Riesenaufwand für SB-Backwaren

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50 Jahre alt wurde die Deutsche Le- bensmittelbuch-Kommission (DLBK) letzen Monat, aber Bundesernäh- rungsministerin Ilse Aigner ließ das geplante Fest platzen. Mitglieder der Kommission befürchten, dass sich da- mit das Ende der Institution ankün- digt. In einem Brief an Aigner äußert das Präsidium des DLBK seine Unzu- friedenheit und fordert mehr Unter- stützung für seine Arbeit. Um die Leitsätze als „unverzicht- bare, anerkannte Instrumente der Marktbefriedung“ zu erhalten, stellen die Mitglieder ihre eigenen tiefgreifen- den Meinungsverschiedenheiten bis auf Weiteres zurück. Vertreter der Wirtschaft, Verbrau- cherverbände, Be- hörden und Wissen- schaft, fordern ein- hellig den Erhalt des Lebensmittelbuchs, das mit seinen Leit- sätzen seit 1962 gut 2 200 Verkehrsbe- zeichnungen defi- niert hat. Doch statt die notwendigen Mittel für die gefor- derte Aktualisierung der 21 Leitsätze aufzustocken, hat das Ministerium dem Gremium seine Unterstützung weitgehend entzogen. Die DLBK-Ge- schäftsstelle beim Ministerium war nach dem Abzug ihrer langjährigen Leiterin monatelang nicht arbeitsfä- hig. Sitzungen der Fachausschüsse und des Plenums der 32 Experten fan- den nicht mehr statt. „Bis vor einem Jahr fuhren wir mit Volldampf, seitdem strampeln wir uns auf der Draisine ab“, klagt die Vorsitzen- de der DLBK, Birgit Rehlender von der Stiftung Warentest. Axel Preuß, Lei- ter des Lebensmit- tel- und Veterinärin- stituts Oldenburg, ist seit fast 15 Jah- ren Mitglied der DLBK. Nach den Er- fahrungen der letzen Monate äußert er Zweifel, ob es nach Ende des derzeiti- gen Mandats noch eine neue Lebens- mittelbuch-Kommission geben wird. Preuß spricht von einer „Demontage“ des Gremiums durch das BMELV. Auf einer vom Ministerium veran- stalteten Fachtagung über „Täu- schungsschutz bei Lebensmitteln“ kündigten Aigner und andere Vertreter des BMELV an, „zeitnah“ eine Ände- rung der Konzeption der DLBK und der Abläufe prüfen. Ein Vorschlag der Verbraucherzentralen für eine neue Geschäftsordnung will die Hersteller aus dem Gremium zurückzudrängen (lz 09-12). Das fand im Ministerium angeblich Zustimmung. Die Vertreter der anderen Verkehrskreise in der DLBK, insbesondere die der Industrie, sehen sich dagegen von den Beratun- gen über die Reform ausgeschlossen. Aigner ist mit der Unterstützung durch das Gremium unzufrieden. Der von ihr geforderte „allgemeine Leit- satz“ für ein generelles Täuschungs- verbot scheitete im Plenum. Ein ande- rer Leitsatz, der die Brandmarkung von Analogkäse als „Imitat“ vorschrei- ben sollte, kam ebenfalls nicht zustan- de. Der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) be- klagt, Aigner versuche, die DLBK als „Quasigesetzgeber“ zu missbrauchen. Aus dem Ministerium werden dem Verband umgekehrt eine Blockadehal- tung und geheimbündlerische Aktivi- täten vorgeworfen. Das Zerwürfnis geht tief. Aigner und die Verbraucherzentra- len wollen die Leitsätze zur Prägung der Verkehrsauffassung und zur Durchsetzung von Verbrauchererwar- tungen nutzen, die Lebensmittelrecht- ler in der Kommission und vor allem die Industrievertreter sind dagegen. Sie wollen daran festhalten, dass die Leitsätze nur einen Ist-Zustand fest- stellen und keine Wunschvorstellun- gen. Nach ihrer Überzeugung sollen die Leitsätze den Konsens der vier gleichberechtigten Verkehrskreise ab- bilden. Einseitig niedergelegte Ver- kehrsauffassungen, so warnt der BLL, blieben ohne Bindewirkung und ohne Relevanz für die Gerichte. Doch die Verbraucherschützer wer- den die gebotene Chance nicht ausschla- gen, bei der Definition der Verkehrsauf- fassung künftig der Verbrauchererwar- tung den Vorrang zu verschaffen. „Wenn die Leitsätze nicht stärker den Verbrau- cher berücksichtigen“, meint Präsidi- umsmitglied Jutta Jaksche von der Ver- braucherzentrale Bundesverband, „dann macht sich die DLBK überflüs- sig.