Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch- land ...
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Rezeption arabischer Migrationsliteratur in Deutsch-land
Eine Untersuchung am Beispiel der in Deutschland lebenden syrischen Autoren
Inauguraldissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der
Arabistik am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien
Universität Berlin
vorgelegt von Arig Saleh
Berlin 2011
Erstgutachterin: Prof. Dr. Angelika Neuwirth Seminar für Semitistik und Arabistik Freie Universität Berlin Altensteinstr. 34 14195 Berlin Zweitgutachter: Dr. Andreas Pflitsch Seminar für Semitistik und Arabistik Freie Universität Berlin Altensteinstr. 34 14195 Berlin Tag der Disputation: 08.12.2010
Danksagung
Allen, die durch ihren Rat und Hilfe zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben, möchte ich an dieser Stelle aufrichtig danken. Besonderer Dank ge-hört meiner Doktormutter und Betreuerin, Frau Professorin Dr. Angelika Neuwirth, die mit großem Vertrauen mein Forschungsprojekt begleitete. Mein Dank richtet sich auch an Herr Dr. Andreas Pflitsch der als Zweitgut-achter meiner Doktorarbeit betreut hat. Ich möchte der Tischreen Universität in Syrien meinen Dank aussprechen, dass sie mir mit einem Stipendium eine finanziell sorgenfreie Promotionszeit ermöglicht hat. Der Freien Universität in Berlin danke ich für die Möglich-keit, am Institut für Arabistik meine Promotion zu realisieren. An diese Stelle möchte ich meinen Eltern danken, die mich in meiner akade-mischen und persönlichen Entwicklung stets unterstützt und bestärkt haben. Meinen Geschwistern danke ich für die unermüdliche Unterstützung während dieser Jahre. Sie haben mich in allen Umbrüchen und Veränderungen gestärkt und mir vieles ermöglicht, was ohne ihre Hilfe undenkbar gewesen wäre. Berlin, den 03.08.2010 Arig Saleh
I N H A L T S V E R Z E I C H N I S
1 Einleitung ............................................................................................ 6
1.1 Frühe Rezeption arabischer Literatur vor 1950 ......................................... 6
1.2 Entstehung der Migrationsliteratur in Deutschland.................................. 11
1.3 Gegenstand der Arbeit ........................................................................... 18
1.4 Aufbau der Arbeit .................................................................................. 24
2 Migrationsliteratur: Definitionen und Konzepte ............................ 26
2.1 Die Etablierung der Migrationsliteratur .................................................. 26
2.2 Die literarischen Anfänge der Immigranten ............................................. 32 2.2.1 Die italienischen Schriftsteller ................................................................. 32 2.2.2 Die türkischen Schriftsteller ..................................................................... 34
2.3 Die Akzeptanz arabischer Autoren und die Entwicklung der Rezeption arabischer Literatur .......................................................................................... 39
2.4 Die Entwicklung der deutschen Rezeption deutschsprachiger Migrations-literaur ............................................................................................................. 44
2.5 Die Rolle der Literaturpreise in der Rezeption – Adelbert-von-Chamisso-Preis………. .................................................................................................... 46
3 Die wissenschaftliche Rezeption der Migrationsliteratur ............... 50
3.1 Die italienischen Schrifsteller ................................................................. 51
3.2 Die türkischen Schriftsteller ................................................................... 53
3.3 Die griechischen Schriftsteller ................................................................ 54
3.4 Die arabischen Schriftsteller .................................................................. 55
3.5 Die Migrationsliteratur als gesamtes Phänomen ...................................... 60
4 Die Rezeption arabischer Migrationslieratur .................................. 62
4.1 Die öffentliche Wahrnehmung arabischer Literatur ................................. 62 4.1.1 Die arabische Präsenz in den literarischen Vereinen in den 80er Jahren - Südwind und Polynationaler Literatur- und Kunstverein ......................................... 62
4.2 Die Problematik der Rezeption arabischer Literatur ................................ 67 4.2.1 Exotismus und Folklore ........................................................................... 67 4.2.2 Die orientalischen Märchen ..................................................................... 77
4.3 Aspekte der Rezeption der in Deutschland lebenden arabischen Autoren . 79 4.3.1 Die erzählende Literatur .......................................................................... 81 4.3.2 Die realistische Prosa ............................................................................... 91 4.3.3 Die Satire ................................................................................................. 97 4.3.4 Die Lyrik ............................................................................................... 100
4.4 Die Rezeption der auf Deutsch schreibenden arabischen Schriftstellerinnen …………………………………………………………………………105
4.4.1 Die Präsenz arabischer Frauenliteratur in Deutschland .......................... 105 4.4.2 Die Rezeption arabischer Schriftstellerinnen in Deutschland .................. 111 4.4.3 Die Wahrnehmung der auf Deutsch schreibenden Arabischen Schriftstellerinnen ................................................................................................. 113
5 Die deutsche Rezeption syrischer Schriftsteller ............................. 126
5.1 Der syrisch- deutschsprachige Roman .................................................. 126 5.1.1 Die arabische Erzählkunst...................................................................... 127
5.1.1.1 Die Erzählkunst zwischen Aussterben und Wiederbelebung ............... 130
5.2 Zur deutschen Rezeption Rafik Schamis ............................................... 133 5.2.1 Biographie ............................................................................................. 133 5.2.2 Die Frage des Schreibens bei Rafik Schami ............................................ 138
5.2.2.1 Das Schreiben auf Arabisch ............................................................... 139 5.2.2.2 Die Initiation in das Schreiben auf Deutsch ........................................ 141 5.2.2.3 Die Schritte der Entwicklung seines Schreibstils ................................ 144 5.2.2.4 Die Quellen der Geschichten .............................................................. 145
5.2.3 Die Aufnahme und Anerkennung von Schami ....................................... 150 5.2.3.1 Der mündliche Erzähler ..................................................................... 150 5.2.3.2 Der Märchenerzähler und die Märchen aus Malula ............................ 153 5.2.3.3 Schami als Essayist, politischer Schriftsteller und Kinder- und Jugendautor ....................................................................................................... 158
5.2.4 Die Entwicklung der Rezeption Rafik Schamis ...................................... 166 5.2.5 Die Auszeichnungen und die literarischen Preise ................................... 171 5.2.6 Schami und die deutschen Kritiker......................................................... 172 5.2.7 Die Übertragung Schamis Werke ins Arabische bzw. die Rezeption im arabischen Sprachraum ......................................................................................... 179
5.3 Die syrisch- deutschsprachige Lyrik - Adel Karasholi als Beispiel......... 184 5.3.1 Biographisches....................................................................................... 184
5.3.1.1 Der syrische Lyriker und die Migration nach Deutschland ................. 186 5.3.1.2 Die ersten Jahre in Deutschland ......................................................... 188 5.3.1.3 Der syrische Dichter und die deutsche Sprache................................... 190 5.3.1.4 Die Gedichtbände ............................................................................... 193
5.4 Die Aufnahme in Deutschland .............................................................. 199 5.4.1 Die Teilnahme an der „Sächsischen Dichterschule“ ............................... 199 5.4.2 Karasholi und die deutsche Gesellschaft ................................................. 200 5.4.3 Die öffentliche Wahrnehmung ............................................................... 202
5.4.3.1 Der Einzelfall..................................................................................... 202 5.4.3.2 Der Exot und die deutsche Rezeption ................................................. 204 5.4.3.3 Die deutsche Wahrnehmung in den vier Schaffensperioden ................ 208 5.4.3.4 Die Literaturpreise und die Folgen ..................................................... 212
5.4.4 Die lyrische Sprache und der deutschen Leser ........................................ 215 5.4.5 Artikel und Rezensionen über Adel Karasholi ........................................ 217 5.4.6 Die Übertragung Karasholis Werke ins Arabische bzw. die Rezeption im arabischen Sprachraum ......................................................................................... 221
5.5 Die Übersetzung vom Arabischen ins Deutsche - Suleiman Taufiq als Beispiel .......................................................................................................... 223
5.5.1 Biographisches....................................................................................... 223 5.5.2 Die Aufnahme in Deutschland ............................................................... 224
5.5.2.1 Der Prosaschreiber ............................................................................. 224 5.5.2.2 Der Lyriker ........................................................................................ 227 5.5.2.3 Der Übersetzer und Herausgeber ........................................................ 228
6 Ergebnis der Arbeit ........................................................................ 231
7 Summary ......................................................................................... 242
8 Literaturverzeichnis ....................................................................... 244
8.1 Primärliteratur ..................................................................................... 244
8.2 Sekundärliteratur ................................................................................. 248
8.3 Arabische Literatur .............................................................................. 262
8.4 Plattformen in Internet ......................................................................... 263
6
1 Einleitung
1.1 Frühe Rezeption arabischer Literatur vor 1950
Die Diskussion über die gegenwärtige Rezeption arabischer Literatur in
Deutschland seit den 50er Jahren verweist auf die gängige Rezeption arabi-
scher Literatur in früheren Jahrhunderten und fasst diese zusammen. Was die
gängige Rezeption arabischer Literatur in Deutschland betrifft, so blickt die-
se auf eine lange Rezeptionsgeschichte zurück zwischen der arabischen und
der deutschen Kultur.1 Jacob vertritt die Meinung, dass der morgenländische
Einfluss auf das Abendland älter ist als der abendländische Einfluss auf das
Morgenland. Die europäische Bildung, das Alphabet und die Ziffernschrift
sind laut Jacob eine „Gabe des Ostens“.2 Die Arabismen in der deutschen
Sprache geben eine klare Vorstellung vom Umfang dieses Einflusses.3
Auch wenn die erste gedruckte deutsche Übersetzung aus dem Arabischen
erst 1616 erschien, geht die universitäre Beschäftigung der Orientalisten mit
der arabischen Literatur auf das Jahr 1311 zurück. Arabische Werke, die von
arabisch sprachigen Gelehrten übersetzt wurden, umfassten Werke aus der
Poesie, der religiösen und der wissenschaftlichen Literatur und schließlich
der schönen Literatur wie aus Tausendundeiner Nacht. Bei der Poesie stand
die altarabische Dichtung im Vordergrund, aus dem religiösen Bereich waren
1 Vgl. LITTMANN, Enno: Abendland und Morgenland. Tübingen: Mohr Verlag. 1930. S. 14. – Vgl. SPIES, Otto: Der Orient in der deutschen Literatur. 2. Bände. Ohne Ort: Ke-velaer, Butzon & Bercker Verlag. 1951. Bd., I. S. 1. 2 Vgl. JACOB, Georg: Der Einfluss des Morgenlands auf das Abendland vornehmlich während des Mittelalters. Hannover: Lafaire Verlag. 1924. S. 24. 3 S. LITTMANN, Enno: Morgenländische Wörter im Deutschen. Berlin: Curtius Verlag. 1920. – JACOB: Der Einfluss des Morgenlands auf das Abendland vornehmlich während des Mittelalters. S. 10f. – LOKOTSCH, Karl: Etymologisches Wörterbuch der europäi-schen Wörter orientalischen Ursprungs. Heidelberg: Universitätsverlag. 1927. – HUNKE, Sigrid: Allahs Sonne über dem Abendland. Unser arabisches Erbe. Stuttgart: Fischer Ver-lag. 1960. - TAZI, Raja: Arabismen im Deutschen. Lexikalische Transferenzen vom Ara-bischen ins Deutsche. Berlin: W. de Gruyter Verlag. 1998. – OSMAN, Nabil (Hrsg.): Kleines Lexikon deutscher Wörter arabischer Herkunft. München: C. H. Beck Verlag. 2003. 7 Aufl.
7
es Übersetzungen von Koran4 und die Aussprüche des Propheten (arab.
ÍadÐ×).5
Die orientalischen und islamischen Kulturgüter gelangten auf fünf unter-
schiedlichen Wegen nach Europa: Ein intensiver Austausch zwischen dem
damals als Abendland verstandenen Teil Europas und den muslimischen Kul-
turgütern fand in Andalusien im (7. – 10. Jahrhundert.) nach der Errichtung
eines unabhängigen Kalifats durch ÝAbd al-RaÎmÁn (708-756) statt. Dabei
dürften die Gelehrten und Studenten an den maurischen Universitäten für
einen regen Austausch gesorgt haben. Eine weitere Periode des kulturellen
Austauschs, wenn auch nicht primär auf friedlichem Wege, erfolgte zur Zeit
der Kreuzzüge (11.-13. Jahrhundert.). Zu dieser Zeit wurden vor allem orien-
talische Märchen und Erzählungen nach Europa überliefert. Hiernach dürften
die Handelsbeziehungen mit Italien eine wichtige Rolle gespielt haben. Durch
diese Handelsbeziehungen wurden arabische Termini aus dem Handelswesen
in die europäische oder italienische Sprache aufgenommen. Wichtige Kultur-
träger (12.-14. Jahrhundert.) waren jüdische Gelehrte, die in ihrer Funktion
als Übersetzer und Lehrer für islamische Kultur an den Hochschulen in Spa-
nien, Frankreich und Italien lehrten. Schließlich sind durch die osmanische
Besatzungsmacht (14.-17. Jahrhundert.) orientalische Erzählungen und Mär-
chengut auf dem Balkan und zum Baltikum verbreitet worden.6
In der deutschen Literaturgeschichte existieren zahlreiche Werke und Arbei-
ten, die ihre Inspiration in der arabischen Literatur fanden.7 Der berühmteste
Vertreter dieser Strömung war der deutsche Kritiker Johann Gottfried Her-
4 Die erste deutsche Koranübersetzung – die Megerlin anfertigte – erschien im Jahre 1772 in Frankfurt. Vgl. SPIES: Der Orient in der deutschen Literatur. Bd., I. S. 18. 5 Zu den historisch-kulturellen Kontakten zwischen Morgenland und Abendland siehe MAHER, Mustafa: Das Motiv der orientalischen Landschaft in der deutschen Dichtung von Klopstocks „Messias“ bis zu Goethes „Divan“. Stuttgart: Akademischer Verlag Hans-Dieter Heinz. 1979. 6 Vgl. SPIES: Der Orient in der deutschen Literatur. Bd., II. S. 5f. 7 Namhafte Kritiker und Schriftsteller, die Übersetzungen aus dem Arabischen anfertigten oder intertextuelle Bezüge herstellten, sind u.a. Herder, Goethe, Hammer, Rückert, Platen, Wieland, Hamann, Stieglitz, Heine.
8
der, der sich insbesondere mit der orientalischen Lyrik beschäftigt.8 Insbe-
sondere übernahmen die genannten deutschen Dichter, welche die Kenntnis
über die arabische Literatur aus Übersetzungen erlangt hatten, Stoffe und
Vorlagen aus dem Orient und gaben sie als Anregung, die diesen Stoffen
nach „persönlich[er] dichterischer Gestaltung“ neue Formen gaben.9 Be-
sonders im 18. Jahrhundert gab es eine starke deutsche literarische Strö-
mung, die sich mit den orientalischen Literaturen beschäftigt hat. Annemarie
Schimmel bezeichnete Johann Jakob Reiske als den „erste[n] eigenständi-
ge[n] Arabist[en] und Islamwissenschaftler“ im heutigen Sinne.10
Bei der Untersuchung von deutschen Schriftstellern, die von der arabischen
Kultur und Literatur inspiriert wurden, dürfte Goethe (1710-1782) als be-
rühmtestes Beispiel gelten.11 Er verfügte über ein breites Wissen über die
orientalische und arabische Literatur;12 das sich besonders in seinem Werk
West-östlicher Divan widerspiegelt. Zudem verfasste er Gedichte, in denen
Stilelemente wie die Wüste oder Kamelkarawanen aufgenommen wurden.
Goethes erste Begegnung mit der arabischen Literatur basierte auf englischen
und französischen Übersetzungen, die ihn wenig beeindruckten. Dies änderte
sich jedoch mit der steigenden Anzahl deutscher Übersetzungen aus dem
Arabischen zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Der österreichische Orientalist
Joseph Hammer hat hierzu einen großen Beitrag geleistet und viele lyrische
und prosaische Werke der östlichen Literatur ins Deutsche übertragen, wobei
8 Vgl. MAHER: Das Motiv der orientalischen Landschaft in der deutschen Dichtung von Klopstocks „Messias“ bis zu Goethes „Divan“. S. 25. 9 Vgl. SPIES: Der Orient in der deutschen Literatur. Bd., II. S. 1. 10 Vgl. SCHIMMEL, Annemarie: West-östliche Annährungen: Europa in der Begegnung mit der islamischen Welt. Stuttgart/ Berlin/ Köln: Kohlhammer. 1995. S. 52. 11 Goethes Orient-Begeisterung verdankt er u.a. vor allem den Reiseberichten von M. Polo, P. d. Valle, Olearius, Sommerat. 12 Goethes Beziehung zum Orient wurde ausführlich und intensiver anhand nach seinen Studien zum Korans und der vorislamischen Dichtung.
9
besonders seine Übersetzung des Gedichtbands des persischen Dichters ÍÁ-
fiÛ aš-ŠÐrÁzÐ hervorzuheben ist.13
Über seine, dem orientalischen entliehenen Motive und Elemente hat Momm-
sen zwei wichtige Werke geschrieben. Das erste trägt den Titel Goethe und
die arabische Welt14, in dem sie die arabischen und die islamischen Einflüsse
in Goethes Werken behandelt. Sie stellt die Einflüsse der altarabischen Ge-
dichte MuÝallaqÁt besonders auf Goethes Divan und Zahme Xenien dar. Sie
behandelt und analysiert die Anspielungen auf die islamische Kultur und den
Koran in Divan und den Theaterstücken. Mommsens Studie gilt als eine um-
fangreiche Studie über Goethes Beziehung mit der arabisch-islamischen Kul-
tur und Literatur.15 Die Einflüsse der orientalischen Erzählsammlung aus
Tausendundeiner Nacht auf Goethes Werken wurden im zweiten Werk von
Mommsen unter dem Titel Goethe und 1001 Nacht16 untersucht.
Goethes Werk West-östlicher Divan hat sichtbare Einflüsse auf die deutschen
Schriftsteller hinterlassen. Zudem förderte dieses Werk die wissenschaftliche
Beschäftigung mit dem Orient. Viele Zeitgenossen Goethes begannen die
arabische und persische Sprache zu lernen und die arabische Literatur zu
lesen. Beispielsweise hat Wilhelm Hauff drei Sammlungen von Geschichten
verfasst, in denen er die Schreibweise der Sammlung Tausendundeiner Nacht
nachahmte. Heinrich Heine (1797-1856) verwendete in seinen Gedichten
Themen und Motiven östlicher Literatur.17 August V. Platen (1796-1835)
lernte die persische Sprache in Erlangen und verfasste Schriften über die
abbasidischen Kalifen. Platen übertrug die poetische Form des „Ghasels“
13 Vgl. FISCHER, Wolf Dietrich: al-Adab al-ÝarabÐ bi-l-luÈa al-almÁnÐya. Naqluhu wa at-taÝarrufu ilaihi wa taÞ×Ðruhu. In: Fikrun wa Fann. Nr. 51. S. 63-73. Besonders S. 67. 14 S. MOMMSEN, Katharina: Goethe und die arabische Welt. Frankfurt am Main: Insel- Verlag. 1988. 1. Aufl. 15 Die frühere Studien über Goethe beschränkten sich auf seine Beziehung zum Orient nur auf persischer Literatur und den persischen Dichter Schirazi, die Goethe durch die Übersetzung der Gedichtbände des Schirazis von Hammer zugänglich wurden. 16 S. MOMMSEN, Katharina: Goethe und 1001 Nacht. Berlin: Akad.-Verlag. 1960. 17 Vgl. FISCHER: al-Adab al-ÝarabÐ bi-l-luÈa al-almÁnÐya. S. 69.
10
(arab. Çazal/dt. Liebespoesie) aus der persischen Dichtung ins Deutsche;
Dank seiner Arbeit hat sich der Begriff „deutsches Ghasels“ etabliert.18
Besonders Erwähnung verdient Friedrich Rückert (1788-1866), dem eine
Sprachbegabung nachgesagt wird und der einer der bekanntesten deutschen
Orientalisten war. Rückert gilt bis heute als einer der ersten Übersetzer östli-
cher Literatur ins Deutsche. Er untersuchte neben Platen die künstlichen Ge-
dichtformen, Reim, Versmaß und Strophe.19 Zudem gelang es ihm lyrische
Übersetzungen für den deutschen Leser zu schaffen und er verwendete zum
ersten Mal persische und arabische Elemente in seinem Werk. Die MaqÁmÁt
von al-ÍarÐrÐ und die arabischen Wortspiele und Reimkünste hat er „mit der
genialen Sprachvirtuosität“20 vermittelt, neben den Übersetzungen des Ko-
rans und den Übersetzungen arabischer Lyrik sind diese gute Beispiele der
hervorragenden Arbeit Rückerts.21 Dies war die Zeit, in der deutschen Lite-
ratur orientalisierenden Strömung blühte; die Beschäftigung mit dem Orient
galt wegen der Übersetzungen und der Werke von Rückert und Goethe als
„Modesache“.22
In der Mitte des 19. Jahrhunderts – dem Übergang von Romantik zum Rea-
lismus – verschwand allmählich auch das deutsche Interesse an der orientali-
schen Literatur und erklärt, weshalb die deutsche Rezeption der arabischen
Literatur vorerst von rein literarischem Interesse war. Seit den 40er Jahren
des 19. Jahrhunderts war dieses Interesse von den politischen Entwicklungen
geprägt. Das Aufkommen der deutschen Nationalbewegung seit der Mitte
des 19. Jahrhunderts führte zu einer Hinwendung zu der Beschäftigung mit
nationalistischen Themen und einer Abkehr von der Beschäftigung mit dem
Orient.
18 Vgl. SPIES: Der Orient in der deutschen Literatur. Bd., II. S. 21. 19 Vgl. ebd. S. 19. 20 Vgl. ebd. S. 20. 21 Vgl. FISCHER: al-Adab al-ÝarabÐ bi-l-luÈa al-almÁnÐya. S. 69. 22 Vgl. SPIES: Der Orient in der deutschen Literatur. Bd., II. S. 24.
11
Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs kann man ein geringes Interesse an
der orientalischen Literatur in der deutschen Gesellschaft beobachten, nur
Spezialisten interessieren sich für die klassische Literatur, besonders die Ly-
rik der östlichen Literatur, weiterhin.23 Im 20. und 21. Jahrhundert wird die
deutsche Rezeption der arabischen Literatur mit dem Interesse an der ara-
bisch-islamischen Gesellschaft gekoppelt und wird institutionell verankert.
Das Fach „Arabische Literatur“ wird einzelner Schwerpunkt innerhalb der
Orientalistik.
1.2 Entstehung der Migrationsliteratur in Deutschland
In Deutschland leben seit den 50er Jahren Immigranten, die aus verschiede-
nen Ländern und aus unterschiedlichen Gründen emigrierten. Gastarbeiter
wie Studenten und politische Flüchtlinge fanden sich in Deutschland als An-
gehörige einer ethnischen Minderheit wieder. Viele Migranten hatten ihre
Heimat auch aus ökonomischen Gründen verlassen, lediglich um ein besseres
Leben zu suchen.24 Diese Emigranten stellen laut Heinze nicht mehr nur eine
ökonomische Notwendigkeit dar, sondern sind ein wichtiger Bestandteil des
wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Lebens geworden.25
23 Vgl. FISCHER: al-Adab al-ÝarabÐ bi-l-luÈa al-almÁnÐya. S. 71f. 24 Heiko KÖRNER meint in seinem Artikel über die ökonomischen Migrationsgründe, dass die Migration das Ergebnis einer individuellen Entscheidung ist. Die Menschen su-chen in der Modernisierung vorindustrieller Gesellschaften ein neues Schicksal und ein besseres Leben. Vgl. KÖRNER, Heiko: Reichtum und Armut - Einige theoretische Aspek-te. In: BÖHME, Gernot/CHAKRABORTY, Rabindra Nath/WEILER, Frank: Migration und Ausländerfeindlichkeit. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 1994. S. 59-62. Beson-ders S. 59. 25 Vgl. HEINZE, Hartmut: Migrantenliteratur in der Bundesrepublik Deutschland. Be-standsaufnahme und Entwicklungstendenzen zu einer multikulturellen Literatursynthese. Berlin: Express Edition Verlag. 1986. S. 11.
12
In der Regel sind die Gründe für die Einwanderung in ein anderes Land
hauptsächlich politischer26, wirtschaftlicher27, religiöser oder kriegerischer
Natur.28 Jedoch sind längere Besuchsreisen, geschäftliche Niederlassungen
im Ausland oder auch Gastarbeiterverpflichtungen mit dem Begriff Migration
ebenso wenig zu kennzeichnen.29 Summarisch und vereinfacht kann man
festhalten, dass das Push-und-Pull-Faktoren-Modell die Migrationsgründe
am besten erklären kann. Push-Faktoren finden sich in Behandlung des Her-
kunftslands und die Pull-Faktoren sind die positiven Lebensbedienungen im
Zielland.30
Der Blick auf die Geschichte der Arbeitsmigration in Deutschland zeigt, dass
der wirtschaftliche Aufschwung der 1950er und 60er Jahre die Anwerbung
von Gastarbeitern erforderlich machte.31 1955 schloss die deutsche Regie-
rung die ersten Anwerbeverträge mit Italien ab. Im Jahre 1960 folgten die
Verträge mit Griechenland und Spanien. In den folgenden Jahren wurden
weitere Verträge abgeschlossen: 1961 mit der Türkei, 1965 mit Marokko
und Tunesien, 1964 mit Portugal, 1965 mit Tunesien und zuletzt 1968 mit
Jugoslawien.32
Aber die Bedingungen ließen viele ausländische Arbeiter in ihre Heimat zu-
rückkehren: Die Zahl der ausländischen Erwerbstätigen sank von 2,6 Mio. im
26 Vgl. LIEKE, Winfried: Politische Verfolgung. In: BÖHME, Gernot/CHAKRABORTY, Rabindra Nath/WEILER, Frank: Migration und Ausländerfeindlichkeit. Darmstadt: Wis-senschaftliche Buchgesellschaft. 1994. S. 39-46. Besonders S. 39. 27 Vgl. MANFRASS, Klaus: Reichtum und Armut-Entwicklung und Unterentwicklung. In: BÖHME, Gernot/CHAKRABORTY, Rabindra Nath/WEILER, Frank: Migration und Ausländerfeindlichkeit. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 1994. S. 47-58. Besonders S. 47. - Vgl. KÖRNER: Reichtum und Armut. S. 59. 28 Vgl. SCHEFFRAN, Jürgen: Kriegs- und Umweltflüchtlinge. In: BÖHME, Gernot/ CHAKRABORTY, Rabindra Nath/WEILER, Frank: Migration und Ausländerfeindlich-keit. Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 1994. S. 23-38. Besonders S. 23. 29 Vgl. WINZER, Fritz: Emigranten: Geschichte der Emigration in Europa. Frankfurt am Main/Berlin u.a.: Ullstein- Sachbuch Verlag. 1986. S. 99. 30 Vgl. ebd. S. 7. 31 Vgl. REEG, Ulrike: Schreiben in der Fremde. Literatur nationaler Minderheiten in der Bundesrepublik Deutschland. Essen: Klartext Verlag. 1988. 1. Aufl. S. 11. 32 Vgl. SENOL, Sengül: Kurden in Deutschland. Fremde unter Fremden. Frankfurt am Main: Haag und Herchen Verlag. 1992. S. 59.
13
Jahr 1973 auf ca. 1,9 Mio. und bis 1989 auf ca. 1,7 Mio. Trotzdem stieg die
ausländische Wohnbevölkerung 1973 (3,97 Mio.) und 1979 (3,98 Mio.) auf
knapp 4 Mio. an. Sie stieg bis 1989 auf knapp 4,9 Mio. (,3%) an.33 Die
Nachkommen der ausländischen Arbeitnehmer bauten sich ihre Existenz in
Deutschland in gesellschaftlicher, politischer, kultureller und insbesondere
literarischer Hinsicht aus; damit entstand die Migrationsliteratur.
Die Migranten in Deutschland können vereinfacht in zwei Gruppen eingeteilt
werden; die erste davon ist die ‚Arbeitergruppe‘; die zweite ist die ‚Schrei-
bergruppe‘, die sich mit Wissenschaft und Literatur beschäftigt. Die zweite
Gruppe bildet den Schwerpunkt des zu behandelten Themas von zahlreichen
Literaturwissenschaftlern in Deutschland; die erste Gruppe wurde aus päda-
gogischer beziehungsweise historischer oder soziologischer Perspektive ein-
gehend untersucht.
Was die von der Arbeitsmigration abgeleitete Literatur betrifft, hat sich die
Migrationsliteratur seit einigen Jahren in der deutschen Gegenwartsliteratur
zunehmend als eigenes, starkes, deutschsprachiges Literaturmilieu und als
bedeutender literarischer Kanon herausgebildet. Aus dem Begriff Gast- oder
Fremdarbeiter wurden literarische Bezeichnungen für die deutschsprachige
Migrationsliteratur abgeleitet. Die Bezeichnung Migrationsliteratur spiegelt
die soziologischen und kulturellen Entwicklungen der Zeit wieder. Bezeich-
nungen wie Gastarbeiterliteratur, Ausländerliteratur, Minderheitenliteratur,
Literatur der Betroffenheit u.a. sind nicht mehr gebräuchlich, weil sie unzu-
treffende Aussage über die schriftstellerischen Migranten in der Zeit zwi-
schen 50er und 90er Jahren vermittelten.
33 Vgl. BADE, Klaus J.: Einheimische Ausländer: ´Gastarbeiter´- Dauergäste- Einwande-rer. In: Ders. (Hrsg.): Deutsche im Ausland - Fremde in Deutschland: Migration in Ge-schichte und Gegenwart. München: C.H. Beck Verlag. 1992. S. 393-400. Besonders S. 396.
14
Seit den 90er Jahren werden die Terminus Migrationsliteratur,
Migrantenliteratur, deutschsprachige Literatur oder die germanophone Lite-
ratur -wie die Begriffe frankophone und anglophone Literature- als Ersatz
für alle vorherigen Begriffe verwenden. Im folgenden Absatz wird die Ent-
stehung des Begriffs Gastarbeiterliteratur näher erläutert.
Der Terminus Gastarbeiterliteratur wurde in den 80er Jahren verwendet.
Schami und Biondi haben den Begriff Gastarbeiter in dem Manifest Literatur
der Betroffenheit geprägt. Diesen Begriff haben Anna Picardi-Montesardo34
und Sigrid Luchtenberg35 in ihrem Beitrag über die interkulturelle Pädagogik
und Horst Hamm36 in seiner Dissertation verwendet. Monika Frederking37
benutzt den Begriff Migrantenliteratur und bestätigt ebenso wie Ulrike
Reeg38 in ihrer Arbeit die ästhetischen Qualitäten der Migrantenliteratur.
Frederking hat eine andere Bezeichnung für diese Literatur vorgeschlagen:
authentische Literatur. Sie liest die literarischen Texte ausländischer Autoren
in der Bundesrepublik als soziologische Dokumentationen. Horst Hamm ver-
steht im Gegensatz zu Monika Frederking und Ulrike Reeg die Texte als
authentische Literatur. Harald Weinrich39verwendet den Begriff Gastarbeiter-
literatur. Heimke Schierloh40 und Dieter Hörn verwenden den Begriff
Migrantenliteratur.41
34 Vgl. PICARDI-MONTESARDO, Anna: Die Gastarbeiter in der Literatur der Bundesre-publik Deutschland. Berlin: Express Edition Verlag. 1985. 35 Vgl. LUCHTENBERG, Sigrid: Gastarbeiterliteratur in der Berufsschule: Zum Beispiel „Ich heiße Yusuf Toprakoglu“. In: Sprache und Beruf. Bd., 2. 1986. S. 37-52. 36 HAMM, Horst: Fremdgegangen Freigeschrieben. Einführung in die deutschsprachige Gastarbeiterliteratur. Würzburg: Königshausen & Neumann Verlag. 1988. 37 FREDERKING, Monika: Schreiben gegen Vorurteile. Literatur türkischer Migranten in der Bundesrepublik Deutschland. Berlin: Express Edition Verlag. 1985. 38 REEG, Ulrike: Schreiben in der Fremde. Literatur nationaler Minderheiten in der Bun-desrepublik Deutschland. Essen: Klartext Verlag. 1988. 1. Aufl. 39 WEINRICH, Harald: Deutschland - ein türkisches Märchen. Zu Hause in der Fremde: Gastarbeiterliteratur. In: HAGE, Volker (Hrsg.): Deutsche Literatur. Ein Jahresüberblick. Stuttgart. 1983. S. 230-237. 40 SCHIERLOH, Heimke: Das alles für ein Stück Brot. Migrantenliteratur als Objektivie-rung des „Gastarbeiterdaseins“ mit einer Textsammlung. Frankfurt am Main / Bern / New York: Peter Lang Verlag. 1984. 41 HORN, Dieter: Schreiben aus der Betroffenheit. Die Migrantenliteratur in der Migration und Bundesrepublik Deutschland. In: TUMAT, Alfred J. (Hrsg.): Migration und Integrati-on: Ein Reader. Baltmannsweiler: Pädagogischer Verlag. 1986. S. 213-236.
15
Heide Rösch42 hat als eine der ersten die Texte der ausländischen Autoren als
eine multiperspektivische Darstellung verschiedener Bevölkerungsgruppen
dargestellt. Autoren wie Franko Biondi und Rafik Schami haben in den frü-
hen 80er Jahren den Begriff „Die Literatur der Betroffenheit“ geprägt und
satirisch kommentiert. Der Streit über den Begriff und die sich daran an-
schließenden Diskussionen gingen in verschiedene Richtungen. Harald Wein-
rich sah in dem Begriff Literatur der Betroffenheit „diejenige Wirklichkeit,
die von der Gastarbeiterliteratur am meisten angestrebt wird“ repräsen-
tiert.43 1983 bezeichnete er die Migrantenautoren als „die deutschen Schrift-
steller, die von außen kommen“.44 Biondis und Schamis Aufsatz hält er für
eine „Ars poetica“ dieser Literatur.
Was die immigrierten Schriftsteller in Deutschland betrifft, hat Reeg die Au-
toren in vier Gruppen eingeteilt: In der erste Gruppe sind die Migranten, die
im Zuge der Migrationsbewegung seit den 50er Jahren aus den Mittelmeer-
anrainerstaaten in die Bundesrepublik eingereist sind und im Dienstleistungs-
und Industriesektor oder in akademischen Berufen tätig waren und sind. Die
zweite Gruppe ist die nachfolgende Generation, meistens Jugendliche, die
bereits in Deutschland geboren wurden. Die dritte Gruppe sind die Exilierten,
die auf Grund der politischen Verhältnisse ihre Herkunftsländer verlassen
mussten und vielfach in der Bundesrepublik Asyl suchten. Die vierte und
letzte Gruppe sind die ausländischen Studenten.45
Nach Hamm reflektieren die literarischen Werke der Migranten, dass die
Migranten Deutschland als Paradies imaginierten.46 In diesen Werken analy-
sierten die Autoren die verschiedenen Ursachen der Migration, Situationen
42 RÖSCH, Heidi: Migrationsliteratur im interkulturellen Kontext. Eine didaktische Studie zur Literatur von Aras Ören, Aysel Özakin, Franco Biondi und Rafik Schami. Frankfurt am Main: Verlag für Interkulturelle Kommunikation. 1992. 43 HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 36. 44 WEINRICH, Harald: Um eine deutsche Literatur von außen bittend. In: Merkur Nr. 5. 1983. S. 911-920. Besonders S. 920. 45 Vgl. REEG: Schreiben in der Fremde. S. 12. 46 Vgl. HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 70.
16
und Erfahrungen in der alten und neuen Heimat. Er stellt fest, dass die Mig-
ranten auf Grund sozialer oder politischer Not ihre Heimat verlassen haben.47
Hamm meint: „mehrere Autoren verweisen in ihrem Schreiben darauf, dass
Armut und Gefühle von Ausweglosigkeit die häufigsten Ursachen der Emig-
ration sind.“48
Was die arabischen Migranten betrifft, bilden die arabischen Migranten in
Deutschland eine verhältnismäßig große Minderheit. Ihre Zahl liegt bei etwa
280.000, die aus diversen arabischen Ländern kommen; dazu kommt eine
unbekannte Anzahl von Palästinensern. Aus dem Libanon flohen zwischen
1979 und 1990 mehr als 50.000 libanesische und fast 20.000 palästinensische
Asylsuchende nach Deutschland. Während des libanesischen Bürgerkriegs
(1975/1989) hatte es konzentrierte Auswanderungen gegeben. Zudem gibt es
Migranten aus Ägypten, Syrien, Libyen, Jemen und teilweise aus Saudi Ara-
bien.49 Autoren aus den Maghreb-Staaten emigrierten aufgrund der kolonia-
len Vergangenheit und der sprachlichen Verbindung viel eher nach Frank-
reich als nach Deutschland.50
Die arabische Minderheit in Deutschland ist in der Öffentlichkeit weniger
präsent als die größeren russischen, türkischen, italienischen oder polnisch
stämmigen Minderheiten. Die Mehrheit eingewanderter Araber kam als Stu-
denten oder als politische Flüchtlinge und nicht als Gastarbeiter nach
Deutschland wie die Mehrheit der anderen Minderheiten. Die arabischen
Migranten arbeiten häufig in Deutschland für ein paar Jahre und kehrten dann
in ihre Heimat zurück, um dort mit dem gesparten Geld eine Existenz aufzu-
47 Vgl. ebd. S. 59. 48 Ebd. 49 Vgl. SCHMIDT-FINK, Ekkehart: interessanten Exoten zu verdächtigen Nachbarn- Arabische Migranten in Deutschland vor und nach dem 11. September. http://www.papyrusmagazin.de/archiv/2002_2003/september/9_10_2002_arabischemigranten.html. Besucht am: 22.10.2006. 50 Vgl. KHALIL, Iman: Arabisch-deutsche Literatur. In: LÜTZELER, Paul Michael (Hrsg.): Schreiben zwischen den Kulturen. Beiträge zur deutschsprachigen Gegenwartsli-teratur. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag. 1996. S. 149-164. Besonders S. 149.
17
bauen. Eine geringe Zahl arabischer Migranten blieb in Deutschland, aber
nach langer Diskussion stellte die Bundesregierung im Jahre 1978 fest, dass
die Ausländer besser integriert werden müssen.51
Was die arabischen Autoren betrifft, stieg insbesondere die Anzahl arabischer
Intellektueller dem Ersten und dem Zweiten Golfkrieg, dem Bürgerkrieg im
Libanon (1975/1989), dem Sechs-Tage Krieg etc. und die Kriege mit Israel
(1957/1968/1973). In Deutschland leben die arabischen Autoren, die sowohl
zur ersten Generation als auch zur zweiten Generation gehören. Die syri-
schen Migranten bilden bis heute eher eine kleine Gruppe. Sie besteht aus
einer sehr überschaubaren Zahl von Autoren, drei von ihnen sind aktiv, sind
literarisch sehr aktiv und veröffentlichen regelmäßig in Deutschland. Als ers-
ter arabischer Dichter hat Adel Karasholi Gedichte auf Deutsch geschrieben.
Im Romanbereich hat Rafik Schami viele Werke veröffentlicht. Suleiman
Taufiq sowie Karasholi beschäftigten sich mit Lyrik und mit Übersetzungen.
Irakischen Exilautoren wie Khalid Al-Maaly, Abdul Jabir und Najem Wali,
die zu Beginn der 80er Jahre dem BaÝ×-Regime entflohen, emigrierten nach
Deutschland.52
Aus dem Irak kamen zahlreiche Autoren, die wegen der zunehmenden politi-
schen Unruhen und politischem Druck auf die Autoren, sich zur Flucht ver-
anlasst sahen. Die Angst vor der Diktatur und das Bedürfnis nach der Aus-
übung des Schreibens in Freiheit zwangen sie, ihre Heimat zu verlassen und
nach Deutschland zu fliehen.
51 Vgl. EL-KOURAI, Ahmad: Geschichtliche Entwicklung der Migration. Aus dem Inter-netportal der Marokkanisch-Deutschen Assoziation für Beratung und Gemeinwesene. http://www.marokkodabg.de/Migration_Arabische_Migration.html. Besucht am: 17.11.2006. 52 Vgl. KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 161.
18
1.3 Gegenstand der Arbeit
In der vorliegenden Studie werden die Schwerpunkte der deutschen Rezept-
ion der, seit den 50er Jahren in Deutschland lebenden, arabischen Schriftstel-
ler untersucht. Das Thema meiner Arbeit ist die Rezeption der in Deutsch-
land lebenden arabischen Autoren in der deutschen Öffentlichkeit.53 Die Er-
klärung der Bedeutung der Rezeptionstheorie führt zu den theoretischen
Fragen und Aufgabe dieser Studie.54 Rezeptionstheorie ist eine literaturtheo-
retische Schule oder eine Modell Textanalyse, die vor allem von dem Roma-
nist Hans Robert Jauß und dem Anglist Wolfgang Iser entwickelt wurde.
Laut der Rezeptionstheorie gibt es eine starke Kommunikation zwischen
Autor, Text und Leser. Insbesondere hat der Leser eine wichtige Rolle in der
Interpretation der literarischen Werke. In diesem Sinne hat die Literaturwis-
senschaft die Aufgabe, über den Text gründlicher nachzudenken und auszu-
loten, was er für seinen Leser anbietet. Die Literaturwissenschaft kann Be-
deutungen entfalten, die reale Leser bislang nicht entfalteten- dann wenn sie
nachweist, welches ästhetische Erlebnis der Sender dem Rezipienten vorge-
staltete. Um die Erwartungshorizont zu erklären, kann zusammenfassend
gesagt werden, dass in dem Text sich immer bereits Geschehens bzw. Be- 53 In dieser Studie wird die Bezeichnung „arabische Migrationsliteratur“ übernommen, weil die Bezeichnung „arabische Exilliteratur“ sich nur auf die Exilanten beschränkt. Exilliteratur bedeutet die literarische Produktion von Autoren, die wegen politischer, reli-giöser oder rassistischer Verfolgung gezwungen sind, sich an einem anderen als dem von ihnen gewünschten Lebens- und Arbeitsort aufzuhalten. Anders bedeutet Migration eine freiwillige Auswanderung, deshalb hat die Migrationsliteratur als Begriff eine umfassende Bezeichnung für die in Deutschland lebenden arabischen Autoren. In Deutschland leben die arabischen Autoren meistens als Studenten. Als Exilanten leben Adel Karasholi und Fadhil Al-Azzawi. Aufgrund eines Haftbefehls entschied Karasholi sich, ins Exil zu flie-hen. Al-Azzawi floh aus dem Irak wegen der politischen Verfolgung. 54 Ende der 60er Jahre tritt die Rezeption mit dem Anspruch in Erscheinung, die literari-sche wissenschaftliche Praxis von einer Fixierung auf werkimmanente und produktionsäs-thetische Phänomene zu befreien und stattdessen den Dialog von Text und Leser in den Blick zu nehmen. Eine interdisziplinär erweiterte Forschergruppe, zu deren Kernanliegen die Entwicklung der Rezeption gehörte, wird als Konstanzer Schule bezeichnet. Seit dem Ende der 80er Jahre tritt die Rezeption als Forschungsansatz zurück. Vgl. Metzler Lexi-kon Literatur. Begriffe und Definitionen: Begründet von Günther und Irmgard Schweikel. (Hrsg.) von Dieter Burdorf, Christoph Fasbender und Burkhard Moennighoff. Stuttgart: J. B. Metzler Verlag. 2007. 3. völlig neu bearb. Aufl. S. 649f.
19
kanntes finde und rufe im Leser eine Erinnerung hervor, aus der heraus er mit
einer gewissen Erwartung weiterlese und interpretiere.55 Literarische Texte
enthalten bestimmte Elemente (Leerstellen), welche die Leser zur Bildung
von Hypothesen über das fiktionale Geschehen auffordern.
In dieser Studie geht die Untersuchung von einem spezifischen Rezeptions-
begriff aus, den der Forschungsgegenstand nahelegt. Seine Spezifik rührt
daher, dass er sich hier auf die Rezeption arabischer Literatur in Deutschland
bezieht. Rezeption wird als Darstellung der literarischen Präsenz arabischer
Autoren und ihrer Resonanz in der deutschen Literaturszene verstanden. Die
Leserrezeption bzw. Publikumswirksamkeit, die den Haupt-gegenstand empi-
rischer Rezeptionsforschung in Deutschland darstellt, kann hier nur berück-
sichtigt werden, wo der Publikumserfolg sich in einer zu ermittelnden Aufla-
genzahl manifestiert. Dazu wird die Rolle der Literaturpreise in der Verbrei-
tung der Popularität eines Autors darlegt.
In dieser vorliegenden Studie geht die Untersuchung von der Grundthese
aus, dass die Rezeption der arabischen Migrationsliteratur in Deutschland
verschiedene Rezeptionsarten der Autoren reflektiert. Deshalb teile ich mit
Ulrich Merkel die Ansicht, dass es sowohl „gelungene“ als auch „mißlunge-
ne“ Rezeptionsfälle gibt.56 Eine gelungene Rezeption setzt nicht nur geeigne-
te soziokulturelle Bedienungen in der aufnehmenden Region voraus, die ein
Verstehen des fremden Kunstwerks ermöglichen, sondern auch eine entspre-
chende literaturkritisch-interpretatorische Vermittlung. Der Literaturkritiker
hat eine wichtige Aufgabe, den Leser über den soziokulturellen Kontext, in
dem das Werk steht, zu informieren. Dank der Arbeit des Literaturkritikers
55 Ein Werk kann den mit ihm verbundenen Erwartungshorizont bestätigen oder zu dessen Modifikation beitragen; ferner können die historische Aufnahme eines Werkes sowie des-sen „Kunstcharakter“ nach Maßgabe der Differenzen zwischen Werk und Erwartungsho-rizont beurteilt werden. Vgl. ebd. S. 207. 56 Vgl. MERKEL, Ulrich: Erfahrungen mit und Beobachtungen zur Rezeption deutscher Gegenwartsliteratur in Ländern der Dritten Welt. In: STÖCKER, Karl (Hrsg.): Literatur der Moderne im Deutschunterricht. Königstein/Ts. 1981. S. 81.
20
nimmt der Leser einen vollkommenen Überblick über die Gesellschaft, Kultur
und Literatur der arabischen Autoren. Außerdem schätzen die Kritiker die
Werke ein.
Deshalb wegen der wenigen Aufmerksamkeit mit arabischen Autoren, wird
ihre literarische Präsenz untersuchbar mehr als ihre Resonanz bei den deut-
schen Kritikern. Die Mängel der begleiteten Kritik an dieser seit den 50er
Jahren entstehenden Migrationsliteratur führen zu einer Trennung zwischen
den Autoren und Lesepublikum oder zu einer falschen Interpretation ihrer
Werke oder zu einer Fehlrezeption ihrer Werke. Die Lücken der Rezeption
arabischer Autoren und die Mängel an der Aufmerksamkeit werden allmäh-
lich erfüllt. Die arabischen Autoren, die in zahlreichen Genres beheimatet
sind, sind ständig bemüht ihren Leserkreis in Deutschland zu erweitern, aber
lediglich die literarischen Produkte von den bedeutenden arabischen Autoren
haben den Löwenteil von den deutschen Kritikern und Wissenschaftlern.
Die Zahl der in Deutschland lebenden Autoren arabischer Herkunft ist aller-
dings beträchtlich. Diese Autoren, die aus verschiedenen Ländern und aus
unterschiedlichen Gründen nach Deutschland kamen, sind ihre Werke zum
Zweck geworden. Die arabischen Autoren in dieser Studie werden in zwei
Generationen eingeteilt. Die erste Generation bezieht sich auf Autoren, die in
den 40er und 50er Jahren geboren wurden; die zweite Generation bezeichnet
die seit den 60er Jahren geborenen arabischen Autoren. Zur ersten Generati-
on gehören Ghazi Abel-Qadir, Salim Alafenisch, Khaled Al-Maaly, Hussain
Al-Mozany, Adel Karasholi, Hassouna Mosbahi, Jusuf Naoum, Rafik Scha-
mi, Wadi Soudah, Suleiman Taufiq, Najem Wali, Huda Al-Hilali, Fadhil Al-
Azzawi, Sumaya Farhat-Naser, Mona Yahia u.a. Zur zweiten Generation
gehören Halima Alaiyan, Sherko Fatah, Anis Hamadeh, Raid Sabbah, Jamal
Tuschick, Abdellatif Youssafi, Fouad Awwad, Ryad Alabyd, Kaouther
Tabai, Amal Al-Jubouri u.a.
21
Die Rezeptionsgeschichte arabischer Literatur kann in zwei Perioden einge-
teilt werden. Die Rezeption arabischer Literatur als Teil der entstehenden
gesamten Migrationsliteratur in Deutschland seit den 70er Jahren. Oder wie
in meiner vorliegenden Arbeit als eine Fortsetzung der gängigen Rezeption
arabischer Literatur, die seit dem 18. Jahrhundert in Deutschland vorherrscht.
Gemäß dieser Rezeptionssicht ist die arabische Literatur entweder erzähleri-
sche Literatur, oder emotionale Lyrik. Dies erklärt die zunehmende Auf-
merksamkeit auf die arabischen Erzählern wie Rafik Schami, Jusuf Naoum,
Salim Alafenisch, Huda Al-Hilali u.a. zu Teil wird. Seit 90er Jahren kann eine
zunehmende Rezeption der in Deutschland lebenden arabischen Autoren be-
obachtet werden.
Die Popularität der arabischen Erzählkunst hat positive sowie negative Ein-
flüsse auf die Rezeption arabischer Literatur. Die gängigen bekannten Ge-
schichten in der orientalischen Sammlung Tausendundeine Nacht und ihre
Beliebtheit beim deutschen Publikum werden hier wiedererweckt. Zum einen
hilft dies den arabischen Autoren an bekannte Genres anzuknüpfen, verhin-
dert aber auch eine Beschäftigung mit arabischsprachiger Literatur ohne die
gängigen Bilder über den Orient. Ihre Werke wurden als orientalischen Er-
zählungen und Märchen rezipiert ohne Berücksichtigung ihrer persönlichen
Besonderheiten und der Weiterentwicklung ihrer Werke.
Der Versuch einer Positionierung arabischen Autoren innerhalb der Migrati-
onsliteratur und der deutschen Literatur und einer Darstellung der deutschen
Rezeption arabischer Literatur erfordern eine intensive Beschäftigung mit
Leben und Werk der in Deutschland lebenden arabischen Autoren. In der
folgenden Arbeit wird insbesondere der literarische Beitrag von syrischen
Autoren untersucht. In der Studie werden einige Aspekte der Rezeption der
syrischen Literatur in Deutschland untersucht. Die Studie beschränkt sich auf
den Roman, Lyrik und Übersetzungstätigkeit. Für diese Abgrenzung des
Forschungsbereichsliegen sowohl objektive als auch subjektive Gründe vor.
22
Subjektiv gesehen hatte sich die Verfasserin während ihres Hauptstudiums
vorwiegend für die arabische Migrationsliteratur interessiert, was dazu führ-
te, dass sie sich mit ihr intensiver als mit anderen Themen befasste. Objektiv
spielt gerade der moderne syrische Roman aufgrund seiner Gattungsspezifi-
schen Merkmale eine zentrale Rolle im gesamten Rezeptionsprozeß der ara-
bischen Literatur in Deutschland. Die syrischen Romane, Gedichte und Über-
setzungen vermitteln dem deutschen Leser nicht nur ästhetische Qualitäten,
sondern auch Informationen über Gesellschaft und Kultur in Syrien. Der For-
schungsgegenstand dieser Studie umfasst ein breites Spektrum, das sich auf
Werke von Rafik Schami, Adel Karasholi und Suleiman Taufiq erstreckt.
Ausschlaggebend für die Entscheidung, die Untersuchung nicht auf einen
Autor oder sogar ein einziges Werk zu beschränken, war die Überlegung,
dass es beim gegenwärtigen Stand der Forschung und Information sinnvoller
ist, das Spektrum breit zu halten.
Syrische Werke werden verfasst, publiziert und unter die Leser gebracht, um
aufgenommen zu werden. 57 Erst durch die Rezeption werden sie zu wirkli-
che Kunstwerke. Die in dieser Studie drei syrischen Autoren werden als Bei-
spiel für die gelungene produktive Rezeption behandelt. Diese Autoren bie-
ten neue Geschichten, Informationen und literarische Bilder, die den deut-
schen Erwartungen von dem deutschen Lesepublikum nicht entsprechen. Die
syrischen Werke haben den deutschen Leser verunsichert, um über die ge-
wohnten Codes und Erwartungen zu reflektieren und so zu neuen Erkennt-
nissen zu gelangen. Die Artikel über die syrischen Autoren enthalten Infor-
57 Die in dieser Studie behandelten syrischen Autoren sind, die seit den 50er Jahren in Deutschland leben. Einige dieser Autoren publizieren in ihrer Muttersprache oder werden durch Übersetzertätigkeit zu Kulturvermittlern zwischen Herkunfts- und Ankunftsland. Von der Ausgangsposition ist dabei zu unterscheiden nach Autoren, die bereits in ihrer Heimat und in ihrer Muttersprache einen Status als Autoren erworben hatten (so Adel Karasholi), anderen die erst in der oder durch die Erfahrung der Migration zum schreiben kommen und sich dann (z.B. Suleiman Taufiq). Nur Rafik Schami hat nach seiner Aus-wanderung die Chance genutzt, seine Erzählungen auf Deutsch zu publizieren. Arabische Autoren, die mit deutschen Sprachraum aufgewachsen und von Kind an zweisprachig sind, gehören nicht zur syrischen Autorengruppe.
