Richtig Basics, Teil 4 - ipzv.de · 46 DIP 6/12 Basics strengenden Ritt schon sehr müde und wiegt...
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Basics, Teil 4
Haben Sie sich schon mal gefragt, wie man
korrekt und Pferde schonend bergauf und
bergab reitet? Oder machen Sie es eher
in s tinktiv? Bildet das Bergaufgehen im
Schritt mehr Muskulatur aus, als das Hi-
nauftraben? Darf man einen Hügel hinun-
ter galoppieren oder sollte man es besser
lassen? Können Islandpferde von Haus aus
bergabgehen oder müssen sie es lernen?
All diese Fragen und noch mehr hat Rosl
Rößner uns aus ihrer langjährigen Erfah-
rung beantwortet.
Bergauf reiten
Bergauf reitet man immer im Entlastungssitz oder sogar im leich-
ten Sitz. Der Entlastungssitz hat den Vorteil, dass man ihn mit nor-
maler Steigbügellänge reiten kann, während man beim leichten
Sitz die Bügel (je nach Körpergröße) zwingend drei bis sechs Löcher
kürzer schnallen muss (je größer der Reiter ist, desto mehr Löcher).
In der Realität wird man bei einem Ausritt die Steigbügel nicht nur
für das Überwinden eines Hügels kürzer schnallen, sondern den
Entlastungssitz wählen (siehe rechts). Ob der Reiter schon im
Schritt entlastet, ist von der Länge und Steilheit des Hügels sowie
der Kraft des Pferdes abhängig. Im Galopp sollte deutlicher entlas-
tet werden als im Schritt.
Das ist natürlich bei einem wettkampfmäßigen Geländeritt anders;
hier muss zwingend im leichten Sitz geritten werden.
Das richtige Zügelmaß gibt dem Pferd einerseits die Möglichkeit,
sich auszubalancieren, und sorgt andererseits dafür, dass es nicht
vom rechten Weg abkommt. Es soll in freier Haltung gehen und Be-
wegungsfreiheit in Kopf und Hals haben. Die Zügellänge sollte den-
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Richtig ...... bergAuf-
und bergab-reiten
Von Rosl Rößner, Text und Fotos: Christiane Späte
ILLUSTRATION: JEANNEKLOEPFER
noch so bemessen sein, dass sie es dem Reiter ermöglicht einzu-
wirken, denn Pferde, denen es zu anstrengend wird, suchen sich
gern „Alternativ-Routen“.
Die meisten Pferde freuen sich, wenn sie (am besten noch in Ge-
sellschaft) einen Berg hochrennen dürfen, und es spricht generell
nichts dagegen, das im Trab oder im Galopp zu tun. Gangart und
Geschwindigkeit müssen nur individuell gewählt werden. Der Reiter
sollte sich vorher überlegen, ob das Pferd es schaffen wird, den gan-
zen Berg in der gewählten Geschwindigkeit/Gangart hinaufzulau-
fen. Reiter von jungen Pferden, die noch zu wenig Kraft haben, oder
von faulen Pferden sollten von vornherein vermeiden, dass die Pfer-
de am halben Berg aufgeben müssen, weil sie nicht mehr können.
Sie sollten am besten die erste Hälfte des Berges im Schritt zurück-
legen und erst angaloppieren, wenn sie sicher sind, dass das Pferd
es bis ganz oben schaffen wird, damit das Pferd auch das Erfolgser-
lebnis hat, oben anzukommen!
Bei einem Pferd, dass die Tendenz hat, immer davon zu stürmen
und an der Grenze des Durchgehens ist, ist es sinnvoll und hilfreich
einen Berg zu nutzen, um dem Pferd seine Grenzen aufzuzeigen
und die Einsicht zu nähren, dass es sich seine Kräfte doch besser
einteilen sollte.
�Merke: Der Reiter sollte einen Berg/Hügel nur in dem Tempo
und der Gangart reiten, in dem/in der das Pferd ihn auch bewäl-
tigen kann.
Viele Reiter haben ihre festen Runden und reiten die einzelnen
Streckenabschnitte fast immer gleich (Schritt, Tölt, Galopp). Grund-
sätzlich – nicht nur beim Bergaufgaloppieren – sollte der Reiter im-
mer mal wieder testen, ob er noch die Kontrolle hat oder ob das
Pferd über Gangart und Geschwindigkeit entscheidet. Gerade in der
Gruppe kann die Situation eine gewisse Eigendynamik entwickeln.
