Sprach- und Sprechstörungen
description
Transcript of Sprach- und Sprechstörungen
FRIEDRICH-SCHILLER-UNIVERSITÄTINSTITUT FÜR ERZIEHUNGSWISSENSCHAFTSEMINAR: STÖRUNGEN IN DER ENTWICKLUNGDOZENTIN: DR. GRETE TRETTINREFERENTINNEN: INA BÖHME, JOHANNA BÜHNER, CHRISTINA GÖTZE UND CLAUDIA KIRCHNERDATUM: 15.12.2009
Sprach- und Sprechstörungen
Gliederung
1 Wie Kinder sprechen lernen2 Fakten über Sprach- und Sprechstörungen3 Formen von Störungen
3.1 Dysgrammatismus3.2 Stammeln3.3 Poltern3.4 Stottern
1 Wie Kinder sprechen lernen
Sprachbaum Sprache des Kindes, mit den drei Bereichen
(Artikulation, Wortschatz, Grammatik), kann sich entwickeln, wenn eine Reihe von Fähigkeiten ausgebildet sind + Sprachverständnis und Motivation zum Sprechen vorliegen
Baum entfaltet sich nur dann, wenn genügend Wärme und Licht vorhanden sind und das lebensnotwendige Wasser genügend Nährstoffe enthält
Sprachbaum
Wurzeln zugrunde liegende Entwicklungsprozesse, die das Kind durchlaufen muss, um überhaupt fähig zu werden Sprache zu erwerben und anzuwenden
Sensomotorische Entwicklung Sozialemotionale Entwicklung Geistige Entwicklung / Hirnreifung
Sprachbaum
Stamm Sprachverständnis und Sprechfreude
müssen gegeben sein, damit sich Sprache (Äste und Zweige der Krone) ausdifferenzieren können
Sprachbaum
Krone soll ausgebildete Sprache darstellen, die sich untergliedert in die Bereiche Wortschatz, Artikulation und Grammatik
Sprachbaum
Wipfel Schriftsprache des Kindes
Sprachbaum
Licht/Wärme (Sonne) Akzeptanz der Eltern und Erzieher, Geborgenheit und Schutz, Sicherheit und Fürsorge
Sprachbaum
Wasser (Gießkanne) tägliche miteinander reden, Kommunizieren und sich sprachlich und nicht-sprachlich In-Beziehung-Setzen, damit sich Sprache entwickeln kann
Sprachbaum
Erde Lebensumwelt des Kindes, Kultur und Gesellschaft
Sprachbaum
Einzigartigkeit eines jeden Baumes
kein Baum gleicht dem anderen – jedes Kind hat seine eigene Individualität
Sprachentwicklung verläuft von Kind zu Kind unterschiedlich
2 Fakten über Sprach- und Sprechstörungen
Fakten über Sprach- und Sprechstörungen
DefinitionSprachschwierigkeiten Beeinträchtigung der Fähigkeit, Gedanken
mittels Sprache auszudrücken Mängel im Verstehen oder Produzieren
Sprechschwierigkeiten Beeinträchtigung der Fähigkeit, Sprachinhalte
fließend und gut artikuliert in gesprochene Sprache umzusetzen
Fakten über Sprach- und Sprechstörungen
Mängel im sprachlichen Ausdruck grammatikalische Formulierung Aussprache Redefluss
Allgemeine Symptomatik
Ursachen und Hintergründe
Fakten über Sprach- und Sprechstörungen
durch verschiedene Ursachen und in verschiedenen Stadien der persönlichen Entwicklung eines Menschen können sich Primärwirkung entfalten
hirnorganische Schäden Konstitution (Erbanlage) Psychische Faktoren (traumatische Schäden, Schocks) Umwelteinflüsse (spracharmes Milieu) Sensorische Störungen (Seh- und Hörstörungen) Erkrankungen der peripheren Sprechorgane Entwicklungsstörungen Stoffwechselstörungen
Fakten über Sprach- und Sprechstörungen
Trennung von gestörter Sprache und von gestörtem Sprechen notwendig
Therapie der Sprachstörung muss Vorrang vor Behandlung einer Sprechstörung haben
Sprachstörungen = gravierender, Verbesserung an Reifung des Gehirns geknüpft
