden.Vor diesemHintergrund konzentrierte sichdie APG auf den Betrieb und die Erhaltung des Übertragungsnetzes. Es wurde versucht,sich schlanker und konkurrenzfähiger aufzustellen. Als Folge wurde auch die Mitarbei-terzahl auf etwa ein Drittel der ursprünglichen Belegschaft reduziert. Das Personal wurdetatsächlich nicht mehr benötigt, da durch die Investitionsmüdigkeit naturgemäß auch dieProjekttätigkeit stark abnahm.

Nach einigen Jahren stabilisierte sich die Lage und es war erkennbar, dass die nationa-len Interessen so stark ausgeprägt waren, dass Übertragungsnetzbetreiber in den einzelnenMitgliedsstaaten bestehen blieben. Als dies klar war, wurde die Investitionstätigkeit rela-tiv schnell wieder erweitert. Einerseits war es notwendig, die über einige Jahre hinwegvernachlässigten Anlagen teilweise zu erneuern, um eineÜberalterung zu verhindern. An-dererseits hatte der liberalisierte Elektrizitätsmarkt einen für Übertragungsnetzbetreibersehr unangenehmen Nebeneffekt. Energie wird nicht mehr dort produziert, wo sie be-nötigt wird, sondern dort, wo sie günstiger produziert werden kann. Das hat zur Folge,dass Energie über weite Distanzen transportiert wird, und bedeutet zum Beispiel, dass sub-ventionierte und daher günstig am freien Markt erhältliche Windenergie im Norden vonEuropa eingespeist und nach Italien verkauft wird, wo Energiekosten sehr hoch sind. DerStrom wird somit quer durch Europa transportiert.

Eine Folge dieser Entwicklung war eine rasant ansteigende Investitionstätigkeit beiAPG, allerdings mit dem noch immer stark reduzierten Personalstand. Um mit der gerin-gen Anzahl von Mitarbeitern, unter den neuen Marktbedingungen und den gesetzlichenVorgaben bestehen zu können, musste sich APG neu ausrichten und es erfolgte eine Um-strukturierung im Jahre 2006. Dabei wurde ein besonderes Augenmerk auf ein zentralesProjekt-Portfoliomanagement sowie eine einheitliche zentrale Projektplanung und -steue-rung gelegt. Wie bei fast allen gravierenden Umstrukturierungen in größeren Firmenwurde auch hier eine Unternehmensberatung einbezogen.

Eines der gravierendsten Ergebnisse der Umstrukturierung war die Schaffung einerneuen zentralen Abteilung, des Anlagenmanagements. Gleichzeitig wurde ein Budgetteaminstalliert, welches sich aus den vier Leitern der AbteilungenAnlagenmanagement, Betrieb,Controlling und Ertragsmanagement zusammensetzt (siehe Abb. 10.3).

In Abb. 10.3 sind die Zusammenhänge der einzelnen Abteilungen aus Sicht der Wert-schöpfungskette ersichtlich. Im Zentrum steht das bereits erwähnte Budgetteam. Die Auf-gaben des Budgetteams sind die Überwachung des aktuellen Budgets sowie die Festlegungdes Budgets für das kommende Jahr. Dabei wurde in der APG die Überwachung der Aus-gabenseite von der Erlösseite sehr stark getrennt. Mittlerweile hat man aber erkannt, dass

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Unternehmens-führung

Asset ServicesAsset Management

System Operation

Asset Ownership

Hauptschalt-leitung

Personal-management

Unternehmens-services

Werke und Instandhaltung

Leitungen

BetriebsregionN&W

BetriebsregionS&O

Legende: Beauftragung u.Budgetfluss

Auftrags-abstimmung

Anlagen-management

Betriebs-management

UnterstützendeProzesse

Netzsicherheit

Umwelt- und Informationsmgmt.

Ertrags-management

Controlling und Kunden-Mgmt.

Marktmanagement

Budget-team

Abb. 10.3 Wertschöpfungskette der APG aus Projektsicht

dies nicht optimal ist und es wird versucht, diese beiden Seiten wieder stärker aneinanderzu koppeln.

Die zentrale Planungsabteilung für alle technischen Projekte und Maßnahmen in derAPG ist das Asset-Management mit den ausführenden Abteilungen der Asset-ServicesWerke und Leitungen. Diese technischen Projekte und Maßnahmen machen ca. 97% derGesamtausgaben der APG aus. Nicht unter technische Projekte und Maßnahmen fallenzum Beispiel Kommunikationsprojekte oder Rechtsgutachten.

