Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
-
Upload
german-history -
Category
Documents
-
view
349 -
download
8
Transcript of Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 1/136
•n e nzu
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 2/136
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 3/136
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 4/136
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 5/136
Die Jahre 1965 1966: ü erholen ohne einzuholen
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 6/136
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 7/136
•
965 966
••
eltbild
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 8/136
4
•
Günter Herlt: Noch eins drauf
1 Kapitel: überholen ohne einzuholen
Jochen Petersdorf
Das Vorbild ist Piepe
Lutz StückrathEin Haus ein Häuschen und wir
Hans Krause
Zum Beispiel: ahrestag
Hans J SteinDas Fatzkenhafte am Weltniveau
Ernst Röhl
Vorwärts
Jochen Petersdorf
Fortschritt
Peter Ensikat
Deutsch ür Zeitungsleser
Lothar KuscheKünstler packt das Heute am Kragen
2 Kapitel: Alles zum Wohle des Volkes
Humorvolles aus dem Alltag
John StaveStriche am Trabant
Peter EnsikatEinzeliahrscheine
Ottokar Domma••
Uber die Schönheit unserer Namen
Renate Holland-Moritz
Omas kulturelle Kontakte
Eberhard Cohrs
Der Gaststättenkontrolleur
Lothar Kusche
Wo das Wirtschaftsgeld bleibt
7
9
10
13
15
18
20
20
21
23
25
26
29
32
35
37
41
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 9/136
Inhalt
3 Kapitel: Lernen, lernen, nochmals lernen
Als wir Schüler und Pioniere waren
Kurt David
Wie ich eine Lüge gegen eine andere
Lüge eintauschte
Johannes ConradDie systematische Entwicklung der
kindlichen Phantasie durch ein Elternpaar
Ottokar Domma
Als ich in der Pionierrepublik war
Jochen Petersdorf
Benno und Lenin im Oktober
4 Kapitel: Was des Volkes Hände schaffenWir Werktätigen in Stadt und Land
Heli Busse
43
44
49
52
56
59
Die Woche geht's nich 60
Rudolf Thomas
In vino veritas 62
Heinz Stockhaus
Am Bitterfelderwegrand 6 7
Horst von Tümpling
Frontbericht vom Feldzug der Sparsamkeit 69
5 Kapitel: Heißer Sommer
Von Ostseestrand, Datsche und Jugendclubs ... 71
Erwin F. B. Albrecht
Rache für einen Sommer
Jochen Petersdorf
Keine Gefahr
Hansgeorg Stengel
Elegie eines Mückenbüßers
C. U. Wiesner
Frisör Kleinekorte auf der Wartburg
Ernst Röhl
Ich ging im Walde so für mich hin ...
John Stave
Die optimale Biindigkeit
72
76
78
79
82
85
S c . n i t ~ i m,_ -· - -- -SIOL ; J0 a 'rOU tM -
\ '
7 7 ° t - 0. -- b l . ..... , • t ' i pr&
wW , ....„ ...-.. l i iW i . . - t„. = „ M# tfil 11
- - ·:·„ . „·• t u t • \
low..- S s : c ~ ..........„
•·„_ . - t;
; ; ;
5
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 10/136
6
-
6 Kapitel: Höher schneller weiter
Sportlich sportlich
John StaveSchüsse
rnst Röhl
Über das Schieben einer ruhigen KugelJochen PetersdorfOh, wie einsam schlägt die Brust
Rudi StrahlDie Fernsehaufzeichnung
Hansgeorg StengelSchwarzes Schaf
7 Kapitel: Unter vier AugenÜber Verliebte und Verheiratete
Lothar KuscheJemand begeht Ehebruch
Günter KroneEin Sonntagsausflug
Rudi StrahlDie Faschingsfee mit dem rätselhaften
Lächeln
8 Kapitel: Wo wir sind ist vornEs geht seinen sozialistischen Gang
Renate Holland-MoritzUngestörter Kreislauf
Hansgeorg StengelLyrik, du Himmel auf Erden
Peter LuxSchöne Scheine
John StaveWenn einer nicht da ist
Zeittafel
Rechtliches
nhalt
87
88
91
94
96
98
99
1
1 2
1 6
1 9
11
112
116
118
12
128
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 11/136
Lachen lockt die lückshormone
OI S
Es wird mehr gedruckt, als man lesen kann. Es wird mehr ge-lesen, als man behalten kann. Es wird mehr behalten, als fürdie geistige Taille gut ist.Aber genau da setzt nun diese lobenswerte Bücherreihe an:Satire ist Verdauungshilfe Humor wirkt wie »Rohr frei « n denKanälen unserer Befindlichkeit. Lachen lockt die Glückshormone und stärkt damit das ImmunsystemIhnen, liebe Leser, wird hier - ohne Praxisgebühr, ohne Re-zeptzuzahlung, ohne kleinliche Dosierung - ein Lebenselixier
in die Hand gegeben, von dem man unbedenklich dreimal täglich Gebrauch machen kann, da es aus dem ganz natürlichenRohstoff unseres Lebens geschöpft wurde. In diesem Fall nunallerdings aus dem Leben unserer ostelbischen Landsleutewährend der Jahre 1965 und 1966 und daher nicht ganz freivon Nebenwirkungen. Wer mit den Gepflogenheiten und Men-talitäten der DDR nicht so vertraut ist, der sei erinnert an dieostdeutsche Staatslosung »Überholen ohne einzuholen«. st
doch ganz einfach zu verstehen: Von der Bundesrepublik hieß
es im Osten stets, daß sie ganz nahe am Abgrund steht. Undvon der DDR wußte man, daß sie immer einen Schritt weiterwar.Der Nährboden des Humors sind die Anomalien. Ironie istDistanzgefühl. Satire erniedrigt das Große und erhöht dasKleine. Warum also sollten Humor und Satire nicht blühen inder DDR, die mit manchen Geburtsfehlern zur Welt kam? ImGegenteil: Die Satire war ein Ventil, um den Überdruck imKessel zu mindern. Sie war nicht sonderlich geschätzt, aber
doch weithin geduldet. Und diesen Umständen verdanken wirauch die folgenden Texte von Rudi Strahl und Ottokar Domma,von Peter Ensikat und C. U. Wiesner und all den anderen »Lä-stermäulern«.Ich muß Ihnen den Spaß nicht wünschen, ich kann ihn ver-sprechen
Günter Herlt
7
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 12/136
•
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 13/136
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 14/136
10
>>Hurra Ersatzteile <<
•
ü erholen ohne einzuholen
Jochen Petersdorf
opost
Hubert Pieperella, von seinen Kollegen einfach Piepe genannt,
fährt einen Barkas.
Falls es jemand nicht wissen sollte: Das ist ein Auto. Größer alsein Trabant. Und das ist gut für Piepe. Denn Piepe, der privat
auch einen Trabant fährt, hat einen sehr großen Garten. In Hangelsberg. Das ist außerhalb Berlins, Richtung Fürstenwalde.
Der Garten bescherte dem Kollegen Piepe in diesem Jahr eine
gewaltige Apfelschwemme. Im Geräteschuppen türmten sich
unlängst Säcke und Kisten voller köstlicher Äpfel aller Farbenund Geschmacksvarianten. Piepes Frau will einen beträcht
lichen Teil davon zu Mus zerkochen und die restlichen Zentner
unter den Betten der Pankower Wohnung für den Weihnachtsteller frischhalten.
Piepe sagte sich: Mit dem Trabant muß ich mindestens dreimal hin- und herjuckeln. Das haut spritmäßig ganz schön in dieÄppel. Der Barkas bewältigt das Transportproblem auf einen
Ritt - und tankt aus der allgemeinen Kasse.
Piepe hatte am vergangenen Dienstag eine Betriebsfahrt nachKönigs Wusterhausen. Von dort aus kann man - wenn man will
- über Neu-Zittau und Erkner quer rüberstoßen und kommt auf
die Fürstenwalder Strecke, also auch nach Hangelsberg in Piepes Garten. Gleich hinter Erkner bot sich dem Kollegen Piepe
ein Bild des Jammers. Der Jammer bestand aus einem ziemlich
neuen Wartburg und einem etwas älteren Herrn. Der ältere Herr
war Piepes ökonomischer Direktor, Kollege Strickmüller. Aufseiner Stirn wölbten sich einige prächtige Beulen. Die Stirn des
Wartburgs war von großen Sorgenfalten zerklüftet.»Plötzlich schlug es mjr das Lenkrad aus der Hand«, sagte Strick
müller, »und dieser blöde Chausseeappelbaum gab nicht nach.«
»Hauptsache, Sie selbst sind okay«, sagte Piepe. »Und die Karrewollte der Direktor ja sowieso umspritzen lassen, weil er einen
einheitlichen Fuhrpark haben möchte. - Na schön, da werde ichSie mal abschleppen.«
»Nicht nötig«, sagte Strickmüller. »Habe schon angerufen. Alwinund Herbert müssen jeden Moment hier sein. - Wo fahren Sie
denn überhaupt hin?«»Nach- nach nach Fürstenwalde«, antwortete Piepe, »wegenReifen «»Menschenskinder « rief Strickmüller. »Das trifft sich ja wun-
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 15/136
ü erholen ohn inzuhol n
derbar. Tun Sie mir bitteeinen Gefallen und nehmenSie hier den Kühlschrankmit. Der ist nämlich für Mmeine Schwiegermutter inFürstenwalde. Betty Nackel-mann, Dr. -Puhlmann-Straße5. Sie wissen ja, wie s ist.Verkaufen kann man so 'nehistorische Sehmette nichtmehr, aber 'ne olle Damefreut sich. Und Alwin muß ja
auch nicht unbedingt mit-kriegen, warum ich hier in
: : . . . . : . „ _ _ _ _ - - - : . ~
dieser Gegend rumgekutscht bin. Obwohl ich natürlich auch
dienstliche Gründe hatte. Logisch.«»Logisch«, meinte Piepe. Er hievte den Kühlschrank in den Bar-kas, sagte dem Kollegen Strickmüller noch ein paar tröstendeWorte und brauste los.»Blöder Mist«, knurrte er hinter der nächsten Kurve. »Extranoch nach Fürstenwalde.« Diese Flitzpiepe StrickmüllerWarum schleppt'n der den Kühlschrank nicht am Wochenendemit seinem eigenen Lada nach Fürstenwalde? Da steh ich stundenlang rum, und meine Äppel muß ich nach Feierabend im
Dunkeln verladenDie alte Dame war zu Hause, und Piepe war dann bald in seinem Garten in Hangelsberg und hatte auch bald den Apfelberghinter sich - im Barkas. Kurz vor Erkner bot sich dem Kolle-gen Piepe ein Bild des Jammers. Der Jammer bestand aus einemverbeulten Herrn und einem zerknautschten Auto.»Alwin und Herbert sind immer noch nicht hier«, rief Strickmüller. »Ich fahre mit Ihnen mit. Wir müssen denen ja unterwegsbegegnen. Dann kriegen sie die Schlüssel und können den
Dampfer zum Betrieb schleppen. Ich kann ja hier nicht stundenlang meine Arbeitszeit im Straßengraben absitzen «»Logisch«, meinte Piepe.Strickmüller kletterte in den Barkas. Er schnupperte, kuckte,runzelte die Stirn samt Beulen und sagte streng: »Nanu? KeineReifen, sondern Äppel? Wie darf ich das verstehen?«Apfelpiepes Kopf bekam Tomatenfarbe.»Tja«, sagte er nach einer Weile. »Mit den Reifen, das war 'neFehlinformation. Falscher Tennin. Aber wie 's der Teufel so will,
•
heute ist wirklich die Hölle los. Mitten in Fürstenwalde ein
. . ..
' .
»Herr Pieperella auf die
richtigen Reifen kommt
es an <Der Trabi 601
in den 6 er]ahren auf
der Pneumant-Rallye.
Kurvenfest.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 16/136
2
Hätte das Herr Piepe-
rella gewußt: Auch uf
dem Wasser hier imSpreewald macht der
Trabi eine tolle Figur.
•
ü erholen ohne einzuholen
Fahrzeug von der GHG mit Federbruch. Und die Jungs bettelnmich, daß ich die Äppel mitnehme nach Köpenick zur Kaufhalle in der Lindenstraße. Sie kämpfen um den Titel, und dawolln sie Termintreue halten und so. Konnte ich natürlich nichtabschlagen. Logisch.«
»Logisch«, meinte Strickmüller. Er half sogar beim Abladen vorder Kaufhalle. »Komisch, daß keiner rauskommt und mit anpackt«, sagte er.»Wahrscheinlich kämpfen die nicht um den Titel«, sagte Piepe.Als Strickmüller wieder im Barkas saß, winkte Piepe einenhalbwüchsigen Jungen heran.»Iß soviel Äpfel wie du willst«, sagte er, »aber paß auf, daß keinanderer rangeht.«»Geht klar«, sagte der Junge. »Aber ich rauche seit kurzem
auch wieder. Neue Juwel.«»Schäm dich«, sagte Piepe und gab ihm vier Mark für Club.Dann fuhr er Strickmüller zum Betrieb, weil der noch nach
Alwin und Herbert forschenwollte, um den zerknautsch-ten Wartburg von der Landstraße zu bergen. Beim Abschied sagte Strickmüller:»Etwas Gutes hatte dieganze Sache. Durch denKühlschrank und die Äpfelhatten Sie keine Leerfahrt.Weder hin noch zurück. Undso soll es ja wohl auch sein,nicht wahr?«»Logisch«, antwortete Piepe.Dann fuhr er wieder zur
Kaufhalle. Der Junge spendierte ihm eine Club, und als sie aufgeraucht hatten, machten sie sich daran, die Apfelkisten wie
der in den Barkas zu laden.»Bleiben Sie mal stehen, Herr Pieperella « rief plötzlich eine fistelige Männerstimme. Die Stimme gehörte dem Abendblatt-Fotoreporter Birnstiehl, einem Haus- und Flurnachbarn von Piepe.»Das ist ja 'ne Wucht«, rief Birnstiehl, »wie Sie, Herr Pieperella,als Kleingärtner den Bevölkerungsbedarf mit absichern helfen.Das bringe ich groß raus Locker stehn Danke «Der Reporter half dann noch beim Ausladen der Kisten.»Ich nehme Sie mit nach Hause«, sagte Piepe, »dann ist es
keine Leerfahrt.«»Wirklich vorbildlich«, krähte Bimstiehl. »So soll es ja auch sein «
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 17/136
ü erholen ohne einzuholen
Lutz Stückrath
Nun hatten wir schon seit einigen Jahren unsere AWG-Woh
nung bezogen. Nach und nach fielen aber der Hausgemeinschaft die eisernen T-Träger die Holzbalken der Zement unddie Steine unangenehm ins Auge die der volkseigene Bau
betrieb nach der Fertigstellung wohl nicht mehr mitnehmen
wollte. Wir buddelten an Sonn- und Feiertagen alles schön
unter und faßten den Entschluß Gras über die Dinge wach
sen zu lassen. Schon deshalb weil jeder Mieter von seiner
eingezahlten Summe sogar vierundvierzig Mark mit dem Be
merken zurückerhielt daß die Kollegen vom Bau sehr renta
bel gearbeitet hätten.
Als nun unser Rasen erstmals schön grünte kamen zwei junge
kräftige Männer betraten mit grobem Schuhwerk vorsichtig
unsere Grünfläche und gaben ihr mit Hilfe von Spaten und
Schaufel ein anderes Ansehen. Nach einigen Stunden hatten sieeinen Graben quer durch die ganze Anlage gezogen und wir
freuten uns alle; denn wir dachten das Gartenbauamt würde- nach dem Graben zur urteilen - mindestens ausgewachsene
Bäume pflanzen. Aber da die beiden Männer außer dem schö
nen breiten Graben nichts weiter hinterlassen hatten spielten
bald die Kinder der ganzen Gegend dort und verteilten denmühsam ausgehobenen Sand gleichmäßig auf dem uns verblie
benen Rasenrest.Nach einigen Monaten - es fing eben an herbstlich zu reg
nen - fuhr ein Auto durch unsere Straße über den Rasen und
starke Hände luden ein aus Glas und Metall gefertigtes Häus
chen ab. Die Kollegen zeichneten sich durch besondere Schnel
ligkeit aus denn sie hielten beim Abladen erst gar nicht an und
einige Glasscheiben sprangen vor Freude in die Luft. Den Rest
der Scheiben besorgten dann wieder die Kinder was man ihnennicht übelnehmen sollte weil sich ja selbst Kinder nicht gerne
ins eigene Fleisch schneiden.
Dann begann kurz vor Einbruch des Winters ein emsiges Trei
ben. Zuerst kam der Glaser der seine Arbeit ordentlich mach
te. Dann kam der Maler der ein richtiger alter Handwerker war
und der sich was beim Arbeiten dachte. Vorsichtshalber bemal
te er nur drei Seiten. Nun kam noch einer mit einem dicken
Kabel welches er in den Graben warf der inzwischen ausge
hoben worden war und verschwand. Die Tür setzte später ein
3
•
0
i0„..
j
Ein Einschreiben von
der PGH Fahrstuhlrepa-
ratur ...
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 18/136
4
Ich würde sagen: Die
Rüstung st ht schon zulange die wird zu rst
rekonstruiert.<<
ü erholen ohne einzuholen
gewissenhafter Schlosser ein, der Glaser und der Maler kamen
noch mal, und dann wurde auch ein richtiger Telefonapparat
eingebaut.
Später kamen die beiden Männer mit den Spaten wieder. Sie be-
sahen sich sehr ärgerlich das Wasser in dem Graben; doch weil
wohl das Kabel nicht frei liegen darf, schaufelten sie ihn zu.Wenn es demnächst etwas wärmer ist will die Hausgemein-
schaft alles wieder schön planieren und Rasen säen. Die
Telefonzelle ist das Schmuckstück der ganzen Umgebung Und
wenn wir dann im nächsten ahr erst richtig telefonieren kön-
nen wollen wir uns bei der Deutschen Post für alles bedan-ken.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 19/136
überholen ohne einzuholen
Hans Krause
rost
BeispielNr.
1: Ein Referat zum Jahrestag im Anglerverband
Sportfreunde Petrjünger Kampfjenossen mit Rute und Rolle.Mit Rute und Rolle ... Aber wat, Sportfreunde, is die schönsteRute ohne die führende Rolle ... der Arbeiterklasse. Marx hat
jesacht ... Herr Ober, bring'se doch mal fünf Pils fürs Präsi
dium - Det hat Marx natürlich nich jesacht. Marx hat jesacht
... äh ... Moment. Wat hatta denn jesacht? (schaut ins Manu-
skript) Ach ja, Marx hat jesacht: Sein oder Nichtsein ...
Nee. Nee, det hatta nichjesacht. Det war ein
anderer Kolleje. Aber dem sind wir auch ver-
bunden. Sportfreunde. Det war nämlich 'n
Angelsachse. Ach hier ... jetzt hab ick's ...
Marx hatjesacht, das Sein bestimmt das Be-
wußtsein.
Und wat hat Marx damit sagen wolln? -
Wenn das Jewässer 'ne tote Hose is, kann
auch der beste Angler nischt an Land ziehn.
Da könnta ma wieder sehn, Sportfreunde,
auch der Marx war einer von uns.Natürlich war er nich so erfolgreich wieunser Kollege Glühgurke, dem es vergange
nen Samstag jelungen is, einen zehnpfündi
gen Karpfen zu landen.Aber immerhin, Marx hat uns jelemt, wie man die kapitalen
Fische inne Pfanne haut.
Wir haben Marxens Technik uffjegriffen und beweisen nun
mehr seit viele Jahre, det man och ohne Raubfische selig wer-
den kann. Zwar komm wa noch nichjanz ohne Posen aus , aberunsre DDR is schön maßig und jeder kriegt bei uns sein Eimer-
chen voll. Und wenn manche och noch der Meinung sind, bei
uns sei der Wunn drin, weil man bei jedem Handwerker gleich
'n Bückling machen muß, wir Angler sind ja weiter und wis-
sen: Wenn eener anbeißen soll, mußte anfüttem Und damitkomm wa nu zum fröhlichen Teil unserer Versammlung - je
treu unsenn Motto: Wir Angler stippen dort und hier, am lieb-
sten aber stippen wir die Nase in ein Pilsner Bier Prost
, J
,J,',-;
·f; ll;l/, „r
5
J,
t I
, /,r
>Habe nun, ach fem
studiert, gezirkelt, par
teigelehrjahrt mit hei-
ßem Bemühn. Da steh
ich nun, ich armer Torf
Und bin so klug alswie zuvor. Uns fehlt ein
Betriebsschlosser <<
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 20/136
16
Exportproblem gelöst
fetzt kann ich in zwan-
zig Sprachen Entschul-
digung sagen «
.. [ fW.t t lli·-
•
überh o len ohne einzuholen
eispiel Nr 2: Ein Referat zum Jahrestag in der Kulturbundsparte
Philatelie
Liebe Phi ... liebe Phi ... liebe Briefmarkensammler Bevor wir
zum Sammeln blasen und uns unseren bunten Schnipseln zu
wenden, muß ich ein paar ernste ungummierte Sätze an Sierichten. Besonders an die BRD- und Westberlin-Sammler.
Freunde, der Klassenfeind schläft nicht. Er ist auch im Steck
album noch äußerst gefährlich »Das Leben ist klebenswert «
sagte einer unserer ganz Großen. Aber welches Leben hat er
gemeint? Natürlich unser neues Leben. Aber wenn nun einer
dauernd die Zunge hinten am Bundespräsidenten hat, wie
kann ihm da unser neues Leben noch schmecken? Wir haben
auch in der DDR noch ein paar ganz dolle Marken, gut ge
zähnt und postfrisch. Und wir haben Werte geschaffen, die
~ „--.
..... 0
-
•
sich sehen lassen
können. Natürlich
auch Sperrwerte Ja,
der Katalogpreis des
Sozialismus ist eben
hoch. Wer ihn kom
plett haben möchte,
muß Jeduld und Spuk
ke haben und nich
bloß auf die Marken,sondern auch immer
hübsch in die Hände
spucken Und damit
komme ich zum The
ma und zum Ende
meiner feuchten Aus
führungen.
Schluß mit der indif
ferenten LeckereiJede Marke ein Mark
stein in eine sauber
gestempelte Zukunft
Es klebe der Jahrestag
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 21/136
ü erholen ohne einzuholen
Beispiel Nr. 3: Ein Referat zum Jahrestag in der Kulturbundsparte
Ornithologie
Liebe Vögelfreunde Hiermit eröffne ich die Jahreshauptversammlung der Kulturbundsparte Ornithologie und grüße alle
Verbandsmitglieder mit einem fröhlichen Schnirps Schnirps
Bevor wir uns dem Hauptthema des heutigen Tages zuwenden
- dem Sexualleben der Waldschnepfe (Scolopax rusticola) -
ein paar Worte aus aktuellem Anlaß.
Wir feiern den Jahrestag unserer Republik
und die deutschen Vögel ... der DDR haben
guten Grund zu jubilieren, zu tirilieren und
einen zu zwitschern. Denn wir haben uns ge-
mausert, Kollegen.
Und um dieses Ereignis gebührend mit uns zu
feiern, treffen täglich neue Wandervögel beiuns ein.
Liebe Vögelfreunde Stellt euch einmal vor:
- Wir befinden uns auf dem Flugplatz Schönefeld und erwar
ten inmitten eines schwarmbereiten gefiederten Völkchens die
Niederkunft eines neuen Wandervogels. Nach den sechs Wan-
dervögeln der letzten Woche ein neuer schöner Triumph unse
rer beharrlichen Paarungspolitik. Aber jetzt, liebe Vögelfreunde, kommt Bewegung in die Volieren. Die Wehen setzen ein, das
heißt, wir sehen Fähnchen über Fähnchen wehen. Der großeVogel der Interflug fährt seine Krallen aus und unser gefieder
ter Freund schlüpft ... schlüpft ... jawohl, er schlüpft lächelnd
aus der Brutmaschine Was für ein Tag
Seine Exzellenz hüpft die Gangway herunter, .breitet die nochetwas feuchten Flügel aus und eilt mit einem fröhlichen
»tschilp, tschilp« auf die zum Empfang erschienenen Vertreter
unserer Regierung zu, freundschaftliche Umarmung - man
schnäbelt sich.
Ein erhebender Anblick, ein beflügelndes Erlebnis.Die Zuschauer durchbrechen das Gezweig, schwärmen über
das Rollfeld und schwenken jubelnd ihre Transparente: »Zum
Kuckuck mit den Raubvögeln «, »Wir haben keine Meise mehr «
- Dank, Dank, DankUnd während sich der Vogelzug durch die buntbeflaggten Nist-
stätten und Horste der Karl-Marx-Allee zur ersten Fütterung
nach Niederschönhausen begibt, rufe ich euch abschließend
zu: Schöner die Nester und Brutstätten Nieder mit der Katze
Wie wir heute piepen, so werden wir morgen picken Schnirps
7
J>Pech endlich haben
wir ein Krajtfetter ent-
wickelt und nun sindsie ausgestorben.<<
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 22/136
8
Mann schämen Sie
sich nicht m t soner
vergammelten Kiste zu
fahren.
ü erholen ohne einzuholen
ans J Stein
Fatzkenhaftes am Weltniveau äußert sich auf so diffizile Weise
daß ich lange gezögert habe, es in Worte zu fassen. Nehmenwir nur die Berliner Taxifahrer. Seit der VEB Taxi seinen Wa-
genpark mit schmucken »Wolgas« runderneuert hat, ist einemerkwürdige Wandlung mit einigen Fahrern vorgegangen: DasGesicht ein gefrorener Pudding eisiger Höflichkeit, nehmen sie
mit einem stummen Kopfnicken die devo-
t st geäußerten Fahrwünsche entgegen.Kein lautes Wort des Tadels entschlüpftmehr ihren Lippen auch wenn die Fahrtnur vom Alexanderplatz nach Werneuchen
gehen soll. Ein letztes Ordnen der Papierorchideen in der Bordvase, und schon wirdder Popel von Fahrgast ans Ziel gekarrt.Ich will nicht sagen, daß mir der Lederjop-pengustav vergangener Tage mit seinerdreimal geleimten Klapperkiste sympathischer gewesen ist, der jeden Fahrgastgrundsätzlich mit »Meister«anredete. Woll-
te man beispielsweise vom Bahnhof Fried
richstraße zum Deutschen Theater, soerfüllte lautes Wehgeschrei den Wagen.Bitter beklagte der Brave am Lenkrad dasLos seiner acht unmündigen Kinder die aufGrund mangelnder väterlicher Einkünfte
nun bald das abgenagte Hungertuch in Stücke reißen würden.Und am Ziel war man direkt froh den Schmollenden mit einemHundertmarkschein über das Gröbste hinwegtrösten zu dürfen.Wie anders heute Der perfekte volkseigene Luxuschauffeur
hat Rudimente mißverstandener Volkstümlichkeit überwunden. Heute sagt so ein sozialistischer Graf hinterm Wolgalenk-rad zwar nicht »Meister«, er sagt aber auch nicht »Guten Tag«.
Er öffnet weder den Wagenschlag noch den Mund. Gewissermaßen als Ausgleich.Und dabei sind es nicht nur einige Taxichauffeure. Überall, wo
sich das vielbesungene »Neue « manifestiert, ist dieser ölig-
schnippische Stil anzutreffen. Gehe ich in eines unserer neuenKinos so wird mir nicht nur einfach die Eintrittskarte abgeris-
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 23/136
überholen ohne einzuholen
sen, sondern ein huldvolles Neigen des dienenden Trotzköpf-
chens ('IYP: verkannte Prinzessin aus der Ackerstraße) läßtmich erschauernd ahnen, wie glücklich ich elender Wurm mich
preisen darf, in diesem Tempel der Kinolust zu weilen. Nicht
anders in unseren modernen Restaurants Schon das Nahen des
Obers Man hat den Eindruck, ein Regierender Landesfürstgibt sich die Ehre. Langsam, aus geheiligten Femen heranrol
lend, verharrt er auch an meinem Tisch, um mit unendlicher
Nonchalance meine mühsam gestammelte Bestellung entge
genzunehmen. Abschätzend sieht er auf mich herab, und ängst
lich und schnell bestelle ich - um wenig-
stens auf diese Weise eine rt Gleichge-
wicht herzustellen - das Teuerste, was
die Karte zu bieten hat. Selbst dicke
Trinkgelder vermögen diesem modernen
Ganymed nicht zu imponieren. Sie wer
den zwar mit gnädiger Selbstverständ
lichkeit entgegengenommen, aber das
mitleidige Lächeln des so Bedachten
drückt nur aus: »Armer Schlucker, du
mußt es ja dringend nötig haben, mir ein
Trinkgeld zu geben «
Ich fasse zusammen: Unter dem dienen
den und bedienenden Personal unserer
hauptstädtischen Taxis, Kinos und Re-staurants gibt es gewisse Edelpiefkes, die
so tun, als sei das Hotel »Kaiserhof«,
nicht aber der Sozialismus ihre Heim-
statt. Ferner: Weltniveau hat nicht unbe-
dingt etwas mit Hochmut, Arroganz und Fatzkenhaftigkeit zu
tun, es ist erlaubt, auch auf einfache rt nett, freundlich und
zuvorkommend zu sein. Und es ist dabei, drittens, nicht not-wendig, immer von einem Extrem ins andere zu fallen, etwa von
den Barrikaden der Revolution in das Gehabe allerdurchlauchtigster Pomadenköppe.Maxim Gorki hat einmal gesagt: »Den Bourgeois haben wir
abgeschafft - die Lakaien sind uns geblieben.« Na ja, Gorki
traute sich. Aber sagen Sie das mal laut, beispielsweise im
Exquisitladen.
Viel Vergnügen
9
Lesense hier nicht Zei-
tung sondern die Schil-
der. Dann haben Sie alle
nf rmationen die Sie
als Gast brauchen.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 24/136
20
- - - -
Zum ewigen Ruhme der
Landschaftsumgestalter
sowie als Orientierungshilfe
für Karawanen
ü erholen ohne einzuholen
t orwärts
Vorwärts nach vorne, und vorwärts zur Seite
Vorwärts im Freien, und vorwärts im Saal
Vorwärts nach hinten, und vorwärts ins Weite
Die Richtung, Genossen, ist völlig egal.
1 „.
•
• - -„•
t,. •
„ .... \ .. „ ' ~ · . .... ..:-.;:
.. .. . ... .
Ernst Röhl
Jochen Petersdorf
on unserm Haus die Giebelwand
war schäbig, groß und grau.
Doch weil davor 'ne Linde stand,
sah's keiner so genau.
Man hat die Giebelwand verputzt,
da war sie nicht mehr nackt,
doch jeder guckte ganz verdutzt:
die Linde abgehackt
Die Leute ließen Klagen los.
Sie wurden anerkannt.
Ein Künstler malte riesengroß
zwei Palmen an die Wand.
Wenn man auch bitter drüber lacht,
zur Klage reicht es kaum.
Denn schließlich hat man über Nachtjetzt plötzlich viel mehr Baum.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 25/136
überholen ohne einzuholen
Peter nsikat
~ Zoit t t
Die BZ am Abend - das Abendblatt des Berliners mit Sport vom
Wochenende und Leserbriefen vom Chefredakteur ...Und auf der Titelseite eine Meldung von der BVG: »Wir machen
uns störfrei - vom Fahrplan «
Der erscheint demnächst im »Bummi«als Märchenin mehreren Fortsetzungen, illustriert von unserem
Großflächenbemaler Walter Womacka, der sich hier
nun endlich auch als Meister der kleinen Form sei-
nem begeisterten Publikum stellen wird. Denn
schließlich kann man den Geschmack unserer Kin-
der nicht früh genug verbilden ... bilden. Diese dum-
men Vorsilben Sie glauben j gar nicht, wie schwie-rig unsere deutsche Sprache ist Und gegen diese
Schwierigkeit kämpft unsere Presse nun schon seit
vielen, vielen Jahren einen erbarmungslosen
Kampf. Bitte, in den siebzehn Jahren DDR wurden
bei uns viele neue Häuser gebaut, neue Werke,
neue Straßen, neue Schlaglöcher ... Aber es wur-
den auch neue Wörter gebaut. Kennen Sie den Be-
griff »Neues Denken«? Das ist so eine rt geistigen Neubaus,
wenn Sie sich darunter bitte nichts Bösartiges vorstellen wol-len. Sie wissen j sicher schon, bei uns kann man wissenschaft
lich, praktisch, ökonomisch, produktiv und hauptsächlich kon-
kret denken. Aber haben Sie schon mal neu gedacht? Was mei-
nen Sie, woran man alles denken muß, wenn man neu denkt
An die Zukunft Wer ist früher schon darauf gekommen, daß
er an die Zukunft denken muß? Erst seitdem wir das schöne
Wort Prognostik haben, denken wir auch so. Früher dachte
man zum Beispiel: Gestern ist das Kind in den Brunnen gefal-
len, legen wir heute den Deckel rauf. Heut denkt man ganz an-ders darüber: Morgen wird das Kind in den Brunnen fallen,
legenwir den Deckel erst gar nicht rauf. Eingespart. Wenn sich
solche Einsparungen häufen, spricht man von Optimierung.
Wissen Sie, was das ist? Optimierung ist das Zusammentreffenzweier oder mehrerer Optimisten zwecks Zeugung - eines
Optimums. Ein Optimum ist das Höchste. Als zum Beispiel inBerlin mehrere Architekten miteinander gezeugt hatten, war
das Höchste, was rauskam, der Fernsehturm. Sehen Sie sich•
das Ding an, dann wissen Sie, wohin Optimierung führen kann.