Sprechstörungen – können noch im Erwachsenenalter erfolgreich behandelt werden
Untersuchungen und Diagnosen
Pädagogische Hilfen
Fakten über Sprach- und Sprechstörungen
Gefühl von Akzeptanz freundliche Ermunterung, klärende
Gespräche, Objektivität allen Kindern gegenüber
erleichtern dem betroffenen Kind die Integration in die Gemeinschaft
Anhebung seines Selbstwertgefühls Hilfeleistungen:
rechtzeitiges Gespräch mit Eltern individuelle Beobachtung bei Verdacht Hinzuziehen und Kooperation mit Facharzt,
Therapeuten oder Logopäden
Fakten über Sprach- und Sprechstörungen
Kinder nicht verlachen, bloßstellen oder beschämen
nicht zur Eile drängen, nicht ungeduldig werden Kind bevorzugt zu schriftlichen
Aufgabenlösungen heranziehen Vermeiden von Erregung und Nervosität einwandfreies Sprach- und Sprechvorbild geben
Pädagogische Hilfen
3.1 Dysgrammatismus
Dysgrammatismus
DefinitionSchwierigkeit bzw. Unfähigkeit, einen gedachten Sachverhalt in syntaktischer (Wortfügung, Wortfolge, Satzfügung, Satzfolge) und grammatikalischer (Deklination, Konjugation, Wortarten) Strukturierung einwandfrei zu formulieren und sprachlich und schriftlich mitzuteilen.
3 Formen von Störungen
Symptomatik
Dysgrammatismus
Hauptsächliche Symptome Benutzung von Einwortsätzen Gebrauch der Infinitivsprache Beugungs- und Steigerungsfehler Wortvertauschungen im Satz Insgesamt verminderte
Ausdrucksfähigkeit bei einem begrenzten Wortschatz
Symptomatik
Dysgrammatismus
Begleitsymptome Gehemmtheit Sprechscheu Schüchternheit Unaufmerksamkeit Leichte Ablenkbarkeit Motorische Ungeschicklichkeit
Symptomatik – Verschiedene Schweregrade
Dysgrammatismus
Hochgradige Form: Unfähigkeit, weder selbstständig noch im Nachvollzug Sätze zu sprechen, nur Einwortsätze oder zusammenhangsloses aneinanderreihen der Wörter (Telegrammstil)
Mittelgradige Form: Kind kann zwar nicht selbst Sätze bilden, ist jedoch in der Lage, diese nachzusprechen; Wörter werden nicht gebeugt, Zeitwörter vorzugsweise im Infinitiv verwendet; meist fehlt die Ich-Form
Leichtgradige Form: Spontansprache ist im Aufbau weitgehend richtig, lediglich Fehler beim Deklarieren und Konjugieren
Ursachen und Hintergründe
Dysgrammatismus
Erscheinungsformen treten zunächst bei den meisten Kindern im Verlauf der normalen Sprachentwicklung auf sollten aber spätestens bis zum fünften Lebensjahr verschwunden sein
Multikausale FaktorenBiologisch bedingte UrsachenVerspätung der Reifung des ZNS, frühkindliche Hirnschädigungen, geistige Entwicklungsstörungen, lückenhafte Wahrnehmung, mindere Gedächtnisleistung, herabgesetzte Lernfähigkeit, leichte zerebrale Dysfunktion
Sozial bedingte UrsachenHospitalismus, falsche oder mangelnde Sprechvorbilder, unzureichende Stimulation zum Sprechen, vernachlässigtes Korrigieren des Sprechens, Postreaktionen und negatives Verhalten seitens des Kindes
Ursachen und Hintergründe
Dysgrammatismus
Nicht selten ist die Ursache eine erbliche Sprachschwäche
Diagnose: durch einen Arzt oder Spezialisten (fachärztliche und logopädische Untersuchungen)
3.2 Stammeln
Stammeln
DefinitionEine Störung der Artikulation, bei der einzelne Laute oder Lautverbindungen fehlen, nicht richtig ausgesprochen oder durch andere Phoneme ersetzt werden.
