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SINUS SOCIOVISION
Lebenswelten von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland
Nationale Auftaktveranstaltung für das Europäische Jahr
des Interkulturellen Dialogs 2008
Dr. Carsten Wippermann
SINUS SOCIOVISION
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i:\30912\Report\Sinus Migranten-Milieu Kurzvortrag.ppt
Die Lebenswelten von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland
Mit wem reden wir, wenn wir in einen Dialog treten? Mit "Gleichgesinnten" aus der eigenen Kultur und aus anderen Kulturen und Ländern? Oder auch mit Nicht-Gleichgesinnten? Mit wem wollen wir reden? Meines Erachtens wäre es ein richtiger und guter Schritt eines interkulturellen Dialogs, wenn wir in kritischer Selbstreflexion uns dies bewusst machen!
In Deutschland reden wir seit den 1970er Jahren intensiv und selbstverständlich von Individualisierung und Pluralisierung von Lebensformen und Lebensstilen. Von "den Deutschen" zu sprechen als einer homogenen Gruppe, würde lächerlich und wirklichkeitsfern wirken. Doch in Bezug auf Migranten tun wir oft genau das.
Es lohnt aber, sich die Lebenswelten von Menschen mit Migrationshintergrund einmal genauer anzuschauen – und zwar nicht reflexhaft mit der Defizitfrage nach dem Grad der Integration (hier könnten wir mit dem gleichen Recht fragen, wie viele Deutsche integriert sind).
In der folgenden Untersuchung geht es darum, wirklich zu "verstehen" und der zentrale Befund ist, dass es in der Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund eine bemerkenswerte Vielfalt gibt.
Ein besonderes Augenmerk sollte der Reflexion über die Grenzen unserer Sprache gelten: Schon Wittgenstein hat darauf hingewiesen, dass die Grenzen unserer Sprache die Grenzen unserer Welt bedeuten. Und wenn wir über die Menschen mit Migrationshintergrund sprechen, sind wir in der Gefahr, diesen Menschen ein Label aufzudrücken, das ihrer Identität und Alltagswirklichkeit nicht gerecht wird – mehr noch, es droht subkutan die Gefahr der Stigmatisierung durch Sprache.
Und es kommt künftig darauf an, diese Menschen nicht mehr nur als "besondere" Gruppe in unserer Gesellschaft zu betrachten, sondern vor allem als Teil dieser Gesellschaft.
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i:\30912\Report\Sinus Migranten-Milieu Kurzvortrag.ppt
Über wen wir reden
"Menschen mit Migrationshintergrund und Wohnsitz in Deutschland"
(auch: "Menschen mit Zuwanderungsgeschichte")
Nach Daten des Statistischen Bundesamts (2006) umfasst die Grundgesamtheit
15,3 Millionen Menschen
19% der Wohnbevölkerung
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Menschen mit Migrationshintergrund:Globale Definition*
Ausländer:
– Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit: ca. 47%
Deutsche mit Migrationshintergrund:
– Personen, die seit 1950 zugewandert sind: ca. 32%
– Personen mit mindestens einem zugewanderten Elternteil oder Elternteil mit ausländischer Staatsangehörigkeit: ca. 21%
Nicht dazu gehören Menschen, die sich als Touristen, Geschäftsreisende o. ä. nur kurzfristig in Deutschland aufhalten (keinen Wohnsitz haben), oder nur vorüber-gehend zu Ausbildungszwecken/zum Studium nach Deutschland gekommen sind.
* Definition: Statistisches Bundesamt 2006; Verteilung: Mikrozensus 2005
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Ausländer
– Zugewanderte Ausländer; 1. Generation: ca. 36%
– In Deutschland geborene Ausländer; 2./3. Generation: ca. 11%
Deutsche mit Migrationshintergrund:
– Zugewanderte Deutsche mit Migrationshintergrund Spätaussiedler: ca. 12%
eingebürgerte zugewanderte Ausländer: ca. 20%
– Nicht zugewanderte Deutsche mit Migrationshintergrund Eingebürgerte nicht zugewanderte Ausländer
Kinder zugewanderter Spätaussiedler
Kinder zugewanderter oder in Deutschland geborener eingebürgerter ausländischer Eltern
Kinder ausländischer Eltern, die bei der Geburt zusätzlich die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten haben (jus soli)
Kinder mit einseitigem Migrationshintergrund: nur ein Elternteil ist Migrant oder in Deutschland geborener Eingebürgerter/Ausländer
* Definition: Statistisches Bundesamt 2006
ca.47%
ca.32%
ca.18%
ca.3%
Menschen mit Migrationshintergrund:Detaillierte Definition*
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i:\30912\Report\Sinus Migranten-Milieu Kurzvortrag.ppt
Lebensweltliche Vielfalt
in Bezug auf…
– Herkunftsland
– Soziale Lage
– Migrationsbiographie (1./2./3. Generation)
– Kulturelle Identität
– Soziale Integration
– Werte & Lebensstil
Man kann nicht von "den" Migranten" sprechen
Es gibt nicht "das eine" Migrantenmilieu
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Arbeit & BerufArbeit & Beruf
AlltagsästhetikAlltagsästhetik
Politik & Gesellschaft
Politik & Gesellschaft
Geld & KonsumGeld & Konsum
MedienMedien
RollenbilderRollenbilder
FreizeitFreizeit
PartnerschaftPartnerschaft
SpracheSprache
FamilieFamilie
ErziehungErziehung
Kunst & Kultur
Kunst & Kultur
BildungBildung
HerkunftskulturHerkunftskultur
ReligionReligion
Soziale IntegrationSoziale Integration
Kulturelle IdentitätKulturelle Identität
MigrationsbiografieMigrationsbiografie
WohnenWohnen
Soziale LagenSoziale Lagen
WerteWerte
LebensstileLebensstile
Die Hauptdimensionen … … mit den verschiedenen Aspekten und Facetten
der Lebenswelt
Konstituierende Faktoren von Lebenswelten
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Definition:Was sind (Migranten-)Milieus?