“ Christoph Murmann/lz 50-12 Lebensmittelbuch in der Krise BMELV kündigt Neukonzeption an – Arbeit der Kommission weitgehend lahmgelegt – Ende der DLBK? Berlin. Die Fortschreibung des Deut- schen Lebensmittelbuchs ist akut gefährdet, die Sacharbeit weitge- hend zum Erliegen gekommen. Bun- desernährungsministerin Ilse Aig- ner macht aus ihrer Unzufriedenheit mit der Lebensmittelbuchkommissi- on keinen Hehl und kündigt Ände- rungen an. FOTOS: BUNDESREGIERUNG/L. CHAPERON, STIFTUNG WARENTEST Ilse Aigner, Bundes- ernährungsministerin Pro: Rehlender verteidigt die Leitsätze des Lebens- mittelbuchs als anerkann- tes Instrument der Markt- befriedung. Für die Ak- tualisierung fordert sie mehr Unterstützung. Kontra: Aigner will das Lebensmittelbuch für die Prägung der Verkehrs- auffassung nutzen. Birgit Rehlender, DLBK- Vorsitzende „Ich bin nicht sicher, dass 2014 noch eine neue Lebensmittelbuch-Kom- mission berufen wird“ Axel Preuß, DLBK-Mitglied und Leiter des Lebensmittel- und Veterinärinstituts Oldenburg AUF MESSERS SCHNEIDE 22 Lebensmittel Zeitung LZ 50 14. Dezember 2012 RECHT Spot für „Du darfst“ ist irreführend Hamburg. Das Landgericht Ham- burg hat einen Spot von Unilever für die Marke „Du darfst“ als irreführend untersagt (Az.: 406HKO 107/12). In der Werbung wurde versprochen, dass Kunden „auf nichts verzichten“ müssten. „Du hat keine Lust Kalo- rien zu zählen? Dann lass es doch einfach. Mit ‚Du darfst’ kannst du unbeschwert genießen. Greif einfach zu.“ Damit, so das Urteil, suggeriere die Werbung, dass man die Produkte essen könne, wie man wolle, ohne zuzunehmen. Tatsächlich enthielten aber auch viele kalorienreduzierte Lebensmittel eine hohe Energie- dichte. Mur/lz 50-12 EU-Patent soll viel Geld sparen Brüssel. Nach jahrzehntelangen Diskussionen hat das Europäische Parlament diese Woche Grünes Licht für ein EU-Patent gegeben. Voraussichtlich ab 2014 können in 25 der 27 Unionsländer Erfindun- gen einheitlich und vor allem kos- tengünstiger geschützt werden. Nur Spanien und Italien machen wegen fehlenden Übersetzungen nicht mit. Die Kommission ver- spricht, dass die Kosten für ein EU- weites Patent von rund 36000 auf knapp 5 000 Euro sinken. lz 50-12 Schmelzkäse ist auch ein Käse Hamburg. Die Kennzeichnung als „Kartoffelgratin mit Käse“ ist nicht irreführend, wenn Schmelzkäse verwendet wird, hat das Landge- richt Hamburg entschieden. Sie be- deute keine Vorspiegelung einer höherwertigen Beschaffenheit. Schmelzkäse sei zwar kein Käse im Sinne der Käseverordnung, werde aber vom Verbraucher als solcher angesprochen. Die Hamburger Rechtsanwältin Stefanie Hartwig begrüßt ein „zumindest im Ergeb- nis sehr schönes Urteil“. lz 50-12 Kommission macht bei Käfigeiern Ernst Brüssel. Der neue EU-Gesundheits- kommissar Tonio Borg kündigt für Anfang kommenden Jahres Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof gegen EU-Länder an, in denen Le- gehennen verbotenerweise noch immer in traditionellen Käfigen ge- halten werden. Deutschland droht ein Vertragsverletzungsverfahren – nicht wegen Käfighennen, aber we- gen der rückständigen Schweine- haltung, berichtet die „Agrarzei- tung“. Das ab 1. Januar 2013 gelten- de Verbot von