Spezifische Formen: Sigmatismus (s), Kappazismus (k), Lambdazismus (l), Rhotazismus (r)
Symptomatik
Stammeln
Im Verlauf des Spracherwerbs gelingt es dem Kind nicht auf Anhieb, alle Laute richtig auszusprechen (lässt manche Laut aus oder ersetzt diese durch andere)
entwicklungsbedingte Unfähigkeit der Lautbildung
Normalfall = physiologisches Stammeln/ Entwicklungsstammeln
Wird Stammeln bis ins fünfte Lebensjahr oder länger beibehalten, kann man von einer pathologischen Erscheinungsweise ausgehen
Symptomatik – verschiedene Arten
Stammeln
Partielle Stammeln: Sprachschwierigkeit erstreckt sich auf ein bestimmten Laut (häufig s,r, oder k) Unterscheidung zwischen Vokal- und Konsonatenstammeln
Silbenstammeln: Laute werden richtig ausgesprochen, aber Fehler bei Lautverbindungen (z.B. Bume statt Blume)
Wortstammeln: sowohl Laute wie auch Silben richtig ausgesprochen, jedoch Fehlbildungen im Wort (z.B. Dabel statt Gabel; baben statt baden)
Satzstammeln: Wörter zwar einzeln aber nicht im zusammen-hängenden Satz fehlerfrei ausgesprochen
Multiples Stammeln: zahlreiche Laute und Lautverbindungen sind betroffen; das Sprechen ist nur schwer verstehbar, weil mehrere Einzellaute oder Lautverbindungen falsch artikuliert, weggelassen oder ersetzt werden; Stammeln mit geringem Lautbestand und weitgehender Unverständlichkeit schwere Form, die aber beim Fehlen zusätzlicher organisch-funktioneller Befunde therapeutisch gut zu beeinflussen ist
Symptomatik
Stammeln
Unter Umstände kann die Sprache bis zur Unkenntlichkeit entstellt sein = hochgradiges universelles Stammeln Bsp.: „Unne Tatte tit Tutta“ = „Unsere Katze
frisst Futter“
Symptomatik
Stammeln
Begleitsymptome Mangelhafter Sprechantrieb Ungenügender Nachahmungstrieb Konzentrationsmängel Emotionale Hemmungen
(Schüchternheit, Sprechangst, Sprechscheu, Apathie, Teilnahmslosigkeit)
Unruhe Unsicherheit
Ursachen
Stammeln
Können von Fall zu Fall variieren
Verschiedene Ursachenkategorien
Erbliche Ursache: 10% aller Fälle; in den Familien meist kongenialer Sprachschwächetypus; vererbte Bedingungen können Eigentümlichkeiten der sprachlichen Begabung oder Schwächen in der auditiven Klanggestaltauffassung und –speicherung sein
Anomalien der Sprechwerkzeuge: Anomalien der Lippen, der Zunge, der Zähne, des Gaumens und des Kiefers, aber auch infolge von Missbildungen (Spaltung der Lippen, des Kiefers oder des Gaumens) bzw. von Verletzungen und Lähmungen
Ursachen
Stammeln
Audiogen bedingtes Stammeln: auf Behinderungen des Hörens zurückzuführen: z. B. Störungen in der zentralen Verarbeitung durch frühkindliche Hörstörungen, Schallleistungs- und Schallempfindungsschwerhörigkeit
Ungünstige Milieueinflüsse: mangelnde Sprech- und Sprachanregung, mangelhafte sprachliche Vorbilder hinsichtlich der Artikulation
Sonstige Persönlichkeitsbedingungen: Konzentrationsschwäche mit auditiver Unaufmerksamkeit, mangelhafte psychische Verarbeitung der Höreindrücke und andere psychische Gründe (Angst, mangelhaftes Selbstvertrauen, Minderwertigkeitsgefühle, Trotz), vorhandene motorische Schwächen (stammelnde Kinder weisen oft eine sprechmotorische Ungeschicklichkeit auf, die mit grob- und feinmotorischen Bewegungen gekoppelt ist)
Diagnose
Stammeln
Forderung: multidisziplinäre Sprachdiagnostik (da Erscheinungs- und Ursachenbild so differenziert)
Ärztliche, logopädische und pädagogische Diagnose Überprüfung des allgemeinen körperlichen
Gesundheitszustandes Untersuchung der Sprechwerkzeuge Motoskopie (Untersuchung einer Hirnleistungsschwäche) Hörprüfgung Untersuchung der Grob- und Feinmotorik (insbesondere
Mundmotorik) Prüfung des visuellen und der auditiven Wahrnehmung Prüfung der Artikulationsfähigkeit Prüfung der Lautproduktion Prüfung der auditiven, taktilen, visuellen und
kinästhetischen Wahrnehmung Diagnostische Ergänzungen: Beobachtungen,
Untersuchung des Verhaltens und Elternbefragung
3.3 Poltern
Poltern
Definition Sprachliche Gestaltungsschwäche, bei der
infolge einer Überstürzung der Rede das Sprechen unbeherrscht, überhastet und undeutlich wird.