(Migranten-)Milieus fassen Menschen zusammen, die sich in Lebensauffassung und Lebensweise ähneln
Ähnliche Grundorientierung, Werte
Ähnlicher Lebensstil, Geschmack
Ähnliche soziale Lage
(Migranten-)Milieus sind real existierende Teilkulturen in unserer Gesellschaft mit gemeinsamen Sinn- und Kommunikations-zusammenhängen in ihrer Alltagswelt
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NeuidentifikationModernisierungTradition
AIArchaischeTradition
Traditionelle Werte und religiöserDogmatismus(oft: islamisch)
Patriarchalisches Weltbild, über-kommene Familien-werte und Zwangsnormen
Rigide-konventiona-listischer Lebensstil, strenge Moral
Kulturelle Enklave, keine Integrations-bereitschaft
AIIEthnischeTradition
Selbstverständnis als(dauerhafter) "Gast" –auf niedrigem Integrationsniveau
Traditionelle Pflicht- und Akzeptanzwerte, Sparsamkeit, Beschei-denheit
Materielle Sicherheit, bescheidener Wohl-stand als Lebensziel
Festhalten an den Tradi-tionen und Gebräuchen des Herkunftslandes, aber Respektieren der deutschen Mehrheits-kultur
BIKonsum-Materialismus
Streben nach Besitz und Status, Konsum und Genuss
Bemühen um soziale Akzeptanz Anpassung, Aufstiegsorientierung
Teilweise: soziale und kulturelle Entwurzelung, materialistische Ersatzwerte
BIIIndividualisierung
Individualisierung der Überzeugungen und Lebensstile, Selbstverwirklichung
Kritische Ausein-andersetzung mit der Herkunftskultur
Streben nach Aufklärung undEmanzipation
Vision von einer "guten" Gesellschaft
Bi-kulturelle Orientierung
CMulti-Optionalität
"Aufheben" von, Spielen mit biographischen, kulturellen und neu erworbenen Identitäten
PostintegrativeOrientierung; jenseits des Mainstream
Flexibilität undPragmatismus
Postmodernes Werte- Patchwork,
Multikulturelle Identifikation, Subkultur-Bildung
Parallel-kultur
Arbeitsmigranten-kultur
Teilhabe-kultur
Integrations-kultur
Multi-kultur
Pluralisierung von Migrationskulturenin Deutschland
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Die Migranten-Milieus in Deutschland 2008Soziale Lage und Grundorientierung
BIKonsum-Materialismus
Status, Besitz, Konsum,Aufstiegsorientierung,soziale Akzeptanz und
Anpassung
AIIEthnische Tradition
Pflicht- und Akzeptanz-werte, materielle Sicher-heit, traditionelle Moral
BIIIndividualisierung
Selbstverwirklichung undEmanzipation, bi-kulturelleOrientierung, Kulturkritik
CMulti-Optionalität
Postmodernes Werte-Patchwork, Sinnsuche,
multikulturelle Identifikation
NeuidentifikationModernisierung
AIArchaischeTradition
Konservativ-religiös,strenge,rigide
Wertvorstellungen,kulturelle Enklave
Tradition
niedrig 3
mittel 2
hoch 1
© Sinus Sociovision 2008
SozialeLage
Grund-orientierung
B12Intellektuell-
kosmopolitischesMilieu
BC2MultikulturellesPerformermilieu
BC3Hedonistisch-subkulturelles
Milieu
B23Adaptives
Integrationsmilieu
B2Statusorientiertes
Milieu
A23Traditionelles
Gastarbeitermilieu B3Entwurzeltes
Milieu
A3Religiös-
verwurzeltesMilieu
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i:\30912\Report\Sinus Migranten-Milieu Kurzvortrag.ppt
Sinus A3: Religiös-verwurzeltes Milieu
Archaisches, bäuerlich geprägtes Milieu Verhaftet in sozialen und religiösen
Traditionen der Herkunftsregion
Werte:• Bewahren der kulturellen Identität
• Familienehre
• Religiöse Pflichten
• Strikte Moral
• Eiserne Selbstdisziplin
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Sinus A23: Traditionelles Gastarbeitermilieu
Traditionelles Blue Collar-Milieu der Arbeitsmigranten, das den Traum einer Rückkehr in die Heimat aufgegeben hat
Werte:• Befriedigender Lebensstandard
• gesicherter Arbeitsplatz
• Absicherung im Alter