21
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 26/136
22 ü b rhol n ohn inzuhol n
Sie glauben ja gar nicht was wir bei der BZ am Abend für
Schwierigkeiten mit den neuen Wörtern haben. Erklären Sie
unserem Leserpublikum das in der S-Bahn sitzt und an nichts
Böses denkt mal was Materialintensität bedeutet. Material ist
ja noch einfach. Das ist das was immer fehlt - bei den Schla
gersängern die Stimme bei unseren Jugendfunktionären die
Jugend und beim Bau, ja also da fehlt so manches machmal.
Aber nehmen wir ruhig an für eine Großbaustelle werden Zie
gelsteine geliefert und der Bauarbeiter baut sich gleichzeitig
daraus eine Gartenlaube dann hat er doch das Material beson
ders intensiv ausgenutzt. Und darum kämpfen wir also in derZeitung.
Hier noch die BZA, Ihre kleine Feierabendfreude für zehn Pfen
nige Ist Ihnen schon aufgefallen worum in unseren Zeitungen
so alles gekämpft wird? Um den Welthöchststand im Petersi
lie-Anbau gegen die Schneemassen gegen die Hitzewellen fürdie Gleichberechtigung der Frau für höhere Kapazitäten der
städtischen Bedürfnisanstalten - unsere Zeitungen kämpfen
von der ersten bis zur letzten Zeile. Wenn ein Ausländer sieliest muß er einfach glauben bei uns wäre Tag und Nacht was
los. Aber das können die von der Zeitung nicht wissen die
f .l V'o < YV.fJVvvV\;<......,.,.._,. 1 müssen ja nachts arbeiten. Kein Wunder also daß unseren
25 R „ Redakteuren immer neue Wortschöpfungen entschlüpfen.·. · »Es gilt die komplexe Optimierung der detailliert aufge-
schlüsselten ...« Aufgeschlüsselt - schönes Wort Ich; schlüssele die Tür auf. Womit? Mit einem Schließer. Man
· > kann aus J. edem Verb ein Substantiv machen und umge-s
Im Zweifelsfall nie überholen kehrt. Draußen hundet der Beller. Das ist ganz neues- - . . . r . . . r „ ~ v . . . _•. „ . . . . . . . . . • . , . , w . . . r . . , . _ ~ Sprachgefühl. Diese Sprache ist überhaupt mehr zum Er-
.. . sondern doch lieber
einholen - so lautete die
Devise der 60er] hre
fühlen als zum Verstehen geeignet. Deshalb sollte man sie
mehr in den Liebesbriefen anwenden: »Zwecks optimal-effek
tiver Ausnützung von Freizeit schlage ich vor, komplexe Zärt
lichkeiten in Anwendung zu bringen.«So etwa dürfte ein neuhochdeutscher Redakteur an seine
Freundin schreiben. Da wird sie viel Gefühl brauchen um zu
merken daß er bloß mit ihr schlafen will.
Wenn unser Entwicklungstempo weiterhin ein so stürmisch
konkretes bleibt wird sowohl unsere Vaterstadt als auch
unsere Muttersprache in optimal fünf Jahren nicht mehr wie
derzuerkennen sein.
In diesem Sinne: Vorwärts zur komplexen Infemales Gramma
tikales durch optimale Konkretheit subtil-differenzierter Kin
kerlitzchen.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 27/136
überholen ohne einzuholen
Lothar Kusche
~ t
Der Redner war ein älterer Mann mit einer fleischigen Nase
und feinen Falten um die Augen; sein Tonfall war in gewissem
Sinne beschwörend, zum mindesten aber seine Gesten: r
ruderte uns in seinen Bann.
Verehrte Kollegen, ich darf Ihnen zum Thema: Kunst und Ge-
genwart ganz offen nur einige Worte sagen ... Unsere Men
schen meistem - das steht außer Frage - die Gegenwart. Un-
sere Menschen in der Produktion packen - wenn ich das sagen
darf - das Heute am Kragen, nicht wahr. Unsere Menschen ... «
Meine Kollege Heinz Knobloch hat sich einmal über die Phra
se »Unsere Menschen« gewundert, und zwar deshalb, weil er
keine eigenen Menschen besitzt. Mir geht's genauso. Aber der
Redner besitzt offenbar eigene Menschen, und zwar in der
Produktion; dort packen sie - wenn er so sagen darf - das
Heute am Kragen. Natürlich darf er so sagen, denn er ist ja
von Berufs wegen (unter anderem auch) Redner; und wer kann
gegen einen Redner was ausrichten
»Was tun nun aber die Künstler?« fragte er. »Gewiß viel Aber
ist das schon genug? Ich muß von unseren Künstlern ehrlichsagen: Sie sind unserer Gegenwart auf den Fersen, und zwar
dicht. Ich möchte Sie nicht weiter mit Beispielen langweilen,
aber ... «
Und dann langweilte er uns mit einer Reihe von Beispielen.
»Aber es wäre nötig, daß sich die Künstler noch enger an die
Gegenwart anschließen, daß sie die entscheidende Hinwen
dung zur Gegenwart sozusagen vollziehen, ja, daß sie sich die
Perspektive aneignen und schließlich der Gegenwart voraus
eilen. Darauf kommt es doch letzten Endes an Die Wirklichkeit nicht nur meistern, sondern übertrumpfen Und so
weiter ... Den Weg ... Sie verstehen ... gewissermaßen aufrei
ßen Und dazu wünsche ich Ihnen aus ganzem Herzen schö
ne Erfolge. Sie werden hoffentlich nicht böse sein, wenn ich
Sie jetzt wieder verlasse ... verlassen muß Meine eigne lite
rarische Arbeit ruft, und gewiß sind Sie die ersten, die dafür
Verständnis aufbringen.«
•
Sagt ein Genosse:»Wrr reden im Parteilehrjahr ständig
vom Kapitalismus,ohrie eigentlich zu
wissen, was dasist.«
23
Sagt der Partei„
sekretär: »Paß aufich will es dir an
einem Beispiel er-
klären. Stell dirden Kapitalismusals eine chrom-blitzende Limousi
ne vor die in rasendem Tempo auf derAbgrund zufährt «
»Dann verstehe ich
nicht« sagt derGenosse, »warum
wir den Kapitalis
usandauerndüberholen wollen. «
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 28/136
24 ü erholen ohne einzuholen
Wir waren ihm g r nicht böse als er uns verließ ... verlassen
mußte d doch seine eigne literarische Arbeit ihn rief viel-
mehr waren wir gewiß die ersten die dafür Verständnis auf-
brachten.
Noch n der Garderobe fragte ich ihn woran er denn augen-blicklich arbeite.
»Ich schreibe« sagte er »das Libretto für einen Tanzfilm nach
Motiven des Märchens vom Wolf und den sieben Geißlein.«
Ich habe erst später begriffen d ß er seiner Forderung der
Künstler müsse der Gegenwart vorauseilen längst nachge-
kommen war; um dies begreifen zu können muß man sich
allerdings den Lauf der Zeiten als einen Kreislauf vorstellen.
Während wir noch der Gegenwart auf den Fersen zu bleiben
suchen h t er sie bereits überrundet und ist auf der anderenSeite des Kreises schon wieder im Mittelalter angekommen.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 29/136
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 30/136
26 lles zum Wohle des Volkes
John Stave
Als ich uns für den Wagen anmeldete fielen wir noch unter das
Jugendschutzgesetz. Wir waren verlobt und heirateten einigeJahre darauf. Nach den Hochzeitsfeierlichkeiten - es wareninsgesamt dreizehn Personen gekommen - führten wir dasPrinzip der strengsten Sparsamkeit ein. Zuerst verzichtetenwir auf die Anschaffung eines Fernsehgerätes dann verkauften wir unseren Radioapparat günstig und ich bestellte die BZ
am Abend ab. Die Fußballwoche las ich jetzt immer bei einemBekannten mit. Meine Frau löschte unsere Mitgliedschaft im
Theateranrecht und durch einen betrieblichen Wechsel zahlteich keinen Beitrag mehr für die Deutsch-Sowjetische Freund-
Ich ließ mir die Haare lang schaft. b ~ r auch ~ ~ e Dinge des t ä g l i c ~ e n Lebens wur-
wachsen geriet aber anläßlich den stark emgeschränkt. Wrr r a n k e ~ kei:ien o ~ e n k a f -des 11 Plenums in eine Anti fee mehr, nur noch Tee. Ich verkniff mir das Bier und
Gammier-Kampagne. s wurde schraubte überall 25er ~ i n : e n e ~ ~ w . ~ d u r c h ~ u c ~ dasZeit daß wir den Wagen be- Lesen flachfiel, so daß wir die zwolf Bucher, die wir zur
k ~ e n Hochzeit geschenkt bekommen hatten zu einem guten· Preis losschlagen konnten. Meine Frau entwickelte ein
Verfahren zur Streckung von Pflaumenmus. Wochentags trugenwir beide Trainingsanzüge. Um später besser zu fahren liefen
wir nun zu unseren Arbeitsstätten ich zwölf 0-Bus-Stationenmeine Frau neunzehn Straßenbahnhaltestellen.Ich hatte früher mal in einem Buch gelesen daß wer größereSchritte macht Schuhsohlen einspart. Wrr probierten die Sacheaus es ging. Wir wurden auch beide Nichtraucher. Sogar am
Essen kann man bei etwas gutem Willen eine Menge einsparen. Zum Frühstück leckten wir Brausepulver. Abends teilten
wir uns eine Dampfwurst. Beim Betriebsessen ließen wir uns
von anderen Kollegen noch etwas zugeben und konnten es be-
werkstelligen daß wir ab und zu schon mal ein paar gekochte Kartoffeln mit Soßenresten nach Hause bringen konnten. Die
Kartoffeln kann man prima mit etwas Malzkaffee aufbraten.Das müssen Sie sich mal merken wenn Sie in die Verlegenheit
kommen Beim Fußball sah ich mir stets nur noch die zweiteHalbzeit an, weil man da umsonst reinkommt. Wir trafen zuHause auch alle Vorsichtsmaßregeln daß uns nicht etwa ein
Kind unterlief. Die Sache selbst brauchten wir zunächst nichteinzuschränken weil sie j nichts kostete.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 31/136
lles zum Wohle des Volkes
Ich ließ mir die Haare lang wachsen, geriet aber anläßlich des11. Plenums in eine Anti-Gammler-Kampagne , obwohl ich es
nur aus Sparsamkeit getan hatte und gegen überhaupt nichtsprotestieren wollte. Auch besaß ich nicht einmal eine Gitarre.
Meine Frau wurde immer weniger. Als wir uns kennenlernten,
war sie eine richtige Bombe gut besattelt sozusagen, aber nun
war fast gar nichts mehr dran. Ihre alten Blue Jeans, die immer
beinahe platzten, schlackerten schon um ihre dünnen Schenkel.Es wurde Zeit, daß wir den Wagen bekamen.Und dann war es endlich soweit Der Trabant rollte an. Es war
ein erhebendes Gefühl. Eigener Lenker ist Goldes wert.rr fuhren jeden Tag ein paar kurze Strecken, denn Kraftstoff-
gemisch wird einem j auch nicht gerade geschenkt. Sonn
abends und sonntags putzte ich den Wagen . Ich machte es aufder Straße vor unserem Haus. Die Leute sollten es alle sehen,
daß man mit etwas gutem Willen ganz schön was ran schaffenkann. Zweimal fiel ich während der Waschvorgänge in Ohn
macht. Anstelle des Brausepulvers zum Frühstück hatte ichjetzt schon Margarinestullen, dünn geschmiert, zugelassen,
also die strengste Sparsamkeit etwas gelockert. Auch zum Braten. Meine Frau, die die ersten paar Male beim Waschen ge
holfen hatte, ließ im Interesse plötzlich nach. Sie blieb lieberoben und fuhr auf den kurzen Strecken nicht mehr so oft mit.Einmal überrasQhte ich sie in der Speisekammer, wie sie heim-
27
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 32/136
8 Al les zum Wohle des Volkes
lieh von einem illegal angeschafften Stück Butter einen Löffel
in den Mund nahm. Das ergab den ersten Streit in unserer Ehe.
Alles kann man mit mir machen, aber nicht von hinten durchdie kalte Küche
Große Dl1rchsicht
An einem arbeitsfreien
Sonnabend - ich war gerade dabei, mit einem
Rest Autolack, den mirein Bekannter geschenkt
hatte, einen roten Strich
an den Wagenseiten an-
zubringen - tr t meine
Frau aus dem Haus. Sie
hatte sich ganz nett zu
rechtgemacht und warauch wieder etwas dik
ker geworden, wie ichmit Erstaunen bemerkte.Ich rief ihr zu: »Ich bin
noch nicht soweit. Ein
halbes Stündchen wird
es wohl noch dauern An
der linken Seite habe ich
den Strich schon fertig.Schau ihn dir einmalan «
Sie aber sprach: »Ich
muß einen wichtigen
Gang erledigen. Fahr du
nur allein mit den Strichen.«
Sie eilte - mit kurzen
Schritten - weiter, undich rief ihr noch hinter
her: »Wann kommst du zurück, Ruth-Madeleine?«
Aber sie hörte es nicht, war schon um eine Ecke verschwunden. Ich habe Ruth-Madeleine nie wiedergesehen. Böse Nach
barn erzählen, daß sie jetzt sehr glücklich wäre und mit einemMann zusammenlebe. Dieser Mann, hörte ich, soll kein Autobesitzen. Da kann man wieder mal sehen, daß Frauen nicht
sehr weit denken können. Die roten Striche am Trabant verlei
hen dem Wagen übrigens ein schnittiges Aussehen.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 33/136
Alles zum Wohle des Volkes 9
Peter Ens kat
ZO
Einzelfahrschein Verkäufer m t Schaffnertasche
Groschen, hier noch Groschen ... Wer hat kein Kleingeld mehr?
Hier gibts Groschen - zehn Stück 'ne Mark Tja, Einzelfahr
scheine gibts nicht mehr. Die Rationalisierung geht auch an den
Dresdner Verkehrsbetrieben nicht spurlos vorbei. Um Arbeitskräfte einzusparen, soll zunächst mal der Einzelfahrschein
verkauf automatisiert werden. Diese Automaten sollen nach
demselben Prinzip arbeiten wie die meisten Telefonzellen: Was
man da reinstecken kann, ohne je etwas wiederzukriegen -
wahre Spielhöllen sind das Aber zurück zu den Fahrscheinautomaten. Bisher sind sie j nur geplant. Aber was bei uns ein
mal geplant ist ... Also, Sie sehen das j am neuen WarenhausCENTRUM - gut Ding will Weile haben. Jedenfalls wir Fahrscheinverkäufer sind bereits umgeschult zu hochqua-lifizierten Groschenverkäufem. In Zukunft werden Die Neubaubewohner sollen ihre
wir nämlich mit Kleingeld vor den Fahrscheinautoma- Zimmerehen mal erst richtig trok
ten stehen. So bleibt auch im Zeitalter der Automa- kenwohnen, bevor sie einkaufen
tisierung der Mensch stets im Vordergrund. Denn bei gehen oder sich in Kneipen rum
uns darf nicht einfach an Arbeitskräften vorbeiauto- drücken.
matisiert werden. - Groschen Wem fehlt noch ein Groschen an
der Mark? Losungen, die wir über den Automaten anbringenwollen, haben wir auch schon erdichtet. Zum Beispiel:
Für dein Glück der beste Garant:
Einzelfahrscheine in Volkes Hand
Was meinen Sie, wie das Volk sich bei so herziger Aufforderungum die Einzelfahrscheine reißen wird - In dringenden Fällen
können Sie größere Posten von Einzelfahrscheinen auch über
Genex beziehen. Geben Sie Ihren Westverwandten die Chance,
auch mal einen Fahrschein für zwanzig Pfennige zu erwerben.
- Groschen ... Aber wer guckt denn bei uns noch auf den Groschen? Die Wohnhochhäuser in der Ackermannstraße haben
in den fünf Jahren, in denen sie stehen, bereits 150 000 MarkReparaturkosten verschlungen. Nun stellen Sie sich das mal
Groschen an Groschen vor. Daran verkauft unsereins sein
Leben lang. Da muß man doch Minderwertigkeitsgefühle krie
gen Oder das Verkehrschaos am Pimaischen Platz. Wissen
Sie übrigens, daß der dortige Fußgängertunnel wieder zuge
schüttet wird? ~ i l die Verkehrspolizei immer keine Zeugen
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 34/136
30
Nur was Neues st ab-
rechenbar, auch Hellas
hat seinen architektoni-
schen Ruhm nicht durchWerterhaltung erwor-
ben <<
lles zum Wohle des Volkes
hat, wenns oben knallt Oder Robotron: Denen
fällt es besonders schwer, so plötzlich von heut
auf morgen auf den Groschen gucken zu müssen.
Aber das macht nichts - die haben j Rechner.
Und dann noch unsere Neubauten - aber das Ge-
rede darüber hört in zehn Jahren sowieso auf -dann sind das nämlich reine Handwerkersiedlun
gen. Denn wer zehn Jahre im Neubau gewohnthat, der muß eben 'ne Schwäche für klinkenlose
Türen haben und kaputte Wasserhähne. Aber ich
meine: Das Wohnen im Neubau ist j harmlos
gegen das Einkaufen. Die Leute aus den Neubau-
vierteln gehören zu den besten Kunden der Ver-
kehrsbetriebe. Denn wenn die 'n paar Brötchen
kaufen wollen, müssen sie immer erst mit der
Straßenbahn fahren. Nachfolgeeinrichtungen heißen nämlich
deshalb Nachfolgeeinrichtungen, weil sie immer erst nach einer
Folge von Jahren eingerichtet werden. Die Neubaubewohner
sollen ihre Zimmerehen mal erst richtig trockenwohnen, bevorsie einkaufen gehen oder sich in Kneipen rumdrücken. So ler
nen sie das Familienleben nämlich erst richtig schätzen. In denWohnungen also innendrin, da fühlt man sich schon ganz wohl.
Bloß ausm Fenster dürfen Sie in so einem Neubaugebiet nichtgucken. Also - wenn ich vor den Blöcken stehe, ich komm mir• • •immer vor wie eingezogen.
. *·. -
. •. . .
• •
„ . .
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 35/136
•
•
. . . ? erkundigt sich der l e ~ p ~ e r ,• Ist das hiet: richtig. « . hahP. defekt seUl. << -
» • soll der Wasser . :twortet die»be1 lh11en . · Ordnung , an ili
erren· Anzughemden,die sich durch besonders gute Troge·eigenschoften w.vie hohe T anspi·
rierfähigkeit auszeichnen. ·
•• ..• .
~~ ~ , .
'-1 '+:
Bel uns ist alles 11:- h1·er nicht Faro . e} · , - ·· dig W01i . u • albesHausfrau. ))MerkWU ' · t
3 a schon em h
Shulze? Das 15 · f \ n sch
Schulze?« ,.. » c „ si.Jld.(( - n -Jt
1,
l-i v h·e r daß die ausgezoEgent die a n d w e r k ~ r be-c:uu - , K1 ner )) rsentgegnet"der ß m ~ s ftber Kopf ausziehen. ( . ,
stellen, und dann H, ~ · · ~ , , , . , , - : - ~ ' ' ' : „ , ~ , , : = ' ' ~ · - ~ ' - ~ .
„'•.
\ \
,.Spred...U1aden filr Krippen- und Bei1nllintler
Ab Dienstag, dem 2. November 1885, werden neueSprechzelten fQr die O· bis 3jlhrigen Kinder elngefObrt.
S p r ~ s t u n d e n : jeden Dienstaa von 15.00 bla 17.00 U ~
•--
•
•
-
' • - '
b •
'1 ~
•\
• • •
" • •• : : s
-:;::;:::;:;io- ••c-:;;::~ . . ~ : : : : : :
c •
-
jeden Donnerata1 von 9.00 bis 11.00 Uhr In der
Abteilun1 Gesundheitawesen, Stralaunder Str. 5/8.
BAT DBS KBllSBS GBEIFIWAl,PAbt. Gesundheits- und Sozialwesen
eratunpstelle für Frauen und Kinder
.
..- = , . , , . . , , . . . . . . . ~ ~ , , . ~ ~ - ~ ' , . , . . . . , . . , . . , ~ , ~ „ ~ , _ , , . .,,.,,,.... . . „ . . ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ · ~ I
/ 1
•
•'
j
._,/---NEUEINGJlNGE \
Damen-Blusen, onsreMttm-mt • nur 195Der kommt ouCh mit. Den habe
ich privat anbringen lassen t•„- - ~ - . . . . .
Ein Gast aus der Bundesrepublik fragt den Kellner im
,
Interhotel, was er bestellen könne . Der Kellner sagt: >>Alles, ~ ~ ~ ~ ~ ~ = ~ ~ ~ ~mein Herr. Der Gast erwidert: »Das glaube ich nicht.<<Der ~Kellner: »Nennen sie mir ein Gericht, und ich serviere es A l • ~ r e l e c l • t b l t • •öfter .,..p.hle wlr
Ihnen. Wenn nicht, zahle ich Ihnen 500 Mark. « Der Mann enbestellt gepökelten Elefantenpopo mit Zwiebelringen und
Kroketten. Eine Stunde vergeht. Nichts. Kein Kellner lä.fbt . . . ._..sich blicken. Da sieht der Gast, wie ein Elefant durch den ~ m i . i t >Hoteleingang in Richtung Küche geführt wird. Nach einer
weiteren Stunde erscheint der Kellner mit trauriger Miene.
»Hier haben sie die 500 Mark. Mit Ihrem Menü klappt esnicht.« - >>Wieso?<< wundert sich der Gast. >>ch habe genau
gesehen, wie ein Elefant in die Küche gebracht wurde « -
>> Das schon<< sagt der Kellner, »aber treiben Sie mal in sokurzer Zeit Zwiebeln auf «
'
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 36/136
32 lles zum Wohle des Volkes
Ottokar Domma„
UOor dio SeAö Aoit s o r o r N tt tOlt
In der Frühzeit meines Lebens habe ich mich öfter wegen mei-
nes Vornamens geärgert. Meistens waren es Mädchen welchemir aus weiter Entfernung zuriefen: »Ottokar hat Läuse im
Haar « Mein Freund Harald sagte man muß sich wegen denblöden Gänsen nicht in Wut bringen lassen und wenn wir sieerwischen werden sie gerupft. Auch fragte ich meine Mutterwieso ich ausgerechnet Ottokar heiße. Sie antwortete weilalle meine Urahnen und Väter Ottokar geheißen haben. Des-
halb bekam der erste Sohn immer diesen schönen Vornamen.
Man nennt dies auch Tradition oder Treue zur alten Sippschaft.Mein Vater hat sich darüber auch nicht aufgeregt und nur ge-
sagt der Vorname muß auch gut zum Nachnamen passen. Des-
halb denken sich die meisten Leute schon für ihre ungebore-nen Kinder einen schönen Namen aus den sie nach der Geburtimmer noch verändern können.Mit dieser Rede war ich zufrieden und es kann nicht jeder einneumodischer Vater sein.Jetzt weiß ich auch warum es in vielen Familien wegen des Vor-
namens Zank und Streit gibt. Es werden so allerlei Namen aus-gedacht und die werdende Mutter fragt den werdenden Vater,
wie der Knabe oder das Mädchen heißen soll. Der
s gibt auch Spitznamen für ein
hervorstechendes dividuum
Deshalb ruft man mich Ottokar
Vater kann jetzt tausend Vorschläge machen aber siezählen nicht sondern meistens nur der Vorschlag derMutter. Denn sie hat das Vorrecht und die Schmerzen.Wenn zum Beispiel der Vater mit dem Vornamen nichtgleich einverstanden ist dann hilft ihm die Mutter über
diesen Ärger hinweg indem sie das neugeborene Kind in derersten Zeit ganz anders nennt zum Beispiel Süßer oderSchnuckiputz oder Hascherle oder Ärschlein und anders. Diese
Vornamen sterben mit der Zeit aus weil es komisch wäre wennzum Beispiel unsere Lehrer den Schweinesigi Pullerchen rufenwürden.Wenn die Familien einen Vornamen aussuchen dann müssensie auch daran denken daß es ein moderner ist. Bei uns in derStraße wohnt zum Beispiel die Familie Wurzel. Sie hat fünfKinder. Die ersten vier Geburten heißen Karin, Monika, Wolf-
gang und Manfred welche heute schon nicht mehr die aller-modernsten sind. Auch gibt es diese Namen schon zu oft. Des-
halb bekam das letzte Mädchen einen besonders schönen
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 37/136
lles zum Wohle des Volkes
Namen nämlich Marie-Antonette Wurzel. Und alle müssen den
Namen einüben indem sie jeden Tag in den Kinderwagen hin-
einschreien: »Na was macht denn unsere Marie-Antonette?«
Meistens macht sie sich naß.
Für Knaben ist es schon schwerer solch einen klingenden
Namen zu finden worunter es sehr seltene gibt. Zum Beispiel
bekam der Sohn einer Mutter welche manchmal in unserer
Heimatzeitung dichtet den seltenen Namen Rainer-Maria Senf.
Warum er einen Mädchennamen angehängt kriegte weiß ich
nicht. Vielleicht ist bei der Geburt etwas verpatzt worden. Es
wird sich später in der Schule herausstellen auf welche Toi-
lette er geht und man muß das prüfen.
Die neuen Vornamen entstehen meistens so: Wenn zum Beispiel
ein Film gezeigt wird mit einer sehr schönen Geliebten oder
einem tapferen Helden dann heißen plötzlich einige Monate
später viele Neugeborene Juanitta Meier oder Robin Schulzeoder Scheraa Paschke oder Fernandel Müller oder Hiob Leh-
mann.
Auch ist mir aufgefallen daß es sehr modern ist wenn man
den neugeborenen Säuglingen einen Namen aus einem anderen
Lande gibt damit die Leute denken der Säugling hat in einem
femen Land das Licht der Poliklinik erblickt oder er h t einen
seltenen nichteinheimischenVater. Deshalb muß man sich nicht
wundem wenn plötzlich eine Natascha Grün oder eine Beß
Knautschke oder ein Guiseppe Lemke des Wegs kommt. Dage-gen hört man seltener daß jemand bei den anderen Völkern
Fritz Gagarin oder Frieda Robespierre oder Hans-Dieter Beatle
heißt.
Ich denke mir daß wir auch ganz schöne Vornamen haben und
man muß nicht gleich welche in Brasilien oder auf dem Nord-
pol suchen. Wenn ein Berliner Sohn jetzt Jean Meixner heißt
so bleibt er trotzdem ein Berliner und kein Pariser oder Ver-
duner.
Da ist es schon besser wenn man sich lieber ein paar neueNamen ausdenkt welche auch zu unserer Zeit passen sagen
wir zum wissenschaftlich-technischen Fortschritt. Auch wäre
es gerecht wenn man bei der Namensgebung mehr auf den
Beruf des Vaters oder der Mutter achtet. So könnte zum Bei-
spiel die Tochter eines Forschers im Atomkraftwerk Isotopia
heißen oder das Neugeborene eines Petroleumfacharbeiters
Pipeline. Der Herr Kraftfahrer Weichbrodt müßte seinen künf
tigen Sohn Motorus nennen oder wenn er Pech hat und eine
Tochter bekommt diese mit dem Vornamen Limusina betiteln.
33
\.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 38/136
4 Alles zum Wohle des Volkes
Auch stand schon in der Zeitung daß man Traktoristentöch
t r Traktorina benamsen muß. Auch Raketa klingt sehr schön
wogegen mein Freund Harald seine Tochter später Goldina hei-
ßen läßt weil er für sein Leben gern diese Margarine ißt.Wenn aber jemandem gar kein neuer Name mehr einfällt dann
könnte man einfach alle bekannten Vornamen von hinten nach
vorne schreiben und schon hat man wieder ein paar seltene
Stücke. Zum Beispiel wird dann aus der Karin eine Nirak aus
der Emma eine Amme aus dem Max ein Xam aus der Eva eine
Ave oder aus dem Hajo ein Ojah. Und es sind deutsche Namen.
Die besten Erfinder von Namen sind Dichter. Während die lu-
stigen Schreiber meistens ulkige Namen erfinden wie zum Bei-
spiel Amanda Käsebier denken sich die vornehmen Dichter
meistens vornehme Namen aus. Auch richten sich bei den vor-
nehmen Dichtern die Namen nach dem Beruf. Ein Professor
heißt zum Beispiel im Roman Alexander Wieck wogegen sein
Kraftfahrer nur Kowalski heißt. So kommt es daß unsere Frau
Apotheker Eva-Maria Bergander ihre Tochter Felizitas nannte
wogegen der Kunstmaler Johann Wattenbrück seinen Sohn
Ramon benamste. Auch klingen diese Namen vornehmer bei
Hochzeits- oder Todesanzeigen.
Neben diesen Namen gibt es noch Spitznamen aber diese be-
kommen nur solche Knaben Mädchen und Erwachsene wel
che man ein hervorstechendes Individuum nennt. Dazu gehö-
re ich nicht deshalb ruft man mich nur Ottokar.
• •• •
• •ff
•
• ••
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 39/136
lles zum Wohle des Volkes
Renate Holland-Moritz
»Hör zu, Oma«, sagten wir zu der Oma unserer Kinder, »du bist
doch ein geistig interessierter Mensch; wie kannst du dich da
zu Hause abkapseln, während draußen das kulturelle Leben an
dir vorüberbraust? Wann warst du das letztemal im Theater, im
Kino oder im Konzert? Sei ehrlich, seit Jahren nicht mehr «
»Stimmt«, bestätigte die Oma, »weil ich die Gören behüten muß,
damit ihr dauernd ins Theater, ins Kino oder ins Konzertren
nen könnt. Ich mach dann immer den Fernseher an. Da gibt'smeistens ein Theaterstück, einen Spielfilm oder ein Konzert.«
Wir gaben keineswegs auf, denn in unserem Dorf haben wir ein
feines Kulturhaus mit einem rührigen Kulturhausleiter, dem
ein ebenso rühriger Klubrat zur
Seite steht. Alle vier Wochen
jagt eine Veranstaltung die an-
dere, und das Kulturhaus ist
nur hundert Meter von unserer
Wohnung entfernt. »Also geh
doch mal hin Oma«, verlangten
wir, »der direkte Kontakt zwi-
schen dir und den Künstlern
wird dir einen ganz anderenGenuß bereiten.«
»Danke«, wehrte Oma entsetzt
ab. Sie hatte vor vierzig Jahren
mal in direktem Kontakt zu
einem Varietekünstler gestanden, und nicht einmal die Erinne
rung daran konnte ihr irgendeinen Genuß bereiten. »Hört mir
bloß auf mit diesen Künstlermenschen Spießer sind das,
Schrebergärtner der Kunst Die denken wohl, wenn's fürs
Fernsehen nicht reicht, sind wir Dorfmenschen allemal dankbar. Nee, bei mir nicht «
»Oma , schrien wir auf, »wie sprichst du denn, wo lebst du
denn? Die Zeit schreitet mit Riesenschritten voran, eine kultu
relle Revolution ist in Gang gekommen, und du erhebst den Kiki
vergangener Jahrzehnte zum Maßstab unseres KulturlebensAuch die Künstler müssen ständig lernen, Prüfungen ablegen,
sich dem Weltniveau nähern. Ob Stadt, ob Dorf - das Mittel
maß hat keinen Boden mehr.«.
>>Was denn keine
Ladentische? Wo
35
werden denn da die
Mangelwaren verkauft?
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 40/136
6 lles zum Wohle des Volkes
Die Oma sah ein daß sie unserer Zeit unrecht getan hatte.
Schon am nächsten Tag eilte sie zu einer großen Veranstaltungin unserem Kulturhaus, welche unter dem Motto stand »Froh-
sinn, Heiterkeit und gute Laune«.
Als sie zurückkam, spiegelten sich auf ihrem Gesicht Verwir-
rung und energische Entschlossenheit.»Nun?« fragten wir gespannt.
»Gott« sagte die Oma »ihr habt schon recht, der direkte Kon-
takt zur Kunst ist wirklich etwas anderes.« Sie rieb sich daslinke Ohr. »Entschuldigt, ich bin noch ein bißchen taub von die-
sem Kontakt. Die Kapelle saß nämlich im Saal und ich direktneben dem Schlagzeug.«»Und sonst?« wollten wir wissen. »War es interessant?«
»Die Schlager weniger« sagte die Oma »die kannte ich schon,
vor fünf Jahren wurdendie
manchmalin
der Schlagerrevuege-
spielt. Das Ballett war sehr interessant. Der eine Tänzer sahaus wie ein großer, kräftiger Mann. Der Ansager war nett, so
in der rt wie unser Nachbar Kutzmann. Er hat erzählt, daßdie Miniröcke sehr kurz sind und manche Frauen keine passen-
M d f· h · kl' h . ht b den Beine haben. Und er hat auch immerzu gesagt,
an ar sie wir c nie a - · daß d. S hl ·· · · M. · k anh t äh.k 1
h d · k lt 1e c agersangenn emen mrroc a , wapse n wa ren eine L Lire e d di Ball tt ··d h d. d B · h··1t
R 1 t. · G k t t ren e e ma c en 1e passen en eine a en
evo L on n ang omm , sag e d d halb k t ih M. · ·· k h k0
un es onn en re 1n1roc e ru 1g so urzma. wie ein Gürtel sein. Dann hat er noch eine Menge
Kindermund aus seiner Familie zum besten gegeben. Und daßseine Schwägerin seiner Nichte ein Minikleid gekauft hat, aber
sein Schwager mußte es bezahlen. Vielleicht läßt der die armeFrau nicht arbeiten gehen. Und dann hat noch ein Sänger sol-
che Chansons gesungen über Mädchen mit ganz kurzen Rök-
ken, und wenn der Text brenzlig wurde, hat er nicht weitergesungen, sondern sich am Kopf gekratzt.«
Wir waren sehr betreten. Was sollten wir der Oma jetzt nochsagen?»Im übrigen«, sagte die Oma »bin ich euch sehr dankbar, daß
ihr mir ins Gewissen geredet habt. Man darf sich wirklichnicht abkapseln, während eine kulturelle Revolution in Gang
gekommen ist und auch die Künstler ständig lernen und sichentwickeln müssen. Deshalb bin ich vorhin in den Klubrat ein-
getreten. Ich glaube nämlich, denen muß das auch mal einersagen.«
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 41/136
lles zum Wohle des Volkes
Eberhard Cohrs
t
Das Innere einer kleinen Gaststätte: Tf.sch, Stühle, eine Tür zur
Straße, eine Tür zu den hinteren Räumen, an der Wand eine kleineTheke. Hintereinander betreten eine Dame und ein Herr die Gast-
stätte - die Dame setzt sich an einen der Tische - der Herr setzt
sich an die Theke. Der Wirt Eberhard Cohrs) hinter der Thekespült gerade Biergläser.