23
mationen über die Inhalte, Bewertungen und Interpretationen ihrer Werke.
Die Mehrheit der Literaturkritik spricht sich positiv über ihre Werke aus.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Karasholi und Schami sich als
Mittler zwischen den Kulturen verstehen. Sie sehen sich als Botschafter der
arabischen Welt, die ihre Aufgabe darin findet, Vorurteile und Missverständ-
nisse zu relativieren und mit ihren Werken dem deutschen Publikum die kul-
turellen Leistungen des arabischen Kulturraums zu vermitteln. Es wird zei-
gen, dass Taufiq die Fähigkeit besitzt, sich der poetischen Sprache zu bedie-
nen und nicht nur mit dem Wörterbuch zu übersetzen. Darin unterscheidet
sich Taufiq formbetonter Texte von Übersetzer inhaltsbetonter, und darin
besteht der schöpferische Aspekt des literarischen Übersetzens. Taufiq be-
mühte sich um stilistische Korrespondenz, ohne allerdings das Original skla-
visch nachzuahmen, wie es bei den im wörtlichen Sinne treuen Übersetzun-
gen der Fall ist. Seine Rolle beginnt bei der Wahl des zu übersetzenden Wer-
kes, die auf einer genauen Kenntnis der kulturellen Bedürfnisse der aufneh-
menden Gesellschaft berühren müsste.
Bleibt zu sagen, dass die Darstellung der literarischen Werke der arabischen
Autoren die vielfältigen Werke dieser Autoren zeigt. Diese umfassen nicht
nur Prosaschreiber oder Lyriker, sondern einige von ihnen sind auch Essayis-
ten, Herausgebern und Übersetzern. Das Auswahlkriterium der Autoren, die
in dieser Arbeit untersucht werden, ist der Zusammenhang ihres literarischen
Schaffens mit ihrer interkulturellen Erfahrung. Denn die kulturellen und bio-
graphischen Hintergründe der arabischen Autoren spielen in ihren literari-
schen Werken eine wichtige Rolle. So versuchen die Autoren unter Einbezug
der arabischen Kultur und Literatur, jeweils bestimmte politische und soziale
Themen zu erfassen. Die persönlichen Erfahrungen im Exil, als Stoff der
meisten Romane, ist insbesondere bei den arabischen Schriftstellerinnen Ge-
genstand ihrer Erzählungen. Zudem lassen sich die Autoren von den arabi-
schen Erzählungen und europäischen lyrischen Schreibarten beeinflussen.
24
1.4 Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit besteht aus vier Hauptteilen. Im ersten Teil geht es
um Entstehung des Phänomens „Migrationsliteratur“ in der modernen deut-
schen Literatur. Diskutiert werden die literarischen Anfänge von den Migran-
ten, die als die ersten schreibenden Migranten betrachtet werden. Die italieni-
schen und türkischen Autoren sind hier die ersten Pioniere, die die Migrati-
onsliteratur seit den 50er Jahren etablierten. Nach dieser Einführung wird ein
allgemeiner Überblick über die Akzeptanz arabischer Autoren und ihrem
Beitrag zur Migrationsliteratur gegeben. Untersucht wird die Rolle der Lite-
raturpreise in der Rezeption der Migrationsliteratur. Im Hinblick auf die
Wichtigkeit der wissenschaftlichen Rezeption der Migrationsliteratur werden
im zweiten Teil die wissenschaftlichen Werke über die italienisch, türkisch,
griechisch und arabisch Schreibenden dargestellt.
Im dritten Teil wird die deutsche Rezeption arabischer Migrationsliteratur
ausführlich dargestellt. Hier werden die öffentliche Wahrnehmung arabischer
Literatur, die Entwicklung der Rezeption und die Problematik der Rezeption
arabischer Literatur beleuchtet. Ausführlich werden auch die Aspekte der
Rezeption arabischer Autoren untersucht. Anhand von Artikeln, Vorträgen
und Pressemitteilungen wird die Resonanz der arabischen Autoren unter-
sucht. Hier werden die literarischen Angebote interpretiert, die präferierten
Genres der arabischen Autoren diskutiert und die Rezeptionsart gezeigt. Die
Untersuchung der Rezeption arabischer Frauenliteratur wird anschließend
diskutiert.
Im letzten Teil wird die deutsche Rezeption syrischer Autoren untersucht.
Rafik Schami, Adel Karasholi und Suleiman Taufiq werden als Vertreter die-
ser Literatur untersucht. Aufgrund ihrer unterschiedlichen literarischen Be-
schäftigung repräsentieren sie drei unterschiedliche Darstellungsformen:
25
Schami als erzählerischer Prosaschreiber, Karasholi als Lyriker und Taufiq
als Übersetzer.
Die Untersuchung der Rezeption syrischer Romane basiert auf der Darstel-
lung der arabischen Erzählkunst und orientiert sich an der Rückkehr zum
Erzählerbe. Die Sammlung Tausendundeiner Nacht spielt in der deutschen
Rezeptionsgeschichte arabischer Literatur eine wichtige Rolle. Schamis Po-
pularität, die auf seinen Romanerfolgen beim deutschen ist ein weiterer
Grund für die Beschäftigung mit seinem Werk und seinem Verhältnis zu
Deutschland. Diese Untersuchung umfasst insgesamt einen Zeitraum von den
50er bis Ende der 60er Jahren während seiner Zeit in Syrien und in Deutsch-
land seit den 70er Jahren. Dasselbe Kapitel konzentriert sich auf die Aufnah-
me und Anerkennung Schamis und die Frage wie sich seine Popularität in
Deutschland erklärt. Ausführlich wird Schami als Essayist, Märchenerzähler,
politischer Schriftsteller und Kinder- und Jugendautor, untersucht. Schließ-
lich wird sein Eintreten in die Weltliteratur anhand der Übertragung seiner
Werke in anderen Sprachen untersucht.
Karasholis Rezeption wird chronologisch dargestellt. Hier wird zuerst seine
Biographie behandelt, dann werden seine Gedichtbände interpretiert. Seine
Rezeption wird in Phasen behandelt, in denen Karasholi und sein Werk The-
ma in den deutschen Medien war. Hier wird seine Resonanz anhand der vor-
handenen Artikel, Pressemitteilungen und Vorträge dargestellt.
Schließlich wird Taufiqs Arbeit und sein Schaffen als Übersetzer behandelt.
Die Frage, welchen Beitrag er durch seine Anthologien und Übersetzungen
der arabischen Literatur leistete, wird hier untersucht sowie seine Rolle als
Übersetzer analysiert.
26
2 Migrationsliteratur: Definitionen und Konzepte
2.1 Die Etablierung der Migrationsliteratur
Die Migrationsliteratur ist ein neues Phänomen innerhalb der modernen
deutschen Literatur. Die deutsche Gegenwartsliteratur enthält einen
beträchtlichen Teil von Werken, die von deutschsprachigen Autoren aus dem
Ausland geschrieben wurden. Durch diesen Anteil zeichnet sich in der
deutschen Literaturlandschaft eine interkulturelle Vielfalt ab. Insbesondere
entsteht diese Vielfalt aus dem Sprach- und Kulturwechseln und entfaltet eine
große Wirkung. Allmählich haben die Vertreter dank ihrer Bemühungen und
Publikationen diese interkulturelle Literatur auf dem deutschen Buchmarkt
verankert.
Alle Studien über Migrationsliteratur sind sich darüber einig, dass die Phase
des Bekanntwerdens und der Akzeptanz innerhalb der hiesigen Literatursze-
ne von den 50er bis hin in die 70er Jahre dauerte. Etwa zwanzig Jahren benö-
tigen die ausländischen Autoren ihre literarische Präsenz aufzubauen.
Die Migrationsliteratur hat ihren Ursprung in den 50er Jahren, deren Anfang
italienische Autoren, die ihre Texte in Zeitschriften und in Einzelveröffentli-
chungen publizierten, markiert. Im Jahr 1951 erschienen die ersten Texte
ausländischer Autoren. In der Regel waren die Gedichte, Briefe, Romane und
Erzählungen von italienischen Arbeitsmigranten, die in, von katholischen
Missionaren herausgegebenen, Zeitschriften publiziert wurden.58 In diesem
Zeitraum blieb die Migrationsliteratur innerhalb der deutschen Literaturszene
unbemerkt, da die Leserschaft auf einen kleinen Kreis beschränkt blieb.59 Die
58 Vgl. REEG: Schreiben in der Fremde. S. 14. 59 Vgl. ebd. S. 11.
27
Migrationsliteratur wurde mit geringem Interesse als biografische und au-
thentische Literatur rezipiert.60
Neben den italienischen Migranten, mit ihren wichtigen Vertretern, Franco
Biondi und Gino Chiellino, gibt es auch schriftstellerische Migranten türki-
scher Herkunft wie Yüksel Pazarkaya, den Herausgeber der Literaturzeit-
schrift Anadil, und Achmed Dogan, den Gründer des Ararat-Verlags. Diese
italienischen und türkischen Autoren gelten als bedeutende Pioniere in der
Entstehungsphase der Migrationsliteratur. Insbesondere gilt Pazarkaya als
Wegbreiter der von den türkischen Migranten geschriebener Literatur. Seit
1960 veröffentlichte er Gedichte, Erzählungen, Theaterstücke, Essays, Dreh-
bücher und Hörspiele zum Thema Migration. Seine Werke schreibt er sowohl
in deutscher wie türkischer Sprache. Insbesondere wurde sein Theaterstück
Ohne Bahnhof in Stuttgart 1967 aufgeführt, während die Migrationsliteratur
damals noch nicht bekannt war. Neben den italienischen und türkischen Au-
toren traten einige der arabischen Autoren an, wie Rafik Schami, Adel
Karasholi, Jusuf Naoum und Suleiman Taufiq.
Zum Thema Migration erschienen zwischen Ende der 70er Jahre und Anfang
der 80er Jahre Einzelveröffentlichungen von ausländischen Autoren diverser
Nationalitäten. Mit großem Interesse formulierten diese Texte der Frühphase
das Migrationsthema. Kaum findet sich unter den Migranten ein Autor, der
keine Texte über den Migrationsprozess schrieb. Jeder Autor versucht aus
seiner individuellen Perspektive die Schmerzen der Trennung von seiner
Heimat und seine Qualen und Probleme in der Fremde zu bewältigen. Künst-
lerisch wurden so die eigenen Erfahrungen bearbeitet.
60 Vgl. PUGLIESE, Rosaria: Franco Biondi - Grenzgänger der Sprachen, Wanderer zwi-schen den Kulturen. Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag. 2006. S. 9.
28
Die von den Migranten, auf allen Gebieten, wahrgenommenen Unterschiede
schockierten sie und inspirierten sie zugleich beim Schreiben. Biondi und
Schami schreiben über diesen Aspekt:
Die Gastarbeiter kommen meist aus südlichen Ländern, sie kommen aus ländlichen Gebieten und sind von der dortigen kul-turellen Entwicklung geprägt. Sie kommen hierher und erleben einen Bruch, denn sie werden in eine festgefügte, auf einem an-deren Stand der kulturellen Entwicklung sich befindende Kultur hineingeworfen. Dieser Bruch in der kulturellen Entwicklung ähnelt sehr der kulturellen Katastrophe, die die Kolonialvölker erlitten. Das Resultat ist eine Phase des literarischen Verstum-mens, die kurz oder lang dauern kann. In dieser Phase versucht der Gastarbeiter zuerst mit seiner Umwelt und seiner Identität klar zu werden. Es ist ein umwälzender Prozeß, durch den ei-nerseits mancher fließend schreibende Literat für immer stumm wurde, andererseits ein Gastarbeiter, auch mit geringer Schul-bildung, zum ersten Mal begreift, wie wichtig es ist, seine Er-fahrung zu vermitteln.61
Die Anthologien gelten als eine besondere Form, um die deutschsprachige
Migrationsliteratur innerhalb der deutschen Literaturszene bekannt zu ma-
chen. Die meisten Anthologien wurden von Irmgard Ackermann vom Institut
für Deutsch als Fremdsprache der Universität München herausgegeben.62
Beispielsweise erschienen in München im Jahre 1982 Als Fremder in
Deutschland. Berichte, Erzählungen, Gedichte von Ausländern, und im Jahr
1983 In Zwei Sprachen leben. Berichte, Erzählungen, Gedichte von Auslän-
dern. Die Anthologien hatten damals eine beachtliche Resonanz beim deut-
schen Publikum. Die beiden Herausgeber dieser Anthologien, Ackermann
61 Vgl. PUGLIESE: Franco Biondi. S. 10. 62 Wichtig ist zu erwähnen, dass einige der seit den 90er Jahren erschienen Anthologien, in den Titeln die diskutierten Begriffe Migrationsliteratur, Migrantenliteratur, Literatur der Fremde oder Interkulturelle Literatur nicht verwendet. Die Begriffe Gastarbeiter- und Ausländerliteratur ebenfalls nicht. Folgende Anthologien sind erschienen: Kanaksta (Hrsg.) von Fridun Zaimoglu. (1999); Döner in Walhalla (Hrsg.) von Ilija Trojanow. (2000); Morgen Land (Hrsg.) von Jamal Tuschick. (2000); Feuer, Lebenslust. Erzählun-gen deutscher Einwanderer. (2003). Vgl. ABEL, Julia: Positionslichter. Die neue Genera-tion von Anthologien der „Migrationsliteratur“. In: ARNOLD, Heinz Ludwig: Literatur und Migration. München: Edition Text + Kritik Verlag. 2006. S. 233-245. Besonders S. 233f.
29
und Harald Weinrich unterstützten immigrierte Schriftsteller dabei ihre Texte
zu veröffentlichen. Laut Hamm sind die in den 80er Jahren erschienenen An-
thologien ein negatives Merkmal in der Geschichte der Migrationsliteratur,
welche die Autoren als Vertreter der Gastarbeiterliteratur präsentieren:
In den Jahren des Anfangs erschienen vorwiegend Anthologien, in denen sich Gastarbeiterautoren und -autorinnen als Einheit vorstellen: Sieht man einmal von Aras Ören ab, der bereits in den siebziger Jahren als Buchautor Berühmtheit erlangte und bezeichnenderweise in keiner Anthologie zu finden ist, dann fie-len Einzelautoren allenfalls Kennern der Szene auf. Heute sind Namen wie Franco Biondi, Aysel Özakin, Saliha Scheinhardt, Rafik Schami oder Sinasi Dikmen ein Begriff. Mit ihren Namen verbinden sich bestimmte Schreibhaltungen, Erfahrungen, Er-zählweisen oder Gattungen.63
Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass die zunehmende Zahl der Institutio-
nen wie das Institut für Deutsch als Fremdsprache in München und auch der
bedeutende Adalbert-von-Chamisso-Preises der Robert-Bosch- Stiftung eine
beträchtliche Unterstützung für die Autoren bedeuten. Bis zum Beginn der
80er Jahre erschienen sozial-dokumentarische Werke, die literaturwissen-
schaftlich allmählich ihre Bedeutung Manifestierte. Die Rezeption der Migra-
tionsliteratur stieg seit den 90er Jahren deutlich an und wird meist nicht als
„Exotikum“ rezipiert sondern als Bereicherung der deutschen Literatur ange-
sehen.64
Dank der Bemühungen der ersten in Deutschland lebenden nichtdeutschen
Autoren, besonders die aktiven Pionieren, hat die Migrationsliteratur ihre
bedeutende Stellung in der deutschen Literaturlandschaft immer weiter aus-
bauen können. In den 90er Jahren wandeln sich die kritischen Urteile über die
deutschsprachigen Autoren fremder Herkunft zum Positiven. Ackermann
63 HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 164f. 64 Vgl. ACKERMANN, Irmgard: Nachwort. In: Dies. (Hrsg.): Fremde Augenblicke. Mehrkulturelle Literatur in Deutschland. Bonn: Inter Nationes Verlag. 1996. S.168-171. Besonders S. 170f.
30
schrieb im Jahr 1996 in ihrem Buch Fremde Augenblicke über die verbesser-
te gegenwärtige deutsche Rezeption:
Auch die Rezeption dieser Literatur hat in den letzten zehn Jah-ren durch Medien, Tagungen, Podiumsdiskussionen, Lesereisen im In- und Ausland und auf mehreren Ebenen koordinierte Ver-anstaltungen eine neue Dimension gewonnen. Sie hat Widerhall gefunden.65
In demselben Buch erklärt Ackermann die Unterschiede zwischen der Ver-
breitung und der literarischen Qualität:
Auflagenhöhe, Anzahl der Lesereisen und Zustrom bei Lesun-gen können Hinweise geben, sind aber allein noch kein Maßstab für literarische Qualität. Es ist kein Geheimnis, daß sich zum Beispiel Lyrik schwer verkauft.66
Frauen waren unter der ersten Schreibergeneration kaum vertreten, was sich
aber im Laufe der Zeit änderte.
Zur Literatur von Frauen: es ist eindeutig, daß Männer unter den ausländischen Autoren deutscher Sprache zahlreicher ver-treten sind als Frauen, daß vor allem die erste Etappe fast aus-schließlich von Männern geprägt war. Inzwischen haben sich jedoch Frauen ebenfalls ihren Platz erschrieben und wichtige Akzente in dieser Literatur gesetzt.67
Ackermann erklärt ausführlich die Lage der Autorinnen und diskutiert die
deutsche Rezeption ihrer literarischen Produktion. Beispielsweise verlegte
Aysel Özakin68 ihren Wohnsitz aus der Türkei nach England und schreibt nur
auf Englisch; damit gehören ihre Werke nicht mehr zur multikulturellen Lite-
65 Ebd. S. 168. 66 Ebd. S. 169. 67 Ebd. S. 170. 68 Die türkische Schriftstellerin hat fünf Werke in den 80er Jahren veröffentlicht, die auf Türkisch übersetzt wurden. Sie gilt neben Saliha Scheinhardt als die bedeutendste türki-schen Schriftstellerinnen in Deutschland. Vgl. HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 145.- Vgl. ACKERMANN: Nachwort. S. 171.
31
ratur in Deutschland. Die wichtigsten Autorinnen, die literarische Texte in
Deutschland veröffentlicht haben, werden auch von Ackermann zusammen-
getragen. Aus der Türkei stammen u.a.: Alev Tekinay, Renan Demirkan,
Saliha Scheinhardt, Zahra Cirak und Emine Sevgi Özdamar; aus Griechen-
land: Eleni Torossi, Fotini Ladaki und Dadi Sideri-Speck; aus dem ehemali-
gen Jugoslawien: Dragica Rajcic und Irena Vrkljan; aus Ungarn: Zsuzsanna
Gahse und Christina Viragh; aus Bulgarien: Rumjana Zacharieva und
Rumjana Ebert; aus Portugal: Luisa Hölzl; aus Persien: Fahimeh Farsaie und
Torkan; aus Japan: Yoko Tawada.69
Auffällig ist, dass keine arabische Literatin in dieser summarischen Darstel-
lung vertreten ist. Dies bestätigt meine Annahme, dass die arabischen Schrift-
stellerinnen in diesem Zeitraum kaum Aufmerksamkeit bekamen, und daher
in den Studien unerwähnt bleiben. Jedoch gibt es eindrucksvolle Autorinnen,
wie die irakische Schriftstellerin Huda Al-Hilali, die zur ersten arabischen
Generation von Schriftstellerinnen zählt. Ein Grund für ihre geringe Rezepti-
on ist sicherlich, dass sie ihre Erzählungen mündlich bei Abendlesungen vor-
trug und sich weniger mit der Publizierung oder Verschriftlichung ihrer Texte
beschäftigte.
Abschließend ist festzuhalten, dass es viele Gründe für die Akzeptanz der
Migrationsliteratur in der deutschen Literaturszene gibt. Die wichtigen Ver-
treter der Migrationsliteratur stammten aus diversen Minderheiten, aber die
arabischen Autoren sind lediglich einige Pioniere. Im folgenden Abschnitt
wird gezeigt, dass die Etablierung der Migrationsliteratur in Deutschland
auch von den türkischen und italienischen Autoren geleistet wurde.
69 Vgl. ebd. S. 171.
32
2.2 Die literarischen Anfänge der Immigranten
2.2.1 Die italienischen Schriftsteller
Wegen der bedeutenden Zahl der italienischen und türkischen Schriftsteller,
die seit der zweiten Hälfte des 20. Jh. in Deutschland leben, erscheinen diese
zwei Gruppen häufig in den deutschen Forschungen zum Thema Migration
und Migrationsliteratur. Der Kontakt zwischen diesen Gruppen untereinan-
der war wegen der Zusammenarbeit in den 80er Jahren in kulturellen und
literarischen Vereine wie „Polykunst“ und „Südwind“ möglich. Das Interesse
und die Bemühungen der immigrierten Schriftsteller dieser Minoritäten wa-
ren in den 80er Jahren - für die Migrationsliteratur - in Deutschland prägend.
Die deutliche Wirkung dieser Schriftsteller in der deutschen Sprache er-
scheint in der Schöpfung neuer sprachlicher Bilder und in der Aufladung alter
Bilder mit neuen fremdartigen und interessanten Bedeutungen.70 Die Darstel-
lung der Entstehung und Entwicklung der Migrationsliteratur der italieni-
schen Minderheit seit den 50er Jahren bis in die 80er Jahre verlangt zuerst
eine Darstellung des Status der Autoren, die zwischen ihrer Muttersprache
der deutschen Sprache pendelten.
Seit 1955 bildete sich die italienische Minderheit in Deutschland. In den 60er
Jahren erschien auf dem deutschen Buchmarkt eine Literatur der italienischen
Gastarbeiter, die in den 50er Jahren eine große Gruppe von Arbeitsmigranten
bildeten.71 Ihre Veröffentlichungen in den 60er Jahren wurden nur als die
ersten literarischen Versuche betrachtet. Der Italiener Gino Chiellino hat
diese Phase beschrieben, in der der Migrant sich durch das Blatt Papier als
Schreibpartner, Mitteilungsbasis an den Leser, als einen Ersatz für den
70 Vgl. HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 36. 71 Vgl. SPAICH, Herbert: Fremde in Deutschland - Unbequemes Kapitel unserer Ge-schichte. Weinheim und Basel: Beltz Verlag. 1981. S. 32.
33
menschlichen Kontakt, richtete.72 Gino Chiellino erklärt in dem folgenden
Zitat die Isolation und die Notwendigkeit den Weg zum Partner in der Frem-
de zu finden:
Die erste Stufe stellt die Zeit der Isolation der einzelnen Auto-ren dar. Die Zeit der Entdeckung des Papierblattes als Ge-sprächspartner in der Isolation, als Partner gegen die Isolation. Es ist dies die Zeit der ersten zaghaften Versuche, gegen eine doppelte Isolation anzugehen. Der Schreibende fühlt sich durch die eigene Fremdheit von der deutschen Umgebung isoliert. Er muß erfahren, daß ihm nicht nur die deutsche Umgebung fremd ist, sondern daß er selbst Träger von Fremdheit ist.73
Ende der 70er Jahren wurde das Interesse an dieser neuen Literatur gestei-
gert. Die Autoren wendeten sich nun, nachdem sie jahrelang ihre Werke auf
Italienisch geschrieben haben, der deutschen Sprache als der Sprache ihrer
Werke. In dieser Zeit entstanden einige italienischen Vereine, wie ALFA
(Associazione Letteria Facolta Artistiche) im Jahr 1974 und Zeitschriften,
wie die zweisprachige Zeitschrift Incontri im Jahr 1975.74 Allmählich wurde
die deutsche Sprache die Sprache der meisten veröffentlichten Texte. Wer
nicht auf Deutsch schrieb, ließ seine Werke ins Deutsch übersetzt.75 Die
Gastarbeiter haben damals ein geringes Publikum, zumeist bestehend aus
italienischen Landsleuten, gehabt.76
Die deutsche Sprache nimmt in dieser Zeit immer mehr an Wichtigkeit zu,
dies vor allem, weil sie als Verständigungsmittel für die Minderheiten unter-
einander wird: Die deutsche Sprache wird „Ausdruck multinationaler Soli-
darität“.77 Die in Deutschland lebenden Italiener verwendeten die deutsche
Sprache untereinander und einige von ihnen haben auf ihren Besonderheiten
72 Vgl. HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 32f. 73 Vgl. CHIELLINO, Gino: Literatur und Identität in der Fremde. Zur Literatur der italie-nischen Autoren in Bundesrepublik. Augsburg: Bürgerhaus Kresslesmühle. 1985. S. 29f. 74 Vgl. HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 33f. 75 Vgl. ebd. 76 Vgl. ebd. S. 35. 77 Vgl. ebd.
34
und ihrer kulturellen Tradition beharrt.78 Die bedeutenden Autoren in den
80er Jahren waren Franco Biondi, Gino Chiellino und Guiseppe
Giambusso.79 In 80er Jahren waren die italienischen Schriftsteller wichtige
Mitglieder in „Südwind“ und „Polykunst“. Biondi und Chiellino waren die
bekanntesten aktiven Schriftsteller, die mit anderen Autoren zusammen arbei-
teten. In „Südwind“ erschienen zwei Anthologien, deren Beiträge nur von
italienischen Lyrikern geschrieben worden waren. Die erste Anthologie Wur-
zeln hier / Le radici qui, wurde im Jahr 1982 veröffentlicht. Die zweite An-
thologie trug den Titel Nach dem Gestern / Dopo ieri; sie wurde im Jahr
1983 veröffentlicht.80
Wie bereits erwähnt, kann man die Entwicklung der italienischen Migrations-
literatur chronologisch einteilen. Es gibt drei Stufen; jede Stufe bedeutet ei-
nen Fortschritt, jede dauerte etwa ein Jahrzehnt:
In den 50er Jahren geschah die Initiation der Migrationsliteratur
durch Veröffentlichung der Übersetzungen der Werke, die von
den italienischen Autoren geschrieben wurden.
In den 60er Jahren erschienen die Schreibversuche in deutscher
Sprache.
In den 70er Jahren dominierte das Deutsche als Literatursprache
der Migranten. Die Rezeption dieser Literatur stieg an.
2.2.2 Die türkischen Schriftsteller
Die Türken arbeiteten vor dem 1.Weltkrieg als Wanderarbeiter in Zigaretten-
fabriken im Deutschen Kaiserreich. Dank der Beziehungen des deutschen
Kaiserreiches zu dem Osmanischen Reich kamen damals viele türkische Ar-
78 Vgl. ebd. 79 Vgl. ebd. S. 37. 80 Vgl. REEG: Schreiben in der Fremde. S. 94.
35
beiter und bleiben in Deutschland als Arbeitskräfte. In den Jahren 1939 bis
1945 wurden 7,5 Millionen Menschen als Zwangsarbeiter, aus vielen Län-
dern, wie Polen, Sowjetunion, Frankreich u.a. in das Deutsche Reich ge-
bracht.81
Später als die Anwerbung italienischer Arbeiter begann die Anwerbung türki-
scher Arbeiter, nämlich im Jahr 1963. Folglich gab es bis dahin keine tür-
kisch-literarischen Produkte in deutscher Sprache. Bemerkenswert ist, dass
bereits 1965 die ersten türkischen Werke auf dem deutschen Buchmarkt er-
schienen. Im Vergleichen zu den arabischen Autoren scheint es wichtig zu
erwähnen, dass das erste arabische Werk in der BRD 1969 publiziert wurde:
Mustapha El-Hajaj.82
Als die Wirtschaftskriese 1973 einsetzte, lebten über 100.000 Türken in der
BRD. Zu der ersten Generation türkischer Einwanderer zählten Nevzat Üs-
tün (1924-1979), Bekir Yildiz (1933-1998) und Yüksel Pazarkaya (geb.
1940). Sie haben ihre ersten Werken in den Jahren 1965/66 in türkischer
Sprache geschrieben.83 Üstün (1924-1979) hat sein Roman Almanya,
Almanya im Jahr 1965 veröffentlicht, in dem zum ersten Mal ein türkischer
Schriftsteller die Folgen der Migration darstellt.84 Man kann dieses Werk als
das erste Werk zum Thema Migration in der türkischen Migrationsliteratur
betrachten.
Yildiz schrieb als der erste Betroffene über verschiedene Themen in seinen
Werken. Sein Roman Die Türken in Deutschland bekam keine große Reso-
nanz, wie der Roman Pazarkayas.85 Pazarkaya, der dritte Pionier, ist ein be-
81 Vgl. SPAICH: Fremde in Deutschland - Unbequemes Kapitel unserer Geschichte. S. 209. 82 EL-HAJAJ, Mustapha: Vom Affen, der ein Visum suchte und andere Gastarbeiterge-schichten. Wuppertal: Jugenddienstverlag. 1969. 83 Vgl. HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 40. 84 Vgl. ebd. S. 41. 85 Vgl. ebd.
36
deutender Schriftsteller in der Türkei. Er schrieb auf Türkisch die ersten Ge-
dichte zum Thema Arbeitsmigration. Er hat neben eigenen Werken Überset-
zungen aus dem Deutschen ins Türkische und umgekehrt veröffentlicht. Er
schreibt auf Türkisch und Deutsch. In den Jahren 1965/66 veröffentlichte er
seine ersten Gedichte zum Thema Migration in einer türkisch-sprachigen
Metaller-Zeitung in Stuttgart.86 In den 70er Jahren erschienen auch einige
türkische Autoren, die in den Sprachen Türkisch und Deutsch ihr Alltagsle-
ben literarisch verarbeitet haben. Zu den Betroffenen gehört auch Fethi
Savaşçi (1930-1989).87 Zu den bedeutendsten Autoren in der Türkei gehört
auch Fakir Baykurt (1929-1999), der seit 1980 in Deutschland lebte. Bevor
er in die BRD immigrierte, hat er in der Türkei mehr als zwanzig Werke ver-
öffentlicht. Er schrieb zuerst Türkisch, später Deutsch. Ararat Verlag hat die
Aufgabe, einige Übersetzungen von seinen Werken ins Deutsche zu über-
nehmen.88
Aras Ören (geb. 1939) genießt den größten Bekanntheitsgrad unter den tür-
kischen Autoren. Er ist der prominenteste türkische Autor, der auch in
Deutschland als der meistgelesene gilt.89 Seit 1969 lebt er in Deutschland. Im
Jahr 1970 veröffentlichte er seinen Gedichtband Disteln für Blumen, aber
dieser Band bleibt ohne Echo. Im Jahr 1973 veröffentlicht der Verlag Rot-
buch seine Werke in deutscher Übersetzung. Der literarische Durchbruch
gelang ihm mit seinem Werk Was will Niyazi in der Naunynstraße. Die Ver-
kaufszahlen lagen bei über 10.000 Exemplaren. Schließlich scheint es wichtig
zu erwähnen, dass er 1983 den Adalbert-von-Chamisso-Preis gemeinsam mit
Franco Biondi erhielt.90 Nach Bazarkaya wird Güney Dal (geb. 1944) als der
wichtigste türkische Schriftsteller betrachtet.91 Die Schriftstellerin Aysel
86 Vgl. ebd. 87 Vgl. ebd. S. 42. 88 Vgl. ebd. 89 Vgl. ebd. 90 Vgl. ebd. S. 43. 91 Vgl. ebd.
37
Özakin (geb. 1942) lebt seit 1980 in Deutschland. Sie schreibt Romane, da-
von sind einige ins Deutsche übersetzt worden.92
1980 erschienen die ersten Texte der zweiten türkischen Genration in der
Anthologie Täglich eine Reise von der Türkei nach Deutschland.93 In dieser
Zeit schreiben andere Autoren neben den Autoren der ersten Generation auf
Deutsch. Zur ersten Genration gehören Saliha Scheinhardt (geb. 1950) und
Şinasi Dikmen (geb. 1945). Sie erlernten die deutsche Sprache und veröffent-
lichten später ihre Werke auf Deutsch. Neben Pazarkaya sind sie die einzigen
Autoren der ersten Generation, die auf Deutsch schreiben.94 Dikmen wurde
unter den türkischen Autoren als der einzige bedeutende Satiriker betrachtet.
Scheinhart beschreibt in ihren Romane die Erfahrungen einer türkischen im-
migrierten Frau in der Fremde sowie in der Türkei. Sie zeichnet ein klares
Bild der türkischen Frau in ihren Romanen. Was ihre Schreibweise auszeich-
net, ist die Nähe zur Wirklichkeit.95 Laut Rösch schreibt Scheinhardt aus
einer einseitigen Perspektive und entwickelt keine interkulturelle Perspekti-
ve.96 Alev Tekinay (geb. 1951) wird auch zur aktiven türkischen Schriftstel-
lerinnen gezählt.97 Zielke-Nadkarni erwähnt, dass seit 1982 türkischen Frau-
en in der deutschen Literaturlandschaft auftauchen. Sie begonnen vereinzelt
bevor dieser Datierung in den Anthologien zu veröffentlichen.98 Die türki-
schen Autorinnen Özakin, Scheinhardt und Tekinay schreiben aus symboli-
schen, utopischen und Erfahrungsperspektiven. Diese Autorinnen verarbeiten
literarisch reale Personen in ihren Erzählungen. Manchmal sind die Geschich-
ten Erlebnisse realer Personen.99
92 Vgl. ebd. 93 Vgl. ebd. S. 44. 94 Vgl. ebd. 95 Vgl. ebd. 96 Vgl. RÖSCH: Migrationsliteratur im interkulturellen Kontext. S. 52. 97 Vgl. ebd. S. 59. 98Vgl. ZIELKE-NADKARNI, Andrea: Frauenfiguren in den Erzählungen türkischer Au-torinnen. Identität und Handlungs(spiel)räume. Frankfurt: Centaurus Verlag. 1996. S. 11. 99 Vgl. ebd. S. 7f.
38
Die Schreibmotive der türkischen Autorinnen wurden von Zielke-Nadkarni in
ihrer Studie eingeteilt: Die „empfundene Lust, ein Bedürfnis zu schreiben“
und „die Last der sozialen, politischen und rechtlichen Probleme in der
Türkei und in der Bundesrepublik“ sind die hauptsächlichen Schreibmoti-
ve.100
Die bedeutende Zeitschrift Anadil, die Texte der türkischen Autoren veröf-
fentlichte, wurde später wegen des geringen Publikumsinteresses und der
Finanzierung nach der zwölften Nummer eingestellt. Wegen den fehlenden
Wettbewerben und Auseinandersetzungen in den 80er Jahren bleiben von den
türkischen Schreibenden nur zwei bedeutende Autoren, Ören und Bazarkaya,
übrig.101 Nach den 80er Jahren, etwa nach dem Austreten aus den Vereine
„PoliKunst“ und „Südwind“, veröffentlichten die türkischen Autoren verein-
zelt. Der deutsche Schriftsteller und türkischer Herkunft Feridun Zaimoglu
wird seit den 90er Jahren der berühmte Vertreter der türkischen Autoren in
Deutschland.
Nach den oben dargestellten Informationen über die italienischen und türki-
schen Autoren, wird ein Vergleich mit den arabischen Autoren möglich. Die
Italiener kamen seit den 50er Jahren in die BRD aufgrund der Arbeitsmigra-
tion. Sie kamen und lebten in der BRD als Gastarbeiter. Unter den türkischen
Autoren gibt es aber kaum Gastarbeiter.102 Die biografischen Notizen über
die sozioökonomische Situation der türkischen und arabischen Schriftsteller
lassen feststellen, dass sie aus intellektuellen Gründen in die BRD eingewan-
dert sind. Die meiste Autoren benutzten die Chance, in der BRD ihre Ausbil-
dung fortzusetzen; viele von ihnen haben einen Doktortitel erlangt. Unter den
arabischen Autoren haben Rafik Schami, Adel Karasholi, Fawzi Boubia und
Fouad Awwad promoviert. Anis Hamadeh hat einen Magisterabschluss er-
langt. Die arabischen Autoren, die zur ersten Generation gehören, leben seit
100 Vgl. ebd. S. 12. 101 Vgl. HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 45. 102 Vgl. ebd. S. 46.
39
den 50er Jahren in der BRD, arbeiteten und studierten, gehörten aber nicht
zum Gastarbeitermilieu. Aus diesem Grund wurde in ihren Gedichten und
Prosatexten das Thema Gastarbeiter kaum behandelt.
Wie bereits erwähnt wurde, haben die italienischen und türkischen Schrift-
steller die wichtigen Schritte der Etablierung der Migrationsliteratur in
Deutschland geleistet. Von den 50er bis Ende der 80er Jahren waren sie lite-
rarisch sehr aktiv. Im folgendem wird die literarische Präsenz der arabischen
Autoren beleuchtet. Es wird gezeigt dass, trotz der geringen Zahl der arabi-
schen Pioniere, sie in der Entstehung und Entwicklung der Migrationslitera-
tur in Deutschland einen großen Teil beigetragen haben.
2.3 Die Akzeptanz arabischer Autoren und die Entwicklung der Re-
zeption arabischer Literatur
Die arabischen Schriftsteller waren insgesamt in ihren Anfängen eine kleine
Gruppe. Zu der ersten Generation dieser Autoren gehörten Rafik Schami,
Adel Karasholi, Jusuf Naoum, Suleiman Taufiq, Salim Alafenisch und Huda
Al-Hilali. Am Anfang der 80er Jahre pflegten sie enge Beziehungen zueinan-
der. Schami und Taufiq arbeiteten für eine Zeitschrift der palästinensischen
Linken. Naoum und Schami haben sich über Bekannte kennengelernt.103 Die-
se Autoren hatten nicht lediglich kollegiale Beziehungen, sondern sie waren
ebenso Mitherausgeber der „Südwind- Gastarbeiterdeutsch“ Anthologien
und der „Jahrbände des Polynationalen Literatur- und Kunstvereins“. Sulei-
man Taufiq und Khalid Al-Maaly übersetzen gemeinsam. Als Musiker beglei-
tet Fouad Awwad den Erzähler Jusuf Naoum bei seinen Autorenlesungen.104
Schami, Naoum und Taufiq trugen u.a. mit Essays, Debatten, und Veranstal-
tungen dazu bei, den Stellenwert ausländischer Literatur bei deutschen Kriti-
103 Vgl. WILD, Bettina: Rafik Schami. München: Deutscher Taschenbuch Verlag. 2006. S. 78. 104 Vgl. KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 161f.
40
kern zu erhöhen. Schami und Biondi haben gemeinsam den ersten Artikel
über Migrationsliteratur geschrieben und veröffentlicht. Leila Kater, Taufiq
Hamdoch, Osman Saad, Jabir Abdul und Sami El-Sadiq haben vereinzelt
eigene Lyrikbände bei Selbst- oder in Kleinverlagen veröffentlicht. Jedoch
bleiben ihre Namen als Dichter in der deutschen Literaturlandschaft weitest-
gehend unbekannt.105 Khalil findet, dass nur Adel Karasholi in der ehemali-
gen DDR ein Einzelfall unter den Arabern war. Er trat erst in den 70er Jah-
ren als arabischer deutschsprachiger Autor in Erscheinung und hat sich in der
anfänglichen Phase der Gastarbeiterliteratur nicht beteiligt.106
Von Beginn an haben die arabischen Autoren in Deutschland um ihre literari-
sche Präsenz gekämpft, soviel steht fest. Seit den ersten deutsch-arabischen
literarischen Bemühungen, mit Ackermann und Weinrich bis in die 80er Jah-
re, waren die arabischen Migranten bemüht ihre Rezeptionsraum auszuwei-
ten.107 Zusätzlich förderten sie die Akzeptanz von Literatur verschiedener
Minderheiten in Deutschland, da nach Schami ausländische Autoren von
deutschen Kritikern nach ungleichen Maßstäben beurteilt werden:
Oft wird unsere Literatur entweder mit Samthandschuhen oder mit eiserner Zange angefasst. Die Samthandschuhe sind mit Mitleid getränkt und lassen deshalb die Hände über die Oberflä-che dieser Literatur gleiten. Die Zange dagegen zerquetscht auch die schönsten Märchen, Novellen oder Gedichte, so dass
105 Vgl. ebd. S. 156. 106 Vgl. ebd. S. 150. 107 Hartmut Fähndrich teilt die Präsenz der arabischen Literatur in Deutschland in drei Phasen ein. Die erste Phase der öffentlichen Wahrnehmung der arabischen Literatur lag in den 60er und 70er Jahren der Bundesrepublik Deutschland. Es fanden sich damals wenige Übersetzungen von Mahmoud Darwisch und Ghassan Kanafani in den Regalen kleiner Läden, die Waren aus südlichen Ländern verkaufen. Damals erschienen zwei wichtige Buchreihen: In der BRD Erkundungen, in der DDR Erzähler der Welt. Geschichten aus Syrien, Ägypten und Algerien wurden in dieser Reihe veröffentlicht. Diese beiden Buch-reihen gelten als die ersten Bemühungen, arabische Literatur dem deutschen Publikum vorzustellen. In der zweiten Phase, in den 80er Jahren, war die arabische Literatur stärker auf dem deutschen Buchmarkt vertreten. Die Ignoranz gegenüber dem Wert dieser Litera-tur prägte diese Phase; die arabische Literatur wurde damals nicht als eine reife Literatur behandelt. In der dritten Phase kam es zur „Stabilisierung“ der Präsenz der arabischen Literatur. Vgl. FÄHNDRICH, Hartmut: ÍuÃÙr al-adab al-ÝarabÐ al-mutarÊam fÐ SÙq al-bÐlād al-mutakallima bi-l-almānÐya. In: Fikrun wa Fann. Nr. 51. S. 39-48. Besonders S. 40f.
41
nur wenig von dem Saft ihrer Inhalte zum Vorschein kommt […] unsere Literatur hat keinen Mitleidbonus nötig. Sie stellt sich der Kritik, indem sie erscheint. Mehr kann eine Literatur nicht tun. Es liegt also an den Kritikern der Mehrheit, den Stel-lenwert dieser Literatur tastend zu erfahren, ohne Samthand-schuhe und ohne Zangen.108
Taufiq schlug vor, die deutschen Kritiker müssten die Geschichte, die Her-
kunft und die Gegenwart der ausländischen Autoren kennenlernen, um die
Texte zu verstehen. Nach Taufiq sollen die Kritiker den Text entdecken und
seine Bedeutung aufzeigen, aber ihn nicht vergewaltigen. Schließlich meinte
Taufiq, dass der Inhalt eines Textes, seine Authentizität und die Betroffen-
heit, die er beim Leser auszulösen vermag, nicht allein ausschlaggebend sind.
Vielmehr ist es die Aufgabe der Kritik, seine ästhetische Besonderheit zu
zeigen.109 Das Zitat Suleiman Taufiqs erklärt die literarische Integration, die
die Migranten mithilfe ihrer Werke beabsichtigen. Sie wollen ein Teil des
kulturellen Lebens in Deutschland werden:
[…] und diese Art, wie wir Literatur schreiben, ist aus unserer Sicht eine Bereicherung der deutschen Literatur, und unser Ziel ist es, daß diese Gastarbeiterliteratur als ein Teil der deutschen Literatur anerkannt wird. Darum kämpfen wir und setzen uns ein.110
Der literarische Kampf trug seine Früchte; die arabischen Autoren begannen,
ihre Texte nach und nach zu veröffentlichen. Die Migrationserfahrung prägte
ebenfalls die in den 80er und 90er Jahren erschienenen Werke wie Eine Hand
voller Sterne und Erzähler der Nacht von Rafik Schami und Der rote Hahn,
108SCHAMI, Rafik: Eine Literatur zwischen Minderheit und Mehrheit. In: ACKERMANN, Irmgard/WEINRICH, Harald (Hrsg.): Eine nicht nur deutsche Literatur. Zur Standortbestimmung der „Ausländerliteratur“. München u.a.: Piper Verlag. 1986. S. 55-58. Besonders S. 58. 109 Vgl. TAUFIQ, Suleiman: Natürlich: Kritik. In: ACKERMANN, Irmgard/WEINRICH, Harald (Hrsg.): Eine nicht nur deutsche Literatur. Zur Standortbestimmung der „Auslän-derliteratur“. München u.a.: Piper Verlag. 1986. S. 74-78. Besonders S. 77. 110PHOTONG-WOLLMANN, Pimonmas: Literarische Integration in der Migrationslitera-tur anhand der Beispiele von Franco Biondis Werken. Dissertation. 1996. S. 57.
42
Der Scharfschütze und Kaktusfeigen von Jusuf Naoum.111 Die Grenzen zwi-
schen der „heimischen“ und „ausländischen“ Literatur verschwanden, weil
alle Autoren in derselben Sprache schreiben und sich an das deutsche Publi-
kum wenden. Schließlich wurden die arabischen Autoren zur deutschen Lite-
ratur zugehörig und als ein Teil der deutschen Literatur angesehen. Insbe-
sondere nach der Vereinigung Deutschlands spürten die arabischen Autoren
ihren Erfolg; im Ost und West begann die starke öffentliche Wahrnehmung
arabischer Autoren. Karasholi erfreute sich in Westdeutschland einer guten
Rezeption. Die drei im Westen lebenden Autoren Schami, Naoum und
Alafenisch wurden von der Kritik positiv aufgenommen. 1993 feierte Schami
eine erfolgreiche Premiere in Ostdeutschland. Einen solchen Erfolg erlebten
auch Naoum und Alafenisch 1994 in Dresden.112
Ein bedeutender Schritt in der Verbreitung und Popularisierung arabischer
Literatur waren arabische Beiträge in Anthologien, Literaturzeitschriften
oder Sammelbänden, die nicht spezifisch Migrationsliteratur behandelten.
Anfangs hatten die arabischen Autoren vorwiegend in ausländerspezifischen
Anthologien und Literaturzeitschriften veröffentlicht. In Sammelbänden und
Literaturzeitschriften, die nicht spezifisch Migrationsliteratur behandeln, er-
scheinen inzwischen arabische Texte. Hierzu wird die Veröffentlichung von
Al-Maalys Gedichten und Übersetzungen in der Zeitschrift Akzente als Bei-
spiel genannt.113 1985 wird in Akzente die irakische Lyrik seit 1945, zusam-
mengestellt von Al-Maaly und Stefan Weidner vorgestellt.
In der freien Begegnung mit dem deutschen Publikum auf Lesungen, die in
Bibliotheken, Buchhandlungen, Stadt- und Gemeindebüchereien, Kirchenor-
111Vgl. TAUFIQ, Suleiman: Impressionen einer Stadt. In: ACKERMANN, Irm-gard/WEINRICH, Harald (Hrsg.): Eine nicht nur deutsche Literatur. Zur Standortbestim-mung der „Ausländerliteratur“. München u.a.: Piper Verlag. 1986. S. 148-150. Besonders S. 150f. 112 KHALIL: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland. S. 119f. 113 Vgl. Khalid Al-Maalys Gedichte in Akzente Nr. 40. 1993. Im selben Heft veröffentlich-te Heribert Bekker einen Artikel über ihn.
43
ganisationen usw. stattfinden, bildeten die arabischen Autoren eine Brücke,
um die Völkerverständigung und die Annäherung zwischen den Kulturen zu
realisieren. Dies zeigt die zunehmende arabische Präsenz und die verbesserte
deutsche Rezeptionslage.114
In den deutschen lokalen Zeitungen, Tageszeitungen und Zeitschriften kann
man seit den 80er Jahren zahlreiche Äußerungen arabischer Autoren im Hin-
blick auf die Rezeption ihrer Werke in Deutschland finden. Dazu erscheinen
Veröffentlichungen, Gespräche und Essays einzelner arabischer Autoren in
Zeitungen wie Die Zeit, der Süddeutschen Zeitung und in der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung.115
Anders ist die arabische Präsenz in Sammelrezensionen und Publikationen.
Die arabischen Autoren sind entweder völlig übersehen worden oder werden
nur am Rande behandelt. Beispielsweise wurden 1988 Interviews mit auslän-
dischen Künstlern in dem Sammelband Die Reise hält an veröffentlicht; kein
arabischer Autor wurde in diesem Band behandelt. Ein weiteres Beispiel ist,
dass Fritz J. Raddatz in dem Artikel „In mir zwei Welten“ für Die Zeit von
1994, in dem er ausländische Autoren beschrieben hat, er die arabischen Au-
toren übersehen hat – bis auf eine zweimalige Erwähnung Schamis. Raddatz
erwähnte Schami einmal als einen der Bestsellerautoren und das andere Mal
am Ende des Artikels, als er einigen Autoren dankt: Chiellino, Ladaki,
Fakioglu, Schami u.a.116
Wie bereits erwähnt wurde, wurden die arabischen Autoren unterschiedlich
rezipiert. In der Öffentlichkeit wurden sie mit Begeisterung vom deutschen
Lesepublikum empfangen. Anders wurden sie mit Ignoranz von den Kritikern
und Fachleuten aufgenommen. Im folgendem wird kurz beleuchtet, wie sich
114 Vgl. KHALIL: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland. S. 125. 115 Vgl. ebd. 116 Vgl. ebd.
44
die literarische Präsenz der ausländischen Autoren entwickelte und wie sich
die Rezeptionslage dieser Autoren verbesserte.
2.4 Die Entwicklung der deutschen Rezeption deutschsprachiger Mig-
rationsliteratur
Dank der Analysen, Untersuchungen und Berichte von Wissenschaftlern,
Literaturtheoretikern und Journalisten steigt die Akzeptanz der Migrationsli-
teratur. Die gemeinsamen Bemühungen der Verleger und der deutschen Lite-
raturwissenschaft seit den 80er Jahren unterstützen die Rezeption der Migra-
tionsliteratur, wenngleich sich die Literatur langsamer als die „deutsche“ Li-
teratur etabliert hat.117 Der italienische Schriftsteller Gino Chiellino teilt die
Entstehung und die Entwicklung der Migrationsliteraturgeschichte in drei
Phasen ein. Die erste Phase ist die Entdeckung des Schreibens als Mittel ge-
gen die Isolation in der Bundesrepublik Deutschland; die zweite Phase be-
steht in dem Drang der Autoren, zu verfassen und zu veröffentlichen; die
dritte Phase bildet die Verbreitung der Literatur bei dem deutschen Lesepub-
likum.118
Von der wissenschaftlichen Seite wurden Einordnungsversuche unternom-
men sowie die ästhetischen Werte und Reaktionen des deutschen Lesepubli-
kums lange diskutiert. Das bedeutet nicht, dass alle deutschen Kritiker diesen
Werken mit Lob begegneten. Amir Mansour Bavar hat in seinem Werk an-
gemerkt:
Nicht unbeobachtet bleibt jedoch, dass bei manchen Arbeiten die Kommentare hin und wieder zu einer gönnerhaften Sprache tendieren und manchmal sogar „herablassend“ gelesen werden können. Mehr oder weniger explizit kommt in fast allen Annä-herungen an die deutschsprachige Migrationliteratur die Hoff-
117 Vgl. BAVAR, Amir Mansour: Aspekte der deutschsprachigen Migrationsliteratur. Ludicium Verlag. 2004. S. 16f. 118 Vgl. CHIELLINO: Literatur und Identität in der Fremde. S. 29.
45
nung zum Ausdruck, dass sich über den Umweg literaturwis-senschaftlicher Fragestellungen auch die soziologisch gestellte Frage „Wer und wie sind die Inländer?“ beantworten ließe. Dass die Antworten den literarischen Gegenstand etwas aus den Augen verlieren, lässt sich bei solchen Herangehensweisen nicht immer vermeiden.119
Die Autoren, die ihre Werke auf Deutsch schreiben, bekommen von der Öf-
fentlichkeit und den Kritikern mehr Aufmerksamkeit, wenngleich sie ihre
Werke unmittelbarer der Übersetzung veröffentlichten. Laut Hamm wurden
seit Ende der 80er Jahre die Übersetzungen aus der türkischen und italieni-
schen Sprache zu einer Ausnahme.120 Hamm schreibt über die neuen Zustän-
de und Gattungsspezifikum der immigrierten Autoren:
Die Werke Saliha Scheinhardt interessieren nur ein deutsches Publikum, die Märchen Rafik Schamis fänden im arabischen Lebensraum nur schwer einen Zuhörer. Der deutsche Litera-turmarkt hat sich dieses Genres bemächtigt.121
Die Autoren der zweiten Generation haben eine wichtige Rolle in der ge-
schichtlichen Entwicklung der Migrationsliteratur gespielt. Zu dieser Gruppe
gehörten vor allem Levent Aktoprak, Jose F.A. Oliver, C. L. Mura, Hülya
Özakan, Zahra Cirak und Zafer Senocak.122 Die arabischen Autoren der
zweiten Generation spielten ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Autoren dieser
Generation lassen sich in solche Autoren einteilten, die in ihrer arabischen
Muttersprache schreiben und direkt aus ihrer Heimat nach Deutschland ge-
kommen sind wie u.a. Amal Al-Jubouri, Kaouther Tabai; oder Autoren, die
in der deutschen Sprache schreiben, diese erst erlernen mussten oder die in
Deutschland geboren sind wie Anis Hamadeh. In der Regel bedienen sich
diese Autoren der deutschen Sprache mehr als der arabischen und sind oft-
mals mit einem Identitätskonflikt konfrontiert. Trotz ihrer nicht fest umrisse-
119 Ebd. S. 16f. 120 Vgl. HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 164. 121 Ebd. 122 Vgl. BUZ, Metin: Literatur der Arbeitsemigration in der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt am Main: Tectum Verlag. 2002. S. 7.