ImAssetManagementwird dieMittelfristplanung (MIP) aller technischen Projekte undMaßnahmen zentral verwaltet. Der Zeithorizont derMIP erstreckt sich dabei über fünf Jah-re. Der Input in dieseMIP kommt einerseits aus der Netzentwicklung und andererseits ausder Instandhaltung, beides Gruppen der Abteilung Anlagenmanagement. In der GruppeNetzentwicklungwird untersucht und festgelegt, wie das österreichischeÜbertragungsnetzin den nächsten Jahren aussehen wird. Abhängig von der Entwicklung der Energieflüssein Europa, den Kraftwerksausbauten und der Zukunft der Industriezentren werden Pro-gnosen abgeleitet. Auf Basis dieser Annahmen werden Netzausbauvorhaben spezifiziertund in die MIP eingebracht. Die zweite Gruppe in der Abteilung Anlagenmanagementbeschäftigt sich mit der Instandhaltung der errichteten Anlagen. In dieser Gruppe wirdlaufend die angewandte Instandhaltungsstrategie überarbeitet. In der Instandhaltung gibtes einerseits regelmäßige Tätigkeiten. Dies sind zum Beispiel Wartungen an den techni-schen Betriebsmitteln einer Anlage. Andererseits werden diese Anlagenteile jährlich einerZustandsbewertung unterzogen. Auf Basis des Ergebnisses werden ebenfalls, wenn erfor-derlich, Projekte und Maßnahmen in die MIP eingebracht. Beispielsweise kann eine Zu-standsbewertung ergeben, dass sich die Festigkeit eines Seils auf einer Leitung bereits soweit

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abgebaut hat, dass es in den nächsten fünf Jahren getauscht werden muss. Dann wird derTausch des Seils in die MIP eingebracht. Natürlich wird in diesem Zusammenhang eben-falls geprüft, ob andere Arbeiten an der Leitung notwendig sind, um diese Aktivitäten zubündeln. Diese Bündelungsmöglichkeit ist eine der größten Vorteile einer übersichtlichenganzheitlichen MIP.

In der dritten und letzten Gruppe in der Abteilung Anlagenmanagement werden diebudgetierten Projekte und Maßnahmen beauftragt. Sie fungiert somit als Projektauftrag-geber und steuert und lenkt die Projekte, die vorwiegend in den Abteilungen Werke undLeitungen umgesetzt werden, wo auch die Projektleiter ansässig sind. Hier ist ebenso ei-nes der Hauptziele der Umstrukturierung ersichtlich: Das Vier-Augen-Prinzip. Es wirdbei jedem Projekt und jeder Maßnahme darauf geachtet, dass dieses Vier-Augen-Prinzipeingehalten wird. Der Projektauftraggeber, der praktisch immer im Anlagenmanagementsitzt, gibt die Projektvorgaben und stellt das Budget zur Verfügung. Auf der anderen Seitesteht der Projektleiter, der das Projekt optimal in der vorgegebenen Zeit umgesetzt. Resul-tat dieser Konstellation ist die zentrale Verwaltung des Projektportfolios aller technischenProjekte der APG im Asset-Management.

Diese Umstrukturierung und insbesondere die Einführung einer zentralen Abteilungzur Steuerung aller Projektaktivitäten konnte nicht gänzlich ohne Reibung und Unmutabgewickelt werden. Eine Umstrukturierung löst bei vielen Mitarbeitern Unbehagen aus.Fragen nach zukünftigenTätigkeiten,Verantwortungen undpersönlichemEinflussmüssenbeantwortet werden. Um die Vorbehalte gegenüber dem Anlagenmanagement zu entkräf-ten, war es vor allem wichtig, die Mitarbeiter der anderen Abteilungen und insbesonderedie Projektleiter in Entscheidungen einzubeziehen. Besonders entscheidend war diese Ein-beziehung hinsichtlich der Mitarbeiter der Regionen, die es bis weit in die 1970er Jahregewohnt waren, Projekttätigkeiten vollständig autonom zu planen und zu steuern. Nun,keine 30 Jahre später, wurden diese Tätigkeiten und damit auch die Verantwortung in dieHände einer neuen Abteilung gelegt. Unbestritten war aber, dass durch diese Reorganisa-tion eine einheitliche Netzplanung und Instandhaltung, aber vor allem ein einheitlichesProjektmanagement gewährleistet wurde.

Die Umstrukturierung in der APG hatte des Weiteren eine Umgestaltung der Ge-schäftsprozesse zur Folge. In Abb. 10.4 sind schematisch die Geschäftsprozesse von derVorhabenfindung bis zur Projektlenkung aufgezeichnet. Diese wurden auch im Zuge derISO 9001-Zertifizierung verbindlich dokumentiert.

Der Prozess startet mit der Einbringung einer Idee, zum Beispiel aus der Netzplanung,oder eines Bedarfs, zum Beispiel aus der Instandhaltung. Diese Idee beziehungsweise derBedarf muss anschließend mit Grobkosten undMitarbeiterstunden je Finanzperiode (ent-spricht einem Jahr) belegt werden. Sind diese Daten vorhanden, kann eine 5-Jahres-Mittel-fristplanung erfolgen. In diesem Rahmen wird das Projektportfolio so definiert, dass einegleichmäßige Auslastung sowohl kostenseitig aber auch im Hinblick auf die Personalres-sourcen gegeben ist. Diese Prozessschritte wurden erst mit der Umstrukturierung der APG

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Abb. 10.4 Schemati-sche Darstellung desMittelfristplanungs- und Bud-getierungsprozesses