Herr: Guten Tag Ein freundliches Bier.
Wirt: Guten Tag Helles oder Export?Dame ruft dazwischen): Herr Wirt Vielleicht kom-
men Sie auch mal zu mir?rrt eilt zurDame): Bitte, please, meine Dame. Was
darf es sein?Dame im Befehlston): Die Speisekarte und die Ge-
tränkekarte . . . aber etwas flott
Wirt nimmt vom Nebentisch 2 Karten}: Bitte. Möch-
ten Sie etwas trinken?Dame: Ein kleines Bier. Ich nehme an, daß Sie wis-
sen, wo der Eichstrich ist.winkt mit der Hand, daß der Wirt sich entfernen
soll)
Wirt geht zur Theke zurück - nickt seinem Gast zu -zeigt mit dem Kopf auf die Dame und flüstert): Ein
zänkisches Aas Die spricht wie mein alter Feldwebel- beimKommiß.
Herr: Ja - Ja Unsere lieben Gäste. Wie geht das Geschäft?Wirt: Wir Sachsen sagen: Es läppert sich so hin. Die Unkosten
sind zu hoch. Sie sagten »unsere«Gäste?Herr: Stimmt Habe selbst eine Speisegaststätte mit Aus-
schank. Nur Ärger mit den Gästen und mit der Steuer.Wirt: Das stimmt Meine Reinemachefrau verlangt ...Herr unterbricht}: Sie sagen Reinemachefrau? Ich muß meine
mit »Lady Müllfort«anreden.Wirt lacht): ... vornehm geht die Welt zugrunde Ubrigens,
haben Sie auch einen so hohen Wasserverbrauch?Herr lacht mit): Nur wenn bei mir viel Wein verlangt wird.
kneift dabei ein Auge zu)
Der Wirt hat 2 Gläser Bier eingeschenkt - ein Bier stellt er vor sei-
nen Gast hin, das andere bringt er der Dame an den Tf.sch.
37
Der Kl.eene mit der gro-
ßen Gusche - Sachsens
beliebtester Komiker
Eberhard Cohrs.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 42/136
8 lles zum Wohle des olkes
Dame nimmt das Bierglas, hält es gegen das Licht und sagt zum
Wirt): Ich könnte Ihnen einen Tip geben, wie Sie die doppel-
te Menge Bier umsetzen.
Wirt erfreut}: Neeee Wie denn?
Dame: Sie brauchen die Gläser nur bis zum Eichstrich vollzu-
machen.Wirt lacht verlegen): Ich mache die Biergläser mit Absicht nicht
ganz voll - ich bin nämlich Vorsitzender im Verein der Alko-
holgegner.Dame aufgebracht): Ihre blöden Witze werden Ihnen bald ver-·
gehn. Ich studiere jetzt die Speisekarte, und wenn ich Sie
brauche, rufe ich Sie.Wirt geht zu dem Gast an der Theke zurück}: Haben Sie das ge-
hört? Diese ... diese ... Salatschnecke Seitdem die hier ist,
hat die nur zu meckern.Herr: Meckern - ist doch ihr Beruf. Kennen Sie »die« denn
nicht?Wirt schaut zum Tisch - schüttelt seinen Kopf): Neeee
Herr dreht sich nach allen Seiten vorsichtig um - flüstert geheim-
nisvoll}: Die ist doch aus der Verwaltung - Oberprüferin für
Speise- und Getränkegaststätten - für zulässige Speise- und
Getränkepreise. Das ist eine ganz Scharfe
Wirt: Neeee So ein Ferkel
Herr: Quatsch Ich meine eine Scharfe bei der Preiskalkula
tion. Die hätte mich doch bald runiert.Wirt: Neeee Was Sie nicht sagen. Die da? zeigt dabei mit dem
Kopf aufdie Dame)
Herr: Jaaa Die beanstandet alles. Die ist so genau, die zählt
sogar im Bierschaum die Blasen nach.
Wirt: Neeee Ich werde verrückt
Herr: Jaaaa Die hat bie mir sogar den Stickstoffgehalt der Kar-
toffeln nachgemessen.
Wirt: Neeee Ist denn so was möglich?
Herr: Jaaaaa Beim Spinat prüft sie, ob er farbecht ist, und in
der Suppe zählt sie die Gräupchen nach.
Wirt: Neeeeee Und sie will bei mir etwas bestellen.
Herr: Da werden Sie etwas erleben Die hat meine Schnitzel
gegen das Licht gehalten, ob man durchsehen kann. Sie legt
dann auch das Strafmaß fest, von einer halben Stunde bis
lebenslänglich.Wirt faßt sich an den Kopf): Großer Gott Was mache ich bloß?
Herr: Haben Sie denn kein einwandfreies Essen?
Wrrt winkt ab}: Moment Ich müßte schnell über die Straße lau-
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 43/136
Alles zum Wohle des Vo l kes 39. . . .. . -.·. ' . - _. . .
fen und etwas aus der Betriebsküche von Kleckermann &
Sohn holen.
Herr: Und Ihre Küche? Ist das Essen nicht besonders?
Wirt (faßt sich wieder an den Kopf): Besonders schon Besondersungenießbar Meine Frau kocht selbst, und die kann kochen,
was sie will, es wird immer Gulasch. [sieht seinen Gast ver-zweifelt an) Ob ich der Geld anbiete?
Herr: Das würde ich versuchen.Dame [ruft): Herr Wirt
Herr: Die Schlacht beginnt
Wirt [schaut nach oben - faltet die Hände und
ruft mit pastoraler Stimme): Josef, gib mir
ein Zeichen, daß ich die Schlacht gewin
ne
Dame (ruftlauter}:
Herr Wirt Wo bleiben Siedenn?
Herr (schlägt dem Wirt aufmunternd auf die
Schulter, daß er nach vom fällt und ruft): Auf
in den Kampf, Tornado
Wirt [ist durch den Schlag bis vor den Tisch der
Dame gelandet - rappelt sich hoch und fragteingeschüchtert): Was möchten Sie bitte?
Dame: Was können Sie mir empfehlen?
Wirt [weinerlich): Eine andere Gaststätte. Im
Gasthaus zum »Goldenen Anker« ßt man
sehr gut.
Dame: Ich esse bei Ihnen. (zeigt aufdie Karte)
Was Sie verlangen für einen Rollmops .. . 6 Mark?
Wirt (stottert): Na ja, a-a-aber das Ho-Ho-Holz was da durch
geht, i-i-ist aus Mahagoni.
Dame: Hier steht: Zunge ... ist die frisch?
Wirt: Ja Mit der können Sie sich noch unterhalten ... aber
unser Gulasch ...
Dame (unterbricht}: ... ich möchte keinen Gulasch Ihren Gu-
lasch können Sie sich an den Hut stecken.
Wirt: Das geht nicht, da habe ich schon 4 Rouladen oben.
Dame: Haben Sie nicht etwas Pikantes?
Wirt: Etwas Bekanntes?
Dame: Nicht Bekanntes - etwas Pikantes, Sie BlödmannEtwas Aufregendes?
Wirt: Etwas Aufregendes - Selleriesalat
Dame: Quatsch ~ t w s Besonderes. Und nun ziehn Sie ab und
bringen Sie etwas.
»Neeee Was Sie nichtsagen. Neeee st denn
so was möglich? <<
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 44/136
4
»Herr Ober, in
meiner Suppeschwimmt eineFliege.« - »Tut mirleid, mein Herr,
d ß es nur eine ist.Früher waren esmehr, jetzt werdenselbst die Fliegen
knapp.«
lles zum Wohle des olkes
Wirt macht großen Kratzfuß): Bitte, please - meine verehrte
Dame.Der Wirt verschwindet durch eine ür kommt TNi eder - geht zur
Theke - TNi scht sich den imaginären Angstschweiß ab)
Herr Oacht): Na, Sie leben ja noch
Wirt flüstert vertraulich): Ich habe meine Frau in ein Delikatessengeschäft geschickt, die holt etwas - die haben nur erst
klassige Sachen. greift zur Flasche) Diese Aufregung Jetztmuß ich erst einmal einen zur Brust nehmen. zu seinem Gast)
... trinken Sie einen mit?Wirt schenkt ein - beide trinken aus - Wnt verschwindet hinterder
tür kommt mit dem Essen TNi.eder- serviert der Dame - kommtTNi eder zur Theke. Beide beobachten die Dame beim Essen.
Herr: Dabei - im Profil sieht sie ganz nett aus.
Wirt: Da sieht man ja auch nur die Hälfte schenkt noch zweiWodka ein) Prost
Herr: Die Letzten bezahle ich.Wirt: Nein Kommt gar nicht in Frage. Sie haben mich viel
leicht vor »lebenslänglich« bewahrt Sie haben mr doch den
Tip mit der Kontrolleuse gegeben. schaut TNi eder zum Tisch)
Jetzt ist die fertig mit essen, mal seh"n was sie sagt. Er eiltzum Tisch - macht einen devoten Kratzfuß) Waren gnädige
Dame zufrieden? schiebt dabei einen Hundertmarkschein über
den Tisch)Dame nimmt den Schein): Was soll denn das?
Wirt: Ich bin abergläubisch Sie waren heut" mein erster Gast
- mein erster Gast bekommt immer einen Geldschein - wir
sagen: Wenn der erste Gast zufrieden weggeht wird es ein
guter Tag. Es ist wie beim Glücksschwein ... und Sie waren
unser . . . unser erstes . . . ,
Dame: Wie bitte? ?
Wirt stottert): Ich mei-mei-meine, unser erstes Glück. Das muß
ich meiner Frau sagen.verschwindet mit großer Verbeugung durch die Tür)
Von der Theke kommt der Herr- gibt der Dame einen vertraulichenKlaps drauf und flüstert
Herr: Na, Liebling ... wie war es?
Dame Na, phantastisch hält den Geldschein hoch) Wir habeneinhundert Mark, und ich habe vorzüglich gegessen. reibt
sich genüßlich den Bauch)
Herr nimmt i r den Geldschein weg und steckt i n ein): ... und
ich habe einen Hunger In der nächsten Gaststätte tauschenwir die Rollen, da spiele ich den Kontrolleur.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 45/136
Alles zum Wohle des Volkes
Lothar Kusche
Die Frage nach dem Verbleib des Wirtschaftsgeldes wird immer
wieder gestellt, obgleich sie doch verhältnismäßig leicht zubeantworten ist. An dem Tage, an dem das Wirtschaftsgeld
restlos ausgegeben worden ist, ist es alle - das ist das ganze
Geheimnis. Wofür im einzelnen es ausgegeben worden ist, weiß
jeder vernünftige Mensch, nämlich für Lebensmittel, Miete,
Strom, Gas Kohlen, Holz Zündhölzer, Reißnägel, Zwirn, Heft
pflaster, Rätselzeitungen viele Hausfrauen kaufen sich heim-
lich Rätselzeitungen) sowie für verschiedene gemeinnützige
Zwecke, zu deren Gunsten öfter Leute an der Tür klingeln und
Geld sammeln. Aber viele Leute geben sich mit dem M . M1 t k · G ld
all . B ßt . daß ihr Wiirt haft ld f ein ann ver er ein egememen ewu sem, sc sge ur d · d t h 1hd
. b t : d f . t er 1 e e er we c es1e o en genann en vvaren usw. rau gegangen 1s ,
nicht zufrieden; das sind die, die immer alles ganz genau wis
sen wollen. Manche leiden an dem Aberglauben, wenn sie nur
haarklein anzugeben wüßten, wieviel Pfennige sie für dieses
und wieviel für jenes bezahlt haben, käme das Geld wieder zum
Vorschein. Das ist natürlich Unfug.
Andere Leute finden es trostreich, exakt und in allen Einzel
heiten darüber Bescheid zu wissen, wo sie ihr Wirtschaftsgeld
gelassen haben. Ich kann eigentlich nicht verstehen, wieso estrostreich sein soll, wenn man den Umstand, daß man sound
so viel Geld für eine Sache weggegeben hat, dem Gedächtnis
einprägt und ihn lange Zeit nicht vergißt.
Allerdings gibt es Menschen, die über den Verbrauch ihres Wirt-
schaftsgeldes deshalb Genaues wissen wollen, weil sie es plan
mäßig auszugeben wünschen. Das ist natürlich eine gute
Sache, vor der man Respekt haben muß. Mir jedenfalls impo-
nieren Haushalte, in denen sogenannte Haushaltsbücher ge-
führt werden. In diese trägt man nach dem Einkauf bis auf einZehntelpfennig die Höhe der Ausgaben ein. Das erleichtert,
wie ich hörte, ganz außerordentlich die Arbeit, abgesehen
davon, daß man etwas mehr Schreibarbeit hat.
»Sehen Sie mal« sagte eine von mir sehr geschätzte Hausfrau,
»wir kaufen abwechselnd ein, da wir beide arbeiten. Mein Mann
wußte oft nicht, wo r das Wirtschaftsgeld gelassen hatte. Er
dachte, er hätte den Geldschein verloren, und rechnete stun
denlang im Kop{ aber immer erst ein paar Tage später, und
41
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 46/136
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 47/136
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 48/136
44 Lernen lernen nochmals lernen
Kurt David
OIHO OH OIHO
o i t a ~ s e t
Wenn Vater in die Wanne steigt, tut er so feierlich, als stiege
er in die Ostsee. Zunächst riskiert er nur die Füße, dann geht
er mißtrauischen Blickes in die Hocke und schreit: »Kaltes Kal-
tes «
Mama hält den Eimer wie einen Feuerlöscher bereit. Sie gießt
nach. Und Vater rutscht gemächlich Zentimeter um Zentimeter
horizontal unter die Wasserfläche. Bis zum Eichstrich. Er pu-
stet und schnauft, liegt wie gelähmt und sagt friedlich: »So,
Liesel, nun kannst du wieder heißes zutun.«
Bald wird er ganz still, atmet tief drei Morgen Fichtennadel-
wald, den wir in Tabletten eingekauft haben. Und plötzlich
geschieht etwas: Papa lächelt, mein Papa lächelt Dazu hat er
Er stand da wie ein Geist in Stiefeln
und lächelte optimistisch wie auf
einem Erster Mai Plakat.
selten Zeit. Sein Gesicht ist immer im Dienst.
Das alles läuft jeden Freitag so ab. Auch anjenem
Freitag, von dem ich erzählen will, war es nicht
anders.
Aber nun haben wir glücklicherweise ein Telefon. Kein Mensch
denkt an das Telefon, plötzlich denkt das Telefon an uns. Es
klingelt vorlaut.Mein Papa schrie: »Ich bin nicht da, Heinz Hörst du, ich bin
nicht da.«
Ich vergewisserte mich. Vater stand im roten Bademantel auf
dem Flur und war nicht da.
»Hab verstanden, du bist gleich da.« Das sagte ich natürlich nur
so aus Jux.
»Ich habe gesagt, daß ich nicht da bin «
Und nun kam noch Mama aus der Küche und meinte sanft:
»Heinz, Papa ist nicht da.«»ls ja schon gut«, antwortete ich gelassen und guckte meinen
nicht daseienden Vater an. Schließlich ist mir bekannt, daß
Papa ganz allein über seine Anwesenheit bestimmt. Bei mir hin-
gegen ist das viel unkomplizierter: Ich muß immer dasein,
wenn ich da bin.
Am Telefon war Herr Knopke.»Richard?«
»Nein, hier ist d r Heinz, Herr Knopke.«
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 49/136
Lernen lernen nochmals lernen
»Hol maln Vater an die Strippe «»Der ist gar nicht da«, sagte ich scheinheilig in die Muschel und
wurde trotzdem rot. Immer wenn ich schwindeln muß werde
ich rot. Am Telefon ist das bequem und egal. Am Telefon kannman rot werden ohne daß es der andere überhaupt merkt.»Wo ist er denn Heinz?«
Und da hatte ich große Lust zu sagen: Ich werde ihn gleich mal
fragen er steht hinter mir. - Das ging aber nicht; denn Papastand jetzt dicht neben mir, schubste mich, fuchtelte mit den
Armen, zog Grimassen und zeigte in Richtung Niederdorf.»Er ist im Niederdorf«, sagte ich zu Herrn Knopke.
Papa nickte anerkennend so lobend wie wenn icheine Eins in Betragen erhalten hätte.»Beim Lätsch-Emil?«
»Genau dort« antwortete ich erleichtert und war
froh, daß mir Herr Knopke sagte wo mein Vater war.Papa dagegen tippte sich mehrmals an die Stirn undmeinte meine.
»Da kann er aber nicht sein; denn vom Lätsch-Emilaus rufe ich an.«
Bums - hingehängt.
»Jetzt ist der eingeschnappt« bemerkte mein Vatersehr treffend. »Und du Dussel läßt dich von dem glattaufs Kreuz legen.« Mit dem meinte er Herrn Knopke,
und Herr Knopke arbeitet wie er auf unsrer Genos-senschaft. »Für ein bißchen pfiffiger hätte ich dich
wirklich gehalten« fügte Papa hinzu.Und da s ß ich mit meinen vier Einsen. Ich war schuld und
ich hätte ein paar Nachhilfestunden im Telefonieren nötig ge-
habt. Mein Vater machte ein Gesicht daß es aussah als schaf-
fe er es mit einem Gesicht gar nicht. Bloß meine Mama schätzte die Situation real ein und sprach mit mir, wenn auch leise
und nur über den Geschmack der Wurst. Bei uns ist es manch-
mal so: Vater hat die Argumente Mutter die Gefühle. Beidesin einer Person stelle ich mir prima vor. Und gehen bei Papa
die Argumente mal aus setzt er sich durch. Sozusagen aus
Zeitmangel. Ich bin eben in unserer Familie die kleinste Person mit dem schwersten Posten: Ich muß mich erziehen las
sen. Solange ich das nicht merke mache ich mit.Als ich nun mit Mama die Wurstgespräche ausgiebig durchgekaut hatte - sehr leise versteht sich - und nur noch Pelle und
Heringsgräten die.Teller verunstalteten fragte meine Mutter
45
Was isses denn heute?
We{ß nicht, si ht aus
wie Dienstag, riecht
aber wie Donnerstag.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 50/136
6 Lernen lernen nochmals lernen
wie es in der Schule gewesen wäre. Ich kriegte plötzlich den
Husten und bellte mir die Verlegenheit aus dem Halse; denn die
Frage war viel zu früh gestellt. Aber Mama konnte nicht wis
sen daß es an diesem Tage nicht so wie an anderen war und
deshalb würde es eine Diskussion geben. Für eine Diskussion
standen meinem Vater runde fünfzehn Minuten zur Verfügung;es war Viertel vor acht und Punkt acht saß er freitags vor
dem Bildschirm um sich den Film anzusehen. Und diese fünf-
zehn Minuten hätten gereicht um mich restlos auszudiskutie
ren. Also mußte ich husten. Man kann zwei bis drei Minuten
qualifiziert husten und nachher noch eine Minute lang nach
Luft schnappen. Was macht man jedoch zehn Minuten lang?
Schließlich konnte ich Papa höchstens fünf Minuten für die
Aussprache bewilligen - in seinem Zustand.
Irgendwer klopfte an die Tür.Sofort ließ ich meinen Husten aussetzen. Herr Knopke trat in
die Stube. Er stand da wie ein Geist in Stiefeln undMama ist nämlich im Elternbeirat
und hat mich in persönliche Pflegelächelte optimistisch wie auf einem Erster-Mai-Pla
kat. Mein Glück war Papas Unglück. Papa wolltegenommen auch lächeln aber es blieb bei wollte; denn Herr
Knopke ging an ihm vorbei, als wäre er nicht anwesend sicher
lich nur, um Papas Wunsch auch zu entsprechen.
»Liesel«, sagte Herr Knopke, »wenn dein Mann zurückkommt
sag ihm er soll den Brief morgen früh mit in die Stadt nehmen.
Da ist der Kostenanschlag für den Rinderstall drin und ein
Schreiben an den Vorsitzenden.«
»Mach ich, Karl«, flötete mein Vater fröhlich und stolperte fast
vor Eifer Herrn Knopke entgegen. Mama nickte verlegen.
Herr Knopke wollte von Papa überhaupt nichts wissen und
sagte: »Und dann Liesel hätt ich noch etwas gehabt aber das
muß ich mit ihm selber ausmachen.«
»Aber Karl«, lenkte Mama ein und blickte von Karl zu Richard.
»Nu laß doch mal den Quatsch Karl Komm, setz dich schön
ich bitt dich« flehte mein Vater und schob dem Mann groß
zügig einen Stuhl zurecht.
Das alles war recht spaßig. Vater wollte Herrn Knopke jetzt ein-
reden daß er da sei.
»Nimm Platz« bettelte auch Mama, »komm, sei nicht nachtragend Karl. «
Herr Knopke setzte und setzte sich nicht. Ja er tat sogar so
als gäbe es in unserer Stube gar keinen Stuhl keinen Tisch
keinen Vater. Ganz unverdrossen sagte er zu meiner Mutter:
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 51/136
Lernen lernen nochmals lernen
»Grüße deinen Herm Gatterich, Liesel, wenn er zurückkommt,
ja?«
»Nu sei doch nicht so albern, Karl«, bemühte sich abermals
Papa. »Das war doch nur ein großes Mißverständnis. Mein
Junge, weißt du, mein Junge, der hat das vermasselt, und
da ... «
Herr Knopke ging, und ich war zum zweitenmal schuldig.
Inzwischen war es auch fünf vor acht Uhr und für mich der rich-
tige Augenblick, mein Mißgeschick aus der Schultasche zu
packen. Im Schülertagebuch hatte mein Vater den Satz zu un-
terschreiben: »Heinz hat mich heute
belogen « Das war eine Tatsache.
Wie in Blei gegossen stand sie da.
Dieser Satz ließ sich weder biegen
noch umgießen. Mein Lehrer hatte
nämlich gefragt, ob alle ihre Haus-
aufgaben gemacht hätten. Wer
nicht, solle aufstehen. Ich hatte
nicht und stand nicht auf, weil ich
annahm, er kontrolliere das nicht,
schließlich macht er es manchmal
so. >Na da werden wir mal sehen,
ob das stimmt<, hatte Herr Hauß-
mann gesagt. Und da war ich fällig.
Ich gebe zu, daß es nicht jedem täg-lich schriftlich bescheinigt wird,
wenn er einmal geschwindelt hat.
Aber in der Schule ist das anders:
Wir werden erzogen.
Vater starrte auf den Satz, als wäre
er mein Nachruf. Zunächst sagte er
nur: »Ach ...«
>Ach ist immer gut. Zudem hatte er
einen neutralen Ton gewählt, der zu nichts verpflichtete. Daserschien mir sehr ungewöhnlich, aber ebenso geschickt und
gekonnt, wenn ich an die Situation dachte, in der er sich be-
fand.
Papa machte ein bißchen Platz auf dem Tisch.
Er stieß dabei eine Tasse fort, die über eine Gabel purzelte und
n die Fischgräten fiel. Doch sofort stellte er sie wieder auf, ja,
es sah sogar aus, als wäre er über diesen Unfall selber entsetzt.
Und das war ein gutes Zeichen•
7
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 52/136
8
n einer Schule inLeipzig behandeltder Lehrer die
Nutzpflanze Tee. DieKinder zählen Tee-
sorten auf. Da mel-
det sich Fritzchen.»Ich kenne nocheine weiter SorteSED(ee).« - »Ja« sagt der Lehrer»und was weißt du
über die Wirkung?«
- »Zum Einschlafen.«
Lernen lernen nochmals lernen
Ruhig sagte er: »Heinz, das hätte ich nicht erwartet.« Er stand
auf holte seinen Füllfederhalter und runzelte die Stirn.»Ich auch nicht« meinte Mama. Sie tat mir etwas leid. Mama
ist nämlich im Elternbeirat und hat mich in persönliche Pfle-ge genommen. Und dort kann sie dann schlecht über andere
Schüler sprechen wenn es beim eigenen nicht in Ordnunggeht.»Papa hätte auch unterschreiben müssen - bei vergessenen
Hausaufgaben. Und da ich nie etwas vergessen darf habe ich
es mal so versucht. Bei manch anderen klappt es bei mir gehts
schon beim erstenmal schief.«»Gelogen is t gelogen« sagte Papa. »Und wer lügt betrügtauch « Das sagte er allerdings viel zu laut.
Mutter guckte ihn an. Sie wollte mit dem Blick Papa bremsen.
Aber der war nicht mehr zu halten. Sicherlich sah er den Satz:
HEINZ HAT MICH HEUTE BELOGEN von Haus zu Haus wan-
dern von Konsum zu Konsum, im Dorfmaßstab. Oder war der
Grund seines plötzlichen Aufbrausens darin zu suchen daß erbei mir nicht den Widerstand vorgefunden den er erwartet
hatte - auf Grund der heiklen Telefongeschichte? Dabei hatte
ich mich so fair benommen und er wurde plötzlich unfair. Alsounterschätzte er mich. Und das kann ich schon gar nicht lei-
den. Wir werden sowieso immer unterschätzt.»Gelogen«, wehrte ich mich, »das klingt viel zu dick. Das war
doch bloß eine kleine Schwindelei und ...«
» .. mit Schwindeln fängt es an mit ... «
Nein, er sagte nicht womit es aufhörte nein nichts rein garnichts kam mehr heraus. Wir sahen uns fest in die Augen. Ich
guckte Papa guckte ich guckte geradezu klassisch wie im
Fernsehen da gucken sich auch manchmal zwei an ohne waszu sagen und doch weiß man, was jeder meint. Und Mama
guckte auch mit, mal zu mir, mal zu Papa. Wie ein Ringrich
ter. Und da waren wir uns plötzlich alle drei einig.
Vater unterschrieb und sagte: »Das kommt mir aber nicht mehrvor, Heinz «
»Nein«, schwor ich und wäre ihm am liebsten um den Hals ge-
fallen. Doch das schickte sich in meinem Alter nicht.
Plötzlich krachte ein Schuß. Eine Glasscheibe splitterte. EineFrau schrie. Ein Stuhl fiel um.
Im Fernsehen hatte der Kriminalfilm begonnen.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 53/136
Lernen lernen nochmals lernen
Johannes onrad
lJio systo tatiseAo B11twie l l ~ I Jdo1 i11dllieA 11 PAa11tasio d ~ t eOiH 81Jto11tpttttlSohn: Papa, ist das richtig, wenn ich schreibe: Der Vogel pfiff
ein Liedchen?
Vater: Ja, eigentlich ... Pfiff eine Melodie, das wäre wohl rich-
tiger. Aber warum ... Also, ich finde das ganz hübsch. Es ist
nur etwas wenig. Sei nicht so faul, Horst Laß doch den Vogel
irgendwo sein beim Pfeifen. Im Grase oder wo weiß ich.
Sohn überlegt längere Zeit und ißt dabei einen halben Bleistift
auf Dann freudig): Papa, der Vogel lag im Grase und pfiffel
te ein Liedchen?Vater: Hm Bloß »pfiffelte« ist jetzt
falsch. Du mußt schreiben: pfiff -
pfiff ein Liedchen.
Mutter: Aber Vögel liegen doch nicht,
Arthur. Vögel können doch nicht im
Grase liegen.
Vater: Warum sollen Vögel denn nicht
im Grase liegen können? Wie oft
habe ich schon Hühner im Sand lie-gen sehen.
Mutter: Aber Vögel doch nicht, Mann Kein Mensch hat je le
bendige Vögel im Gras liegen sehen. Da lachen ja die Hüh
ner
Sohn: Was soll ich nun schreiben?
Vater: Hühner sind zwar auch Vögel, aber wenn deine Mutter
findet, daß Vögel nicht im Grase liegen können, bitte Dann
schreib doch: Der Vogel flog dahin oder so ähnlich ...
Mutter: Wenn du dem Jungen die Sätze vorsagst, dann wird sichseine Phantasie nie entwickeln. Das ist unpädagogisch.
Sohn weinerlich}: Was soll ich nun schreiben, Papa?
Vater: Frag doch die Mama. Die weiß das ja doch viel besser
Mutter: Was kann denn so ein Vöglein noch?
Sohn: Ein Vöglein kann noch .. picken kann es noch
Mutter: Was macht also der Vogel?
Sohn: Der Vogel pickt ein Liedchen.
Vater: Aber Horst
9
Gut so sachlich alles
richtig.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 54/136
5 lernen lernen nochmals lernen
Mutter: Der Vogel kann doch kein Liedchen picken, Horst Was
pickt er nun wirklich? Denk mal an unser Brot. Woraus wird
es gemacht?
Sohn: Aus Teig.
Mutter: Und woraus wird der Teig gemacht?
Sohn: Gestern war ein Stück Bindfaden im Brot.Mutter: Unsinn
Vater: Der Junge hat recht. Gestern war ein Stück Bindfadenim Brot.
Mutter: Bitte, Arthur Du weißt doch genau, was ich erreichenwill.
Sohn: Was soll ich nun schreiben?
Mutter: Horst, stell dich mal nicht so an. Bist du denn nicht
mehr unser schlauer Junge? Uta Möller hätte jetzt schonzehn Sätze gebildet
Vater: Weißt du übrigens, Lotte, daß der Möller jetzt einen Tra-
bant hat?
Mutter: Wie die Leute das nur machen? Aber sie hat ja beimFleischer nur ...
Vater mit warnendem Blick}: Ja, ja, die Uta. Die Uta hätte aberwirklich schon zehn Sätze ...
Mutter: Horst wird das auch bald bringen. Er ist doch ein ech-
ter Wünsch und kommt auf Opa raus. Gell, Horst? Also, was
picken die Vögel? Was zum Beispiel wird in der Mühle ge-
mahlen?Sohn: Kaffee.
Mutter: Ja Aber ich meine die Mühle am rauschenden Bach.
Mutter sin t erregt) Bei Tag und bei Nacht ist der Müller stetswach ...
Sohn singt}: Klipp, klapp ...
Mutter: Na siehst du Und dann kommt: Er mahlet Was abermahlet der Müller?
Sohn: Der Müller mahlet ... in der Mühle mahlet der Müller.
Mutter: Ja, was aber? Der Müller mahlet das ...?Sohn: Er mahlet das ...? Das Korn mahlet er für das tägliche
Brot. Und ...
Vater: Richtig, mein Junge
Mutter: Siehst du, Arthur, so kann sich seine Phantasie ent-wickeln. Und er lernt logisch denken. Was also picken die Vö-
gelchen, Horstelmann?
Sohn: Was denn?
Mutter: Na, was der Müller mahlet
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 55/136
Lernen lernen nochmals lernen
Sohn: Korn mahlet der Müller.
Mutter: Wie heißt also dein Satz?
Sohn: Was für ein Satz?
Mutter: Den du bilden sollst, Junge
Sohn: Ach so Der heißt: Die Vögel picken ein Liedchen.
Mutter: Das Korn picken die Vögel, Junge, das Korn
Sohn weinerlich): Der Satz soll doch mit Vogel und Liedchen•
sein.
51
Mutter: Ach so Was kann denn ein Vogel noch?Sohn: In der Zeitung stehen kann ein Vogel noch.
Mutter klagend): Und was noch?
Du siehst aber Arthur daß man
m t einigen pädagogischen Knif-
fen immer ans Ziel kommt.Sohn: Sitzen kann er.
Mutter: Ja, sitzen kann er. Also: Der Vogel s ß ...?Sohn: Der Vogel s ß im Grase und pfiff ein Liedchen.
Mutter: Ein Vogel s ß im Grase? Ich weiß nicht ... Im Grase
sitzen? Klingt das nicht falsch, Arthur?
Vater: Ja, wenn ich mir das so vorstelle, dann kommt mir das
auch merkwürdig vor. Ein Vogel s ß im Grase - ? »saß« ist
wohl hier nicht richtig. Muß er denn durchaus im Grase sit
zen, Horst?
Sohn: Nein, er kann auch auf einem Baum sein.
Mutter: Fein, Horst. Jetzt haben wirs. Also, wie lautet jetzt der
Satz?
Sohn: Der Vogel stand auf einem Baum und pfiff ein Liedchen.
Mutter: Vögel stehen nicht pfeifend auf Bäumen Das ist j
zum Verzweifeln Jetzt schreib, was du willst.