Einzelbuchten für Zuchtsauen sei hierzulande, wie auch in Frankreich und Belgien, nicht zur Hälfte umgesetzt. lz 50-12 Im zugrundeliegenden Fall hatte Kauf- land Backwaren wie Apfeltaschen, Butterhörnchen und Mini-Berliner zu mehreren in einer Verpackung ver- kauft und nur die Anzahl der Gebäcks- tücke deklariert, nicht aber deren Ge- wicht. Damit verstieß der Händler nach Auffassung des Bundesverwaltungsge- richts (BVerwG) und beider Vorinstan- zen gegen die Fertigverpackungsverord- nung (FPackV), die ab einer Füllmenge von 100 g eine Gewichtskennzeichnung verlangt (Az.: 3 C 17.12). Die Verbraucher erwarten nach Auf- fassung der Richter die Angabe des Ge- wichts und nicht der Stückzahl von Backwaren. Dem hatte der Rechtsan- walt von Kaufland schon nach der Ent- scheidung der Vorinstanz widerspro- chen: Die Entscheidung widerspreche der allgemeinen Verkehrsauffassung völlig; Gebäck werde stückweise und nicht nach Gewicht verkauft. Zudem sei die Ermittlung des Gewichts auch prak- tisch kaum zu leisten. Durch das Backen und die Austrocknung verändere es sich ständig. Das Urteil könne den Tod einer beliebten Angebotsform bedeuten. Das BVerwG sieht keinen Verstoß gegen Europarecht. Die Etikettie- rungsrichtlinie stelle es den Mitglied- staaten lediglich frei, von der Ver- pflichtung zur Angabe der Nettofüll- menge abzusehen, sofern die Stück- zahl von außen leicht zu sehen und einfach zu zählen sei. Dies sei aber in der FPackV nicht erfolgt. Auch einen Rückgriff auf die europäische Lebens- mittelinformationsverordnung (LMIV) lehnt das Gericht ab, weil die- se erst ab Dezember 2014 gilt und kei- ne „Vorwirkung“ habe. Das Verbot der Stückkennzeich- nung feiner Backwaren zwinge den Handel in jeder Filiale zur Anschaf- fung extrem teurer Waagen, kritisiert der Münchner Lebensmittelrechtler Markus Kraus. Dabei würden die wohl bald überflüssig, weil Anhang IX der LMIV eine Stückkennzeichnung er- laube. Das solle das Bundeswirt- schaftsministerium bei der Anpassung der FPackV an die LMIV rasch umset- zen, fordert Kraus. „Schließlich kauft niemand 250 g, sondern jeder vier Stück Croissants!“ Mur/lz 50-12 Stückzahl reicht nicht – Gewichtsangabe bei feinen Backwaren in Fertigpackungen vorgeschrieben Leipzig. Für Backwaren, die in Fertig- packungen angeboten werden, muss statt der Anzahl künftig das Gewicht angegeben werden. Das Urteil des Bundesverwaltungsge- richt verpflichtete den Handel zu hohen Investitionen. Riesenaufwand für SB-Backwaren Höchstrichterlich: Croissants in Tüten müssen gewogen werden. FOTO: REWE Bonn. Für das Bundeskartellamt wird das Thema Nachfragemacht 2013 das bestimmende Thema, kündigte Amts- präsident Andreas Mundt vor Kartell- anwälten an. Bis Ende nächsten Jahres werde seine Behörde Ergebnisse zur Sektoruntersuchung Lebensmittelein- zelhandel vorlegen. Vor allem die Ver- folgung von vertikaler Preisbindung werde künftig eine noch größere Rolle spielen. Im deutschen Lebensmittel- handel ermittelt das Amt seit 2010 we- gen möglicher Preisabsprachen. Bei der Fusionskontrolle ist Mundt über- zeugt, dass die mit der 8. GWB-Novel- le eingeführte Erhöhung der Vermu- tungsschwelle für die Einzelmarktbe- herrschung von 33 Prozent auf 40 Pro- zent Marktanteil Fusionen im LEH nicht vereinfachen werde. Die Höhe der Marktanteile sei lediglich der Aus- gangspunkt für die weitere Prüfung von wettbewerblichen Auswirkungen. Für seine Behörde blickt Mundt auf ein erfolgreiches Jahr zurück: 2012 konnte sie 17 Kartellfälle erfolgreich beenden. sha/lz 50-12 Nachfragemacht wird Topthema PRESSE