46
nen Identität, wie Hamm123 in Bezug auf die Kinder der zweiten Generation
betont hat, nimmt jeder dieser Autoren eine eigene Tendenz an. Das Leben
mit arabischen Eltern in einer deutschen kulturellen Umgebung hat ihnen
kulturelle und literarische Wurzel gegeben. Einige bleiben der arabischen
Erzählkunst verbunden, andere haben über ihre Heimatsituationen aus einer
individuellen Perspektive geschrieben. Eine Ausnahme stellen die Autoren
dar, die für sich eine Sprache oder mehrere entscheiden.
Die Entwicklung der arabischen Literatur in Deutschland wird in den folgen-
den Abschnitten ausführlich untersucht. Insbesondere bei Schami, Karasholi
und Taufiq. Im Folgenden wird die Förderung der ausländischen Autoren
von den deutschen Institutionen untersucht. Vor allem spielen die Literatur-
preise die wichtigste Rolle in der Verbreitung der Rezeption der Migrations-
literatur. Der Adelbert-von-Chamisso-Preis ist hier ein gutes Beispiel.
2.5 Die Rolle der Literaturpreise in der Rezeption – Adelbert-von-
Chamisso-Preis
Seit den 80er Jahren wird in Deutschland der Adelbert-von-Chamisso-Preis
von der Stuttgarter Robert-Bosch- Stiftung vergeben. Die Stiftung des Adel-
bert-von-Chamisso-Preises und der daran angeschlossene Förderpreis haben
zum Ziel Autoren, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, zu fördern. Seit
2007 ist der Preis mit fünfzehntausend Euro dotiert. Daneben werden bis zu
zwei Förderpreise vergeben, bei denen auch unveröffentlichte Texte berück-
sichtigt werden; sie sind mit jeweils siebentausend Euro dotiert. Seit 1997
verleiht die Stiftung in unregelmäßigen Abständen auch eine (nicht dotierte)
Ehrengabe zum Adelbert-von-Chamisso-Preis an Persönlichkeiten, die durch
ihr Lebenswerk in besonderer Weise im Sinne des Chamisso-Preises gewirkt
haben. Die Bekanntgabe der neuen Preisträger erfolgt jährlich auf der Frank-
123. Vgl. HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 92.
47
furter Buchmesse. Die feierliche Preisverleihung findet jeweils im Februar in
München statt.
Adelbert-von-Chamisso-Preis trägt den Namen des französisch-deutschen
Schriftsteller, Louis Charles Adelaide Chamisso de Boncourt. Der als Emig-
rant unter dem Namen Adelbert von Chamisso bekannter deutscher Dichter
geworden ist. 1781 wurde er auf einem Schloss in der Campagne geboren,
die Wirren der Französischen Revolution trieben seine Familie aus dem Land.
Erst mit fünfzehn Jahren lernte Chamisso im Berliner Exil die deutsche Spra-
che. Heinrich Heine hat Chamissos Empathie erklärt:
Sein Herz ist ja so jung und blühend; in ihm ist der Mensch nicht geschieden von dem Dichter, sein Wort ist sein Herz, und dieses Herz ist groß und schön und jung und blühend.124
Chamisso, der zwischen zwei Länder, Kulturen und Literaturen lebte, suchte
sich seine Welt. Als Vorbild aller ausländischen Emigranten, besonders der
deutschsprachigen Schriftstellerinnen und Schriftsteller, kann man ihn neh-
men um die Denkmethode der Emigranten zu erklären. Er fand in der deut-
schen Sprache was er in Napoleons Frankreich nicht entdecken könnte, reali-
sierte es in seiner neuen Heimat. Er sagte:
Ich habe mich angebaut, in meinem Lande, der ewig steten Welt der Wahrheit, der Ideen, der Dichtung. Verblasst ist vor mei-nem Blick die sogenannte Wirklichkeit mit ihren wechselnden Zufälligkeiten; Notwendigkeit, Ewigkeit und inneres Leben ist meine Wohnung.125
Dieser Preis leistete einen Beitrag zur Anerkennung der Gastarbeiterliteratur;
der Südwindgruppe in den 80er Jahren und offenbarte die ästhetischen Quali-
täten der deutschsprachigen ausländischen Schriftstellerinnen und Schriftstel-
ler in Deutschland. Der Preis gilt auch als eine Ermutigung für die ausländi-
124 Ebd. S. 10. 125 Ebd. S. 106.
48
schen deutschsprachigen Schriftstellerinnen und Schriftsteller weiterhin in
deutscher Sprache zu veröffentlichen. Das Ziel war, den Wert der Sprache
als geistigem Mittler zwischen den verschiedenen Völkern und Nationen zu
bekräftigen und Grenzen abzubauen. Diese Grundgedanken wurden bereits
1985 bei der ersten Verleihung des Chamisso-Preises an die Autoren Rafik
Schami und Aras Ören realisiert. Jeder Preisträger wird nach der Verleihung
des Preises als Chamissos Enkel bezeichnet und betrachtet.
Im Juni 1984 wurde erstmals ein literarischer Förderpreis an einen deutsch-
sprachigen Autor, der auch nur auf Deutsch veröffentlichte, verliehen. Sei-
nerzeit hat der Vortrag von Professor Harald Weinrich, Leiter des Instituts
für Deutsch als Fremdsprache an der Universität München, Aufsehen und
Aufmerksamkeit erregt. Laut Weinrich haben diese Autorinnen und Autoren
neue Ausdrucksformen und sie entdecken deren Ausdrucksreichtum und
deren sensible Differenzierung.126
Die arabischen Schriftsteller, die den Adelbert-von-Chamisso-Preis seit 1985
erhalten haben, sind nur vier, unter ihnen gibt es keine Schriftstellerinnen
(Arabische Schriftsteller wurden 1985, 1992, 1993, 1998 und 2003 nomi-
niert). Rafik Schami wurde 1985 zusammen mit Aras Ören der Förderpreis
verliehen und 1993 zusammen mit Smet Elci ein zweites Mal. Adel Karasholi
wurde 1992 mit Galsan Tschinag nominiert. Abdellatif Belfellah wurde 1998
mit Natascha Wodn nominiert. 2003 wurden Ilma Rakusa, Marica Bodroži
und Hussein Al-Mozany nominiert.
Schami wurde für sein Werk als Märchenerzähler geehrt und betont in seiner
Dankesrede, dass er als Märchenerzähler einen Platz für seine Märchen in der
deutschen Literatur zu finden sucht. Seine Erzählkunst war der Ausdruck
seines Schreibens und durch seine Werke in den 80er Jahren wurde sein Bild
126 Vgl. FRIEDRICH, Heinz: Vorwort. In: Ders. (Hrsg.): Chamissos Enkel: Zur Literatur von Ausländern in Deutschland. München: Deutsche Taschenbuch Verlag. 1986. S. 7-9. Besonders S. 8.
49
des Märchenerzählers geformt. In seinen Vorlesungen und Werken hat er
sein Dasein als deutscher Schriftsteller bekräftigt.
In den nächsten Abschnitten wird ausführlich über Schami und Karasholi
sowie die Rolle der Literaturpreise, die als eine Anerkennung in der zeitge-
nössischen deutschen Literatur bei der Vergrößerung ihrer Popularität in
Deutschland gelten können, dargestellt.
Nach der Darstellung der Rolle der Literaturpreise in den 80er Jahren als
Indikator für die Verbreitung der Aufnahme der Migrationsliteratur, wird die
akademische und wissenschaftliche Rezeption der Migrationsliteratur unter-
sucht. Die wissenschaftlichen Werke sind Beweise für die Reaktion der deut-
schen Wissenschaftlern und Fachleuten auf die Migrationsliteratur. Es wird
gezeigt, dass die arabischen Autoren und Autorinnen bis in die 90er Jahre
unbeachtet von der Literaturwissenschaft blieben.
50
3 Die wissenschaftliche Rezeption der Migrationsliteratur
Zum Thema multikulturelle Literatur finden sich in den wissenschaftlichen
Werken bzw. in den akademischen Studien in Deutschland eine Vielzahl von
Dissertationen und Magisterarbeiten über Migrationsliteratur. Seit den 80er
Jahren verbreitert sich die wissenschaftliche Forschung über die von Migran-
ten geschriebener Literatur. In diesen Untersuchungen wird jede Minder-
heitsliteratur alleine oder neben anderen Minderheitsliteraturen behandelt. In
der Regel untersuchen die Forschungen die Autoren der großen Minderhei-
ten in Deutschland: die italienische, türkische und griechische. Wegen der
Schriftstelleranzahl oder der zahlreichen vielfältigen Publikationen dieser
Minderheiten, gelten sie als bedeutende Phänomene. Das Forschungsfeld, das
die gesamte Migrationsliteratur als allgemeines Phänomen untersucht, kon-
zentriert sich häufig auf Schriftsteller-Pionieren der Minderheiten, beispiels-
weise der syrische Schriftsteller Rafik Schami, der italienische Autor Franco
Biondi oder die türkischen Schriftsteller Aras Ören und Aysel Özakin. Einige
Studien umfassen die zum Migrationsprozess gehörenden Fragen wie die
gesellschaftlichen und soziologischen Probleme, die Frage von Identität und
Integration, Ästhetik der Migrationsliteratur, die Anerkennung und die Ein-
bettung in der deutschen Literaturlandschaft. Schließlich beschränken sich
andere Studien auf bestimmte Fragen wie die Frauenliteratur einzelner Min-
derheiten, die einzelnen Minderheiten oder auf Untersuchung einzelner
Schriftsteller.
Der Blick auf den Titel erklärt, dass es wichtig ist, auf zwei Punkte hinzuwei-
sen: Zum einen gibt es keine selbständige Studie zum Thema Rezeption der
Migrationsliteratur in Deutschland als einzelner Schwerpunkt; auch wenn
einige Studien die Vielfältigkeit und Entwicklung der Migrationsliteratur im
deutschen Sprachraum und das deutsche Interesse an der Migrationsliteratur
behandeln. Der zweite Punkt ist, dass die Untersuchungen die arabische
51
Minderheitsliteratur miteinbezieht. Selten wurden Beispieltexte von einem
arabischen Autor erwähnt oder untersucht. Lediglich die Werke der bekann-
testen arabischen Autoren wie Rafik Schami, Jusuf Naoum, Adel Karasholi
und Suleiman Taufiq wurden neben den Autoren aus anderen Minderheiten
untersucht.
Im Folgenden werden die wichtigen akademischen Studien der 80er und 90er
Jahre dargestellt, um den Anteil arabischer Literatur als Forschungsobjekt in
den wissenschaftlichen Werken bzw. in den akademischen Forschungen auf-
zuzeigen. Zuerst werden die Studien in fünf Gruppen eingeteilt. Die erste
Gruppe umfasst die Studien, die die italienische Migrationsliteratur behan-
deln. Die zweite Gruppe beschränkt sich auf die türkische Minderheitenlitera-
tur. Die dritte Gruppe umfasst die griechischen Autoren. Die vierte Gruppe
umfasst die Studien der Migrationsliteratur als gesamtes Phänomen. Die fünf-
te Gruppe behandelt die Migrationsliteratur als gesamtes Phänomen.
3.1 Die italienischen Schrifsteller
Unter den vorhandenen Studien über die Autoren der italienischen Minder-
heit finden sich fünf wichtige Studien, entstanden in den 80er Jahren: Die
erste entstand im Jahre 1984 und wurde von Heimke Schierloh verfasst. Der
Titel dieser Studie war Das alles für ein Stück Brot. Migrantenliteratur als
Objektivierung des Gastarbeiterdaseins.127 Schierloh behandelt die Migrati-
onsliteratur anhand von Texten, die hauptsächlich von den italienischen Au-
torinnen und Autoren geschrieben wurden. Sie untersucht die Migrationslite-
ratur aus einer sozialen Perspektive und unterstreicht, dass der Schreibakt ein
Befreiungsakt ist.
127 SCHIERLOH, Heimke: Das alles für ein Stück Brot. Migrantenliteratur als Objektivie-rung des „Gastarbeiterdasein. Mit einer Textsammlung. Frankfurt am Main/Bern/New York: Peter Lang Verlag. 1984.
52
Die ausländischen Autoren, wie Schierloh behauptet, können mit dem
Schreiben nach einer eigenen Kultur der ausländischen Gastarbeiter suchen
und realisieren. Was die arabischen Schreibenden betrifft, untersucht
Schierloh in ihrer Studie Gedichte von zwei arabischen Autoren, Jusuf
Naoum „Als Hund“ und „Die großen Bauten“; und von Suleiman Taufiq
„Schreien“, „Die Frage“ und „wie schwer, geduldig zu sein“.
Über die italienischen in Deutschland lebenden Schriftstellerinnen und
Schriftsteller gibt es zwei wichtige Arbeiten von Ulrike Reeg128 und Gino
Chiellino129. Beide behandeln in ihren Arbeiten nur die literarische Präsenz
der italienischen Schriftstellerinnen und Schriftsteller und ihrer Veröffentli-
chungen im deutschen Sprachraum. Reeg stellt die Geschichte der Migrati-
onsliteratur der italienischen Autorinnen und Autoren dar. Dazu untersucht
sie die Entwicklungsphasen in der Migrationsliteraturgeschichte und stellt die
wichtige Rolle der ersten ausländischen Autoren in dieser Entwicklung dar.
Sie spricht ebenso über die verschiedenen Organisationsformen und Publika-
tionsformen, dann stellt sie die wichtige Rolle der Organisation „Polykunst“
in den 80er Jahren bis zu ihrer Selbstauflösung im Jahr 1987.
Der italienische Dichter und Wissenschaftler Chiellino schrieb über die Lite-
ratur italienischer Autoren in der Bundesrepublik. Er behandelt die wichtigen
Fragen der Fremde und der Identitätsentwicklung. In seiner Arbeit erläutert
er, dass die Literatur ausländischer Autoren in Deutschland eine Kommuni-
kationsform neben anderen ist. Dabei untersucht er die Kommunikations-
und Lebensformen von Ausländern und beschreibt die Literatur als literari-
sche Kommunikationsform. 1995 veröffentlichte er eine weitere Studie über
die italienische Minderheitenliteratur.130 Die Studie besteht aus drei Teilen
128 REEG, Ulrike: Schreiben in der Fremde. Literatur nationaler Minderheiten in der Bun-desrepublik Deutschland. Essen: Klartext Verlag. 1988. 1. Aufl. 129 CHIELLINO, Gino: Literatur und Identität in der Fremde. Zur Literatur italienischer Autoren in der Bundesrepublik. Augsburg: Bürgerhaus Kresslesmühle. 1985. 130 CHIELLINO, Gino: Am Ufer der Fremde. Literatur und Arbeitsmigration 1870-1991. Stuttgart: J.B. Metzler Verlag. 1995.
53
und umfasst die Teilhabe der Gastarbeiter an der deutschen Literatur zwi-
schen 1965-1975. Er stellt verschiedene Überlegungen über die alte und neue
deutsche Literatur an und behandelt den wichtigen Beitrag der italienischen
Autoren in der deutschen modernen Literatur. Dazu behandelt er die Rezep-
tion italienischer Literatur in Deutschland. Seine Werke beschränken sich auf
die italienischen Autoren, weil Chiellino selbst zur italienischen Minderheit
gehört, dabei untersucht er als Autor und Migrant die falschen Urteile und
Vorstellungen über Migrationsliteratur. Seine Werke kann man als ausrei-
chenden Studien über die italienischen Schreibenden in Deutschland betrach-
ten. Photong-Wollmann131 verfasste im Jahre 1996 eine Arbeit, die das Ge-
samtwerk Franco Biondis, die Frage nach dem Schreiben in deutscher Spra-
che und von der Integration aus literatursoziologischer Perspektive behan-
delt.
3.2 Die türkischen Schriftsteller
Drei vorhandene Studien sind über die türkischen Autorinnen und Autoren
verfasst worden. Eine von Frederking132 veröffentlichte Arbeit versucht aus-
führlich die Einbettung der Migrationsliteratur in ihren gesellschaftlichen und
soziologischen Rahmen aufzuzeigen. Im Jahre 1986 erschien von Hartmut
Heinze133 eine Studie, die die Lage und Entwicklung der Migrationsliteratur
analysiert. „Trotz der im Titel angekündigten Bestandsaufnahme gilt Heinzes
Interesse vornehmlich der Literatur von Migranten-autorinnen und-autoren
türkischer Herkunft“.134
131 PHOTONG-WOLLMANN, Pimonmas: Literarische Integration in der Migration-literatur anhand der Beispiele von Franco Biondis Werken. Dissertation. 1996. 132 FREDERKING, Monika: Schreiben gegen Vorurteile. Berlin: Express Edition Verlag. 1985. 133 HEINZE: Hartmut: Migrantenliteratur in der Bundesrepublik Deutschland. Bestands-aufnahme und Entwicklungstendenzen zu einer multikulturellen Literatursynthese. Berlin: Express Edition Verlag. 1986. 134 THORE, Petra: „Wer bist du hier in dieser Stadt, in diesem land, in dieser neuen Welt“. Die Identitätsbalance in der Fremde in ausgewählten Werken der deutschsprachi-gen Migrantenliteratur. Stockholm: Elanders Gotab. 2004. S. 25
54
Zielke-Nadkarni135 veröffentlichte eine Arbeit; ebenfalls mit Fokussierung auf
die Literatur immigrierter türkischer Autoren. Die Auswahlursachen dieser
Gruppe wurden von Heinze in seiner Magisterarbeit dargestellt. In der Einlei-
tung schreibt Heinze:
Daß diese Arbeit „türkeilastig“ geworden ist, d.h. daß Beispie-le, Belege und Vergleiche sich in erster Linie auf die Türkei und die türk stämmigen Migranten beziehen, liegt an der (sekundär-)Literaturlage, die im die türkische Migrantenkultur und -literatur betreffenden Bereich im Vergleich zu anderen Minder-heiten am günstigsten ist. Während für den italienischen Bereich noch eine gewisse Anzahl von Materialen verfügbar ist, existiert meines Wissens z.B. über portugiesische Migranten kaum etwas Greifbares. Als weitere Gründe für die überwiegende Berück-sichtigung von Migranten türkischer Herkunft und deren Kultur und Literatur könnten u.a. gelten, daß diese Gruppe rein zah-lenmäßig weitaus am größten ist, daß die kulturellen Unter-schiede hier am krassesten auftreten und daß diese Minderheit kulturell am aktivsten ist.136
Annette Wierschke schrieb im Jahr 1996 eine Arbeit über die drei türkischen
Autorinnen Özdamar, Tekinay und Özakin.137 Sie behandelt die Identitäts-
prozesse und ihre Bedeutung im Bezug der authentischen Identität. Sie zeigt
die literarische Darstellung dieser sogenannten Identität in den literarischen
Werken von den türkischen Autorinnen.
3.3 Die griechischen Schriftsteller
Die griechischen Autoren wurden in einigen Studien im Laufe der 1990 un-
tersucht. Die erste Dissertation mit diesem Schwerpunkt erschien im Jahr
135 ZIELKE-NADKARNI, Andrea: Frauenfiguren in den Erzählungen türkischer Autorin-nen. Identität und Handlungs(spiel)räume. Frankfurt: Pfaffenweiler. 1996. 136 Vgl. HEINZE: Migrantenliteratur. S. 6. 137 WIERISCHKE, Anette: Schreiben als Selbstbehauptung. Kulturkonflikt und Identität in den Werken von Aysel Özakin, Alev Tekinay und Emine Sevgi Özdamar. Mit Inter-views. Frankfurt am Main: Verlag für interkulturelle Kommunikation. 1996.
55
1992 und wurde von Michel138 vorgelegt. Er behandelt die Frage der Identi-
tät als Zentralproblem in der Migrantenliteratur und das komplementäre Ver-
hältnis als ein wichtiges Problem zwischen der Ich-Identität des Einzelnen
und der kollektiven Identität. Ebenfalls 2002 erschienen ist Aglaia Blioumis
wichtiger Beitrag über die Interkulturalität als Dynamik.139 Sie behandelt die
deutsch-griechische Migrationsliteratur seit den 70er Jahren und wählt dafür
Werke deutscher und griechischer Autoren und Autorinnen in Deutschland
und Griechenland und untersucht die literarischen Bilder des Eigenen und des
Fremden und der Umriss der Imagologie.
3.4 Die arabischen Schriftsteller
Zwar erschienen zunächst einige Artikel, Beiträge, Essays, Vor-und Nach-
worten in Anthologien mit migrationsliterarischen Texten und Interviews
über die gesamte Migrationsliteratur in Deutschland, in denen wurden selten
die ersten arabischen Pionieren behandelt oder erwähnt, dann erschienen die
wissenschaftlich-akademischen Studien über die arabischen Autoren, dabei
fällt es hier auf, dass die arabische Gruppe nach den 90er Jahren intensiver
betrachtet wird. Wegen der gesteigerten Akzeptenz von Schamis Werken
beim deutschen Lesepublikum wird die arabische Gruppe mehr in den er-
schienen Studien bzw. Kritiken behandelt.
Über die Literatur deutsch-arabischer Autoren existierten vor dieser Arbeit
bereits wichtige Studien und einige wichtige Beiträge und Essays vier arabi-
scher Wissenschaftler. Die vorhandenen Beiträge und Essays von Mustafa
Al-Slaiman und Iman Omar Khalil stellen die ersten einzelnen Untersuchun-
gen arabischer Literatur in Deutschland dar. Der erste Wissenschaftler Al-
138 MICHEL, Herbert: Odysseus im Wüsten Land. Eine Studie zur literarischen Verarbei-tung des Identitätsproblems in der griechischen Migrantenliteratur. Köln. 1992. 139BLIOUMS, Aglaia: Interkulturalität als Dynamik. Ein Beitrag zur deutsch-griechischen Migrationsliteratur seit den siebziger Jahren. Tübingen. 2001.
56
Slaiman ist ein in Jordanien beheimateter Übersetzungswissenschaftler. Er
untersucht in seiner Arbeit die Präsenz arabischer Sprache und Kultur im
Werk Karasholis. Die zweite Wissenschaftlerin ist die ägyptische Germanistin
Iman Omar Khalil.140 Die dritte Wissenschaftlerin ist Manar Omar, die ägyp-
tische Germanistikdozentin und Übersetzerin.141 Die vierte Wissenschaftlerin
ist die ägyptische Germanistin Haimaa El Wardy, die ihre Doktorarbeit über
das Märchen und das Märchenhafte in den politisch engagierten Werken
Günter Grass‘ und Rafik Schamis geschrieben hat.
Abgesehen von den Diplomarbeiten, erschienen wichtige Studien über Scha-
mi und Karasholi. Beispielsweise schrieb Friederike Händler142 im Jahre 1999
eine Magisterarbeit über Karasholi. Die ägyptische Germanistin Haimaa El
Wardy143 hat eine Studie über Rafik Schami und Günter Grass geschrieben.
Die Studie trägt den Titel Das Märchen und das Märchenhafte in den poli-
140 Zu den Beiträgen über die arabische Literatur in Deutschland: AL-SLAIMAN, Musta-fa: Literatur in Deutschland am Beispiel arabischer Autoren- Zur Übertragung und Ver-mittlung von Kulturrealien-Bezeichnungen in der Migranten-und Exilliteratur. In: AMIRSEDGHI, Nasrin/BLEICHER, Thomas (Hrsg.): Literatur der Migration. Mainz: Donata Kinzelbach Verlag. 1997. S. 74 -88. - KHALIL, Iman: Arabisch-deutsche Litera-tur. In: LÜTZELER, Paul Michael (Hrsg.): Schreiben zwischen den Kulturen. Beiträge zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag. 1996. S.149-164.- KHALIL, Iman: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutsch-land. In: FISCHER, Sabine/ MCGOWAN, Moray (Hrsg.): Denn du tanzt auf einem Seil. Positionen deutschsprachiger Migrantenliteratur. Tübingen: Stauffenburg Verlag. 1997. S. 115-131. – KHALIL, Iman: Zum Konzept der Multikulturalität im Werk Rafik Schamis. In: Monatshefte für deutschsprachige Literatur und Kultur. 86. Jg. 1994. S. 201-217. - KHALIL, Iman: Narrative Stratigies as Cultural Vehicles: On Rafik Schami´s Novel Er-zähler der Nacht. In: BLACKSHIRE-BELAY, AISCHA, Carol (Hrsg.): The German Mo-saic. Cultural and Linguistic Diversity in Society. Westport. CT (Greenwood) 1994. S. 217-224. 141 Manar Omar ist eine Dozentin an der Deutschabteilung der Universität Helwan in Kairo in Ägypten. Sie arbeitet frei als Übersetzerin und Dolmetscherin. Nach ihrer Absol-vierung an der Deutschen Schule in Kairo studierte sie anschließend Germanistik an der Kairoer Universität. In ihrer Dissertation von 2006 beschäftigte sie sich mit den deutsch-sprachigen Autoren arabisch Herkunft. Abgesehen von ihren Vorträgen hat sie eine Bibli-ografie deutscher Übersetzungen arabischsprachiger Werke von 1990 bis 2004 herausge-geben. 142 HÄNDLER, Friederike: Adel Karasholi. Leben und Werke eines deutschschreibenden Autors nichtdeutscher Muttersprache. Dresden. 1999. 143 Haimaa El Wardy wurde 1977 in Kairo geboren, studierte Germanistik an der Ain Shams Universität in Kairo, von 2004 bis 2006 war sie DAAD-Stipendiatin in Berlin und promovierte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie arbeitet als Dozentin für Germa-nistik an der Ain Shams Universität und beschäftigt sich mit interkulturellen Themen.
57
tisch engagierten Werken von Günter Grass und Rafik Schami.144 El Wardy
behandelt zwar nur Schamis Werke, aber sie betrachtet das Thema Märchen
nicht nur bei Schami, sondern in der modernen arabischen und europäischen
Literatur generell. Die Untersuchung beginnt mit der Auseinandersetzung mit
der Geschichte des Märchens als Gattung sowie mit der Geschichte der An-
wendung des Märchens als Medium zur Gesellschaftskritik und gleicherma-
ßen der Kritik an politischen Verhältnissen in den arabischen und deutschen
Kulturen. Nach der Darstellung, dass im Orient sowie im Okzident vor dem
18. Jahrhundert Sagen, Legenden, Mythen und Fabeln herrschten, wird ge-
zeigt, dass sich ein Wandel durch die verschiedenen Epochen in der Mär-
chenauffassung vollzieht. Dieser Wandel beschränkt sich, was die Gattungs-
bestimmung anbetrifft, lediglich auf den Okzident. Im Orient gab es kaum ab
dem 19. Jahrhundert eine bedeutende Auseinandersetzung mit der Märchen-
gattung. Ebenfalls wird die europäische Beschäftigung mit der Sammlung
Tausendundeiner Nacht und ihre Einflüsse gezeigt. Darüber hinaus wird
festgestellt, dass die Märchen bis zum 18.Jahrhundert lediglich der Unterhal-
tung dienten. Dagegen wurden die europäischen Märchen seit etwa dem Be-
ginn des 20. Jahrhunderts als Kinderliteratur betrachtet.
Schließlich ergibt die Untersuchung, dass die beiden Autoren, die Frage nach
der Tauglichkeit der Märchenform in einer postmodernen Zeit gestellt haben.
Grass und Schami lehnen die Begrenztheit und Oberflächlichkeit der Volks-
märchen der Brüder Grimm ab. Endlich kann man sagen, dass die innovative
Märchenphantasie bei Grass und Schami als die einzig übrig gebliebene Al-
ternative zu einer reduzierten Wirklichkeit gilt. Diese Märchenphantasie führt
die Menschheit zur Illusion.145
144 EL WARDY, Haimaa : Das Märchen und das Märchenhafte in den politisch engagier-ten Werken von Günter Grass und Rafik Schami. Frankfurt am Main / Berlin / Bern u.a.: Peter Lang Verlag. 2007. 145 Vgl. ebd. S. 284.
58
Ebenfalls 2003 erschienen ist Uta Aifans Dissertation zum Thema Araberbil-
der.146 Aifan erklärt in der Einleitung, dass in der germanistischen Forschung
kaum Studien zum Araberbild sich zu finden sind. Insbesondere zur For-
schung des Araberbildes in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur finden
sich keine Studien. „Zusätzlich offenbaren thematisch benachbarte Arbeiten
zum Orient-und Islambild zumeist eine Emotionalisierung infolge mangeln-
der Systematisierung und wissenschaftlicher Distanz.“147 So versucht Aifan,
die Lücke zu schließen und teilt ihre große Studie in sieben Kapiteln ein.
Aifan wählt bestimmte Autoren aus, die aus den arabischen Ländern nach
Deutschland kamen und einen wichtigen Beitrag zur deutschsprachigen Lite-
ratur leisteten. Der besondere Status dieser Autoren verspricht besondere
Ergebnisse literarischer Araberbilder:“Einerseits sind sie als Araber Betrof-
fene und Teil des Bildes, das sie in den Köpfen ihrer Leser zu gestalten in-
tendieren; andererseits leben und arbeiten sie nicht nur räumlich außerhalb
des arabischen Kulturkreises. Diese Distanz schafft die Auseinandersetzun-
gen für eine sensiblere, eine veränderte Wahrnehmung.“148 Wichtige Annä-
herungen wurden von Aifan geschafft, wie Annäherung an das Leserbild
deutsch-arabischer Autoren und Annäherung an die literarische Verarbeitung
von Araberbildern durch deutsch-arabische Autoren in der zweiten Hälfte des
20. Jahrhunderts. schließlich analysiert Aifan das literarische Araberbild drei-
er Autoren: Karasholi, Schami und Alafenisch. Sie betrachtet diese Autoren
als die Hauptvertreter für die ermittelten Strömungen. Was Karasholi betrifft,
wurde die Verweigerung des Exotischen zur lyrischen Synthese Karasholis
dargestellt. Dann wurde der inszenierte Exotismus Schamis untersucht. Bei
Alafenisch wurde die Entzauberung des Exotischen untersucht. In dem sieb-
ten Kapitel geht sie zusammenfassend auf die Araberbilder der besprochenen
drei Autoren im Kontext ihrer poetologischen Konzeption und literarischen
146AIFAN, Uta: Araberbilder. Zum Werk deutsch-arabischer Grenzgängerautoren der Gegenwart. Aachen: Shaker Verlag. 2003. 147 Ebd. S. 1. 148 Ebd. S. 2.
59
Methoden ein. Die wichtigen Elemente ihrer Araberbilder wurden mit den
ermittelten Elementen der Araberbilder deutschsprachiger Literatur vergli-
chen.
Amer Mansour Bavar beschäftigt sich in seiner Arbeit Aspekte der deutsch-
sprachigen Migrationsliteratur lediglich mit den beiden Autoren Rafik
Schami und Alev Tekinay. Die Werke von den ausgewählten Autoren sind
Belege für verschiedene Tendenzen innerhalb der deutschsprachigen Migra-
tionsliteratur. Trotzdem wurden sie nicht als Regel betrachtet. Er hat gezeigt,
„wie sich die Sichtweise in Bezug auf die Darstellung der Einheimischen in
einzelnen Fällen auf ganz unterschiedliche Art ausformuliert“.149
Die Untersuchung ergibt, dass Schami eine eigene Perspektive hat. Anders
hat Tekinay in ihrer übertriebenen positiven Einstellung zu den Einheimi-
schen eine einseitige Beschreibungsweise ausgesucht, die keine komplette
Charakterbildung zulässt. Sie beschreibt ideale Situationen, so wie sie sie
sehen würde und nicht wie sie wirklich sind. bleibt zu sagen, dass ihr Wunsch
ist, einem harmonischen Zusammenleben zwischen der Ausländer und der
Deutschen zu basieren. Dagegen hat Schami eine realistische Vorstellung, die
verwirklichbar wäre. „Das Zusammenleben, das er sich zwischen den In-
und AusländerInnen vorstellt, basiert auf Erfahrungen und Tatsachen.“150
Schami beschreibt verschiedene Seiten der Charakter und bekam dafür Lob
und Zustimmung sowie Kritik und Enttäuschung für seinen inländischen Cha-
rakter. Schließlich schreibt Bavar die Ergebnisse seiner Untersuchung am
Ende der Arbeit:
Beide AutorInnen haben aber eine affirmierende Sichtweise eingesetzt, die einladend ist. in ihren Werken sehen sie die ein-heimischen Figuren mit einem positiven Blick an, mit dem die Distanz abgebaut wird. Während die negative Sichtweise den
149 BAVAR: Aspekte der deutschsprachigen Migrationsliteratur. S. 121. 150 Ebd. S. 122.
60
Blick zur gegenüberliegenden Seite blockiert und dadurch nur Bruchteile einer Darstellung erlaubt, öffnet die positive Per-spektive den Blick auf die Komplexität der anderen Seite und breitet den Weg zu einer Wahrnehmung des Ganzen vor.151
3.5 Die Migrationsliteratur als gesamtes Phänomen
Die erste Studie, die die Migrationsliteratur als gesamtes Phänomen betrach-
tet, wurde von Zielke152 im 1985 verfasst. Sie zeigt darin, dass die Migrati-
onsliteratur durch die kulturelle Integration der ausländischen Arbeitnehmer
in den 70er Jahren immer mehr an Wichtigkeit gewinnt. Dazu zeigt sie die
literarischen Identitätsentwicklungen und ihre Folgen. 1993 erschien von
Zielke eine Dissertation zum Thema Migrantenliteratur im Unterricht.153 In
dem behandelt Zielke die Aufnahme der Migrationsliteratur in den Schulka-
non.
Hamm154 veröffentlichte 1988 seine Arbeit, in der er sich mit dem Leiden der
ersten Generation unter der Missachtung in der Minderheitensituation und
die Identitätsprobleme der zweiten Generation auseinandersetzte. Er unter-
sucht die Autoren, die hauptsächlich zur italienischen und türkischen Min-
derheit gehören. In seiner Studie wurden Beispieltexte von den ersten arabi-
schen Pionieren der 80er Jahren, Rafik Schami, Jusuf Naoum und Suleiman
Taufiq untersucht. Zwei Abschnitten widmet er der arabischen Erzählkunst in
Deutschland, in denen analysiert er die bekanntesten arabischen Erzähler;
nämlich der Märchenerzähler und der Kaffeehauserzähler, Schami und
151 Ebd. 152 ZIELKE-NADKARNI, Andrea: Standortbestimmung der „Gastarbeiterliteratur“ in deutscher Sprache in der bundesdeutschen Literaturszene. Pfaffenweiler: Centaurus Ver-lag. 1985. 153 ZIELKE-NADKARNI, Andrea: Migrantenliteratur im Unterricht. Der Beitrag der Migrantenliteratur zum Kulturdialog zwischen deutschen und ausländischen Schülern. Hamburg: Kovac. 1993. 154 HAMM, Horst: Fremdgegangen – freigeschrieben. Einführung in die deutschsprachige Gastarbeiterliteratur. Würzburg: Königshausen & Neumann Verlag. 1988.
61
Naoum. Er versucht aufzuzeigen, dass das gesprochene Wort bei Schami und
Naoum auf ihren Veranstaltungen seine frühere Bedeutung zurückerhält.
Rösch veröffentlichte im Jahre 1992 die Studie Migrationsliteratur im inter-
kulturellen Kontext. Eine didaktische Studie zur Literatur von Aras Ören,
Aysel Özakin, Franco Biondi und Rafik Schami.155 Rösch behandelt die
interkulturelle Erziehung und die wichtige Rolle der Migrantenliteratur in
diesem Zusammenhang. Ein ganzes Kapitel widmete sie dem syrischen
Schriftsteller Rafik Schami und seinen Werken. Schließlich erschien ein Werk
von Amodeos156, das die Ästhetik der Literatur ausländischer Autoren in der
Bundesrepublik behandelt.
Wie bereits erwähnt, beleuchteten die wissenschaftlichen und akademischen
Werke die wichtigen Fragen im Bereich der Entstehung und Entwicklung der
Migrationsliteratur. Aber die Frage von Identität, Integration und Ästhetik
der arabischen Werke sind noch nicht untersucht. Die Studien über die arabi-
schen Autoren beschränken sich lediglich auf die berühmtesten Autoren.
Im Folgenden wird gezeigt, dass die arabischen Autoren einen wichtigen
Beitrag zur Migrationsliteratur in den 80er Jahren geleistet haben. Dieser
Beitrag ist der Grund für die zunehmende deutsche Aufmerksamkeit von
arabischen Autoren in den 90er Jahren.
155 RÖSCH, Heide: Migrationliteratur im interkulturellen Kontext. Eine didaktische Studie zur Literatur von Aras Ören, Aysel Özakin, Franco Biondi und Rafik Schami. Frankfurt am Main: Verlag für Interkulturelle Kommunikation. 1992. 156 AMODEOS, Immacolata; Die Heimat heißt Babylon. Zur Literatur ausländischer Au-toren in der Bundesrepublik Deutschland. Opladen: Westdt. Verlag. 1996.
62
4 Die Rezeption arabischer Migrationslieratur
4.1 Die öffentliche Wahrnehmung arabischer Literatur
4.1.1 Die arabische Präsenz in den literarischen Vereinen in den 80er
Jahren - Südwind und Polynationaler Literatur- und Kunstve-
rein
Aus der Zusammenarbeit verschiedener ausländischer Autoren und Autor-
innen in den 80er Jahren entstanden einige wichtige kulturelle Vereine. 1980
gründeten die Syrer Rafik Schami und Suleiman Taufiq, der Italiener Franco
Biondi und der Libanese Jusuf Naoum gemeinsam mit anderen Malern,
Musikern, Literaten, Bildhauern, Kabarettisten mit Migrationshintergründen
die Vereine „Südwind Gastarbeiterdeutsch“ und „Polynationaler Literatur-
und Kunstverein“ (1981-1987). Der „Polynationale Literatur- und Kunst-
verein“ wurde nach sechs Jahren aufgelöst,157 da dieser wie Schami in einem
Interview mit Iman Khalil ausführte, unter finanziellen Schwierigkeiten litt.158
Die Gründer dieser Vereine zielten auf die „Toleranz und
Völkerverständigung auf allen Gebieten der Kultur“.159 Auch dieser Verein
widmet sich der Publikation der Kunst und Literatur von Migranten und
bezweckt, die Literatur der Betroffenen zu fördern. Die Mitglieder haben
ihre Arbeit in drei Jahrbüchern dokumentiert. Die Veranstaltungen wie
Lesungen und Ausstellungen wurden im gesamten Bundesgebiet von den
Mitgliedern organisiert. Der Verein verstärkte die Kontakte zwischen allen
Migranten. Parallel dazu wurde die Situation der Migranten dargestellt und
untersucht. Der Bekanntheitsgrad deutschsprachiger Migrantenautoren stieg
157 Vgl. VON SAALFELD, Lerke: Vorwort von Lerke von Saalfeld. Mit doppelter Zunge. In: Ders. (Hrsg.): Ich habe eine fremde Sprache gewählt. Ausländische Schriftsteller schreiben deutsch. Gerlingen: Bleicher Verlag. 1998. S. 7-28. Besonders S. 13f. 158 Vgl. KHALIL: Zum Konzept der Multikulturalität im Werk Rafik Schamis. S. 205. 159 Vgl. HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 36.
63
in Deutschland allmählich auch beim deutschen Publikum an. 1980 wurde
eine literarische Gruppe unter dem Namen „Münchner Projekt“ gegründet.
Diese Gruppe hat bis 1995 viele Veranstaltungen durchgeführt, zum Beispiel
die Verleihung des Adelbert-von-Chamisso-Preises. Diese Gruppe wurde von
dem Institut für „Deutsch als Fremdsprache“ der Universität München unter
Leitung von Harald Weinrich und Irmgard Ackermann geführt.
Schami erklärte die Gründungsursachen einer literarischen Gruppe in einem
Interview. Demnach sei es den Autoren eine geschichtliche Notwendigkeit
und ein literarisches Bedürfnis eine Zusammenarbeit mit Migranten anzustre-
ben und sich aus der Isolation zu lösen:
Es war ein Bedürfnis aller isolierten Schriftsteller, zusammen-zukommen. Wir hatten eine Anthologie-Reihe, die in ganz be-scheidenen Auflagen herausgegeben wurde. Das war kein Sprungbrett für Erfolge, das hat uns aber geholfen, noch andere kennen zu lernen; zum Schluss waren wir mehr als dreißig Au-torinnen und Autoren. Das sind die Verdienste dieser Gruppe, sie hat Mut gegeben, Bewusstsein gestärkt, wir mussten uns nicht schämen und darauf warten, bis die deutschen Autoren uns sagen, wie es uns geht.160
Die Suche nach einem Verlag war die erste Hürde. Nach langer Suche hat
Detlef Ziegert beim CON Verlag die ersten sechs Bände der Reihe „Süd-
wind-Gastarbeiterdeutsch“ veröffentlicht, bevor der Verlag sein Interesse an
der Reihe verlor. 1983 kam es zur Trennung vom CON Verlag. Durch einen
Zufall trafen Schami und Chiellino den Redakteur der Zeitschrift Linkskurve.
Unter dem neuen Namen „Südwind-Literatur“ hat die Gruppe eine neue An-
thologie herausgegeben. Nach einem Streit hat Habib Bektas die Gruppe
nach dem ersten Treffen verlassen.161 Aus Gründen, die den Verlag betrafen,
wurde Südwind aufgegeben. Die Auflösung Südwinds bedeutet kein literari-
160 SCHAMI, Rafik: Ein ehrlicher Lügner. In: VON SAALFELD (Hrsg.): Ich habe eine fremde Sprache gewählt. Ausländische Schriftsteller schreiben deutsch. Gerlingen: Blei-cher Verlag. 1998. S. 29-56. Besonders S. 33f. 161 Vgl. ebd. S. 78f.
64
sches Scheitern, sondern ein Schritt in die Einzelpublikation der Autoren.
Über die Frühtexte schreibt Taufiq:
Wenn man nach den Wurzeln unserer Texte sucht, kann man sie in unserer eigenen Entwurzelung finden. Aber schon diese Aus-sage ist umstritten. Ota Filip hasst (Wurzeln), sie riechen ihm zu stark nach blutgetränkter Erde – also gibt es für ihn auch keine (Ent-Wurzelung). Solche Widersprüche sind nicht verwirrend, sie sind produktiv, weil sie die ganze Spannbreite literarischen Schreibens offenbaren.162
Nach drei Jahren haben die Mitglieder die Bezeichnung von Südwind zur
„Südwind Literatur“ geändert.163 Dieser Verein gibt mehrere Jahre lang in
einem kleinen Bremer Verlag eine Reihe von Anthologien unter dem Titel
„Südwindgastarbeiterdeutsch“ heraus. Das Grundthema der Gastarbeiter-
literatur war die Auseinandersetzung mit der Bewertung des Wortes „Gast“,
für die in Deutschland lebenden und arbeitenden Ausländer. Die ausländi-
schen Autoren nutzten diese Literatur zur Beschreibung von Rassismus und
Diskriminierung. Im Rahmen der Rezeption galten viele der veröffentlichten
Texte nicht als reife literarische Werke. Ihre Sprache war uninteressant, wies
weder reife Formen noch einen besonderen Stil auf. Schami erklärte in dem
folgenden Zitat dieses Problem:
Manche Texte von uns waren todlangweilig, und die sind dann auch todlangweilig, ohne dass man, wenn man es feststellt, so-fort den Verdacht eines Rassismus hervorspuckt. Es gibt schlechte Texte in unseren Reihen, wir schreiben auch manch-mal dummes Zeug. Das soll man dann auch genau so benennen, nicht mit der Zange und nicht mit Samthandschuhen, sondern ganz verbindlich sagen: dieses Stück Lyrik gefällt mir nicht, dieses Pathos, diese Weinerlichkeit gefällt mir nicht. Bevor das Wort Multikulturell verbreitet hat Polykunst ihre große Rolle geschafft, indem internationale Begegnungen zusammenge-schafft und nicht nur eine Selbstverständigung und Herausfor-derung an das deutschen Publikum. „Südwind-Gastarbeiter-deutsch“ war der erste Versuch, die Literatur der Gastarbeiter
162 Ebd. S. 15ff. 163 Vgl. ebd. S. 14.
65
selbständig und kontinuierlich herauszugeben. Die Rezeption dieser Literatur war sehr gering, aber sie gab Zeugnis über die Verhältnisse, unter denen die Gastarbeiter lebten und unter de-nen ein Mensch zum Gastarbeiter gemacht wird, damit sie auf-gehoben werden können.164
Bis zur Auflösung des Vereins 1985 lag die Zahl der von der Südwind-
Gruppe herausgegebenen Reihe „Südwind-Gastarbeiterliteratur“ bei 13 Bän-
den. 1980 erschien der erste Band mit dem Titel Im neuen Land. Ein Jahr
danach, 1981, erschien in der Reihe “Südwind-Gastarbeiterdeutsch“ eine
zweite Anthologie unter dem Titel Zwischen Fabrik und Bahnhof. Im Jahre
1982 erschien der dritte Band unter dem Titel Annäherung. Ein weiterer
Band, Zwischen zwei Giganten folgte 1983. Beim Malik Verlag erschien
1983 eine Anthologie in der umbenannten Reihe „Südwind-Literatur“ unter
dem Titel Das Unsichtbare sagen!. Nach dem Rückzug von Suleiman Taufiq
hatte er eine neue Buchreihe namens Unterwegs herausgegeben.
Es stellt sich die Frage, wie Südwind der Literatur der Betroffenen diente.
Wegen der Haltung großer deutschen Verlage, die der Migrantenliteratur
keine Aufmerksamkeit schenkten, war Südwind die einzige Publikationsmög-
lichkeit für die Migrantenliteratur. So dürften die Migranten ihre Texte als
„Migrationsliteratur“ in der deutschen Kulturszene vorstellen. Nicht zu ver-
gessen ist, dass dank dieser Gruppe ein eigenes Forum für immigrierte
Schriftsteller, Dichter und Künstler entstand.
Über die Rezeption der Migrationsliteratur in den 80er Jahren durch literari-
schen Vereine und ihre veröffentlichten Bände kann man sagen, dass die Au-
toren einen guten Platz für sich in Deutschland gefunden haben. In der Regel
stärkten die Autoren ihr Selbstbewusstsein als Autoren und Künstler und
bildeten ein eigenes Selbstverständnis heraus. Durch das Schreiben und Ver-
öffentlichen erreichten die Autoren ihre Ziele und traten später separat an.
Einige der arabischen Migranten wie z.B. Schami und Naoum wurden da-
164 Ebd.
66
nach hauptberufliche Schriftsteller. Ihre literarischen Werke sind beim deut-
schen Publikum beliebt.
1983 hat Taufiq nach der Herausgabe der ersten Bücher die Gruppe „Süd-
wind“ verlassen. Nach ihm traten der italienische Literaturwissenschaftler
Gino Chiellino und der türkische Autor Habib Bektas in der Gruppe ein. Der
libanesische Schriftsteller Jusuf Naoum hat nach seinem Austrat zahlreiche
Bücher als freier Schriftsteller veröffentlicht wie Die Kaffeehausgeschichten
des Abu al Abed in zwei Auflagen, die erste 1989 und die andere 1993. Seine
weiteren Veröffentlichungen waren Der Scharfschütze und Karakus und
andere orientalische Märchen.
In der Reihe „Südwind-Gastarbeiterdeutsch“ veröffentlichte Schami Das
letzte Wort der Wanderratte und Das Schaf im Wolfspelz. Diese zwei Titel
ebneten ihm den Weg zum deutschen Publikum. In diesen beiden Büchern
schrieb er über die Probleme der Migranten wie Unterdrückung und Benach-
teiligung. Das Schaf im Wolfspelz erzählt davon, wie ein Schaf sich einen
Wolfspelz überzieht. Das Schaf wollte lieber unter den starken Wölfen blei-
ben. Als seine List entdeckt wird, wird er sofort von den Wölfen gefressen.
Diese Geschichte hat symbolische Bezüge und richtet sich gegen eine voll-
ständige Aufgabe der eigenen Identität. In den veröffentlichten Texten
Schamis in diesem Zeitraum wird das Zusammenleben verschiedener Men-
schen unterschiedlicher Herkunft und Kultur das Hauptthema der Erzählun-
gen. Schami thematisiert die Anpassung der Fremden in der neuen Gesell-
schaft. Im Sommer 1985 verließ er die Gruppe Südwind. Kurz darauf löste
sie sich auf.165
Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass die Trennung zwischen deutschen
und nicht-deutschen Autoren als die erste Schwierigkeit der Migrationslitera-
tur in den 80er Jahren nicht mehr gültig ist. Die arabische Literatur war ein
165 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 81.
67
wichtiger Bestandteil der sogenannten Gastarbeiterliteratur. Da einige Prob-
leme die Aufnahme arabischer Literatur in den 70er und 80er Jahren in
Deutschland begleiten, werden im Folgenden die Rezeptionsprobleme arabi-
scher Autoren untersucht. Vor allem stehen Exotismus, Folklore und die
arabische Märchen als Hindernis bei der richtigen Rezeption arabischer Lite-
ratur im Weg. Nach der Darstellung der Rezeptionsprobleme wird die entwi-
ckelte Rezeptionslage seit den 90 Jahren beleuchtet.
4.2 Die Problematik der Rezeption arabischer Literatur
4.2.1 Exotismus und Folklore
Um sich ein klares Bild von der deutschen Rezeption arabischer Autoren zu
machen, ist es angebracht, in diesem Abschnitt die Problematik der Rezeption
arabischer Literatur heranzuziehen. In diesem Abschnitt wird die Rolle der
Exotik und Folklore in der Rezeption arabischer Literatur in Deutschland
behandelt. Vor allem wird das Augenmerk dabei auf die Erklärung der
Begriffe Exotik und Folklore und deren Motive und Verwendung in der
Rezeption sowie auf die Kritik an dieser Rezeption durch die arabischen
Autoren gelegt.
Exotik stammt aus dem Griechischen und bezeichnet etwas Ausländisches,
z.B. Menschen, importierte Früchte und Tiere aus fernen Ländern, die fremd
erscheinen oder als besonders fremd wahrgenommen werden. 166 Außerdem
bezeichnen Exotika aus fernen Ländern stammende Kunstgegenstände. Lite-
rarisch gesehen wurde die ausländische Literatur in den 70er und 80er Jahren
in Deutschland als etwas Exotisches betrachtet. Die dominierenden Etikettie-
166 Vgl. Duden – Deutsches Universalwörterbuch (Duden-DUW): (Hrsg.) von Kathrin Kunkel-Razum, Werner Scholze-Stubenrecht, Matthias Wermke. Unter Mitwirkung von Anette Auberle, Angelika Haller-Wolf u.a. der Dudenredaktion. Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich: Dudenverlag. 2003. 5. überarb. Aufl. S. 505.
68
rungen wie u.a. Gastarbeiterliteratur, Minderheitenliteratur und Ausländerli-
teratur zeigen, dass eine Trennung zwischen der deutschen Literatur und der
sich entwickelnden Minderheitenliteratur entstand. Die Schwierigkeiten der
Ausländerliteratur, in Deutschland seit den 70er Jahren Fuß zu fassen, hän-
gen zum Teil mit der Rezeption der Ausländerliteratur als exotische oder
folkloristische Literatur zusammen. Rezeption reduziert die Werke auf ihren
(vermutlichen) exotischen oder folkloristischen Inhalt und berücksichtigt
andere Aspekte nicht.167 Diese folkloristische und exotische Interpretation
der Ausländerliteratur führte zu einer Trennung zwischen den deutschen und
nichtdeutschen Autoren.
Bei den arabischen Autoren kommt zu diesem Problem pauschaler Klassifi-
zierung eine spezifisch auf den arabischen Kulturraum bezogene Komponen-
te hinzu. Die literarischen Werke eines arabischen Autors werden oft als Dar-
stellung orientalischer Exotik, als Folklore im Stile von Tausendundeiner
Nacht rezipiert.168 Außerdem scheinen die Wundergeschichten der arabischen
Autoren in Deutschland geeignet, in eskapistischer Manier den Leser in eine
Zauberwelt zu entführen.