Idee / Bedarf anlegen

Grobplanung der Vorhaben

Mittelfristplanung für 5 Jahre

Projekt Detailplanung

Budgetplanung für das nächste Jahr

Budgetfreigabe

Projektdurchführung

eingeführt und werden seitdem systematisch durchgeführt und weiter ausgebaut. Aus derMittelfristplanung ergeben sich auch die Projekte des Budgets des nächsten Jahres. Die-se werden im Budgetteam abgestimmt und gelangen anschließend zur Detailplanung. Eswerden einzelne Vorgänge angelegt, verknüpft und mit Kosten sowie Personalressourcenversehen. In der Budgetplanung wird die SAP-Struktur festgelegt, Projekte werden zusam-mengefasst und schlussendlich im SAP-System angelegt. Nach der Budgetfreigabe erfolgtder Projektstartmit einemeinheitlich definierten Projektauftrag, in demalle Eckpunkte desProjektes festgehalten sind. Die Projektdurchführung, -steuerung und -lenkung gehorcht,wie beschrieben, dem Vier-Augen-Prinzip.

Die Diskussion und Dokumentation dieses Prozesses hat der APG in der Umstruktu-rierungsphase sehr geholfen. Viele Nahtstellen und Detailabläufe, aber auch Verantwort-lichkeiten, Verpflichtungen und Aufgabenverteilungen wurden sehr viel klarer spezifiziertund dargelegt. Dabei war von entscheidender Bedeutung, die Balance zwischen Aufwandund Nutzen zu finden. Bei APG wurde zum Beispiel festgelegt, dass Maßnahmen mit ei-nem geringeren Risiko direkt grob geplant in die MIP eingebracht werden können. Auchder Umfang der notwendigen Plandaten kann sehr unterschiedlich ausfallen. Zum Beispielwird ein Projektauftrag für ein Großprojekt durch viele Detailinformationen ergänzt, wiezum Beispiel einen Meilensteinplan, einen Projektstrukturplan und eine Umfeldanalyse.Bei kleinenMaßnahmen reicht oft der Projektauftrag an sich. Dies wird in den Regelungenfür das Projektmanagement festgelegt oder kann in einem Abkommen zwischen Projekt-auftraggeber und Projektleiter definiert werden.

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10.3.4 Aufbau des Projektmanagements in der APG

Grundlage des Projektmanagements in der APG ist die Executive Order EO-04 („Projekt-management“). Das ist ein konzernweites Vorgabedokument, das den organisatorischenRahmen für die Durchführung von Projekten definiert. Es beschränkt sich darauf, dieGrundsätze des Projektmanagements festzulegen und die wichtigsten Aspekte der Prozesseund Rollen zu beschreiben. Die für die operative Projektarbeit erforderlichen ergänzendenund genaueren Definitionen der Prozesse und Rollen werden im Intranet aufbereitet undlaufend ergänzt bzw. angepasst. Die EO-04 ist in enger Anlehnung an internationale Stan-dards der International Project Management Association (IPMA) erstellt worden.

Auf diesem konzernweit gültigen Dokument basiert die APG Richtlinie U35 („Projekt-management in der APG“). Diese Richtlinie erläutert die spezifischen Anforderungen derAPG an die operative Umsetzung vonMaßnahmen, Projekten und Programmen und dientder Standardisierung der APG-internen Abläufe. Es werden insbesondere die folgendenTeilbereiche definiert:

• Projektentwicklungsprozess,• Nahtstelle zwischen dem Projektauftraggeber und der ausführendenOrganisationsein-

heit,• Aufgaben und Verantwortungen,• Mindesterfordernisse bei Projekten und Maßnahmen,• Abgrenzung der Anlagen- und Betriebsverantwortung zur Bauherrenverantwortung.

Bei der Beschreibung der Rollen im Projektmanagement wird besonders auf deren Funk-tionen und Kompetenzen hingewiesen. Dabei sind folgende Rollen im Detail erläutert:

• Projektauftraggeber (PAG),• Lenkungsausschuss (LA),• Projektleiter (PL),• Projektteammitglieder (PTM),• Projektmitarbeiter (PMA),• Projektcontroller (PC),• Anlagenverantwortlicher,• Bauherr.

Für die APG sind dabei der Anlagenverantwortliche und der Bauherr besonders wichtigeRollen.DerAnlagenverantwortliche ist der Leiter der Betriebsregion und elektrizitätsrecht-lich verantwortlich gegenüber dem Amt der jeweiligen Landesregierung. Der Bauherr hatdasWeisungsrecht auf der Baustelle vor allem hinsichtlich sicherheitstechnischer Erforder-nisse.

Die zur Verfügung stehenden Werkzeuge werden in verpflichtende und optionale ein-geteilt. Bei APG sind die folgenden Werkzeuge verpflichtend für die Beschreibung undSteuerung der Projekte anzuwenden:

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• Projektwürdigkeitsanalyse,• Projektauftrag,• Projektfortschrittsbericht,• Projektabschlussbericht,• Projektstrukturplan,• Projektumfeldanalyse,• Projektmeilensteinplan,• Projektressourcenplan,• Projektkostenplan.