Sohn mit zweifelnder Stimme): Der Vogel stand am Postschal
ter und pfiff kein Liedchen?
Mutter nickt gleichmütig): Bitte, dann schreibe das.
Vater: Aber, Lotte, das kann er doch nun wirklich nicht ... Also,
Horst, paß mal auf: Hier haben wir den Vogel, und dort haben
wir das Liedchen. Nun mach mal einen ganz einfachen Satz
draus
Sohn heulend): Der Vogel pfiff ein Liedchen.Vater: Na endlichMutter streicht dem Sohn übers Haar): Nun heule mal nicht mehr,
mein Horst, das kannst du jetzt schreiben. Was würdest du
nur für Sätze ohne uns bilden? dann zum Vater) Du siehst
aber, Arthur, daß man mit einigen pädagogischen Kniffen
immer ans Ziel kommt. Man muß nur systematisch vorgehn
Sohn besänftigt schnuffelnd): So, und jetzt brauche ich nur noch
neun Sätze zu bilden•
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 56/136
52 lernen lernen nochmals lernen
Ottokar Domma
lls ie „ dor P i o e i o r r o p ~ O l l i war
Liebe Mutti lieber Vati
Heute will ich mal was von meinen Ferien schreiben weil essein muß. Jeden Tag fragt unser Gruppenpionierleiter ob wir
auch die Eltern nicht vergessen haben. Als er von mir wissen
wollte ob ich schon geschrieben habe antwortete ich: Eigent
lich nicht und ich möchte auch meinen Eltern den Schreck er-
sparen. Denn wenn sie plötzlich Post von mir bekommen den-
ken sie mir fehlt was oder es ist was passiert. Aber hier nimmt
man auf solche Lebenserfahrungen leider keine Rücksicht.
Trotzdem bin ich gesund und immer satt und ich will Euch jetzt
das Leben und den Ablauf schildern.
Hier ist es landschaftlich und pioniermäßig gesehen sehr
schön. Es gibt Wald und Hügel und einen tollen See. Man kann
auch baden. Die Bäume sind noch grün weil es keinen sauren
Regen keine Fabriken keine Müllhalden und andere Umwelt-
verschmutzer gibt. Dazwischen stehen Unterkünfte und Häu-
ser. Nicht solche wie Vater sie baut mit Fertigteilen und sosondern mehr im jugendlichen Stil damit wir uns wohlfühlen.
Das Haus in welchem wir untergebracht sind hat 20 Zimmerund die Nummer 5. Und man hört verschiedene Sprachen. In
meinem Zimmer spricht man berlinisch mecklenburgisch undaltmärkisch also fast richtig deutsch. Die anderen Sprachen
stammen von den Bergvölkern unserer Republik nämlich säch
sisch-schweizerisch und oberhöflich. Aber sonst sind sie prima
Kumpel.Auch gibt es hier Kinder aus verschiedenen Erdteilen beson-
v
ders aus der Sowjetunion Polen CSSR, Ungarn Bulgarien und
noch mehr, ich habe sie nicht alle gezählt. Mit ihnen verstehenwir uns sehr gut zum Beispiel beim Spaßmachen Sport und
Baden. Es gibt keine Lachschwierigkeiten. Bloß beim Sprechen haut das noch nicht so hin. Die Leninpioniere zum Bei-
spiel verstehen mein Russisch nicht obwohl ich schon fast
zwei Jahre lerne. Aber beim Raschkeni so heißt ein lustiges
Spiel klappt auch die Mundverständigung. Das geht so vor
sich: Wir stellen uns im Kreis auf. Ein Junge erwählt sich ein
Mädchen oder umgekehrt. Sie stellen sich in die Mitte Rücken
an Rücken und wenn wir anderen raß dva, dry zählen müs-
sen die beiden ihren Kopf links oder rechts drehen und wenn
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 57/136
Lernen, lernen, nochmals lernen
sie beide auf dieselbe Seite drehen, müssen sie sich küssen.
Einer aus Berlin, der versteht das. Er wird bald das Abzeichen
für gutes Küssen bekommen.
Ich war auch mal dran, und die Natalia gefiel mir nicht schlecht.
Bei der fünften Mundverständigung sagte sie schon danke, und
weil mir kein anderes Wort einfiel,sagte ich: »Nu bagadie « Da lief sie von
mir weg. Schade
Jetzt will ich euch den Tagesablauf be-
schreiben. Um 6 Uhr ist Wecken, da
kräht ein Hahn. Kein richtiger, sondern
aus dem Lautsprecher, sonst hätte ich
dem ekelhaften Vieh schon den Kragen
umgedreht. Dann folgt Frühsport, ent
weder Gymnastik oder Waldlauf und
•
lllll llll llll
) ). ~ - - • < ._. .• • • •
danach treffen wir uns im Waschraum. Das Wasser ist zwar
kalt, aber trotzdem gesund. Für Dich wär das nichts, Vati beim
Rasieren würdest Du ganz schön fluchen. Jetzt heißt es, die
Zimmer aufräumen, denn es ist mit einer Kontrolle zu rechnen.Diese besteht aus Ordnungskommissionspionieren. Als sie zu
mir sagten: Zeig dein Fach , antworte-
te ich: Ihr könnt es ja suchen. Ich sage
kalt oder warm oder heiß - je nach
dem. Dafür bekam ich einen Minus-
punkt. Wenn die Mädchen erst eineFunktion haben, und die Ordnungs
schnüffler sind Mädchen, dann bringen
sie sich fast um vor Wichtigkeit.
Nach dem Frühstück wird gespielt
oder ein Spaziergang unternommen,
zum Beispiel zum Garten der Freund
schaft. Dort sind viele Gewächse von
••• ••
ausländischen Delegationen zu sehen. Nach dem guten Mittag
essen, von dem ich mir oft noch was nachhole, gibt es Mittagsruhe, die man auch wachsam verbringen darf, aber im Zimmer.
Nachmittags ist meistens Baden oder wir exkursieren ins Tou-
ristenlager. Und so vergeht der Tag bis zur Nachtruhe. Sie wird
bloß unterbrochen, wenn der Pilei vom Dienst unsere Füße
kontrolliert. Das ist wahrscheinlich nicht immer ein schöner
Anblick. In diesem Falle kann man auch von einer Nacht
völkerwanderung sprechen, und zwar zum Waschraum. Das
Wort Kontrolle verstehen alle ausländischen Freunde .
O
5
0
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 58/136
5 Lernen lernen nochmals lernen
Aber sonst ist unsere Pilei Katharina einsame Spitze. Es gibt
sicherlich noch mehr solche Spitzen aber man kann ja nicht
alle Namen behalten. Die Katharina ist deshalb prima weil sie
mit uns wie mit vernünftigen Menschen spricht.Es
gibt auch eineM
und einen Da kann sich mancher Pilei und auch Lehrer eineT 34, aber das sind schon alte Vete-Scheibe abschneiden. Auch gibt es viele Attrak-
ranen zum Spielen, und sie sind als
1 h· ht h f h
1. h tionen zum Beispiel eine Jurte aus der Mongo-
so c e nie me r ge a r c .1. h {7: lk blik d. ·t s k1sc en vo srepu 1e man nur mi oc en
und Ehrfucht betreten darf also nur zum Angucken. Kathari-
na hat mir hinterher gezeigt wie man Socken stopft. Es gibt
auch eine MIG und einen T 34 aber das sind schon alte Vete
ranen zum Spielen und sie sind als solche nicht mehr gefähr-lich.
So, das wärs das andere erzähl ich zu Hause. Ich hoffe, daßIhr gesund seid. Liebe Mutti wegen der Sauberkeit brauchst
Du dir keine Sorgen zu machen. Ich geh fast jeden Tag baden
und wasch mir sogar den Hals und die Ohren. Damit Du nicht
so viel Klamotten von mir waschen mußt zieh ich mich nicht
so oft um und bringe die meiste Wäsche und Hemden sauber
nach Hause. Der Jana könnt Ihr auch einen Gruß bestellen.Es grüßt Euch Euer Sohn und Pionier
Ottokar
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 59/136
•
• 1t • „, •· w . . •• r iS _.. - ...._ a
. ; R • i „ '* ,, • fff o 1r• _ ·• '. u- "- - . -
ENGLISH FOR YOU: Mit ~ n e r 1 ~ .
freundl\dM n „HallFo, v l e ~ ' J ' ~ ~ ~ „ten Tag, l ~ b e erMe•• „
wird Fernsehlektorln D i ~ n a i.oeseram
4. September alle Tetlnel\rner des
C fttad\kurses ,.En Usl'I .for~ ~ ~ ~ d •you• zur ertten Sen una ~ „ „ t e t \·Dle ente Sendung hat den ,„How are ·you? · Wer sind Sie.
. S .hül vor » und GottE. Lehrer liest semen c ern . . . . Eif .
in . . d Menschen drei Fische.« ng•
.....
verteilte unter ·en hr o1bt keinen. . . »Herr Le er es o ;i
Gott.<< _ »Nun, das mu .gibtja bei uns auch keinen Fisch.«
Einern Studenten der Tiermedizin werden zur Abschlußprüfung
drei Knochen vorgelegt. Der Professor fragt den Studenten:
>>Können Sie diese Knochen bitte zuordnen « Der Student kommt
ins Schwitzen und kann die Frage nicht beantworten. Der
Professor will dem Studenten helfen: »Na worüber haben wir
denn das ganze letzte Semester gesprochen?« Darauf der
Student >>Sagen Sie bloß, das sind die Knochen von Marx,Engels und Lenin?<<
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 60/136
6
•
Lernen lernen nochmals lernen
Jochen Petersdorf
O O ~ I I t
»Guten Tag«, sagte Benno Blaschke und sah den Mitgliedern
des Prüfungskollegiums nacheinander fest in die Augen. Ziem-lich blaß, die fypen, dachte er. Möchte bloß wissen, warum?Der ganze Film ist doch so gut wie gelaufen, und außer RonnyMüller und Tina Muffland ist doch kein Schwanz eingebrochen.Aber vielleicht ist das schon zuviel? Man weiß ja nicht, was siesich füm Kampfziel gesteckt haben. Mein Gott, jetzt haut sichFräulein Mirschel noch ne Dröhnung rein. Die hat doch vor-
hin in der Pause schon ein Pfund Tabletten geschluckt. Ob die
überhaupt noch durchsieht? Außerdem könnte sie sich ein bißchen straffer hinsetzen. Hat doch was zu zeigen, die Mutter.
zusammenfassend kann man Jetzt grinst se krampfhaft. Armes Huhn. Schade, daßsagen, daß Lenin als kollektiver man nicht so kann, wie man möchte. Na schön, ichOrganisator, Agitator und glaube, der dicke Bombach willn Satz ablassen. Was
Propagandist mächtig einfetzte. sagt er? Ob ich präpariert bin? Ein Komiker vor demHerrn Hat mich doch selber präpariert. Gespickt sagt
man jawohl nicht. Immer sauber bleiben. Also, dann wollnwir
mal. Ich werds kurz machen. Die Fans haben sicherlich schonganz schönen Knast in den Röhren.Benno Blaschke räusperte sich kurz und trocken, schlug die
Beine übereinander und begann:»Lenin im Oktober. Als Lenin auf dem Bjelorussischen Bahn-
hof ankam, hatten sich die Dekabristen und die anderen Mit-
glieder der Duma vollzählig zu seiner Begrüßung eingefunden.Immer wieder erscholl der von rhythmischem Klatschen beglei-tete Kampfruf >Aus dem Funken wird die Flamme schlagen <.
Lenin wehrte bescheiden ab, bestieg das sprichwörtliche Panzerauto und appellierte an die Putilowarbeiter, unverzüglichdie Elektrifizierung des ganzen Landes in Angriff zu nehmen,
denn das zaristische Rußland war ein Völkergefängnis. Darauffuhr Lenin zum Wmterpalais und leitete von dort den Sturm aufden Smolny, nachdem die Schüsse auf der Newa das Eis desSchweigens gebrochen hatten. Die Revolution ergriff dann auchdie Massen, weil sie das schwächste Kettenglied gefunden hatten und mit Disziplin und den vier Faktoren der Überlegenheitausgerüstet waren. Hinzu kam, daß sich an den Fronten eineKriegsmüdigkeit zeigte. Mit dem Appell an alle, an alle, an allewurde dann der Boden denen zugeführt, die ihn bearbeiten,
und die Partisanen vom Amur jagten die Kulaken bis zum Stil-
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 61/136
Lernen lernen nochmals lernen
len Ozean. Zusammenfassend kann man sagen daß Lenin alskollektiver Organisator Agitator und Propagandist speziell indiesen Oktobertagen mächtig einfetzte so daß wir heute ineiner Epoche leben die gekennzeichnet ist vom weltweitenÜbergang des Kapitalismus in den Sozialismus. Ich danke für
die Aufmerksamkeit.«Benno Blaschke erhob sichund verließ mit nettemGruß den Prüfungsraum.Bei der Beratung wollensie sicherlich unter sichsein dachte er.
An der Tür schaute er sichnoch einmal -um und warleicht erschrocken überdas Bild des Jammers dassich ihm bot. Fräulein Mir-
schel lag mit dem Oberkörper auf dem Tisch undstopfte sich eine Tabletteins Ohr. Der dicke Lehrer Bombach versuchte seinen Schlipszu zerbeißen Studienrat Knippling warf sich pausenlos Ziga-
retten über die Schulter und sang dazu das Sandmännchenlied.Und Direktor Timmermann hielt seine Taschenuhr in die Blu-
menvase und murmelte: »Wir verlesen jetzt die Wasserstandsmeldungen und Tauchtiefen.«Benno Blaschke schloß leise die Tür von außen setzte sich insFlurfenster und steckte sich erst mal eine an. Die Mitschülerumringten ihn. Die üblichen Fragen.»Alles okay« sagte Benno. »Ich hatte nicht einen Hänger. Aberdie fypen sind von der ganzen Prüferei schon so mürbe ichglaube die haben bloß die Hälfte kapiert.«Dann wurde Benno wieder hineingerufen.
Fräulein Mirschel s ß straff und gut geforn1t und lächelte. Derdicke Bombach hatte seinen Schlips korrekt gebunden und lä-
chelte. Studienrat Knippling steckte die letzte Zigarette in diegut gefüllte Schachtel und lächelte. Direktor Timmermann trugseine Uhr wieder in der Westentasche lächelte und sprach:»Lieber Benno Blaschke. Du hast einen entscheidenden Fehlergemacht: Die von dir gebrauchte Formulierung >Lenin fetztemächtig ein< zeigte uns daß du uns ein bißchen auf den Armnehmen wolltest ui;id deinen ganzen Vortrag gewissermaßen als
heitere Conference als Jux abgezogen hast. Du glaubst da du
57
Noch ein- oder zwei
mal mein Lieber dann
nehme ich nicht mal
mehr ücksicht auf
mich selber und schreibein dein Zeugnis wie du
in Wirklichkeit bist.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 62/136
8 lernen lernen nochmals lernen
ja deinen Lehrvertrag bereits in der Tasche hast können wirdir auch mit der schlechtesten Note nicht mehr die Suppe ver-salzen. Das ist vom moralischen Standpunkt so schäbig daßwir fast geneigt waren dich entsprechend zu benoten.Die Fülle der schelmisch durcheinandergewirbelten konkretenFakten Begriffe und im weitesten Sinne sogar Zitate mit denendein Vortrag durchsetzt war zeigte uns jedoch wie gut du
eigentlich im Stoff stehst und wir kommen trotz deines unge-hörigen Schülerstreichs nicht umhin, deine Leistung mit gut zu
bewerten und dir zur bestandenen Prüfung zu gratulieren. Herz-
lichen Glückwunsch lieber Benno.«
Auf dem Heimweg traf Benno einen von der 26. Oberschule. Ererfuhr daß dort drei Schüler durchgefallen waren.»Bei uns bloß zweie«, sagte Benno. »Da stehn unsere Lehrerstatistisch besser da. Fetzt ein «
.
•
•·• .
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 63/136
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 64/136
60
>>Tut mir leid mein
Mann kann nicht schonwieder zu einer Sitzung
kommen.
Was des olkes Hände schaffen
Heli usse
t ie '
»Also liebe Kollegen« sagte der Vorsitzende der Abteilungs-Gewerkschaftsleitung in der Mittagspause. »Wir müssen in
dieser Woche unbedingt noch eine Gewerkschaftsversamm-
lung durchführen, denn ... «
In diesem Augenblick setzte das Klappern der Löffel das mit
Beginn der Rede des Vorsitzenden für einen Augenblick aus-
gesetzt hatte, mit voller Wucht wieder ein, und die Kollegin
Trübsam sprach trotz der Erbsensuppe im Mund: »In dieserWoche jeht det nich.«»Es muß«, sagte der Vorsitzende energisch, »denn ... «
»Es jeht wirklich nich« bestritt
die Kollegin Trübsam die An-sicht des Vorsitzenden, »denn
sieh mal: Heute is Theateran-
recht, morgen is Film im Fern-
sehn, übamorchen is Probevom Chor übaübamorchen isein Kulturabend, und denn is
der Tag wo mein Mann keineVersammlung hat, da kann ick
doch nich in 'ne Versammlunggehen, nich? Und denn is
Sonntag ... «»Dann is noch lange nich
Sonntag«, behauptete der Vorsitzende und stellte hart und kon-
kret die Frage: »Wer kann am Mittwoch?«
Er zählte sieben erhobene Löffel für Donnerstag stiegen nur
sechs Löffel in die Höhe und für Freitag nur einer. Es war nichtmöglich alle erforderlichen vierzehn Löffel für einen Tag hoch-
zubekommen.»Det is j janz klar«, stellte die Kollegin Trübsam sachlich
fest. »Jeder hat eben was vor an den Abenden. Wen wundert
det? Harn wir j alles selber orjanisiert, nich? Wer is denn je-
kommen und hat uns für den Chor jewonnen? Wer hat denn
det Theateranrecht an uns heranjetragen? Wer macht denn
die Kulturabende? Na die Gewerkschaft, wenn ich mich nich
irre. Und nu solln wa plötzlich eine Vasammlung machen
Kinda denn müßte ick mich j in Stücke reißen, nich?«Und
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 65/136
asdes olkes Hände schaffen
sie löffelte mit verbissener Wut die Erbsen weiter. Während
der Vorsitzende erschrak, weil es gegen die Arbeitsschutzbe
stimmungen verstoßen würde, wenn sich die Kollegin Trübsam
in Stücke risse.
»Dann werden wir eben die Chorprobe verlegen«, sagte der Vor
sitzende und freute sich über den guten Einfall.
»Die Chorprobe verlegen?« schrie die Kollegin Trübsam da und
starrte den Vorsitzenden so fassungslos an, als hätte der vor
geschlagen, den gesamten Chor mit Dynamit in die Luft zu
sprengen. »Die Chorprobe verlegen? Ja, wo bleibt denn da die
kulturelle Massenarbeit? Wo bleibt denn da die gewerkschaft
liche Initiative, wenn die Gewerkschaft die Initiative lähmt? Der
Chor probt Der Chor ist unser Sorgenkind «
»Det is schön«, sagte der Vorsitzende, »det ihr weiter keine Sor-
61
genkinder habt. Es jibt Leute, ---n---- .. ... --- . . -1
- -.. . ..-- : : -----:-:-----:--------
die ham andere Sorgen. Aber
die Versammlung muß trotz
dem durchgeführt werden. Das
verlangt die Werkleitung vonuns.«
»Die Werkleitung? « wunderte
sich die Kollegin Trübsamabermals. »Die Werkleitung -
also, ick will ja nich sagen -
kann uns mal, aber sie könnteuns In verschiedenen Rich
tungen. Denn teil also der
Werkleitung bitte mit, daß sie
zunächst mal die Kollegen zu befragen hat, ob die Kollegen
damit einverstanden sind, was die Werkleitung möglicherwei
se jeme möchte machen. Junge, Junge, wir sind doch hier nich
in Westdeutschland «
»Jetzt reicht mir's aber « brüllte der Vorsitzende, ganz entgegen
seinen sonstigen Gepflogenheiten in der methodischen Erziehung der Kollegen. »Wir müssen die Versammlung machen, um
die Prämien für das Quartalsende festzulegen «
In diesem erhebenden Augenblick blieben alle Löffel in der
Erbsensuppe stecken, und die Kollegin Trübsam sagte weich:
»Aber Erich, warum haste mir denn das nich jleich jesagt. Du
weißt doch janz jenau: wenn's notwendig is, bin ick da «
Und der Vorsitzende zählte 24 erhobene Löffel für heute abend.
.w
Alles Reklamationen.
Langsam kriegen wir••
einen Uberblick wo wir
qualitätsmäßig stehen. «
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 66/136
62 Was des Volkes Hände schaffen. . - . . ' . . - -_ . . . . ' ' ' - · ~ . ~ ~
•
udolf homas
i to ritas
Felix - Rangiermeister, Schulze - Hygieneinspektion, Lehmann -
Bahnhofsaufsicht, Meier - Transportpolizei, Müller - Leiter desStaatlichen Getränkekontors Dresden, Otte - Außenstelle Görlitz.
Von draußen hört man es krachen, scherbeln und klirren; uf eregt
kommt der Rangiermeister zur Bahnhofsaufsicht.
Felix: Kollege, Kollege, es ist was passiert
Lehmann: Kollege, nach den Gesetzen der Dialektik passiert
immer etwas, es gibt keinen Stillstand. Bei der Eisenbahn
schon gar nicht. Kommen wir zur Konkretisierung und damit
zur Frage: Was ist passiert?
Felix: Ein Wagen ist beim Verschieben auf den anderen aufge
fahren, ziemlich derb sogar.
Lehmann: Kollege, was sagt uns das?
Nun also, es sagt uns, daß jede Unacht
samkeit, sie sei, wie sie sei, uns an der
Planerfüllung und somit am Wohlstandhindert. Ich meine, so ...
Felix: Abgesehen von Ihrer Meinung - es
handelt sich um einen Kesselwagen.
Lehmann: Kesselwagen? Gut. Wrrwerdennach Abschluß unseres Disputs die Feu
erwehr alamieren.Felix: Es ist Wein drin, dreißigtausend Liter französischer Im
port-Dessertwein ...
Lehmann: Wein? Das ist gut. Wissen Sie übrigens, daß der häu
fige Genuß schwerer Dessertweine ärztlicherweise gar nicht
empfohlen werden kann?Felix: Zum Donnerwetter, empfohlen hin, empfohlen her Beim
Kesselwagen ist eine Schweißnaht geplatzt, der Wein läuftaus, zwar langsam, aber er läuft
Lehmann: Wie konnte denn das passieren?
Felix: Die Kollegin Rangiererin hat den Hemmschuh zu spät ge
legt ...
Lehmann: Aha springt auf) Rufen Sie die Kollegin Hemmschuh
Felix: Himmelkreuzbombenelement Reden Sie nicht so lange
herum Sorgen Sie lieber dafür, daß der Kessel schnellstens
abgepumpt wird.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 67/136
asdes Volkes ände schaffen
Lehmann: Natürlich, das hätte ich doch sowieso getan. Gehen
Sie inzwischen auf den Wein aufpassen, halten Sie den Dau
men drauf oder besorgen Sie sich aus der Sanitätsstube 30 m
Leukoplast. wählt dreimal)
Müller: Hier Staatliches Getränkekontor Dresden.
Lehmann:Ja,
hier ist der Güterbahnhof Dresden-Friedrichstadt.Sagen Sie mal, Kollege, haben Sie einen Kesselwagen mit
französischem Wein, Import-Dessertwein, bei uns herumstehen?
Müller lachend}: Was, französischer Import-Dessertwein?Lehmann: Die Lage ist sehr ernst.
Müller: Ja, was ist los?
Lehmann: Beim Rangieren wurde ein Kesselwagen mit dreißigtausend Litern französischem Import-Dessertwein irgendwieso 'n bissel beschädigt. DerWein läuft aus. Kommen Sie doch
mal rüber und pumpen Sie den Kessel aus
Müller: Moment mal Wohin ist denn die Fracht deklariert?
Lehmann: Ja, das weiß ich doch nicht.
ruft nach draußen) Guck doch mal nach,
wer die Brühe kriegen sollte
Felix von draußen): Staatliches Getränkekontor, Außenstelle Görlitz.
Lehmann im gleichen Tonfall): Staatliches
Getränkekontor, Außenstelle Görlitz.
Müller ebenfalls im gleichen Tonfall):
Staatliches Getränkekontor, Außen- „ „
stelle Görlitz. Na also, dann ruft doch
Görlitz an Die sollen kommen und die Ware retten ExakteArbeit ist alles. ab}
Lehmann: Verdammtes Bürokratenvolk Also, dann Görlitz.
Das ist die 12. besieht sich die Telefonscheibe) Die ist gar nichtdrauf - Ach, hier, 1, 2
Otte: Hier ist das Staatliche Getränkekontor, Außenstelle Gör-
litz.Lehmann: Und hier ist der Güterbahnhof Dresden-Friedrich
stadt.
Otte: Kollege, brülln Se doch nicht so
Lehmann: Das ist doch ein Ferngespräch Kollegen, hört zu
Für euch steht hier bei uns ein Kesselwagen mit dreißigtau
send Litern französischen Import-Dessertweins ...
Otte: Hurra Es lebe die Eisenbahn
Lehmann: Warts ab Mensch Der Wagen ist beim Rangieren
63
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 68/136
6
»Ist es denn gut und
richtig, daß es bei. uns nur eine führen-
de Partei gibt?« -»Aber selbstver
ständlich. Stell dir
mal vor, wie du auf-
passen müßtest,wenn es mehrereführende Parteiengäbe «
as des Volkes ände schaffen
beschädigt worden. Der Wein läuft aus. Was sollen wir denn
nun machen?Otte: Das Zeug retten, natürlich. Oder sollen wir vielleicht 'ne
Schlauchleitung nach Dresden legen? Dresden soll auspum
pen und uns die Ware zustellen hängt ab) Tranlampen
Lehmann: Holzköppe hängt ab) cypische Flucht vor der Ver-antwortung. Also schön, nochmals Dresden. Na der wird
dumm gucken wählt)
Müller: Hier Staatliches Getränkekontor Dresden.
Lehmann: Hier st noch einmal der Güterbahnhof Dresden
Friedrichstadt. Ich habe eben mit Görlitz gesprochen. Die
sagen mir wieder, ihr sollt auspumpen.
Müller: Die haben gut reden. Das muß schon schriftlich ge-
macht werden.Lehmann: Elendes Bürokratenvolk Nun kümmert euch gefäl
ligst selber drum hängt ab, öjfn.et die Frühstücksbüchse) Die
Bemmen vergessen das Telefon klingelt Mensch, ich habe
doch jetzt Frühstück. es klingelt zum zweiten Mal) Güterbahn
hof Dresden-Friedrichstadt.Müller: Hier noch einmal das Staatliche Getränkekontor Dres
den. Also, wir werden die Sache machen. Fragen Sie inzwi-
schen bei der Transportpolizei an, ob wir das Bahngelände
überhaupt betreten dürfen. Ich rufe die Hygieneinspektion an,
ob der Wein noch verkauft werden darf. Ende
Lehmann: Jetzt gehts vorwärts wählt) Also, Transportpolizei.
Meier: Hier ist der Güterbahnhof Dresden-Friedrichstadt. Kol-
legen, bei uns st ein Kesselwagen mit dreißigtausend
Litern französischem Import-Dessertwein beschädigt wor-
den und läuft aus ...
Meier: Wer hat das getan? Agenten?
Lehmann: Nee, nee Nur 'ne kleine Rangiererin.
Meier: Sind Sie sicher?
Lehmann: Ganz sicher Es dreht sich auch nur um die Erlaub
nis zum Betreten des Bahnhofsgeländes.Meier: Sehr einfach; üblicher Antrag in dreifacher Ausferti
gung mit ausführlicher Begründung:
a) Warum Wein aus Frankreich?
b) Warum nicht andere Strecke?
c) Wieso Rangierfehler?
d) Wie heißt der Schweißer, der den Kessel schweißte?
f) Wie hätte vorliegende Sache verhindert werden können?
Lehmann: Wie war gleich c?
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 69/136
asdes olkes ände schaffen
Meier: c) Wieso Rangierfehler
Lehmann: Kollege, bloß der Wein läuft inzwischen aus
Meier: Richtig, fügen Sie unter f) hinzu, wieviel Liter Verlust
pro Minute ab)
Lehmann ruft nach draußen): Die Tröppel zählen
Müller wählt): Hier ist das Staatliche Getränkekontor Dresden.
Schulze: Ja, hier ist die HygieneinspektionMüller: Hören Sie zu Auf dem Bahnhof ist ein Kesselwagen mit
dreißigtausend Litern französischem Import-Dessertwein be-
schädigt worden. Wenn der Kessel ausgepumpt wird, darf
der Wein dann noch verkauft werden?
Schulze: Der Kessel ist beschädigt?
Müller: Ja, ·die Schweißnaht ist geplatzt.
Schulze: Aha, also hat die Außenluft Zutritt. Und damit Bak-
terien, Vrren, Ungeziefer, Würmer, Schnecken und Staub. -
Ich bin nicht sicher. Schicken Sie uns eine Probe mit Darstel
lung des Vorganges. Guten Tag. ab)
Lehmann: Ach, Sie sinds Wie stehts denn draußen?
Felix: Wir haben es geschafft
Lehmann: Geschafft? Also doch Ich wußte es. Wenn wir alle
die Initiative ergreifen und richtig zupacken, werden auch die
schwierigsten Sachen spielend gemeistert. Wer hats denn
nun gemacht?
Felix: Die Kollegen von der Frühschicht. Keiner ist nach Hause
gegangen. Alle haben sie mit angepackt.Lehmann: Alle?? Rufen Sie mir die Kollegen, damit ich ihnen
meinen Dank sagen kann.Felix: Das geht leider nicht, die sind alle besoffen
6
>>Wegräumen lohnt gar
nicht. Die Zwischen-
saison ist ja so kurz.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 70/136
•
~ u f e ~ e m Gerüst s t e h e ~ ~ ~ ., lieh e m ~ Flasche leer. Da s t ~ : : r .Maurer und machen heim-, ~ a s Gemck. •Scheißtrinkerei einer r u n t e ~ ~ d bricht sich . ..I ~ ~ a s ? _ W i r stecken ihm i l i ~ · m a c ~ e n ~ J e t z t ? « - •Wißt ·:
sieht s wie n Arbeitsunf;„11 ande m die Taschen. Dann .c ui aus « .
•
~ ~ ~ , " ' ~ ~ ~ - · . . Z . . : ~Ulbricht hat Geburtstag. Ein Arbeiter der gratulieren will lehnt ;
sein Fahrrad an das Staatsratsgebäude. Ein Sicherheitsbeamter l
sagt: ·Das geht nicht: In wenigen Minuten kommen die sowjetische und d nn die polnische Delegation. •Das macht nichts.
•.Ich hab das Rad angeschlossen.•• . , , . . ~ , . , . - 7 , ~ · ~ ' " < " ' ' f r ~ H " ' " ° ' ., ;;; , , , . , ' ~ ' ~ " " ' " " ' " ' " ' " ' " ~ ~ I T : ; , , , : : : = , ; ; > : ' . . - ~ l
„Eigentlich
., . r t : 1 . .
"
I '' " I .1 ' ' j
r / / I I . a : f m : r . ~ . _ Q i . .J
'
'
._. _ „.. .. t „
.. -- -- -. , : :-
••
„ .„
•
••
•• •
p / 1 ~i { ff " .1
w r j h - · . ,ter g r lce „ -<"
ane Durchreich*' e geplant „
f
t
t ' t ' II I " • '
/1 . . .
Frage: Was ist der Unterschied zwischen :Kapitalism
und Sozialismus?Antwort: Der :Kapitalismus macht soziale Fehler,
Sozialismus macht kapitale Fehler.
»Mal sehe „ „n wen wir diesmal für , .. . ,. n Pramie vorschlagen .. .<<
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 71/136
Was des olkes ände schaffen
Heinz Stockhaus
Der Kreisratsvorsitzende hatte mir geschrieben.
Kurz und wissenschaftlich exakt. Er wünsche mich zu sprechen. Morgen. Dienstag. Punkt zehn. Zimmer 57.
Dienstag. Punkt zehn. Zimmer 57. Sitzungsaal des Rates.Ich wurde erwartet. Vom Vorsitzenden und seinen zahlreichenStellvertretern.Nicht nervös werden sagte ich mir. Du mußt selbstbewußt, wie
ein wahrer Bitterfelderwegwanderer auftreten. Nicht erröten,nicht zittern, nicht stottern. Du hast ein gutes Gewissen.
»Wrr haben dich hergebeten, Genosse Schriftsteller«, so begann
7
•
der Vorsitzende, wobei er sich vorbeugte und mich Genosse Schriftsteller. wir machenfixierte, »hergebeten, um zu erfahren, wie es mit uns Sorgen um deine Arbeitdeiner Arbeit steht. Du bist unser einziger - einzi-
ger Schriftsteller im Kreis, aber wir merken nichts davon. Wir
sind der Meinung, du müßtest gesellschaftlich wirksamer werden. Uns scheint, du sitzt nur zu Hause herum und grübelst zu
viel. Möchtest du dazu Stellung nehmen?«
Also kein Kreisauftrag oder ähnliches. Sozusagen nur puremenschliche Neugier. Oder sollte man sich auf einige schonvor langer Zeit gefaßte Beschlüsse besonnen haben?