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Stückzahl reicht nicht – Gewichtsangabe bei feinen Backwaren in Fertigpackungen vorgeschrieben

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50 Jahre alt wurde die Deutsche Le-bensmittelbuch-Kommission (DLBK)letzen Monat, aber Bundesernäh-rungsministerin Ilse Aigner ließ dasgeplante Fest platzen. Mitglieder derKommission befürchten, dass sich da-mit das Ende der Institution ankün-digt. In einem Brief an Aigner äußertdas Präsidium des DLBK seine Unzu-friedenheit und fordert mehr Unter-stützung für seine Arbeit.

Um die Leitsätze als „unverzicht-bare, anerkannte Instrumente derMarktbefriedung“ zu erhalten, stellendie Mitglieder ihre eigenen tiefgreifen-den Meinungsverschiedenheiten bisauf Weiteres zurück. Vertreter derWirtschaft, Verbrau-cherverbände, Be-hörden und Wissen-schaft, fordern ein-hellig den Erhalt desLebensmittelbuchs,das mit seinen Leit-sätzen seit 1962 gut2200 Verkehrsbe-zeichnungen defi-niert hat. Doch stattdie notwendigen Mittel für die gefor-derte Aktualisierung der 21 Leitsätzeaufzustocken, hat das Ministeriumdem Gremium seine Unterstützung

weitgehend entzogen. Die DLBK-Ge-schäftsstelle beim Ministerium warnach dem Abzug ihrer langjährigenLeiterin monatelang nicht arbeitsfä-hig. Sitzungen der Fachausschüsseund des Plenums der 32 Experten fan-den nicht mehr statt. „Bis vor einem

Jahr fuhren wir mitVolldampf, seitdemstrampeln wir unsauf der Draisine ab“,klagt die Vorsitzen-de der DLBK, BirgitRehlender von derStiftung Warentest.

Axel Preuß, Lei-ter des Lebensmit-tel- und Veterinärin-

stituts Oldenburg, ist seit fast 15 Jah-ren Mitglied der DLBK. Nach den Er-fahrungen der letzen Monate äußert erZweifel, ob es nach Ende des derzeiti-

gen Mandats noch eine neue Lebens-mittelbuch-Kommission geben wird.Preuß spricht von einer „Demontage“des Gremiums durch das BMELV.

Auf einer vom Ministerium veran-stalteten Fachtagung über „Täu-schungsschutz bei Lebensmitteln“kündigten Aigner und andere Vertreterdes BMELV an, „zeitnah“ eine Ände-rung der Konzeption der DLBK undder Abläufe prüfen. Ein Vorschlag derVerbraucherzentralen für eine neueGeschäftsordnung will die Herstelleraus dem Gremium zurückzudrängen(lz 09-12). Das fand im Ministeriumangeblich Zustimmung. Die Vertreterder anderen Verkehrskreise in derDLBK, insbesondere die der Industrie,sehen sich dagegen von den Beratun-gen über die Reform ausgeschlossen.

Aigner ist mit der Unterstützungdurch das Gremium unzufrieden. Der

von ihr geforderte „allgemeine Leit-satz“ für ein generelles Täuschungs-verbot scheitete im Plenum. Ein ande-rer Leitsatz, der die Brandmarkungvon Analogkäse als „Imitat“ vorschrei-ben sollte, kam ebenfalls nicht zustan-de. Der Bund für Lebensmittelrechtund Lebensmittelkunde (BLL) be-klagt, Aigner versuche, die DLBK als„Quasigesetzgeber“ zu missbrauchen.Aus dem Ministerium werden demVerband umgekehrt eine Blockadehal-tung und geheimbündlerische Aktivi-täten vorgeworfen. Das Zerwürfnisgeht tief.

Aigner und die Verbraucherzentra-len wollen die Leitsätze zur Prägungder Verkehrsauffassung und zurDurchsetzung von Verbrauchererwar-tungen nutzen, die Lebensmittelrecht-ler in der Kommission und vor allemdie Industrievertreter sind dagegen.Sie wollen daran festhalten, dass dieLeitsätze nur einen Ist-Zustand fest-stellen und keine Wunschvorstellun-gen. Nach ihrer Überzeugung sollendie Leitsätze den Konsens der viergleichberechtigten Verkehrskreise ab-bilden. Einseitig niedergelegte Ver-kehrsauffassungen, so warnt der BLL,blieben ohne Bindewirkung und ohneRelevanz für die Gerichte.