Diese werden in dem sogenannten Projekthandbuch zusammengefasst. Ob ein Vorha-ben nun ein Projekt ist und nach vollem Umfang des Projektmanagements abgewickeltwerden muss oder es sich nur um eine Maßnahme handelt, ergibt sich aus der Projekt-würdigkeitsanalyse. Einflussfaktoren der Projektwürdigkeitsanalyse sind unter anderemdas Projektbudget, die Anzahl der beteiligten Abteilungen im Unternehmen beziehungs-weise die Anzahl der Umwelteinflüsse und das Projektrisiko. Sollte sich aus der Analyseergeben, dass es sich um eine Maßnahme handelt, müssen nur die folgenden vier Werk-zeuge verwendet werden: Projektauftrag, Projektmeilensteinplan, Projektressourcenplan,Projektkostenplan.

10.3.5 Projektportfolio-Management

Mit der Umstrukturierung in der APG und dem Aufbau eines einheitlichen Projektmana-gements war es möglich, ein einheitliches Projektportfolio-Management in der APG auf-zubauen. Die Aufgaben des Projektportfolio-Managers werden dabei durch die AbteilungAsset-Management wahrgenommen. Hierzu zählen Projekte zu steuern, Abhängigkeitenzwischen den Projekten zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren sowie kritischeSituationen rechtzeitig zu erkennen, umGegenmaßnahmen einzuleiten. Eine der wichtigs-tenAufgaben, die der Projektportfolio-Manager in derAPGhat, ist die effizienteVerteilungder knappen Ressourcen auf die Projekte, immer mit dem Blick auf die Priorität und Risi-ken der Projekte.

10.4 Professionalisierung des Projektmanagements in der APG

Nach der Umstrukturierung und der damit verbundenen Standardisierung und Zentrali-sierung des Projektmanagements standen ein ausgefeilter und ausgereifter Prozess sowiegeeignete Regelungen, Werkzeuge und Vorgabedokumente zur Verfügung.

Als nächster Schritt erfolgte eine Professionalisierung des Projektmanagements, bei deres um eine optimaleUnterstützung des gesamten Projektprozesses ging. Bis zu diesemZeit-punkt wurden Projekte auf unterschiedlichsten Medien geplant, verwaltet und überwacht.

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Vorwiegend wurden einfache Tabellenkalkulationsprogramme, fortgeschrittene Projekt-managementprogramme und auch ERP-Software verwendet.

Das Hauptproblem dieser unterschiedlichen Planungs- und Steuerungsinstrumentewar die Dateninkonsistenz. Zum Beispiel wurden Änderungen im Planungsinstrumentdes Projektleiters, welche Auswirkungen auf das Fertigstellungsdatum und die Kosten hat-ten, nicht automatisch weitergeleitet. Dadurch hat der Portfolio-Manager einen falschenEndzeitpunkt und der Controller einen falschen Erwartungsplan für die Kosten des Pro-jektes.

Ein weiterer großer Nachteil war der schlecht darstellbare Überblick über die Fülle derProjekte. In APG wurde die Mittelfristplanung (MIP) in einer Tabelle zusammengefasst.Dabei wurden zu manchen Projekten bis zu 200 Projektdaten, angefangen von Projekt-namen, Terminen, Verantwortlichkeiten, Budgets, bis hin zu Rollen und Ressourcen inder MIP abgelegt. Das ergab bei fast 1500 Projekten eine unüberschaubare Tabelle. Da-zu kamen einige 1000 Verknüpfungen zu den dahinterliegenden Detailkalkulationen derProjekte. Diese Kalkulationen wurden, jede für sich, in einer eigenen Datei bezogen aufVorgänge, Kosten und Personalressourcen geplant. Die Vielzahl an verwendeten Zellenund Verknüpfungen hatte das in der APG genutzte Tabellenkalkulationsprogramm end-gültig überfordert.

Das Tabellenkalkulationsprogramm hatte weiterhin den Nachteil, dass sehr viele Mit-arbeiter in der Datei der MIP schreiben konnten. Es wurden zwar auf dem Ordner derMIP Zugriffsrechte eingerichtet, trotzdem war es mit der Zeit unübersichtlich, wer welcheÄnderungen an der MIP vorgenommen hatte.

Die Lösung dieser Probleme war die Einführung einer Datenbank, die den Prozess derMittelfrist- und der Budgetplanung bis hin zur Projektsteuerung optimal unterstützt. BeiAPG wurde 2010 eine solche Datenbank implementiert. Dadurch konnten die oben be-schriebenen Probleme gelöst werden. Darüber hinaus wurden weitere Vorteile realisiert:

• Datenverwaltung mit ständiger höchster Aktualität,• Sicherheit, Fehlerrobustheit und Datenschutz,• Ausgereifte Rechtestruktur und -vergabe,• Revisionssicherheit,• Protokollierung von Änderungen,• Effizienzsteigerung beim Anlegen bzw. Planen von Projekten durch die Nutzung von

Vorlagen und vorhandenen Projekten,• Optimaler Überblick über alle Projekte,• Abfrage- und Berichtsfunktionen.