Ich sagte knapp: »Was ich mache? Nun, ich schreibe, GenosseVorsitzender. Für die Bezirkspresse, für die Kreispresse, für -«
»Wissen wir«, unterbrach er mich, schlug einen Aktendeckel aufund hielt mit spitzen Fingern zwei Zeitungsausschnitte hoch.Er meinte: »Nicht viel, Genosse Schriftsteller.«
»Nicht viel für die vergangenen sechs Monate, und über den In
halt könnte man auch noch diskutieren.«Der Stellvertreter Handel räusperte sich. »Wenn ich einmal
etwas dazu sagen darf?«
»Bitte « Der Vorsitzende ließ die Zeitungsausschnitte achtlosauf den Tisch flattern, lehnte sich in den Sessel zurück. »Bitte
sehr, stellt Fragen, damit wir die bestehenden Unklarheiten
beseitigen helfen können.«»Hm - ja - also, ich vermisse etwas über die Probleme unseres Handels und der Versorgungswirtschaft. Etwas, das uns aufdiesem Gebiet weiterhilft, Genosse.«
Die anderen folgten auf dem Fuße.»Und nichts habe ich von dir gelesen über Planungs- und
•
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 72/136
68
Bitte bitte für mich
auch einen Durchschlag
Es soll die Weihnachts-
überraschung fürmeinen Buchhändlerwerden
Was des Volkes ände schaffen
Bilanzierungsfragen, über das Neue Ökonomische System derPlanung und Leitung «
»Und auf dem Gebiet der Ordnung und Sicherheit, wo doch die
Problematik -«»Also , wenn wir die Höhen der Kultur erstürmen wollen, dannmußt du unbedingt «
Nur der Stellvertreter Finanzen schwieg sich aus. Er befürchtete wohl, es könnten Honorarkosten entstehen.»Nun, Genosse Schriftsteller, da hörst du's. Wir machen unsSorgen um deine Arbeit«, faßte der Vorsitzende zusammen.»Wir machen uns ernsthafte Sorgen, verstehst du, aber duschweigst dich aus und schreibst sage und schreibe zwei Zei
tungsartikel, über die man - über die man noch diskutierenkönnte.«Ich wurde weder nervös, noch gedachte ich zu stottern. Ich sah
seelenruhig einem dicken Brummer zu, der sich vergeblich ab-
•
mühte, durch die geschlossenen Fenster ins Freie zu
gelangen. Dann sagte ichganz einfach: »Ich schreibe fürs Theater, Genossen.Vielleicht, wenn ihr m
Sonnabend ins Theater -«»Leider « sagten der Vor
sitzende und sein ersterStellvertreter. »Du ver-stehst, Genosse, unsere
cc :v;; vielfältigen Aufgaben: Ver
sammlungen, BeratungenAussprachen. Abend fürAbend. Leider, leider «
»Schade«, sagte ich und erhob mich. »Wirklich schade, denn ge
rade meine Arbeit mit dem Theater -«
»Wir werden den Abteilungsleiter Kultur beauftragen « beschloß der Vorsitzende und erhob sich ebenfalls. »Er wird unsim Rat Bericht erstatten. Ausführlich Bericht erstatten. Gewißgibt es darüber einiges zu diskutieren, Genossen.«»So wird es wohl sein«, sagte ich und ging.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 73/136
Was des Volkes ände schaffen
orst von Tümpling
tO t otie t llOHt
1 pa saHt oit
Gerade hatte Bauleiter Emil P begonnen, seinen verdienten
Feierabend so richtig gemütlich zu beginnen, als es ans Fen-ster seiner Wohnbaracke pochte. Draußen stand Erna, die Kü-chenfrau vom Spätdienst.
»Ein Anruf vom Bahnhof für dich, Emil«, sagte sie, »und es istgerade ein Waggon gekommen, der muß heute nacht noch ent
laden werden. Es ist wegen der Transportkapazität.«
9
Emil fluchte zwar ausgemacht untypisch, er zog aber
den linken Gummistiebel, den er eben abgestreift hatte,wieder an und zog sich auch die Wattejopppe noch malüber.
»Otto«, sprach er wenig später zum Fahrdienstleiter,
Wo der Kampf um die größte
Sparsamkeit so heiß geführtwird muß es auch Verlierer
geben.
»ich brauch mal einen Fünftonner. Auf dem Bahnhof ist etwas
für mich angekommen - es ist wegen der Transportkapazität.«Und der Prämie für eingespartes Standgeld, dachte Emil au-
ßerdem.
Otto, der Fahrdienstleiter, fluchte zwar ausgemacht untypisch,drückte aber dennoch den Knopf am Rundsprechgerät und
hatte auch schon die Garage an der Strippe.»Alfons«, sagte der Fahrdienstleiter, »nimm deinen Fünftonnerund hau mit Emil kurz zum Bahnhof. Greif dir unterwegs vormKino ein paar Kumpels, da muß ein Waggon entladen werden.
Es ist wegen dem Standgeld. Bei deinem Schlitten hat dieDurchsicht noch bis morgen Zeit.« Über die zwei Flaschen
Adlershofer kann ich mich mit Emil auch noch morgen einigen.)Bis zum Bahnhof richteten Alfons und Emil ganz ähnlicheAppelle an ein paar Kumpels, die sich gern mal was dazuver
dienen, und hast du nicht gesehen, da war nach zwei Stundender Waggon auch schon entladen.
Der Wagenmeister quittierte den Empfang von sechs StundenStandgeld die zwei Schachteln Orient nahm er ohne Quittung ,
und kurz darauf donnerte ein Fünftonner, beladen mit Isolier
glaswolle, auf die nächtliche Baustelle.Am anderen Tag bemerkte der Planierraupenfahrer Richard
K., daß dort, wo er gestern eine schöne ebene Fläche gescho
ben hatte, irgel).dein Idiot irgend etwas abgeladen hatte.
Aber der Termin für die Baufreimachung mußte eingehalten
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 74/136
7
austoffgewinnung
as des Volkes ände schaffen
werden. Und so schob denn Richard K. die Glaswolle - nein,
nicht in die Baugrube - einfach ein paar Meter weiter auf das
Gelände der Nachtbrigade.
Der Brigadier dieser Brigade, Seharsch M. fluchte recht unty-
pisch, als er einen Dumper voll Betonbruch auf den zukünfti
gen Parkplatz entleeren wollte. Doch er wollte keine Zeit ver-schwenden und kippte seinen Bruch einfach auf die Glaswolle.
Nach drei Wochen entfuhr dem Baggerfahrer Ludwig L. ein
ziemlich untypischer Fluch: Da hatte doch irgend so ein Idiot
Glaswolleisolierung unter den Betonbruch gemengt, den Lud-
wig L. mit seinem Bagger auf dem Platz ausbreiten sollte. Sein
Greifer packte also die paar Ballen energisch mit den Zähnen
und schmiß das ganze Zeug etwa zwanzig Meter weiter auf
einen anderen Fleck.Just auf diesen Fleck ratterten anderen Tags zwei Dutzend
Traktoren, die dort abgestellt werden sollten. Die Traktoristen
erlaubten sich allerdings einige untypische Flüche, weil ihre
schweren Fahrzeuge über irgend etwas stolperten und rumpel
ten, was sich bei näherem Hinsehen als ehemalige Ballen ehe-
maliger Glaswolleisolierung erwies. Kurzentschlossen packten
sie das Zeug und schleppten es auf einen größeren freien Platzam Rande einer Baugrube.Der Bauleiter stieß wenig später einen untypischen Fluch aus,
als er den als baufrei gemeldeten Platz mit einem Berg total
verrotteter Glawolleisolierung verschandelt sah. Er winkte denPlanierraupenfahrerK. heran und gebot ihm das Zeug auf kür
zestem Wege ...
»Von mir aus in die Baugrube«, sagte der Bauleiter Emil »die
wird sowieso wieder zugeschmissen «So kam es, daß das Monatsende über fast allen Beteiligten
sein Prämienfüllhom für eingesparte Minuten, Gramm und
Pfennig ausleerte: Der Bauleiter Emil P. hatte Standgeld
eingespart, der Wagenmeister hatte Transportkapazitäten ein-
gespart, der Planierraupenfahrer hatte Zeit bei der Baufreimachung eingespart, der Brigadier hatte Arbeit eingespart,
und der Baggerfahrer hatte Uberlegung eingespart. Nur der
Fahrdienstleiter, der hatte das Nachsehen.Auf jenem Platz sollte für die Traktoren eine Winterunterkunftgebaut werden. Aus Schalholzwänden, isoliert mit Glaswolle.
»So was kann schon mal vorkommen« tröstete der Hauptbuch
halter. »Wo der Kampf um die größte Sparsamkeit so heiß
geführt wird wie bei uns auf der Baustelle, muß es auch Ver-
lierer geben ...«
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 75/136
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 76/136
72
•
,,,•
. .\ 1
• t•
i • •
eißer Sommer
Erwin F B. Albrecht
Unsere Altbauwohnung hat doch auch ihr Gutes, äußerte ichbeim Frühstück zu meiner gleichberechtigten Hälfte.»Was willst du damit sagen?« sagte Rosamunde wie immer,
wenn sie fürs erste nichts zu sagen wünscht.
Anders unsere mit Recht nach der goldenen Ingrid und unserem Täve benannten Kinder. Reaktionsschnell wie Spitzen
sportler waren sie meinen Blicken gefolgt, und schon schrie
Ingrid: »Pappi taxiert, ob er mir zu Weihnachten endlich eenRiesenrad schenken kann.«
»Oder mir eenen kleenen Elefanten, womit ick zu Hause Zir-
kus spielen kann«, meinte Tävchen und schloß ein wenig über-
• •„ • • , •
raschend: »Neckermann machtsmöglich «
Was war das? Sofort sah meineRosamunde aus ihrer Frauenzeit
schrift auf und rügte: »Erstens
heißt es bei uns nicht Neckermann, und zweitens -« Sie er-
blickte in meiner Hand den Kata-log des VE Großversandhauses
EMPOR in Zerpenschleuse undwurde nun doch aufmerksam»Was hast du vor, Beowulf? «»Ich werde mich für den ver
manschten Sommer rächen«, erklärte ich schlicht, aber ergreifend, »ich bestelle bei EMPOR einen der neu entwickelten
Haussommer mit dreijähriger Garantie und frei Haus.«
Während die Kinder vor Freude eine kleine Bodenakrobatik
mit Umfaller veranstalteten, schüttelte meine Frau den Kopf.
»Was soll das Ding denn kosten?«»Nicht halb soviel wie eine Sommerreise, Schatz.«»Und willst du dafür etwa ein Zimmer ausräumen?«»Das ist nicht nötig, Kind. Vielleicht werden wir ein paar Möbel
umsetzen, aber das Wohnzimmer genügt völlig für den Som-
mer.«
Da Rosamunde ihren Widerstand nicht aufgab, wurde sie in de-
mokratischer Abstimmung von der übrigen Familie im Verhält-
nis 3: 1 geschlagen. Zu groß noch war die Erbitterung über den
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 77/136
eißerSommer
verlängerten Monat April der sich in diesem Jahr als Sommer
hatte ausgeben lassen.
Nach drei Tagen erfolgte die Lieferung unseres Haussommersnicht ohne daß die freundliche Dame am Telefon des Zerpen-schleuser Versandhauses vorher angefragt hätte ob ich viel-
leicht einen gebrauchten Sommer in Zahlung geben wolle.Die Transportarbeiter waren die reinsten Prachtkerle. Dan-kend lehnten sie meine Zigaretten Marke »Warnow« ab tranken nur Selters mit Geschmack und behandelten die Bestand
teile der Lieferung mit einer Vorsicht daß beispielsweise
von den Kletterrosen nicht eine einzige Hummel verscheuchtwurde.
Mit besonderem Interesse verfolgten die
Kinder und ich die Installation des Zim-
merhimmels dessen italienische Bläueangestrahlt von einem verschwenderischen
Sonnenscheinwerfer wohltuend den Uralt
stuck der Decke verhüllte. Natürlich wurdedurch den neuen Lichtspender unser von
der Uroma ererbter Kronleuchter aus ver-
flochtenen Geweihen überflüssig. Schonbald drehte ich ihn vermittels einer klei-
nen Anzeige in der Berliner Zeitung als ein-
maliges Liebhaberstück für nur 1500 MDN
einem Lüstersammler an.Die Kinder und ich lebten förmlich auf. In
unserer Freizeit lagerten wir meist auf demneuen Badestrand vor meinem Schreib
tisch ließen uns gut geölt von der Sonnebräunen freuten uns daß es hier keine
Mücken gab und genossen den Seewind
den ein unsichtbarer Föhn verströmte.
Nur meine Frau war sauer und da sie sich
. tlf
llFlll
mehr und mehr in Schweigen hüllte sah ich mich auf Vermu-tungen angewiesen. Vielleicht paßte es i r nicht daß unsere
Sessel dem Strandkorb und ihre Vitrine meinem Angelsteg hatten weichen müssen vielleicht waren ihr meine Fangergebnis
se zu ungenügend denn sie bestanden natürlich nicht aus le-
benden Fischen sondern zumeist aus Zitronen-Herings-Flip inBüchsen. Möglicherweise auch nahm Rosamunde es krumm
daß die Kletterrosen unsere Gardinen zerpiekten oder aber
der Schreck lag µ r noch in den Gliedern den der Krach in der
FDG„
Ullll·M CHT;
7
Kein verregneter Som-mer mit dem FDGB
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 78/136
7
,
b ••
\
•' •
' VfRsPÄTV ql
'•
0 T 1 J C V 1 ~d a c ~<
,
l[
'
'
.•
t
/
•
''
1
\
,
-,
••' '
' .
•
„
•1
~ ~eJ\)
; d.e1JV11.,MS. „ ·, „
Heißer Sommer
~ - J . 8 : 6 61 ><t·
•
'
. ·
•
,
'~ · - ~ .
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 79/136
eißer Sommer
zweiten Nacht unseres Heimsommers verursacht hatte. Auch
die Kinder waren wach geworden.
»Im Wohnzimmer gewittert es«, schrie Ingrid, und Tävchen
blökte hinterdrein: »Donnerwetter, is det een Donner Haste
ooch den Rejen abjestellt, Vata?« Natürlich hatte ich es verges
sen, so daß an den noch im Raum verbliebenen Möbeln mittlerer Sachschaden entstand.
Um so mehr erstaunte mich, meine Frau eines Morgens in der
Küche beim Studium des Versandkataloges anzutreffen. »Ich
habe allen Grund dazu«, erklärte sie auf meine erstaunte Frage,
»stell dir vor, Mann, Liesegangs haben sich ebenfalls einen
Wohnzimmersommer angeschafft. Es ist nicht zu glauben. So
eine Herausforderung «
»Aber ich denke, Evchen Liesegang ist deine beste Freundin?«
wagte ich einzuwenden.
»Das hat doch mit den Anschaffungen nichts zu tun. Liesegang
verdient zweihundert Mark weniger als du. Also bitte, rufe so
fort in Zerpenschleuse an und frage, Beowulf, ob sie uns zu
sätzlich noch einen Kinderzimmersommer und eventuell auch
noch einen für unser Schlafzimmer liefern können.«
Zum Glück stellte sich heraus, daß der VEB EMPOR seine
große Neuheit ausschließlich als Anbausommer lieferte, so daß
einer Ausdehnung der warmen Jahreszeit in unserer Wohnung
nichts im Wege stand.
Seitdem zählen unsere Kinder zu den Frühaufstehern. Schon
morgens um fünf wecken sie uns durch ihr munteres 'freibenim Heim-Swimming-Pool, der in unserer geräumigen Badestu
be Platz gefunden hat. Anschließend begeben sich Ingrid und
Tävchen zum Morgentraining auf ihre immergriine Dederon
Spielwiese.
Rosamunde und ich aber schlafen nicht mehr in den überkom
menen Ehebetten - wir zelten unterm Versandhausmond, und
wenn wir wollen, genügt ein Druck aufs Knöpfchen, um im
Busch zwischen Balkon und Ankleideschrank eine Nachtigallflöten zu lassen.
Und sollte der kommende Winter etwa so vermanscht ausfal
len wie der vergangene Sommer - uns kann nichts mehr pas
sieren. Vorsorglich hat meine Frau für unsern ziemlich langen
Korridor bereits eine entzückende Heimsprungschanze bestellt,
und auch Schnee wird es in rauhen Mengen geben. VEB
EMPOR machts möglich. ·
7
Die Parteigruppe
macht einen Ausflug. Fragt ein Ge
nosse den anderen:»Was meinst du,wieviel Kilometer esnoch bis zur Grottesind.«
»Zweieinhalb.«»Das hast du voreiner Stunde auch
schon gesagt.«»Meinst du, ich ä
dere so schnellmeine Meinung? «
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 80/136
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 81/136
•••••'•'•.\
to h uvor ns
Konsum llauthaus
stadtmltte
&ERLtN W 8,ECKE M/l.UERSlR .LEIPZIGER
Eine Dresdner Straßenbahnschaffne-rin ruft die nächste Haltestelle aus:»Dresdner Hauptbahnhof. Wer von denFahrgästen in den Urlaub fährt guteFahrt. Wer auf Arbeit fährt guteErholung <<
~ . : ; ~ ~ · - · · · · 7 · ~ ~ ' . ; ; ; . c . o ~ ~ - 6 : . . ~ ~ ; : ~ · · i ' ; . ; , . ~ . ; . . ; ; , , , ; ; , ; ; , ~ ; ~ ; , , , ~ 7 : : : ;.' .
·-1 .
0
\1
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 82/136
78
Hansgeorg Stengel
Von Europas Schädlingstieren,
die den Menschen schikanieren,
weigern sich primär die Mücken,
ihre Umwelt zu beglücken.
Ob wir sie mit Pech begießen,
ob wir sie mit Schrot beschießen,
ob wir ihren Ruf beschmutzen,
ob wir ihre Flügel stutzen,
ob wir sie in Fallen locken,
ob wir sie mit Hitchcock schocken,
ob wir sie in Kisten sperren. ··• ,, '
.1. . . . - . . .. .. oder vor den Kadi zerren,
•- .. •. „ .• 1 •
• •
,c •. .
. '
.. .......
.... _ .. . ' ...• ,„„ • ... „ ••
.• •• •„ f
• •
1 e Pi .A ' a 4 „
.: ' ' „ •. ' . .• •• ••• •. '
•
•
ob wir sie mit Streuselkuchen
schlau zu korrumpieren suchen,
ob wir sie in Fesseln legen,
ob wir ihren Zorn erregen,
sie beschimpfen und verachten,
Mücken sind nicht zu entmachten
. „· · . , Ob wir sie verhaften lassen,' .
: „ ob wir sie am Kragen fassen,ll. fl .
~ W \ •• : ob wir ihnen, statt zu streiten,Kompromisse unterbreiten,
ob wir sie ins Sitzfleisch zwacken
oder an der Gurgel packen,
ob wir ihren Rumpf durchbohren,
ob wir sie wie Grünkohl schmoren,
ob wir sie im Meer ertränken,
durch Verbalinjurien kränken,
ob wir sie wie Hemden bügeln,
~ i e verleumden und verprügeln.
uhd verhöhnen und verspotten -
Mücken sind nicht auszurotten.
Ihren Widerstand zu brechen,
. . •. „• ••• •
• •• •.. . .
: .'• •
•
hilft nur eins: Man muß sie stechen.
Betet, daß zwecks Prophylaxe
„ . dir und mir ein Stachel wachse. '
Hei ße r Sommer
..• •
•
. ..•• „„
• • „
• „: _ ' · "
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 83/136
eißerSommer
C U Wiesner
Nehmse Platz, Herr Jeheimrat Was gibsn Neues aufm Bau?Wieder Nachtschicht gehabt? Ach so, Sie waren ja auf Urlaub.
Ick nämlich auch. Kleine Spritztour jemacht. In einen nagel
neuen Wartburch wie Jraf Rotz persönlich, mit Fleischermeister
Menseln. Der Junior wollte seine alten Eltern aus die Sommer
frische abholen und sagte, komm man ruhig mit, Onkel Wtllem
Dir tut es auch jut, wenn du mal dein }eist auslüftest. Und
bevor wir Meusels aus Handwerkerheim wechkutschiert ham,
ham wa erst maln paar Tage den Thüringer Wald
unsicher jemacht. Jott, wann war ick dis letzteMal in der Gejend? Dis muß ... wartense mal -
Oktober neunundvierzig muß dis jewesen sind.Da war jrade irgend sone staatliche Fete. Erster
Mai kann es nich gewesen sind, aber jeflaggt
war überall, und Reden hamse jehalten, na, isejal. Zuerst sind wir in Erfurtjewesen. Der Dom
und Sankt Severing mögen ja imposante Bau
werke sein, aber Meusels Kernspruch auf Reisen
lautet: Die Berge von unten, die Kirchen von
draußen und die Kneipen von drinne. Jut, wat?
Aber dafür sind wir auf die Gartenausstellungraufjemacht, weil ick doch selber einen Schre
berjarten habe. Also, ick sage Ihnen, dis Jelän
de hab ick nich wiedererkannt. Dazumal jabs da
auch irgend ne Blumenschau und Bockwurscht
auf Marken anne Bretterbude. Und heute? Alles
Beton und ville Licht und richtige Jaststätten, wo
Se von Fußboden essen können. Und die Blumen Wie im We
sten, besonders die Bejonien Meusel klärte mir denn aller
dings auf, deß dis auch so eine großanjelegte Propagandaauktion vonne SED is. Wat zuckense denn so? Die Schere ziept
wohl? Is eben kein Solinger Stahl, die kommt, glaub ick, aus
Schmalkalden. Sind wir übrigens auch jewesen. Moment, da
wollt ick Ihnen doch was ganz Wichtiges erzählen. Ach so,Leber ham wir jejessen im Ratskeller. Sone Portion Aber jeder
Meusel hat nur immer mitn Kopp geschüttelt, wie der Wirt da
noch mit's Jewicht klarkommt. Und Meusel is 'n Fuchs in sol
che Dinge. Nu is der Wirt ja bloß HO, und wer bezahlt die Por-
9
Das hab ich doch
schon voriges Jahr ge-
knipst <
--
Aber Männe, da hatten
wir doch noch unsern
Trabant «
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 84/136
8
Chinesische Kosmo- ·nauten sind auf dem
Mond gelandet. So
wjetische und atnerikanische .Geheim- ·dienste sind überrascht. »Wrr wußten ·
.,gar nicht, daß ihr so.starke Raketenhabt « - »Wieso Ra- ·keten?« - »Na wie
seid ihr denn sonstauf den .Mond ge- ·kommen?« - »Mann
auf Mann.«
eißer Somm er
tion, wennse zu jroß is? Der Staat, und zwar von unsere Steuern. Bei diese Überlegung hats mir jar nich mehr jeschmeckt.Und was Eisenach betrifft - hamse hier in Berlin schon malsone Burch jesehn wie die Wartburch? Statt dessen nur die
herzlosen Neubauten am Alex, wo so jar nischt mehr von die
jotische deutsche Seele außen anne Fassade dranklebt. Wenn
man mal absieht von dis Haus der Lehrer. Da bleib ick immerwieder vor stehen und fühle mir in meine Kindheit zurückerinnert, wo ick janz verrückt nach die schönen bunten Abziehbil
der war. Buchmachers Jemälde sind wenigstens so jroß, deßick nich immer meine Brille aufsetzen muß. Die auf die Wart
burch sind man ville kleiner, aber auch janz nett. Und schließlich konnten die ollen Ritter für die Kunst doch nich sone Sum
men an ihr eisernes Schienbein ranbinden und mußten sichmehr um ihren Sängerkriech kümmern. Ick persönlich meine
ja, dis jing damals nur um den Zaster fürs Auftreten. Oder glaubense, deß sich sone Leute um was anderes streiten können?Und als Kongfranzjee hamse sich damals sojar einen jewissenKlingsporn aus Ungamjeholt, weilse endlich maln anderes Je
sichte sehn wollten. Der olle Luther muß da ooch ne ruhigeKugel jeschoben ham. Wenn ick mir so dagejen unsere heutigen Schriftsteller betrachte, was die dauernd rumjachtern undVorträge halten müssen Ick würde sagen, die Brüder einfachmal'n Jahr auf die Wartburch einjespunnt, und die janzen ver
sprochenen Bücher samt den zweiten Teil sindjeritzt. Der Luther war ja ein janz Schlauer. Wenn den sein Verlagsfritze zuville rinjequasselt hat, denn hat er ihm einfach dis Tintenfaßan Kopp jeschmissen und hinterher behauptet, dis war der Dei
bel. Nee, keine Angst, dis is keine Tinte, sondern Birkenhaarwasser. Ach Jott, und in Friedrichroda ham wir uns durch Zu
fall son FDGB-Heim anjesehn. Und da kam es mir jleich wie
der hoch. Also nich, deß ick den Arbeiter nischt jönne. Aberals Staatsbürger mit Jrips sage ick mir, son Komfort können wir
uns einfach noch nich leisten, solange ick nich mal'n anständiges Rasiermesser kriege, was so schneidt wie früher. Au
weia, tschuldigense, ickjeh mitn Blutstiller rüber. Bloß'n kleiner Kratzer, weil dis Ding schon so schartig ist. In den Reiseperspektiv von Friedrichroda und Umgebung stand, man sollsich den Schloßpark von Reinhardsbrunn besichtigen, denn dasind so schöne olle Bäume drin. Nu schwärm ick für olle Bäumeund wünsch mir für mein Leben, deß mir auch mal son Birn
baum ausm Sarg wächst wie den Ribbeck ins Havelland. Ick
•
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 85/136
eißer Sommer
und Meusel also rin durchs Tor weil der Pförtner jrade mal
wohin mußte. Also allens, was recht ist: ein Park, gejen den
is der Friedrichshain man bloßn mickriger Schreberjarten. Auf
einmal kommt aus den Empfangsraum von dis Schloßhotel einfeiner Mann und frägt, was wir hier suchen. Pilze, sag ick in
meine schlagfertige Art. Sagt der hier is verboten, nur die Ho-teljäste vons Deutsche Reisebüro dürfen. Ich frage, warum.
Sagt er weil hier Spitzenintiljenz ihren Urlaub macht und die
einfachen Touristen manchmal Zweige abruppen und nach die
Forellen tauchen. Manche sind besoffen, und manche haben
auch ein kleines Hämmerchen mit und hacken dis schöne
Schloß an, weil se Souvenirs brauchen, sagt er. Na sag ick,
könnse mal sehn, wie ville ologen es schon jibt. Meusel woll-
te stänkern von wejen Spitzenintiljenz und deß er selber auch
'n Wartburch Luxus fährt. Aber ick hab ihn schnell wechje-
schoben, denn sone richtige Spitzenintiljenz, da wird mir immer
janz jerührt zumute. Sone Leute wolln sich j auch mal'n Witz
erzählen, wo nich jeder zuhört. Mir jehts genauso. Wenn wir
Handwerker an unserem Stammtisch sitzen, denn möcht ickmal den sehn, der uns mitn Hämmerchen beis Filosofieren
stört Ach und auf die Rückfahrt ham wir in einem Dorf so um
Jena rum noch 'n Bier jetrunken, und
stellnse sich vor da hat doch die DEFA
damals den Fülm »Mir nach, Karnalljen«
jedreht. Seit kurzem jeh ick sojar wiederins Kino und aufn Fußballplatz. Die Fülme
sind jetz janz tacko, und der ASK schießt
wieder Tore. Bloß, nu hat mir Meusel
unterwegens richtig mißtrauisch jemacht.
Der vermutet nämlich, deß dis bloß ein
Blöff von die Natzjonale Front is, weil se
doch am fuffzehnten Feiertag mal wieder
zeigen müssen, was se alles können. Da is
natürlich was Wahres dran, Kammgarnund zahl es, wie der Lateiner sagt. Und je
mehr ick darüber stimuliere, desto mehr
werde ick stutzig, ob es dies ahr bei den
vielen Sonnenschein in die Urlaubssaison
mit rechten Dingen zujejangen is oder ob
da nich auch die Natzjonale Front mit ihre
neue Technik dran jedreht hat.
•
8
Alle bedeutenden
Menschen sind einsam.
ufHiddensee werden
Bedeutung und Ein-
samkeit zum Massen-
erlebnis «
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 86/136
82
Ernst Röhl
s
eißer Sommer
Da - an der nächsten besten Schneise - kam ein Wanderer des Wegs
Und in welcher Gestalt erschien er? Etwa auf Schusters Rap
pen, mit Rucksack, Hut und Wanderstab? Na, das wäre denn
doch wohl das Letzte gewesen Er s ß natürlich am Lenkrad
eines Wartburg-Camping. Und selbstredend fuhr er nicht wortlos vorüber. Ein Wanderer schweigt nicht, wie der Kenner der
einschlägigen Anekdoten weiß, ein Wanderer hat immer einmunteres Wortspiel auf der Pfanne. In diesem konkreten Fall
pries er überschwenglich die süßen Freuden der CampingBewegung, verwies dezent auf den namhaften Ahnherrn der
Bewegung, den Freund J. W. Goethes, märkischen Baumeisterund Tonkünstler Carl Friedrich Zelter, und rietmir angelegentlich, das zu werden, was er sei
nem Fahrzeug rückwärtig angekoppelt hatte:Camping-Anhänger.
Von den Tonsäulen des nahe gelegenen
GST-Zeltlagers Junge Patrioten<<
schwangen Amiga-Rhythmen durch die
Stille des kabelverzierten Hochwalds.Das war im vergangenen Jahr. In diesem Som
mer folgte ich seinem Rat, nahm eine vierstellige Hypothek
auf, kaufte mir das 2-Personen-Steilwandzelt »TraumweltDuett« man kannja nie wisssen ), zwei Campingbetten die bil
ligen zu 85,- MDN das Stück), einen Campingtisch 81,- MDN),
zwei Campingsessel a 48, - MDN), einen Propangaskocher
120,- MDN), zwei Schlafsäcke (a 133,- MDN), einen Nahrungs
behälter (37,25 MDN), eine Kühltasche (13,10 MDN) sowie et
liche andere Kleinigkeiten, lud alles auf meinen neuerworbenen, gleichfalls kostbaren Camping-Anhänger Klappfix(4450,10 MDN) und begab mich frohen Muts zum Zeltplatz
»Kiefemeck«
Leider fiel ich dort sofort nach meiner Ankunftunangenehm auf, als sich herausstellte, daß ich keine Camping
hausbar für kleine Feten, keinen aufblasbaren Campingkatama
ran für so manche überschäumend lustige Segelpartie, keinenCampingtresor für den Siegelring (835er), j nicht einmal eineCampinghundehütte für meinen Rauhhaardackel Edelfried mit
führte. Allein die belebende Aussicht auf wissenschaftlichdurchgebildete Erholung hielt mich aufrecht. Hatte nicht kürzlich ein namhafter Reporter der Berliner Zeitung unter der••
Uberschrift »Verliebt in die Natur« das folgende veröffentlicht?
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 87/136
Heißer Sommer
»Die Reize der ungewohnten Umgebung die Stille des Hoch
walds, die Stunden gedankenverlorenen Träumens am Wasser
erquicken Auge und Ohr; der Duft einer taufeuchten Wiese am
Morgen ist wie ein Geschenk. All das ... «Na bitte, hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein Die Reize der
ungewohnten Umgebung sind mir unvergeßlich. Von den Tonsäulen des nahe gelegenen GST-Zeltlagers »Junge Patrioten«
schwangen tagsüber Durchsagen und Amiga-Rhythmen durch
die Stille des kabelverzierten Hochwalds. Die trauten Klänge
und die süßen wohlbekannten Düfte von Zwei- und Viertaktern
- oder waren es die Düfte einer taufeuchten Wiese? - streiften
ahnungsvoll das Land. Von der jüngst durchlittenen Fußball
weltmeisterschaft noch immer entfesselte jugendliche Kicker
setzten fast pausenlos dem schwergeprüften braunen Leder
nach, und das ohne Rücksicht aufs Unterholz. Sie sorgten miteinmaligem Eifer dafür daß die Bäume des Zeltplatzes »Kiefem
eck « nicht in den Himmel wuchsen. n Blumen fehlte es nicht
im Revier. Zwar waren die naturgegebenen Blüten früh ge
knickt worden, doch ihre Stelle nahmen die kunstvollen farben-
Zeltplatzkomfort undBademoden in den
Sechzigern
8
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 88/136
8
' 1 \
\ \ J
I
1 f \
I 11
ll
eißer Sommer•
prächtigen Gewächse der Schießbude ein, in der die Büchsen
knallten, solange das Büchsenlicht nur reichte.
Neben der Wasserentnahmestelle prangte ein Schild mit der
hygieneschwangeren Aufforderung:
Halte Dich und den Zeltplatz sauber
Irgend jemand hatte den Wasserhahn geöffnet, und seitdemwar die halbe Zeltstadt überflutet. Offenbar zu Reinigungs
zwecken. Das Leben unter Camping
Bedingungen erzog alle Betroffenen in
hervorragender Weise zur Standhaftig-
· 1 keit. Ich stand zwar Schlange, vor dem\
-- - -K. Lebensmittelkiosk, wo ich Goldina bzw.\ I 1
' •1 dolce Vita kaufen wollte, vor dem »Tan-
, \ ' nenkrug«, wo ich Mittag essen wollte,"'""
vor dem Zeltkino, wo ich das DEFA-
Lustical »Nichts als Sünde« sehen woll
te, vor dem Klo, vor dem Zeitungskiosk,
vor dem Postschalter, vor der Milchbar, vor dem Kosmetik
stand. Kurz und gut, ich fühlte mich wie zu Hause.