• traditionelle Familienwerte
• Gesundheit und soziale Gerechtigkeit
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Sinus B3: Entwurzeltes Milieu
Sozial und kulturell entwurzeltes (z.T. traumatisiertes) Flüchtlingsmilieu – stark materialistisch geprägt und ohne Integrationsperspektive
Werte:• Unterkunft
• Festes Einkommen
• Gesundheit
• Geld, Spaß
• Geselligkeit und Unterhaltung
• Traditionelle Familienwerte
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Sinus B2: Statusorientiertes Milieu
Aufstiegsorientiertes Milieu Aus kleinen Verhältnissen kommend für sich
und seine Kinder etwas Besseres erreichen Selbstverständnis als Vorbild für Migranten in
Deutschland
Werte:• Zielstrebigkeit, Fleiß, Anpassung, Initiative
• Materieller Wohlstand, Geld
• Statussymbole
• Ehrgeiz und Unabhängigkeit
• Soziale Anerkennung durch die Aufnahme-gesellschaft
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Sinus B23: Adaptives Integrationsmilieu
Die pragmatische (modern-bürgerliche) Mitte Streben nach sozialer Integration und
einem harmonischen Leben in gesicherten Verhältnissen
Abgrenzung vom altmodischen Geschmack der Herkunftskultur
Werte:• Modernität, Freiheit und Lebensgenuss• Realismus, Sicherheit• Harmonische Familie • Geordnete Verhältnisse • Finanzielle Absicherung • Optimismus und Zufriedenheit
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Sinus B12: Intellektuell-kosmopolitisches Milieu
Nach Aufklärung und Selbstverwirklichung strebendes Bildungsmilieu
Vielfältige intellektuelle kosmopolitische und hochkulturelle Interessen
Suche nach eigener Identität zwischen seinen beiden Kulturen
Werte:• Individualität• Emanzipation• Toleranz• Weltoffenheit• Soziale Gerechtigkeit• Internationalität• Dialog zwischen Gesellschaften unterschied-
licher Kultur und Tradition
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Sinus BC2: Multikulturelles Performermilieu
Junges, flexibles, hoch gebildetes leistungsorientiertes Milieu mit multikulturellem Selbstbewusstsein
Werte:• Freiheit, Mobilität, Internationalität
• Beruflicher Erfolg, Spitzenleistungen
• Intensives Leben, Selbstverwirklichung
• Offenheit, Vielfalt, Multioptionalität
• Adaptive Integration:Pragmatische Kompetenz, sich gesell-schaftlichen Erfordernissen anzupassen
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Sinus BC3: Hedonistisch-subkulturelles Milieu
Unangepasste junge (meist zweite) Generation Hier & Jetzt Spaß und Macht haben Sich demonstrativ den Erwartungen der
Mehrheitsgesellschaft verweigern Westlicher Lifestyle und unangepasste
(provozierende) Sub-/Gegenkultur
Werte:• Fun & Action • Freizeit • "Feiern" • Konsumwerte • Gemeinschaft in Szenen (teils ethische Enklave,
teils multi-ethnisch)• Anerkennung und "Erfolg" in der Szene/Clique
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Soziokulturelle Vielfalt…und Warnung vor "Kurzschlüssen"
Ethnische Zugehörigkeit, Religion und Migrationshintergrund sind wichtige Faktoren der Lebenswelt
– Es gibt Migranten-Milieus mit ethnischen Schwerpunkten
– Es gibt zumindest ein Milieu, das von seiner religiösen Bindung (Islam) geprägt ist
Über die unterschiedlichen Herkunftskulturen hinweg gibt es oft gemeinsame lebensweltliche Muster
– Gleiche Herkunftskultur findet sich in verschiedenen Migranten-Milieus
– Im gleichen Milieu finden sich Menschen verschiedener Herkunftskulturen
Man kann nicht von der Herkunftskultur auf das Milieu schließen
Man kann auch nicht vom Milieu auf die Herkunftskultur schließen
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Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
http://www.sinus-sociovision.de