Die Datenbank wird heute für verschiedenste Auswertungsaufgaben genutzt. Ob diesnun die Frage nach den Budgetzahlen der nächsten Jahre ist, die Anzahl der Projekte ineiner Betriebsregion oder die Auslastung einer Abteilung – immer steht ein und diesel-be aktuelle Datenbasis zur Verfügung. Diese Überblicksdarstellungen werden auch für dieIdentifizierung undNutzung von Synergieeffekten innerhalb eines Projektes oder zwischen

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zwei Projekten herangezogen. Dabei werden bei APG zum Beispiel Erweiterungen, Um-bauten, Reparaturen und/oder Sanierungen in Umspannwerken zusammengezogen. DasEinsparpotential, das sich allein dadurch generieren lässt, beläuft sich bei APG nach inter-nen Schätzungen auf mehrere 100 000 €. Voraussetzung ist natürlich eine einheitliche undgesamthafte Planung vonProjekten undMaßnahmen, die durch die Vorgabe vonVorlagen,Layouts, Berichten und einem genau beschriebenen Prozess erreicht wird.

Durch die Einführung der projektbezogenen Datenbank wurde die Struktur des Un-ternehmens oder der Ablauf des Prozesses der Planung und Steuerung von Projekten nichtgeändert. Auf der anderen Seite gab es abermethodischeVeränderungen,wie und vor allemmit welchen Mitteln Projekte geplant und abgewickelt werden. Das war mit Herausforde-rungen verbunden.

Eine dieser Herausforderungen war, dass das auf der Datenbank aufsetzende Planungs-tool der APG von allen Mitarbeitern akzeptiert wird. Das bedeutet, dass bei der Auswahlder Software besonders auf die Bedienerfreundlichkeit geachtet wurde. Gleichzeitig musstedas Programm auch alle Prozessanforderungen erfüllen, so z. B. das Portfoliomanagement,eine Mittelfrist- und Budgetplanung und das operative Projektmanagement. Von besonde-rer Bedeutung war für die APG eine übersichtliche, projektübergreifende und unterneh-mensweite Auslastungsplanung. Mit anschaulichen Übersichten sollte die Kapazitätspla-nung einzelnerAbteilungen,Gruppen oder sogarMitarbeiter transparentwerden.Dadurchkann die Mittelfristplanung der Projekte und Maßnahmen eine Grundlage für die Perso-nalplanung der nächsten Jahre darstellen. UmdieDatenbank in die IT-Landschaft der APGeinzugliedern, war es auch notwendig, die entsprechenden Schnittstellen zu berücksichti-gen und zu programmieren.

Zur Softwareauswahl wurde in der APG ein Vorprojekt aufgesetzt und mit Hilfe einesBeraters wurden entsprechende Spezifikationen entwickelt. In einem Evaluationsprozesswurde festgestellt, ob ein Programm vom Markt den Anforderungen genügt oder ob derWeg der Neuprogrammierung beschritten werdenmusste. Es stellte sich rasch heraus, dasses entsprechende Programme amMarkt gab, die zugleich kostengünstiger als eine Neupro-grammierung waren.

Nach einem umfassenden Test der in Frage kommenden Programme fiel die Wahl aufein professionelles Projektmanagementsystem. Mit der Implementierung und Anpassungdes Programms an die Bedürfnisse der APG wurde die Firma INTECO beauftragt. Nacheiner ausgiebigen Detailspezifizierungsphase wurde das Programm innerhalb von siebenMonaten installiert und angepasst, die Daten wurden übernommen und die Anwendergeschult.

Um hinsichtlich der Akzeptanz durch die Mitarbeiter kein Risiko einzugehen, wurdeüber die Einführung des Programms laufend berichtet und es wurde für seine Nutzunggeworben. Sowohl Berichte in der Firmenzeitung, dem Intranet, aber auch Infoveranstal-tungen haben dazu beigetragen, dass die Angst vor der Einführung des Programms sankund dass im Gegenteil sogar die Neugierde angeregt werden konnte. Natürlich wurden dieAnwender nach der Produktivsetzung des Programms weiterhin betreut, um die Motiva-tion für die Arbeit mit dem neuen System nicht zu verlieren.

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Abb. 10.5 Zyklus eines Projektes über mehrere Jahre von der Idee bis zur Steuerung

Eine weitere Herausforderung, die gleichzeitig eineWeiterentwicklung in der APG dar-stellt, war die präzise Definition des Prozesses von der Vorhabenfindung bis zur Projekt-steuerung. Um den Prozess durch Software unterstützen zu können, war es notwendig, dieProzessschritte und Prozessschnittstellen genau zu spezifizieren. Vor diesem Hintergrundist es auch nicht verwunderlich, dass die Spezifikation mehr als drei Monate gedauert hat.Umfassende Diskussionen und Abstimmungen hatten dies erforderlich gemacht. Am En-de wurde der existierende Prozess imWesentlichen bestätigt, der im Folgenden vorgestelltwird.