Der Begriff Folklore bezeichnet alle volkstümlichen Überlieferungen wie
Erzählungen, Märchen, Fabeln, Legenden, Volkslieder, Witze, Zaubersprü-
che, Sprichwörter, Rätsel, Reime, Schwänke u.a. Er enthält alle Formen der
Kultur, wie Musik, Tanz und Dichtung, die für die Leute einer bestimmten
Region typisch sind. Die Wirkung ist deutlich; die Literatur wird als pseudo
ethographische Reportage über „die Araber“ etc., auf ihre Funktion als Rei-
seberichte reduziert.
167 Die Geschichte der Präsenz der arabischen Literatur auf den Buchmärkten in Deutsch-land zeigt dass, die arabische Literatur in Deutschland als Literatur der Dritten Welt be-trachtet wird, und unter Dritte Welt alles fällt, was zu südlichen Ländern zählt. Vgl. FÄHNDRICH: ÍuÃÙr al-adab al-ÝarabÐ al-mutarÊam fÐ SÙq al-bÐlād al-mutakallima bi-l-almānÐya. S. 40. 168 Vgl. KHALIL: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland. S. 120.
69
Die arabische Folklore kann in vier Gruppen unterteilt werden: Das Brauch-
tum wie Trachten, die mündlichen Überlieferungen wie Märchen und Legen-
den, die kulturelle Folklore wie die Moral des Volkes und endlich die Zere-
monien wie Hochzeitszeremonien. Die arabische Folklore ist reich an volks-
tümlichen Überlieferungen, die in Büchern von al-ÉÁÌiÛ, al-AÒfahÁnÐ und
Ibn ËaldÙn erwähnt wurden. Das volkstümliche Märchenbuch Tausendund-
eine Nacht ist ein gutes Beispiel für die bekannten Überlieferungen, die eine
enorm große Wirkung auf die arabische und europäische Literatur hatten. In
der arabischen Folklore werden auch die Heldentaten überliefert, wie die
Geschichten über Ali Baba und die vierzig Räuber, Sindbad oder die sÐrat
Ýantar, Abu Zaid al-HilÁlÐ u.a. Berühmte Figuren der arabischen Folklore
sind bspw. AšÝab und ÉuÎÁ.
In der Rezeption anderer Literaturen spielen die Volkserzählungen und Folk-
lore eine sehr wichtige Rolle. Historisch und kulturell gesehen sind diese
fremden Elemente nicht nur interessant, sondern führen die Leser in die ara-
bische Welt. Dazu geben diese Elemente einen klaren Überblick über die
arabische Gesellschaft und die dominierenden Sitten, Moral, Traditionen u.a.
Es ist hervorzuheben, dass die arabischen Autoren zwar aus der arabischen
Kultur schöpfen, aber das bedeutet nicht, dass sie lediglich ein beduinisches
Araberbild zeichnen wie z.B. Kamele, Wüste, und Zelt. Sie bieten ebenso
Beschreibungen des modernen Lebens der Menschen in entwickelten arabi-
schen Städten wie Damaskus und Beirut. Die dargestellten Araber in den
Werken arabischer Autoren nicht immer folkloristisch sind. Das folkloristi-
sche Araberbild ist nur ein Aspekt der vielfältig dargestellten Araberbilder.
Deshalb bedienen einige Rezeptionen über die arabische Literatur in
Deutschland ein Orientbild des Arabers. Diese Literatur ist nicht so folkloris-
tisch, wie sie rezipiert wird.
Durch der Darstellung der Rezeptionsproblematik der arabischen Literatur in
Deutschland ergibt sich folgende Frage: Welche Rolle spielen Exotik und
70
Folklore in dieser Rezeption? Um diese Frage zu beantworten, kann man
erwähnen, dass Exotik und Folklore eine wichtige Rolle in dieser Rezeption
spielen. Hier darf man durchaus erwähnen, dass sie- so problematisch es ist,
auch ein Motor für diese Art der Literatur ist, der Leser für sie gewinnt. Ins-
besondere bestätigt die Dominanz des märchenhaften Erzählens bei der Re-
zeption arabischer Literatur die behauptete Erwartungshaltung des deutschen
Empfängers.
Die Rezeption arabischer Autoren in Deutschland als Vermittler von Exotik
und Folklore lässt ein Problem zwischen den arabischen Autoren und den
deutschen Kritiker entstehen. Die arabischen Autoren klagen seit den 60er
und 70er Jahren über die stereotype Klassifizierung ihrer Literatur. In der
ersten Linie kommen zwei stereotypische Klassifizierungen ihrer Literatur am
häufigsten vor: Exotik und Folklore. Dafür gibt es eine Erklärung: Das durch
die Orientalistik des 19. Jahrhunderts geprägte Verständnis orientalischer
Literatur hat zu einem hohen Maße ästhetisch wie thematisch die Erwartun-
gen in Deutschland geprägt.169 Das erklärt die Betrachtung arabischer Litera-
tur als etwas Exotisches. Zudem galt die arabische Literatur, die bereits sehr
früh im deutschen Kulturraum rezipiert wurde, als ungewöhnlich. Infolgedes-
sen dominierten Vorurteile und Vorwissen über die arabische Literatur. Die-
se Rezeptionsart wurde fast mit jedem neuen literarischen arabischen Werk
wiedererweckt. Bis heute kann man in Deutschland die Rezeptionsart - arabi-
sche Literatur als Exotismus - finden. Jedes arabische Werk wurde als ent-
täuschend empfunden, wenn es den Erwartungen – wie oben beschrieben,
Folklore und Exotik – nicht entsprach.170
Die Herkunft arabischer Autoren spielt immer eine Rolle bei der Rezeption
ihrer Werke – egal, ob es sich um ihre Stellungnahmen in Zeitungsartikeln
oder theoretischen Diskussionen handelt. Die Wissenschaftler wie Khalil be-
169 Vgl. KHALIL: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland. S. 120. 170 Vgl. ebd.
71
tonen, dass die deutschen Kritiker die uralte arabische Kultur der klassischen
Lyrik und der Erzählkunst wiedererwecken und betrachten die Literatur ara-
bischer Autoren als Fortsetzung der klassischen Lyrik und Prosa. Manche
Kritiker sehen auch in den Texten arabischer Autoren die Klischees lyrischer
Emotionalität und die Stereotypen über Araber in den prosaischen Texten. In
dieser Art wird die Phantasie der Leser angeregt und wiedererweckt.
Exotische Elemente in Themen, Motiven und Metaphern bleiben bis heute ein
Dilemma in der Rezeption arabischer Migrationsliteratur, weil das Exotische
durch das deutsche Publikum und von den deutschen Kritikern als etwas
fremdartig-arabisch-exotisches wahrgenommen wird. Andrea Wörle ist der
Meinung, dass beim Absatz arabischer Bücher in Deutschland das Exotische
generell als Kaufanreiz eine Rolle spielt. Dies wird zum Problem, wenn das
Interesse an der arabischen Welt aussschließlich zu einem Interesse an Folk-
lore wird.171 Jürgen Wertheimer betrachtet die arabischen Autoren als Ver-
mittler von Exotik und als „Blut- und Rohstofflieferanten“ der deutschen
Literatur.172
Wie haben die arabischen Autoren auf diese Rezeption reagiert und wie ha-
ben sie sich gegen die weit verbreiteten Stereotype und Klischeevorstellun-
gen gewehrt? Um diese Fragen beantworten zu können, muss man auf die
Aussagen und Reden dieser Autoren zurückgreifen. Beispielsweise klagte
1986 Suleiman Taufiq über die Rezeption arabischer Literatur als Exotismus
und Folklore:
Unsere Literatur [wurde] häufig folklorisiert, indem man uns zu interessanten, exotischen Objekten des Literaturbetriebs mach-te. Verlage, Kritiker und Kulturfunktionäre sollten jedoch mit unseren Texten normal umgehen, damit sie soweit wie möglich
171 Vgl. ebd. S. 124. 172 Vgl. WERTHEIMER, Jürgen: Das Eigene und das Fremde als Kategorien der Wahrnehmung und des Verhaltens. In: Palette. Bamberger Zeitschrift für neueste Literatur. Bd., 12. 1990. S. 110-114. Besonders S. 114.
72
aus ihrer isolierten Situation herausfinden und ihren natürlichen Platz in der bundesdeutschen Kulturlandschaft einnehmen.173
Auf der anderen Seite unterstreicht Khalil, dass, wenn man über die arabi-
schen Autoren spricht, man berücksichtigen muss, dass das Exotische ein
natürlicher Aspekt ihres kulturellen und sprachlichen Hintergrundes und ein
Teil ihrer Entwicklung und ihrer Erfahrungen ist. So scheint es normal, wenn
arabische Autoren exotische Themen, Motive und Metaphern in ihren
deutschsprachigen Werken gebrauchen.174
Beispielhaft für scheinbar exotische Themen, Motive und Metaphern in den
arabischen Texten sind die ersten Gedichte von Karasholi, Taufiq und
Naoum. In Naoums Gedicht „Selbstporträt“ beispielsweise tauchen arabische
Bilder auf. Die Bildelemente wie Orangenbäume, Olivenbäume, heiße Sonne,
Datteln, Feigenfrüchte, Thymian u.a. wurden beim Leser und Kritiker her-
vorgehoben:
Ich bin geboren in einem Land,
wo Orangenbäume und Olivenhaine
unter heißer Sonne wachsen,
wo Datteln und Feigenfrüchte
unter heißer Sonne reifen,
wo Thymian und Rosmarin blühen
Ein weiteres Beispiel findet sich ebenfalls bei Karasholi. In den ins Deutsche
übersetzten Gedichten im Band Wie Seide aus Damaskus spielt das Exoti-
sche und das Orientalische in den Bildern eine wichtige Rolle. „Das orientali-
sche Kolorit dieser frühen Gedichte steckte dann auch den Rahmen für die
Rezeption ab, die sehr positiv ausfiel“.175 Karasholi sagt hierzu:
173 Vgl. TAUFIQ: Natürlich: Kritik. S. 75. 174 Vgl. KHALIL: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland. S. 124. 175 Ebd. S. 116.
73
Man nahm mich auch als einen Exoten gern an, bereitete mir volle Veranstaltungssäle und begeisterte Leser. Nur ich wollte nicht als ein Exote gelten und als solcher wirken. Ich wollte nicht wie eine Orchidee gezüchtet werden in einer netten, zu-friedenen Stube. Krampfhaft versuchte ich, mich verständlich zu machen. Man merkte dies und hatte mich ständig mißverstan-den.176
Karasholi hat, neben seinen arabischen Kollegen, die ebenfalls exotisch ein-
geordnet werden, sich lange mit dem Dilemma der Rezeption seiner Werke
beschäftigt. Dies wird deutlich an Karasholis Anspruch, eine „Normalität“ in
der Beschäftigung mit der arabischen Literatur erreichen zu wollen. Diese
„Normalität“ ließe die arabische Literatur nicht als eine „Extravaganz“ er-
scheinen.177
Insbesondere in Schamis Roman Der ehrliche Lügner erscheinen das Exoti-
sche und das Orientbild. Schami beschreibt drei Gruppen: eine indische Zir-
kusgruppe, eine christliche und eine arabische Gruppe. Bei den Indern er-
scheinen exotische Vorstellungen wie Zauberspiele, Bauchtanz u.a. Hier
werden die gängigen Vorstellungen über den indischen Zauber und die mär-
chenhafte Welt von Tausendundeine Nacht wiedererweckt. Darüber hinaus
stellt Schami „Unehrlichkeit im Handel, Unzuverlässigkeit, Neureichtum
und Polygamie“ dar wenn er arabisch-muslimische Figuren in dem Roman
beschreibt.178 Diese negativen Stereotype sind den deutschen Lesern bekannt.
Die Hauptfiguren im Roman sind Christen, die christliche Namen tragen.
Indem Schami keine muslimische Namen und Figuren verwendet, konzen-
triert er sich darauf, die christlichen Figuren dem deutschen Publikum vorzu-
stellen. Dazu thematisiert Schami den Kontakt zwischen Muslimen und
Christen.
176 Vgl. KARASHOLI, Adel: Der verlorene Schatten: Dankrede zur Verleihung des Adelbert -von-Chamisso-Preises 1992. In: Leipziger Volkszeitung 06.05.1992. 177 Vgl. KHALIL: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland. S. 127. 178 Vgl. OMAR, Manar: Zwischen Exotik und deutsch-arabischem Alltag - Zur germano- phonen Literatur arabischstämmiger Schriftsteller. In: BOTROS, Atef: Der Nahe Osten - ein Teil Europas? Reflexionen zu Raum- und Kulturkonzeptionen im modernen Nahen Osten. Würzburg: Ergon Verlag. 2006. S. 265-287. Besonders S. 275.
74
Nach der Darstellung der Problematik der Rezeption arabischer Literatur als
etwas Exotisches muss man die Lösung für die Befreiung von dieser Rezep-
tionsart darstellen. Die zunehmend angefertigten Übersetzungen moderner
arabischer Werke und die arabische Teilnahme an der Frankfurter Buchmesse
im Jahr 2004 bedeuteten gute Lösungen dieser Problematik. Dies erklärt,
inwiefern die vorgestellte arabische Literatur staatlich zensiert und bestimmt
wurde. Das scheint wichtiger als die Meinungen einiger deutschen Kritiker.
Besonders in den 90er Jahren nach der Verleihung des Nobelpreises an
Machfuz (1988) setzte in Deutschland eine Übersetzungsflut arabischer Lite-
ratur ein. Im deutschen Sprachraum sind Hartmut Fähndrich und die 2008
verstorbene Doris Kilias die bekanntesten deutschen Übersetzer. Sie über-
setzten viele namhafte arabische Schriftsteller. Die publizierten Übersetzun-
gen verschiedener Schriftsteller wie Adonis, Mahmoud Darwisch, Hanna
Mina, Jusuf Idris, Sahar Khalifa, Tayeb Saleh, Sonallah Ibrahim u.a. verän-
derten die dominierende Rezeption arabischer Literatur grundlegend. Die
Übersetzungen zeigen, dass die arabische Gesellschaft nicht einheitlich ist,
sondern von Land zu Land und Region zu Region unterschiedlich. Die politi-
sche, religiöse, kulturelle und gesellschaftliche Vielfältigkeit und Reichhaltig-
keit sind die wesentlichen Besonderheiten, die die arabische Gesellschaft prä-
gen. Die Vielseitigkeit der arabischen Gesellschaft wird literarisch themati-
siert.
Die arabischen Länder wurden als Ehrengast im Jahr 2004 auf der Frankfur-
ter Buchmesse vorgestellt. Dabei stand die gesamte Situation der gegenwär-
tigen arabischen Kultur und Literatur im Mittelpunkt. Diese Teilnahme re-
flektierte das deutsche Interesse an dieser Kultur. Etwa 150 arabische Ver-
lagshäuser haben ihre Bücher aus der gesamten arabischen Welt auf der
Frankfurter Buchmesse vorgestellt. Einige wichtige arabische Werke wurden
speziell für diese Veranstaltung in Englisch und Deutsch übersetzt. Zu die-
75
sem Anlass wurden auch etwa 350 arabischen Autoren und Intellektuelle
eingeladen. Es wurden Lesungen, Ausstellungen und kulturelle Veranstaltun-
gen organisiert. Arabische Autoren, Darsteller, Denker, Künstler und Medi-
envertreter haben auch am Rahmenprogramm „Arabische Kulturtage“ mit-
gewirkt.
Die Ergebnisse der arabischen Teilnahme waren damals umstritten. Die Re-
sonanz der Präsenz der arabischen Literatur auf der Frankfurter Buchmesse
war damals in den deutschen Medien vernehmbar. Die Zeitungen und Zeit-
schriften berichteten ausgiebig über die Buchmesse, über die Vorbereitungen
und über die arabische Teilnahme. In der deutschen Presse wurden viele Ar-
tikel, Berichte und Interviews zum Thema arabische Literatur und über die
politische, gesellschaftliche und literarische Situation in den arabischen Län-
dern veröffentlicht.
Das deutsche Magazin Der Spiegel veröffentlichte am 6. Oktober 2004 einen
langen Bericht über arabische Autoren, die auf der Frankfurter Buchmesse
repräsentiert sind: Assia Djebar, Tahar Ben Jalloun u.a. Der Bericht spricht
über den Erfolg der Integration dieser Autoren in die europäischen Gesell-
schaften und über ihre erfolgreichen literarischen Werke. Die Zeit hat auch
damals eine 104 Seiten starke Beilage über das Programm der Buchmesse
veröffentlicht. Zu lesen waren darin Artikel von über 80 arabische Bücher
und Romane. Der Tagesspiegel berichtete über die jungen Schriftsteller und
Schriftstellerinnen wie Miral Al-Tahawi und Mustafa Zikri aus Ägypten. Der
Bericht enthält Zusammenfassungen über ihre Biographien und ihre veröf-
fentlichten Werke. Mahmud Darwisch gab in der Frankfurter Allgemeine
Zeitung eine spannende Analyse über sein Werk Wo du warst und wo du bist.
In dem Artikel bezeichnet er seine Gedichte als Stimme Palästinas.
Es ist von Bedeutung, darauf hinzuweisen, dass die arabische Teilnahme an
der Frankfurter Buchmesse und die modernen Übersetzungen arabischer Li-
76
teratur eine zunehmende Aufmerksamkeit von deutscher Seite mit arabischer
Literatur bewirkt haben. Allmählich wird die Präsenz arabischer Literatur
nicht als oberflächliches Phänomen oder etwas Exotisches oder Folkloristisch
wahrgenommen, sondern als Literatur befreit von den orientalischen Vorstel-
lungen der romantischen Zeit. Seit den 90er Jahren kann man auch eine zu-
nehmende Rezeption dieser Literatur erkennen.
Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass die Fokussierung auf Exotisches
einen ernsthaften kulturellen Austausch verhindert. Dazu beeinträchtigt auch
die Rezeption arabischer Literatur als folkloristisches Schriftgut eine adäqua-
te Rezeption arabischer Literatur als vielfältige und reichhaltige Literatur,
weil in diesem Fall nur die fremden Kulturrealien in den Werken hervorgeho-
ben werden.179 Ebenfalls kann gesagt werden, dass die in deutscher Sprache
verfasste arabische Literatur Gefahr läuft, keinen Zugang zu einem breiteren
deutschen Lesepublikum zu finden und somit ausgegrenzt zu werden. Es ist
ebenso festzustellen, dass exotistische, folkloristische und stereotype Darstel-
lungen die Komplexität der arabischen Region und die Vielfalt der arabischen
Gesellschaft reduzieren.
In den nächsten Abschnitten über Karasholi wird sein Standpunkt über Exo-
tik und Folklore dargelegt. Schami ist unter den arabischstämmigen in
Deutschland lebenden Autoren ein Sonderfall. Sein Erfolg verdankt sich zum
großen Teil seiner Rezeption als Erzähler, der mündlich bzw. schriftlich einen
bedeuten Platz für sich in Deutschland fand. In dem folgenden Kapitel wird
ausführlich über die Rolle der Erzählkunst Schamis als Grund seines Erfolges
diskutiert.
179 S. PFLITSCH, Andreas: Das Ende der Illusionen, zur arabischen Postmoderne. In: NEUWIRTH, Angelika/PFLITSCH, Andreas und WINKLER, Barbara: Arabische Litera-tur Postmodern. München: Edition text + Kritik Verlag. 2004. S. 25.
77
4.2.2 Die orientalischen Märchen
Die Märchen spielen neben Satiren und allen szenisch-dialogischen bzw.
theatralen Ausdrucksformen in der Migrationsliteratur in Deutschland eine
wichtige Rolle. Insbesondere in der arabischen Migrationsliteratur finden sich
viele Texte, die ihre Inspiration aus der arabischen Märchenkunst schöpfen.
Außerdem wurden die bekannten Schriftsteller wie Schami, Naoum,
Alafenisch und Al-Hilali als Märchen- oder Geschichtenerzähler rezipiert.
Im Hinblick auf die Vielfalt der Märchen, die von orientalischen oder westli-
chen Traditionen beeinflusst sind, wird die Rezeption dieses beliebten Genres
problematisch. Nicht selten wurde Schami als orientalischer Erzähler be-
zeichnet ohne Berücksichtigung der eigenen Charakteristika, Eigenschaften
und Ziele seiner Märchen. Solche Dilemmas lassen die arabischen Autoren,
die als Märchenerzähler bezeichnet werden, in Konflikt mit den Kritikern
geraten. Außerdem wurden die Schriftsteller, die nichts mit Märchen zu tun
haben, als Erzähler rezipiert.
Über den problematischen Zusammenhang zwischen den arabischen Autoren
und dem Genre „arabische Märchen“ im deutschen Rezeptionsfeld schreibt
Khalil:
Die literarische Produktion eines Autors oder einer Autorin aus dem arabischen Sprach- und Kulturraum wird oft voreilig als Darstellung orientalischer Exotik, als Folklore im Stile von Tausendundeiner Nacht aufgefaßt. So erscheint der Araber als Märchenerzähler, die Araberin als moderne Scheherezade. […] Den arabischen AutorInnen wird durch das Übersehen ihrer in-dividuellen Leistungen quasi bescheinigt, was Naoum 1986 in seinem Essay „Aus dem Ghetto heraus“ polemisch schrieb: „Bauchtanz und Kebab, das sollte man ihnen lassen.“180
180 Vgl. KHALIL: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland. S. 120.
78
Die Märchen von Naoum und Schami sind zwei Beispiele für zwei unter-
schiedliche Märchen. Trotzdem wurde beiden Märchenerzählern dasselbe
Etikett (traditioneller Märchenerzähler) verliehen. Dies erfordert tatsächlich
eine unterschiedliche Aufnahme, spezifische Kritik und separate Bewertung.
Die Themen der Märchen von Naoum sind meist orientalische Themen, und
das ist der Unterschied zwischen ihm und Schami, der sich mehr von den
westlichen Traditionen beeinflussen lässt als Naoum. Schami hat, anders als
Naoum einen akademischen Beruf erlernt. Was sie unterscheidet ist, dass
Naoum lediglich von den volkstümlichen Erzählern gelernt hat. Er versucht,
aus der Sicht des kleinen Mannes diese Kaffeehausgeschichten zu erzählen,
mit gesunder Naivität und philosophischem Hintergrund. Er versucht nicht,
von anderen Autoren etwas zu übernehmen und zu bearbeiteten, er konstru-
iere auch nicht. Deswegen haben seine Geschichten auch ein ganz anderes
Publikum, vielleicht würden unter Intellektuellen die Märchen von Schami
besser ankommen als Naoums Märchen. Seine Märchen orientieren sich mehr
an der volkstümlichen Tradition.181
Die Auseinandersetzung mit der Märchenkunst hinsichtlich der Rezeption
arabischer Autoren erklärt ein Dilemma in der Rezeption. Dieses Dilemma
dominierte bis etwa Ende der 90er Jahre. Suleiman Taufiq kritisiert die Fehl-
rezeption der Migrantenliteratur:
Wir sind selbst Schuld an der Misere – daran, daß unsere Lite-ratur bis heute entweder als Folklore dargestellt wird oder, um zu beweisen, wie schlecht es uns in dieser Gesellschaft geht, für die Argumentation von Sozialarbeitern missbraucht wird.182
Zwar hat Taufiq die Lösung des Problems, warum die Autoren Schuld sind,
nicht ausführlich diskutiert, aber auf der Grundlage seiner Aussage kann man
verstehen, dass die Autoren selbst ihre Ansprüche, Auseinandersetzungen 181 Vgl. Tagungsprotokolle - Evangelische Akademie Iserlohn. Hrsg. von der Evangeli-schen Akademie Iserlohn. Heft 26. 1985. S. 70f. 182 Vgl. Diskussionen. In: AMIRSEDGHI, Nasrin/BLEICHER, Thomas (Hrsg.): Literatur der Migration. Mainz: Donata Kinzelbach Verlag. 1997. S. 116-137. Besonders S. 132f.
79
und Kritik nicht in renommierten Zeitungen diskutieren. Die Autoren selbst
müssen die falschen Stereotypen und Klischees erklären und korrigieren.
In dem folgenden Kapitel wird die Rolle der arabischen Traditionen wie
Märchenkunst, Erzählkunst und das arabische Erbe ausführlich diskutiert. Es
wird gezeigt werden, welche Rolle diese bereits erwähnten Motive in der
Rezeption von Schamis Werken spielen.
4.3 Aspekte der Rezeption der in Deutschland lebenden arabischen
Autoren
Bei der Untersuchung der Studien und der Beiträge über Migrationsliteratur
ergibt sich, dass nur bei Khalil die arabischen Autoren in Gruppen eingeteilt
wurden.183 Sie untersuchte Texte arabischer Autoren, die aus der arabischen
Region stammen und als Teil der Migrationsliteratur in Deutschland angese-
hen werden. Sie versuchte, alle arabischen Autoren in Deutschland zu erfas-
sen. In ihrem Beitrag „Arabisch-deutsche Literatur“ von 1996 bietet Khalil
einen guten Überblick über die arabischen Autoren in Deutschland und teilt
die arabischen Autoren entsprechend der von ihnen präferierten Genres in
acht Gruppen ein:
1. mündliches Erzählen: Huda Al-Hilali, Jusuf Naoum, Salim Alafenisch,
Rafik Schami.
2. Lyrik: Jusuf Naoum, Suleiman Taufiq, Fouad Awad, Adel Karasholi, Kha-
lid Al-Maaly.
3. erzählende Literatur.
4. Kinderliteratur: Schami, Taufiq, Ghazi Abdel-Qadir.
183 Bezüglich der Rezeption arabischer Autoren in Deutschland hat Iman Khalil nicht nur die Probleme der deutschen Rezeption arabischer Autoren diskutiert, sondern auch die gesamte Situation der arabischen Literatur in Deutschland dargestellt. In ihrem wichtigen Beitrag „Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland“ von 1997 kritisierte sie die deutsche Nichtbeachtung arabischer Autoren.
80
5. Satire: Wadi Soudah.
6. realistische Prosa: Romane, Erzählungen oder Kurzgeschichten: Suleman
Taufiq, Huda Al-Hilali, Mohammed Mhaimah, Hassona Mosbahi, Najem
Wali.
7. Essayistik und Journalismus: Hassona Mosbahi, Najem Wali.
8. Übersetzungen und Herausgabe von Anthologien: Suleiman Taufiq, Khalid
Al- Maaly.184
Allerdings schließt Khalil Autoren wie Fatima Mohamed Ismail, Elham Abd-
El-Attif Mohamed und Iman Ragab Abdou aus, da diese Autoren kaum ver-
öffentlichten bzw. nicht als Schriftsteller betrachten werden, weil sie lediglich
„nach kurzen Studienaufenthalten in Essen drei kurze Beiträge im Rahmen
eines literarischen Preisausschreibens (1983) lieferten“.185 Die Auflistung
von Khalil zeigt, dass die arabischen Autoren verschiedene literarische Gen-
res bedienen. Die Rezeption arabischer Autoren erfordert es, die Unterschie-
de zwischen den arabischen Autoren zu zeigen; welche literarischen Angebo-
te bieten sie und inwieweit wurden sie unterschiedlich rezipiert.
Aus der Untersuchung der in Deutschland lebenden arabischen Autoren geht
hervor, dass arabische Autoren nicht adäquat rezipiert wurden. Es wird in
den folgenden Paragraphen gezeigt, wie arabische Autoren rezipiert wurden
und welche Rolle die arabische Erzählkunst, das Vorwissen und Vorver-
ständnis über die arabische Literatur in dieser Rezeption spielt. Bei der Un-
tersuchung der deutschen Rezeption arabischer Autoren ergibt sich, dass sie
kaum Anerkennung in den Medien fanden und selten von den Literaturkriti-
kern betrachtet wurden. So ist beispielsweise die Präsenz von arabischen
Autoren in Sammelrezensionen, die sich kritisch mit der Migrationsliteratur
auseinandersetzen, relativ gering und taucht nur am Rande auf. Außerdem
werden Werke arabischer Autoren, aufgrund der geringen Rezeption oft
184 Vgl. KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 151ff. 185 Vgl. AIFAN: Araberbilder. S. 93f.
81
falsch interpretiert. Dementsprechend stellt sich die Aufgabe, die Rezeption
der arabischen Autoren im Hinblick auf die vorhandenen Rezensionen und
kritischen Aussagen darzustellen. Zudem werden weitere Wirkungsbereiche
dieser Autoren beschrieben wie z.B. Übersetzung, Herausgeber-Tätigkeiten
und das Verfassen von Essays und Beiträgen.
Die Einteilung der arabischen Autoren in den folgenden Paragraphen wird
aus der Auflistung der arabischen Autoren von Khalil übernommen. Weitere
arabische Autoren werden zum ersten Mal in dieser Studie untersucht. Insbe-
sondere werden die arabischen Autoren untersucht, die in den letzten zwan-
zig Jahren neue Werke veröffentlichten. Außerdem werden die von Khalil
ausgeschlossenen arabischen Autoren nicht behandelt. Es ist wichtig darauf
hinzuweisen, dass die arabischen Autoren in dieser Studie in zwei Generatio-
nen eingeteilt werden. Die erste Generation bezieht sich auf Autoren, die in
den 40er und 50er Jahren geboren wurden; die zweite Generation bezeichnet
die seit den 60er Jahren geborenen arabischen Autoren.
4.3.1 Die erzählende Literatur
Zur ersten Generation gehören wichtige arabische Erzähler, Romanciers,
Dichter, Journalisten und Kinder- und Jugendbuchautoren. Trotz ihrer Prä-
senz als Vertreter verschiedener Genres, wurden sie vom Anfang an in
Deutschland als „Erzähler“ bezeichnet und rezipiert.186 Von den lebenden
arabischen Schriftstellern in Deutschland gibt es nur vier Erzähler, die haupt-
sächlich als Vertreter dieses Genres bekannt sind. Diese Erzähler sind: Scha-
mi, Naoum, Alafenisch und Karkutli.187 Die hier besprochenen Autoren wur-
den von den deutschen Kritikern positiv aufgenommen. Wegen ihrer zahlrei-
186 Vgl. KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 152. 187 Khalil erwähnt in ihrer Beiträge nur die Erzähler: Schami, Naoum, Al-Afenisch und Al-Hilali. Burhan Karkutli wurde -vielleicht wegen seiner Tätigkeit als Künstler- nicht neben den arabischen Erzählern erwähnt.
82
chen mündlichen und schriftlichen Erzählungen und Märchen prägte sich die
arabische Literatur seit den 80er Jahren im deutschen Bewusstsein als „erzäh-
lerische Literatur“ ein. So kann man sagen, dass die Popularität arabischer
Erzähler problematisch auf Rezeption anderer arabischen Autoren wirkt, die
mit Erzählen nichts zu tun haben. Wegen dieser Popularität werden alle ara-
bischen Autoren, als Märchen- und Geschichtenerzähler eingestuft.188
Die literarischen Werke arabischer Autoren werden oft voreilig als Darstel-
lung orientalischer Exotik, als Folklore im Stile von Tausendundeiner Nacht
aufgefasst. So erscheinen die arabischen Autoren als Märchenerzähler und
die arabischen Autorinnen als moderne Scheherazade. Nach Khalils Meinung
hat sich das orientalische Märchen in Deutschland vom Standpunkt der litera-
rischen Gattungen aus als ein „beliebtes Genre“ erwiesen.189 Sie argumen-
tiert, dass die realistischen Bücher weniger verbreitet sind als die orientali-
schen Märchen und Kaffeehausgeschichten. In dem folgenden Zitat spricht
sie über die Folgen der Hinwendung zum Erzählen der Märchen und der Kaf-
feehausgeschichten:
In dieser Hinsicht decken sich westliche Publikumserwartungen mit einem Aspekt der literarischen Produktion arabischer Auto-rInnen in Deutschland, und zwar da, wo diese auf Erzähltechni-ken aus dem volkstümlichen Bereich ihres Kulturgutes zurück-greifen. Aber die verbreitete Tendenz, sie hauptsächlich als „Märchenerzähler“ zu rezipieren, birgt in sich die Gefahr, die Arbeit dieser AutorInnen als exotische Attraktion aus Tausend-undeiner Nacht erscheinen zu lassen. In dieser Hinsicht führt das beim deutschen Publikum besonders erfolgreiche freie Er-zählen von Alafenisch, al-Hilali, Naoum und Schami ebenfalls zu Rezeptionsmissverständnissen.190
In den folgenden Abschnitten wird die Rezeption arabischer Erzähler anhand
der Werke der Erzähler Naoum und Alafenisch untersucht. Zwar bedienen
188 Vgl. ebd. 189 Vgl. KHALIL: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland. S. 123. 190 Ebd. S. 123.
83
sie die mündlich und schriftlich erzählende Literatur, aber die Untersuchung
zeigt die Unterschiede zwischen den beiden Erzählern.
Naoum (geb. 1941) ist ein libanesischer Kaffeehausgeschichtenerzähler; er
wurde in El Mina bei Tripoli im Libanon geboren. Er lebt seit 1964 in
Deutschland,191 wo er als Kellner neben seiner Ausbildung im Hotel- und
Gaststättengewerbe arbeitete. Er absolvierte ebenso eine Umschulung zum
Masseur und medizinischen Bademeister und begann zu schreiben. Seit 1983
ist er in Deutschland als orientalischer Geschichtenerzähler bekannt.192
Naoum zählt zu den arabischen, in Deutschland lebenden und schreibenden
Pionieren, die lange um die Anerkennung ihrer Literatur durch deutsche Kri-
tiker und Wissenschaftler gekämpft haben. Durch viele Veranstaltungen,
Abendlesungen und Autorenlesungen wurde er dem deutschen Publikum
bekannt. In literarischen Kreisen fand er auch Anerkennung als Erzähler.
Naoums Werk greift verschiedene Themen wie unterhaltsame, ernste, gesell-
schaftliche, geschichtliche und individuelle Geschichten auf. Neben Roma-
nen, Erzählungen und Gedichten hat er zahlreiche Hörspiele und ein Fernseh-
spiel verfasst; daneben veröffentlichte er auch einige Aufsätze und Essays.
Sein erster in deutscher Sprache verfasster Roman Der rote Hahn erschien
1974. Seine Geschichten und Märchen lehnen sich an orientalische Stoffe an.
Nicht nur die Stoffe der Geschichten sind orientalisch, sondern auch seine
Erzählstrategien und Erzähltechnik.
Der Großteil seiner Popularität in Deutschland gründet in seinem Festhalten
an mündlicher und schriftlicher Erzählkunst und in der Aktualisierung der
Charaktere seiner Geschichten Abu al-ÝAbd und Abu as-SÙs. Er gilt als orien-
191 Vgl. AL-MAALY/NAJJAR: Lexikon Arabischer Autoren des 19. Und 20. Jahrhun-derts. Heidelberg: Palmyra Verlag. 2004. S. 202. 192 Vgl. ebd.
84
talischer Märchen- und Kaffeehausgeschichtenerzähler.193 Er erzählt öffent-
lich auf Kleinkunstbühnen, im Theater, in Stadtbüchereien, Buchhandlungen,
Kulturcafés etc., unterbricht seine Geschichte, um ein Schluck Tee oder
Wasser zu trinken, wonach er den berühmten Satz der arabischen Kaffee-
hauserzähler spricht: „Wo bin ich stehengeblieben?“.194 Während des Erzäh-
lens „arbeitet“ der Zuhörer mit Naoum. Diese Arbeit ist ein wichtiger Teil
seiner Erzählstrategie. Der Zuhörer hat die Möglichkeit, den Erzähler zu
unterbrechen und zu korrigieren oder die Geschichte zu ergänzen. Was ihn
besonders von den anderen arabischen Erzählern unterscheidet ist, dass er
seine Geschichten immer in Form des Ich-Erzählers darbiet und dabei von
Instrumenten wie Klavier, Sopransaxophon und Percussion begleitet wird.
Außerdem veröffentlichte er zwei Bände in Erzählprosa: Die Kaffeehausge-
schichten des Abu al Abed und Nacht der Phantasie. Abu al-ÝAbd ist die
berühmteste libanesische fiktive Figur, über die zahlreiche Anekdoten im
Libanon erzählt werden. Naoum präsentiert seinem deutschen Publikum noch
zahlreiche humorvolle Geschichten wie den 1995 erschienenen Band Kara-
kus und andere orientalische Märchen. KarÁkÙz195 ist ähnlich wie Abu al-
ÝAbd ein schlauer Charakter, entstammt jedoch der türkischen Volksdich-
tung. In den arabischen Ländern ist dieser Charakter sehr bekannt und be-
liebt. Die absichtliche Wahl dieser beiden Charaktere durch Naoum ist ein
wichtiger Schritt, um die berühmten erzählerischen Figuren dem deutschen
Publikum vorzustellen.
Seit den 80er Jahren entfernt sich Naoum thematisch in seinen realen Roma-
nen von dem Minderheitenthema in Deutschland. Aber sein Roman Kaktus-
193 Vgl. KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 153. 194 Vgl. ebd. 195 Karagöz (türk. Schwarzauge): lustige Person des islamischen Puppenspiels, ursprüng-lich Hauptfigur des türkischen Schattenspiels: junger, volkstümlich-derber, schlagfertig-witziger, auf animalische Bedürfnisse fixierter Typus. Sein Partner ist meist der ältliche, wichtigtuerische, halbgebildete Spießer Hadschiwat, dessen Worte Karagöz stets missver-steht oder ins Unflätig-Komische verdreht. Vgl. Metzler Lexikon Literatur. S. 34.
85
feigen widmet sich offensichtlich einem Thema der Migrantenliteratur. In den
gesellschaftskritischen Erzählungen liegt der Handlungsort im Libanon. Bei-
spielsweise berichtet sein Roman Nacht der Phantasie von 1994 über die
Periode zwischen den 60er und den 70er Jahren in Libanon. Das Thema ist
die durch den Bürgerkrieg zerstörte Kultur in seiner Heimat. Dieser Krieg
zerstörte alles in Libanon, vor allem die Menschen. Naoum beschreibt die
Rolle der US-Amerikanern und amerikanischen Medien bei der Zerstörung
der libanesischen Kultur und beschreibt, dass der libanesische Ex-Präsident
KamÐl ŠamÝÙn verantwortlich ist für den Bürgerkrieg. Weiter beschreibt
Naoum, dass nach der Zerstörung der Kultur der Beruf Kaffeehauserzähler
gefährdet wird, aus dem libanesischen Alltag zu verschwinden. Omar be-
schreibt Naoums Technik in der Erzählung und die Rolle des Erzählens in
diesem Roman:
In allen Kapiteln von Naoums Text sind die Erzählsituationen so aufgebaut, dass die zuhörenden Figuren ständig kommentie-ren, korrigieren und nicht selten den Haupterzähler Abu al Abed unterbrechen, um selbst zur vorgetragenen Geschichte ei-ne damit verbundene Anekdote oder weitere Geschichte hinzu-zufügen. Die Kürze oder Länge dieser Unterbrechungen, die den Erzählgang sprengen, wird von Abu al Abed gesteuert, in-dem er sie entweder zulässt oder ablehnt. Das Erzählen hat im Text eine gesellschaftliche Funktion: Nachrichten und histori-sche Ereignisse werden gemeinsam dokumentiert und beur-teilt.196
Wichtig ist es hier festzustellen, dass er in seinen Texten die religiöse und
kulturelle Vielfalt der libanesischen Gesellschaft darstellt. Er bietet keine fes-
ten christlichen oder muslimischen Typen dar, sondern verarbeitet die realen
Ereignisse in seinen Texten literarisch. Diese Darstellung enthüllt die wichti-
gen Ereignisse der modernen Geschichte des Libanons, in der der Volkskrieg
die Kultur und die Menschen verändert hat.
196 OMAR: Zwischen Exotik und deutsch-arabischem Alltag. S. 271.
86
Was die Darstellung weiblicher Figuren betrifft, wählt Naoum häufig Frauen
als Protagonistinnen bzw. als Mittelpunkt seiner Erzählungen und stellt sie
differenzierter als die bekannten typischen Frauencharaktere dar. Die schwa-
che analphabetische Frau als Figur spielt bei Naoum keine Rolle, sondern ist
in der Regel die Frauenfiguren in seinen Texten starke und freie Figuren im
Gegensatz zu den Frauenfiguren bei Schami und Alafenisch, aber sie schei-
tern öfter im Kampf gegen die Gesellschaft bzw. die Traditionen. Er be-
schreibt ihre Schicksale und lässt ihr Handeln abstoßend erscheinen, so bleibt
ihr Handeln inakzeptabel für die Leser. Die weiblichen Figuren bei ihm sind
Witwen, Lehrerinnen, Geliebte, Schriftstellerinnen u. a.; sie sind stark, selb-
ständig und werden von der Gesellschaft respektiert.
1996 schrieb er in seinem Roman Nura über den Bürgerkrieg in Libanon und
über die Situation der Frauen in dieser Gesellschaft und die Verhältnisse der
Frauen aus verschiedenen Religionen. Im Mittelpunkt dieses Romans stehen
zwei Frauen, eine muslimische und eine christliche Frau. Naoum behandelt
verschiedene Themen wie Frauen, Religion und Emotionen. Nura, die Prota-
gonisten, ist eine junge Libanesin und kommt nach Deutschland. Sie wächst
im Laufe der Erzählung an ihrem Konflikt mit gesellschaftlich dominierenden
Traditionen, aber sie scheitert im Kampf gegen die Gesellschaft und Traditi-
onen und stirbt schließlich.
Weitere weibliche Figuren erscheinen in seinem Roman Nacht der Phantasie.
Hier stellt Naoum gebildete Frauen, eine Heiratsvermittlerin ÍÁlÙn, Schrift-
stellerin ÍabÐba, Lehrerin Mademoiselle Marie Antoinette und eine Ge-
schäftsfrau Ïdma vor. Ïdma, die erfolgreiche Geschäftsfrau mit starker Per-
sönlichkeit, ist eine Witwe mit zwei Söhnen. Die Frauen beneiden Ïdma und
betrachten sie als eine Außenseiterin. Ïdma wird von den Männern in der
Erzählung nicht nur bewundert, sondern geachtet.
87
Der zweite Erzähler ist Salim Alafenisch (geb. 1948). Er ist ein Deutsch
schreibender palästinensischer Schriftsteller, wurde als beduinischer Erzähler
in Deutschland rezipiert. Alafenisch wurde als Sohn eines Beduinenscheichs
aus der Negev-Wüste geboren. Mit vierzehn Jahren lernte er Lesen und
Schreiben, ab 1987 begann er seine Kindheit literarisch in seinen Erzählungen
zu dokumentieren und zu verarbeiten. Seit 1973 lebt er in Heidelberg.197
Seine literarische Laufbahn begann erst in Deutschland. Als Gastarbeiter hat-
te er keine Rolle gespielt, weil er später seine Geschichten auf Deutsch veröf-
fentlichte; in dieser Zeit endete allmählich die Phase der sogenannten Gastar-
beiterliteratur. Er merkt 1996 in einem Interview an, dass die Gastarbeiterli-
teratur seine Aufmerksamkeit weckte, und er so begann zu schreiben.
Alafenischs in deutscher Sprache geschriebene Geschichten richten sich glei-
chermaßen an Erwachsene, Jugendliche und Kinder.198 In Anlehnung an die
orientalische Erzähltradition trägt er seine Geschichten frei in Lesungen vor,
im Jahr sind es etwa hundert Veranstaltungen.199 Hauptsächlich erzählt und
berichtet er über die Lebensweise, Sitten und Mythen der Nomadenstämme
in der arabischen Wüste. Die Hauptmotive, die ihn zum Erzählen bzw. zum
Schreiben leiten, sind: seine Verbundenheit mit der beduinischen Erzählkunst,
seine Beschäftigung mit den Debatten über Islam, die Araber und über den
Orient in Deutschland und seine Suche nach einer Lebensarbeit.200
197 ALAFENISCH studierte Ethnologie, Soziologie und Psychologie in Heidelberg; er ist Kulturbotschafter der Deutschen Welthungerhilfe. Vgl. AL-MAALY/NAJJAR: Lexikon Arabischer Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts. S. 28. 198 Die Veröffentlichungen sind: Das versteinerte Zelt (1993), Die acht Frauen des Groß-vaters (1989) und Die Nacht der Wünsche (1996). Für Kinder und Jugendliche schreibt er: Feuerprobe (2003), Der Weihrauchhändler (1988), Amira im Brautzelt (1998), Amira - Prinzessin der Wüste (1994), Azizas Lieblingshuhn (1997) und Das Kamel mit dem Na-senring (1990). Vgl. AL-MAALY/NAJJAR: Lexikon Arabischer Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts. S. 28. 199 Vgl. KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 152. 200 Vgl. AIFAN: Araberbilder. S. 333ff.
88
Bevor er als Autor zu publizieren begann, veröffentlichte er Vorträge über
die Geschichte der arabischen Kultur, über den Islam, die arabische Kultur in
Europa und die Rolle der arabischen Kultur in der Weiterentwicklung euro-
päischen Kulturgutes an Volkshochschulen und in akademischen Kreisen in
Berlin, Essen und Bielefeld.201
Alafenisch orientiert sich an Schamis Werken, so ähnelt sein einziges politi-
sches Werk Das Kamel mit dem Nasenring sehr Schamis Roman Der ehrli-
che Lügner. Aber was ihn besonders auszeichnet, ist seine von der Wüsten-
atmosphäre geprägte Sprechweise und der rezitative Ton. In seinen Ge-
schichten, die mündlich vorgetragen oder niedergeschrieben sind, ist sein
Erzählrhythmus
ruhig, der Erzählfluß ist geradlinig, die Sprache [ist] schlicht, die Parataxe überwiegt. Wortkarg, direkt, ohne Schnörkel und Ornament, ist der Stil hier ganz anders als Schamis labyrinthi-sche, komplexe Verschachtelung von Episoden, Naoums Kaf-feehaus-Erzählstrategie und reiche Metaphorik oder Al-Hilalis abwechslungsreiche und temperamentvolle Sprechweise.202
Der Blick auf seine Werke weist auf beduinische Einflüsse nicht nur in seinen
Geschichten und Erzählungen, sondern auch in der Auswahl der Protagonis-
ten hin. Die beduinischen Elemente prägten seine Bücher wie Das Kamel mit
dem Nasenring, Das versteinerte Zelt und das Kinderbuch Amira, Prinzessin
der Wüste. Zusätzlich sind die persönlichen Erfahrungen die Basis, auf der
Alafenisch seine Erzählungen entstehen lässt. So beschäftigt er sich mit Bil-
dern der beduinischen und arabischen Kultur, die geprägt sind von den Le-
bensumständen als Nomaden in der Wüste. Sein Werk kreist um die Negev-
Beduinen und ihren Lebensraum.
201 Vgl. ebd. S. 334. 202 KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 155.
89
In Das Kamel mit dem Nasenring stellt Alafenisch den sozialen Wandel dar.
Die Beduinen gingen über vom Nomadentum zur Sesshaftigkeit und werden
nicht mehr Beduinen, sondern Bauern und leben in Häusern statt Zelten. Das
Werk schildert mit Humor, Ironie und Satire den Lebenswandel der palästini-
schen Beduinen im Negev und umfasst einige Phasen in der Beduinenge-
schichte, nämlich die Zeit der osmanischen Herrschaft, der britischen Besat-
zung und der Staatsgründung Israels. Husain, der Erzähler des beduinischen
Stammes, erzählt die Geschichte der Vorfahren und wurde kaum von den
Zuhörern unterbrochen. Andere Figuren übernahmen selten das Erzählen von
Episoden, weil Husain als allwissende und nahezu alleinige Erzählinstanz
geschildert wird.203 Bei Alafenisch kann der Leser eine literarische Entwick-
lung finden. Zwar verwendet er die dominante Erzähltechnik der arabischen
Volksmärchen, aber das bedeutet nicht, dass er identische unentwickelte Er-
zähltechnik verwendet. Wie in den klassischen arabischen Märchen enthält
Alafenischs Werk ein gutes Ende. Anders als die in den arabischen Märchen
dominierenden Figuren sind die Protagonisten in Alafenischs Werk zwei ein-
fachen Beduinen.204
Alafenisch stellt in seinen Erzählungen die beduinische Lebensweise dar, be-
schreibt den Männerkreis im Zelt, wo keine Frau sich dazu setzen darf. Diese
realen Beschreibungen vermittelt dem Leser die Elemente des Beduinenle-
bens wie u. a. die Wüste, Oasen, Palmen, Gastfreundschaft und die Beschrei-
bung von Themen wie Polygamie, Despotie, Patriarchat u.a. Aifan sieht sich
selbst als der erfolgreichste Autor in Bezug auf das Araberbild.205
Die Untersuchung der literarischen Produktionen und erzählerischen Ange-
boten bei Naoum und Alafenisch hat ergeben, dass Naoums Werk verschie-
dene Themen aufgreift. In seinen Werken können die Leser zwei unterschied-
liche Themen finden: einerseits die Darstellung ernster realistischer Geschich-
203 Vgl. OMAR: Zwischen Exotik und deutsch-arabischem Alltag. S. 276f. 204 Vgl. ebd. S. 277. 205 Vgl. AIFAN: Araberbilder. S. 396.
90
ten und andererseits die erzählerischen Unterhaltungsgeschichten. In den
erzählerischen Texten kehrt er zur arabischen Erzählkunst zurück und ver-
wendet bekannte Figuren. Hier bedient er die unterhaltsame Literatur und
verwendet die bekannte Form des Erzählens mit einigen Zusätzen wie die ihn
begleitende Musik. Anders verarbeitet er die realen Ereignisse in seinen ge-
sellschaftlichen Romanen und präsentiert in diesen Romanen starke weibliche
Figuren. Er verweigert sich in seinen realistischen Erzählungen, Gedichte und
Romanen dem Exotischen und dem Klischee des heiteren Orients darzustel-
len. In den beiden realen Romanen und unterhaltenden Erzählungen kehrt
Naoum zum arabischen Sprach- und Kulturraum zurück, insbesondere in den
Libanon.
Bei Alafenisch hingegen, der über die Lebensweise, Sitten und Mythen der
Nomadenstämme in der arabischen Wüste erzählt, beschränken sich seine
Erzählungen lediglich auf das beduinische Leben in der Wüste, weil er dort
lebte: Er präsentiert beduinische Figuren und stellt dar, wie die Beduinen in
der Wüste leben. Was ihn auszeichnet ist, dass er reale und fantastische Ele-
mente aus der beduinischen Gesellschaft zusammen mischt. Er widerlegt
nicht die exotischen Vorstellungen über Beduinen, sondern arbeitet mit exo-
tischen Elementen ohne die exotischen Vorstellungen neu zu inszenieren. Er
versucht, die Darstellung der einzelnen Persönlichkeiten dem deutschen Le-
ser näher zu bringen und versucht, das Exotische durch alltägliche Begeben-
heiten zu entzaubern. Weil er als Beduine in einer Stammesgesellschaft mit
vornehmlich oraler Tradition und Kultur lebte, so beschäftigt er sich mit be-
duinischen Elementen in seinen Geschichten und wurde bis heute als beduini-
scher Erzähler rezipiert.
91
4.3.2 Die realistische Prosa
Die arabische realistische Prosa enthält Romane, Erzählungen und Kurzge-
schichten. Taufiq, Al-Hilali, Mosbahi, Wali, Al-Mozany, Mhaimah, Belfellah,
Boubia, Skif und Al-Dahoodi206 schreiben realistische Texte. Die ersten fünf-
ten Autoren sind aber bekannter und auch heute aktiv. Die anderen Autoren
haben mehrere Werke veröffentlicht, aber ihre Werke sind von den deutschen
Kritikern unbeachtet. Anfang der 90er Jahre erschienen neue arabische
Schriftsteller in der Literaturszene in Deutschland, die sich als deutsche
Schriftsteller verstehen, wie zum Beispiel Anis Hamadeh, Abdellatif Youssafi
und Scherko Fatah.207 Einige haben deutsche Mütter wie Hamadeh und Fa-
tah. Diese Autoren, die entweder in den 60er Jahren in Deutschland gebore-
nen wurden oder aus arabischen Ländern als junge Migranten eingereist wa-
ren, ließen die arabische Gruppe größer werden.
Wichtige Autoren wie Raid Sabbah, Anis Hamadeh und Scherko Fatah
schreiben zwar auf Deutsch, aber ihre Themen sind über den Orient und ihre
arabische Heimat. Ein Islambild wird in ihren Werken nicht dargestellt; sie
schreiben nicht über die radikalen Muslime, sondern über die einfachen Men-
schen in ihren arabischen Regionen. In der Regel richten sie sich besonders
an den deutschen Leser, weil ihre Muttersprache Deutsch ist. Omar stellt
fest, dass es Fatah, Sabbah und Hamadeh gelingt, „den deutschen Leser da-
für zu sensibilisieren, dass der Nahe Osten weder der idyllische Orient von
Tausendundeiner Nacht noch der Ort des religiösen Fanatismus allein ist,
206Abdellatif Belfellah (geb. 1954) ist ein deutscher Schriftsteller marokkanischer Ab-stammung. Fawzi Boubia (geb. 1948) ist ein marokkanischer Schriftsteller. Hamid Skif (geb. 1951) ist ein französisch schreibender algerischer Journalist, Romancier, Erzähler und Lyriker. Zuhdi Al-Dahoodi (geb. 1940) ist kurdischer Romancier, Erzähler, Litera-turwissenschaftler. 207Anis Hamadeh (geb. 1966) ist ein deutschsprachiger Schriftsteller und Songwriter pa-lästinensischer Abstammung. Abdellatif Youssafi (geb. 1960) ist marokkanischer Schrift-steller. Sherko Fatah (geb. 1964) in Ost-Berlin, siedelte 1975 nach West-Berlin über, lebt in Irak und Deutschland, ist Sohn einer deutschen Mutter und eines Kurden aus dem ira-kischen Kurdistan.