Doch die Verbraucherschützer wer-den die gebotene Chance nicht ausschla-gen, bei der Definition der Verkehrsauf-fassung künftig der Verbrauchererwar-tung denVorrang zu verschaffen. „Wenndie Leitsätze nicht stärker den Verbrau-cher berücksichtigen“, meint Präsidi-umsmitglied Jutta Jaksche von der Ver-braucherzentrale Bundesverband,„dann macht sich die DLBK überflüs-sig.“ Christoph Murmann/lz 50-12

Lebensmittelbuch in der KriseBMELV kündigt Neukonzeption an – Arbeit der Kommission weitgehend lahmgelegt – Ende der DLBK?

Berlin. Die Fortschreibung des Deut-schen Lebensmittelbuchs ist akutgefährdet, die Sacharbeit weitge-hend zum Erliegen gekommen. Bun-desernährungsministerin Ilse Aig-ner macht aus ihrer Unzufriedenheitmit der Lebensmittelbuchkommissi-on keinen Hehl und kündigt Ände-rungen an.

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Ilse Aigner, Bundes-ernährungsministerin

Pro: Rehlender verteidigtdie Leitsätze des Lebens-mittelbuchs als anerkann-tes Instrument der Markt-befriedung. Für die Ak-tualisierung fordert siemehr Unterstützung.

Kontra: Aigner will dasLebensmittelbuch für diePrägung der Verkehrs-auffassung nutzen.

Birgit Rehlender, DLBK-Vorsitzende

„Ich bin nicht sicher, dass2014 noch eine neueLebensmittelbuch-Kom-mission berufen wird“

Axel Preuß, DLBK-Mitglied und Leiter desLebensmittel- und Veterinärinstituts Oldenburg

AUF MESSERS SCHNEIDE

22 Lebensmittel Zeitung LZ 50 14. Dezember 2012R E C H T

Spot für „Du darfst“ist irreführendHamburg. Das Landgericht Ham-burg hat einen Spot von Unilever fürdieMarke „Du darfst“ als irreführenduntersagt (Az.: 406HKO 107/12). Inder Werbung wurde versprochen,dass Kunden „auf nichts verzichten“müssten. „Du hat keine Lust Kalo-rien zu zählen? Dann lass es docheinfach. Mit ‚Du darfst’ kannst duunbeschwert genießen. Greif einfachzu.“ Damit, so das Urteil, suggerieredie Werbung, dass man die Produkteessen könne, wie man wolle, ohnezuzunehmen. Tatsächlich enthieltenaber auch viele kalorienreduzierteLebensmittel eine hohe Energie-dichte. Mur/lz 50-12

EU-Patent soll vielGeld sparenBrüssel. Nach jahrzehntelangenDiskussionen hat das EuropäischeParlament diese Woche GrünesLicht für ein EU-Patent gegeben.Voraussichtlich ab 2014 können in25 der 27 Unionsländer Erfindun-gen einheitlich und vor allem kos-tengünstiger geschützt werden.Nur Spanien und Italien machenwegen fehlenden Übersetzungennicht mit. Die Kommission ver-spricht, dass die Kosten für ein EU-weites Patent von rund 36000 aufknapp 5000 Euro sinken. lz 50-12

Schmelzkäse istauch ein KäseHamburg. Die Kennzeichnung als„Kartoffelgratin mit Käse“ ist nichtirreführend, wenn Schmelzkäseverwendet wird, hat das Landge-richt Hamburg entschieden. Sie be-deute keine Vorspiegelung einerhöherwertigen Beschaffenheit.Schmelzkäse sei zwar kein Käse imSinne der Käseverordnung, werdeaber vom Verbraucher als solcherangesprochen. Die HamburgerRechtsanwältin Stefanie Hartwigbegrüßt ein „zumindest im Ergeb-nis sehr schönes Urteil“. lz 50-12

Kommission machtbei Käfigeiern ErnstBrüssel.Der neue EU-Gesundheits-kommissar Tonio Borg kündigt fürAnfang kommenden Jahres Klagenvor dem Europäischen Gerichtshofgegen EU-Länder an, in denen Le-gehennen verbotenerweise nochimmer in traditionellen Käfigen ge-halten werden. Deutschland drohtein Vertragsverletzungsverfahren –nicht wegen Käfighennen, aber we-gen der rückständigen Schweine-haltung, berichtet die „Agrarzei-tung“. Das ab1. Januar 2013 gelten-de Verbot von Einzelbuchten fürZuchtsauen sei hierzulande, wieauch in Frankreich und Belgien,nicht zur Hälfte umgesetzt. lz 50-12