Am Anfang eines jeden Projektes steht eine Idee oder ein Bedarf (Abb. 10.5), z. B. dieIdee, eine neue Leitung von A nach B zu bauen, um den steigenden Energiebedarf zubewältigen, oder der Bedarf eines neuenUmspannwerkes, um die Energie eines in der Ent-stehung befindlichen Kraftwerkes in das elektrische Netz einspeisen zu können. Diese Ideeoder der Bedarf ist meist recht unkonkret vor allem im Hinblick auf den Umfang und diezeitliche Abfolge der Implementierung. In dieser Phase werden ebenfalls jene Bedarfe inder Datenbank erfasst, die aus der Instandhaltung resultieren, wie zum Beispiel die Sa-nierung einer Leitung oder auch eines Daches eines Betriebsgebäudes in einemUmspann-werk. Diese Ideen und Bedarfemüssen nun einerseits zwischen demAnlagenmanagement,

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dem Bedarfsträger und der umsetzenden Abteilung abgestimmt werden. Andererseits aberauch innerhalb desAnlagenmanagements, umz. B. nicht eine Leitung zu sanieren, die dannnach kurzer Zeit durch den fortschreitenden Netzausbau neu und stärker errichtet werdenmuss.

Auf diese Phase folgt eine erste Grobplanung der Personalbedarfe und Kosten auf Ab-teilungs- oder bereits auf Gruppenebene bezüglich einzelner Jahre. Weiterhin wird einvorläufiges Anfangs- und Endjahr definiert. Zu diesem Zeitpunkt sollte z. B. schon einegrobe Vorstellung bestehen, welche Energie die Leitung übertragen soll, wie viele Gerätein welcher Stärke im Umspannwerk aufgestellt werden oder in welchem Umfang saniertwerden soll.

In der konkreten Mittelfristplanung werden die Projekte und Maßnahmen so über dienächsten fünf Jahre verteilt, dass eine gleichmäßige Auslastung der Personalressourcen ge-geben ist und die Budgetausgaben konstant sind.Wichtig ist hier zuwissen, welcheProjekteverschoben werden können und welche nicht. Ein Umspannwerk, das gebaut wird, um einKraftwerk ans Netz anzubinden, darf nicht verspätet errichtet werden. Jeder Tag, an demein fertiggestelltes Kraftwerk keine Energie ins Netz liefert, führt zu erheblichen Ertrags-einbußen. Oft schränken aber auch rechtliche Vorgaben die Mittelfristplanung ein. Dahermüssen den Projekten unterschiedliche Prioritäten zugeteilt werden. Dieser bis hier be-schriebene Ablauf ist im innersten Kreis der Abb. 10.5 beschrieben.

Nach der Mittelfristplanung über fünf Jahre erfolgt die Planung des Budgets für dasnächste Jahr (siehe mittlerer Kreis in Abb. 10.5). Dazu muss der Umfang der Projekte imDetail festgelegt werden. Zum Beispiel ist zu beschließen, wo die Leitung genau verläuft,wie viele Masten benötigt werden, welche Energie übertragen werden soll und welcherSeilquerschnitt verwendet wird. Bei einem Sanierungsfall stellen sich andere Fragen, z. B.:Was soll saniert werden? Ein Seiltausch oder zusätzlich ein Korrosionsschutz auf den Mas-ten? Oder sollen gar gewisse Streben auf den Masten ausgetauscht werden? Wie sieht dasFundament aus? Für die Beantwortung dieser Fragen ist eine Zustandsbewertung der Anla-gen eine wichtige Voraussetzung. Daraus lassen sich die konkreten Maßnahmen im Sanie-rungsprojekt ableiten. Diese Vorgehensweise ist in der Instandhaltungsstrategie der APGfestgehalten.

Im Anschluss an diese Festlegungen und die Freigabe der Projekte durch das Budget-team erfolgt die Detailplanung der einzelnen Vorgänge mit Kosten und Personalaufwand.Beim Leitungsbau werden zumBeispiel Vorgänge für Planung, Fundamentierung,Mastbe-schaffung, Mastaufstellung, Montage von Isolatoren und Seilen usw. angelegt und geplant.In der Detailplanung ist es auch wichtig, auf Abschaltungen Rücksicht zu nehmen. Es istnicht einfach möglich, Leitungen abzuschalten, um diese zu sanieren oder um ein Um-spannwerk in den Leitungszug einzubauen. Aufgrund der zeitweise sehr hohen Belastun-gen der Leitungen kann eine Abschaltung zusammen mit einem Fehler auf einer anderenLeitung zu Störungen im Netz bis hin zu Stromausfällen führen. Daher müssen diese Ab-schaltungen sorgfältig geplant und sogar mit den Nachbarstaaten abgestimmt werden.