92
sondern eine Region, die von Konflikten hochkomplexer Natur geprägt ist,
denen der einzelne Mensch meist hilflos ausgeliefert ist.“208
Tuschick209 beschreibt die Schriftsteller der zweiten Generation in seiner An-
thologie Morgenland. Neueste deutsche Literatur und findet, dass manche
Schriftsteller Irritationen aus Fremdungserlebnissen in den Ursprungsgesell-
schaften beschreiben.210
Unter den arabischen Romanciers empfing der tunesische deutschsprachige
Schriftsteller, Übersetzer, freie Journalist und Literaturkritiker Mosbahi (geb.
1950) positive Aufnahme in Deutschland. Sein Leben im tunesischen Dorf
wird in vielen seiner Erzählungen widergespiegelt. Hauptsächlich behandelt
er politisch-soziologische Themen vermischt mit seiner eigenen Erfahrung im
Exil. Seine Werke sind ins Deutsche übersetzt. Regina Karasholi übersetzte
den Erzählungsband Der grüne Esel (1996) und den Roman Rückkehr nach
Tarschisch (2000). Die Erzählungen Ölbaum der Kamele (2001) erschien
zuerst unter dem Titel So heiß. So kalt. So hart und wurden 1989 von Erd-
mute Heller und Mohamed Zrouki übersetzt; 2004 erschien sein Roman Adi-
eu Rosalie in der Übersetzung von Erdmute Heller. Für seinen Roman Rück-
kehr nach Tarschisch erhielt er im Jahre 2000 den Tukan-Preis der Stadt
München.
Unter den arabischstämmigen Romanciers ist Hussein Al-Mozany (geb.
1954) ein bekannter irakischer Schriftsteller und Übersetzer. Im Jahre 1999
verfasste er seinen ersten Roman in deutscher Sprache, Der Marschländer.
2002 folgte sein zweiter deutschsprachiger Roman über das deutsch-
208 OMAR: Zwischen Exotik und deutsch-arabischem Alltag. S. 286. 209 Jamal Tuschick (geb. 1961) verbrachte seine Jugend in Nordhessen. 1987 führte ihn ein Literaturstipendium nach Frankfurt. Als freier Schriftsteller lebt er seither dort und veröffentlicht in der Frankfurter Rundschau. 210 Vgl. TUSCHIK, Jamal: Träger von Zukunftsinformationen. In: Ders. (Hrsg.): Morgen-land. Neueste deutsche Literatur. Frankfurt am Main: Fischer Verlag. 2000. S. 283-291. Besonders S. 290.
93
arabische Verhältnis, Mansur oder Der Duft des Abendlandes. In der Regel
zählen zu den in seinen Romanen behandelten Themen der Krieg im Libanon
und im Irak, die Flucht, die Emigration, die Entfremdung, aber auch die In-
tegration. Sein Schreibstil ist melancholisch, enthält einen guten Anteil Ironie
und Witz.211 Wegen seiner zahlreichen Übersetzungen kann man ihn als einen
der aktivsten arabischen Übersetzer in Deutschland betrachten.
Najem Wali (geb. 1956) ist auch ein bekannter irakischer Schriftsteller,212 er
lebte in Florenz, Oxford und Madrid, bevor er sich 1980 für Deutschland
entschied. Als Korrespondent arbeitet er für arabische Zeitungen wie al-
ÍayÁt und schreibt für die deutschen Zeitungen wie Die Zeit, Der Spiegel,
Süddeutsche Zeitung und Neue Zürcher Zeitung. Seine Romane und Ge-
schichten schreibt er auf Arabisch; einige seiner Werke sind ins Deutsche
übersetzt. Folgende Titel sind im Original und deutscher Übersetzung er-
schienen: al-Íarb fī Îay aÔ-Ôarab (1989) ist ein Roman über den irakisch-
iranischen Krieg; 1993 wurde dieser Antikriegsroman auf Deutsch unter dem
Titel Krieg im Vergnügungsviertel publiziert. 1993 erschien seine Geschich-
tensammlung Lailat Marī al-aÌīra; 1997 sein Roman Makān ismuhu Kumait,
1999 seine Geschichtensammlung Fāls maÝ Matilda, 2001 sein Roman Tal
al-lÁÎm ein Roman über die Kriege im Irak wurde 2004 ins Deutsche unter
dem Titel Die Reise nach Tell Laham übersetzt; 2005 folgte der Roman
Ñūrat Yūsuf, der 2008 unter dem Titel Jussifs Gesichter ins deutscher Spra-
che übersetzt wurde. Die drei Romane wurden von Imke Ahlf-Wien über-
setzt. In seinem Roman Die Reise nach Tell Laham benutzt Wali als Erzähler
alle Möglichkeiten, um einen komplexen Roman zu schreiben.
Peter Schütt in seiner Rezension „Weder West - noch östlich“ verreißt Walis
Erzählband Hier in dieser fernen Stadt. Die Erzählungen in diesem Band
211 Vgl. AL-MAALY/NAJJAR: Lexikon Arabischer Autoren des 19. Und 20. Jahrhun-derts. S. 198. 212 Najem Wali studierte Germanistik an der Universität Bagdad und fortsetzte sein Studi-um in Deutschland fort, lebt heute in Bonn. Vgl. ebd. S. 271.
94
wurden teilweise direkt auf Deutsch geschrieben, teilweise vom Arabischen
ins Deutsche übersetzt. Im Band beschäftigt sich Wali nicht mit den exoti-
schen bzw. folkloristischen Themen, so wurde Walis Erzählband als enttäu-
schend von dem deutschen Kritiker empfunden, weil es auf Folklore bzw.
Exotik ausgerichteten Erwartungen nicht entspricht. In seiner Rezension kri-
tisiert Schütt die direkt auf Deutsch geschriebenen Erzählungen und lobt die
vom Arabischen ins Deutsche übersetzten Erzählungen, die ließen „etwas von
der Klarheit und Sinnlichkeit erkennen, die der arabischen Literatursprache
eigen ist“.213
Schütt zeigt sich enttäuscht über den Erzählband, weil Wali, der in Deutsch-
land lebende irakische Schriftsteller, keine kulturelle Vermittlung zwischen
Orient und Okzident und keine Verschmelzung literarischer Traditionen in
seinem Band geschaffen hat. Khalil verweist in seinem Beitrag auf den Irrtum
Schütts; im zweiten Teil des Bandes Walis, der von Schütt gelobt wurde,
finden sich nur zwei Geschichten, die ursprünglich auf Arabisch geschrieben
und von Thomas Schade ins Deutsche übersetzt wurden. Demnach hat
Schütt Walis auf Deutsch geschriebene Geschichten gelobt.214
Unter den arabischen Autoren der zweiten Generation gehören auch einige
junge Romanciers. Raid Kassab Abdallah Sabbah (geb. 1973) ist Journalist,
Drehbuchautor und Dokumentarfilmer. Seine Familie stammt aus Dschenin
im Westjordanland. Er selbst wurde in Konstanz geboren.215 In seinen beiden
Romanen griff er Themen aus Dschenin auf. Er beschrieb ausführlich das
Leben der Palästinenser, die in die Armut leben und nichts außer ihren Kör-
213 KHALIL: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland. S. 120f. 214 Vgl. ebd. S. 128. 215 Raid Sabbah absolvierte das Studium der Semitistik und Vergleichenden Literaturwis-senschaften. Er arbeitet als freier Mitarbeiter beim Radio und überregionalen Tageszeitun-gen, studierte auch seit 2001 an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg; hat u.a. Drehbücher für Dokumentarfilme geschrieben: Der Hakawati (1998), Regie: Gé-rard Samaan & Marianne Rosenbaum; Sheherazades Töchter (2000), Regie: Husam Chadat (HFF München) und führte auch selbst Regie in Träume aus Trümmern (1998); Lenny Kravitz - (Dokumentation für ARTE); Inschallah (2001); Husam, der aus dem Teppich kam (2002).
95
pern besitzen. Über ihr Leiden, Schmerzen und Armut schrieb er in Der Tod
ist ein Geschenk - Geschichte eines Selbstmordattentäters und Der Wind
trägt meinen Schmerz davon - Aus dem Leben einer palästinensischen Mut-
ter.
In seinem Werk Der Tod ist ein Geschenk erzählt der Ich-Erzähler über den
neunjährigen Helden namens SaÝid. SaÝid ist palästinensischer Kämpfer und
erzählt von seiner Familie und seiner Heimat. Er ist Selbstmordattentäter und
wartet auf seinen Einsatz. Die Geschichte schildert an mehreren Stellen die
Folterszene und lässt die Leser mit dem Held mitleiden. Was die Exotik und
Klischees betrifft, verweist die Geschichte auf die gängigen Klischees über
Palästinenser als Terroristen und reproduziert die dominanten Begriffe Fana-
tismus und Terrorismus als Klischees über Palästinenser.
In seinem zweiten Roman Der Wind trägt meinen Schmerz davon erzählt er
von Dschenin, Palästinensern und Israelis. Im Mittelpunkt der Geschichte
steht Um MuÎammad, die Lehrerin in Dschenin. Sie muss den Kontrollpunkt
passieren, um zu ihren Schülern zu gelangen. In dieser Erzählung stellt
Sabbah das Leiden der palästinensischen Frauen und das typische Alltagsle-
ben dar.
Die Auseinandersetzung der deutschen Rezeption arabischer Romanciers
versucht darzustellen, wie die arabischen Romanciers der ersten und zweiten
Generation aus einer distanzierten Perspektive die arabische Kultur betrach-
ten und wie diese Romanciers sich von der Auseinandersetzung mit exoti-
schen Themen distanzieren. Weil es schwer ist, die Rezeption aller arabischen
Autoren darzustellen, werden in den Paragraphen Autorenbeispiele ausge-
wählt. Es wurde die Vielfalt der literarischen Angebote bei jedem Romancier
separat summarisch aufgezeigt. Es zeigt auch, mit welchen Themen sich die
arabischen Autoren beschäftigen. Sie entfernen sich von der erzählenden Li-
teratur und schreiben reale Geschichten. Als Vertreter der realistischen Prosa
96
verarbeiten sie literarisch die Wirklichkeit in ihrer Heimat. Mosbahis Werke
wurden ins Deutsche übersetzt. Al-Mozani wird Dank seiner Übersetzungen
und Werke ebenfalls gut rezipiert. Wali, der exotische Motive benutzt, be-
hauptet selbst, dass er fehlrezipiert wurde, weil sein Werk das Vorverständ-
nis über die arabische erzählerische Literatur wieder erweckte.
Diskutiert wird das deutsche Interesse an der Übertragung von Walis Wer-
ken ins Deutsche und die Fehlrezeption und das Verreißen seines Werkes.
Der Kritiker, hat ohne es zu wissen, die deutschen Erzählungen Walis im
zweiten Teil des Bands gepriesen, einfach weil er sie für Übertragungen aus
dem Arabischen hielt. Eigentlich beruht das Urteil auf einem Irrtum aufgrund
eines Druckfehlers, der den zweiten Teil des Bandes als übersetzt angibt,
während es sich in Wirklichkeit nur um die zwei letzten Geschichten handelt.
Anders als bei Wali verursachen die Klischees und Stereotype keine negative
Auswirkung auf die Rezeption Sabbahs Romane. Er beschreibt das schwere
Leben in Dschenin und präsentiert reale Ereignisse und lässt die Leser mehr
über die armen Menschen in seiner Heimat wissen. Was Exotik und Klischee
über Palästinenser betrifft, hat er in seinen Romanen bekannte exotische und
klischeehafte Figuren dargestellt. Beispielsweise die starke Frauen und die
muslimischen Terroristen, die bei dem deutschen Leser bekannt sind.
Die arabischen Autoren erfuhren durch bedeutende Literaturpreise eine zu-
nehmende Anerkennung, die sich positiv auf die Rezeption auswirkte. Bei-
spielsweise erhielt Belfellah 1998 für seine „Bekenntnisse eines Barbaren“
den Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis. 2002 erhielt Fatah den Sonderpreis
des Deutschen Kritikerpreises; 2001 erhielt er den Aspekte-Literaturpreis für
seinen ersten Roman Im Grenzland. 2005 erhielt Skif den Hilde-Domin-Preis
für Literatur im Exil der Stadt Heidelberg für seinen Briefroman Sehr geehr-
ter Herr Präsident.
97
4.3.3 Die Satire
Der einzige bekannte Satiriker unter den arabischen Autoren ist Soudah.
Wadi Soudah (geb. 1948) ist ein palästinensischer Schriftsteller, wurde in
Nablus geboren und wuchs in einer Schäferfamilie auf. Er studierte in Beirut
von 1969 bis 1977 Soziologie und islamische Philosophie. Er lebte danach in
Jordanien (1977-1979). 1979 kam er nach Deutschland und setzte sein Sozi-
ologiestudium in Bielefeld fort. Er verfasste literarische Bücher in deutscher
und arabischer Sprache.
In seinen Büchern erscheinen deutliche Bezüge zu seinem persönlichen Le-
ben, besonders seine Jahre in Deutschland und die Erlebnisse seiner Familie.
Seine Werke sind immer Satiren mit dem Handlungsort der BRD in der Ge-
genwart. In diesen Satiren gibt sich der Ich-Erzähler explizit als Soudah aus.
Seine anderen Werke sind Erzählungen mit dem Handlungsort Palästina in
der Vergangenheit.216 In seinen Werken setzt er sich hauptsächlich für eine
friedliche Koexistenz der verschiedenen Religionen ein. Dazu will er die
deutschen Leser über die politische Situation in Palästina aufklären und ver-
sucht, in seinen Geschichten die Besatzung als Teil des Alltags in seiner Hei-
mat darzustellen.
Unter den arabischstämmigen in Deutschland lebenden Autoren zählt Soudah
zu den satirischen Autoren. Weil er sich als Satiriker versteht, hält er sich
nicht für einen „Märchen- oder Geschichtenerzähler“. Er erinnert sich an
seine erste Lesung, wo einige Zuhörer enttäuscht den Saal verließen, weil er
ihre Erwartungen auf einen orientalischen erzählerischen Lesungsabend nicht
erfüllte.217 Das erklärt das Dilemma der Rezeption arabischer Autoren in
Deutschland, wo die Erwartung „exotischer“ Themen, Motive und Meta-
phern dominiert.
216 Vgl. AIFAN: Araberbilder. S. 122. 217 Vgl. KHALIL: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland. S. 123
98
Voll Humor und satirischem Stil sind Soudahs Geschichten, manchmal iro-
nisch, manchmal sarkastisch. Beispielsweise in seiner autobiographischen
Geschichte Blutwäsche beschreibt er seine Erfahrungen als fremder Kranker
in Deutschland. In dieser Geschichte ist sein Stil bitter satirisch. In einem
besonderen Stil hat er sein Werk Scheherazade im NATO-Land geschrieben;
die Hauptfigur ist ein Erzähler mit arabischen Wurzeln; er erzählt über die
Akzeptanz der Araber in Deutschland und das irakisches Mädchen Schehera-
zade. Er schildert das deutsche Interesse an der arabischen Region und Kul-
tur, das nach dem Golfkrieg 1991 wiederentdeckt wird. In satirischem Ton
hat der Erzähler begonnen:
Das Interesse am Abendland, an arabischen Märchen, orientali-schem Essen, Bauchtanz usw. ist wieder erwacht. In klaren Worten: Der Araber ist wieder Star in Europa. Wir Araber in der Fremde bedanken uns für den Golfkrieg, der all dies ins Rollen gebracht hat!218
Der Erzähler findet, dass das deutsche Interesse sich heute auf den Orient
und seine Klischees und Märchen richtet. Zwar wählt Soudah Deutschland
als unexotischen Handlungsort, aber die arabischen Elemente, wie Kamele,
Bauchtanz, Teppich u.a. haben die deutsche Atmosphäre zur arabischen At-
mosphäre verändert. Hier erweckt Soudah die gängige Vorstellung über den
Orient und erinnert die Leser beispielsweise an den orientalischen Teppich:
Solche orientalischen Teppiche sind auch für uns märchenhaft. Wir kennen sie nicht aus ‚Tausend und eine Nacht’ sondern aus ‚Tausend und ein Ölland’. Man erzählt sich, dass man dort die kostbaren Teppiche für die Garagen benutzt. Sogar das Kamel ist auf solchen Festen in Europa immer dabei. Natürlich nicht persönlich, sondern billiger: Es hängt als Bild in allen Größen an der Wand. Ich bekam Märchenfieber, nicht von den Bildern, die blonde Frauen auf einem Kamel reitend zeigen, sondern von
218 SOUDAH, Wadi: Sheherezade im NATO-Land. In: Absturz aus dem Paradies. Ge-schichten eines Eingewanderten. Frankfurt am Main: Brandes & Apsel. 1998. S. 40-47. Besonders S. 40.
99
der märchenhaften Begeisterung der Abendländer über die ori-entalischen Märchen.219
Das neunjährige Mädchen Scheherezade, die die dominante Vorstellung einer
arabischen Frau trägt, reiste nach Deutschland und erfährt nach vielem Lei-
den wie eine Brandverletzung und einem rechtsradikalen Angriff wegen ihrer
Hautfarbe ein gutes Ende. Hier verliert nicht Soudah seine Ironie, weil das
Happy End darin besteht, dass die irakische Scheherazade endlich Asyl und
eine finanzielle Kompensation erhält.
Was die Rezipientenerwartungen betrifft, vermittelt Soudah eine Erzählung
von einem „märchenhaften Orient“, aber aus seiner modernen Perspektive.
Omar erklärt die ästhetischen Werte der Erzählung in ihrem Vortrag:
Soudahs Satire ist durch die Überlagerungen und Interferenzen der Wahrnehmungsdarstellungen gekennzeichnet: Im Text han-delt es sich einerseits um die westliche Wahrnehmung vom exo-tischen Orient und das Bild der orientalischen Frau als Opfer ih-rer rückständigen arabischen Gesellschaft. Auf der anderen Sei-te wird nur flüchtig ein Bild von einem undemokratischen Irak - nicht vom so genannten "Orient" - entworfen, aus dem Sheherazade flieht.220
Ausführlich beschreibt der Autor die schwierige Situation, in der die arabi-
schen Frauen im Irak leben. Der Autor zeigt die Niederlage im Irak und aber
gleichzeitig auch die Diskriminierung durch Rechtsradikalen in Deutschland.
Der erste Teil entspricht der deutschen Erwartungshaltung „exotisch“, dage-
gen holt der zweite Teil den Leser in die Gegenwart zurück. In seinem Werk
Kafka und andere palästinensische Geschichten erscheinen die Verhältnisse
der Gewalt zwischen der arabischen Welt und dem Westen. Aifan kritisiert
Soudah und vergleicht ihn mit den anderen arabischen Autoren; während die
219 Ebd. S. 40f. 220 OMAR: Zwischen Exotik und deutsch-arabischem Alltag. S. 280f.
100
arabischen Autoren sich mit der Migrantenthematik beschäftigen, erscheint
sein Ansatz politischer als andere arabische Autoren:
Er legt viel Wert auf eine Darstellung des Alltagslebens im ländlichen Palästina sowie kulturellen Unterschieden zwischen Deutschland. Jedoch weicht der aufklärerische Grundton in Kafka einem zynisch-bitteren in Absturz. Die „unzivilisierten Araber“ bleiben in seinen Augen das „Lieblingsthema“ der Deutschen. Sieben Jahre nach Soudahs erster Publikation ver-liert sich sein Optimismus, literarisch gegen die vorgefertigte Meinung seiner Leser anschreiben zu können. Er beklagt die ewige Wiederkehr derselben Frage: „Tourismus, Fundamenta-lismus, die Sicherheit Israels, die Gefährlichkeit der Araber.221
Von den bisher diskutierten Werken Soudahs wurde gezeigt, dass der einzige
Satiriker sich mit den politischen Ereignissen in der arabischen Welt beschäf-
tigt. Obwohl er orientalische Elemente und Motive verwendet oder klischee-
hafte Vorstellungen bietet, dienen sie dazu, seine satirische Schreibart und
seine politischen Darstellungen zu verstärken.
4.3.4 Die Lyrik
Von den renommierten arabischen Dichtern in Deutschland sind es in erster
Linie die irakischen Dichter Fadhil Al-Azzawi (geb. 1940) und Khalid Al-
Maaly und die syrischen Dichter Fouad Awwad und Ryad Alabyd. Al-Maaly
ist in der Lyrik-Szene in Deutschland der bekannteste und von den deutschen
Kritikern beachtet. Was die anderen Dichter betrifft, wurden sie unterschied-
lich rezipiert.
Die deutschen Übersetzungen Al-Azzawis Werke sind: Auf einem magischen
Fest (Gedichte, erschienen 1998). Seine Gedichte erschienen übersetzt eben-
221 AIFAN: Araberbilder. S. 130.
101
so in Anthologien von Khalid Al-Maaly, Suleiman Taufiq und Stefan Weid-
ner. Awwad (geb. 1965) ist der zwölf Jahre jüngere Bruder Suleiman
Taufiqs. Er schreibt Lyrik, Erzählungen, Kindergeschichten und veröffent-
lichte Beiträge, Übersetzungen und Kindergeschichten für den Rundfunk. Er
übersetzte Gedichte und Erzählungen sowohl aus dem Arabischen als auch
aus dem Deutschen und veröffentlicht seine Übersetzungen in einigen Antho-
logien.222
Awwad ist von Musik derart fasziniert, dass sie ihn dazu anregte, poetisch zu
schreiben. Er gründete mehrere Musikgruppen, die die arabische und deut-
sche Kultur zueinander bringen wollten; 1987 gründete er die Gruppe „Kahn
Yama Kahn“ (dt. Es war ein Mal), die sich auf arabische Musik und orienta-
lische Geschichten konzentrierte. 1994 gründete er die Gruppe „Al Maya“,
die sich auf die orientalische und westliche Musik fokussierte und vor allem
experimentelle und orientalische Jazz-Musik spielte. Für eine Begegnung der
Kulturen auf einer poetischen Ebene gründete er 2004 den „Deutsch-
Arabischen-Lyrik-Salon“.
Der dritte Dichter ist Ryad Alabyd (geb. 1960).223 Er ist ein syrischer freier
Journalist und Schriftsteller; er ist Mitbegründer und Leiter des Arbeitskrei-
ses „Ausländische Literatur und Poesie“ an der Universität Trier und Her-
ausgeber der Zeitschrift Fremde Verse. 1986 wurde ihm der Poetik- und Li-
teraturpreis der Universität Damaskus verliehen.
222 Fouad El-Auwad veröffentlichte bis 2000 unter dem Namen Awad und dann unter El-Auwad. Unter Fouad Awad erschienen drei Bücher; sein erstes lyrisches Werk Gesicht der Nacht (1991), das zweite Am achten Tag (1994), und die Erzählung Der Namens-händler (1994). Unter dem Namen Fouad El-Auwad veröffentlichte er Mit den Buchsta-ben unterwegs (lyrische Prosa, 2003), und Das elfte Gebot (Lyrik ,2004), und Baum des Regens (Lyrik, 2006). 223 Seine Werke sind: Umwandlung in die Erde. (Gedichte, 1990); Gebete im Tempel der Zeit. (Gedichte, 1991); Koran der Auswanderer. (Gedichte, 1992); Garten der Begierden. (Erzählungen und Gedichte aus dem Abend- und Morgenland, 1992); Über das freie Den ken. (Zwischen islamischer und westlicher Kultur, 1997); Die Gerechtigkeit im Islam unter besonderer Berücksichtigung des Koran. (2001).
102
Bei Al-Maaly kann man ausführlich die deutsche Rezeption der arabischen
Lyrik diskutieren. Khalid Al-Maaly ist ein arabisch-deutscher Lyriker, Erzäh-
ler und Übersetzer. Er hat verschiedene Gedichtbände und Anthologien her-
ausgegeben. Seine Beduinenfamilie stammt aus dem Südirak, hat Ende der
60er Jahre ihr Nomadenleben aufgegeben und zog nach Bagdad. In Bagdad
brach er aus der traditionellen Stammesordnung aus und wurde zum Außen-
seiter. Sein Außenseitertum bzw. die Fremdheit des Dichters sind bei ihm
zentrale Themen.
In Deutschland wurde er zunächst als Übersetzer und Herausgeber von
Übersetzungen und Anthologien bekannt. Er übersetzt arabische Lyrik ins
Deutsche und deutschsprachige Lyrik ins Arabische. Zusammen mit Sulei-
man Taufiq hat er entsprechende Anthologien herausgegeben. Beispielsweise
gab er gemeinsam mit Suleiman Taufiq die Anthologien Mittenaus,
Mittenein, Lyrik aus dem Irak (1993), Zwischen Zauber und Zeichen. Mo-
derne arabische Lyrik von 1945 bis heute (2000) und Rückkehr aus dem
Krieg (2006), eine Anthologie zeitgenössischer Lyrik aus dem Irak, heraus.
Die Übersetzungen wurden von ihm selbst und Heribert Becker angefertigt.
Beeinflusst ist Al-Maaly von den arabischen Mystikern des 9. und 11. Jahr-
hunderts sowie von den europäischen Existentialisten, Surrealisten und Da-
daisten. Durch Lektüre verschiedener Dichter hat er Distanz zu allem Tradi-
tionellen und Überlieferten gewonnen.224
Obwohl viele arabische Autoren sich als Kulturvermittler verstehen, lehnt Al-
Maaly für sich ab, als Vermittler zu fungieren oder sich als solcher zu be-
zeichnen.225 Seine Gedichte lassen sich am Besten als hermetisch beschrei-
ben. Heribert Becker erwähnt, dass Al-Maaly glaubt, dass die Dichtung die
inneren Welten, die historische Welten und poetische Augenblicke reflektie-
re, aber keine sozialen Fragen thematisiere.
224 Vgl. KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 157. 225 Vgl.ebd.
103
Al-Maaly ist einer der renommiertesten in Deutschland lebenden arabischen
Autoren. Er hat den in Köln ansässigen Palmyra Verlag gegründet, der Über-
setzungen vom Arabischen ins Deutsche und umgekehrt publiziert.226 Er hat
zudem selbst arabische und deutsche Lyrik übersetzt, zum Beispiel Texte von
Mahmud Darwisch, Paul Celan und Gottfried Benn. Gemeinsam mit Mona
Najjar hat er ein wertvolles Lexikon arabischer Autoren des 19. und 20.
Jahrhunderts verfasst. Dieses Werk ist das erste deutschsprachige Lexikon
arabischer Autoren überhaupt. Darin werden etwa 300 der bedeutendsten
arabischen Autorinnen und Autoren der letzten beiden Jahrhunderte in Ein-
zelbeiträgen porträtiert. Dieses Lexikon bekam viel Lob seitens der deut-
schen Literaturwissenschaft.
In seinem Prosaband Gedanken über das Lauwarme stellt er persönliche Er-
fahrungen aus einem Asylbewerberheim in der Bundesrepublik dar. Diese
Darstellung wurde in einem Artikel von Peter Schütt in der Zeit vom 14.
September 1990 als Versöhnung zwischen den Religionen ausgelegt. Al-
Maaly korrigierte dieses Missverständnis Schütts in der auflagenschwächeren
Literaturzeitschrift Listen und erklärte, dass er in seinem Buch nicht die östli-
che und westliche Lebensweise und Religiosität dargestellt habe.227 Das be-
deutet entweder, dass Schütt das Buch nicht gelesen hat oder er hat es falsch
verstanden. Solche Kritik bzw. ein solches Verständnis lässt die Intention des
Autors verloren gehen und vermittelt dem Leser ein falsches Bild des veröf-
fentlichten Werks.
Schlussfolgernd lässt sich feststellen, dass Al-Maaly sich nicht nur mit Dich-
ten beschäftigt, sondern auch mit Übertragung lyrischer Texte vom Arabi-
226 Als Verleger bemüht sich Al-Maaly ebenfalls um die Übersetzungen moderner deut-scher Literatur ins Arabische. Deutsche Schriftsteller wie Nicolaus Born, Ingeborg Bach-mann, Christa Wolf, Günter Grass, Peter Handke, Barbara Frischmut, Rainer M. Rilke und andere werden ins Arabisch übersetzt. Auch deutsche Lyriker wie Paul Celan, Hans Magnus Enzensberger und Christian Morgenstern. Neben diesen Namen gibt es auch noch die wissenschaftlichen Werke von Haynts Halm, Gozif Van Iss, Annemarie Schimmel und anderen Orientalisten. 227 Vgl. KHALIL: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland. S. 121.
104
schen ins Deutsche und umgekehrt. Sein Name als Lyriker, Übersetzer und
Herausgeber hat eine gute Resonanz in der deutschen Literaturszene erfah-
ren. Trotzdem geriet er manchmal in Fehlrezeption wegen bestehender Vor-
urteile oder Missverständnisse seitens der deutschen Kritiker.
Schließlich scheint es wichtig zu erwähnen, dass die Behandlung der Rezep-
tion arabischer Autoren in Deutschland eine ambivalente Haltung in der deut-
schen Öffentlichkeit enthüllt. Die Untersuchung der Rezeption arabischer
Autoren zeigt die Rolle des Exotischen, der Folklore, des Vorwissens, des
Vorverständnisses u.a. in der Wahrnehmung arabischer Autoren. Einige Au-
toren genießen breite Aufnahme und adäquate Rezeption und andere Auto-
ren geraten in eine Fehlrezeption. Im Mittelpunkt der deutschen Rezeption
stehen vor allem die arabische Prosa, ebenso wie die erzählende Literatur und
ihre Vertreter.
Die Auseinandersetzung mit den arabischen Autoren zeigte, dass die meisten
arabischen Autoren entweder Gedichte oder Romane schreiben, daneben
schreiben sie Kurzgeschichten bzw. geben Anthologien heraus. Einige der
Autoren sind zusätzlich als Übersetzer tätig. Wichtig zu erwähnen ist, dass
alle arabischen Autoren mit großem Unbehagen auf die falsche Rezeptions-
sicht reagieren wie bspw. Wali und Al-Maaly. Soudah versteht sich als Sati-
riker, nicht als „Märchen- oder Geschichtenerzähler. Naoum, der bekannte
Erzähler, hat nicht nur die erzählende Literatur bedient, sondern er schreibt
auch reale gesellschaftliche Romane und Gedichte.
Die Untersuchung hat ergeben, dass die Untersuchung der Rezeption arabi-
scher Autoren in Deutschland nicht frei von Missverständnissen ist, die durch
ein bestimmtes Vorwissen und Vorurteile geprägt werden. Vielmehr er-
scheint die Rezeption arabischer Autoren als Fortsetzung der Rezeption ara-
bischer Literatur seit Jahrhunderten, in denen lediglich die Märchen und fan-
tastischen Erzählungen die arabische Literatur prägten.
105
4.4 Die Rezeption der auf Deutsch schreibenden arabischen Schrift-
stellerinnen
Durch die Darstellung der Rezeption arabischer Autorinnen in Deutschland
wird ein kurzer Blick auf die frühe Präsenz arabischer Frauenliteratur in
Deutschland geworfen. Es geht hier lediglich um das erste auf Deutsch ge-
schriebene Buch von der arabischen Schriftstellerin Salme Bint Said und de-
ren Rezeption in Deutschland. Anschließend wird die Präsenz der arabischen
Autorinnen in der deutschen Literatur näher beleuchtet. Gezeigt werden soll,
mit welcher Thematik sich die arabischen Schriftstellerinnen beschäftigen und
welche Besonderheiten ihre Texte beinhalten. Die Schriftstellerinnen tragen
zur Verbreitung der Rezeption arabischer Literatur in Deutschland zu einem
nicht unbedeutenden Teil bei und streben eine Anerkennung der Frauenlitera-
tur innerhalb der arabischen Migrationsliteratur an.
4.4.1 Die Präsenz arabischer Frauenliteratur in Deutschland
Es ist schwer, über eine vollkommene Rezeptionswelle gegenwärtiger arabi-
scher Frauenliteratur in Deutschland zu sprechen, da dies eine ausführliche
Untersuchung nötig macht, die an dieser Stelle nicht geleistet werden kann.
Denn die Schwierigkeiten einer Untersuchung sind der Mangel an Informati-
onen über die Rezeptionsgeschichte arabischer Frauenliteratur, insbesondere
über die Resonanz der in Deutschland lebenden arabischen Autorinnen. Zu-
dem basieren die vorhandenen Informationen entweder auf biographischen
Angaben oder sind in den besten Fällen kurze Interpretationen ihrer Werke.
Um die Lücke in der wissenschaftlichen Rezeption zu schließen, wird in der
folgenden Untersuchung die Auflagenzahl, Literaturpreise und die wichtigen
kritischen Artikels über arabischer Frauenliteratur analysiert.
106
Da sich die Studie auf die deutsche Rezeption arabischer Literatur seit den
50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts beschränkt, werden im folgenden
lediglich die arabischen Autorinnen behandelt, die seit den 50er Jahren in der
deutschen Literaturszene präsent sind. Die Memoiren der Prinzessin Salme
Bint Said 228 sind ein Beispiel für die Rezeption dieser Art und im folgendem
soll die Rezeptionslage der Memoiren der Prinzessin Bint Said dargestellt
werden. Die Memoiren stehen stellvertretend für eine gängige Rezeption
arabischer Frauenliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts im deutschen Sprach-
raum und wurden bislang nicht eingehend untersucht.
Der Name der Prinzessin229 Bint Said ist in der Rezeptionsgeschichte arabi-
scher Literatur in Deutschland aus zwei Gründen wichtig: Einerseits weil sie
die erste arabische Frau ist, die ein Werk auf Deutsch veröffentlichte. Ande-
rerseits weil ihr Werk auf große Resonanz im deutschen Sprachraum stieß.
Deshalb werden im folgenden Absatz zwei Rezeptionsperioden arabischer
Frauenliteratur behandelt. Im ersten Teil wird die Biografie der Autorin Sal-
me Bint Said, ihre Erfahrungen als Migrantin in Deutschland und die Aus-
wirkungen auf ihre Biographie sowie ihr auf Deutsch erschienenes Werk Le-
ben im Sultanspalast dargestellt. Hier wird gezeigt, dass die arabische Frau-
enliteratur in Deutschland seit etwa zwei Jahrhunderten eng mit den Biogra-
fien der Autorinnen verbunden ist. Außerdem werden Biografien von den
Kritikern und dem Publikum besser rezepiert als andere Werke.
228 Salme Bint Said wächst als Tochter von Said Bin Sultan, dem Sultan von Oman und Sansibar und einer Sklavin tscherkessischen Nebenfrau auf. 1866 lernt sie den Kaufmann Heinrich Reute aus Hamburg kennen, der in einem dem Sultanspalast benachbarten Ge-bäude wohnt. 1866 flüchtete sie aus Sansibar und fährt nach Aden. 1867 lässt sie sich taufen und nimmt den Namen Emily an und heiratete ihren Mann. Sie lebte in Deutsch-land als Lehrerin für Arabisch. 1924 starb sie in Jena. 229 SaÝÐd Bin SulÔÁn, der Sultan von Oman war, verlegte 1840 seinen Regierungssitz von Oman in die ostafrikanische Küstenstadt. Seit er die Macht im Jahre 1806 übernahm, breitete sich seine Macht bis Sansibar, das tropische Insel vor der Küste Ostafrikas. In dieser Zeit lebten die Araber, Asiaten und Afrikanern zusammen. In seiner Regierungszeit blühten die Wirtschaft und der Handel mit China, Indien u.a. Damals haben Frankreich und Großbritannien um ihre diplomatische Beziehungen mit Oman zu verbessern ver-sucht. Insbesondere hat Frankreich ihre Handelbeziehungen mit Oman verbessert.
107
Der Blick auf die Rezeptionsgeschichte arabischer Schriftstellerinnen zeigt,
dass die Prinzessin von Oman und Sansibar Salme Bint Said (1844-1924) die
erste arabische Frau war, die ein Werk auf Deutsch schrieb. 1886 erschien ihr
erstes Werk, Memoiren, auf Deutsch. Ihre Biografie ist ausführlich in ihrer
Memoiren dargestellt. Die Prinzessin Bint Said hat nach ihrer Heirat mit dem
deutschen Überseekaufmann Heinrich Ruete und nach ihrer Auswanderung
nach Deutschland den Namen Emily Ruete angenommen. Ihr Mann Heinrich
Ruete, ein Hamburger Überseekaufmann, verunglückte 1870 tödlich bei ei-
nem Unfall mit einer Straßenbahn, in derselben Zeit gebar Salme ihr drittes
Kind. Fortan lebte sie mit ihren Kinder und musste den Lebensunterhalt mit
einer geringen Rente bestreiten.230
Die 45-jährige Verfasserin gesteht in ihren Memoiren Leben im
Sultanspalast, dass sie ihre Heimat als Araberin und „gute Mohammedane-
rin“ verlassen hat, jedoch nun eine schlechte Christin und etwas mehr als eine
halbe Deutsche sei.231 Ihre Taufe, wodurch sie zur Christin wurde, war eine
unversöhnliche Tat für ihre muslimische Familie.232 Dies erklärt, dass diese
arabische Migrantin, die als Prinzessin in ihrer Heimat lebte, viele Schwierig-
keiten in ihrem Leben in Deutschland erlebte. Obwohl die Prinzessin in ihrer
Memoiren betont, dass ihr Bruder Sultan MaÊÐd ihrer Heirat mit dem deut-
schen Kaufmann nicht im Wege gestanden hat,233 haben ihre Verwandten in
Oman und Sansibar, ihr noch immer nicht vergeben, dass eine arabische Prin-
zessin der Liebe und nicht dem Gebot der Religion und Staatsräson folgte, so
dass sie zu einer „Abtrünnigen“ wurde.234 Deshalb hat die Trennung von
ihrer Heimat, Familie und Umgebung starke Einflüsse auf sie als einsame
230 Vgl. WALDSCHMIDT, Julius: Kaiser, Kanzler und Prinzessin (Ein Frauenschicksal zwischen Orient und Okzident). Berlin: Trafo Verlag. 2005. 1. Aufl. S. 25f. 231 Vgl. SALEH, Salima: MuÆakkarÁt amÐra ÝarabÐya. Köln: Palmyra Verlag. 2006. 2. Aufl. S. 349. 232 Vgl. WALDSCHMIDT: Kaiser, Kanzler und Prinzessin. S. 25f. 233 Vgl. DONZEL, E.V.: An Arabian Princess between Two Worlds (Memoirs, Letters, Home, Sequels to the Memoirs, Syrian Customs and Usages. Leiden/New York/Köln. 1993. S. 406ff. – Vgl. SALEH: MuÆakkarÁt amÐra ÝarabÐya. S. 326. 234Vgl. Jenaische Zeitung 17.03.1924.
108
Frau und fremde Migrantin in Deutschland. Dies erklärt ihre Zuneigung zu
ihrer Heimat in ihrer Memoiren, obwohl sie versucht hat, am Anfang des
Kapitels das zu verleugnen.235
Bint Said hat ihre Memoiren im Jahr 1886 geschrieben, nicht jedoch mit der
Absicht, sie zu veröffentlichen, sondern nur wegen und für ihre drei Kinder.
Sie fürchtete, dass sie wegen ihrer Krankheit früh sterben könnte und ihre
Kinder somit nichts über ihr Leben in Sansibar erfahren würden. Sie behan-
delt in den Memoiren ihre Stellung als arabische Frau in der arabischen Ge-
sellschaft, beschreibt, wie sie in Europa wahrgenommen wurde. Sie be-
schreibt sich selbst als kluge Frau, die die ihre zugewiesene Rolle der Mutter
und der Hausfrau nicht spielen will, sondern die einer Frau, die sich wegen
ihres Aufenthaltes in Deutschland mit der Politik, Diplomatie und mit den
Problemen ihrer Heimat Sansibar beschäftigt. Sie beschreibt in ihrer Memoi-
ren, dass sie in Deutschland als arabische Prinzessin behandelt wurde. Sie
lernte die deutsche Sprache, um mit den deutschen Politikern über ihre Hei-
mat zu diskutieren. In ihren Briefen an ihren Bruder Sultan MaÊÐd, den Sul-
tan von Oman und Sansibar, werden ihre Gedanken über die deutschen Poli-
tikern und die Rolle ihrer Heimat deutlich.
Welche Rolle spielt Bint Said als arabische Migrantin und Kulturvermittlerin
am Ende des 19. Jahrhunderts und was ist der Inhalt ihrer Memoiren, in de-
nen zum ersten Mal eine arabische Migrantin ihre arabisch-muslimische Um-
gebung auf Deutsch beschreibt. Die Tatsache, dass ihr Leben in zwei ver-
schiedenen Gesellschaften die Möglichkeit zu einer kritischen vergleichenden
Perspektive gab, erleichtert die Beantwortung dieser Frage. Salmes Kennt-
nisse des Orients beschränkten sich auf Sansibar und insbesondere Oman, wo
sie lebte.
235 Vgl. REUTE, Emily: Leben im Sultanspalast: Memoiren aus dem 19. Jahrhundert. Frankfurt am Main: Athenäum. 1989. S. 131.
109
Durch einen einfachen erzählenden Stil versucht die Prinzessin in ihren Me-
moiren den Mangel an Informationen über den Orient zu beheben. Die Vor-
urteile und die daraus hervorgehenden Stereotypen und Klischees entstehen
vorwiegend durch fehlende oder gebrochen überlieferte Informationen. Sie
versuchte, Anschauungen und Sitten des Orients dem europäischen Leser
näher zu bringen. Dabei erklärt sie in ihren Memoiren bestimmte Charakteris-
tika der arabischen Gesellschaft.
Ihre Urteile und Darstellungen bemühen sich um eine realistische Darstellung
der damaligen Gesellschaft. Ein ganzes Kapitel widmet sie der „Stellung der
Frau im Orient“, obwohl sie betonte, dass sie kein Lehrbuch schreiben will.236
Die Verfasserin beschreibt ausführlich die Situation der Frauen in der musli-
mischen Gesellschaft, versucht, ein gerechtes Bild darzustellen. Sie be-
schreibt die verschiedenen Lebensumstände der Frauen im Orient - Frauen,
die wegen der Sitten in Isolation leben und Frauen, die ihre Gatten mit einer
oder vielen anderen Frauen teilen müssen. Sie beschreibt die Polygamie in
der islamischen Gesellschaft und vergleicht die Polygamie mit der Heiratssi-
tuation in Europa.
Wegen der geringen Informationen über die deutsche Rezeption der Memoi-
ren kann man lediglich einen summarischen Blick auf die Rezeption geben.
Die erwähnten Informationen über sie in ihrer Memoiren erklären, dass ihre
Position als Prinzessin ihre deutsche Rezeption beeinflusste, aber vielmehr
Thema in den deutschen Zeitungen war. Die Biografie der Prinzessin, beson-
ders ihre Heirat und die Verhältnisse ihrer Brüder spielen hier eine Rolle und
ihr gesellschaftlicher Status als Prinzessin erleichterten die Rezeption ihrer
Memoiren. Im Bereich der wissenschaftlichen Studien wurden die Memoiren
während ihrer Entstehungszeit nicht untersucht, aber man kann sagen, dass
die Memoiren als Werk eine beachtete Rezeption erfuhren bleibt zu sagen,
236 Vgl. ebd. S. 131.
110
Das Werk unter dem Titel Briefe nach der Heimat blieb ohne beachtlichen
Publikumserfolg.
Die arabische Rezeption der Memoiren Salme Bint Saids verdeutlicht die
unterschiedliche Wahrnehmung einer arabischen Frau in Deutschland aus
arabischer und deutscher Sicht. Die Memoiren erschienen seit ihrer Erstver-
öffentlichung im Jahre 1886 zwei Mal auf Arabisch. Zwei Übersetzungen
wurden von Abd al-Majeed al-Qaysi veröffentlicht, im Jahr 1888 und noch-
mals im Jahr 1905.237 Der Übersetzer stützte sich auf zwei verschiedene eng-
lische Übersetzungen. Neben der indirekten Übertragung, die notwendiger-
weise zur Verfremdung des getreuen Wortlauts führt, änderte al-Qaysi auch
die Kapitelfolge und einige Abschnitte.
Im Jahr 2002 wurde im al-Kamel-Verlag eine arabische Übersetzung des
deutschen Originals veröffentlicht; diese Übersetzung wurde von der iraki-
schen Übersetzerin Salima Saleh238 angefertigt. Den Titel übersetzte sie
wörtlich mit MuÆakkarÁt amÐra ÝarabÐya (dt. Memoiren einer arabischen
Prinzessin). Ihre Übersetzung bleibt durch die direkte Übersetzung aus dem
Deutschen näher am Original als die al-Qaysis. Sie vermeidet außerdem gro-
be Veränderungen am Originaltext.239 Im Jahr 2006 hat der al-Kamel-Verlag
eine zweite Auflage der Salima Saleh-Übersetzung veröffentlicht.
Abgesehen von der übersetzerischen Rezeption der Memoiren der Prinzessin
im arabischen Sprachraum, gibt es keine Artikel oder Aufträge über Bint
237 Vgl. SALEH: MuÆakkarÁt amÐra ÝarabÐya. S. 6. 238 Salima Saleh (geb. 1942) ist eine irakische Übersetzerin und Autorin; sie schreibt Kurzgeschichten. 1977 kam sie nach Deutschland. Im Jahre 1978 studierte sie Publizistik an der Universität Leipzig. Sie promovierte 1986 im Fach Journalistik und hat zahlreiche Beiträge in arabischen und irakischen Zeitschriften veröffentlicht. Unter anderem über-setzte sie zahlreiche Werke deutscher Autoren wie Ingeborg Bachmann und Christa Wolf ins Arabische. Vgl. Al-MAALY/NAJJAR: Lexikon Arabischer Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts. S. 229. 239 Die Fehler vorhergehender Übersetzungen von al-Qaysi wurden von Saleh in ihrer Einführung benannt; sie hält seine Übersetzungen für mangelhaft; er habe einige Kapitel miteinander vermischt und einige Paragraphen in andere Kapitel verlegt. Dazu kämen viele Übersetzungsfehler.
111
Said, die arabische Migrantin in Deutschland oder über ihre Memoiren. Nur
Manar Omar hat in ihrem Artikel über die deutschsprachige Literatur
arabischstämmiger Schriftsteller einen kurzen Überblick über Bint Said und
ihr Beitrag in diesem Bereich gegeben. Schließlich kann man sagen, dass Bint
Said nach heutigem Verständnis eine Frau mit doppelter Identität geblieben
ist, zerrissen zwischen der Welt ihrer Jugend und jener Welt, in der ihr Mann
und ihre Kinder zu Hause waren und sind.
4.4.2 Die Rezeption arabischer Schriftstellerinnen in Deutschland
Die Präsenz der arabischen Autorinnen ist in Deutschland auf einen engen
literarischen Raum beschränkt. Nur wenige Frauen schreiben bzw. sind litera-
risch tätig. Dagegen ist die Anzahl in Frankreich oder Großbritannien leben-
der arabischer Schriftstellerinnen größer als die in Deutschland. Deshalb
spielt dort die Kolonisationsgeschichte und Integrationspolitik eine wichtige
Rolle. Außerdem spielt die Beherrschung der französischen Sprache eine
wichtige Rolle im Schreibprozess der Autorinnen, die aus dem Libanon oder
dem marokkanischen Raum stammen. Im Vergleich auch zu anderen Schrift-
stellern in Deutschland sind die arabischstämmigen Schriftstellerinnen weni-
ger bekannt.
Die seit den 50er Jahren in Deutschland lebenden arabischen Schriftstellerin-
nen sind sechs Frauen, drei von ihnen sind Dichterinnen, die neben ihren Ge-
dichtbänden einige Prosawerke veröffentlicht haben. Amal Al-Jubouri und
Mona Yahia sind zwei aus dem Irak stammende Dichterinnen. Al-Jubouri
schreibt ihre Gedichte nur ins Arabisch, Yahia in englischer Sprache. Die
Prosa schreibenden Schriftstellerinnen sind vier Frauen: aus Palästina/ Israel
sind dies Halima Alaiyan und Sumaya Farhat-Naser, aus dem Irak Huda Al-
Hilali und aus Tunesien Kaouther Tabai. Alle diese Schriftstellerinnen nutzen
ihr persönliches Leben als literarisches Material und verarbeiten es in autobi-
112
ografischen Romanen. Grundsätzlich reflektieren die aus Palästina/Israel
kommenden Schriftstellerinnen die politische und gesellschaftliche Situation
ihrer Heimat und das Leben der Frau in der arabischen Gesellschaft. Die an-
deren Schriftstellerinnen konzentrieren sich mehr darauf das gesellschaftliche
Leben in ihrer arabischen Heimaten literarisch zu reflektieren.
Es ist festzuhalten, dass die arabischen Schriftstellerinnen keine annähernd so
große Bedeutung wie die arabischen Schriftsteller erfahren und weniger etab-
liert sind. Insbesondere dadurch, dass die Autorinnen zur zweiten Generation
gehören und mit dem Schreiben später begonnen haben als die Autoren. Im
Zeitraum der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts bis heute erschienenen im Ver-
gleich zu denen der arabischen Schriftsteller eher wenige Werke. Die Auto-
rinnen Halima Alaiyan und Kaouther Tabai haben nur zwei bzw. drei Werke
veröffentlicht. Zudem blieben diese Werke ohne nennenswerte Resonanz.
Aber die Werke von den Salme Bint Said, die Prinzessin von Oman und San-
sibar, und von der Palästinenserin Sumaya Farhat- Naser wurden in Deutsch-
land stark rezipiert. Nur Huda Al-Hilali betrat im Jahr 1984 die literarische
Bühne, und stieß als Erzählerin auf positive Rezeption. Hier stützen sich die
deutschen Kritiker auf die Werte der arabischen Erzählkunst und ihre Ein-
flüsse auf das deutsche Publikum. Vermutlich war es Al-Hilali, die das erste
Werk auf Deutsch geschrieben hat; im Jahr 1945 erschien ihr Erzählband Von
Bagdad nach Basra. Horst Hamm hat festgestellt, dass Frauen aus verschie-
denen Nationen in Deutschland im Jahr 1985 in einer Anthologie ihre ersten
Texte veröffentlicht haben.240 Dabei gilt Al-Hilali als eine Pionierin, die mutig
ihre mündlichen Erzählungen und ihr einziges Werk der deutschen Leser-
schaft bot.
Was bieten die arabischen Schriftstellerinnen den deutschen Leser in ihren
Werken und mit welcher Thematik beschäftigen sich die arabischen Schrift-
stellerinnen? Um diese Fragen zu beantworten, kann der Forscher sagen, dass
240 Vgl. HAMM: Fremdgegangen freigeschrieben. S. 37.
113
die arabischen Schriftstellerinnen die Erwartungshaltung der deutschen Leser
erfüllen. Die deutschen Leser, die engagierte politische Werke von den
männlichen gegenwärtigen arabischen Autoren lesen, erwarten, dass sie en-
gagierte politische Werke von den arabischen Schriftstellerinnen lesen kön-
nen, oder im besten Fall nicht nur Biografien der arabischen Schriftstellerin-
nen. Aber was die Thematik der arabischen Frauenliteratur betrifft, enthalten
die Werke in der Regel biografische Züge der Verfasserinnen oder sind bes-
tenfalls Erzählungen aus der Wirklichkeit. Die eigenen Erfahrungen im Le-
ben, entweder im Deutschland oder in der Heimat, werden literarisch verar-
beitet. Diese Eigenschaft ist allen Autorinnen in Deutschland, die Erzählun-
gen, Geschichten oder Romane verfassen, gemein. So wurden die politischen
und gesellschaftlichen Seiten der arabischen Welt durch die Frauenliteratur in
Deutschland deutlich klar beschrieben.
4.4.3 Die Wahrnehmung der auf Deutsch schreibenden Arabischen
Schriftstellerinnen
Der Versuch einer Darstellung der deutschen Aufnahme der arabischen Frau-
enliteratur erfordert eine Beschäftigung mit Leben und Werk der Schriftstel-
lerinnen. So geht es hier um eine Interpretation des Gesamtwerks der arabi-
schen Schriftstellerinnen und die Darstellung der Reaktionen, die die arabi-
schen Schriftstellerinnen als Menschen sowie in ihrer Eigenschaften als
Schriftstellerinnen in Deutschland hervorzurufen vermochte. Es wird gezeigt,
dass die arabischen Schriftstellerinnen in Deutschland auf wenige Resonanz
stoßen. Es erscheinen kaum Artikel, Essays oder Berichterstattungen über
die arabischen Frauen und ihre Werke. Die meiste vorhandenen Informatio-
nen sind biographisch oder im bestenfalls einen Überblick auf die Gesamt-
werk.