Im zugrundeliegenden Fall hatte Kauf-land Backwaren wie Apfeltaschen,Butterhörnchen und Mini-Berliner zumehreren in einer Verpackung ver-kauft und nur die Anzahl der Gebäcks-tücke deklariert, nicht aber deren Ge-wicht. Damit verstieß der Händler nachAuffassung des Bundesverwaltungsge-richts (BVerwG) und beider Vorinstan-zen gegen die Fertigverpackungsverord-nung (FPackV), die ab einer Füllmengevon 100 g eine Gewichtskennzeichnungverlangt (Az.: 3 C 17.12).

Die Verbraucher erwarten nach Auf-fassung der Richter die Angabe des Ge-wichts und nicht der Stückzahl vonBackwaren. Dem hatte der Rechtsan-walt von Kaufland schon nach der Ent-

scheidung der Vorinstanz widerspro-chen: Die Entscheidung widersprecheder allgemeinen Verkehrsauffassungvöllig; Gebäck werde stückweise undnicht nach Gewicht verkauft. Zudem seidie Ermittlung des Gewichts auch prak-tisch kaum zu leisten. Durch das Backenund die Austrocknung verändere es sichständig. Das Urteil könne den Tod einerbeliebten Angebotsform bedeuten.

Das BVerwG sieht keinen Verstoß

gegen Europarecht. Die Etikettie-rungsrichtlinie stelle es den Mitglied-staaten lediglich frei, von der Ver-pflichtung zur Angabe der Nettofüll-menge abzusehen, sofern die Stück-zahl von außen leicht zu sehen undeinfach zu zählen sei. Dies sei aber inder FPackV nicht erfolgt. Auch einenRückgriff auf die europäische Lebens-mittelinformationsverordnung(LMIV) lehnt das Gericht ab, weil die-se erst ab Dezember 2014 gilt und kei-ne „Vorwirkung“ habe.

Das Verbot der Stückkennzeich-nung feiner Backwaren zwinge denHandel in jeder Filiale zur Anschaf-fung extrem teurer Waagen, kritisiertder Münchner LebensmittelrechtlerMarkus Kraus. Dabei würden die wohlbald überflüssig, weil Anhang IX derLMIV eine Stückkennzeichnung er-laube. Das solle das Bundeswirt-schaftsministerium bei der Anpassungder FPackV an die LMIV rasch umset-zen, fordert Kraus. „Schließlich kauftniemand 250 g, sondern jeder vierStück Croissants!“ Mur/lz 50-12

Stückzahl reicht nicht – Gewichtsangabe bei feinen Backwaren in Fertigpackungen vorgeschrieben

Leipzig. Für Backwaren, die in Fertig-packungen angeboten werden,muss statt der Anzahl künftig dasGewicht angegeben werden. DasUrteil des Bundesverwaltungsge-richt verpflichtete den Handel zuhohen Investitionen.

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Höchstrichterlich: Croissants in Tütenmüssen gewogen werden.

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Bonn. Für das Bundeskartellamt wirddas Thema Nachfragemacht 2013 dasbestimmende Thema, kündigte Amts-präsident Andreas Mundt vor Kartell-anwälten an. Bis Ende nächsten Jahreswerde seine Behörde Ergebnisse zurSektoruntersuchung Lebensmittelein-zelhandel vorlegen. Vor allem die Ver-folgung von vertikaler Preisbindungwerde künftig eine noch größere Rollespielen. Im deutschen Lebensmittel-handel ermittelt das Amt seit 2010 we-gen möglicher Preisabsprachen. Beider Fusionskontrolle ist Mundt über-zeugt, dass die mit der 8. GWB-Novel-le eingeführte Erhöhung der Vermu-tungsschwelle für die Einzelmarktbe-herrschung von 33 Prozent auf 40 Pro-zent Marktanteil Fusionen im LEHnicht vereinfachen werde. Die Höheder Marktanteile sei lediglich der Aus-gangspunkt für die weitere Prüfungvon wettbewerblichen Auswirkungen.

Für seine Behörde blicktMundt aufein erfolgreiches Jahr zurück: 2012konnte sie 17 Kartellfälle erfolgreichbeenden. sha/lz 50-12

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