Den Camping-Tag beschloß mit schöner Beharrlichkeit und
beachtlicher Lautstärke der benachbarte GST-Lagerfunk: »Ka
meradinnen und Kameraden Es ist 22 Uhr. Die Lagerleitung
und der Lagerfunk wünschen eine gute Nachtruhe Ich wieder
hole: Es ist 22 Uhr. Die Lagerleitung und der Lagerfunk wün
schen eine gute Nachtruhe Ende der Durchsage.«Das Amigaprogramm war damit zu Ende, nun begann das zwei
stündige Programm junger Talente des Zeltplatzes. Singe, wem
Gesang gegeben Alle 3000 campenden Einwohner von
»Kiefemeck« waren stimmbegabt. Allerdings schien ihre Bega
bung auf die innere Stimme beschränkt zu sein. Sie sangen
dennoch. Und zwar nicht »Wanderers Nachtlied« von Goethe
gedichtet, von Zelter ( ) vertont, sondern einen zotigen För
ster-Shanty:
»Mein Sohn heißt Waldemar, weil es im Walde war ...
*
Mein Urlaub ist vorbei, und es geht mir gut. Aber in Stunden
»gedankenverlorenen Träumens« erinnere ich mich hin und wie
der an meinen Camping-Urlaub. »Ich bin nur ein armer Wander
gesell ... « sage ich mir beispielsweise in diesen Augenblicken
der Selbsterkenntnis. Und falls ich nicht allein im Schlaf
zimmer bin, füge ich in Gedanken hinzu: »Gute Nacht, liebes
Mädel, gut Nacht «
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 89/136
eißerSommer- - - - - - - -- -- -. - .
John Stave
Unlängst erreichte die Redaktion ein Leserbrief in dem eine
interessante Frage aufgeworfen wurde: »Man redet allenthalben von optimaler Ausnutzung der Arbeitszeit. Gut. Abersollte man nicht auch von optimaler Ausnutzung der Freizeitsprechen? Ich meine jetzt nicht daß zum Beispiel durchAnstehen in Verkaufsstellen viel freie Zeit verlorengeht. Ich
meine, daß durch kürzere Zeitungsartikel Reportagen und so
weiter viel verlorene Freizeit wiedergewonnen werden könnte.Machen Sie doch einmal die Probe aufs Exempel
Mit soz. GrußHildegund Krämer, Oberlangensalza-Mitte. «
Eine sofort einberufene Redaktionssitzung beschloß den Repor
ter Thomas Z. zu beauftragen einen Ganz-kurz-Bericht über
das Thema »Urlaub - ein wichtiger Faktor zur Erhaltung undReaktivierung der Arbeitskraft« zu verfassen. Der Reporter fuhr
8
mit seinem Zelt an den Strand eines nördlich der DDR
gelegenen Meeres und kabelte 14 Tage später seinenBericht nach Berlin. Er lautete: »Urlaub ist schön.«
Der Ganz-kurz-Bericht erschien und zog eine Reihezustimmender Leseräußerungen nach sich. Aber es
Durch kürzere Zeitungsartikel
könnte verlorene Freizeit wieder-
gewonnen werden krächzte der
Leserbrief.
gab auch kritische Stimmen. Eine kritische Stimme sagte: »Ur
laub ist schön wenn die Zuganschlüsse alle klappen «Reporter Z. erhielt den Auftrag einen Ganz-kurz-Bericht über
Zuganschlüsse zu schreiben. Der Reporter fuhr mit seinem Zeltzu einigen Reichsbahn-Umsteigeschwerpunkten. Nach einigenTagen telefonierte er seinen Bericht durch: »Zuganschlüsseklappen manchmal manchmal aber auch nicht.«
Wieder gab es positive Leserbriefe doch es gab auch negativeBemerkungen. Eine besagte: »Die Hauptsache beim Urlaub ist
das Wetter. Alles andere ist Quatsch «Reporter Z. erhielt die Order, einen Ganz-kurz-Bericht über»Die Lage des Wetters in den Urlaubsmonaten im allgemeinen«zu verfassen. Der Reporter nahm sein Zelt und fuhr mit seinemTrabant kreuz und quer durch das Land. Drei Wochen späterlegte er einen Zettel auf den Redaktionstisch. Auf dem Zettelstand: »Das Wetter ist durchwachsen.«
Nun trat der kulturell engagierte Teil der Leserschaft auf denPlan: »Urlaub ohi:ie Kunsterlebnis Theater Lichtbildvortrag
oder Kabarett ist großer Mist «
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 90/136
8
_\ /
»Bevor wir sone scharfe
Glosse übers Wetter los-
lassen müssen wir unsdoch die Frage stellen:
Können wir s verän-
dern?
eißer Sommer
Unser Reporter wurde in einige Urlaubszentren entsandt und
sollte herausfinden, »ob die kulturelle Betreuung der Urlauber
vollauf gewährleistet ist«.
14 Tage später lag des Reporters Ganz-kurz-Bericht vor: »Kul
tur ausreichend im Angebot.«
Durstige Leser forderten daraufhin: »Die Frage der Wichtig
keit der Lösung der Frage der Getränkeversorgung sollte ein
mal scharf gestellt werden «
Der Reporter nahm sein Zelt, sah sich um und berichtete ganz
kurz: »Getränkeversorgung mangelhaft.«
Die ganze Sache lief also fabelhaft, bis ein Leserbrief aus Dres
den-Pieschen die Redaktion aus allen Blütenträumen riß:
»Wieso wird eigentlich immer nur vom Urlaub gesprochen?
Müssen wir nicht schaffen, wenn wirweitervorankommen wol
len? Erst die Arbeit, dann das Vergnügen «
Reporter Z. eilte an die Urlaubsplätze an der See und im Gebirge. Sein Zelt hatte er stets bei sich. Er war vier Wochen un
terwegs, dann jedoch hatte er seine Repräsentativ-Umfrage im
Kasten. Das Ergebnis formulierte er in seinem Ganz-kurz-Be
richt: »Die Urlauber freuen sich auf das Urlaubsende.<<
Es war der letzte Ganz-kurz-Bericht, den Reporter Thomas Z.
erstattete. Nicht, daß er auf Grund wütender Urlauberproteste
zurücktreten mußte, nein, der Reporter war unter die Schrift-
steller gegangen Er hatte ein gesammeltes Werk sei
ner Ganz-kurz-Berichte herausgegeben. Das Werk hieß:»Das nicht völlige Abschalten in den Ferien.«
Und so ging es: »Urlaub ist ein wichtiger Faktor zur Er
haltung und Reaktivierung der Arbeitskraft, Urlaub ist
schön. Urlaub ist schöner, wenn die Zuganschlüsse alle
klappen, manchmal klappen sie jedoch nicht. Selbst
verständlich spielt auch die Lage des Wetters in den Ur
laubsmonaten eine entscheidende Rolle, aber im allge
meinen ist es durchwachsen. Allerdings ist ein Urlaub
_. . _ ohne Kunsterlebnis, Theater, Lichtbildvortrag oder Ka- barett - um es einmal volkstümlich auszudrücken -
. \{ großer Mist. Deshalb ist es wichtig, daß die kulturelle
Betreuung der Urlauber vollauf gewährleistet wird. Un
tersuchungen haben ergeben, daß Kultur ausreichend im An
gebot ist, was man von Getränken leider nicht sagen kann, und
so freuen sich die Urlauber schon immer auf das Ende ihres Ur
laubes. Denn erst kommt die Arbeit, dann das Vergnügen.«
Die Redaktion wartet händeringend auf einen Leserbrief, der
eine weitere interessante Frage aufwirft. Die Red.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 91/136
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 92/136
88 Höher schneller weiter
John Stave
Zu Weihnachten hatte Benno Falke der Buchhalter mit derpädagogischen Ader, seinem achteinhalbjährigen Sproß Etzeleinen Fußball geschenkt. Infolge der ungünstigen Wetterlage
war aber an eine praktische sportliche Betätigung mit demGerät vorerst nicht zu denken gewesen. So verweilte man im
Theoretischen.»Einmal«, erzählte Benno am Kaffeetisch »hatte unsere Mann
schaft - ich spielte damals Halbrechts bei Einheit Südwest -einen Freistoß zugesprochen bekommen. Torentfemung etwavierzig bis fünfundvierzig Meter. Unser Mittelstürmer ein ge
wisser Jakobi legte sich das Leder zurecht. Aber von den Rän-
B kl t t d. K
1d gen riefen die Zuschauer: »Benno, schieß du Benno
enno o z e gegen 1e uge un hi ß B t t1
u d ·t· t d ·t d. b t z . so sc e en. enno re en assen. n so we1 er.«
er1nner e am1 an 1e es en e1
ten von Bimbo Binder, oder wie die »Die Zuschauer die auf den Rängen riefen«, schal-Kanonen alle hießen. tete sich Anita Falke ein, »das war ich «
»Und ich finde es höchst unpassend« empörte Benno
sich »daß du meine Methode, den Jungen für eine sportlicheBetätigung zu erwärmen durch äußerst unqualifizierte Zwi
schenbemerkungen - ä - quasi mit Füßen trittst.«»Ich habe nur Angst du erzählst wieder deine komplette Fuß
ballerlaufbahn und vergißt dabei daß du es im Zenit deinesKönnens bis zum Stammspieler in der Stadtliga gebracht hast;aber leider nur im dritten Hieb.«
Benno fing an zu kochen. Gefährliche Röte stieg in sein Gesicht.»Am besten ist«, zischte Benno, »der Junge verschwindet jetzt.«Etzel - nach dem Wunsch des Vaters kommender Mitte·lstür
mer der deutschen Nationalmannschaft - saß mit gefaltetenHänden am Tisch und sah abwechselnd den Vater und dann wie
der die Mutter an.
Es war schon ein Kreuz mit dem Knaben Er hatte zu nichtsrichtig Lust keine Ausdauer. Die elektrische Eisenbahn konn
te ihn im Höchstfall fünf Minuten fesseln. Der Plastikrevolverder Tischtennisbälle herausschoß drei. »Der kleine Elektriker« vom Opa wurde gar nicht erst ausprobiert. Zu einem Er
finder schien Etzel überhaupt nicht das Zeug zu haben.Auch dem jüngsten Versuch seines Vaters ihn zum Fußballhelden zu entwickeln brachte der zartbesaitete Bengel kaumInteresse entgegen.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 93/136
Höher, schneller weiter
»Laß den Jungen ruhig hier.« Anita Falke blieb hartnäckig.
»Aber erzähle ihm auch, wie ich dich nach manchem Spiel fast
nach Hause tragen mußte und daß es nie was mit Tanzen
wurde. Die schönsten Jahre meines Lebens, Etzelchen, hat
deine arme Mutter hinter morschen Fußballplatzbarrieren und
in verräucherten Vereinslokalen verbracht.«
Anita strich ihrem blassen Sohn sachte übers Haar. Der Vater
9
schnaufte. / , r . ; „1
,
»Hör zu«, sagte er barsch. »Ich habe nie behauptet, daß '/
ich eine große Kanone war. Es lag an meinem Vater, dei-
?
nem Großvater, mein lieber Junge, der dem Kegelsport rverfallen war und für Bewegung in frischer Luft, Körper
ertüchtigung und so weiter nichts übrig hatte. Diesen
schweren Fehler, mein Sohn, werde ich an dir nicht bege- ,
hen. Und du, Anita«, setzte Benno mit ungewöhnlicher
Schärfe bjnzu, »wirst mich nicht daran hindern. Basta « ·Benno begab sich auf den Korridor. Es rumorte eine
Weile. Schließlich steckte er den Kopf zur Tür herein. (
»Wo sind meine alten Aufbauschuhe?«
»Du hast vor hundert Jahren das letzte Mal aufgebaut. Die
Schuhe hab ich bereits vor Jahrzehnten verbrannt.«
»Dann spiel ich eben in den guten. Und du«, herrschte er sei
nen Sohn an, »sitz nicht rum und halte Maulaffen feil, sondern
zieh dich an. Der Worte sind nämlich genug gewechselt «
Stolz stieg Benno Falke, den Ball unter dem Arm und gefolgtvon seinem Sohn Etzel, dem künftigen Idol der deutschen
Sportjugend, die Treppe hinunter.»Leb wohl, mein armes unglückliches Kind«, rief die Mutter
ihnen besorgt hinterdrein.»Pädagogische Niete«, sagte Benno leise zwischen den Zäh
nen; doch Etzel hatte es mitbekommen.
Die Falkes wohnten in einer komischen Straße. Es war eine
Sackgasse, und am Schluß des Sackes hatte die Fahrbahn so
eine Art Beule oder Ausbuchtung, damit die Autos umdrehenkonnten. Aber Autos fuhren hier selten und schon gar nicht amSonntag. Benno hatte diese Ausbuchtung als günstiges Trai
ningsgelände auserwählt. Hier schoben sich Vater und Sohn die
Bälle zu.»Schieß nicht immer Pieke«, meckerte der Ex-Halbrechte von
Einheit. »Hier, mit dem Innenrist wird geschossen. Und bewe
ge dich. Schlaf nicht ein. Herrgott Mit dem Innenrist, habe ich
gesagt «
/ - t
'\
'„
„
•
Heb die Quanten
hoch << Benno Falkes
Trainingskünste reich-
ten nicht aus dem Sohn
einen Spartakiadesieger
zu machen.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 94/136
90 Höher schne l ler weiter
Benno hatte schon wieder einen ganz roten Kopf.
»Wenn man so was sieht. Lahmarsch « 0 weh, das war dem
Trainer nur so herausgerutscht.
Benno bog seinem Sohn das Bein zurecht. »Hier, das Knie etwas
einknicken, und dann aus dem Kniegelenk heraus wird das
Leder getreten. Aber mit dem Innenrist, verstanden? Los <<
Etzel haute an einen Stein. Der Vater tobte. Der Junge heulte.
Es war ein richtiges Sonntagsvergnügen.
»Himmel noch mal Heb deine Quanten hoch. Los, noch mal «
Etzel nahm drei Schritte Anlauf, tr t an den Ball, der eine ganz
schöne Fahrt bekam und - halbhoch - genau in Bennos Gesichtlandete.
»Das hast du mit Absicht gemacht«, heulte Benno auf.
»Mit Innenrist « verteidigte sich der schußgewaltige Knabe und
besah sich interessiert die blutende Nase seines Trainers. Aber
der wollte sich keine Blöße geben. Mit der einen Hand hielt ersich das Taschentuch an die Nase, und mit der anderen legteer sich den Ball zurecht. Innerlich war Benno Falke nämlich
ganz froh über den gelungenen Schuß. Er wertete ihn als An-
fang.
»Paß auf. Ich werde dir jetzt vormachen, wie ich seinerzeit den
Ball aus vierzig bis fünfundvierzig Meter Entfemung unhaltbar
eindonnerte. Du stehst im Tor «
Da war plötzlich wieder der pfeilschnelle Halbrechte Falke von
Einheit Südwest in seinem roten Jersey und der blitzweißenHose. Da tobten wieder die Zuschauer auf den vollbesetztenRängen. »Benno«, schrien sie. »Hau ihn ein, Benno «
Und Benno Falke klotzte gegen die Kugel. Es wurde ein klas
sischer Vollspannstoß, der an die besten Zeiten eines Bimbo
Binder, eines Janes, eines Satrapa, eines Russow und wie die
Kanonen alle heißen erinnerte. Und der Ball landete genau im
Gehäuse. Wie damals. Nur daß es sich hier um keinen regulä
ren Fußballplatz handelte. Das Gehäuse war vielmehr ein Re-
klame-Leuchtkasten mit der Aufschrift ZUR GUTEN LAUNE.Das heißt, so lautete die Beschriftung, bevor Bennos Granateeinschlug.
Und somit kommen wir auch zum erzieherischen Teil der vor-
liegenden Geschichte.
»Wenn derWrrt rauskommt«, instruierte der Scharfschütze gei-
stesgegenwärtig seinen Schützling, »sagst du, du warst es. Und
ich tu so, als wäre ich sehr böse mit dir, verstanden? Brauchst
auch nicht mehr mit Fußballspielen. Zur Belohnung.«
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 95/136
Höher schneller weiter
Ernst Röhl„
Diese unmaßgeblichen Bemerkungen sollen weitgehend aus
schließen, daß es in nächster Zeit hin und wieder zu peinlichen
Mißverständnissen kommt.
sc en 1sz1p en em nam er eic a e
mecklenburgischer Landesrekord im Kugelstoßen;15 78 Meter , verbringt seinen Sommerurlaub sowohl
in Binz als auch in aller Seelenruhe, bis er eines schö
nen Tages am Strand auf eine Gruppe junger Männer mit fast vollkommenem Muskelrelief trifft, deren
Tun nein, deren Lassen ihn stutzig macht. Ihr Trei
ben ähnelt frappierend sportlicher Tätigkeit:Der eine - leicht, doch gespannt vorgebeugt, der
Blick voraus auf das mit bloßem Auge nicht wahr
nehmbare Ziel gerichtet. Ein Langstreckler am 5000-
Meter-Start?
Der zweite - Musterbild eines Schwimmers; die Ex
tremitäten des Unterkörpers sacht zu X-Beinen verstellt, derRumpf energisch vorgereckt, die Arme nach hinten gerissen.
Noch eine Zehntelsekunde bis zum Startschuß?
Der dritte - geballte Kraft, breitbeinig. Erfolgslächeln, die ge
waltigen Arme sieghaft emporgestreckt. Soeben 151 Kilo zur
Hochstrecke gebracht?
Der vierte - fast in der Hocke Schwungbein, Standbein, Stoß
arm angewinkelt, Stoßhand in der Nähe der Halsschlagader,
Finger umklammern 100 Kubikzentimeter gesunde Meeresluft.
Kugelstoßen?Kugelstoßen ohne Kugel? Gewichtheben ohne Hantel? Schwim
men auf dem Sand? 5000-Meter-Lauf ohne einen einzigen
Schritt?
Ex-Kugelstoßer Stemme wirft abwechselnd einen Blick auf den
Rettungsturm mit der Rot-Kreuz-Flagge und einen auf die gut
gewachsenen, braungebrannten Athleten. Immerhin, sie schei
nen mit einem gesunden Körper ausgestattet zu sein. Und in
einem solchen wohnt gewöhnlich ein gesunder Geist. Also blin
der Alarm?
91
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 96/136
92 Höher, schneller weiter~ ~ ~ ~ - - ~ „. . - - . ~ - - - · ~ · . ~ ~ ' ' .. . - . .- . . . - . ,
Jawohl. Das, was auf den ersten Blick nach Leichtathletik aus
sieht und auf den zweiten Blick nach einer weniger harmlosenAngelegenheit, erweist sich auf den dritten Blick überraschend
als Schwerathletik. Das Tun-als-ob bedeutet keineswegs sport
liche Possen, sondern vielmehr sportliche Posen, und diese Art
körperkultureller Betätigung ist völlig programmgemäß, d. h.dem Kraftsportprogramm des Deutschen Gewichtheber-Verbandes gemäß. Bislang kamen wir im Sport mit einer Pose aus,und zwar mit der Federpose im Angelsport.
Das verdienstvolle, hektographiert vorliegende Programm für
die Sportart Kraftsport in Klammem Kulturistik vervielfacht erfreulicherweise die Anzahl der gültigen Posen:»5. Bewertung der Posen
In der Ausschreibung werden 6 Posen vorgeschrieben ... Umhier eine sportliche Note und den ästhetischen Ansprüchen
gerechte Form zu finden, sollen sich die Posen in der Haupt-
D ßd F d„ h t . sache aus der Darstellung sportlicher Bewegungs-
a er emnac s einen
k lt. t h W ttb b phasen zusammensetzen.
u ur s sc en e ewer um . .
d T.t 1M ß R h b a) Sportliche Posen: Diskuswurf- Speerwurf- Kugel-
en 1e 1 aussc re en . . .stoß - Start beim Schwimmen - Start beim Lauf -
wird, ist nur ein Gerücht.Tauziehen . Phasen vom klassischen Reißen und
Stoßen ...«Wenn nicht alles täuscht, hat bei der Herstellung dieses Programms ein beliebter Schlager aus den SOer Jahren Pate gestanden: »Ich nehm die Gitarre und tu so, als wär ich Enrico
Caruso ...«Doch jetzt Spaß beiseite Die neue Sportart wünscht ernst ge-
nommen zu werden. Uberall im Lande stemmen junge Männer
im Schweiße ihres ..f\ngesichts Abend für Abend Rundgewich-
te, Ubungshanteln, Kurzhanteln, Stützhanteln und umspannen
von Zeit zu Zeit mit der linken Hand prüfend den Bizeps des
rechten Armes, um sich zu vergewissern, daß er wie geplant
wächst und gedeiht.
»Das Bestreben, eine schöne Figur zu erhalten, ist gerade beijüngeren Menschen ausgeprägt.« Und darum ist es das erklärte Ziel des Kraftsportprogramms, »ein möglichst vollkommenesMuskelrelief zu entwickeln«. Die »schöne Figur« ist demProgramm zufolge endlich nicht mehr erfreuliches Nebenergebnis bei der Sportausübung, sondern der Ziele höchstes. Entsprechend sind für den Wettkampf die Übungen BankdrückenKniebeugen, klassisch Reißen (dem Gewichtheben entlehnt),
Bodenturnen sowie als Abschluß und Krönung die Übungen
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 97/136
Höher schneller weiter
»Bewertung der Figur« und »Bewertung der Posen« vorgesehen,
der absolute Clou der Meisterschaft mit der prickelnden Sam
melbezeichnung Körperschau. »Die Wettkämpfer stellen sich
einzeln vor und führen %-Drehungen aus.« - In Badehose und
gut geölt, wie wir von der Meisterschaft 1965 wissen. Unbe
stechlichen Auges benoten die drei Kampfrichter den Gesamteindruck und »die Proportionen der Hauptmuskelgruppen«. Und
wehe, es spannt einer seinen Bizeps, um einenbesonderen Effekt zu erzielen (wie er das als
kleiner Junge immer getan hat) - »Jede Muskelanspannung führt zum Punktabzug.«
Nachdem solcherart die Kämpfer eine mehr oderminder gute Figur gemacht haben, gehts an die
bereits oben eingehend beschriebenen Posen. -
»Diese müssen innerhalb einer Minute gezeigtwerden. Eine Pose muß mindestens 5 sec betra
gen und darf 10 sec nicht überschreiten.« - Das
heißt also 10 Sekunden Speerwurf, 10 Sekun-
den Kugelstoßen, 10 Sekunden Trockenschwim
men und so weiter. Heiliger Poseidon
»Bewertung: Es werden für die einzelnen Posen
bestimmte Höchstpunkte festgelegt ... Es wer
den die Schönheit der Posen, die Exaktheit der
Posen ... und die Ubergänge von einer Pose zuranderen bewertet.«
Und wer sich am positivsten in Positur zu stel- --··;
len vermag, wird Deutscher Mister. Verzeihung,
Deutscher Meister.
-
Was nun die Gleichberechtigung der Geschlechter angeht, so
ist uns der Kraftsport in Klammem Kulturistik noch allerhand
schuldig; denn daß der DFD demnächst einen kulturistischen
Wettbewerb um den Titel Miß DDR ausschreiben wird, ist nur
ein Gerücht. Aber der Kraftsport wirds schon machen. Schließlich »ist es auch ein gesellschaftliches Anliegen, im Sozialis
mus Menschen zu haben, die auch durch ihre Figur einen ge
sunden, leistungsfähigen Menschen darstellen<<.
Schön, daß wir außer Väterdarstellem und Darstellern jugend
licher Liebhaber nun endlich auch Darsteller gesunder
leistungsfähiger Menschen haben.
Schlag nach bei Shakespeare: »Welch ein Meisterwerk ist der
Mensch wie edel durch Vernunft wie unbegrenzt an Fähigkeiten «
93
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 98/136
9 Höher schneller weiter•
Jochen Petersdorf
Der bekannte Preisträger Meier-Motzen widmet sich in letzterZeit vorwiegend der Pflege seiner Gesundheit. Er treibt vielSport und bevorzugt dabei die nervenschonenden Disziplinenohne großen Trubel. Er hat sich ein schmuckes Segelboot zu
gelegt, ist dem Anglerverband beigetreten und geht wandern.
Kürzlich war Ansegeln.Hunderte Segelboote mit fröhlichen Sportmenschen tummeltensich auf dem Brömmeritz-See. Zünftige Scherzworte, kameradschaftliche Anpflaumereien, flotte Recorderklänge und Radio
„ • • • • •• • •
Wetterberichte schwebten von Boot zuBoot und ließen die Wellen der Stimmung
hochschlagen. Abends war Disko im Seglerheim. Hei, wie da die Ohren glühten.Noch lange saß Meier-Motzen nachts im
Bett und sang laut und krächzend: »Yeah,
yeah, yeah «Neulich war Anangeln.Hunderte fröhliche Angler tummelten sich
am Brömmeritz-Kanal. Zünftige Scherzworte, kameradschaftliche Anpflaumerei
en, flotte Recorderklänge und Radio-Wetterberichte schwebten von Rute zu Rute, und Stimmungskanone Eddi Poser ließseinen Baß dröhnend über die Wellen streichen.Abends war Disko im Anglerheim. Hei, wie da die Ohrenschmorten. Noch lang saß Meier-Motzen nachts im Bett undsang, an allen Gliedern zuckend: »Uooh, uooh, uooh «
Vorgestern war Anwandem.Hunderte fröhliche Wanderer tummelten sich im Unterholz desBrömmeritzer Forstes. Scherzworte, Anpflaumereien, Recor
derklänge, Radio-Wetterberichte und rauhkehlige Wanderliedgesänge schwebten von Ast zu Ast, und die Kampfrichter und
Schrittmaßkontrolleure umkreisten auf nervigen Motorräderndas waldluftschnuppernde Wandervolk.
Abends war Disko im Wanderer-Heim. Hei, wie da Ohren qualm
ten Noch lange saß Meier-Motzen nachts im Bett und sangstrampelnd das alte Wanderlied: »Uffta-uffta-wuff-puff «
Wie gesagt, Meier-Motzen widmet sich in letzter Zeit vorwiegend der Pflege seiner Gesundheit.
Bravo, Motzi, bravo
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 99/136
•
G
_
e.Ober den L.5
· >tcrott1rvertri b1101 t .111ssd11isse u11d ·· 1 c der Landes·
vertr el ir11
f e\ t ; >er den Literaturk i sc:1ien S •
uf) 30. April die 1>ortat1sschuß
WettspielordnunfOr Fuf Jball H 9Rugby Volt andball, Hockey
ey- und B khll7'.0 JCO WC I df'n 8 etball
~ ' ' ' . ' je 17.t auf g ~ · o rbes tnll ll<Jfl n sinde t r u ~ t 1 20 0:-,.i. . ocn. Der Stt1tkorcfs
s;; erllnportverlag G111ltH e
. Der nanunerwerfer aus der DDR wirft Weltrekord.
Auf die Frage des Reporters, was denn seine näch·
Sichel dran ... t
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 100/136
9
))Den großen agen
kriegt er immer prächtighin <<
Höher, schneller weiter
Rudi Strahl
Es gibt kaum etwas Aufregenderes als ein großes Sportereig
nis, das, sagenwir,
am frühen Nachmittag stattgefunden hatund am späten Abend vom Fernsehfunk übertragen werden
soll.
Zunächst scheint das freilich noch ungewiß, denn die Pro
grammvorschauen der Zeitungen kündigen teils eine griechi
. .
sche Tragödie, teils einen Tanzkurs an,
und nur auf den Sportseiten heißt esoptimistisch, daß »natürlich« der Län-
derkampf im Eishockey (Fußball,
Handball etc.) auf dem Bildschirm zusehen sein wird. Na Gott sei Dank
Man freut sich schon die ganze Woche
darauf und geht ab vierzehn Uhr des
betreffenden Tages allen Leuten aus
dem Wege, die das Ergebnis bereits
aus dem Radio kennen. Denn sie sindmeist boshaft oder einfältig genug, es
einem unverzüglich mitteilen zu wol-
len. »Nein « schreit man entsetzt. »Sei still Ich will es heute
abend am Bildschirm erleben «
Wie durch ein Wunder bewahrt man die spannende Ungewiß-
heit sogar über die »Aktuelle Kamera« hinweg, in der ein gleich-
gültiger Sprecher sagt: »Das heutige Länderspiel im Eishockey
gewann ...«
Ein verzweifelter Brüller übertönt ihn. Genau wie den Conf
rencier der nachfolgenden Unterhaltungssendung, der aus dem
Resultat des Länderkampfes einen spärlichen Witz zurechtge
schustert hat. Aber endlich ist es soweit. Die Ansagerin lä-
chelt ihr süßestes Lächeln und flötet: »Und nun, liebe Sportfreunde, sehen Sie die Aufzeichnung des Länderkampfes vomheutigen Nachmittag, den unsere braven Jungs ...« ·
Man hält sich erschrocken die Ohren zu und schließt die Augen,um das »gewonnen« oder »verloren haben« nicht im letzten Au-
genblick von ihren Lippen abzulesen. Auch das gelingt - welchein Glück Ihr Bild verschwindet, die brodelnde Arena er-
scheint, und unser Lieblingsreporter ergreift das Wort. Wie
schön
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 101/136
Höher, schneller weiter
Wie schön - falls er die Reportage an Ort und Stelle des Ge-
schehens gesprochen hat. Was gelegentlich vorkommt. Es
kommt aber auch vor daß er die Aufzeichnung im nachhinein
kommentiert, Verlauf und Resultat des Länderkampfes also
ebensogut - nein, besser kennt als die Leute, denen man so ge-
flissentlich aus dem Wege gegangen ist. Und dann wehe uns
armen Zuschauern
Denn ein Sportreporter ist ja auch nur ein Mensch. Den die
göttliche Allwissenheit drückt wie ein zu enger Schuh. Natür
lich platzt er nicht direkt mit dem Ergebnis heraus, doch ver-
säumt er keine Gelegenheit, uns spüren zu lassen, daß die Ge-
schichte für ihn schon ein alter Hut ist. Er steht über den Din-
gen. Und über uns.
Wrr fiebern bei einem Angriff unserer Jungs aufs gegnerische
Tor. Er wird so explosiv vorgetragen, daß uns die Spannung den
Atem verschlägt. Aber noch vor der Mittellinie sagt der Repor-
ter geringschätzig: »Da wird nichts draus. Nein da wird nichts
draus. Gleich verzieht Meier den Querpaß ... da ... da ... nabitte «
Vor Enttäuschung hat man gar nicht
•
1
f
/
•
mehr hingeguckt nach dem Quer-
paß. Doch nun aufgepaßt: Zwar
vollzieht sich auf dem Spielfeld einganz simples Geplänkel, aber der
Reporter hebt seine Stimme undschnattert: »Aus dieser simplen Si-
tuation entwickelt sich gleich derFührungstreffer ... achten Sie auf
Müller, meine sehr verehrten Zu-
schauer . er wird sofort ... « -
Peng. Tor natürlich. Was sonst?
Theoretisch sind wir ja auch schon
viel viel weiter, denn noch vor dem
Abpfiff des Schiedsrichters verrät
uns der Reporter: »Gleich wird noch
ein Tor fallen, aber es wird nicht
anerkannt werden, da es aus dem
Abseits erzielt wird. Sehen Sie
selbst ... « Wozu eigentlich? Man
greift mißgestimmt nach einer
Zigarette und achtet nicht einmal
mehr auf das Gekabbel der Spieler
WfR GRÖssT N DlE•
FRIEDEN5FAf1RER
•
.
9
•
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 102/136
98 Höher, schneller weiter. ' . . ' . . . . . · - · · ~ ~ · · ~ · ~ · - · · .
mit dem Schiedsrichter. Umsonst, Jungs. Dieses Tor wird nichtanerkannt werden. Weil es aus dem Abseits erzielt wordenist.
Die nächsten Minuten vergehen bei unproduktivem Mittelfeldgefummel - das heißt, es sieht eigentlich gar nicht so aus,
doch unser Reporter behauptet es und benutzt die Gelegen-
heit, einen Blick aufs große Ganze zu werfen.
»Ja« sagt er »bis jetzt hat es tatsächlich noch den Anschein,
als hätten unsere Jungs das Spiel in der Tasche. Was für ein
tragischer Irrtum.«
Wenn er wenigstens nur »Irrtum« gesagt hätte. Aber »tragi-
scher Irrtum«? Das kann doch nur bedeuten ...
Natürlich. Und bald weiß man alles, denn noch vor dem Füh-
rungstreffer des Gegners sagt der Reporter mit gramerfüllter
Stimme: ».. zeichnet sich das Endergebnis deutlich ab. Geben
Sie sich keinen Illusionen über diesen Angriff unserer Jungshin verehrte Zuschauer, es ist sowieso das letzte Aufbäumen.«
Das ist es tatsächlich, denn spätestens jetzt wälzt man sich aus
dem Sessel und geht zum Guckkasten, um ihn abzudrehen. Wie
hoch wir verloren haben, kann man j auch morgen früh in derZeitung lesen.
Braucht man aber nicht, denn in diesem Augenblick fällt dasFührungstor des Gegners, und unser Reporter sagt zuvorkom-menderweise: »Dieser Spieler, liebe Zuschauer, wird übrigens
auch das nächste und letzte Tor des Spieles schießen.«Auf die Böcke die der Reporter noch schießen wird, ist man
gar nicht mehr neugierig. Also eins zu drei. Aber das hätte
man auch schon am frühen Nachmittag erfahren können
Se wttrzos Se ttl
Kein Staatsmann reichte ihm die Hand
kein Trainer und kein Leiter.