114
Weil die Werke der arabischen Schriftstellerinnen offensichtlich deutlich bio-
grafische Züge enthalten, werden in der Darstellung der Rezeption zuerst die
Biografien der Schriftstellerinnen dargestellt. Dies erklärt ihre bevorzugten
Genres, ihre literarischen Aktivitäten und Werke.
Sumaya Farhat-Naser (geb. 1948) ist in Birzeit bei Jerusalem geboren. Sie
wuchs in einer christlichen Familie auf. Heute lebt sie als engagierte palästi-
nensische Friedensaktivistin im Westjordanland. In Deutschland wurde sie
von Anfang an als Friedensaktivistin rezipiert. In Hamburg promovierte sie in
Angewandter Botanik. Von 1997 bis 2001 war sie die Leiterin des Jerusalem
Center for Women. Sie diskutiert im Fernsehen, Radio und auf Veranstaltun-
gen über die Situation der Frau in Palästina und Israel und über das politische
Geschehen im Nahen Osten, erhielt für ihre Arbeit und Werke viele Preise,
besonders für ihre Aktivitäten im Bereich der Menschenrechte.
In der Regel dokumentieren ihre Werke ihr Leben und ihre politische Aktivi-
tät. Hauptsächlich schreibt sie über den arabisch-israelischen Konflikt, um
ihre Ablehnung der Macht beider Seiten darzustellen. Ihr Roman Thymian
und Steine ist eine palästinensische Lebensgeschichte. In ihren Werken Dis-
teln im Weinberg und Verwurzelt im Land der Olivenbäume hat sie ihre Er-
lebnisse als Friedensaktivistin dokumentiert. In ihrem Werk Verwurzelt im
Land der Olivenbäume berichtet sie über die patriarchale Gesellschaft, die
Probleme und das Schicksal der Frau in dieser Gesellschaft:
Ich wuchs in einer patriarchalen Gesellschaft auf. Mein Großva-ter versuchte, die Mädchen so früh wie möglich zu verheiraten, um seine Familie von der Verantwortung für die Töchter zu entlasten. Als ich vernahm, dass ich mit vierzehn verheiratet werden sollte, wehrte ich mich erfolgreich. Ich blieb im Mäd-cheninternat Talitha Kumi bei Bethlehem und kehrte erst zu-rück, als ich die Schule beendet hatte und meine Pläne für ein Studium in Deutschland reif waren.241
241 FARHAT-NASER, Sumaya: Verwurzelt im Land der Olivenbäume. Hrsg. von Doro-thee Wilhelm/ Manuela Reimann/Chudi Bürgi. Basel: Lenos Verlag. 2002. 2.Aufl. S. 13.
115
Thymian und Steine ist in verschiedenen Kapiteln unterteilt. Gesammelte
Fotos in den Kapiteln illustrieren ihre Erzählung. Diese Biographie erklärt
das Leben in einem besetzten Land, das Leben in Deutschland als Palästinen-
serin und die Intifada in ihrer Heimat. Die Erzählung beginnt im Jahr 1948, in
dem Israel gegründet wurde. An diesem Punkt beginnt Farhat-Naser ihre
Erzählung:
Heute, am 2. November 1994, während ich versuche, meine Lebensgeschichte mit ihren guten und ihren quälenden Erinne-rungen aufzuschreiben, sind es siebenundsiebzig Jahre her, seit Palästina von Fremden an Fremde versprochen wurde. Dies war der Beginn des palästinensisch-israelischen Konflikts.242
Über die Vorarbeiten an ihrem Roman Thymian und Steine sagte sie, dass
das Schreiben „ein Erinnern an Vergangenes“243 verlangt. Das Werk ist ein
neutrales Erinnern der Autorin, in dem sie die Form der Ich-Erzählerin bzw.
der Wir-Erzähler verwendet. Unter diesem „Wir-Erzähler“ fasst sie alle Fa-
milienangehörige oder Verwandte nebst alle betroffenen Menschen.
Die Informationen über die Rezeption ihre Werke sind nur kurze Erwähnun-
gen in den wenigen vorhandenen Artikel, die meist über die Biografie der
Verfasserin berichten. Die drei Werke von Farhat-Naser zeigen, dass sie sich
mehr mit Politik als mit Literatur beschäftigt. Die zahlreichen Auflagen des
Titels Thymian und Steine bestätigen die gute deutsche Rezeption. Hier kann
der Forscher finden, dass die biographischen Romane zunehmende Rezeption
bekommen mehr als andere Werke. Eine Erklärung für die gute Resonanz
ihres Werks Thymian und Steine ist, dass das Werk eine palästinensische
Lebensgeschichte der Verfasserin ist und anders als ihre anderen Werke Poli-
tik stärker thematisiert. Disteln im Weinberg ist ein Tagebuch aus Palästina
mit einem Essay von Ernest Goldberger. Verwurzelt im Land der Oliven-
242 FARHAT-NASER, Sumaya: Thymian und Steine. Hrsg. von Rosmarie Kurz/Chudi Bürgi. Basel: Lenos Verlag. 1996. 4. Aufl. S. 11. 243 Ebd. S. 12.
116
bäume erzählt über die Verfasserin, einer Palästinenserin im Streit für den
Frieden. Ihr Werk Verwurzelt im Land der Olivenbäume wurde 2003, ein
Jahr nach der Veröffentlichung auf Deutsch, ins Englische unter dem Titel
Daughter of the Olive Trees. A Palestinian Woman’s Struggle for Peace
übersetzt. Hilary Kilpatrick hat die Übersetzung angefertigt.244
Über die Rezeption im Sinne der Literaturpreise kann man betonen, dass die
Verfasserin bedeutende Literaturpreise erhalten hat; 1989 erhielt sie die Eh-
rendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Universität Münster, 1995
den Bruno-Kreisky-Preis für ihre Verdienste um die Menschenrechte, 1997
den Mount Zion Award für Versöhnung, im selben Jahr erhielt sie auch den
Evangelischen Buchpreis, 2000 den Augsburger Friedenspreis, 2002 Her-
mann-Kesten-Medaille des P.E.N.-Zentrums und den Bremer Solidaritäts-
preis und 2003 den Profax-Preis der Pädagogischen Hochschule Zürich. Die-
se Preisen reflektieren, dass Farhat-Naser sich einen guten Namen als enga-
gierte palästinensische Friedensaktivistin gemacht hat.
Huda Al-Hilali (geb. 1947) ist eine irakische Schriftstellerin und wurde als
ältestes von sechs Geschwistern in Bagdad geboren. Als Zwölfjährige kam
sie mit ihrer Familie nach Deutschland. Sie lebte zwischen 1959 und 1964 in
der Bundesrepublik, da ihr Vater hier arbeitete. Sie erzählt über ihre Kindheit
in Deutschland in einer autobiografischen Erzählung: Über das Wasser in ein
neues Leben. Von Bagdad nach Hamburg. Sie verarbeitete literarisch, wie
ihre Mutter erkrankte und starb. 1964 kehrte sie mit sechzehn Jahren in den
Irak zurück. Dort arbeitete sie als Grundschullehrerin und begann zu schrei-
ben. Ihre ersten Werke waren Geschichten und Theaterstücke für Kinder.
Beim irakischen Fernsehen begann sie 1972 als Redakteurin eines Kinder-
programms. Später kehrte sie nach Deutschland zurück und studierte in Kas-
sel Filmgeschichte und Dramaturgie. Nach ihrem Abschluss studierte sie in
244 FARHAT-NASER, Sumaya: Daughter oft he Olive Trees. A Palestinian Woman`s Struggle for Pease. Übersetzt von Hilary Kilpatrick. Leons Verlag. 2003. 1. Aufl.
117
Hamburg Islamwissenschaft und Germanistik. 1984 begann sie in Hamburg
zu erzählen. Aifan findet, dass sie als moderne Scheherazade betrachtet wur-
de bzw. als „Ein-Frau-Theater“ bezeichnet.245
Was sie auszeichnet ist, dass sie realistische Geschichten in den 80er Jahren
auf der Bühne darbot und ihre Begabung als Erzählerin und Schauspielerin
auf der Bühne präsentierte. In ihren vorgetragenen Erzählungen ist deutlich
das Interesse an der Interaktion mit dem Publikum zu erkennen. Auch die
Erzähltechnik hat bei ihr eine neue Gestalt angenommen; sie schloss Diskus-
sionen mit dem Publikum aus, indem sie ihr Publikum mit Bildern konfron-
tierte. Über ihre Erzählmethode sagte sie: „Ich beschreibe nicht einen Zu-
stand, ich lasse die Frau reden. Sie beschreibt ihren eigenen Zustand“.246
Während langer Erzählnächte stellte sie ihrem Publikum das Alltagsleben der
irakischen Frauen vor und erzählte über verschiedene traditionelle und mo-
derne Frauen in der irakischen Gesellschaft; so beschrieb sie deren Kleidung
und Lebensstil. Insbesondere konzentrierte sie sich darauf, die Frauen, die
Trachten tragen, als normale Frauen zu zeigen.247 Durch die Erzählabende
bekam sie eine Aufmerksamkeit und wurde unter den arabischen Schriftstel-
lerinnen als die erste namhafte arabisch-deutsche Erzählerin betrachtet.
Sie veröffentlichte Erzählungen in Sammelbänden und schrieb 1992 die Ge-
schichten aus dem Irak in ihrem Werk Von Bagdad nach Basra nieder. Ihre
Geschichten handeln vom Alltag der Menschen im Irak. Insbesondere hinter-
fragt sie die Stellung der irakischen Frauen. In diesem Band ist Irak mit sei-
nen Problemen und seiner politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen
Situation präsent. Die Erzählerin spricht über ihre Hoffnungen und Träume
und entführt als mündliche Erzählerin ihr Publikum in die Basare Bagdads,
greift besondere Themen auf, die wenig Beachtung finden wie die
245 Vgl. AIFAN: Araberbilder. S. 102f. 246 Ebd. 247 Vgl. KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 154.
118
Einparteiendiktatur, Unterdrückung von Minderheiten und Oppositionen,
Aufrüstung.
Ihr Werk Geschichten aus der 1002. Nacht ist ein Zeichen für ihre Beschäf-
tigung mit dem arabischen Erbe der Erzähltradition. Die Hauptfigur bei Huda
Al-Hilali ist im Gegensatz zu allen dargestellten weiblichen Typen bei den
arabischen Schriftstellerinnen eine starke Frauenfigur, die eigenständig ihren
Mann ausgesucht hat, den sie später auch heiratet. Omar findet, dass dieser
weibliche Typ als seltene Ausnahme gilt und die deutschen Leser überrascht
und begeistert. Omar betont auch, dass das Werk sprachliche und stilistische
Schwächen aufweist.248 Das folgende Zitat zeigt, dass die Verfasserin ihren
eigenen Schreibstil verwendet und die Kritik von Omar unbegründet ist. Der
Leser des Werkes wird bemerken, dass die Verfasserin eine mündliche Er-
zählung niederschreibt. Sie verwendet insbesondere erzählerische Worte oder
Ausdrücke als rege erzählerische Sprache:
Als sie ihn das erste Mal in der Gasse sah, da wusste sie es. Noch nie hatte sie einen Menschen so erblickt, der so groß war und sooo schüchtern. Und als er anfing zu stolpern, wenn sie ihn beim Vorbeigehen anschaute, da wusste sie, dass er sie auch mochte. Aber sie wollte, dass er auch zu ihr aufschaute. Einfach so. [...] aber ich werde ihn heute nicht einfach so an mir vorbei-gehen lassen. Und schon ließ sie die Tasche mit den freigekauf-ten Eiern fallen. ‚Oh’, sagte er, beugte sich zu Boden und fing an, die noch heilen Eier aufzusammeln. Er schaute ein wenig hilflos zu ihr hoch, wusste nicht so recht, wohin mit den Eier-schalen. Sie stand aufrecht und stolz da und schaute zu ihm herunter, als hätte sie gewonnen. Mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen, dachte sie.249
Was die deutsche Rezeption betrifft, werden im Folgenden einige kritische
Rezensionen über Al-Hilalis Erzählband Von Bagdad nach Basra als Beispie-
le dargestellt. Weil der Umgang mit der Realität eine große Rolle im Werk
248 OMAR, Manar: Zur deutschsprachigen Literatur arabischstämmiger Schriftsteller. In: Der Bürger im Staat. 56. Jahrgang. Heft 2. 2006. S. 122-130. S. 128. 249 AL-HILALI, Huda: Von Bagdad nach Basra. Geschichten aus dem Irak. Heidelberg: Palmyra Verlag. 1992. S. 15f.
119
spielt, lässt sich in den Rezensionen eine sehr unterschiedliche Wahrnehmung
feststellen. Zum Teil ist der Kritik ein Lob wie in dem erwähnten Zitat von
Aifan:
Noch nie war die Aufgabe der Klageweiber und der gleicher-maßen pragmatische wie ekstatische und ungehemmte Umgang mit Gefühlen so nachvollziehbar, so greifbar. Fast fühlt man trotz herbstlicher Witterung den Schweiß nur so am Körper kleben, hört man Huda luftfächelnd von den großen Datteln sprechen, die in Basra in der glühenden Mittagshitze prall und süß werden.250
Anders finden sich aber auch Rezensionen, die stärker auf den fiktiven Cha-
rakter in dem Band eingehen, ohne jedoch den authentischen Bezug zur ira-
kischen Gegenwart außer Acht zu lassen. Peter Schütt in seinem Artikel
Blick hinter den Schleier schreibt über die „Emotionalität der Morgenlän-
der“, die in Al-Hilali Erzählungsband deutlich erscheint. Diese „Emotionali-
tät“ gilt bei den deutschen Kritikern als altes Klischee. Schütt beschreibt wei-
ter: die „Freude am erzählerischen Detail, die orientalische Lust am Fabu-
lieren, die Vorliebe für den Reiz des Augenblicks stoßen dort an Grenzen,
wo es um die großen gesellschaftlichen und politischen Zusammenhänge
geht“.251
Wie vorher erwähnt wurde, bekam Al-Hilali eine gute Rezeption wegen ihres
erzählerischen Stils. Der Forscher bemerkt, dass sie nicht typische Charakte-
re bietet, sondern neue Charaktere und eine neue Darstellung der irakischen
Gesellschaft.
Halima Alaiyan (geb. 1948) wurde in Ibdis bei Jaffa geboren. Als arabische
Migrantin lebt sie in Deutschland und veröffentlichte einen Roman auf
Deutsch. Ihr Roman Die Vertreibung aus dem Paradies ist ein autobiografi-
scher Roman, in dem sie ihre Lebenserfahrungen beschreibt und das Unrecht
250 AIFAN: Araberbilder. S. 106. 251 Ebd. S. 109.
120
der Vertreibung aus der Heimat, die fehlenden Frauenrechte und Unterdrü-
ckung anprangert. Im Roman flüchtet ihre Familie 1948 nach Ägypten, wo
Halima als jüngste Tochter aufwächst. Das Gefühl des Fremdseins begleitet
Alaiyan und ihrer Familie im israelischen Gebiet ebenso in Ägypten. Sie fühl-
te sich unerwünscht und unterdrückt. In ihrem Roman Die Vertreibung aus
dem Paradies beschreibt Alaiyan ihre Heirat und ihr Leben in Kuwait mit
ihrer eigenen Familie. Die erzählte Zeit beginnt 1948 und erstreckt sich bis in
die heutige Zeit. Immer wieder zieht sie in ihrem Buch die Verbindung ihrer
persönlichen Erlebnisse zu den historischen Ereignissen im Nahen Osten.
Ein bedeutender Abschnitt in ihrem Leben begann in Deutschland, wohin sie
ihrem Mann folgte. Sie selbst betont, dass Deutschland für sie das Paradies
bedeutete. Mit drei Kindern absolvierte sie ihre Ausbildung zur Orthopädin.
Außerdem musste sie sich um ihren kranken Sohn kümmern. Wegen einer
unheilbaren Blutkrankenheit starb ihr Sohn ÓalÝat, nach dem ihre Stiftung
benannt ist, im Jahre 1989 im Alter von 23 Jahren. Nach einem Besuch in
ihrem Heimatdorf hat sie eine Stiftung für Jugendliche aus Israel und Palästi-
na gegründet. Sie hatte zum Ziel, dass das Wissen über die Juden und Paläs-
tinensern nicht mehr lückenhaft bleibt und die Feindbilder, mit denen die
Kinder erzogen werden, auf beiden Seiten behoben werden. 2003 hat sie die
ÓalÝat-ÝAlayÁn-Stiftung gegründet. 2004 fand die erste Begegnung zwischen
israelischen, palästinensischen und deutschen Jugendlichen statt. Vier Begeg-
nungen hat Alayian bis 2007 bisher organisiert. Die Stiftung übernimmt die
Kosten der Begegnungen, die zweiwöchige Aufenthalte der Jugendlichen u.a.
Es ergibt sich, dass Alayians Motivation aus dem schmerzlichen Verlust ihres
Sohnes entsprungen ist.252
252 Vgl. HEESS, Jutta: Die Fronten aufbrechen. Halima Alayian bringt deutsche, israeli-sche und palästinensische jugendliche zusammen. In: Tages Zeitung 2007. http://www.taz.de/zeitung/taznews-verlag/panterpreis/panterpreis-2007/nominierte/nom6/. Besucht am: 04.10.2007.
121
Schlussfolgernd wird erwähnt, dass Alaiyan einen wichtigen Beitrag in der
Kulturvermittlung und der Verständigung zwischen den Völkern in Deutsch-
land geleistet hat. Ihr einziges Werk hat nur eine kurze Darstellung in den
deutschen Verlagen bekommen oder kurze Erwähnungen in den wenigen
erscheinenden Artikeln wie in Omars Artikel gefunden. Insgesamt bleibt
festzuahalten, dass sich Alayian als arabische Schriftstellerin nicht weit von
der Thematik der arabischen Frauenliteratur entfernt. Die Probleme einer
Frau in ihrer Heimat oder in Deutschland sind das Kernthema ihres Romans.
Kaouther Tabai (geb. 1964) ist eine tunesische Autorin und Übersetzerin. Sie
lebt seit 1983 in München, wo sie Informatik studierte. Sie schreibt auf Ara-
bisch und Deutsch und veröffentlichte Kurzgeschichten in Anthologien, Zeit-
schriften im tunesischen Nationalrundfunk sowie in Deutschland. Wie viele
arabische Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die in zwei Sprachen leben,
bedeutet das Arabische für sie eine Heimat, die immer bei ihr bleibt. Deutsch
ist eine Möglichkeit, in Kontakt mit den Deutschen zu treten.253 Ihr Werk
Das kleine Dienstmädchen. Aus dem Leben tunesischer Frauen beschreibt
sie das arabisch islamische Leben, Denken und den Glauben. Von Ariana, die
Kleinstadt in der Nähe von Tunis, bis in ein steriles Münchner Bürohaus be-
richtet sie in ihren Erzählungen über verschiedene Themen wie das Leben der
Frauen in Tunesien, die Rolle der Religion, die Menschen in der Welt, die
sich überall gleichen. Man kann dieses Werk als Autobiografie betrachten.
Ihre deutsche Rezeption beginnt mit der Veröffentlichung ihres Romans auf
Deutsch. Der Titel Das kleine Dienstmädchen des Romans spiegelt das
Kernthema ihres Romans wider. Die deutschen Leser, die eine Erzählung aus
dem Leben tunesischer Frauen vor sich haben sind von dem Thema begeis-
tert. Die Schriftstellerin verwendet keine neuen Darstellungen oder Informa-
tionen, sondern bietet bekannte typische arabische und muslimische Charak-
tere und bekannte arabische gesellschaftliche Lebensweisen u.a. Als arabische
253 Vgl. ebd.
122
Schriftstellerin in Deutschland hat sie nicht nur ein Werk veröffentlicht, son-
dern beschäftigt sich mit der Übersetzung zeitgenössischer arabischer Litera-
tur ins Deutsche. Sie spielt dabei eine wichtige Kulturvermittlungsrolle, in
dem sie versucht die zeitgenössische arabische Literatur bei dem deutschen
Lesepublikum bekannt zu machen.
Mona Yahia (geb.1954) ist eine irakische Künstlerin und Schriftstellerin. Sie
wurde in Bagdad geboren, emigrierte mit ihrer Familie nach Israel. Von 1986
bis 1992 studierte sie Kunst in der BRDutschland; lebt seit 1997 als Künstle-
rin und Autorin in Köln. Sie schreibt in englischer Sprache Gedichte, Erzäh-
lungen und Romane. 2001 erhielt sie den Wingate-Literaturpreis. Sie veröf-
fentlichte auf englischer Sprache einen autobiografischen Roman unter dem
Titel When the Grey Beetles Took over Bagdad, in dem sie die Geschichte
einer im Irak lebenden Jüdin erzählte. Diskriminierung, Identität und Flucht
sind die Themen dieses Romans. Ausführlich beschreibt sie darin eine jüdi-
sche Kindheit und Teenagerzeit in Bagdad. Hier können die deutschen Leser
die Minderheitsthematik finden und über das Leben der jüdischen Minderheit
im Irak lesen.
Was die deutsche Rezeption ihres Romans betrifft, ist erwähnenswert, dass
2002 beim Eichborn Verlag die deutsche Übersetzung ihres Romans veröf-
fentlicht wurde. Die Übersetzerin Susanne Aeckerle hat die Übersetzung
vom Englischen ins Deutsche unter dem Titel Durch Bagdad fließt ein dunk-
ler Strom angefertigt. In einigen deutschen Zeitungen findet sich eine Rezen-
sionen über den Roman. Uwe Stolzmann kritisiert in der Züricher Zeitung
die Diskrepanz zwischen Form und Inhalt des Romans.254 Stefan Weidner
lobt den Roman in einer Rezension der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.255
Viola Keeve bezeichnet den Roman als „Entwicklungsroman, faszinierendes
Geschichtsdokument, Erzählepos einer modernen Scheherazade und Auto-
254 Vgl. STOLZMANN, Uwe in Zürcher Zeitung. 07.12.2002. 255 Vgl. WEIDNER, Stefan: Die letzten Juden von Bagdad. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 17.01.2003.
123
biographie“ in ihrer Rezension.256 Nach Keeves Ansicht hat Yahia eine arabi-
sche Erzählung geboten. Dies erinnert an das Lob der Al-Hilalis Erzählun-
gen. Die beiden Schriftstellerinnen stammen aus dem Irak, bieten erzähleri-
sche Romane und reflektieren die politischen und gesellschaftlichen Seiten
ihrer Heimat. Eine Erklärung für die Betrachtung ihrer Werke als Erzähllite-
ratur und die Bezeichnung als Scheherazade wird hier erwähnt: Die beiden
Schriftstellerinnen erzählen über ihre Biographie und ihre Heimat. Die Ge-
schichten, die im erzählerischen Schreibstil geschrieben wurden, erinnern an
dem bekannten Erzählstil in den arabischen Ländern.
Wegen des geringen Interesses mit der arabischen Lyrik im Vergleich zum
bedeutenden Interesse mit der Prosa bekamen die arabischen Dichterinnen
kaum Beachtung oder werden nicht in Artikeln, Vorträgen und Pressemittei-
lungen erwähnt. Lediglich Amal Al-Jubouri hat eine gute Reputation in
Deutschland nicht nur als erfolgreiche Dichterin, sondern als Herausgeberin,
Übersetzerin und Journalistin erfahren.
Amal Al-Jubouri (geb.1967) ist eine irakische Dichterin. Sie gilt als die be-
deutendste jüngere, aus dem Irak stammende Dichterin in Deutschland. Im
Irak arbeitete sie nach ihrem Studium der Anglistik als Journalistin für Presse
und Fernsehen. Sie verließ ihre Heimat und ging zuerst nach München und
1997 nach Berlin. Sie gründete in Deutschland die erste und einzige zwei
sprachige Zeitschrift Diwan, eine Zeitschrift für arabische und deutsche Poe-
sie. Unter den arabischen Schriftstellerinnen ist sie eine aktive Dichterin, die
immer in der Presse über die Probleme ihrer Heimat spricht. Im Jahre 2000
war sie die Organisatorin eines erfolgreichen arabisch-deutschen
Lyrikfestivals in Sanaa im Jemen.
256 Vgl. KEEVE, Viola: Purim, Putsch und Pubertät „Durch Bagdad fließt ein dunkler Strom“: Mona Yahias Roman einer jüdischen Kindheit im Irak. In: Jüdische Allgemeine. http://www.juedische-allgemeine.de/leobaeck/belletristik/buch-04580.html. Besucht am: 28.08.2007.
124
Ihr lyrischer Stil ist geprägt von stilistischer Schlichtheit und tiefem gedankli-
chen Gehalt. Ihr erster Gedichtband erschien in Bagdad unter dem Titel Der
Wein der Wunden, ihr zweiter Band Befreit mich, ihr Worte wird im Am-
mann Verlag veröffentlicht. In London 1999 erschien ihre Gedichtsammlung
Enheduanna, die Priesterin der Verbannung. Die Sammlung hat sufische
und mythologische Themen. Für diesen Band erhielt sie auf der Beiruter
Buchmesse den Preis für das beste arabische Buch des Jahres 1999. 2003
erhielt sie für ihren Gedichtband 99 Schleier den Preis des Arabisch-
Libanesischen Klubs in Paris. Als Übersetzerin hat sie etwa fünf Bücher
übersetzt, darunter The death of alhalaj, ein lyrisches Theaterstück und den
Roman Where the rivers meet des amerikanischen Autors Herbert Mason,
eine Auswahl Hans Magnus Enzensbergers und Joachim Sartorius’ Lyrik.
Die Untersuchung hat ergeben, dass die arabischen Schriftstellerinnen dem
deutschen Publikum ein breites Spektrum an literarischen Genres bieten. Ins-
besondere auf dem Gebiet der realistischen Prosa haben sich die Autorinnen
mit Romanen beschäftigt. Die einzige Erzählerin Huda Al-Hilali hat sich vor
allem mit Erzählungen beschäftigt. Es wurde festgestellt, dass alle arabischen
Schriftstellerinnen in Deutschland kaum mit Märchen, Klischees und Stereo-
typen zu tun haben. Ganz im Gegenteil sind sie abgeschweift von den domi-
nanten literarischen Angeboten, so wird die Realität in den arabischen Län-
dern das Hauptthema in ihren Texten. Politische Probleme in Palästina/ Isra-
el, alltägliches Leben im Irak und das Leben der Frauen in Tunesien sind die
Themen der prosaischen Texte. Dazu sind die Frauen die Hauptfiguren in
ihren Erzählungen. Die Untersuchung hat auch ergeben, dass die arabische
Frauenliteratur in Deutschland durchaus ähnliche ästhetische Entwicklungen
durchmacht und inhaltliche Positionen vertritt wie die Vielzahl der internati-
onalen „Frauenliteraturen“. Entweder im Inhalt, in der Handlung oder im Ton
bleibt die arabische Frauenliteratur in Deutschland eine Fortsetzung der ara-
bischen Frauenliteratur in der arabischen Welt. So kann man sagen, dass die
125
Autorinnen häufig mit der Form der Ich-Erzählerin erzählen und das Leben
einer Frau in der arabisch-islamischen Gesellschaft darstellen.
Es ist festzustellen, dass die arabischen Schriftstellerinnen in Deutschland der
arabischen Kultur und Literatur dienen, indem sie die Missverständnisse über
die heutige arabische Gesellschaft bei Lesungen, Erzählabenden aufzuklären
suchen. Es ist hervorzuheben, dass sie vor allem gegen die weit verbreiteten
Vorurteile über Politik und Gesellschaft in der arabischen Welt in ihren Wer-
ken ankämpfen.
126
5 Die deutsche Rezeption syrischer Schriftsteller
5.1 Der syrisch- deutschsprachige Roman
In der vorliegenden Untersuchung der deutschen Rezeption syrisch-
deutschsprachiger Romane wird zeigen, dass die syrischen Autoren in
Deutschland sich außerhalb der Migrations- bzw. Gastarbeiterthematik be-
deutende literarische Präsenz geschaffen haben. Vor allem die Auseinander-
setzung mit dem arabischen Orient oder die Benutzung orientalischer Erzähl-
traditionen und Motive sind die besonderen Eigenschaften der syrisch-
deutschen Romane. Es sei hier an Schamis Romane erinnert. Schami hat sei-
ne Texte in erzählerischer Form veröffentlicht. Die Märchen, Kurzgeschich-
ten und Romane Rafik Schamis finden im deutschen Sprachraum große Po-
pularität unter den Zuhörern und Lesern.
Dank der jahrhundertelangen Berühmtheit der Sammlung Tausendundeine
Nacht in Deutschland als auch in anderen europäischen Ländern hat Schami
mit seinen erzählerischen Werken ein großes Lesepublikum innerhalb und
außerhalb Deutschlands gewonnen. Wegen seiner zahlreichen Referenzen
zum arabischen Erzählerbe soll im Folgenden zuerst ein Überblick über die
arabische Erzählkunst gegeben werden. Dieser Überblick wird zeigen, dass
die Rückkehr zum arabischen Erbe sich großer Beliebtheit in der modernen
arabischen Literatur erfreut. Zunächst ist es wichtig, die Wichtigkeit und die
Einflüsse der Sammlung Tausendundeine Nacht auf die Literatur in Europa
darzustellen. Hier spielen die Übersetzungen der Sammlung eine wesentliche
Rolle in der Rezeption arabischer erzählerischer Literatur. Die breite Popula-
rität der Sammlung in Deutschland hat Schami geholfen, sich in der deut-
schen Literaturszene als Erzähler in Deutschland zu etablieren und seine
Werke als Weiterentwicklung der arabischen Erzählkunst anzuerkennen.
127
5.1.1 Die arabische Erzählkunst
Im Folgenden wird einen Überblick über die arabische Erzählkunst darge-
stellt. Es wird gezeigt, dass diese Kunst seit Jahrhunderten zugleich missfiel
und begeisterte und dass sie verschiedene Entwicklungsphasen durchlief bis
sie zu einem Beruf wurde. Die Darstellung historischer Hintergründe wird
ebenfalls verstehen helfen, warum arabische Erzähler in Deutschland von
einigen Kritikern häufig negativ aufgenommen werden. Deutsche Kritiker,
die die arabische Erzählkunst als Trivialliteratur betrachten, vertreten diese
Meinung seit Jahrhunderten, weil die Araber diese Kunst selbst als Triviallite-
ratur betrachteten.
Die Erzählkunst gilt in der arabischen Literaturgeschichte als Unterhaltungs-
literatur. Die Araber waren von jeher besonders gute Erzähler. Den Stoff der
Unterhaltungsliteratur bildeten in der vor-islamischen Zeit (arab. Ğāhilīya)
an erster Stelle die Heldentaten des Stammes, die Abenteuer einzelner Hel-
den. Während der Ausbreitung des Islams wurden inerhalb und außerhalb der
Städten Arabiens darüber hinaus jene Erzählungsstoffe allmählich ersetzt
durch Legenden über den Propheten und die früheren Gottesgesandten, über
die großen Kämpfe gegen Perser usw.
Unter den Beduinen wurden die alten Erzählungen bewahrt. Die Ritterroma-
ne wie die sÐrat Ýantar werden als ihre direkten Nachkommen betrachten.
Den Hauptbestandteil der Unterhaltungsliteratur bilden Weisheitssprüche,
kurze Erzählungen und Anekdoten.257 Eine eigentümliche Art der Unterhal-
tungsliteratur sind die Maqāmāt, deren Held ein literarisch gebildeter Vaga-
bund ist, der sich durch große Gewandtheit in gebundener Sprache, durch
Schlauheit und Witz durchs Leben schlägt. Die Maqāmāt wurden neben
257 Vgl. SCHMIDT, Erich: Die orientalischen Literaturen. Mit Einleitung: Die Anfänge der Literatur und die Literatur der primitiven Völker. Die Kultur der Gegenwart. Hrsg. von Paul Hinneberg. Berlin: Teubner Verlag. 1925. S. 141f.
128
Risālat al-Èufrān und Íay bin YaqÛān auf Arabisch geschrieben. Die beiden
Sammlungen Tausendundeine Nacht und Kalila und Dimna gelten als über-
lieferte Erzählungen, die auch bekannte Arten der Unterhaltungsliteratur wa-
ren.
Obwohl die Geschichte des Erzählens in den arabischen Büchern nur im
Rahmen der arabischen Literaturgeschichte behandelt wird,258 zeigen die ara-
bischen Quellen, dass das Geschichtenerzählen als Beruf kaum bewertet
wurde. Wiebke Walther ordnet Volksgeschichten und Märchen seit der Blü-
tezeit der arabisch-islamischen Kultur zwischen etwa 850 und 1200 bis Mitte
des 19. Jahrhunderts und darüber hinaus als Trivial- oder Subliteratur ein.259
Dazu bemerkt sie, dass das Publikum meist aus Analphabeten bestand und
die Erzählsprache zugleich Umgangssprache war.260
Verfolgt der Forscher die Rezeptionsgeschichte der Erzählkunst in den
Schriften der arabischen Gelehrten wie Ibn An-Nādīm, zeigt die Untersu-
chung auch, dass diese Gelehrten sich davon distanzierten, weil sie die Er-
zählkunst als Trivialkunst betrachteten.261 Weil die Geschichten der Samm-
lung Tausendundeine Nacht in der einfachen, schlichten gesprochenen Spra-
che der Zeit, dem Mittelarabischen, abgefasst war, wurde sie Jahrhunderte
lang von den arabischen Intellektuellen unterschätzt.262
Der Ursprung des Geschichtenerzählens als beruflicher Tätigkeit findet sich
in den ersten beiden Jahrhunderten des Islams. Damals teilte sich das Ge-
schichtenerzählen in zwei Teile: In religiöse Erzählungen und in säkulare
258 S. WALTHER, Wiebke: Kleine Geschichte der arabischen Literatur. München: C.H. Beck Verlag. 2004. 259 Vgl. ebd. 260 Vgl. ebd. S. 22. 261 Vgl. SHARAF, Muhammad Zouheir: August von Platen und die arabische Welt. Berlin: dissertation.de-Verlag im Internet. 2003. S. 69. 262 Vgl. EL WARDY, Haimaa: Tradition und Innovation. Die Anwendung von 1001 Nacht als Medium der politischen und sozialen Kritik in der europäischen und der arabischen Literatur. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. Nr. 16/2005. http://www.inst.at/trans/16Nr/07_1/elwardy16.htm. Besucht am: 27.11.2007.
129
Erzählungen. Die Erzähler erzählten damals islamische Erzählungen und reli-
giös erbauliche Geschichten über Propheten in den Moscheen; daneben wur-
den ebenso die bekannten Volksgeschichten erzählt.263 Diese Erzähler wur-
den damals als QuÒÒāÒ bezeichnet.264 Als die QuÒÒāÒ auf den Marktplätzen zu
erzählen begannen, wurden sie mit Misstrauen betrachtet, weil deren Interes-
se weniger in erbaulichen Zielen lag, sondern von finanziellen Zielen be-
stimmt war. Dennoch entwickelte sich das Geschichtenerzählen als beliebter
und einträglicher Beruf.265
Nach Irwin sind die säkularen Erzählungen aus der Tradition des Theaters
hervorgegangen. Die arabischen Quellen zeigen, dass die Schauspielkunst
nach dem Ende des byzantinischen Reiches in der arabischen Welt weiter-
entwickelt wurde. Der Ursprung säkularer Erzählungen geht auf Possenspie-
le zurück, die wiederum ihren Ursprung im griechischen und römischen
Reich haben. Diese Possenspiele wurden später in arabischen Regionen auf-
geführt.266
Nach Irwin wurde das Kaffeehauserzählen in den arabischen Ländern nach
der Eroberung Ägyptens und Syriens 1516 durch die Osmanen zum Beruf.267
Die Erzähler haben in jedem arabischen Land unterschiedliche Bezeichnun-
gen: in Ägypten werden sie rāwī bezeichnet, in Marokko MuÎaddī× und in
Syrien Îakawātī. Jeder Erzähler verfügt über seine eigene Erzählmethode;
durch sie unterscheidet er sich von anderen Erzählern.
263 Vgl. IRWIN, Robert: Die Welt von Tausendundeiner Nacht. Aus dem Englischen übersetzt und für den deutschen Leser ergänzt von Wiebke Walther. Frankfurt am Main: Insel Verlag. 1997. (Originalausgabe London 1994). S. 131. - Vgl. WALTHER: Kleine Geschichte der arabischen Literatur. S. 255. 264 Vgl. EL WARDY: Das Märchen und das Märchenhafte in den politisch engagierten Werken von Günter Grass und Rafik Schami. S. 30. 265 Vgl. ebd. S. 132. 266 Vgl. ebd. S. 133. 267 Vgl. IRWIN: Die Welt von Tausendundeiner Nacht. S. 136f
130
Die Kaffeehauserzähler besetzen Narrenfreiheit und dürfen die Obrigkeit
kritisieren. Ihre Erzählungen haben sozialkritische Hintergründe, und das
Wichtigste ist ihre Glaubwürdigkeit, trotz vieler Übertreibungen. Zwar über-
treiben die Erzähler in ihren Erzählungen, aber es bleibt dabei immer ein
Stück Wahrheit erhalten. Die Erzähler erfüllen zwei wichtige Aufgaben. Zum
einen mussten sie für die Unterhaltung ihrer Zuhörer sorgen. Zum anderen
hatten sie das Wissen um bestimmte historische Ereignisse an das Volk wei-
terzugeben. Durch Erzeugen von Spannung versuchen die Erzähler ihre Zu-
hörer wach zu halten. Erreichte die Erzählung ihren höhenpunkt, unterbra-
chen sie sie, um sie am folgenden Abend fortzusetzen. Sie mussten ihre Zu-
hörer mit ihrer Erzählungen so fesseln, damit sie am nächsten Tag ins gleiche
Cafe zurückzukehren. Das Honorar bekommt der Erzähler normalerweise
vom Kaffeehausbesitzer.
Heute beschränkt sich das arabische Geschichtenerzählen der Kaffeehauser-
zähler auf ein kleines Publikum in den Kaffeehäusern. Vor allem während
religiöser Feiertage und besonders während des Ramadan trifft man vermehrt
auf Kaffeehauserzähler. Von den bekannten Volksgeschichten werden die
Erzählungen über AÛ-Úaher Bibirs, ÝAntar Bin ŠaddÁd und AbÙ Zaid al-
HilÁlÐ immer wieder in den Kaffeehäusern erzählt. Die Kaffeehauserzähler
greifen jedoch nicht nur die klassischen Themen auf. Die besten unter ihnen
machen die Zeit, in der sie selbst leben, zum Thema. Schließlich kann man
sagen, dass das Fernsehen Bzw. das Radio die Volkskunst zerstören haben.
Fast in jedem Cafe steht inzwischen ein solcher Apparat.
5.1.1.1 Die Erzählkunst zwischen Aussterben und Wiederbelebung
Die Erzählkunst hat in Arabien ebenso wie in Deutschland eine lange Traditi-
on. In Arabien war die Erzählkunst seit Jahrhunderten eine beliebte mündli-
che Kunstform, in der Volksgeschichten, Heldenerzählungen und Märchen
131
entstanden und entwickelt wurden. Gleichzeitig löste diese Kunst seit ihrer
Entstehung Missfallen in den arabischen Ländern aus. Trotz der negativen
Urteile bleibt diese Kunst bis heute lebendig. In ihrer frühen Entstehungszeit
war vor allem die Wüste die große Förderin dieser Kunst.
Das nomadische Leben und die langen Reisen waren die wichtigen Gründe
für die Entstehung und der Entwicklung der oralen Kunst als ein Unterhal-
tungsmittel. Heute, seit den 50er Jahren ist die Funktion der Erzählkunst im
Orient laut Enno Littmann eine andere als in den früheren Epochen. In dem
folgenden Zitat beschreibt Littmann das Erzählen als ein Unterhaltungsmittel,
das von anderen Unterhaltungsmitteln verdrängt wurde:
Die Märchenwelt ist jetzt eine andere geworden: früher ging man zum Erzähler, und beim Anhören der Märchen mag man-cher arme Lastträger nach des Tages Mühe sich glücklich ge-fühlt haben in dem Gedanken, dass auch ihm einmal eine Prin-zessin beschert werden könne wie dem Helden in der Geschich-te; jetzt hat, wenigstens in den größeren Städten des vorderen Orients, das Lichtspieltheater die Erzähler verdrängt.268
Im Laufe des 20. und 21. Jahrhunderts kehrte man in der arabischen Literatur
zur Erzählkunst zurück, und es erschienen zahlreiche Werke, die grundsätz-
lich von der Sammlung Tausendundeine Nacht inspiriert wurden.269 Zahlrei-
che arabische Schriftsteller, die in arabischen Ländern oder im Exil leben,
beschäftigen sich zunehmend mit der Erzählkunst und sind von den Erzäh-
268 LITTMANN, Enno: Arabische Märchen. Leipzig: Insel-Verlag. 1968. 3. Aufl. S. 413. 269 Die Rückkehr zu literarischen Quellen half dabei der modernen arabischen Literatur, einen besonders innovativen Charakter zu entwickeln. Wichtig ist zu erwähnen, dass die moderne arabische Werke, die von Scheherazade inspiriert wurden, nicht von der arabi-schen Originalsammlung direkt beeinflusst wurden, sondern von den europäischen Über-setzungen der Sammlung, in denen deutlich romantischen Züge erscheinen. Die Untersu-chung der modernen arabischen Werke ergibt, dass die Inspiration von Tausendundeine Nacht nicht nur auf dem Gebiet des Romans deutlich erscheint, sondern auch auf dem Gebiet des Theaters. Dies wird insbesondere in den Dramen des 19. Jahrhunderts und später in den Dramen der 30er und 40er Jahre des 20. Jahrhunderts deutlich. Vgl. WALTHER, Wiebke: Tausendundeine Nacht. München: Artemis Verlag. 1987. S. 162.
132
lungen der Sammlung Tausendundeine Nacht inspiriert. Dies erscheint
schriftlich in den veröffentlichten Werken bzw. in den Veranstaltungen.270
Ebenso blühte in Deutschland das Erzählen von Märchen und Erzählungen
seit dem 18. Jahrhundert und in der Epoche der Romantik auf und erfreute
sich großer Beliebtheit. Die Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm
sind neben Wilhelm Hauffs Märchen und einigen bekannten orientalischen
Geschichten aus Tausendundeiner Nacht gute Beispiele dafür.271 Aber nach
dem Zweiten Weltkrieg ist diese Kunst fast ausgestorben.
Das mündliche Erzählen im letzten Jahrzehnt in Deutschland ist beim Publi-
kum wieder auf große Beliebtheit gestoßen,272 deshalb hat diese Rückkehr
zur Erzählkunst die in Deutschland lebenden arabischen Erzähler ermutigt,
neue Erzählungen zu erfinden und bekannten Erzählungen neue Formen zu
verleihen. Dabei nutzten die arabischen Vertreter dieses Genres die deutsche
Literaturszene, in der sie Gehör fanden. Unter den arabischen Erzählern in
Deutschland ist Schami der Bekannteste. Er erneuerte die Erzählkunst und
betonte, dass diese Kunst Erneuerungskraft trotz des neuen Lebensstils ent-
hält. Er ließ es nicht nur auf dem erzählerischen Stil in seinen Werken be-
wenden, sondern betrieb selbst für lange Jahre das mündliche Erzählen in
Deutschland.
270 In Ägypten haben die Schriftsteller Taufiq El-Hakim (1898–1987) und Taha Hussain (1889–1973), die beide in Frankreich studiert hatten, indirekte soziale und politische Kri-tik in ihre Vorträge eingearbeitet. Beide gelten nicht nur als Vertreter der modernen arabi-schen Literatur, sondern auch als namhafte Schriftsteller, die die Märchensammlung Tau-sendundeine Nacht für die arabische Literatur wiederentdeckt haben. In ihren eigenen Werken tauchen Elemente auf, die deutlich durch die Sammlung Tausendundeine Nacht inspiriert wurden. Taufiq El-Hakims Werk Scheherazade (1934) gilt als das erste moderne Drama, das deutlich als eine Nachahmung von Tausendundeiner Nacht gilt. Außerdem sind deutliche Einflüsse französischer Dramenkunst, insbesondere der französischen Sym-bolik in diesem Drama zu erkennen. 1936 schrieb Taufiq El-Hakim gemeinsam mit Taha Hussain, einem renommierten ägyptischen Autor, einen Märchenroman mit dem Titel al-QaÒr al-MasÎūr (dt. Das Zauberschloss). 1943 veröffentlichte Taha Hussain eine phanta-sievolle Märchenallegorie unter dem Titel AÎlÁm ŠahrazÁd (dt. Scheherezades Träume). Siehe auch MACHFUZ, Nagib: LayÁlÐ alf lailÁ (dt. Die Nacht der tausend Nächte). (1982). – ED-DAHABI, Cheiri: LayÁlin ÝarabÐya (dt. Arabische Nächte). (1978). 271 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 91. 272 Vgl. KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 151.
133
Schami betont den Mangel an Erzählern in Deutschland, obwohl die Erzähl-
kunst ein beliebtes Genre ist. Mit Ausnahme von Patrick Süskind, erzählten
seiner Ansicht nach die deutschen Schriftsteller nicht. Schami nutzt die
Chance und füllt die Marktlücke:
Hier [in Deutschland] aber gebe es keine literarischen Abende mit Erzählgut, nur Lesungen mit wichtigen Texten – das erinne-re ihn [Schami] an Predigten von der Kanzel. Woher die Ar-mut? Hunger und Not als Quelle des Erzählens, nein, das ist ihm zu einfach. Vielleicht liege es daran, dass an den Menschen jetzt das Leben zu schnell vorbeirausche, denn ein guter Erzäh-ler benötige ein langes Gedächtnis.273
Schami tritt hier vor allem als Kulturschaffender auf, der wie ein Botschafter
die Kunst des arabischen Erzählens in Deutschland vermitteln und verbreiten
will. Durch diesen Kulturaustausch verändert sich Schamis Erzählkunst un-
vermeidlich und hebt sich von der klassisch arabischen ab. Dieser Prozess des
Vermittelns und des Umformens soll in den folgenden Abschnitten eingehend
analysiert werden. Wichtig ist hierbei besonders die Frage, inwiefern er sich
von den orientalischen Stereotypen und Klischees entfernt oder wieweit er
sich den Erwartungen des deutschen Publikums annähert.
5.2 Zur deutschen Rezeption Rafik Schamis
5.2.1 Biographie
Rafik Schami „SuhÐl FaÃil“ ist ein Deutsch schreibender Autor syrischer
Herkunft. Als Angehöriger der arabischen Minderheit lebt er seit etwa 38
Jahren in Deutschland. Aufgrund seines Erfolges in Deutschland ist er ein
Sonderfall unter den deutsch-arabischen Schriftstellern und gilt bis heute als
273 AIFAN: Araberbilder. S. 257.
134
der bekannteste deutschsprachige Schriftsteller nichtdeutscher Herkunft.274
Schami begann in Syrien zu schreiben; zu publizieren jedoch begann er erst in
Deutschland. Für seine Werke hat er zahlreiche Auszeichnungen und Litera-
turpreise erhalten. In etwa 25 Sprachen wurden seine Werke übersetzt. In
Syrien ist er bis heute kaum bekannt; seine Bücher - außer sein Roman Der
geheime Bericht über den Dichter Goethe - sind noch nicht ins Arabische
übersetzt worden.
Schami wurde am 23. Juni 1946 in Damaskus als Kind einer aramäisch-
christlichen Familie geboren. Seine Eltern stammen aus Malula275, aber er
lebte mit seiner Familie in einem christlichen Viertel der Altstadt von Damas-
kus, zu einer Zeit, in der es keine Trennung zwischen den Vierteln gab. Die
Stadt seiner Kindheit, Damaskus, ist eine der ältesten Städte der Welt. In
dieser Stadt leben verschiedene Religionsgruppen: Muslime, Christen und
Juden; zudem kleine Religionsgemeinschaften wie Drusen und Yeziden sowie
unterschiedliche ethnische Gruppen wie Araber, Aramäer, Kurden, Tscher-
kessen, Armenier und Palästinenser. Schamis Angehörigkeit der christlichen
Religionsgruppe in Damaskus und der arabischen Minderheit in Deutschland
hat deutlich seine Beschäftigung mit Minderheitsprozessen in seinen Werken
beeinflusst.
Der Blick auf Schamis Biografie zeigt seine sprachlichen Fähigkeiten. Die
deutsche Sprache ist eine von fünf Sprachen, die Schami beherrscht; die an-
deren vier sind Arabisch, Aramäisch, Französisch und Englisch. Seine Mut-
tersprache ist Aramäisch, die in seiner Herkunftsstadt Malula gesprochen
wird. Die Sprache seiner Kindheit ist Arabisch; Französisch lernte er in den
ersten Schuljahren und in einem Kloster-Internat im Libanon, wo er zwei
Jahre nur Französisch sprach. Sein Vater wollte, dass Schami Priester wird.
274 Vgl. BAVAR: Aspekte der deutschsprachigen Migrationsliteratur. S. 90. 275 Malula ist ein kleines Dorf in Syrien, das in der Nähe von Damaskus liegt und ist von etwa 5.000 Christen bevölkert, die aramäisch sprechen. Vgl. ROTTER, Gernot: Syrien. Nürnberg: Edition Erde. BW Verlag. 1995. S. 170.- Vgl. TRAUZETTEL, Helmut: Syrien. Berlin: VEB Verlag. 1988. S. 45.
135
In der Oberschule lernte er Englisch. Deutsch hat Schami im Exil gelernt;
Deutsch und Arabisch sind seine literarischen Sprachen. Essays und Beiträge
für arabische Zeitungen schreibt Schami auf Arabisch; Arabisch war auch die
Sprache seiner früheren unveröffentlichten literarischen Texte. Es gab viele
Beweggründe für seine Auswanderung: politische Instabilität und politische
Verfolgung in seinem Heimatland, die Angst vorm Militärdienst, die schlech-
te Situation in seiner Heimat und der Wunsch, weiter zu studieren, waren die
wichtigen Gründe, um ins Exil zu gehen. Beispielsweise benannte Schami in
dem Werk Ich habe eine fremde Sprache gewählt zwei Gründe für seine
Auswanderung:
Ich kam in die Bundesrepublik aus zwei Gründen: um zu stu-dieren und um dem Militärdienst in meiner Heimat zu entkom-men – beide Schritte sind mir gelungen, ich habe studiert, und ich habe nie einen Militärdienst leisten müssen.276
In mehreren Interviews betonte Schami seine Ablehnung von Waffen. Er hat
sich geschworen, niemals in seinem Leben eine Waffe zu tragen. Immer wie-
der wiederholt er seine Ablehnung kriegerischer Auseinandersetzungen. In
seinem Roman Der ehrliche Lügner thematisiert er seinen Hass gegen Waf-
fen:
Cousin Michael erzählte mir vom Leid des fortdauernden Krie-ges entlang der Grenze, von dem weder Israelis noch Araber je etwas erfuhren. Täglich starben junge Menschen auf beiden Sei-ten der Grenze, heimlich, als wären sie Verbrecher. In jenen Tagen reifte meine Abneigung gegen die Militärs zum Ekel, und ich schwor, niemals eine Waffe in die Hand zu nehmen. Bis heute habe? ich diesen Schwur nicht gebrochen, obwohl er mich viel gekostet hat, aber das ist eine andere Geschichte.277
Seine Entscheidung für Deutschland war ein purer Zufall. Er musste inner-
halb von drei Monaten Syrien verlassen, sonst wäre er in die Armee eingezo-
276 SCHAMI: Ein ehrlicher Lügner. S. 32. 277 SCHAMI, Rafik: Der ehrliche Lügner. Weinheim und Basel: Beltz Verlag. 1992. 1. Aufl. S. 364.
136
gen worden. Er schrieb an Bewerbungen für einen Studienplatz von Australi-
en bis Heidelberg, die dann auch die schnellste mit ihrer Zusage war. Er woll-
te eigentlich nach Paris, aber die Franzosen waren langsam mit den nötigen
Formalitäten.278
Schami floh aus Syrien zunächst in den Libanon und dann nach Deutschland.
1971 emigrierte er in die Bundesrepublik. In den Jahren 1971-79 studierte er
an der Universität Heidelberg und schloss sein Studium der Chemie mit der
Promotion ab. Während seines Studiums arbeitete er als Aushilfskraft in Res-
taurants und Kaufhäusern.