Nach der Budgetplanung erfolgt die Überführung in SAP. Nun ist nicht mehr die Mit-telfrist- und Budgetplanungs-Datenbank das führende System, sondern SAP, in dem die

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Ist-Buchungen der Kosten und Personalstunden erfolgen. Diese Daten werden aber re-gelmäßig in die Mittelfrist- und Budgetplanungs-Datenbank reimportiert und dort zurProjektsteuerung verwendet (siehe äußerer Kreis in Abb. 10.5). So kann es beispielsweisesein, dass in einem oder sogar mehreren Projekten der Projektzeitplan umgestellt werdenmuss, weil eine Abschaltung nicht möglich war. Hier ist das Geschick des Projektleitersgefragt, dem eine gute Übersicht über die Projekte, aber auch über die Auslastungen sehrhelfen kann, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Natürlich werden die Projekte nach ihrer erfolgreichen Umsetzung nicht gelöscht, son-dern bleiben als Nachschlagequellen oder sogar als Vorlagen im Archiv der Datenbank.

10.5 Fazit und zukünftige Entwicklung

10.5.1 Die nächsten Schritte

Es hat sich gezeigt, dass das Projektmanagement-Programm im Hinblick auf seine Ge-schwindigkeit verbessert werden kann. Darüber hinaus sind Abfragen und Berichte zugestalten, aber auch Schnittstellen zu weiteren IT-Programmen in der IT-Landschaft derAPG.Der Ablauf des Gesamtprozesses kann ebenfalls punktuell verbessert werden. Hierzuwerden Kennzahlen eingeführt, die zeigen sollen, wie gut der Prozess in seinen Teilabläu-fen, aber auch im Ganzen funktioniert.

Eine wesentliche Erweiterung und Verbesserung des gesamten Prozesses wird die Ein-beziehung der Beschaffung sein.Wie eingangs erwähnt, musste undwird die APGnach derUmsetzung des 3. Energieliberalisierungspaketes noch einige neue Abteilungen aufbauenmüssen, darunter auch eine eigene Einkaufsabteilung. Somit ist eine engere Zusammenar-beit der Beschaffung mit dem Projektmanagement möglich und erwünscht.

10.5.2 Visionen für die Zukunft

Durch die Umsetzung des 3. Energieliberalisierungspaketes werden noch weitere Heraus-forderungen auf die APG zukommen. Es werden nicht mehr dieselben Unterlagen, Richt-linien, Vorgabedokumente etc. verwendet werden können, da diese zur Holding gehören.Das bedeutet, dass alle Projektmanagementdokumente und -unterlagen eigens neu erstelltwerdenmüssen.Allerdingswird es auch Erleichterungen für dieAPGgeben. Beispielsweisewird es nur noch ein APG-Portfolio geben und nicht noch ein zweites für den Konzern, indemnur über ausgewählte Projekte in einer anderen Formberichtet werdenmuss. DasUn-bundlingwird eineUmstrukturierung inmanchen Bereichenmit sich bringen. Der Prozessvon der Mittelfristplanung bis zur Projektverfolgung wird aber nach heutiger Sicht nichtbetroffen sein.

Mit dem Programm Primavera kann die Ausgabenseite ausgezeichnet abgebildet, ge-plant und verfolgt werden. Natürlich ist diese aber von den Einnahmen der APG abhängig,

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welche hauptsächlich aus den Allokationserlösen der Versteigerungen von Übertragungs-kapazitäten an der Grenze Österreichs und aus den Netzerlösen, die APG unter anderemfür die Durchleitung von Energie durch ihr Netz erhält, resultieren. Ein zukünftiges Zielbesteht darin, diese beiden Seiten zu verbinden und somit rechtzeitig bei Änderungen aufder Erlösseite auf das laufende Budget Einfluss nehmen zu können.

Gleichfalls ist geplant, eine fundierte Risikobewertung einzuführen. Zwar werden der-zeit Projekte hinsichtlich ihres Risikos beschrieben. Für große und den Konzern wichtigeProjekte gibt es auch ein eigenes Risikobewertungsblatt. Das ist aber sehr aufwändig undwird von den Projektleitern als zu komplex erachtet. In der APG soll daher ein eigenerWeg beschritten werden, bei dem eine Kombination aus Schätzung und Berechnung eineRisikoanalyse erlaubt, die mit geringem Aufwand durchgeführt werden kann.

Eswirdweiter diskutiertwerden, ob SAPdas führende Systembei der Ist-Werterfassungin den Projekten bleibt. Durch das Unbundling ist APG dazu veranlasst, ein eigenes SAP-System einzuführen und zu betreiben. Es dürfen keine Verbindungen zum SAP-SystemderHolding bestehen bleiben. Für den Start in die Unabhängigkeit wird APG erst einmal beiSAP bleiben, um die Anzahl der Änderungen, die auf APG zukommen, zuminimieren. Obsich dies allerdings mittelfristig ändern wird, ist noch offen.

10.5.3 Lessons Learned

Die Einführung des Projektmanagements in der APG und davor im Verbund ist aus heu-tiger Sicht als Meilenstein in der Entwicklung der APG zu einem Top-Unternehmen zusehen. Die strukturierte Vorgehensweise bringt weit mehr Nutzen als sie Aufwand erzeugt,auch wenn die Einführungsschritte oft ein anstrengender Kraftakt waren.