Es ist eine gute Gehorsamsübung, den Berg, den man sonst immer
hinaufgaloppiert, zwischendurch auch mal im Schritt zu bewältigen.
Noch schwieriger ist, wenn ein Pferd hinaufgaloppiert und die ande-
ren Schritt gehen. Eine weitere Steigerung: Alle bis auf einen galop-
pieren hinauf. In dieser Situation darf der Reiter allerdings nicht von
seinem Pferd erwarten oder gar verlangen, dass es völlig entspannt
Der Entlastungssitz
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und am lockeren Zügel am Fuße des Berges
stehenbleibt oder hinaufgeht. Denn das
Pferd ist ein Herdentier! Erschwerend
kommt hinzu, dass die Gangart Galopp auch
noch das Zeichen für Gefahr im Verzug ist.
Man sollte diese Art von Übungen auf kei-
nen Fall übertreiben, weil sie das Pferd im-
mer in einen Konflikt bringen: Instinkt gegen
Gehorsam. Ganz wichtig ist dabei: Ist der
Reiter nicht ganz sicher, dass diese Lektion
klappen wird, dann sollte er besser darauf
verzichten! Diese Übung ist nur dann eine
gute Übung, wenn sie auch klappt. Klappt
sie nicht, lernt das Pferd, dass es sich auf
seinen Reiter nicht verlassen kann.
Nach dem Motto: Gefahr erkannt, Gefahr
gebannt, sollte man sich beim Reiten in der
Gruppe in hügeligem Gelände vor einem
„Standardfehler“ hüten: Die Gruppe reitet
einen Hügel hinunter und hat verabredet,
die folgende Steigung hinaufzugaloppieren.
Der erste Reiter ist in der Senke angekom-
men und galoppiert an. Jetzt passiert, was
passieren muss: Alle anderen Pferde wollen
hinterher und galoppieren los. Das kann
nicht nur für den letzten der Gruppe sehr un-
angenehm werden.
�Merke: Immer erst am Fuße des Berges
sammeln, bevor gemeinsam angalop-
piert wird.
Bergaufreiten ist ein gutes Konditionstrai-
ning – egal in welcher Gangart. Im Schritt
kann das Pferd am längsten durchhalten, im
Galopp hingegen kann es – je nach indivi -
duellem, konditionellem Zustand – even -
tuell schon nach sehr kurzer Strecke am En-
de seiner Kräfte sein. Islandpferde haben im
Vergleich zu anderen Rassen sehr wenig
Galoppausdauer; deshalb wird vielfach ge-
raten, Berge/Hügel im Schritt zu erklim-
men.
�Merke: Grundsätzlich ist das für das
Pferd gut, was es, ohne an die Grenze
seiner Kraft zu gehen, schafft.
Die Schwierigkeit für den Freizeitreiter be-
steht sicherlich darin zu wissen, wo diese
Grenze genau liegt. Zumal das auch abhän-
gig vom Temperament des Pferdes ist. Fau-
le Pferde signalisieren eher, dass sie keine
Lust mehr haben, als temperamentvolle. Es
kann also sein, dass das faule Pferd noch
lange nicht an seiner Grenze angekommen
ist, während das temperamentvolle sie
längst überschritten hat.
Bei systematischem Konditionstraining für
das Wander- oder Distanzreiten geht man in
der Regel so vor, dass man sich eine be-
stimmte Strecke sucht und sie so schnell
reitet wie die Kondition des Pferdes es zu-
lässt. Das ist der Ausgangswert. Im Laufe
des Trainings versucht man dann, die Stre-
cke schneller zu reiten. Man steigert also die
Intensität.
Für den Freizeitbereich allerdings gilt der
Grundsatz: Umfang vor Intensität!
�Merke: Lieber fünfmal in der Woche rei-
ten statt nur zweimal oder anderthalb
Stunden statt einer.
Und um der Gefahr der Überforderung vor-
zubeugen, reitet man in ruhigem, langsa-
mem Tempo – am besten im Schritt.
Ist das Gelände sehr steil oder unwegsam
oder ist das Pferd nach einem langen, an-
Der lotrechte Sitz
FOTO: AXELHEIMKEN
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Beim Bergabreiten die richtige Route wählenFalsch!
Falsch!
Falsch!
Falsch!
Richtig!
Richtig!
Richtig!
Richtig!
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strengenden Ritt schon sehr müde und wiegt der Reiter zudem viel-
leicht 80 kg und keine 50, dann zeugt es von Horsemanship, wenn
der Reiter absteigt und den Hügel hin aufläuft.