1973 begann er seine literarische Tätigkeit. In den 70er Jahren veröffentlichte
er Texte und Vorträge in arabischen und deutschen Zeitschriften und Antho-
logien. In dieser Zeit war er Mitbegründer der Literaturgruppe „Südwind“
und des Vereins „Polikunst“. In der Zeit von 1980 bis 1985 war er Mithe-
rausgeber und Autor der Reihe „Südwind-Gastarbeiterdeutsch“.279 Seit 1982
lebt er als freier Schriftsteller und wurde im Jahre 2002 Mitglied der Bayeri-
schen Akademie der Schönen Künste.
In Syrien war Schami vorwiegend als Essayist in Erscheinung getreten, hatte
jedoch bereits zahlreiche kürzere Prosatexte, Lieder und Theaterstücke ver-
fasst. Diese Texte blieben lange ohne Publikationsmöglichkeit. Deshalb be-
zeichnet er diese Schwierigkeiten als Hürden und verwendet den Hürden-
lauf280 als Metapher für seinen langen Kampf zu publizieren. In seinem Werk
Hürdenlauf beispielsweise schrieb er über die Dominanz seines Vaters281 und
278 Vgl. OHSWALD, Alfred: Interview mit Rafik Schami. In: Buchkritik 09.11.2004. 279 Vgl. AL–MAALY/NAJJAR: Lexikon arabischer Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts. S. 239ff. 280 SCHAMI, Rafik: Hürdenlauf. Frankfurt am Main: Freundeskreis des Inset. Für Jugendbuchforschung. 1996. 281 Sein Vater teilt mit ihm nicht das Interesse an Studium und Schriftsteller zu werden. Der Vater behauptete, dass Schriftstellerei als Beruf so wenig verdient. Trotzdem wollte Schami nicht als ein Bäcker wie sein Vater zu werden, so entschied er sich Texte zu schreiben und versuchte immer zu veröffentlichen.
137
den Raub seiner ersten literarischen Schreibversuche durch einen Redakteur
des Rundfunks in Damaskus. Dazu beschreibt er seine ersten dichterischen
Versuche, die er schrieb, nachdem er viele klassische arabische Gedichte
auswendig gelernt hatte. Er selbst aber betrachtet sich nicht als ein Dichter,
sondern will lediglich Geschichten erzählen und schreiben. Ein besonderer
Einschnitt in seiner Kindheit wird deutlich in seinem biographischen Roman
Eine Hand voller Sterne beschrieben.
Unter den arabischstämmigen in Deutschland lebenden Autoren ist Schami
ein Autor, der viel publiziert. Mit seinen Büchern wurde Schami nicht nur
einer breiten Öffentlichkeit in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern
bekannt. Bis heute veröffentlichte er etwa 30 Werke der Genres Kinder- und
Jugendliteratur oder Romane für Erwachsene. Zu den wichtigsten seiner
Publikationen gehören die folgenden: In Märchen aus Malula erzählt Schami
die schönsten überlieferten Geschichten aus Malula. Die Geschichten sind
von dem Zauber des Orients geprägt, voller Witz und Weisheit. In Erzähler
der Nacht, der bis heute als einer seiner erfolgreichsten Romane gilt, er-
scheint die arabische Erzählkunst als Erbe von Scheherazade aus Tausend-
undeiner Nacht. Eine Hand voller Sterne ist ein Tagebuch; darin beschreibt
Schami sein Leben in Damaskus als Kind. In Die Sehnsucht fährt Schwarz
erzählt Schami, im Gegensatz zu seinen anderen Werken, die Geschichte
eines Arbeitsemigranten in den 70er Jahren in Deutschland. Zusammen mit
zwei anderen Autoren veröffentlicht er zwei Werke; gemeinsam mit Marie
Fadel schrieb er ein Buch über Damaskus mit dem Titel Damaskus im Her-
zen, in dem sie alles Wissenswerte über diese Stadt zusammengetragen ha-
ben. Zusammen mit Uwe Michael Gutzschhahn schrieb er Der geheime Be-
richt über den Dichter Goethe. Mit fremden Augen ist eine Essaysammlung,
die aus dem Wunsch nach einer friedlichen Aussöhnung zwischen Israel und
den Palästinensern heraus entstand. Es besteht aus Tagebuchnotizen und
umfasst den Zeitraum vom Oktober 2001 bis Mai 2002; Schami kommentiert
darin wichtige Aspekte der Terroranschläge vom 11. September 2001 mit
138
Humor und Ironie. Vom Zauber der Zunge enthält vier Diskurse über das
Thema Erzählen; Schami nutzte den Adelbert-von-Chamisso-Literaturpreis
als Anlass, um über seine Arbeit zu erzählen und den Leser daran teilhaben
zu lassen. Er sprach über die arabische Erzählkunst, die fiktive Gestalt Onkel
Salim und sein Damaskus, vor allem über sich als Erzähler und Schriftsteller.
Einige seiner Werke wurden als Kinder- und Jugendliteratur kategorisiert,
wie Reise zwischen Nacht und Morgen und Der geheime Bericht über den
Dichter Goethe. Die anderen Kindergeschichten hat er bewusst für Kinder
und Jugendliche geschrieben, wie u.a. Das ist kein Papagei, Wie ich Papa
die Angst vor Fremden nahm. Dank der guten Rezeption einiger Werke
konnte er sich eine Existenz als Schriftsteller in Deutschland aufbauen. Fol-
gende Werke fanden in Deutschland eine breite Leserschaft: Erzähler der
Nacht, Eine Hand voller Sterne und Die dunkle Seite der Liebe. Als Prosa-
schreiber gilt Schami als der erste Autor unter den arabischen Autoren, der
ein großes Publikum innerhalb und außerhalb Deutschlands hat. Insbesondere
hatte der Roman Eine Hand voller Sterne ihn international bekannt gemacht
und ihm positive Kritik eingebracht.
5.2.2 Die Frage des Schreibens bei Rafik Schami
Bevor der Aspekt des Schreibens bei Schami untersucht werden wird, soll an
dieser Stelle kurz die Geschichte seines Pseudonyms dargestellt werden. Die
Geschichte des Pseudonyms „Rafik Schami“ begann in Syrien. SuhÐl FaÃil, so
lautet sein bürgerlicher Name, wollte sich aus politischen Gründen einen an-
deren Namen zulegen. „Rafik Schami“ bedeutet „Damaszener Freund“, SuhÐl
bedeutet auf Arabisch „Morgenstern“ und FaÃil bedeutet „vortrefflich“. Als
Kommunist verlieh Schami seiner kommunistischen Ideologie in Syrien einen
Ausdruck; „RafÐq“ ist eine Bezeichnung aus dem Milieu der kommunisti-
schen Partei, in der die Mitglieder sich mit RafÐq (Genosse) anstatt mit ihren
bürgerlichen Namen ansprechen. Aus Furcht vor politischer Verfolgung, gab
139
er sich diesen Namen. Er wollte auch keinen christlichen Namen wählen oder
sich Maluli nennen, obschon er sich beinahe Rafik Maluli genannt hätte. Der
Name „MaÝlÙlГ hätte ihn mit seiner Geburtsstadt verbunden, der Name
„Schami“ jedoch verband ihn vielmehr mit seiner geliebten Stadt Damaskus.
So hat er „Schami“ ausgewählt, weil „Schami“ ein in Syrien weitverbreiter
Name ist, den viele Menschen unterschiedlicher Religionen tragen. So ent-
schied sich der Kommunist für „Rafik Schami“.282
1998 hat Schami in einem Interview die Geschichte der Namenswahl und die
Gründe dafür dargelegt:
[Schami] bin ich, ich lebte in Damaskus, und das Wort hört sich im Arabischen schön an. (Rafik Schami) ist mehr als Pseudo-nym, es ist ein Stück Identität von mir (Rafik) bedeutet (Freund), (Genosse), (Weggefährte) und (Schami) bedeutet Damaszener. (Scham) ist einer Liebeserklärung an Damaskus, und (i) bedeutet – wie im Deutschen die Endsilbe –er). Ich habe das Namenselbst gewählt und dieser Name gewährte mir Schutz. Nur eine Person wusste in Damaskus, wer sich hinter diesem Pseudonym verbirgt. Es ist ein Name, der mir sehr nahe ist. Als ich nach Deutschland kam, war für mich das größte Ge-schenk, dass (Rafik) und (Schami) ohne Fehler ausgesprochen werden können. Der Name hat aber vor allem etwas mit mei-nem neuen Weg in der Literatur zu tun, ich habe nur unter die-sem Namen Literatur geschrieben.283
5.2.2.1 Das Schreiben auf Arabisch
Das Schreiben auf Arabisch hielt bei Schami nicht lange an, besonders nach
den vielen misslungenen Versuchen, seine Werke bei arabischen Verlagshäu-
sern zu verlegen. Bereits nach er nach Deutschland auswanderte entschied
sich Schami schließlich, seine Manuskripte ins Deutsche zu übersetzen und
an deutsche Verleger zu schicken. Bei der Untersuchung seiner ersten auf
282 SCHAMI: Hürdenlauf. S. 14. 283 SCHAMI: Ein ehrlicher Lügner. S. 31.
140
Arabisch verfassten Schriftstücke wird deutlich, dass er als Junge surrealisti-
sche Texte und Märchen schrieb; als Fünfzehnjähriger (damals in Damaskus
lebend) schrieb er sein erstes satirisches Theaterstück Die Buchstaben, in
dem er die Alphabetisierungskampagne der Regierung zum Thema nahm. Er
schickte diesen Text zu einem Kulturredakteur, der ihm jedoch das Stück
stahl und unter seinem eigenen Namen hat aufführen lassen. Diese persönli-
che Geschichte erzählte Schami in seinen Roman Eine Hand voller Sterne.284
In Die dunkle Seite der Liebe, Kassiber und Eine Hand voller Sterne verar-
beitete er literarisch seine Begegnung mit Amin Mardini, einem Mitglied der
Kommunistischen Partei Syriens. Voller Angst hat er seine ersten Texte
Mardini vorgelegt, der ihn ermutigte und ihn in Sprache und Stil unterwies.
Von Mardini lernte Schami den Grundsatz: „Je revolutionärer ein Text, um-
so verständlicher muss er sein.“285 Die gesammelten Erfahrungen Mardinis
nutzte Schami in seinen Texten, die er für die regierungskritische Zeitung aš-
ŠarÁra (dt. Der Funke) schrieb.286 Mardini ermutigte den damals 17-Jährigen,
in die kommunistische Partei Syriens einzutreten und Werke der Weltliteratur
zu lesen.
Insbesondere las Schami die Werke linker europäischer und russischer Auto-
ren wie William Faulkner, Amado, Gamus und Gorki. Über Mardinis Einfluss
schrieb Schami in seinem Buch Hürdenlauf:
Und weil er mir von Amado, Gorki und Camus vorschwärmte, wagte ich eines Abends, ihm meine Texte zu zeigen. Diesen ei-nen Abend werde ich mein Leben lang nicht vergessen, weil er meine Überwindung der Hürde Schule einleitete. Er fragte mich, ich war gerade 16, warum ich meine Fähigkeit nicht im Dienste unseres Volkes einsetzte. Er kenne viele Jugendliche, die gern meine Texte lesen würden. Amin Mardini war Kom-munist. Ein Jahr darauf war ich auch einer […] Von Amin näm-
284 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 40. 285 SCHAMI: Hürdenlauf. S. 10. 286 Ein Jahr vor dem Abitur gründete Schami mit vier anderen Jungen die Zeitung aš-ŠarÁra.
141
lich lernte ich: Je revolutionärer ein Text, umso verständlicher muss er sein. Ein heikler Satz, der mir später Probleme machte […] Meine Schulaufsätze waren nicht besonders gut, weil ich bei jedem Thema das Wort Kampf nach drei Zeilen einflechten musste. Ich lebte nur noch mit diesem Vokabular.287
Schon 1975 in Heidelberg begann er, deutsch zu schreiben und seine arabi-
schen Texte ins Deutsche zu übersetzen. Der Entschluss, mit dem Schreiben
auf Arabisch aufzuhören, fiel im Januar 1977.288 Trotz der Angst und heftiger
Selbstzweifel erkannte Schami, dass seine Texte seinem Publikum gefielen.
Verglichen mit seinen auf Deutsch geschriebenen Texten hält er seine arabi-
schen Texte für nichtig. Dagegen hält er, trotz des Lobes von Freunden und
Bekannten, seine auf Deutsch geschriebene Texte für „primitiv“ und sein
Deutsch als spröde und bar jeglicher Eleganz.289 So fing Schami an, an sei-
nem Stil zu arbeiten und die bevorzugt deutschen Schriftsteller wie Karl
Kraus und Oskar Panizza zu lesen und von ihren Schreibstils zu lernen.
5.2.2.2 Die Initiation in das Schreiben auf Deutsch
Die erste Eigenveröffentlichung in deutscher Sprache war Andere Märchen.
Diese Sammlung wurde 1978 in der Bundesrepublik verlegt. Dann schrieb
Schami märchenhafte Texte, die in rascher Folge publiziert worden waren.
Als nächstens wurde sein erstes Bilderbuch Der Wunderkasten veröffentlicht.
Diese Werke erschienen nach langen Jahren, in denen Schami kein Werk zu
publizieren versuchte. Er war beschäftigt mit dem Erlernen der deutschen
Sprache und mit den mündlichen Erzählungen, die er auf Veranstaltungen
vortrug. In Interviews sagte er, dass er für etwa dreieinhalb bis vier Jahre in
Deutschland verstummt war. Dieses geschah aufgrund des Schocks, sich als
Migrant in neuem Land mit neuen Umständen wiederzufinden. Über die Lö-
sung sagt Schami:
287 Ebd. 288 Vgl. SCHAMI: Ein ehrlicher Lügner. S. 32f. 289 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 75.
142
Das Verstummen ist eine Realität, hervorgerufen durch die Überraschung von allem neuen und andererseits durch die Sprache. Ich bin mit der Sprache befreundet, mit mehreren Sprachen, und deshalb hatte ich den Anspruch, die deutsche Sprache lieb zu gewinnen, nicht zu beherrschen. [...] Verstum-men, das heißt, die Gedanken, tiefgehende Gedanken konnte ich nicht ausdrücken, das war eine aufgezwungene Stummheit. Es dauerte etwa dreieinhalb bis vier Jahre; ab dem vierten Jahr fing ich an, mich in kleinen Artikeln und Mini-Essays zu äußern. Diese Zeit war notwendig, um die deutsche Sprache näher ken-nen zu lernen.290
Neben kleiner Artikel schrieb Schami ganze Bücher bedeutender deutsch
schreibender Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts ab, wie Bertolt Brecht,
Heinrich Heine, Anna Seghers, Karl Kraus und Peter Altenberg. So lernte er
die deutschen Stile, Schreibweisen und die Schönheit der Wörter. Er studier-
te auch die Techniken, die Tricks und die Unzulänglichkeiten der Autoren.
Besonders Thomas Mann, Kurt Tucholsky oder Günter Grass dienten ihm als
sprachliche Vorbilder.291
Nach der Fertigstellung eines Textes feilt Schami noch lange an ihm. Diese
Schleifarbeit beansprucht eine lange Zeit, bis er sicher ist, dass sein Text fer-
tig ist. Er nennt diesen Schritt Haltbarkeit, in dem der Text warten muss und
bearbeitet wird.292 Zunächst überarbeitet ihn ein Lektor. Der Lektor ist für
Schami sehr wichtig, weil seine Arbeit an dem Text ihm hilft, den Text in
eine passende Form zu bringen und die Fehler zu reduzieren. Zudem ist er ein
kritischer Leser und bearbeitet den Text auf der sprachlichen, grammatischen
und künstlerischen Ebene. Beispielsweise entdeckte Schami in der 10. Aufla-
ge seines 900-Seiten-Romans Die dunkle Seite der Liebe Fehler, die trotz
eines Verlagskorrektorats übersehen wurden und obwohl er selbst an dem
Roman lange gearbeitet hat.293
290 SCHAMI: Ein ehrlicher Lügner. S. 32. 291 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 76. 292 Vgl. SCHAMI: Ein ehrlicher Lügner. S. 39. 293 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 76f.
143
Der Lektor spielt in Schamis Werken eine zentrale Rolle. Er beurteilt Scha-
mis Text und weist auf die sprachlichen Schwächen, grammatischen Fehler
u.a. hin. Seit dem Beginn seiner literarischen Tätigkeit in Deutschland be-
schäftigte Schami private Lektoren, die seine Texte von den für einen
Fremdsprachler grammatikalischen Fehlern frei machen. Von Anfang an war
Schami sich bewusst, dass ein schon korrigierter Text größere Chancen hat,
von einem Verlag angenommen zu werden. So versuchte er, korrekte Texte
vorzulegen.294
Schami ist überzeugt, dass das Schreiben einen hohen Grad harter Arbeit
erfordert, bis Autor und Leser das Werk zufrieden in den Händen halten
können. Sein eigener Stil wächst und entwickelt sich weiter. In seinem Che-
miestudium lernte er die Exaktheit, die in seine Erzählkunst einfließt. Über
die Rolle seines Chemiestudiums und seine Erfahrungen schreibt Schami:
Die Chemiker sind exakt in ihrer Sprache, das trage ich in mir. Dazu trage ich in mir die List eines Orientalen, der durch die Jahrhunderte der Unterdrückung durch einen Zentralkalifen oder Sultan gelernt hat, dem nicht direkt zu sagen, du bist ein Dummkopf, sondern zu sagen: ich erzähle dir von einem Lö-wen, der ziemlich dumm war. Diese beiden Strömungen synthe-tisiere ich in meinem Inneren, in meiner Seele [...]Aber ich durchstöbere auch die Literatur, das ist der Chemiker in mir. Ich wollte nicht über Zirkus schreiben, sondern über Lüge und Wahrheit – das ist ein pathetisches, scheußliches Thema -, so-bald sie anfangen zu schreiben, fangen sie an zu predigen. [...] Das Leichte – nicht Seichte -, das Daherschwebende hat mich immer fasziniert. Das ist die Synthese von Chemie und List, nicht diese schwerfällige Literatur, für die man einen Notiz-block und Bleistift braucht, um alles zu notieren und tief beein-druckt ist, wie viel der Autor weiß und gearbeitet hat, der sich so wichtig fühlt. [...] Oder nehmen wir Italo-Calvino, der sagt nicht „leicht wie eine Feder“, die bei jedem Windstoss hin- und herschwebt, sondern „leicht wie ein Vogel“, der genau weiß, wo er landen will – aber ganz leicht hoch und runter geht – so
294 Vgl. ebd. S.136.
144
soll Literatur sein. Das ist die Synthese von Chemiker und Ori-entale. 295
5.2.2.3 Die Schritte der Entwicklung seines Schreibstils
Die ersten Veröffentlichungen in den 80er Jahren waren Kinderbücher und
Erzählsammlungen. Ihr Sprachstil ist einfach und schmucklos. Trost findet er
bei Brecht und dessen schmucklose, aber genial präzise Sprache. Zudem
schweift Schami in seinen Erzählung inhaltlich häufig ab. Im Vergleich zu
seinen literarischen Anfängen in den 80er Jahren, veränderte und verfeinerte
Schami seinen Schreibstil zunehmend in den folgenden Jahrzehnten.
Die künstlerische Entwicklung Schamis ist deutlich seinen Texten aus den
90er Jahren anzumerken; beispielsweise seine Romane Erzähler der Nacht
von 1989, Der ehrlicher Lügner von 1992 und besonders sein Roman Reise
zwischen Nacht und Morgen von 1995. Dazu auch sein Roman Die Sehn-
sucht der Schwalbe von 2000 und Der geheime Bericht über den Dichter
Goethe von 1999, in denen die künstlerische Entwicklung deutlich wird. In
diesen Romanen ist seine Schreibweise reif, literarisch und kunstvoll.
Seit Mitte der 80er Jahre erweiterte Schami seinen Erzählkosmos und wagte
den Sprung von der kleinen zur großen Erzählform. Sein Roman Eine Hand
voller Sterne von 1985 markiert seine Hinwendung zur größeren Erzähl-
form.296 Ein weiteres Beispiel ist sein Roman Reise zwischen Nacht und
Morgen, mit dem Schami einen erzählerisch geschlossenen Text vorlegte.297
Diesen Romanen ist anzumerken, dass die Erzählungen länger werden und
ihre Handlungsstränge komplexer. Nicht nur die zunehmende sprachliche und
stilistische Entwicklung ist der Grund seines literarischen Erfolgs, sondern
vor allem sein erzählerischer Stil. Dabei durchsetzt Schami die deutsche
295 SCHAMI: Ein ehrlicher Lügner. S. 34ff. 296 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 135. 297 Vgl. ebd.
145
Sprache mit arabischen Metaphern und bietet seinem Publikum reife kunst-
volle Texte.298
5.2.2.4 Die Quellen der Geschichten
In diesem Abschnitt wird verweisen, dass Schamis Werke mehr von der ara-
bischen als von der deutschen Kultur geprägt worden: Einerseits dient die
arabische Kultur als Hintergrund, als Handlungsort in Schamis Werke, wie
seine Romane u.a. Der ehrliche Lügner, Eine Hand voller Sterne, Erzähler
der Nacht, Die dunkle Seite der Liebe. Damaskus in den 50er und 60er Jah-
ren ist der Handlungsort in diesen Romanen.299 Die Darstellung der Quellen
der Schamis Geschichten wird erklären, dass Schamis Erzählungen an das
gesamte arabische Kulturgut anknüpfen.
Die Quellen für Schamis Geschichten werden in vier Gruppen eingeteilt: Ers-
tens ist es die Erzählsammlung Tausendundeine Nacht300, von der er das
Erzählen erlernte. Er selbst bezeichnet sich als Schüler von Scheherazade -
so bezeichnen ihn auch seine Kritiker. In mehreren Märchen, Erzählungen
und Geschichten knüpft Schami an die Erzähltradition von der Sammlung
Tausendundeiner Nacht an, übernimmt Titel berühmter Märchen aus der
298 Vgl. ebd. S. 136. 299 Vgl. ebd. S. 134. 300 Tausendundeine Nacht ist eine Sammlung von märchenhaften Erzählungen. Ihre Popularität überstieg alle Erwartungen im Orient wie im Okzident. Der ursprüngliche Kern der Sammlung Tausendundeine Nacht stammt aus Persien und trug den Titel Hazar Afsana. Die ersten arabischen Übersetzungen tauchten ca. im Jahr 800 in Bagdad auf. Etwa 960 tauchte bei al-MacÝÙdÐ (345/46–956/57) die erste Erwähnung dieser Sammlung in seinem Werk MurÙÊ aÆ-Æahab wa MaÝÁdin al-ÊawÁhÐr (dt. Goldwächen und Edelsteinminen). Trotz deutlicher persischer und indischer Motive entstand die Sammlung auf arabischen Boden. Die Geschichten der Tausendundeinen Nacht wurden hauptsächlich in Syrien und Ägypten erneut erweitert und umgeformt. Im 18. Jahrhundert wurde die Sammlung in Europa bekannt. Vgl. DIECKMANN, Hans: Zauber aus 1001 Nacht. Märchen und Symbole. Urania: Königsfurt Verlag. 2000. S. 15f.
146
Sammlung als Requisit oder parodiert Geschichten aus der Sammlung.301 An
zweiter Stelle stehen die Kaffeehausgeschichten, in denen die arabischen Kaf-
feehauserzähler traditionelle Geschichten erzählen. Die Gestalt des traditio-
nellen arabischen Erzählers ist in mehreren Werken Schamis aufgetaucht, wie
zum Beispiel in seinen Romanen Erzähler der Nacht und Der ehrliche Lüg-
ner. Drittens sind es die alten arabischen Maqāmāt von al-HamaÆānÐ und al-
ÍarÐrÐ. Diese Maqāmāt haben die arabische Erzählkunst berühmt gemacht
und dominierten die Erzählstile in der arabischen Literatur für lange Zeit.
Viertens ist es die berühmte Fabelsammlung aus der abbasidischen Zeit
Kalila und Dimna302. Als Beispiele dafür kann man seine Märchensammlun-
gen Der fliegende Baum und Das Schaf im Wolfspelz erwähnen. Fünftens
und letztens sind es die Volksmärchen aus der Heimatstadt von Schamis
Vorfahren in Malula. In seinem Werk Märchen aus Malula werden Märchen
301 Als konkrete Figur taucht Scheherazade in Schamis Werk Erzähler der Nacht auf; Schami stellt die Erzählerin Fatimah am Ende der Geschichte vor. Der begabte Erzähler Onkel Salim wurde in der Geschichte wegen der Magie einer Fee stumm und nur sieben Geschichten von seinen sieben Freunden sind die Lösung, damit Salim seine Stimme wie-dererlangt. Salim verdankt die Wiedererlangung seiner Stimme Fatimahs wunderbarer Geschichte. Im Gegensatz zur modernen arabischen Literatur verändert Schami die erzäh-lende Figur in mehreren seiner Geschichten wie Eine Hand voller Sterne, Reise zwischen Nacht und Morgen und Erzähler der Nacht, indem er sie nicht als weibliche Scheheraza-de, sondern in der Gestalt der männlichen Erzähler darstellt. Im Vergleich mit Schehere-zade zeigt Salim, dass die beiden Erzähler ihre Leben durch das Erzählen retten. Der Kutscher Salim verdient sein Brot damit, dass er seinen Reisenden interessante Geschich-ten erzählt. Während die Kutscher sich streiten, damit mehr Reisende in ihre Kutsche einsteigen, benutzt Salim sein erzählerisches Talent um sein Geld mit dem Geschichtener-zählen zu verdienen. Der Kutscher Salim wurde mit der Zeit bekannt als berühmter Er-zähler und die Reisenden reisten lieber mit ihm. Diese Variante taucht in Schamis Roma-nen Eine Hand voller Sterne und Erzähler der Nacht. 302 Kalila und Dimna ist eine Fabelsammlung, die in der abbasidischen Zeit aus dem Per-sischen ins Arabische von Ibn al-MuqaffaÝ übertragen wurde. Der Übersetzer Ibn Al-MuqqafaÝ lebte im 8. Jahrhundert in der irakischen Stadt Basra. Die Geschichten in Kalila und Dimna werden von Tieren erzählt. In allen Geschichten erscheinen die Figuren Kalila und Dimna, zwei Schakale. Die Geschichten stecken voller Weisheit, Lebenserfahrung und listiger Kritik an den Machthabern. Die Geschichten umkreisen Themen wie Treue und Untreue oder Verrat. Die Serie der Geschichten begann, als „DibšalÐm“, der König von Indien, den Philosophen und Lebenserfahrenen „BÐdpÁ“ um eine Erklärung eines Problems bat. Der begabte Philosoph erzählt ihm eine unterhaltsame Geschichte um so seine Frage zu beantworten. Die Sammlung hat die Aufgabe, die Leser Weisheit zu lehren und sie zu erbauen.
147
und Erzählungen aus Malula verarbeitet. Auch in anderen späteren Erzählun-
gen berichtete Schami über dieses Dorf.303
Aus diesen Quellen speist sich die arabische Erzählkunst Schamis. Insbeson-
dere hatten Märchen aus Malula und aus Tausendundeiner Nacht starken
Einfluss auf seinen Erzählstil. Er lernte aus diesen Märchen und Geschichten,
wie eine Erzählung die Zuhörer neugierig machen kann. Aus Maqāmāt lernte
er, wie eine Erzählung humorvoll geschrieben werden muss. Schließlich er-
scheint der Einfluss durch die Fabeln Kalila und Dimna in seinen Texten für
Kinder und Jugendliche. Tiere sind in den meisten seiner Geschichten die
Hauptfiguren, die ihre Probleme durch Weisheit, Mut und Tapferkeit lösen.
Explizit trägt Schami als Verfasser den Charakter des Philosophen BÐdpÁ,
der die Erzählfäden in der Hand hält. Aber in Schamis Texten ist der Erzäh-
ler/Philosoph innerhalb des Geschichtsrahmens nicht sichtbar. Er verwendet
diese Schreibart in den Geschichten und Märchen, die politische Motive ent-
halten. Aus der Sammlung Kalila und Dimna entnimmt Schami Motive, In-
halte und Formen. Beispielsweise erscheinen diese Einflüsse in seinen Wer-
ken Der fliegende Baum und Das Schaf im Wolfspelz; in diesen Texten er-
zählt er einige Geschichten, die ähnlich mit manchen aus Kalila und Dimna
sind.
Neben den oben beschriebenen Quellen sind Schamis eigene Erfahrungen
eine wichtige Quelle. Schami bearbeitet sein Leben in Damaskus bis in die
70er Jahre literarisch, und die Figuren, die er dort traf oder kannte, treten in
seinen Geschichten auf. In anderen Geschichten verarbeitet er seine eigenen
Erfahrungen als Immigrant in Deutschland. Schami ist von seinen eigenen
Erfahrungen und seinem Leben beeinflusst. Ein Beispiel ist sein Roman Eine
Hand voller Sterne. Darin diente ihm die eigene Kindheit als Material zu
diesem Roman. Die persönlichen Erfahrungen prägen seine Geschichten. In
303 Vgl. EL WARDY: Das Märchen, und das Märchenhafte in den politisch engagierten Werken von Günter Grass und Rafik Schami. S. 141-147.
148
erster Linie erscheint Damaskus, in dem er lebte, als eine unerschöpfliche
Quelle von Geschichten. Er betont, dass sein Leben in Damaskus ihm sehr
geholfen hat, ein Erzähler zu werden. In dieser Stadt hat er zahlreiche Ge-
schichten gehört und erlebte vieles, was er später in seiner literarischen Ar-
beit benutzten konnte:
Meine Kindheit verbrachte ich in der Altstadt von Damaskus. Wenn man aber von Damaskus erzählen will, muß man aufpas-sen, denn Damaskus ist ein Meer von Geschichten. Im Exil verwandelte sich diese Stadt meiner Kindheit in eine Idylle, ihr Staub in Perlen und die düstersten Gassen wurden von golde-nem Licht durchflutet. Es sind die Gassen meiner Sehnsucht.304
Vom bisher erwähnten Zitat kann man die Verklärung des Orients in Schamis
Werken finden. Seine eigenen persönlichen Erfahrungen werden zunehmend
von Sehnsucht und Nostalgie überzogen. Hier spricht er auch ein rhetori-
sches Element seiner Erzählungen an, wie das „goldene“, orientalische Licht.
Es ist also zu fragen, inwiefern Schamis eigene Abstammung noch relevant
ist, wenn er sich trotz seiner persönlichen Erfahrung in orientalischen Stereo-
typen verfängt, die nichts mit dieser Realität zu tun haben.
Das Sprechen mit anderen ist ebenso eine wichtige Quelle. Er hört viele Er-
zählungen von den Leuten in Syrien und Deutschland. Dazu sind die realen
Ereignisse Kerntexte Schamis. Wichtig ist hier zu erwähnen, dass ihm nach
einem Mord auf offener Straße in Damaskus in 1962 die Idee zu seinem Ro-
man Die dunkle Seite der Liebe kam.305 Diese reale Szene war sein Impuls zu
Schreiben.
Der Roman Erzähler der Nacht entstand aus einer Rede, die Schami zur Ver-
leihung des Thaddäus-Troll-Preis gehalten hatte. Aus tiefer Dankbarkeit für
die Verleihung dieses Preises an ihn, schrieb er eine ungewöhnliche Rede.
304 SCHAMI, Rafik: Murmeln meiner Kindheit: Geschichten aus Damaskus.. Frankfurt am Main. 1995. S. 11. 305 Vgl. HALTER, Martin: Geradlinig ist nur der Tod. Lieben mit Erschwernis Zulage: Rafik Schamis Damaskus-Roman. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung 30.06. 2005.
149
Diese Rede wurde zum späteren Kerntext dieses Romans.306 Die Gefahr des
Aussterbens der arabischen Erzählkunst stellt das Hauptthema in dem Roman
dar, und Schami versucht zu sagen, dass die Erzähler ihre Stimme wiederfin-
den werden.307 Statt des einzigen Ich-Erzählers verwendet Schami verschie-
dene Erzähler, die ihre Geschichten auf verschiedenste Art und Weise erzäh-
len. Die Berufe der Erzähler weisen ebenfalls auf ihr soziales Milieu, das Ni-
veau ihrer Bildung und ihr sozialen Leben hin. So das reale Leben in den
Gassen Damaskus’ wurde in seinen Roman Erzähler der Nacht sehr prägnant
eingefangen.
Oft entwickelt Schami die Idee für einen Roman nach einem Gespräch und
Anmerkungen des Gegenübers. Eine solche Begegnung beschreibt Schami
wie folgt:
Eines meiner Bücher „Das ist kein Papagei“ besteht aus einem einzigen Sprachspiel, das mir ein Freund geschenkt hat. Er sitzt bei mir und sagt, hör mal zu, ich hab mir was überlegt, du kannst was daraus machen; nämlich, warum sagen die Leute immer <Papagei>, es gibt doch auch vielleicht eine <Mamagei>, die niemand erwähnt. Und prompt war die Idee da, ich mache ein Buch über eine Mamagei. Die Mamagei sieht wie ein Papagei aus, aber sie wiederholt nicht gerne, was die andern sagen, sie sagt ihre Meinung. Diese Geschenke der an-deren können manchmal versteckt sein, passieren aus irgendei-ner Begegnung heraus. Das war charakteristisch für die Dich-ter, mit denen ich mich geschichtlich verbunden fühle.308
Von dem bisher Erwähnten kann man betonen, dass Schami von allen vor-
handenen Möglichkeiten profitiert, um eine neue Geschichte zu formulieren.
Zuerst lässt sich das arabische Erzählgut nennen, aus dem Schami in seinen
Geschichten schöpft. Dies erklärt die intensive und lebenslange Beschäfti-
gung Schamis mit dieser Quelle, so man kann ihn als einen guten Kenner
seiner arabischen Erzähltradition bezeichnen. Die erfolgreiche Verwendung
306 Vgl. SCHAMI: Ein ehrlicher Lügner. S. 42. 307 Vgl. SCHAMI: Damals dort heute hier. S. 106. 308 Ebd. S. 40f.
150
und das Profitieren von den Geschichtenquellen haben den Weg für die Ver-
breitung der Literatur von Schami in Deutschland gebahnt.
5.2.3 Die Aufnahme und Anerkennung von Schami
5.2.3.1 Der mündliche Erzähler
Als mündlicher Erzähler trat Schami in Deutschland in den 80er Jahren auf
Literaturveranstaltungen zum ersten Mal auf. Dabei stellte er dem Publikum
keine herkömmlichen deutschen Erzählungen vor, sondern typisch arabische
Erzählkunst. Neben seinem Erzähltalent verfügt er über eine schauspieleri-
sche Begabung; indem er sich auf der Bühne bewegt, macht er seine Erzäh-
lungen lebendig. Im Gegensatz zur bekannten arabischer Erzählform und
zum statischen Repertoire der arabischen Kaffeehauserzähler, reicherte
Schami seine Erzählabende mit eigenen Geschichten an.
Das Kaffeehauserzählen hat einen unsichtbaren Einfluss auf Schamis Erzähl-
technik. Schami ist der Ansicht, dass diese Erzählform keine literarische
Schöpfung ist. Schami distanziert sich jedoch als Erzähler vom Îakawātī:
Der offizielle Kaffeehauserzähler war mir als Kind, wenn ich Vater begleiten durfte, zu laut, zu theatralisch und zu primitiv. Er ist ein elender Nachfolger dieser erhabenen Erzähler, denn er erzählt nie seine eigene Geschichten, sondern ein merkwürdiges Konglomerat aus allen möglichen Versatzstücken bekannter Werke.309
Der Erfolg Schamis beim deutschen Publikum fußt zum großen Teil auf sei-
ner eigenen Erzählart. So hat er sich auf dem Gebiet der Erzählkunst durch
zahlreiche neue Erzählungen ausgezeichnet. Er beschreibt seine eigene Er-
zählart wie folgt:
309 Ebd. S. 99.
151
Ich ging davon aus, dass meine Art zu erzählen hier eher einem Ein-Mann-Theater als einer Lesung im eigentlichen Sinne glich. Viele rieten mir davon ab vorzutragen. Ich fragte mich, warum soll ein selbstbewusster Araber Europäer nachahmen? Warum kopieren Deutsche 1001 Neuheiten aus den USA und wären nicht imstande, meine neue Art zu erzählen zu akzeptieren.310
Die Sammlung Tausendundeine Nacht beeinflusste Schamis Erzähltechnik
sehr. Er lernte von der Erzählerin Scheherezade, dass man die Sprache in
eine starke Waffe gegen den Tod verwenden kann. Bei Schami wird die
Sprache zu einer Waffe gegen das Verstummen. Als „Schüler der Schehere-
zade“ hat er seine Erzählungen nicht nur mündlich erzählt, sondern auch
schriftlich niedergeschrieben. Er versteht es, mit seinen Erzählungen beim
deutschen Publikum die Sehnsucht nach einer Form des Fantastischen
wiederzuwecken. Indem er seine orientalischen Märchen erzählt, führt er sein
Publikum in die Zeit vor dem 19. Jahrhundert zurück.
1980 stand er zum ersten Mal als Erzähler auf der Bühne und begann, seine
kurzen Geschichten zu erzählen. Sein Publikum war damals ein kleiner Kreis,
bestehend aus seinen Freunden und engagierten Linken. Seine vorgetragenen
Geschichten dauerten nicht länger als 10 bis 15 Minuten, weil er in einer ihm
fremden Sprache erzählte. Später beherrschte er die Erzähltechnik und die
Sprache besser und verlängerte seine Erzählungen. Im Verlauf der 80er Jahre
wurde er vielfach von Universitäten, Bibliotheken, Volksschulen, Schulen,
Buchhandlungen oder auch von Vereinen im Rhein-Neckar-Raum zu Lesun-
gen eingeladen. Für jede Erzählung erarbeitete er eine eigene Form, um die
Lesungen abwechslungsreich zu gestalten. Damals erzählte er Geschichten,
Satiren, Märchen und gesammelte Kurzgeschichten. Diese Vielfalt seiner
Erzählungen befriedigte alle unterschiedlichen Geschmäcker des Publikums.
Nach und nach wurde der Kreis seines Publikums größer: wegen des Lobs
310 WILD: Rafik Schami. S. 100.
152
von seinen Zuhörern, die selbst Werbung für Schami machten und neue Zu-
hörer mitbrachten.311
Was die Rezeption betrifft, so wurde Schamis Literatur als orientalische Lite-
ratur in deutscher Sprache, als Fortsetzung der Geschichten aus Tausend-
undeiner Nacht bewertet. Der Einfluss der Scheherazade erscheint besonders
deutlich in seinen Romanen Erzähler der Nacht und Reise zwischen Nacht
und Morgen. Er parodierte auch einige Geschichten aus Tausendundeiner
Nacht und benutzte zum Beispiel die Titel der berühmtesten Märchen in der
Sammlung als Requisite. Er verwendete Motive und Formen der Sammlung.
Die Gestalt der traditionellen arabischen Märchenerzähler erscheint in einigen
seiner Werke wie Der ehrliche Lügner und Erzähler der Nacht. Schami be-
schreibt im folgenden Zitat den deutlichen Einfluss der Scheherezade in sei-
ner Erzählkunst:
Ich muss gestehen, dass ich zum Ärger vieler radikaler Orienta-listen ein großer Bewunderer von Scheherazade bin. Ich nenne mich Schüler dieser großartigen Frau. [...] Scheherazade zeigte die Macht eines gut erzählten Wortes, sprich die magische Kraft der schönen Literatur, die eine zauberhafte Macht ist. [...] Sie hat an den Zauber des Wortes geglaubt, mit dem sie Folgendes erreichen konnte: sie schafft eine Verständigungsebene mit dem Zuhörer, verwandelt ihn – durch Berühren tief in jedem/r Zuhö-rer/in sitzender Kindheitserinnerungen, Geborgenheiten und Zu-traulichkeiten – in ein fasziniertes Kind, das nur noch von Ge-schichte zu Geschichte Sehnsucht nach Fortsetzung spürt. [...] Dabei kann sie, wie Sie sagen, Ängste reduzieren, Mut machen, Traurigkeit besiegen, Freude erzeugen etc., aber handeln muss der Zuhörende selber.312
Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass zugleich wegen der mündlichen als
auch der schriftlichen Erzählungen Schami als Beispiel einer gelungenen lite-
rarischen Integration in der deutschen Literaturszene verstanden werden
kann.
311 Vgl. ebd. S. 100f. 312 EL WARDY: Das Märchen und das Märchenhafte in den politisch engagierten Werken von Günter Grass und Rafik Schami. S. 141.
153
5.2.3.2 Der Märchenerzähler und die Märchen aus Malula
In den 70er und in den 80er Jahren gab es in Deutschland eine Welle der
Entdeckung des Märchens im 20. Jahrhundert, wo sich Schriftsteller in
Deutschland mit der Rolle des Märchens auseinandersetzten. Die Neigung
zur Phantasie war mit dem Zeitgeist der 70er und der 80er Jahre verbunden
und erweckte ein bereites Interesse bei der Literaturwissenschaft. Die Be-
schäftigung mit Märchengattung auszeichnete durch zwei Typen. Der erste
Typ war die Parodie der ursprünglichen Märchen durch die Erfindung neuer
Märchen mit gegenwärtigen, satirischen Inhalten. Der Mechanismus des
zweiten Typus stützte sich darauf, bekannte Märchenfiguren, Märchenele-
mente, oder Märchenmotiven in die literarischen Werke der Autoren einzu-
betten und sie als Vehikel zur politischen und Gesellschaftskritik einzuset-
zen.313
In den Märchen von Schami wird der Versuch unternommen, entweder an
das vertraute arabische oder deutsche Märchengut anzuknüpfen und manch-
mal es in einer parodistischen Form zu verfremden, um das Märchen als An-
spielung auf die Geschichte der politischen, sozialen, wirtschaftlichen und
militärischen Turbulenzen entweder in Arabien in den 50er Jahren oder im
national-sozialistischen Deutschland zu verwenden, wie sein Märchen „Die
Wunderlampe“.314 Dazu konzentriert sich Schami auf die Erfindung neuer
Märchen, die die politische Erziehung durch Märchenphantasie erstreben.
Beispiele dafür kann man die beiden Märchen „Das letzte Wort der Wander-
ratte“ und „Als der Meister auftrat“ erwähnen, in denen die Probleme der
80er Jahre wie die Umweltverschmutzung und Ausländerfeindlichkeit ange-
sprochen.315
313 Vgl. ebd. S. 281. 314 Vgl. ebd. S. 282f. 315 Vgl. ebd. S. 83.
154
Als Märchenerzähler publizierte Schami zahlreiche Bände und eine beträcht-
liche Anzahl einzelner Märchen und Erzählungen; z.B.: Der Wunderkasten,
Sehnsucht der Schwalbe, Märchen aus Malula, Erzähler der Nacht, Die
Sehnsucht fährt Schwarz, Das Schaf im Wolfspelz und Das letzte Wort der
Wanderratte. In diesen Werken erscheinen die märchenhaften fabulierten
Elemente neben seinen eigenen Erfahrungen als Migrant im Exil. 1991 publi-
zierte Schami drei Märchenbände unter dem Titel Der fliegende Baum. Ne-
ben diesen Bänden publizierte er ein wichtiges märchenhaftes Band mit dem
Titel Malula, in dem er in seinem eigenen Stil die aramäischen Märchen aus
Malula nacherzählte.
Schami legte seit Beginn der Publikation seiner Märchenbände Wert darauf,
sich von den arabischen und europäischen Märchen zu unterscheiden. Be-
sonders deutlich wird dies bei der Wahl des Titels seines ersten Märchenban-
des: Andere Märchen. Die Märchen sind keine Kunstmärchen, sondern echte
aramäische Volksmärchen. In den Märchen dieses Bandes tauchen neue un-
erwartete Handlungsstränge auf, die fern von den Märchen der Tausend-
undeinen Nacht und denen der Gebrüder Grimm sind. Schami hat die Mär-
chen auf ganz eigene Weise erzählt. Wie ein oraler Erzähler hat er die Mär-
chen aus seinem Heimatdorf nacherzählt. Seine Märchen sind voller Humor,
Witz, Weisheit und Magie des Orients; der Leser kann darin viele Anekdoten
aus seinem reichen Erfahrungsschatz und Gedächtnis finden. Die Märchen
aus Malula sind voll Fantasie, Witz und Poetik. Alle Kleinigkeiten sind von
Freude geprägt. Die Menschen in Malula erscheinen in den Geschichten als
Helden, die um ihr Leben kämpfen. Schami beschreibt absichtlich die Men-
schen ohne sie als Vorbilder zu stilisieren oder ihre Charaktere zu verschö-
nen; so erscheinen die Malulianer in den Texten als gutemütige, normale
Menschen.
Auf welche Weise Schami die Märchen aus Malula wiedererzählt und welche
inhaltlichen und formalen Änderungen er vornahm, kann man einer Rede, in
155
der Schami über sein Nacherzählen der Märchen aus Malula spricht und seine
Erzählmethode erklärt:
Ich gebe die Märchen und Geschichten meines Dorfes so wei-ter, wie ich mir vorstelle, dass sie einst fabuliert wurden. Viel-leicht habe ich die eine oder andere auch erzählt, wie ich mir wünsche, dass sie so erzählt worden wäre. Es ist ein elementa-rer Bestandteil der Märchentradition, dass die Nacherzähler sich keine Zwänge und Grenzen auferlegen lassen, denn die Grenzen einer Geschichte sind die ihrer Erzähler. Sicher wur-den und werden manche Märchen und Geschichten aus Malula auch anderswo erzählt. [...] Unentbehrlich für mich als Erzähler waren aber die Freunde, die meinen ersten Fassungen der Ge-schichten zugehört haben, damit die jetzige Form der Märchen entstehen konnte.316
Schami hat mit seiner Sammlung Malula das deutsche Interesse an dem alten
märchenhaften Orient geweckt. Die Märchen aus Malula wurden zum ersten
Mal in Göttingen 1881 veröffentlicht: Die beiden Ethnologen Eugen Prym
und Albert Socin hatten sie sich im Jahre 1869 von den Einwohnern Malulas
erzählen lassen, um sie in aramäischer Lautschrift und deutscher Übersetzung
für Studienzwecke herauszubringen. Die Märchen wurden noch mal im Jahre
1915 in Leipzig veröffentlicht.317
Wild findet, dass Schamis Erfolg beim deutschen Publikum zu einem nicht
geringen Teil auf diesen Märchensammlungen gründet.318 Der Handlungsort
liegt im Orient, in einem kleinen Dorf in Syrien. Die Personen sind Araber.
Schami beschwört eine orientalische märchenhafte Atmosphäre, bietet aber
eine neue Darstellung der arabischen Märchen. Er erfüllt die Erwartungen
des deutschen Publikums auf eine andere Weise: Die Personen sind realisti-
sche Menschen und auch die Elemente der Geschichten sind realistisch.
316 SCHAMI, Rafik: Eine Vorgeschichte. In: Märchen und Märchenhaftes aus meinem Dorf/Rafk Schami. Kiel: Neuer Malik Verlag. 1987. S. 9-13. Besonders S. 13. 317 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 91. 318 Vgl. ebd.
156
Wie sich Schamis Märchen von den anderen Märchen unterscheiden, kann
man mit einem näheren Blick auf die Inhalte der Märchen feststellen. Zwar
sind Schamis Märchen in der Tradition arabischer Fabulierkunst verwurzelt,
entstanden sind sie aber in Deutschland. Der nähere Blick zeigt, dass sie nicht
typische arabische Märchen sind, sondern arabische Märchen, die aus dem
Boden deutscher Wirklichkeit emporgewachsen sind. Inhaltlich verarbeitet er
in seinen erzählerischen Werken einen großen Abschnitt seines eigenen Le-
bens in Syrien und Deutschland. Zwischen den Zeilen seiner Erzählungen
werden die Probleme der Gastarbeiter in Deutschland thematisiert.
Die Kritik an Politik und Gesellschaft ist das Kernelement in Schamis Stil.
Diese Gesellschaftskritik ist ein Bestandteil in der traditionellen arabischen
Erzählkunst. Der Erzähler darf die Obrigkeit kritisieren, und seine Erzählun-
gen haben sozialkritische Hintergründe. Beispielsweise zeigt die berühmte
Erzählung Sīrat Ýantar deutlich die Diskriminierung der Farbigen in jener
Zeit; der Schluss der Geschichte aber ist optimistisch, denn Antar gelingt es,
die Gesetze, die gegen seine Leute gerichtet sind, zu durchbrechen. Im fol-
genden Paragraphen wird ein Märchenbeispiel von Schami behandelt, um
seine politische und Gesellschaftskritik darzustellen. Märchen, die einen kla-
ren Bezug zu politischen Alltagsproblemen und gesellschaftlichen Problemen
aufweisen, werden aus der Erzählsammlung Der fliegende Baum ausgewählt.
Zwar hat das Märchen „Die Wunderlampe“ in der Sammlung Der fliegende
Baum einen klaren Bezug zum arabischen Volksmärchen „Aladin und die
Wunderlampe“ aus Tausendundeine Nacht und Schami knüpft in seinem
Märchen an die Erzählstruktur von Tausendundeine Nacht an, aber Schamis
Märchen unterscheidet sich von den typischen Zaubermärchen dadurch, dass
die übernatürliche Kraft des Geistes der Zauberlampe als zerstörende Kraft
erscheint, weil sie in die falschen Hände geraten ist und aus blindem Gehor-
sam die zur Vernichtung führenden Befehle des Königs ausführt.
157
In dem Märchen richtet sich Schamis Kritik gegen das arabische Volk, das
von einem Diktator in den Abgrund geführt wurde und in die schlechten Zu-
stände zu leben gezwungen ist. Dieses Märchen lässt sich als Anspielung auf
die Geschichte der arabischen Länder, insbesondere auf die Geschichte der
kolonialen Ausbeutung der arabischen Länder im 19. und Anfang des 20.
Jahrhundert und die Ausbeutung der eigenen Bevölkerung durch die darauf
folgenden Diktatoren sowie auf die Geschichte der sozialen, politischen,
wirtschaftlichen und militärischen Turbulenzen der 50er und der 60er Jahre
verstehen. Dazu übt er eine starke Kritik an den von den Diktatoren Unter-
drückten, die auf eine übernatürliche Macht warten, die sie von der Unter-
drückung der Diktatoren befreien soll. Er betont auch, dass diese Kraft nur
zur Zerstörung führt.319
Was die soziale Kritik betrifft, hat Schami die Sitten und gesellschaftlichen
Regeln aus kritischer Perspektive dargestellt. In den meisten Märchen von
Tausendundeine Nacht kann nur der arme schlaue Held am Ende die
Sultanstochter problemlos heiraten. In Schamis Märchen werden die sozialen
Unterschiede und die Konflikte zwischen den verschiedenen Schichten dar-
gestellt. Die niedrige soziale Herkunft des Helden im Märchen bedeutet, dass
die armen Menschen keine Chance haben, die Sultanstochter zu heiraten.
Dazu wurden diese Menschen von den anderen Menschen, die zu besseren
sozialen Schichten gehören, mit wenigem Respekt behandelt.
Von Schamis Märchen sprechend, beschreibt Ulrike Reeg das Motiv der Ge-
sellschaftskritik folgendermaßen: „Die bewusste, Umkehrung der Welt‘, die
Verschiebung der Macht- und Herrschaftsverhältnisse wird im Märchen
durchgespielt.“320 Schließlich kann man zusammenfassend sagen, dass der
Erfolg Schamis in Deutschland zu einem großen Teil auf seinen erfundenen
und nacherzählten Märchen gründet. Insbesondere spielt seine politische und
319 Vgl. EL WARDY: Das Märchen und das Märchenhafte in den politisch engagierten Werken von Günter Grass und Rafik Schami. S. 156. 320 Vgl. REEG: Schreiben in der Fremde. S. 189.
158
Gesellschaftskritik eine wesentliche Rolle in diesem Erfolg, weil die Beschäf-
tigung mit Märchen, die politische und soziale Kritik enthalten, eine bedeu-
tende Welle in Deutschland in den 70er und in den 80er Jahren erfährt.
5.2.3.3 Schami als Essayist, politischer Schriftsteller und Kinder- und Jugendautor
Wegen des Konflikts zwischen Palästina und Israel spielt Politik nicht nur bei
Schami, sondern bei vielen anderen arabischen Schriftstellern der Gegenwart
eine bedeutende Rolle. Schami thematisiert in seinen Werken die politischen
Entwicklungen in der arabischen Region in seinen Romanen, Büchern und
Vorträgen, wie zum Beispiel der Nahost-Konflikt, der erste und zweite Golf-
krieg und der libanesische Bürgerkrieg. Wild betont, dass Schamis litera-
risch-politischen Werke erfolgreicher sind als seine direkten Diskussionen.
Seine Überzeugungkraft in literarischen Arbeiten in denen er über Umstürze,
Verfolgung und unruhige Zustände schreibt, scheint größer zu sein als in
seinen theoretischen Werken.321
In Schamis Werken finden sich drei wichtige Bereiche politischen Wirkens:
seine politische Aktivität in Syrien, seine politischen Aktivitäten als Teil der
arabischen Migrationsgruppe in Deutschland und die literarische Thematisie-
rung des Politischen in seinen Werken. In Syrien beschäftigte er sich mit der
damaligen politischen Situation in den arabischen Ländern und sammelte
selbst politische Erfahrungen, die er später in seinen Texten verarbeitete.