Eine besondere Herausforderung stellte stets die Akzeptanz durch die Mitarbeiter dar.Vielen Menschen ist Veränderung nicht angenehm, vor allem dann, wenn diese von an-deren diktiert wird. Deshalb hat es sich bei APG bewährt, bei einer Änderung, wie zumBeispiel der Einführung der Projektdatenbank, schrittweise und strukturiert vorzugehen.Am besten wird mit einem Kernteam gestartet, welches sich ausschließlich aus Mitarbei-tern zusammensetzt, die großes Interesse an der Änderung haben und für sich daraus einenNutzen realisieren können. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass aus allen Berei-chen ein Mitarbeiter vertreten ist, um die jeweilige Sichtweise ebenfalls einzubeziehen.Mit diesen Projektteilnehmern kann sichergestellt werden, dass das Ziel der Einführungund der Weg dorthin alle wesentlichen Stakeholder-Interessen berücksichtigt. Sind diesegrundsätzlichen Fragen geklärt, können alle betroffenen Mitarbeiter informiert und an-schließend fortlaufend auf dem aktuellen Stand gehalten werden. Bei APG wurde für dieEinführung der Projektdatenbank ganz bewusst Marketing innerhalb des Unternehmensbetrieben: Angefangen bei Beiträgen in derMitarbeiterzeitung über persönlicheGesprächebis hin zu Informationsveranstaltungen fürMitarbeiter wurden verschiedenste Kommuni-kationsmaßnahmen ergriffen. Dieses Konzept des Spielens mit der Neugierde sowie derstetigen, aber nicht aufdringlichen Kommunikation ist aufgegangen. In der APG wurde

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der Diskussion mit Mitarbeitern von Anfang an Platz eingeräumt. Die Mitarbeiter solltensich einbezogen und verstanden fühlen. So war es möglich, die Kritiker ebenfalls zu über-zeugen und einen Konsens bezüglich der Lösung zu finden.

Die Einführung einer Software unter Beibehaltung bestehender Prozesse ist noch ver-gleichsweise einfach zu bewerkstelligen. Anders ist das bei einer organisatorischen Um-strukturierung. Diese verändert weit tiefer gehend das persönliche Arbeitsumfeld der Mit-arbeiter als es den meisten lieb und recht ist. Auch die Umstrukturierung in der APG imJahre 2006 ging nicht ohne Reibungsverluste vonstatten. In vielen Bereichen dauerte eseinige Zeit, bis die Aufgabenverteilung und Verantwortlichkeiten geregelt waren. Ein gu-tes Beispiel ist der Projektauftrag: Hier wurde die Fragen kontrovers diskutiert, wer diesenzu erstellen hat, der Projektauftraggeber im Anlagenmanagement oder der Projektleiter inder jeweiligen Serviceabteilung? Der Projektleiter versteht unter Projektauftrag die Vorga-ben, um das Projekt umzusetzen. Der Projektauftraggeber vertritt die Meinung, dass erdie Ressourcen, insbesondere die Kosten, zur Verfügung stellt, dass aber das Ausfüllendes Projektauftrages bereits ein Teil der Projektdokumentation ist und vom Projektlei-ter zu erfolgen hat. APG wurde in dieser Situation dadurch geholfen, dass kurz auf dieUmstrukturierung die Zertifizierung nach ISO 9001 folgte. Hierzu war es notwendig, dieGeschäftsprozesse und Abläufe zu dokumentieren und die Schnittstellen zu definieren.

Bei allen Reorganisationen und Weiterentwicklungen besteht stets die Gefahr, dass dieAdministration die Überhand gewinnt. Bei jeder neuen Idee sollte vor der Konkretisierunghinterfragt werden, ob sie wirklich eine Verbesserung darstellt: Bringt sie einen Vorteil undwenn ja für wen und in welchem Ausmaß? Rechtfertigen die Vorteile den Aufwand, derzu betreiben ist? Für die Beantwortung dieser Fragen ist es hilfreich, ein Projektteam zuhaben, das neben detailorientierten Mitarbeitern auch überblicksorientierte Teammitglie-der umfasst. Darüber hinaus können Berater helfen, den Blick für dasWesentliche nicht zuverlieren. Ihnen fällt es aufgrund ihrer Erfahrung oft leichter, Nutzen undAufwand gegen-überzustellen. Schlussendlich trautman dem Fremdenmanchmalmehr als demProphetenim eigenen Unternehmen.

Abschließend und zusammenfassend kann gesagt werden, dass APG eine schon sehrlange Entwicklung im Bereich Projektmanagement vorzuweisen hat. Daraus hat sich einäußerst ausgereiftes Projektmanagementsystem in der APG entwickelt, mit dem sowohlkleine Projekte effizient abgewickelt als auch große Projekte sicher abgearbeitet werdenkönnen. DesWeiteren ist beim Projektportfolio-Management bereits ein Status erreicht, indem immer ein aktueller Überblick über den Stand des Projektportfolios und aller Projektevon der Planung bis zur Umsetzung gegeben ist.