Es rügte ihn der Sportverband.Warum? Er wurde Zweiter.
ansgeorg Stengel
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 103/136
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 104/136
1 2 2
~ t r vier u sen
othar Kusche
Auf der Treppe rempelte mich jemand an und sagte: »Hoppla.«
Ich mag es nicht wenn mich jemand anrempelt und dann»Hoppla« sagt weil das genauso albern ist als würde man je
mand ins Gesicht niesen und hinterher »Kuckuck« rufen.
»Sehen Sie sich doch vor« sagte ich; aber dann erkannte ichden Anrempler und alles war verziehen. Es war Erwin ein
Eine Ehefrau erwartet von ihrem geplagter Mann der Leiter der Kulturgruppe derGatten nicht nur daß er Buddel- Vorsitzende der BGL der Beauftragte für Verbes-
kästen baut die Maschinenölung serungsvorschläge der Redakteur der Wandzeitung
verbessert und die Bevölkerung über und Leiter des Seminars »Für die Verbesserung derGoethes Arbeitsmethoden aufklärt. sparsamen Maschinenölung«; ein gehetztes nervö-
ses Geschöpf dem man wahrlich nicht böse seinkonnte wenn er einem von Amt zu Amt eilend auf der Trep
pe in die Seite stieß. Denn Erwin war außerdem ehrenamtlicher Kassierer der Sektion Philatelie in der Ortsgruppe desKulturbundes Hausvertrauensmann Stadtteilbeauftragter für
die Verschönerung der Parkanlagen durch freiwilligen Pflanzdienst Mitglied des Elternbeirats der hiesigen Schule Volks
korrespondent der »Tribüne« Literaturdozent der Volkshoch
schule und Gatte einer dreiundzwanzigjährigen Frau Johanna
die unter ihrem rotblonden Hruirschopf eine Figur machte nachder man sich auch auf größeren Straßen umzudrehen pflegt.Außer wenn man sehr gut erzogen ist aber dann ärgert mansich daß man so gut erzogen ist und sich deshalb nicht um
drehen darf.»Erwin altes Haus« sagte ich »was macht die Kunst?«
»Danke mein Junge« entgegnete er freundlich »bin in großerEile. Stadtteilkonferenz für neue Buddelkästen. Eben in der BGL
Ferienplätze verteilen müssen saure Sache. Heute abend ... «
»Was macht deine Frau?« fragte ich höflich.»Heute abend Referat: Bildeten Goethe und Eckermann einechtes Kollektiv? - Was meine Frau macht? Hm. Ich sehe sie
nicht so oft. Gestern abend habe ich die Wandzeitung redigiertvorgestern tagte der Elternbeirat ...«»Dann werde ich dir mal erzählen was deine Frau macht.«»Du? Da bin ich aber gespannt.«»Das glaube ich« bemerkte ich kühl »deine Frau betrügt dich.«
Erwin machte »Papp« und schwieg. Er sah mich aus seinen
großen Augen an; aus den ruhelosen Augen des rasenden Vor-
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 105/136
Unter vier ugen
sitzenden, Beiratsmitgliedes, Kommissionsleitersund Stadtteilbeauftragten.»Das ist nicht wahr«, ächzte er, »das ist nicht wahr,weil es nicht wahr sein kann.«»Formale Logik«, bemerkte ich.
»Nein, nein«, versetzte er atemlos, »ich rackere michab, ich baue Tag und Nacht auf, ich schaffe Werte,und Johanna ... «»Eine Ehefrau«, erläuterte ich, »erwartet von ihremGatten nicht nur, daß er Buddelkästen baut, die Ma-schinenölung verbessert und die Bevölkerung überGoethes Arbeitsmethoden aufklärt. Dies wird ihr imallgemeinen nicht genügen; es ist sozusagen eineTemperamentsfrage. «
»Sehr bürgerlich gedacht « rief Erwin.»Quatsch«, sagte ich, »das ist realistisch gedacht.«»Üh«, stöhnte Erwin, »meine Johanna Das ist ja grausam «»Das ist nicht grausam, das ist natürlich«, sagte ich, »du küm-merst dich doch überhaupt nicht um deine Johanna, du Heini.«»Ich weiß ja kaum, wo mir der Kopf steht ...«»Oben«, sagte ich.»Wenn das stimmt«, fuhr Erwin fort, »aber ... ach Ich glaube
das nicht Woher willst du das überhaupt wissen ? «»Ganz einfach«, sprach ich mit Würde, »weil sie dich nämlichmit mir betrügt.« Ich hatte das unbestimmte Gefühl, ihn getroffen zu haben, und trat vorsichtshalber einen Schritt zur Seite.»Ich schlage ir die Fresse kaputt«, bot er mir freundlich an.»Kümmere dich lieber um Johanna«, sagte ich.»Worauf du dich verlassen kannst « brüllte er. »Heute abendlasse ich das Referat sausen, heute abend bin ich zu Hause «Da gingen wir auseinander. Natürlich hatte ich ihn aus erzie
herischen Gründen angelogen. Denn selbstverständlich habeich ihn nicht mit Johanna betrogen. Es wäre gar nicht möglich,selbst wenn ich es gewollt hätte und wenn sie es gewollt hätte.Woher sollte ich die Zeit dazu nehmen Ich bin Repetitor unseres Werkchors, erster Väterspieler der Laienspielgruppe, Protokollführer der Kontrollkommission, Leiter der Sichtwerbungin unserer Straße, Vorsitzender des Technischen Kabinetts, Ge-rätewart in der BSG, Sektion Hallenturnen, Mitarbeiter desAusschusses zur Überprüfung der Kantine; und dann bin ichnoch etwas - und.gerade das stimmt mich plötzlich nachdenklich. Ich bin nämlich auch verheiratet.
1 1
Im Filmhit aus dem
fahr 966 steuern die
Verliebten den sicheren
Hafen der Ehe an
•
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 106/136
1 2F A
Unter vier ugen
Günter Krone
Robert Koller liebte zu dieser Zeit ein Fräulein Anita Käseberg
derart heftig daß er ernstliche Absichten hegte. Als nun Fräulein Käseberg vorschlug: »Wir könnten doch am nächsten
Sonntag ein Stück in die Natur fahren und unsere lieben Müt
ter mitnehmen damit sie sich einmal kennenlernen und auch
ein wenig Freude haben« hielt er das für eine gute Idee. So
gewaltig war seine Liebe.
Am Sonntag früh fuhr Robert in seinem Trabanten zur verab-
redeten Stunde vor. Bei Käsebergs war die Haus
Offenbar ist ein Trabant für längere
Fahrten nicht geeignet Das trafRobert mitten ins Herz
tür geschlossen. Die Klingel war kaputt. Robert
hupte. Aber nichts tat sich. »Mein armer Junge nunlassen sie dich auch noch warten« sagte Frau Kol-
ler bedauernd. Das Zittern ihrer Stimme ließ Robert
auf eine Seelenverfassung schließen die dem Gelingen des
Ausflugs nicht günstig war. Er wurde nervös. Nach zwanzig
schlimmen Warteminuten kamen endlich Anita und Mama aus
dem Hause. Sofort tat Frau Käseberg mit sicherem Instinktdas einzig Falsche. Sie fragte: »Warten Sie schon lange?«
Frau Koller nicht gesonnen das ihrem armen Jungen angeta
ne Unrecht ohne weiteres hinzunehmen erwiderte strenge:»Ja eine halbe Stunde.« Diesen Ton empfand Anitas Mutter als
unpassend. Und als Robert losfuhr saßen auf den Hinter
sitzen zwei verstimmte Frauen die sich auf Anhieb unsympa
thisch waren.
Robert beim Stichwort Schwiegermutter sowieso gehemmt
fühlte sich unbehaglich und war auffällig schweigsam. Anita
dickfelliger als er fragte ihn was er habe. Robert der in
Gegenwart der Mütter keine Erklärung geben konnte log:
»Nichts.« Trotz eingehender Vernehmung ging er von dieserAntwort nicht ab. Da wurde auch Anita sauer weil ihr Robert
verschwieg was mit ihm los war. Jetzt ärgerte sich Robert daß
Anita so schwer von Begriff war.
In solcher Lage muß der Raucher zur Zigarette greifen. Frau
Käseberg brannte sich eine an. Als sie genießerisch die erste
Rauchwolke ausstieß hustete Roberts Mutter daß die Lun
genflügel krachten. Wohl oder übel mußte sich Frau Käseberg
erkundigen ob sie weiterrauchen dürfe selbstverständlich in
der Erwartung es werde ihr gestattet. Doch Frau Koller bat
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 107/136
Unter vier ugen
das Rauchen einzustellen, da sie den Qualm nicht vertrage. Mit
finsterem Gesicht warf Anitas Mutter ihre F 6 aus dem Fen
ster. Um frische Luft zu bekommen, drehte Roberts Mutter
eine Scheibe herunter. Sogleich klagte ihre Gegenspielerin,
sie werde von Zugluft krank.
Im Auto herrschte eine Stimmung wie unter Erben, die viel amTestament auszusetzen haben. In der Hoffnung, eine Abwechs
lung werde die Atmosphäre bessern, schlug Robert eine Fahrt
unterbrechung vor. »Von mir aus«, sagte Frau Käseberg
gnädig, »ich habe sowieso Appetit auf eine Tasse Kaffee.« -
»Anhalten: ja«, erklärte Frau Koller, »aber wollen wir nicht
lieber ein Stückchen laufen?« Robert suchte zu vermitteln:
»Gehen wir doch erst spazieren und dann eine Tasse Kaffee
trinken.« Frau Käseberg seufzte. Zugunsten ihrer Mutter
mischte sich Anita ein: »Wollen wir nicht wenigstens erstKaf
fee trinken und danach wandern?« - »Meinetwegen«, sagte
Robert erschöpft. Jeder war unzufrieden, Frau Koller mit dem
Kaffeetrinken, Anitas Mutter wegen des Wanderns, Anita, weil
Robert keinen Weg wußte der alle zufriedenstellte, und
Robert, weil jeder unzufrieden war.
Der Kaffee in der Raststätte war eine schreckliche Flüssigkeit.
Frau Käseberg verzog das Gesicht, und ihre Stimmung fiel von
minus zehn auf minus zwanzig Grad. Das hob vorübergehend
die Laune von Roberts Mutter, die sich ganz dem Genuß derSchadenfreude hingab. Aufgeräumt sagte sie: »Nachdem wir
nun gemütlich Kaffee getrunken haben, wollen wir wirklich
etwas laufen.« Frau Käseberg lief rot an.
Frau Koller schritt rüstig aus, um möglichst viel vom Wald zu
sehen. Anitas Mutter dagegen verhielt den Schritt, weil sie
nicht so weit laufen wollte. Und sie war ungehalten, weil Frau
Koller so rannte.
Roberts Mutter wiederum nahm es übel, d ~ Frau Käseberg
derartig schlich. Anita, die nicht wußte was sie tun sollte,machte Robert zum Vorwurf, daß er nicht wußte was er tun
sollte. Seine Versuche, den Sturmschritt seiner Mutter zu
bremsen, ärgerten seine Mutter, weil sie überhaupt unternom
men wurden, und Anitas Mutter, weil sie erfolglos blieben.
Als sie dann endlich umkehrten, hatte es Frau Käseberg eilig,
denn sie wollte sich schleunigst ins Auto setzen. Frau Koller
hingegen schlenderte gemächlich, weil sie sich so schwer vom
Walde trennen konnte. Beim Auto angelangt, waren die
Mütter in einer ~ r f a s s u n g in der gewisse Staatsmänner das
1
t - r : ••\.
lt ESTAURAHT
103
„ .• •
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 108/136
1 47 1
1 1 7Unter vier ugen
7
Völkerrecht mit Füßen treten. Auf der Rückfahrt leierte FrauKoller rücksichtslos das Fenster herunter. Frau Käsebergrauchte Ketten. Anita die nun endgültig im Fahrwasser ihrerMama segelte erzählte ihr schliefen die Füße ein offenbarsei ein Trabant für längere Fahrten gar nicht recht geeignet.
Das traf Robert mitten ins Herz und ließ seine Liebe verenden. Als er am Abend den Wagen in der Garage abstellte tat
er das mit dieser Überzeugung: hätte Julia eine solche frevelhafte Bemerkung gemacht Romeo hätte sie alleine sterbenlassen. Aber Romeo hatte kein Auto. Man sieht wie sehr diemoderne Technik die menschlichen Beziehungen beeinflußt.
. ...·
'
•
Z O R U ~ZUM
AUTO
•
••
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 109/136
• •
'
usammenrücken1•„Wir müssen jetzt e t w ~ 1 . . ~ ~ ~ . ; ; ; ..
•
Oline Wissen meines Sohne.
•
Die DDR wurde in das Guinness-Buch derRekorde eingetragen:Sie hatte die meisten Kinder pro Banane.
„•. „ • „„„. „
Kaufmann/Buchhalter,26 Jahre .1ewnd ltPB , u.. k1 ltt11. mit nur
n ·teni Ä J ~ C h i f t e n
sudle .
sqnDomeftbilCanntschaft a.Handel oder GewerbeJedoeb l l tdlt Bedingung. Einl1ei·rat od. täd e Betelligu11g mtt rd._ 000 MO N.angenehm. zuschr. u.Q * • n Y t 7 Gotla _„ . .
. '
/11EtNE G fO.SSE SCHiVESlEI( IST Gl T f4VS.t
/ /t f; ' i HIE f Mtr ~ A f BPWEN 111/ffN YO,f/
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 110/136
106p *
nter vier u ~ e n
Rudi Strahl
ase iH s oo tit
a toHiitso••e
Jenes Faschingsvergnügen besuchte ich als Mönch das heißt- um Mißverständnissen vorzubeugen - in der Verkleidung
eines Mönches als Faschingsmönch also.
Dieses nur Scheinheilige gestattete mir natürlich, dem schöne
ren Geschlecht alle meine Aufmerksamkeit zu widmen das mir
in Hülle und Fülle in Rokoko- und Biedermeierkostümen, meist
jedoch in jenen großzügig-modernen, aus spärlichsten Tuch
resten verfertigten hauchzarten Bikinigewändern seine Reize
offenbarte. Als wirklichem frommem Bruder hätte mir solchesTun sicherlich übel angestanden, ja, es hätte sich wohl gar von
selbst verboten, wenn ich über den Lebenswandel dieser ehr-.
würdigen Leute recht informiert bin.
Doch ich will nicht abschweifen. Das Erlebnis, das
mir bevorstand, sollte so einmalig werden, daß es
ganz für sich mitgeteilt zu werden verdient.
Ein- oder zweimal irritierte mich
ihr Lachen mir war als hätte ich
es schon irgendwo gehört.Gleich zu Anfang des Abends sah ich ein Mädchen -
was sage ich - einen Engel, eine Fee ein Märchenwesen, wie
es lieblicher und graziler nicht vorzustellen ist. Sie trug einesvon den Gewändern, die ich wenige Zeilen weiter oben mit
augenzwinkernder Erinnerungsfreude beschrieben habe.
Vorwegnehmen muß ich jedoch ein Bekenntnis, das mich glei
chermaßen belastet wie entschuldigt: Meine eigene Frau war
für ein paar Tage zu ihrer Mutter ins Sächsische gefahren, und
ich erwartete sie erst am folgenden Tag zurück. Sie hatte mir
zwar für diesen Abend einige Freiheiten eingeräumt, aber das
waren nur eben soviel, wie sie günstigenfalls einem Primaner
als befriedigend erschienen wären, dem die Mutter ein Fünfmarkstück mit dem Bemerken zusteckt, er solle keine Dumm
heiten machen und spätestens um Mitternacht zu Hause sein.
Ich schwöre, ich hatte keine Dummheiten vor. Aber wie schnell
erstickt der gute Vorsatz eines Mannes, wenn sein natürlicher
Schönheitssinn von ihm Besitz ergreift und seine Gedanken
vollauf damit beschäftigt sind, sich etwas zwar Verbotenes,
vielleicht aber gerade aus diesem Grunde ungeheuer Reizvol
les vorzustellen Diese Empfänglichkeit für das Schöne, meine
ich ist allen Männern eigen, soweit sie keine vollendeten Trot-
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 111/136
Unter vi r u 9en
tel sind und ihren hundertsten Geburtstag noch vor sich haben.
Die Fee wie ich sie nennen möchte war zweifellos eine Krone
der Schöpfung. Ihre schlanken Arme und Beine die wohlge
formt und rosig den Beweis antraten daß auch alles übrige anihr was nicht sichtbar oder doch nicht hüllenlos sichtbar war
von ähnlichem Ebenmaß sein müsse bewegte sie in einer Artdie jeder indischen Tempeltänzerin Ehre gemacht hätte. Ihre
Augen die ich durch die engen Masken
schlitze glänzen und irrlichtern sah
verhießen mir soviel daß ich wie man
so sagt das Gebälk im Saal knistern zu
hören wähnte. Ein- oder zweimal irri-
tierte mich ihr Lachen mir war als
hätte ich es schon irgendwo gehört;
aber ich sagte mir bald daß diese Annahme nur meiner überhitzten Phanta-
sie zuzuschreiben sein konnte.
Man rechne es mir nicht als Eitelkeit
an wenn ich behaupte daß sie an mir
offenbar nicht weniger Gefallen fand als
ich an ihr. Sie gab allen Männern die
sich ihr nahten und sie zum Tanz auf
fordern wollten einen Korb nur mir
nicht. Im Gegenteil: Von mir ließ siesich sogar an die Bar führen und nach
einer Flasche Sekt zum ersten Kuß ver-
leiten.
»Prösterchen Mönchlein « sagte sie hin
und wieder mit einem rätselhaften Lächeln und jedesmal über
legte ich wo ich ihre Stimme schon gehört haben könnte. Nach
und nach verblaßten jedoch diese Erwägungen zumal sie mir
mehr an Freiheiten gestattete als selbst beim Fasching allge-
mein üblich ist.Mein Herz sprang himmelhoch und meine Bemühungen wur
den von Stunde zu Stunde von Flasche zu Flasche im gleichen
Maße feuriger wie sie duldsamer und nachgiebiger wurde.»Prösterchen Mönchlein« hauchte sie als die großen Lampen
im Saal erloschen und nur noch winzige bunte Lampions ein
wohltuendes vielverdeckendes Dämmerlicht verbreiteten. Sie
hatte vor Stunden die nämlichen Worte gebraucht aber derTon macht die Musik und ihre Stimme war gegen Mitternacht
vielversprechender denn je.
1 7
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 112/136
1 83• •
Statt des Autogramms
hätt st du dir lieber die
Adresse geben lassen
sollen <<
e
Mit einem kleinen Beben in der Stimme sagte ich daß ich in
meiner Wohnung noch eine Flasche herrlichsten Burgunders
stehen hätte und verband damit das Angebot diese Flasche in
traulicher Zweisamkeit zu trinken und anschließend sofort in
den Trubel des Abends oder Morgens zurückzukehren.
Sie lächelte mich rätselhaft an und -nickte. Ich weiß heute kaum noch zu
sagen wie ich so schnell unsere Gar-
derobe und eine Taxe beschafft habe.
Ich weiß nur daß ich im Auto zum
Generalangriff überging und daß
ihre Großzügigkeit beinahe ohne
Grenzen war.
Beinahe. Als ich jedoch ihre Maske
entfernen wollte - ich muß zugebensie störte mich und meine hatte ich
gar nicht erst aufgesetzt - wehrte
sie es ab.
Ich hatte indes keine Zeit länger
über ihr seltsames Gebaren nach
zudenken denn die Taxe hielt vormeinem Haus. Gott sei Dank - die
Nachbarn schliefen die Treppenknarrten nicht und die Tür ging so
leicht auf als hätte ich sie in leichtsinniger Absicht geölt bevor ich
weggegangen war.
Und dann saßen wir nebeneinanderauf der Couch. Die kleine Beklemmung die ein flüchtiger Ge-
danke an meine Frau in mir wachrief überwand ich mit tau
send Entschuldigungen die ein Mann für solche Fälle parat hat.
Das Radio schickte eine leise Musik ins Zimmer der Wein - es
war simpler Riesling den Burgunder hatte ich selbstverständ
lich erlogen- der Wein also funkelte in den Gläsern und ich
sah mich dem Ziel meiner leichtfertigen Wünsche sehr sehr
nahe. Ich bestürmte sie doch endlich die Maske zu entfernen.
Sie wehrte sich lange aber schließlich ließ sie sich erweichen.
Mit zögernden Fingern nestelte sie die Bänder los.
Die Maske fiel.
Es war nicht meine Frau.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 113/136
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 114/136
11 o wir sind ist vorn
Renate Holland Moritz
Otto und Luise saßen beim Frühstück. Otto hatte schlecht ge
schlafen denn seineGalle
piesackte ihn.Als er an seinem Kaffee genippt hatte sagte er: »Na, da hast du
ja weder Mühe noch Wasser gespart.«Luise hatte gut geschlafen. »Reg dich nicht auf«, sagte sie freund
lich, »so ist er viel gesünder. Außerdem solltest du mit deinerGalle überhaupt keinen Kaffee trinken ...«Otto spürte einen stechenden Schmerz und wurde böse. »Vielen
Dank für die rührende Fürsorge. Nicht einmal der Schluck Kaf
fee am Morgen wird einem
gegönnt. Wer verdient hier ei
gentlich das Geld?«
»Unter anderem ich«, sagteLuise.
»Daß ich nicht lache«, sagteOtto giftig.
Nun war Luise auch böse. Sie
sprach kein Wort mehr, räum
te den Frühstückstisch ab
und ging grußlos aus dem
Haus.Der Gemüsekonsum, in dem Luise Verkäuferin war, hatte Cham
pignons bekommen. Luise war brummig, aber die Kundschaftfreute sich, denn es gab selten Champignons. Gegen zehn fragteein Herr: »Wieso kostet der Beutel bei Ihnen fünf Mark?«
Lulse sagte wütend: »Weil ein Pfund drin ist. Und das Kilo Cham
pignons kostet zehn Mark. Vielleicht können Sie sich den Restallein ausrechnen.«Der Herr fing an zu zittern. »Ich verbitte mir Ihren unverschäm-
••
ten Ton Uberall woanders kostet so ein Beutel vier Mark.«»Dann kaufen Sie doch woanders « keifte Luise und riß dem Herrn
den Beutel Champignons wieder aus der Tasche.
Der Herr arbeitete als Materialverwalter in der PGH »Fröhliche
Baugesellen«. Er hatte seit Jahren eine Gastritis und konnte nach
dem Ärger mit der Verkäuferin vor Magenschmerzen kaum noch
stehen. Er wollte sein Beruhigungspulver nehmen und sich einwenig auf die Couch in seinem Büro legen. Da meldete ihm die
Sekretärin eben würden hundert Sack Zement geliefert und er
möge sich um die Lieferscheine kümmern. Seine Magenschmer-
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 115/136
ow r sind ist vorn
zen verstärkten sich. Als er vergnatzt auf den Hof ging, sprach
ihn eine ältere Dame an, die vor einem halben Jahr einen Sack
Zement bestellt hatte. »Harn wir nich, kriejen wir auch vorläufichnich rin« sagte er und ließ die ältere Dame neben den hundert
Zementsäcken stehen.Die Dame brauchte den Zement dringend und war deshalb äußerst
ungehalten über die offensichtliche Lüge des Materialverwalters.
Der Fahrer des Ein-Mann-Autobusses, in den sie einstieg, verlangte passendes Fahrgeld. Sie hatte keins. Aus Nervosität fing sieStreit an. Der Fahrer regte sich furchtbar auf und warf die älte-
re Dame hinaus.Wegen des akuten Personalmangels hatte der Fahrer noch einezweite Schicht fahren müssen und demzufolge war er jetzt todmüde. Der Streit mit der älte-ren Dame hatte den ohnehinüberreizten Mann dermaßen
wütend gemacht, daß er dieNerven verlor und an der
nächsten Haltestelle einejunge Mutti mit Kinderwagennicht mitnahm obwohl imBus noch genügend Platz
war.Die junge Mutti war Lehrerin.Weil sie ihr Kind nicht pünkt-
lich zur Krippe bringen konnte kam sie zu spät zum Unterricht.Gerade an diesem Tage wollte der Schuldirektor hospitieren. Auslauter Verlegenheit und Ärger leitete sie den Unterricht schlecht.Das wiederum machte sie so kribbelig daß sie in der großen
Pause eine Kollegin grundlos beleidigte.Die Kollegin bekam daraufhjn Herzschmerzen. Während ihres Unterrichts fiel dem Schüler Jürgen Z. versehentlich ein Lineal vonder Bank, wofür sie ihm eine Vier in Betragen eintrug.
Jürgen fühlte sich ungerecht behandelt und platzte fast vor Wut.Nach der Schule ging er nicht wie üblich) gleich nach Hause, son -
dern trieb sich noch herum. Er nahm spielenden Kindern die Bälleweg und schmiß sie auf die Straße. n einer Baustelle kippte er
einen Eimer mit Mörtel um. Als ihn ein Maurer zurechtwies zeigte er dem einen Vogel und rannte davon.Der Maurer schimpfte laut über die verkommene Jugend von heute
und bekam Gallenschmerzen. Die Tafel Schokolade, die er seiner
Frau Luise zur·Versöhnung mitbringen wollte, aß er vor Wut selber auf.
1 1 1
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 116/136
2
,
Wo wir sind ist vorn
Hansgeorg Stengel
Er wußte natürlich daß Gedichte, besonders ernste schwer ab
zusetzen sind, aber immer nur Romane und Dramen wollte der
junge Autor Johann Wolfgang Goethe partout nicht schreiben.
Und so dichtete er:
Wanderers Nachtlied
Über allen Gipfelnist Ruhin allen Wipfeln
spürest du
kaum einen Hauch.Die Vöglein schweigen im Walde.Warte nur, balderuhest du auch.
Johann Wolfgang Goethe
Auf Anraten des Weimarer Kulturbund-Kreissekretärs schickte
Goethe das Gedicht zuerst an den »Sonntag«. Der schrieb zurück:
Sehr geehrter Herr GoetheWir haben uns über Ihre talentierten Verse sehr gefreut. Obwohl
•
wir einen entsprechenden Hinweis Ihrerseits vermissen sind wir
fest davon überzeugt, daß Sie das Gedicht als Beitrag zum »Sonn
tag«-Preisausschreiben um die Goldene Note 1965 aufgefaßt
wissen wollen . Unter diesem Aspekt und nach Aussprache mitdem vermutlichen Komponisten Ihres Textes schlagen wir Ihnen
eine etwas schlagergetreuere Formulierung Ihres Tanzlieds vor.
Etwa so:
Notturne
Über allen Gipfeln, du,ist, mein Liebling, Ruh, ja Ruh.Und in allen Wipfeln Schatz,spürst du nicht den kleinsten Fatz usw.
Indem wir Sie, sehr geehrter Herr Goethe, in diesem Sinne um
Neufassung (am besten mit Orientierung auf spätere gesangliche
Interpretation durch Lutz Jahoda) ersuchen verbleiben wir mit
Sonntagsgruß Ihr »Sonntag«.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 117/136
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 118/136
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 119/136
owir sind ist vorn
Aber dagegen hatte Goethe gewisse Einwände. Die »Wochen
post«, der er sein Gedicht schließlich übermittelte, reagierte
hinhaltend:
Lieber Leser Goethe
Ihre Verse sind ordentlich, aber es gibt im Augenblick keinenGedenktag, auf den sie sich aktuell beziehen lassen.
Leider ist auch Ostern vorüber, sonst hätten wir aus »Vögelein«
»Osterhäslein« gemacht und das so redigierte Gedicht zum Ab
druck gebracht. Aber so. Na ja, vielleicht ein andermal. Mit
Wochengruß Ihre »Wochenpost«.
Nach fruchtloser Korrespondenz mit weiteren vierundsechzig
Zeitungen, Zeitschriften und Almanachen siebenunddreißig ant
worteten überhaupt nicht) weinte Johann Wolfgang bitterlich undbeschloß, einer Arbeitsgemeinschaft Junger Lyriker beizutreten,
um solidarisch mit anderen Lyriker-Leidensgenossen für Recht
und Ehre der Lyrik zu kämpfen. Aber die Lyriker-Arbeitsgemein
schaft hatte sich längst aufgelöst, denn alle zeitgenössischen
Lyriker, von Wiens bis Gerlach und von Kunert bis Kahlau, waren
längst zur DEFA abgewandert. Da begab sich auch Goethe nach
Babelsberg und schrieb sein erstes Film-Drehbuch. Er nannte essarkastisch »Götz von Berlichingen«.
5
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 120/136
6 o wir sind ist vorn
Peter Lux
I O
Mitropa-Kellner Anselm Plinsenfuß hatte sich den freien Nach-
mittag genau eingeteilt, denn er wollte sich heute mit erspartem Geld endlich einige langgehegte Wünsche erfüllen.
Die schönen Scheine in der Tasche, betrat er ein Autohaus.»Das ist doch kein Motorrad, sondern ein Moped«, sagte Plin
senfuß angesichts des ihm vorgeführten Vehikels. »Sie irren«,
antwortete der Verkäufer. »Mopeds haben keine Nummernschil-
der, dies jedoch hat eines - ergo ist es ein Motorrad «
Völlig perplex verließ Plinsenfuß mit der gestammelten Be-
merkung, er müsse sichs noch überlegen, den Laden.
Er betrat eine Tierhandlung. »Ein Bernhardiner? Bittesehr, mein Herr « Fassungslos starrte Anselm auf den
Hund, der zutraulich zu ihm emporblickte. »Das ist
doch ein Dackel«, stieß er hervor. »Nicht doch«, belehr
te ihn der Tierhändler. »Beachten Sie bitte das Ko-
gnakfäßchen am Hals des Tieres - ein typisches
Merkmal für Bernhardiner «
Erschüttert wankte Plinsenfuß aus dem Geschäft. Der
Gedanke an die neue Wohnung, die er sogleich be-
sichtigen wollte, gab ihm ein wenig Seelenstärke zu-rück. Das Haus sollte - ein alter Traum - inmitten
eines Gartens stehen.
Als er sich in seinem zukünftigen Heim umgesehen
hatte, wandte er sich fragend an den Vermieter: »Ganz
nett, aber wo ist der Garten?« Der Wohnungsinhaber
staunte: »Haben Sie denn den Baum vor dem Haus
nicht bemerkt?«
Plinsenfuß wußte nicht, wie er auf die Straße gekom-
men war, er wußte nicht, ob er träumte oder wachte.Die Welt war schlecht. Der einzige Ausweg erschien
ihm darin zu bestehen, vorzeitig den Dienst anzutreten.
Er fuhr zum Bahnhof, zog sich um und verschloß traurig seine
schönen Scheine. Dann kletterte er in den Speisewagen seines
Zuges und begann, in gewohnter Weise das gemischte Kompott
für das Gedeck vorzubereiten: achtundzwanzig Schüsselehen
füllte er zunächst mit Kirschen, und dann tat er je eine kleine
Pflaume hinzu. Darauf hatten die Leute Anspruch, wenn sie ge-
mischtes Kompott bezahlten - schließlich kostete es mehr alsKirschkornpott.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 121/136
•
- ~ ~ : : - ~ · . . ~ . . , . . . , . . . , , " ' , „ ~ . . - , p " ' „ . : ~ ~ ~ ~ ' ' -,;iti.t91-.rw:stk s • ~ % : « ' '&1'&1:••1 . , . , . . . . . . . . _ ~ ~ ~ c e ; , . - „ , ' l ,
Lord Nelson und Napoleon besuchen die NVA. Nach der
Armeeverbände fragt sie der begleitende
was sie sich von den Dingen, die sie gesehen haben , amwünschen würden.
»Die Panzer - die wären viel besser gewesen als meine
«»Die U-Boote, da hätte ich noch mehr Schlachten
< »Ich hätte gerne das Neue eutschland - wenn ich das
gehabt hätte, wüßte die Welt heute noch nicht 1 daß ich bei
verloren habe «
'. -
~ · ~ : ' f ' * ~ ~ f . - i l l " • ~ •}."'''• _ . > l ~ ~ ~ &' " ' ~ 1 , . , , . . t ~ 1 J ' .. te h(IJ41; ~ ~ 1 .:'n& ~ ' r ' . ; r , ' ' * ' S L l ' 4 ' • 4:t •,..,u : Y . - · ' ::µ
~ . - . . - ~ . Unterricht aUf äeF P a r t e i s c b u l e ~ G e n o s s e n , d e ~ ·fortsphritt.f. nieht u f ~ t e n . Schonlleh&irsqlit S ~ z i a l i s m u s ein f:ünfteI
, d e r -Eide .bald wira··- eire $ e ~ h s t e i sein::und ich sage ,eucltt~ ' ' .. t' ' •• -
. -: . auch:ein Siebtfil u n : d A c h t e 1 ~ e ~ 4 e n w i i n9ch erleben1 <t . :, .R • '1 • • C - . ' - • • ' •1/t / ';, • . fr ' - 0 - ' . - „.,. _ . - :, ; • . 't • - u\., , _ . , , . ,r.
- - ~ . . . 1- . - - ~ , - · . . '.>f?"' ' t : •. . . „ ~ · · - - . ' . n z : : : _ . , ~ i ' l l " . · • · • ' " ' i : s : . ~ ~· r a ~ : Welches ist 4er w:lclitigste Buchstalie des ..Al_Rhabets?· · · .·. ·· · · · ··· . ·· · . . .