Beschreibung und Symptomatik: kurze Wörter und Sätze ohne
Schwierigkeiten je länger Sätze und je schwieriger die Worte,
desto unkontrollierter der Sprechvorgang
Kennzeichen und Begleitsymptome
Poltern
Wesentliche Kennzeichen: Überhastung der Sprache, Verschlucken von Wörtern, Auslassen, Verschleifen und Verwaschen von Wortteilen, Entstellen von Lauten
Denkprozess geht schneller vor sich, als das Gedachte in Worte gefasst wird
Begleitsymptome: Hyperaktivität, Hast, Sprunghaftigkeit, Aggressivität, Impulsivität, Nervosität, Unaufmerksamkeit
Poltern
Poltern
Ideogenes P.
Gedankeninhalte könnennicht schnell genug
in Sprache umgesetztwerden
Paraphrasisches P.
Im Vordergrund steht eineFormulierungsschwäche
Entwicklungspoltern
Phasentypische Nicht-koordination zwischenDenkgeschwindigkeit und Sprechfähigkeit
Poltern
Poltern
Propulsiver Rededrang führt zu steigender Beschleunigung des Sprechens
Sprechwerkzeuge können Koordination nicht folgen
erblich bedingt Störung liegt in der gedanklichen Vorbereitung
des Sprechvorganges Anamnese, Gespräch, Beobachtung neurologische Untersuchungen Vorlesen, Nachsprechen, Atemtechnik wichtig: sorgfältige Unterscheidung von Stottern
Ursachen und Diagnose
3.4 Stottern
Stottern
Definition krampfartige Unterbrechung des
Redeflusses mit gestörter Koordination des Funktionsablaufes der Atmungs-, Stimm- und Sprechmuskulatur
Beschreibung und Symptomatik
Stottern
Schwierigkeiten beim Mitteilen Fehlspannungen in der
Sprechmuskulatur treten bei Aufregungen und
Gefühlsbelastungen auf Angst vor Versagen und Bloßstellen
Begleitsymptome
Stottern
Wortkargheit, Sprechscheu Menschenscheu, Ängstlichkeit erhöhte Reizbarkeit des Nervensystems
Kennzeichen: Verstärkte Sprechangsterkennbare Anzeichen von AtemnotDeutlich hörbares Ein– und AusatmenEinziehen des Zwerchfells
Stottern
Stottern
Klonisches Stottern: rasche Phonem-, Silben- und Wortwiederholungen
Tonisches Stottern: Diskoordination und Verkrampfung der Artikulations-, Phonations- und Respirationsmotorik, sowie Schwierigkeiten beim Anfangslaut eines Wortes und krampfartiges Festhalten an dem Laut
Ursachen und Diagnose
Stottern
Ererbte Dispositionen
Genetisch bedingte erhöhte Reizbarkeit des Nervensystems
FrühkindlicheHirnschädigungen
Mit ungünstigen Umweltfaktorengepaart, verschärft es das
Auslösen des Stotterns
Psychogene Faktoren
Überstrenge ErziehungAngst und Furcht
UnsicherheitSpott der Mitmenschen
Stottern
Stottern
Stottern
Meist wird bestimmte Situation zum Auslöser
wenn sich Faktoren summieren, kann es zu einer Persönlichkeitsneurose kommen
wichtig ist die Klärung der Ursachenfrage fachärztliche, psychologische und
logopädische Untersuchungen sind erforderlich