Bergab reiten
Die Pferde gehen ganz unterschiedlich mit dem Bergabreiten um.
Denjenigen, die von Natur aus gut ausbalanciert sind, fällt es leicht,
anderen fällt es unglaublich schwer, im Schritt gleichmäßig einen
Berg herunterzugehen. Sie gehen nur sehr zaghaft, weil ihnen die
richtige Koordination fehlt. Bergab gehen ist ein sehr gutes Koordi-
nations- und Gleichgewichtstraining für die Pferde.
Auch wenn es manchem Reiter schwerfällt, heißt es: einen Hügel/
Berg immer senkrecht – in der Falllinie – hinunterreiten, nicht quer
zum Hang, wie wir es gern bevorzugen, denn das belastet die Ge-
lenke zu sehr, und das Pferd kann leichter stürzen, wenn es zu rut-
schen beginnt.
Die Frage nach der geeigneten Sitzform hängt mit der Gangart zu-
sammen. Fast alle Reiter werden bergab sinnvollerweise den
Schritt bevorzugen und hier tun sie instinktiv meist das Richtige: Sie
sitzen lotrecht (zum lotrechten Sitz vgl. das Foto auf S. 44 unten).
So fällt es den Pferden leichter, sich auszubalancieren, denn das
Reitergewicht befindet sich dabei tendenziell mehr auf der Hinter-
hand. Beim Bergabtraben und -galoppieren säße man so allerdings
hinter der Bewegung. Das geht natürlich nicht. Reitet man im Trab
oder Galopp den Hügel hinunter, muss man also zwingend in den
leichten Sitz. Das erfordert eine große Portion Mut und setzt natürlich
voraus, dass man das Reiten im leichten Sitz beherrscht und dass
man vorher die Bügel (drei bis sechs Löcher) kürzer geschnallt hat.
Ginge es nur nach den Pferden, würden sie sicher das ein oder an-
dere Mal bergab galoppieren – in freier Natur tun sie das durchaus,
wenn sie Lust dazu haben …
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass das Mittel der Wahl bei
einem sportlichen Geländeritt oder einer Jagd, bei denen man im
schnellen Galopp unterwegs ist, der leichte Sitz ist.
Der Entlastungssitz ist bergab nicht sinnvoll, weil er sehr instabil ist,
der Reiter sehr auf der Vorhand sitzt und Gefahr läuft, vorn über zu
kippen, wenn das Pferd stolpert.
Viele Reiter denken, man könne durch Zügeleinwirkung verhindern,
dass das Pferd stolpert. Das stimmt nicht. Wer sich davor fürchtet,
dass sein Pferd bergab stürzt, der sollte lieber absteigen und laufen.
Es gibt tatsächlich Pferde, die dazu neigen, bergab zu stolpern. Das
kann z. B. daran liegen, dass sie einen Stellungsfehler haben, etwa
sehr zeheneng sind oder mit der Hufspitze zuerst auffußen. Bei die-
sem Problem kann der Hufschmied manchmal helfen.
Die Zügel dürfen nicht zu lang sein; tendenziell lieber etwas kürzer
nehmen, aber das Pferd muss immer noch in freier Haltung gehen
können, damit es sich ausbalancieren kann.
�Merke: Immer kontrolliert den Berg hinunterreiten.
Auf das Bergabtraben sollte man eher verzichten, weil die Vorder-
beine aufgrund der Schwebephase zu stark belastet werden.
Im Tölt kann man sehr gut überprüfen, wie sehr sich das Pferd
selbst trägt. Liegt es auf der Hand und läuft auf der Vorhand, sollte
man bergab nicht tölten, da das Pferd immer schneller wird und das
Problem damit immer größer. Wenn es sich aber selbst trägt, läuft
es nicht parallel zum Gefälle, sondern „setzt“ sich etwas und der
Winkel zwischen Pferdelaib und Gefälle wird etwas größer. Das
führt dazu, dass die Vorhand länger in der Luft ist und eine größere
Bewegung bekommt; die Schulter wird freier.
Das ist eine ausgezeichnete Übung für rittige Pferde, die im Tölt
etwas passig sind. Die Übung funktioniert aber nicht, um zu verhin-
dern, dass das Pferd auf der Hand liegt!
Falsch!Richtig bergab tölten
Richtig!
ILLUSTRATION: JEANNEKLOEPFER