~ t w < > r . t = Im, Prilizip sind alle wichtigf aber uner- ·setzbar ist das »W«, denn sonst hieße es »Ärschauer ·_·
; Ea.1rt«f »Alter J b ' r i c h t ilnd »Affenbrüderschaft«. . · ·„, ' . •
·=-·· ' " " ' ~ ~ , „ , , , , ; ;,;-,, . 4 ~ ~ . . .. . i
\ötz\\ch her?<<
kommst du denn so . .Ja wo _ .· -
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 122/136
8 Wo wir sind ist vorn
John Stave
~ oi tor Hie t st
Aus einem Sitzungsprotokoll)
»Da wäre ja noch viel mehr zu sagen«, sagte Förster, »Kollegen;aber ich bin der Meinung, wenn einer nicht da ist, soll man auch
nicht über ihn richten. Zum Beispiel: Hübner. Ist er da? Nun, er
ist nicht da. Gut. Was hat Hübner gemacht? Nun, er hat gegen die
zehn Gebote verstoßen. Was? Also die zehn Gebote der soziali-
stischen Moral, alter Quatschkopp, wie sie der Genosse Walter
Ulbricht aufgestellt hat.Ist Hübner ein Trinker, Kollegen? Nun, man soll nicht alle Stäbe
auf einmal über einen Kollegen brechen, solange er noch zu ret
ten ist. Ist der Kollege Hübner noch zu retten? Er ist es. Kolle-ge Hübner also - ist er inzwischen gekommen? Nein? Nun gut.
h H Schade . Hübner geht also in die Kantine, trinktAue wenn ubner nicht da ist: h ~ t vier Flaschen Bier in einer halben Stunde und hautgegen das zehnte Gebot der soz1al1st1- der Kollegin Kalte Mamsell Trude Schultze auf
sehen Moral verstoßen. den A-Allerwertesten. - Ich weiß wirklich nicht,
Kollegen, was man daran komisch finden kann Damit nicht
genug: Hübner - ist er schon da? Nein? Nun, wenn einer nicht
da ist ... Also zur Sache. Kollege Hübner würzt seinen anti
moralischen Schlag mit einem deftigen und äußerst zweideuti-gen Ausspruch folgenden Inhaltes. Hübner, ja, schlägt also, nicht
wahr, und sagt dabei: >Verbunden mit einem schönen Gruß von
der Brigade Völkerfreundschaft < - Kollegen, Kollegen - Kolle-
gen, ihr lacht Ruhe bitte, Kollegen Wie alt ist der Kollege Hüb-
ner? Nun, er ist ein noch junger Kollege. Er ist geboren - ist er
inzwischen eingetroffen, der Kollege? Nein. Also Hübner ist ge-
boren neunzehnhundertsechsunddreißig. Einverstanden, Kolle-
gen. Aber wie sagt ein etwas abgewandeltes Sprichwort? Nun,
es sagt, daß man den Kollegen schmieden muß, solange er nochwarm ist. - Ruhe bitte, Kollegen. An dieser Stelle möchte ich den
Hebel beim Kollegen Hübner ansetzen, jawohl. Kollege Hübner
ist unverheiratet. Gut und schön. - Kollegen, hört doch endlich
einmal auf zu lachen Es ist schade, daß er nicht hier ist, oder
ist er schon gekommen? Nein? Wenn einer nicht da ist . . . Na
schön. Was aber hat die Hand des Kollegen Hübner auf der ver-
heirateten Rückseite - Kollegen, ihr macht es einem aber wirk-
lich schwer. Wir sind doch hier nicht im Kabareh Nein, verdammt
noch mal Der Kollege Hübner, der nicht hier ist, und es ist
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 123/136
owir sind ist vorn
schwer, Kollegen, einem Kollegen zu helfen, wenn er nicht da ist.
Und wir sollten die ganze Schose lieber aufheben bis er kommt.
Ja, gut. Aber ich will j auch nur kurz bis zum Kern vorstoßen.Der Kollege Hübner kennt ja die Schose soweit bereits. Kollegen,
jetzt ist mir auch noch meine Seite verlorengegangen. Auch der
Schmerz nochEiner von euch hier vorne muß sie j haben. Macht keine Witze,
Kollegen. So eine Seite kann sich j schließlich nicht verkrü
meln Aber vielleicht kriege ich es auch im Stegreif zusammen.
Ihr habt euch zu früh gefreut Kollegen. Der Kollege Hübner also
hat - was? Ach, Kollege Hübner, guten Tag. Fein, daß du noch
gekommen bist. Ich bin nämlich kein Mensch, der es hinter frem-
den Rücken sagt. Meine Devise lautet: Immer feste ins Gesicht
Ruhe bitte Kollegen Also, Kollege Hübner, paß auf. Die Kolle-
gin Kalte Mamsell Schultze läßt dir ausrichten daß du gesternvergessen hast die vier Flaschen Bier zu bezahlen alter Schlin-
gel Also: nicht wieder vergessen ja. - Und nun wollen wir die-
ses unrentable Thema verlassen Kollegen, einverstanden ja?Und wenden wir uns nun den Brigadeplänen zu«, sagte Förster
und trank einen kleinen kühlen Schluck Wasser.
•
r:::::
•
9
Uber die Arbeitsweise
des Kollegen Schulze
können wir heute inRuhe diskutieren r ist
aufDienstreise
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 124/136
12
:_
Dieter No
olfHerricht
Die·politische Schu ·lung der Bevölke .rung ist in der DDR
kostenlos.Sie ist aber für g
wöhnlich auch um
sonst .•.
. . .
965
1.Januar
4. Februar
5. Februar
6. Februar
1965
DasInstitut für Meinungsforschung beim
ZKder
SED
nimmtseine Arbeit auf.
DEFA-Filmpremiere >>Die Abenteuer des Werner Holt<< nachDieter Nolls Roman mit Manfred Karge und Klaus-PeterThiele in den Hauptrollen.
Grundsteinlegung für den Bau der Prager Straße in Dresden.
Bei den WM im Rennschlittensport in Davos erkämpfen Ortrun Enderlein bei den Frauen und Wolfgang Scheidel/M ichael Köhler im Doppelsitzer der Männer den Weltmeistertitel.
24. Februar 2. März Auf Einladung von Präsident Nasser wird Ulbricht inÄgypten erstmals in einem nichtsozialistischen Land mit
allen Ehren eines Staatsoberhauptes empfangen.
25. Februar
25. Februar
27. Februar
5. März
14. März
20. März
21. März
27. März
7. April
Nach Motiven von Leonhard Frank und in der Regie vonJo Hasler dreht die DEFA >>Chronik eines Mordes<< mit
Angelica Domröse und Ulrich Thein.
Die Volkskammer beschließt das >>Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem<<, das die Organisationder Vorschulerziehung, der zehnklassigen polytechnischen
Oberschulen, der Berufsschulen sowie der Universitätenund Hochschulen regelt.
DEFA-Filmpremiere >>Der Reserveheld<< mit Rolf Herricht,der Filmhit des Jahres.
Premiere von Rolf Hochhuths >>Der Stellvertreter<< am Deutschen Theater.
Der erste Teil der vierteiligen Fallada-Verfilmung >>Wolfunter Wölfen<< wird gesendet. Die Besetzung ist hochkarätig: Wolfgang Langhoff, lnge Keller, Ekkehard Schall, ArminMueller-Stahl, Jürgen Frohriep.
Louis Armstrong mit seiner All-Star-Band gibt im Friedrichstadtpalast sein erstes von insgesamt 16 Konzerten seinerTournee. Er ist der erste große US-Showstar, der in der DDRauftritt. ·
Premiere der legendären Inszenierung des Stückes >>Der
Drache<< von Jewgeni Schwarz mit Eberhard Esche und RolfLudwig am Deutschen Theater.
Erstaufführung von Peter Weiss >>Marat Sade<< am Volkstheater Rostock.
Der Dietz Verlag veröffentlicht den ersten Band einer vierzigbändigen Lenin-Ausgabe.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 125/136
Zeittafel 965
Sowjetischen Wissenschaftlern ist es gelungen, Tote zum Leben
zu erwecken. Sofort wird Lenin aus dem Mausoleum geholt und
zum Leben erweckt. Kaum erwacht, verfügt Lenin, ihm alle
Akten und Dokumente in sein Arbeitszimmer im Kreml zu brin-
gen und nicht zu stören. Zwei Wochen vergehen, Lenin ist immer
noch in seinem Arbeitszimmer. Schließlich sieht man nach. Lenin
ist verschwunden. Ein Zettel liegt auf seinem Platz: »Genossen,bin in der Schweiz, wir müssen noch einmal von vorn anfangen «
8. April
16. Mai
28. Mai
8. 13. Juni
18. Juni
18.-20. Juni
Erste Beatles-Langspielplatte bei AMIGA.
Zwei Weltrekorde für Christoph Höhne im Gehen über
die Distanz von 30 Meilen und über 50 km.
Der FDGB Feriendienst meldet den 15millionsten Urlauber.
Staatsbesuch des jugoslawischen Staatspräsidenten Josip
Broz Tito.
DEFA-Filmpremiere >>Entlassen auf Bewährung<<, Regie
Richard Groschopp.
Im Bezirk Frankfurt/Oder finden die 7. Arbeiterfestspiele
statt.
19. Juni 4. Juli Erste Kreis-Kinder- und Jugendspartakiaden in den Som
mersportarten in allen Kreisen der DDR.
24. Juni Aus Gesundheitsgründen tritt Außenminister Lothar Bolz
NPD) zurück; sein Nachfolger wird Otto Winzer.
14. Juli
16. Juli
17. Juli
20. Juli
4. August
5. August
11. August
27. August
4. September
10. September
25. September
25. September
Abkommen mit Moskau über den Bau von Atomkraft-
werken in der DDR.
DEFA-Märchenfilmpremiere >>König Drosselbart<< mit
Manfred Krug.
In Neubrandenburg wird das >>Haus der Kultur und Bildung<<
eröffnet.
Jürgen May läuft in Erfurt über 1000 mWeltrekord.
Baubeginn des Fernsehturms in Berlin.
Weltrekord von Siegfried Herrmann über 3000 m in Erfurt.
Carl Zeiss Jena stellt für Sternwarten in der CSSR und derUdSSR neue Spiegelteleskope her.
DEFA-Filmpremiere >>Lots Weib von Egon Günther.
Elisabeth Eichholz gewinnt im Straßenradsport bei San
Sebastian Spanien) den Weltmeistertitel im Straßenfahren.
>>Solange Leben in mir ist ein Film von Günter Reisch
über Karl Liebknecht kommt in die Kinos.
Die Messestadt Leipzig begeht ihr 800jähriges Jubiläum.
Der gebürtige Leipziger Walter Ulbricht nimmt an den
Feierlichkeiten teil.In Berlin wird das >>Haus des Lehrers am Alexanderplatz
übergeben.
2
Frage an den Sen-
der Jerewan: »Darf
man über Genossen
Kossygin Witze er-
zählen?«
Antwort: »Im Prin-
zip ja. Sicherheits-
halber sagen Sieaber statt Kossygin
besser Johnson,
Mao oder Tito «
Manfred rug
Was ist, wenn der
Fernsehturm ltm -
fällt?
Dann kann man mit
dem Fahrstuhl in
den Westen fahren.
Warum ist Leipzig
die frömmste Stadt?
Zweimal im Jahr ist
Messe, ansonstenFasten.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 126/136
22
Peter acks
Der eine Genossezum andern: }>Zum
Jahrestag der Okto-
berrevolution wirdeine neue Illustrierte Geschichte
.i- : •„ .
KPdSU erschein:e n.
- »Illustriert
sogar?« - »Ja mit
Radierungen von
Breshnew.«
Chef zur Sekretärin:»Tut mir leid, im Be-
richt muß überallich durch wir er:
setzt werden.« DieSekretärin zuck:t·zu„
~ · ; . .
sammen: »Wieso .>denn das?« - »Weil
der Betrieb den
Plan nun doch nicht
erfüllt.«•
5. Oktober
8. Oktober
Zeittafel 965
Premiere von Hacks >>Moritz Tassow<<, im Dezember beimSED-Plenum, als >>Pornographie von europäischem Rang<<
bezeichnet.
Das IOC beschließt auf Antrag des NOK der DDR, künftig
eine eigene Olympiamannschaft der DDR unter gemeinsamer Fahne zuzulassen und erkennt das Nationale Olympi
sche Komitee (NOK) der DDR an.11. Oktober ZK-Beschluß >>Zu einigen Fragen der Jugendarbeit und dem
Auftreten von Rowdygruppen<<. Die offizielle Förderung desBeat wird zurückgenommen.
16.-22. Oktober Manöver >>Oktobersturm<< der Warschauer Vertragsstaatenin Thüringen.
20. Oktober Galerie Neue Meister in Dresden eröffnet.
25. Oktober Die Sendereihe >>Der Staatsanwalt hat das Wort<< startet -
sie wird bis zum 23. Juli 1991 ausgestrahlt.
31. Oktober >>Beatdemonstration<< in Leipzig: Hunderte Jugendliche protestieren gegen das Verbot von nahezu sämtlichen Beatgruppen in der Region, es kommt zu Festnahmen .
12. November DEFA-Filmpremiere >>Ohne Paß in fremden Betten<<, Drehbuch Jurek Becker.
15. November Das Zentrale Institut für Arzneimittelwesen läßt die Anti
Baby-Pille >>Ovosiston<< von Jenapharm zu.
27.-29. November Erster Besuch Breshnews nach Chruschtschows Absetzungin der DDR.
30. November Die Diana Show Band (Mitbegründer Achim Mentzel) erhältAuftrittsverbot.
Breshnew ist in China auf Staatsbesuch. Nach erfolgreichemAbschluß der Verhandlungen bittet der chinesische Außenmini
ster um Wirtschaftshilfe. Breshnew stimmt zu und fragt, was ge
braucht wird. - »Als erstes«, meint der Chinese, »brauchen wir
10 Traktoren « - Breshnew überlegt kurz und stimmt zu. - »Als
zweites benötigen w r 500 Fahrräder.« - Breshnew überlegt wie-
der und stimmt schließlich zu. - »Als drittes«, sagt der Chinese,
»benötigenw r
1000 Tonnen Reis.« - Breshnew überlegt: »Reis?Tut mir leid, Reis geht nicht. Soweit ich weiß, wird in der DDR
kein Reis angebaut.«
3. Dezember Der Vorsitzende der Staatlichen Plankommission der DDRErich Apel erschießt sich in seinem Dienstzimmer. Er siehtdie Politik des >>Neuen ökonomischen Systems der Planungund Leitung<< (NÖSPL) durch ein langfristiges Handelsabkommen mit Moskau gefährdet. Nachfolger wird GerhardSchürer.
4. Dezember Fernsehpremiere des Fünfteilers >>Dr Schlüter<< mit OttoMellies und Larissa Lushina.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 127/136
Zeittafel 965
4. Dezember Die Rekonstruktion des kriegsbeschädigten Leipziger Haupt
bahnhofs ist abgeschlossen.
9. Dezember Ministerratsbeschluß über die Schul- und Kinderspeisung.
13. 18. Dezember Auf dem 11. Plenum des ZK sagt Walter Ulbricht: >>Ich bin
der Meinung, Genossen, mit der Monotonie des Yeah-yeah
yeah sollte man Schluß machen.<< Erich Honecker propagiert
eine >>Saubere Leinwand<< Verbot von 12 Filmen. Die zwei
te Etappe des Neuen ökonomischen Systems wird beschlos
sen.
Walter Ulbricht hält in einem Kindergarten die Eröffnungsrede.
»Liebe Kinder Euer Kindergarten wird heute eröffnet. Ihr habt so
schöne Spielsachen Teddys Autos Puppen und und «
»Bälle Bälle« flüstert sein persönlicher Referent.
» wau wau wau. «
18.Dezember Bildung des Staatssekretariats für gesamtdeutsche Fragenunter Leitung von Joachim Herrmann.
21. Dezember Die Volkskammer verabschiedet das >>Familiengesetzbuch
der DDR<< das unter anderem eheliche und uneheliche Kin
der rechtlich gleichstellt und bei Scheidungen das Schuld
prinzip abschafft.
21. Dezember Gründung des FC Magdeburg als erster selbständiger Fuß
ballclub der DDR.
22. Dezember Beschluß des Ministerrates der DDR über die Auflösung des
Volkswirtschaftsrates und die Einrichtung von neun neuen
Industrieministerien. Einführung der Fünf-Tage-Woche in
jeder zweiten Woche und Verkürzung der wöchentlichen
Arbeitszeit auf 45 Stunden wird beschlossen.
1965 verlassen 29552 DDR-Bürger das Land.
Sportler des Jahres:
Hannelore Suppe
(Leichtathletik)
Jürgen May
(Leichtathletik)
Fußball-Nationalelf
Torschützenkönig der
Oberliga:
Bernd Bauchspieß von
der BSG Chemie Leipzi.g
mit 14 Treffern
Fernsehlieblinge:
Annemarie Brodhagen,
Otto Mellies, Karl
Eduard von Schnitzler,
Gerhard Scheumann,Kollektiv Meister Nadel
öhr, Prof. Dr. Wolfgang
Ullrich, Heinz Florian
Oertel
neue Bücher:
Werner Bräunig
>>Rumme p atz<<
Hermann Kant
>>Die Aula<<
Joachim Knappe
>>Mein namenloses
Land<<
Anna Seghers
>>Die Kraft der
Schwachen<<
Horst Beseler
Käuzchenkuhle<<
C. U. Wiesner
>>Frisör Kleinekorte<<
23
Oberliga Plazierung
1973
1. ASK Vorwärts Berlin
2. SC Motor Jena
3. BSG Chemie Leipzig
4. SC Leipzig
5. SC Empor Rostock
6. BSG Lokomotive
Stendal
7. SC Aufbau Magde-
burg
8. BSG Motor Zwickau
9. BSG Wismut Aue
10. SG Dynamo Dresden
11. SC Karl-Marx-Stadt
12. SC Dynamo Berlin
13. SC Neubrandenburg
14. BSG Motor Steinach
große Hits:
>>Party-Twist<<
Frank Schöbe
>>Bis zur Hochzeit ist
alles wieder gut<<
Karin Prohaska
>>Das ist der Bikini
Shake<<
Andreas Holm
>>Morgenstunde hat
Gold im Munde<<
Ruth Brandin
>>Pech für mich<<
Ingo Graf
Hully Gully am Strand<<
Rosemarie Ambe
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 128/136
124
Kt aus Gysi
Von der UNO wirdder Weltuntergang
für den 30.5. verkündet. Was veranlassendie einzelnen Staaten? - In den USA ·
. .
werden die Banken·
beauftragt, sämtlicheDollareinlagen an dieBürger zu verteilen.- In Frankreich wird
Rotwein kostenlos
ausgeschenkt. DieDDR organisiert3000 Maler für dieAnfertigung überdimensionaler Lesun„
gen: Mit erfüllten .
Plänen dem Welt- .untergang entgegen„
Anfrage an den Sen
derJ rewan: »Kann
ein Analphabet Mit
glied der Akademieder Künste werden?«Antwort: »Im Prinzip
ja, aber kein korrespondierendes.«
966
12. Januar
13. Januar
25. Januar
Zeittafel 1966
Kulturminister Hans Bentzien wird wegen >>schwerer Feh
ler<<von Klaus Gysi abgelöst.
Bildung eines Rates für gesamtdeutsche Fragen Staats
sekretär Joachim Herrmann erklärt die Bereitschaft zu
Verhandlungen mit der Bundesrepublik auf der Grundlage
völliger Gleichberechtigung.
Die >>Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kennt
nisse - gegründet 1954 - gibt sich den Namen URANIA.
Ist der Sozialismus von Wissenschaftlern oder von Politikern er
funden worden?Natürlich von Politikern. Die Wissenschaftler hätten erst einenTierversuch gemacht
3. Feburar
9. Februar
15. Februar
Mit >>Luna 9<< gelingt der UdSSR die erste weiche Landung
einer Sonde auf dem Mond.
Der erste große Dokumentarfilm von Heynowski/Scheu
mann hat Fernsehpremiere: >>Der lachende Mann -
Bekenntnisse eines Mörders<< des >>Kongo-Müllers<.
Mit der Gründung des >>Oktoberklubs<< - zunächst Hoote
nanny-Klub - wird die FDJ-Singebewegung ins Leben
gerufen.
17. Februar Der erste DEFA-lndianerfilm>>Die
Söhne der großen Bärin< hat Premiere.
22.-27. Februar In Oberhof findet die erste Zentrale Kinder- und Jugend
spartakiade in den Wintersportarten statt.
25. Februar DEFA-Kinderfilmpremiere >>Alfons Zitterbacke<< nach dem
beliebten Buch von Gerhard Holtz-Baumert.
28. Februar Die DDR beantragt die Aufnahme in die UNO die West
mächte im Sicherheitsrat legen ihr Veto ein.
29. März - 8. April Eine Delegation unter Leitung von Walter Ulbricht nimmt
am XXIII. Parteitag der KPdSU in Moskau teil.
Anfrage an den Sender Jerewan: »Kann ein sozialistischer Leiterleiten?«
.
Antwort: »Im Prinzip ja, aber haben Sie schon mal einen Zitronen-falter Zitronen falten sehllr < . ,
1. April
1. April
7. April
Das Familiengesetzbuch tritt in Kraft und für alle Werk
tätigen gilt die 45-Stunden-Woche.
Robert Havemann wird aus der Akademie der Wissen
schaften ausgeschlossen.
Der Ministerrat beschließt für 1967 die Zahlung von Jahres
endprämien.
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 129/136
Zeittafel 966
8. April
9. April
16. April
29. April
3. Mai
8. Mai
9. Mai
20. Mai
26. Mai
28. Mai
DEFA-Filmpremiere >>Reise ins Ehebett<< mit Frank Schöbe .
Der erste arbeitsfreie Sonnabend.
Die Frauen des SC Leipzig gewinnen den Handball-Europa
pokal der Landesmeister im Spiel gegen HG Kopenhagen.
Der erste Wohnblock des Neubaugebiets Rostock-Lütten
klein wird übergeben.Im Stendaler Milchwerk beginnt die Produktion von
Mi 1a an<< Säug ngsfertignah rung.
Unterzeichnung eines Freundschaftsvertrages zwischen
Sportleitungen der UdSSR und DDR durch Manfred Ewald
und Juri Maschin.
Das erste mit sowjetischer Hilfe errichtete Atomkraftwerk
geht in Rheinsberg ans Netz.
Heiner Carow dreht nach einem Buch von Benno Pludra
den Kinderfilm >>Die Reise nach Sundevit<<.SPD und die SED vereinbaren ein Kommunique über den so
genannten Redneraustausch zwischen beiden Parteien, der
nicht zustandekommt.
Neu im Fernsehen: Ratgeberreihe Das Verkehrsmagazin<<.
Womit kann man die Beschleunigung eines Trabants messen?it einem Kalender.
15. Juni
17.-19. Juni
19.-25. Juni
23.-24. Juni
DEFA-Filmpremiere >>Spur der Steine<< mit Manfred Krug
und Eberhard Esche. Nach einigen Vorführungen wird der
Film wegen >>Herabwürdigung der Partei<< verboten.
An den 8. Arbeiterfestspielen im Bezirk Postdam nehmen
4900 Volks- und 1100 Berufskünstler teil.
Astrid Schmidt und Horst Bräutigam gewinnen den Welt
meistertitel im Asphaltkegeln in Bukarest.
Konferenz über Rationalisierung und Standardisierung in
Leipzig.
Bei einer internationalen Konferenz unterhalten sich drei Inge-nieure über den Tunnelbau in ihren Ländern. ,,
Ein amerikanischer Tunnelbauer berichtet: »Es wird von beidenSeiten des Berges gebohrt. Wrr treffen uns in der Mitte mit einerAbweichung von einem Meter. Diese Ecke sprengen wir weg undbasta. « - Ein russischer Tunnelbauer berichtet: »Wrr machen das
. . .
genauso aber die Abweichung beträgt nur zehn Zentimeter. Diese
Ecke hacken wir ab und basta. « - Da meldet sich der Tunnelbaueraus der DDR zu Wort: »Wrr machen es auch so und wenn Gottwill ist die .Abweichung gleich nu11.« -- »Und wenn Gott nicht
will?« fragt ein Zuhörer. - »Nun dann haben wir zwei Tuftnel.«
25
Familie Birnbach be
staunt die Neubau
wohnung. Frau Bimbach jubelt entzückt. »Sieh mal
Manne welch schöne Einbauschränke.«Der Mann von derKWV schüttelt tadelnd den Kopf.
»Keine Einbau
schränke. Das sind
die Kinderzimmer. «
berhard sche
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 130/136
26
·Die DDR ist tler. ein- ·
Zige Sta<itt deri Welt .
der den·Mend ·konse- ·.
quent rür friedliche. Zwecke riutzn · ·· »Für welcJie frie<ili-
clien Zwecie . ,
. »Für äie Straßen- · e l e u c l i t n g . .
'
Volker raun
24. -26. Juni
6. Juli
24.-31. Juli
26. Juli
Zeittafel 966
In Bautzen findet das erste Festival der sorbischen Kulturstatt.
Bukarester Deklaration - Forderung der Warschauer Vertragsstaaten nach der Schaffung eines Klimas der Entspannung und der Beseitigung der Überreste des Kalten Krieges.
Die erste Zentrale Kinder- und Jugendspartakiade findet in
Ost-Berlin statt.In Weimar wird das erste Restaurant der Kette >>Gastmahldes Meeres<< eröffnet. Es folgen Berlin, 1967 dann Leipzig,Rostock, Magdeburg, Jena, Erfurt.
24. Juli - 6. August Als erster Fallschirmspringer der Welt landet GünterGerhardt drei >>Null<<-Sprünge und siegt im kombiniertenEinzelspringen bei der Weltmeisterschaft in Leipzig.
1. August Das ZK der KP Chinas ruft die >>Große Proletarische Kultur-revolution aus.
llibricht und Mao Tse-tung unterhalten sich. »Wie viele Feinde haben
Sie in der Volksrepublik China?« fragt Ulbricht .- »Es werden so etwa' .
siebzehn Millionen sein.« - »Ja das ist ungefähr so wie bei uns.«
10. August
14. August
Die Montage des ersten Wohnblocks in Jena-Lobeda beginnt.
Europarekord im Stabhochsprung durch Wolfgang Nord-•
w1g.
25. August In Beeskow wird ein modernes Spanplattenwerk in Betrieb
genommen.
27.-28. August Bei der Ruder-EM der Frauen in Amsterdam gewinnt dieDDR-Auswahl im Doppelvierer, Doppelzweier und Achter.
1. Oktober Volker Brauns umstrittenes Stück >>Kipper Paul Bauch wirdin der Zeitschrift FORUM veröffentlicht.
15. Oktober Die Mannschaft der DDR verläßt vorzeitig die vorolympischen Spiele in Mexico, da ihr vom Internationalen Olympischen Komitee untersagt wurde, unter der Bezeichnung>>DDR anzutreten und stattdessen die Bezeichnung >>Ost-
deutschland<< empfohlen wurde.19. Oktober Peter Weiss' >>Die Ermittlung<< erlebt eine Ring-Urauffüh
rung an 16 ost- sowie 5 westdeutschen Bühnen.
12. November Erste Sendung von >>Klack 8 achtern Strom<<.
14. November Der VEB Strickmaschinenbau Karl-Marx-Stadt ruft zumWettbewerb unter der Losung: >>Rationeller produzieren -
für dich, für deinen Betrieb, für unseren sozialistischen Friedensstaat - dem VII. Parteitag entgegen <<
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 131/136
Zeittafel 966
15. November In Eisenach beginnt die Produktion des Wartburgs Typ 353(bis 1989 verlassen 1225 429 Autos das Werk).
4. Dezember Mit Mozarts >Don Giovanni wird die Komische Oper Ber-lin wiedereröffnet. Regie: Walter Felsenstein.
Maria Callas tritt in der Staatsoper auf. Walter Ulbricht ist begei-
stert schüttelt ihr die Hand und sagt: »Sie haben sich um unserLand verdient gemacht. Gibt es einen Wunsch, den ich Ihnen erfül-
len kann Madame?« - »Ja, Herr Ulbricht« antwortet die Callas.
»Reißen Sie die Mauer nieder « - Da droht Ulbricht schelmisch mitdem Zeigefinger und sagt: »Na, na na Madame ... Sie wollenwohl mit mir allein sein.«
10./11. Dezember Der >> Verband der Theaterschaffenden der DDR wird gegründet. Präsident ist der Intendant des Deutschen Theaters,Wolfgang Heinz.
14. Dezember Der neue Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, Herbert Wehner, erklärt, daß eine diplomatische Anerkennungder DDR erst nach deren >>demokratischer Legitimation<<möglich sei.
15.-17. Dezember Auf der 14. Tagung des Zentralkomitees der SED wird überden Vorschlag eines Minimalprogramms >>zur Normalisierung der Beziehungen DDR-BRD beraten.
Ochse, Pferd und Huhn stehen an der Mauer und überlegen1 ob
sie abhauen. »Ich bleibe«, sagt das Huhn, »hier sind die Eier billi-
ger.« - Das Pferd meint: »Ich bleibe. Hier geht es dauernd bergabund das ist für mich leichter.« - »Ja, meint ihr denn ich gehe?«
sagt der Ochse. »Hau ich ab, bleibe ich ein Ochse, hier kann ich
Diplomingenieur werden.«
1966 verlassen 24131 DDR-Bürger das Land.
Sportler des Jahres:
Gabriele Seyfert(Eiskunstlauf)
Frank Wiegand(Schwimmen)
Fußball -Nationalmannschaft
Torschützenkönig der
Oberliga:
Henning Frenzel vom
1. FC Lokomotive Leipzig mit 22 Treffern
Fernsehlieblinge:
Otto Mellies, Hans-PeterMinetti Hans Jacobus,das Sandmännchen,Heinz Florian Oertel,Hans-Georg Ponesky,Karl-Eduard vonSchnitzler, AnnemarieBrodhagen, Klaus Feldmann, Prof. Dr. HeinrichDathe
neue Bücher:
Johannes Bobrowski>>Litauische Claviere<<
Franz Fühmann>> König Ödipus
Günter Kunert>>Unschuld der Natur<<
Uwe Greßmann>>Der Vogel Frühling<<
Erich Loest (unter demPseudonym Waldemar
Naß)>Ich war Dr. Ley<<
27
Oberliga-Plazierung
1966
1. FC Vorwärts Berlin2. FC Carl Zeiss Jena
3. 1 FC LokomotiveLeipzig
4. FC Hansa Rostock5. SG Dynamo Dresden6. BSG Wismut Aue7. FC Karl-Marx-Stadt8. BSG Chemie Leipzig9. FC Dynamo Berlin10. BSG Motor Zwickau11. FC Chemie Halle12. BSG Lokomotive
Stendal13. FC Rot-Weiß Erfurt14. 1 FC Magdeburg
große Hits:
>>Bin schon vergeben
Andreas Holm
>>Sag ihm, du bist meinMädchen
Christian Schafrik
>>Baby du bist ok.<<
Frank Schöbe
>>Das schönste Mädchender Welt<<Günter Geißler
Es gibt keine andere,my Darling<<Roland Neudert
>>Kleine Stadt<<
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 132/136
28 Rechtliches
•
Nachweise
Die Karikaturen stammen von
Heinz Behling: 14 19 20 30 unten 47 65 66 Mitte 79 81 86Manfred Bofinger: 8
Gerhard Bläser: 45
Peter Dittrich: 66 oben 70 105 unten
Barbara Henniger: 113
Harald Kretzschmar: 15 35 120 121 122 124 125 126
Lothar Otto: 58 62
Harri Parschau: 10 16 24 30 42 55 oben 63 68 72 77 unten; 9398 104 105 oben 110 111 115 116 117
Louis Rauwolf: 6 21 31 49 55 unten 91 119
Rudi Riebe: 97Thomas Schleusing: 28 107
Horst Schrade: 17 18 60 61 66 unten 90 94 95 96 103
KarlSchrader: 13 32 33 34 SO 57 74 78 108
Carl Sturtzkopf: 76
Georg Wilke: 84
Fotos:
Klaus Winkler: 5 37 39 95ullstein bild: 11; ullstein bild-Herbig: 12
Für die freundliche Genehmigung zum Abdruck danken wir den Au-
toren Zeichnern und Erben. Nicht in allen Fällen ist es uns gelungenRechteinhaber und Rechtsnachfolger zu ermitteln. Berechtigte Hono-
raransprüche bleiben gewahrt
Impressum
Besuchen Sie uns im Internet:www sammelwerke de
Genehmigte Lizenzausgabe für Sammler-Editionenin der Verlagsgruppe Weltbild
Steinerne Furt D-86167 Augsburg
Copyright © 2008 by Eulenspiegel · Das Neue Berlin Verlags-gesellschaft mbH Co. KG Berlin
Umschlaggestaltung: Peperoni Werbeagentur GmbH Berlin
Umschlagmotiv: Picture Alliance Frankfurt
Druck und Bindung:Offizin Andersen Nexö Leipzig GmbH Zwenkau
Printed in the EU
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 133/136
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 134/136
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 135/136
7/21/2019 Sternstunden des DDR- Humors / 1965 - 1966
http://slidepdf.com/reader/full/sternstunden-des-ddr-humors-1965-1966 136/136
• • •• ••
• - •
ü erholen ohne einzuholen. .