1964 hat er als junger Politiker mit zwei anderen Kommunisten in Syrien die
Jugendzeitschrift aš-ŠarÁra (dt. Der Funke) gegründet. Zwei Jahre später hat
er die Wandzeitung al-MunÔalaq (dt. Der Start) 1966 ins Leben gerufen. Bei-
de Zeitungen waren nur für kurze Zeit auf dem Markt bis sie verboten wur-
den. Später veröffentlichte er Essays in arabischen Zeitschriften. In Syrien
erlebte er etwa 17 Militärputsche und bis 1970, als ÍÁfiÛ al-Asad die Macht
321 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 111.
159
übernahm, 40 verschiedene Regierungen.322 1976 schrieb er unter dem Pseu-
donym „SamÐr ÓallГ Artikel über die Bürgerkriegssituation im Libanon und
opponierte gegen die Macht in seiner Heimat.323
In Bezug zum arabisch-israelischen Konflikt stimmt Schami der These von
Alexander Flores zu, die besagt, dass der arabisch-israelische Konflikt ein
politischer Interessenkonflikt sei, der ursächlich mit der Religion nichts zu
tun habe.324 In verschiedenen Romanen betont Schami das Zusammenleben
von Muslimen und Juden in den arabischen Ländern. Er beschreibt den Streit
zwischen den Angehörigen der beiden Religionen, als einen Streit, der zu den
alltäglichen Streitigkeiten gehört. In seinem Roman Die Sehnsucht der
Schwalbe beschreibt Schami die Freundschaft zwischen Mischa, einem deut-
schen Juden, und Lutfi, dem syrischen Protagonisten in Deutschland. Er ver-
sucht, die Figuren im Roman von den Ängsten voreinander zu befreien. Dazu
versucht er, die Stereotype und Klischeevorstellungen, wie die bösen Araber,
die Gegner u.a., zu korrigieren und neue menschliche Beziehungen zu bauen.
In seinem Roman Die dunkle Seite der Liebe zeigt Schami die Feindlichkeit
der beiden christlichen Glaubensgemeinschaften Syriens, der römisch-
katholischen und der griechisch-orthodoxen Kirche. Farid Muschtak und
Rana Schahin sind ineinander verliebt, gehören jedoch zu zwei verfeindeten
Familien. Schami zeigt, wie die Feindlichkeit zwischen den Familien in arabi-
schen Ländern allgemein der Liebe keinen Raum gibt. Die Religion und die
soziale Organisationsform der Familie bestimmt das Individuum in seinem
Entwicklungs- und Entscheidungsprozess und hemmt schließlich auch einen
Modernisierungsprozess der gesamten Gesellschaft. Die Geschichte lehnt
sich an das Romeo-Julia Prinzip an mit dem Unterschied, dass die Liebenden
nicht sterben. Am Ende fliehen sie nach Europa, um dort ihre Liebe leben zu
322 Vgl. ebd. S. 46f. 323 Vgl. ebd. S. 155. 324 Vgl. EL WARDY: Das Märchen und das Märchenhafte in den politisch engagierten Werken von Günter Grass und Rafik Schami. S. 130.
160
können. Ein glückliches Ende gibt es allerdings nicht. Die beiden jungen
Menschen sind durch physische und psychische Gewalt für ihr ganzes Leben
geprägt.
In seinem Roman Der ehrliche Lügner beschreibt Schami das Leben der jü-
dischen Minderheit in den arabischen Ländern und geht auf die zwischen-
menschlichen Beziehungen zwischen Muslimen, Christen und Juden ein. Er
erläutert, dass die Juden in den arabischen Ländern niemals in Gettos isoliert
gelebt haben, sondern dass sie gemeinsam mit Muslimen und Christen zu-
sammenlebten. Die Sinnlosigkeit des Konfliktes wird auch von dem Protago-
nisten Sadik hervorgehoben. Er schwört, niemals eine Waffe in die Hand zu
nehmen, weil täglich junge Menschen auf beiden Seiten der Grenze zwischen
Israelin und Arabern sterben, heimlich, als wären sie Verbrecher.325
In seinen Romanen Eine Hand voller Sterne und Die dunkle Seite der Liebe
schildert er die politische Situation in Syrien. Der Liebesroman Die dunkle
Seite der Liebe zeigt ein Panorama der syrischen Gesellschaft von 1870 bis
1970, die in ihren Strukturen politisch und historisch dargestellt wird. Es ist
ein in sich verschlungener Text, in dem die Lebensgeschichte jeder tragenden
Figur in einem eigenen Bild erzählt wird, das mit den Bildern der anderen
Figuren verbunden ist. Farid Muschtak ist die männliche Hauptfigur, die Ra-
na Schahin liebt. Die beiden Figuren gehören zu zwei miteinander verfeinde-
ten Familien. Schami beschäftigt sich während der Arbeit an dem Roman
intensiv mit der Geschichte und der Tagespolitik der syrischen Gesellschaft.
Schami präsentiert dem Leser zum ersten Mal die Maske der Diktatur und
die sozialen Missstände in Syrien.
Mit seinem Buch Angst im eigenen Land (2001) verfasste er politische Bei-
träge und Erzählungen israelischer und palästinensischer Literaten und Intel-
lektuelle über den israelisch-arabischen Konflikt. In Tagebuchform formuliert
325 Vgl. SCHAMI: Der ehrliche Lügner. S. 364.
161
er unter dem Titel Mit fremden Augen (2002) seine Stellungnahme zu den
Anschlägen am 11. September 2001. Dazu beschreibt er die Ursachen und
die Folgen des Terroranschlags in New York und in Washington. Er spricht
über seine Erfahrungen in der Fremde und seine Präsenz als politischer Akti-
vist und Autor mit dem Germanisten Erich Jooss in seinem in Interviewform
publizierten Buch Damals dort und heute hier (1998); zudem schrieb er
Pamphlete und zahlreiche Essays, in denen er alle arabischen Regierungen
kritisierte.
Schami ist seit den 70er Jahren bis heute politisch aktiv. Nach dem Yom-
KippurKrieg 1973 meldete er sich zum Israel-Palästina-Konflikt zu Wort und
setzte sich für die Beilegung dieses Konflikts ein. 2000 nach der zweiten
Intifada erhielt er erneut Gelegenheit, einen öffentlichen Dialog zwischen
israelischen und palästinensischen Intellektuellen zu organisieren und zu lei-
ten. In jenem Jahr war er literarischer Gast des Kollegium Helveticum der
ETH Zürich. Er diskutierte in seiner Vorlesung Exilgespräche das Thema
Dialog, wobei er auch das Gespräch miteinbezieht und argumentiert, dass das
Wort Gespräch eigentlich Gehörspräch heißen müsste. Er widmet auch dem
Thema Gespräch ein von ihm geleitetes Seminar. Dazu hatte er in einer Sit-
zung einen Dialog zum Thema der arabisch-israelischen Feindlichkeit entwi-
ckelt. Aus diesem Seminar hat Schami die Idee für ein Symposium entwi-
ckelt, das israelische und palästinensische Intellektuelle in Zürich zum Dialog
zusammenbringen sollte.326
In Deutschland begleitete Schami die Diskussionen um die Probleme der
Migranten. Er kritisierte wichtige Themen wie Ausländerfeindlichkeit, Ras-
sismus, Anti-Arabismus und Anti-Islamismus, Integrations- und Identitäts-
probleme. In einem Gespräch mit Erich Jooss in Damals dort und heute hier
benennt er mögliche Lösungsansätze der Probleme von Migranten wie bspw.
die Errichtung eines unabhängigen Minderheitenrates. Die Hauptaufgabe
326 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 155.
162
eines solchen Rates wäre die öffentliche Debatte problematischer Fragen das
Zusammenleben betreffend. Schami hat dieses Projekt als ein Ansatz zur Klä-
rung von Missverständnissen zwischen Deutschen und Ausländern vorge-
schlagen; dieses Projekt blieb unrealisiert. In demselben Gespräch erklärte
Schami die Funktion einer gepanzerten Haut, die der Migrant haben muss,
um in Deutschland zu leben. Dieses Thema beschrieb Schami in seiner
gleichnamigen Erzählung Gepanzerte Haut:
Die gepanzerte Haut hilft gar nicht. Sie ist trügerisch. Wer sich wegen der Hautfarbe, der Zugehörigkeit zur EU, der Religions-zugehörigkeit als etwas besonderes vorkommt, wird eines Ta-ges brutal aus seinem Schlaf geweckt. Fremdheit läßt sich nicht tarnen […] Nicht Panzerhaut, sondern starke Nerven verlangt die Fremde. Wenn einer wie ich so oft herumreist und öffentlich auftritt und in fünfundzwanzig Jahren dreimal verbal und kör-perlich angegriffen wird, ist das nicht tragisch.327
Wie bisher erwähnt, nahm Schami an politischen Auseinandersetzungen teil,
hat Vorträge auf Kongressen und Kulturveranstaltungen gehalten und zahl-
reiche Essays veröffentlicht über die politische Situation in Syrien und den
arabischen Ländern. Er versucht, gegen Konflikte, Rassismus, Feindlichkeit
zwischen Angehörigen verschiedener Religionen u.a. anzukämpfen. Seine
Bücher und Romane tragen offensichtlich deutlich zur Aufklärung bei. Als
politischer Autor und Essayist hat er eine bedeutende Präsenz und einen
wichtigen Beitrag geleistet.
Auf der anderen Seite hat Schami auch einen wichtigen Beitrag als Kinder
und Jugendautor geleistet. Für Kinder und Jugendliche schrieb Schami zahl-
reiche positiv aufgenommene Werke328, einerseits realistische Geschichten,
andererseits Märchen. Einige seiner Kinder- und Jugendgeschichten reflektie-
327 SCHAMI: Damals dort heute hier. S. 48. 328 Beispiele dafür sind Wie ich Papa die Angst vor Fremden nahm, Der Schnabelsteher, Albin und Lila, Der geheime Bericht über den Dichter Goethe, Das ist kein Papagei, Der Löwe Benilo, Der Schnabelsteher, Der Wunderkasten, Fatima und der Traumdieb u.a.
163
ren Schamis eigene Kindheit in Syrien. Am deutlichsten ist dies im autobio-
graphisch geprägten Jugendroman Eine Hand voller Sterne zu erkennen.
Schami glaubt, dass das Lachen eine wichtige Rolle in Kindergeschichten
spielt. Wenn Kinder viel lachen, lernen sie schneller.329 Schami regt die Phan-
tasie der Kinder an, indem er absurde Geschichten erzählt, und dadurch die
Vorstellungskraft der Kinder weckt. Er versucht, Kinder von der Angst vor
den Problemen zu befreien, wie in seinem Bilderbuch Wie ich Papa die Angst
vor Fremden nahm. Hervorzuheben ist, dass Schami die Probleme der Mig-
ranten in Deutschland im Rahmen der Kindergeschichte thematisiert. Die
Geschichte „Bobo und Susu“ ist ein gutes Beispiel für die Behandlung der
Migrantenprobleme in Schamis Werke für Kinder. In der Geschichte „Bobo
und Susu“ erzählt er eine Liebesgeschichte zwischen einer Maus und einem
Elephanten. Der Elephant Bobo hat ein Integrationsproblem mit seiner Her-
de – er sieht keinen Sinn in Rang- und Machtkämpfen. Bobo und Susu tau-
schen ihre Körper, um zu verstehen, wie die anderen leben und denken. Sie
verstehen sich besser nach diesem Tausch und respektieren einander. Diese
Geschichte hat Rösch in ihrem Buch als Beispiel für Schamis Beitrag zur
Kinder- und Jugendliteratur und interkulturellen Literatur erwähnt. Insbe-
sondere lobt sie diese Geschichte, weil Schami darzustellen versucht, wie die
Missverständnisse zwischen Migranten und Deutschen entstehen und zu wel-
chen Folgen diese Probleme führen.330
Die Bilder in Schamis Kinderbüchern trugen zu einem großen Teil zum Er-
folg der Bücher bei. Denn Schamis Kinderbücher wurden von namhaften
Illustratoren bebildert. Der Wunderkasten (1989) wurde von Peter Knorr
illustriert; zu dem 1999 erschienenen Das ist kein Papagei! gestaltete Wolf
Erlbruch die Bilder; Ole Könnecke bebilderte das Kinderbuch Wie ich Papa
die Angst vor Fremden nahm (2003); Els Cools und Oliver Streich illustrier-
329 Vgl. SCHAMI: Damals dort heute hier. S. 82. 330 Vgl. RÖSCH: Migrationsliteratur im interkulturellen Kontext. S. 190.
164
ten Der Schnabelsteher, Fatima und der Traumdieb und Albin und Lila. Als
erstes Kinderbuch erschien 1983 Luki. Durch einen glücklichen Zufall, als ein
Lektor des Fischer-Verlages während einer Lesung in Göttingen die Ge-
schichte hörte, regte er an, sie als Buch zu drucken. Man kann viel Lob über
die Illustrationen in Schamis Büchern in den zahlreichen Zeitungsartikeln
finden – sie haben zweifellos zum Erfolg von Schamis Büchern beigetra-
gen.331 Die kleine pädagogische Geschichte Wie ich Papa die Angst vor
Fremden nahm handelt davon, wie ein kluges kleines Mädchen dem Vater
die Angst vor Fremden nimmt. Ole Könnecke wird wie der Verfasser der
Geschichte gelobt und seine Bilder positiv bewertet. Andreas Obst schreibt:
Könnecke ist der eigentliche Meister dieser Geschichte. Seine Bilder füllen die Phantasieräume zwischen den Worten - am schönsten in jener Passage, da der Vater der namenlosen Erzäh-lerin seine Ressentiments gegen Schwarze aufreiht und die Bil-der dazu die Stereotypen widerlegen.332
Nicht leicht war Schamis Weg zum erfolgreichen Kinder- und Jugendbuchau-
tor. Schami traf auf erhebliche Schwierigkeiten bei der Veröffentlichung sei-
ner Werke. So erwähnt Schami, dass er das Manuskript des Romans Eine
Hand voller Sterne an zehn verschiedene Verlage verschickt hat, aber alle
lehnten es ab bis es schließlich von Beltz angenommen wurde. Die Verleger
wollten eine Fortsetzung der arabischen Märchenwelt, aber Schami lehnt es
ab, sein Text in Märchenform zu schreiben. Seine Mühen werden hingegen
durch die positive Rezeption und hohe Auflagezahl entschädigt. Der Roman
Eine Hand voller Sterne wird ein großer Erfolg und wird mit acht Literatur-
preisen ausgezeichnet. Dazu wird er auf die Auswahlliste des Deutschen Ju-
gendliteraturpreises gesetzt.333
331 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 94f. 332OBST, Andreas: Angst vorm schwarzen Mann. Mit leiser Ironie gegen Zerrbilder: Ra-fik Schami und Ole Könnecke. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung 25.10.2003. 333 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 113.
165
Die Schwierigkeit der Verleger mit der Zuordnung Schamis Werke erscheint
hier zusätzlich als ein wichtiges Kriterium. Obwohl Schami die meisten seiner
Werke als Kunstwerke beschrieb, wurden diese Werke als Kinderliteratur
zugeordnet. Manche seiner Bücher wurden zwei Kategorien zugeordnet:
einmal als Belletristik und ein anderes Mal als Kinder- und Jugendliteratur.
Neben Eine Hand voller Sterne wurden auch Der Erzähler der Nacht, Die
Reise zwischen Nacht und Morgen u.a. beiden Kategorien zugeordnet.
Die Zuordnung zur Kinder- und Jugendliteratur birgt die Gefahr, dass Scha-
mis Werke lediglich als Kinder- und Jugendliteratur betrachtet und bewertet
werden. Schami lehnt es ab, als Kinder- und Jugendbuchautor eingeordnet zu
werden oder dass seine Geschichten didaktisch interpretiert werden. Schami
versteht sich als Prosaautor und schreibt Geschichten, die sowohl für Kinder
und Jugendliche als auch für Erwachsene geeignet sind, weil die Trennung
zwischen Kinder- und Erwachsenenliteratur in der arabischen Literatur unüb-
lich ist. Schami sagt dazu:
Ich bin ein Prosaschriftsteller, ein Erzähler ohne Zusätze, also weder ein Märchenerzähler noch ein Kinderbuchautor. Ich hof-fe immer, dass mein allerschönstes Buch für Erwachsene gerade gut genug für Kinder ist. Ich kann solche Begriffe nicht teilen, weil es sie in meiner Kultur nicht gibt. Bei uns werden Ge-schichten im Kreis erzählt, und wenn Kinder da sind, wird Rücksicht genommen, indem man die Geschichte etwas span-nender macht.334
Die Untersuchung hat ergeben, dass Schami sich trotz der Schwierigkeiten
als Kinder-und Jugendautor etabliert hat. Seine Geschichten, Märchen und
Romane für kleine und jugendliche Leser sind bunt und poetisch erzählt. Von
Liebe, Lachen, Sehnsucht und List erzählt er auf seine ganz eigene Art und
Weise. Schami bietet seinem jungen und jugendlichen Publikum Geschichten
von Menschen und Tieren, von seiner Heimat und fernen Ländern und von
Deutschland.
334 BAVAR: Aspekte der deutschsprachigen Migrationsliteratur. S. 89.
166
5.2.4 Die Entwicklung der Rezeption Rafik Schamis
Nach der Verleihung des Adalbert-von-Chamisso-Förderpreises an Schami
im Jahre 1985 wurde er zu einem der bekanntesten Erzähler in Deutschland.
Anfang der 80er Jahre wurde er als eigenständiger Autor rezipiert, weil er
entschied, sich von den Autoren der Südwindgruppe zu trennen. Der haupt-
sächliche Grund seiner Trennung war sein eigener Erzählstil, der sich von
dem der anderen Autoren der Gruppe wie Taufiq, Biondi und Naoum unter-
schied. Die vier Autoren haben gemeinsam einige Veranstaltungen als Grup-
pe von Herausgebern durchgeführt; aber die unterschiedlichen literarischen
Gattungen und Stile führten zur ihrer Trennung.
In den Jahren 1982 bis 1984 trat Schami ausschließlich als eigenständiger
Künstler allein auf. Außerdem trat er als Mitorganisator und Verantwortli-
cher zahlreicher Vorträgsreihen, Seminare, Arbeitsgruppen und Kongresse
auf. 1984 hat er sein erstes eigenes Buch unter dem Titel Das letzte Wort der
Wanderratte veröffentlicht. Mit dieser Veröffentlichung hat er seinen ersten
kleinen Soloerfolg als Buchautor geschafft. Der Malik Verlag hat für ihn die
erste eigene Lesereise organisiert; Schami stand frei auf der Bühne und er-
zählte seine Geschichten; im ersten Jahr hat er bereits 30 Lesungstermine von
Berlin bis Wien hinter sich gebracht.335 In derselben Zeit stiegen die Ver-
kaufszahlen seiner Bücher in Deutschland. Der Erfolg seiner Lesungen mach-
te Schami zu einer Berühmtheit. Dieser Erfolg trug ebenfalls zu dem welt-
weiten Erfolg seines Romans Erzähler der Nacht bei.336
Mit seinem Roman Sieben Doppelgänger (1999) endete Schamis Erzähl-
Phase. Er reduzierte die Anzahl seiner Erzählveranstaltungen, um Zeit für das
Schreiben seiner Geschichten zu haben. Damals betrachtete er sein mündli-
335 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 101. 336 Vgl. ebd. S. 103.
167
ches Erzählen als „Motor seiner Kreativität als schreibender Autor“.337
Schami hat zwischen 1980 und 2005 über 1.500 Lesungen abgehalten. Die
meisten Lesungen fanden zwischen 1985 und 1992 statt. Manchmal hat er
drei Lesungen an einem Tag durchgeführt.338 Nach Meinung Bettina Wilds
sind harte Arbeit und intensive Vorbereitungen der Grund für Schamis Er-
folg. Weil er den Lesungen jedes Mal eine neue Darstellungsform gibt, ver-
dankt er seinen Erfolg hauptsächlich seiner Fantasie und seiner Ausstrahlung
als Erzähler, zusätzlich auch seiner Disziplin und seiner Geduld.339
In der Beschreibung des mündlichen Erzählens schreibt Khalil, dass Schami
der größte Erfolg unter den arabischen Autoren gelang; er wurde als mündli-
cher Erzähler und zwar zunächst als Märchenerzähler rezipiert und erzielte
etwa 120 Einladungen im Jahr. Diese hohe Veranstaltungszahl veranschau-
licht seinen Erfolg beim deutschen Publikum.340 Khalil erklärt die Gründe für
Schamis Erfolg folgendermaßen:
[Schami] ist durch mündliches Erzählen von Märchen, Fabeln und phantastischen Geschichten bekannt geworden. Schami er-zählt frei: nicht nur Märchenhaftes, sondern auch Satiren, rea-listische Erzählungen und ganze Episoden aus seinen Romanen. Seine Märchen sind nicht unbedingt orientalisch, sondern eine Verarbeitung westlicher und östlicher Motive aus Märchen, Sa-gen und Legenden in einem Märchen, das er „das andere Mär-chen“ nennt. Er improvisiert, schiebt spontan Kommentare, Witze, Anekdoten ein und experimentiert gern mit Wortspielen und Pointen, bevor er sie niederschreibt. Er geht auf das Publi-kum ein und versteht es, durch Fragen und Antworten die Zu-hörer in die Textgestaltung einzubeziehen und sie zum Mitwir-ken zu animieren. Schami legt Wert auf eine lebhafte Interakti-on zwischen Erzähler und Zuhörerkreis. Diese Interaktion wird auch im geschriebenen Text geschickt nachgestaltet.341
337 Vgl. ebd. S. 104f. 338 Vgl. ebd. S. 106. 339 Vgl. ebd. S.103. 340 Vgl. KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 152. 341 Ebd.
168
Was die Rezeption von Schamis Märchensammlungen auszeichnet, ist die
Wahrnehmung Schamis als Kinder- und Jugendbuchschriftsteller. Weil diese
Werke zu den ersten veröffentlichten Texten Schamis gehören, ordnen Kriti-
ker, Verleger und Publikum Schami als Märchenerzähler für Kinder und Ju-
gendliche ein. Hinzu kommt, dass die Einordnung häufig verlegerischen As-
pekten folgt und Märchen in der Regel eher der Kinder- und Jugendliteratur
zugeordnet werden. Schami selbst rechtfertigt diese Einordnung, weil seine
Werke für Leser jeden Alters geeignet sind. Sein Publikum besteht aus Kin-
dern, Jugendlichen und Erwachsenen.
Die deutsche Rezeption von Schamis Märchen in den 80er Jahren war Teil
der gesamten deutschen Rezeption arabischer Schriftstellern. In diesem Zeit-
raum nahm in Deutschland die Rezeption deutschsprachiger arabischer Lite-
ratur zu. In der Konsequenz stieg die Zahl der Lesungen, während derer die
arabischen Erzähler ihre Erzählungen vortrugen. Hier spielte die mündliche
Werbung eine wichtige Rolle; der Publikumskreis wurde allmählich größer.
Sein Publikum stieg von etwa 20 Menschen in den ersten Veranstaltungen in
den 80er Jahren auf ein weit größeres Publikum zum Zeitpunkt Schamis
größten Erfolges als öffentlicher Erzähler.
Nach Meinung Wilds gestaltet sich die Aufnahme Schamis durch das deut-
sche Publikum vielfältig: zum einen erwartet ein Teil seines Publikums einen
arabischen Abend mit arabischen Elementen wie Tanz, Weihrauch und Tur-
ban. Zum anderen erwartet ein Teil seines Publikums eine Kritik des auslän-
dischen Autors. Schami bietet seinem Publikum weder eine rein orientalisch-
exotische Tanzveranstaltung, noch eine harsche Gesellschaftskritik eines Au-
ßenseiters. Er verbindet das Erzählen seiner Märchen, durch das er das Pub-
likum in eine Fantasiewelt führt, mit seiner Kritik an der gegenwärtigen Ge-
sellschaft. Diesen beiden Elementen fügt er außerdem das, was die meisten
Zuschauer anzieht, hinzu. Durch diese Verbindung der Elemente eines orien-
talische-exotischen Orients, seinen eigenen Erfahrungen als Immigrant in der
169
deutschen Gesellschaft konnte Schami ein großes Publikum an sich ziehen
und somit seinen Erfolg als Solokünstler begründen.342
Ausgehend von den eben erwähnten Entwicklungen kann gesagt werden,
dass Schami für lange Jahre lediglich als Märchenerzähler rezipiert wurde. Er
selbst war sich bewusst, dass die Befreiung von der Kategorie „Märchener-
zähler“ nicht leicht sei; daher hat er nach seinem Band Der fliegende Baum
(1991) keine neuen fantastischen Geschichten mehr veröffentlicht. Mit den
nächsten Romanen Der ehrliche Lügner (1992) und Reise zwischen Nacht
und Morgen (1995) gelang es Schami, Geschichten in der arabischen Welt
dem deutschen Publikum vorzustellen. So wird er als Romancier, der realisti-
sche Romane schreibt, rezipiert. Sein Publikum, das sich nach dem fantasti-
schen Orient sehnte, hat ebenfalls sein Schmachten nach den realistischen
Geschichten gewechselt.
Insbesondere mit Die dunkle Seite der Liebe (2004) hat Schami einen Wan-
del in seiner Rezeption durchlebt. Der Roman erzählt die dramatische Ge-
schichte der Liebe zwischen Farid Muschtak und Rana Schahin, die zu zwei
miteinander verfeindeten Clans gehören, und handelt davon, wie die Liebe
die Grenzen zwischen Konfessionen und Sippen sprengen und welche Schä-
den die Diktatur anrichten kann. All das erschüttert die Grundfesten des
Staates.343 Schami erzählt über ein Jahrhundert syrische Geschichte, nämlich
von 1870 bis 1970, in dem Politik und Religion das Volk stark kontrollieren.
Mit glücklichem Ende hat er das Alltagsleben in der Altstadt von Damaskus
dargestellt.
Die Pressestimmen, kritischen Artikel und Zeitungsberichte erklären den
überwältigenden Erfolg des Romans Die dunkle Seite der Liebe. Der Roman
wird im Feuilleton der großen überregionalen Tages- und Wochenzeitungen
342 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 102. 343 Vgl. KORFF, Christian: Die Rolle der Wüste. Interview mit Rafik Schami. In: Focus Nr. 41. 2004.
170
als opus magnum gefeiert und eroberte bereits wenige Wochen nach dem
Erscheinen als erster Roman Schamis die Bestsellerlisten von Spiegel, Stern
und Fokus, wo sich der Roman 30 Wochen lang halten konnte. Die Aufla-
genzahlen erreichten im August 2005 etwa 120.000 Exemplare. Zusätzlich
wurde der Roman in die wichtigsten Weltsprachen übersetzt und als Hör-
werk von 21 CDs und 2 MP3 gemacht. Der Roman wurde ebenfalls mit der
begeisterten Aufnahme durch das Publikum gefeiert und wurde zum großen
Erfolg bei den Lesungen, in denen Schami sein Roman als Hörfilm präsen-
tiert.344
Die Darstellung der kritischen Urteile über den Roman lässt die literarische
Entwicklung und den Wandel von märchenhaften Geschichten hin zu realisti-
schen Romanen bei Schami erklären. Die Kritiker loben Schamis Wendung
zur realistischen Geschichte vor allem wegen des Erfolgs des Romans Die
dunkle Seite der Liebe. Wild findet, dass Schami eine neue Form des moder-
nen Romans geschaffen hätte, indem er verschiedene Entwicklungslinien zu-
sammenführt und einen orientalischen Teppich aus verschiedenen Gattungen
und Erzähltraditionen webt und mit diesem Roman sich endgültig vom Image
des orientalischen Märchenonkels und des Kinderbuchautors befreit.345 Rad-
datz lobt an Schamis Roman insbesondere die Kunstfertigkeit, mit der Scha-
mi seinen Roman geknüpft hat und die erzählerische Schreibart, die die Leser
eine Scheherazade in blitzender Farbigkeit miterleben lassen.346 Schmidt be-
schreibt den Roman als „Schelmenroman, Sittengeschichte, Familiensaga,
Thriller, Polittraktat, Heimatroman, Liebesgeschichte, Epochenepos und
Abenteuerroman in einem.“347
Aus der Untersuchung ergibt sich, dass die Kritiker und das Publikum Scha-
mis Wandel mitmachten. Er schaffte in seinen Romanen den Höhenpunkt
344 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 164. 345 Vgl. ebd. S. 165f. 346 Vgl. RADDATZ, Fritz J.: Der erzählende Teppich. In: Die Zeit Nr.42.7.10.2004. 347 Vgl. SCHMIDT, Bettina. Sächsische Zeitung 9.10.2004.
171
seiner literarischen Entwicklung und bekam dafür eine adäquate Rezeption
und begeisterte Aufnahme. Schami selbst bezeichnete sich in einem Interview
als „der erfolgreichste syrische Autor weltweit“. Seine Bücher haben eine
Auflage von mehreren Millionen.348
5.2.5 Die Auszeichnungen und die literarischen Preise
Schami ist seit seiner ersten Veröffentlichung beim deutschen Publikum be-
liebt. Hierzu trugen vor allem seine märchenhaften Erzählungen bei. Bis 1987
hat er in rascher Folge zahlreiche Sammelbände, Märchen, fantastische Ge-
schichten und Erzählungen veröffentlicht. Diese zahlreichen Publikationen
bahnten ihm den Weg zur internationalen Bekanntheit. Die Literaturpreise
spielen ebenso eine große Rolle bei der Rezeption seiner Literatur; sie haben
das akademische Interesse innerhalb des deutschen Literaturbetriebs auf ihn
gelenkt und seinen Leserkreis größer werden lassen.
1985 begann Schami, seinen Erfolg als deutschsprachiger Schriftsteller zu
spüren. Von diesem Zeitpunkt an erhielt er zahlreiche Auszeichnungen und
Literaturpreise. Parallel dazu stieg die Verkaufszahl seiner Bücher. Bei-
spielsweise wurde 2005 bei dtv der Verkauf des millionsten Exemplars von
Schamis Taschenbüchern registriert, was seine große Beliebtheit beim deut-
schen Publikum aufzeigt. Als Kinder- und Jugendautor hat er ebenfalls meh-
rere Preise gewonnen. Diese Preise erhielt er sowohl für einen bestimmten
Roman als auch für sein Gesamtwerk. In Deutschland, Österreich, der
Schweiz, den Niederlanden und in den USA hat er ebenfalls Literaturpreise
gewonnen. Aufgrund dieser Preise und der Übersetzung seiner Werke in an-
dere Sprachen ist er auch einem internationalen Publikum zugänglich ge-
348 Vgl. LUIK, Arno: Emigranten sterben jung - oder werden weltberühmt. Interview mit Rafik Schami. In: Der Spiegel 26.09.2004.
172
macht worden.349 Wichtig zu erwähnen ist, dass der Jugendroman Eine Hand
voller Sterne Schamis internationaler Erfolg war. Zudem sind Erzähler der
Nacht, Der ehrliche Lügner und Eine Hand voller Sterne seine erfolgreichs-
ten Romane. Für diese Romane hat er mehrere literarische Preise erhalten.
Insbesondere hat ihm der Roman Die dunkle Seite der Liebe den Ruf als
Bestsellerautor eingebracht. Dieser Roman ist ein Meilenstein in seiner litera-
rischen Laufbahn; in ihm hat er auf neunhundert Seiten die Geschichte Syri-
ens erzählt. Nach der Veröffentlichung dieses Romans wurde er zu einem
erfolgreichen deutschsprachigen Schriftsteller.
5.2.6 Schami und die deutschen Kritiker
Die Untersuchung kritischer Aussagen und Urteile über Schamis Werk zeigt,
dass parallel zum Lob einiger Kritiker sich scharfe kritische Stimmen finden.
Für die Polarisierung der Kritiken gibt es eine Erklärung: Manche Kritiker
betrachten Schami als deutschen Schriftsteller; sie legen Maßstäben an seine
Werke, die für deutschstämmige Autoren üblich sind. Andere wiederum be-
trachten ihn als deutschsprachigen Autor arabischer Herkunft und sein Werk
als „syrische Literatur in deutscher Sprache“.350 Hierbei werden arabische
und deutsche Einflüsse in Schamis Werk berücksichtigt. Im Folgenden wer-
den die beiden unterschiedlichen Standpunkte dargestellt und der Unter-
349 Die erste Auszeichnung war im Jahr 1985 von Adelbert-von-Chamisso-Preis als Förderpreis für sein Gesamtwerk. Im Jahr 1986 erhielt er Thaddäus-Troll-Preis (BRD) für seinen Roman Der Fliegenmelker, 1987 erhielt er fünf literarischen Preisen: Die blaue Brillenschlange (Schweiz), La vache qui lit, der Preis der Leseratten (ZDF), und schließlich Züricher- Kinder- und Jugendbuchpreis (Schweiz). Der vierte Preis ist für seinen Roman Eine Hand voll Sterne. Für das Gesamtwerk hat er auch im selben Jahr Ehrenliste des Staatspreises (Österreich) Preis erhielt. Für seinen Roman Erzähler der Nacht erhielt er zwei literarische Preise. Für Eine Hand voller Sterne erhielt er 1991 Mildred L. Batchelder Award Preis. 1993erhielt er den Förderpreis des Adelbert–von-Chamisso-Preis. Für seinen Roman Der ehrliche Lügner erhielt er 1994 Hermann-Hesse-Preis. 1999 erhielt er den Preis „Buch des Monats Februar“ für seinen Roman Der geheime Bericht über den Dichter Goethe. Schließlich erhielt er 2007 den Nelly- Sachs- Preis. 350 DANKERT, Birgit: Tagebuch aus Damaskus. In: Die Zeit. 10.4.1987. S. 27.
173
schied zwischen den kritischen Urteilen erklärt. Erstens werden die positiven,
dann die negativen Meinungen über Schamis Werke diskutiert.
Schamis Werke, die von deutschen Lesern positiv aufgenommen werden,
haben seine Popularität in Deutschland begründet. Es gelang ihm, auf sich
und auf seine Werke aufmerksam zu machen und erfolgreich zu sein.351 Unter
den Kritikern, die Schamis Geschichten und Erzählungen positiv aufgenom-
men haben, ist beispielsweise die Dichterin Renate Schmadalla, die 1990
schrieb, dass sie Schamis orientalischen Märchen und Geschichten stunden-
lang zuhören könne.352 Der Germanist Dr. Lutz Tantow bezeichnet Schami
als den „erfolgreichste[n] deutsche[n] Schriftsteller nicht deutscher Mutter-
sprache“353:
Vielen gilt er als Instanz, als einer, der über das schwierige Mit-einander von Westen und Islam zu berichten weiß. Doch Rafik Schami ist nicht nur ein erfolgreicher Schriftsteller, er ist auch ein faszinierender mündlicher Erzähler.354
Einige Kritiker sehen in Schamis Erzählungen nicht nur eine traditionelle
orientalische Geschichte, sondern vielmehr eine Zusammenfügung der alltäg-
lichen politischen Realität in der arabischen Welt mit einem romantischen
orientalischen Erzählstil. Diese geschickte Kombination von politischen In-
halten mit phantasievollem literarischem Erzählstil ist eine Besonderheit in
Schamis Werk, die einige Kritiker hervorheben.355 Ebenfalls in Studien loben
Literaturwissenschaftler Schamis Texte und heben hervor, dass seine Stärke
zweifellos in seiner politischen Einstellung liegt.
351 Vgl. AIFAN: Araberbilder. S. 156. 352 Vgl. ebd. 353 TANTOW, Lutz: Nur über das Ohr wird die Zunge klug. Rafik Schamis Geschichten von tausendundeinem Nachbarn. In: Sächsische Zeitung 22/23.05.1993. S. 144. 354 SCHAMI, Rafik: Ein Mann zwischen zwei Welten. In: Radio Bremen 23.06.2006. (Interview). 355 Vgl. ULRICH, Anna Katharina: Jeden Tag will ich schreiben! Rafik Schamis Tagebuchroman „Eine Hand voller Sterne“. In: Neue Zürcher Zeitung 01.11.1987. S. 39.
174
Der Journalist Patrik Landolt stellt in einem Gespräch mit Schami die These
auf, dass besonders die Schilderung kleiner Alltagsmomente, die eine von
Schamis Stärken ist, Klischees und Exotismen in der Manier des Orientalis-
mus’ verwendet. In seiner Antwort erläutert Schami seine Absichten in sei-
nen Schilderungen alltäglicher Realität der arabischen Welt:
Wer meine Geschichten liest, soll die Farben des Morgenlandes sehen, die Düfte riechen, die Klänge hören. Wenn ich aber er-fahre, daß Leser meiner Bücher in das Land fahren, das mich ausgestoßen hat, nur um die von mir geschilderte Welt kennen-zulernen, werde ich mißtrauisch und denke, daß meine Sehn-sucht diese Welt verklären könnte. Ich bin mir bewußt, daß ich mich beim Schreiben auf einer Gratwanderung befinde. Ich ste-he jeden Tag vor der Frage, wie lassen sich die Schattenseiten beschreiben, ohne die Geschichte zu ersticken, und wie kann ich Schönheiten preisen, ohne kitschig zu werden.356
Wer die Bedeutung arabischer Erzählkunst in Schamis Werken hervorhebt,
lobt seine Texte. Die meisten Kritiker vertreten diese Meinung, aber ihre
Urteile weichen voneinander ab, wenn sie die Werte des Werkes einschätzen
bzw. beurteilen. Ebenfalls wurde Schamis erzählerische Sprache von den
Wissenschaftlern und Kritikern mit viel Lob bezeichnet. Der Wissenschaftler
Amir Bavar ist der Meinung, dass seine realistischen und unrealistischen Ge-
schichten „eine sozial-kritische Sprache [besitzen], die Respekt und Tole-
ranz, aber auch Aktivismus und eine starke Überzeugung vermittelt.“357
Für seine Werke, in denen Schami die Verhältnisse zwischen Angehörigen
der Minderheiten und der Mehrheit darstellt, bekam Schami viel Lob von
Wissenschaftlern und Kritikern. Viele Kritiker verwiesen darauf, dass in
Schamis Werken die Integration als eine Alternative zur Assimilierung darge-
stellt wird. Die Germanistin Iman Khalil lobt Schamis Begabung und betont
die Koexistenz von Minderheiten mit der Mehrheitsgesellschaft in Schamis
Werken:
356 LANDOLT: Die Bestie Exil. S. 27. 357 BAVAR: Aspekte der deutschsprachigen Migrationsliteratur. S. 118.
175
The implicit theme in Schami´s tales is, in sum, that people should develop an understanding for each other and a unity among themselves, notwithstanding ethnic, social, religious, cultural, and gender differences.358
Auf der einen Seite erhielt Schami deutlich positive Kritik zu seinen Werken,
auf der anderen Seite erhielt er jedoch scharfe Kritik seit seiner ersten Er-
scheinung auf der Bühne als Erzähler. Das Lob der Kritiker bezog sich vor
allem auf Schamis arabische Erzählkunst, andere Kritiker wiederum missbil-
ligten seine Erzählungen und bezeichneten sie als unreife Kunstwerke. Insbe-
sondere gab es viele Auseinandersetzungen über Schami mit Kritikern nach
Schamis literarischem Durchbruch im Jahre 1989 mit Erzähler der Nacht.
Diese Auseinandersetzung dauerten bis zum Erscheinen seines erfolgreichs-
ten Romans Die dunkle Seite der Liebe an.
Von einigen Kritikern wurde Schami als „Bediener deutscher Klischees vom
Orient“ bezeichnet. Außerdem sehen sie in Schami einen Autor, der sein
Heimatland und die dort lebenden Araber diffamiere. Schami erwidert, dass
diese Kritiker, die solche Meinungen vertreten, entweder mit den Kultusmini-
sterien und offiziellen Zeitungsredaktionen in den arabischen Ländern arbei-
ten, oder sie zu einem Kritikerkreis gehören, der lediglich die arabische Lite-
ratur aus eurozentristischer und neokolonialer Sicht betrachte. Dabei begüns-
tigten sie solche Literatur, die die europäische Literatur nachahme.359
Schamis Beitrag zur deutschsprachigen Literatur wurde ebenfalls von einigen
Kritikern wenig beachtet. Einige Kritiker betrachten seine Texte als erzähle-
rische Trivialliteratur. Siggi Seuss, freischaffender Journalist und Übersetzer,
meint, dass der Leser, der Schamis Werke liest, „sich nicht in einem geschlif-
fenen Werk belletristischer Prosa befindet, sondern in einem arabischen
358 KHALIL, Iman: Rafik Schami´s Fantasy and Fairy Tales. The International Fiction. Review Volume 17. Nr. 2. 1990. S. 121-123. Besonders S. 121. 359 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 112.
176
Caféhaus zwischen zwei Buchdeckeln“.360 Ein weiteres Beispiel für die gerin-
ge Bewertung Schamis Literatur ist Prof. Dr. Martin Lüdkes Kritik. Er dis-
kutierte mit Schami über gute und schlechte Literatur und benutzte den Er-
kenntniswert und Modernität als Maßstab für seine Kritik. Nach Lüdke ha-
ben Schamis Erzählungen keinen modernistischen Inhalt. Seine Märchen
spielen in vorindustriellen Welten. Sie seien abgestanden wie „der Mief aus
unseren Wohnküchen in den 50er Jahren“.361
Weitere scharfe Kritik tauchte auch in einem Artikel von dem Dichter,
Schriftsteller, Übersetzer und Redakteur Hans Magnus Enzensberger in der
Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 28. Dezember 1991 auf. Darin führt
Enzensberger an, dass er eine sehr klare Medienkritik formulierte und die
Entwicklungen in der arabischen Welt in seinem Buch Schreckens Männer
sehr kritisch betrachtet, und mit diesem Hintergrund den ausländischen
Schriftstellern unterstellen könne, dass sie nach Adelbert von Chamisso keine
wertvolle Literatur mehr geschrieben haben bzw. dass es nach ihm keinen
nennenswerten ausländischen Schriftsteller mehr in der deutschen Literatur
gegeben hat. Laut Enzensberger hat die deutsche Kultur nach Chamisso kei-
ne Bereicherung vonseiten der Migrantenliteratur erfahren. Diese Kritik be-
traf alle ausländischen Schriftsteller. Schami verteidigte sich gegen dieses
Urteil und betonte, dass ausländische Schriftstellerinnen und Schriftsteller
sich bemühen, die deutsche Sprache zu lieben und durch sie Literatur zu
schöpfen. Diese Bemühungen sind eine wertvolle Bereicherung für die deut-
sche Sprache. Schami hält diese Kritik für einen Angriff auf die Kultur, zu
der alle ausländischen Schriftstellerinnen und Schriftsteller gehören.362
360 SEUSS, Siggi: Alle guten Geister der vereinigten Morgenländer..In: Sächsische Zei-tung. 08.01.1995. S. XII. 361 Vgl. BURKHARD, Angelika: Voll vom „Mief der Wohnküche?“. Rafik Schami und Martin Lüdke diskutieren über gute und schlechte Literatur. In: Frankfurter Rundschau 10.11.1990. S. 18. 362 Vgl. SCHAMI: Ein ehrlicher Lügner. S. 46f.
177
Einige Kritiker befürworten den Nutzen von Exotik und Klischees. Die Wis-
senschaftler und Kritiker analysieren diesen Nutzen als Vorteil in Schamis
Werken. Beispielsweise diskutiert die Wissenschaftlerin Heide Rösch den
Nutzen der Exotik, der ethnischen Darstellung und Klischees bei Schami und
zeigt, wie Schami „Außenseitertum, Migration und interkulturelle Kommu-
nikation als Chance zum Aufbruch und zur individuellen und gesellschaftli-
chen Weiterentwicklung thematisiert“.363 Laut Rösch funktionalisiert Schami
in seinen Märchen und Erzählungen das Vorwissen seiner deutschen Leser,
um neue, unterschiedliche Vorstellungen über den Orient, die arabischen
Märchen und das Märchenhafte zu schaffen. Ebenso verfährt er in seinen
realistischen Romanen: Auch hier nutzt er das Vorwissen seiner Leser, um
neue Vorstellungen über das reale Leben, die Araber und die Wirklichkeit der
arabischen Welt aufzubauen. Der Leser steht somit vor der Aufgabe, die Ste-
reotype und Klischees über Schamis Herkunftsland zu korrigieren.
Schami reproduziert Klischees nicht, sondern nutzt sie für seine Zwecke und im Kontext interkulturellen Lernens. Ich möchte sogar soweit gehen, dass er neue Klischees bildet, solche von den pfiffigen ImmigrantInnen, die Migration als Aufbruch be-greifen und ihren Mitmenschen kurz, präzis und knapp eine interkulturelle Utopie vorspielen.364
Schami sichert sich die Aufmerksamkeit seines Publikums, indem er auf Be-
kanntes verweist. Ein weiteres Kritikbeispiel ist Uta Aifan. Aifan betont, dass
Schamis Popularität zweifellos an seiner Inszenierung eines Exotismus liegt,
der Stereotype des Arabischen, wie z.B. Fabulieren oder Langsamkeit (laut
Schami ist Langsamkeit ein Kennzeichen des orientalischen Stils), aufgreift
und rezeptionslenkend für die Verbesserung des Kenntnisstandes seiner Le-
ser nutzt.365
363 Vgl. RÖSCH: Migrationsliteratur im interkulturellen Kontext. S. 187f. 364 Ebd. S. 190. 365 Vgl. AIFAN, Uta: Über den Umgang mit Exotismus im Werk deutsch-arabischer Auto-ren der Gegenwart. In: SCHENK, Klaus (Hrsg.): Migrationsliteratur. Schreibweisen einer Interkulturellen Moderne. Tübingen: Francke Verlag. 2004. S. 205-220. Besonders S. 218.
178
Was seine realistischen Romane betrifft, legt Schami starken Wert auf die
Überzeugungskraft seiner fiktiven Geschichten durch sorgfältig recherchierte
Wirklichkeitsnähe. Das literarische Verfahren der inszenierten Realität findet
sich in seinen späteren Romanen. Insbesondere verändert sich Schamis arabi-
sches Fabulieren nach seinem Roman Der ehrliche Lügner hin zu einer eher
europäischen Literaturtradition- die klassische Romanform mit auktorialem
Erzähler tritt an die Stelle der Rahmenhandlung mit Binnenerzählungen: Man
kann Schami als Kulturvermittler in seinen realistischen Romanen kritisiert.
In diesen Romanen wurden Syrien und Deutschland unterschiedlich darge-
stellt. Damaskus als Romanschauplatz taucht in den meisten Geschichten und
Romanen von Schami auf. Vor allem in seinen gut rezipierten Romanen Die
dunkle Seite der Liebe, Eine Hand voller Sterne und Das Geheimnis des
Kalligraphen. Er führt die Leser immer wieder in die Damaszener Stadtvier-
tel seiner Jugend, wo er in der Ýabbara-Gasse 25 Jahre lang lebte. Schami,
der 1971 auswanderte, beschränkt seine Geschichten auf die Zeit von den
50er bis 70er Jahren, in der Zeit, in der er sein Leben in Syrien verbrachte.
Den Stoff für seine Romane liefern ihm zurückgelassene Freunde, Verwand-
ten und Bekannten, deren Erlebnisse er literarisch in seine Romane verarbei-
tet. Schami entfernt sich also nicht von Zeit und Raum seiner Jugend in Syri-
en, sondern verwendet immer die gleichen Elemente wie Stadtviertel, Gas-
sen, arabische Protagonisten und Atmosphäre, Märkte u.a.
Die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen seit den 70er
Jahren in Syrien tauchen jedoch nicht in seinen Romanen auf. Dies suggeriert
seinen Lesern, dass Syrien keinen Aufschwung oder keine Entwicklungen
seit den 70er Jahren erlebt habe. Mit anderer Perspektive nutzt Schami
Deutschland als Schauplatz seiner Geschichten. Man bemerkt, dass Deutsch-
land kaum in seinen Romanen dargestellt wird, und auch nur den Rahmen der
Migrationsthematik bildet. Insbesondere beschäftigt er sich mit der Darstel-
lung der multikulturellen Gesellschaft in Deutschland. Heimat, Identität und
179
Integration sind die diskutierten Themen in seiner Darstellung Deutschlands.
Syrien bezeichnet zwar ein wichtiges, aber beschränktes räumliches Element
in seinen Geschichten, um die religiöse, ethnische und nationale Vielfalt der
syrischen Gesellschaft wie im Roman Erzähler der Nacht zu zeigen. Im Ge-
genteil scheint Deutschland als konkretes räumliches Element, um die
Migrantenprobleme oder die der multikulturellen Gesellschaft zu zeigen.
Schlussfolgernd ist festzustellen, dass Schamis Literatur mit zwei unter-
schiedlichen kritischen Perspektiven gesehen wurde. Die Kritiker, die Scha-
mis Literatur scharf kritisieren, haben ihre Aussagen oder Meinungen ohne
ausführliche Argumentationen dargestellt. In der Zeit, in der Schami betont,
dass das Märchen, eine Literaturgattung aus seinem arabischen Kulturkreis,
ein Stück seiner Identität ist,366 kritisieren die Kritiker die märchenhaften
Inhalte und Formen in Schamis Geschichten und betrachten diese Geschich-
ten als Kunstwerke aus der Zeit der Vormoderne. Andererseits haben die
Verleger Schami empfohlen, weiter märchenhafte Geschichten zu schreiben.
Die Verleger und das Lesepublikum haben seine Märchen mit viel Lob emp-
fangen. Aber im Allgemeinen hat Schami nach der Veröffentlichung seines
Romans Die dunkle Seite der Liebe keine scharfe Kritik mehr erhalten, son-
dern viel Lob sowohl von Kritikern, als auch von Verlegern und Lesern.
5.2.7 Die Übertragung Schamis Werke ins Arabische bzw. die Rezep-
tion im arabischen Sprachraum
Schamis Werke wurden bisher in 24 Sprachen übersetzt: Deutsch, Englisch,
Französisch, Griechisch, Hebräisch, Italienisch, Japanisch, Chinesisch, Spa-
nisch, Türkisch u.a., jedoch nicht ins Arabische. In Folgendem wird Schamis
Rezeption im arabischen Sprachraum dargestellt. Die Übersetzung Schamis
366 Vgl. KHALIL, Iman: Zum Konzept der Multikulturalität im Werk Rafik Schamis. In: Monatshefte für deutschsprachige Literatur und Kultur. 86. Jg. 1994. S. 201-217. Beson-ders S. 203.
180
in andere Sprachen war bisher nur selten Gegenstand der Forschung. Als ein
Zeichen für seinen Erfolg wird lediglich flüchtig erwähnt, dass seine Werke in
etwa 24 Sprachen übersetzt wurden. In einem Gespräch mit Khalid Al-Maaly
hat Schami berichtet, dass seine Werke seit den 80er Jahren in verschiedene
Sprachen übersetzt wurden. Die Anzahl der Übersetzungen nahm nach dem
Erscheinen seines Romans Eine Hand voller Sterne zu; in einem Zeitraum
von zwei Jahren wurde dieser Roman in mehr als zwanzig Sprachen über-
setzt.367
Ins Arabische wurden seine Werke bisher nicht übersetzt. So ist Schami bis
heute dem arabischen Publikum in den arabischen Ländern kaum bekannt.
Sein erster ins Arabische übersetzter Roman Das geheime Bericht über den
Dichter Goethe wurde 2005 von Nuha Forst übertragen. Im Jahre 2008 folgt
die Übersetzung seines Romans Eine Hand voller Sterne. Der syrische Über-
setzer Kameran Hug (geb. 1968) hat die Übersetzung ins Arabische angefer-
tigt. Man kann sagen, dass die Übertragung Schamis Werke ins Arabische
sehr langsam verläuft im Vergleich zu den anderen Übertragungen in zahlrei-
chen Sprachen.
Die Untersuchung arabischer Rezeption Schamis Werke ins Arabisch hat
ergeben, dass Schami unter den Missverständnissen seiner literarischen Wer-
ke und politischen Meinungen von den arabischen Verlegern, Kritiker und
Journalisten leidet. Andererseits vermischen sie seine Literatur mit seinen
politischen Artikeln. Diese Missverständnisse erschweren die Übersetzung
Schamis Werke ins Arabische und ermutigen nicht die arabischen Verleger,
seine Werke ins Arabische zu veröffentlichen. In der folgenden Diskussion
werden diese Missverständnisse und Schamis Verteidigung verdeutlicht.
367 Vgl. AL-MAALY, Khalid: Interview mit Rafik Schami. In: an-nahÁr Zeitung 13.11.2007.
181
Was die arabische Rezeption Schamis kennzeichnet, ist das Missfallen und
die gleichzeitige Begeisterung von arabischen Kritikern und Journalisten.
Trotz der deutlichen arabischen Züge in Schamis Geschichten, wurde er
scharf von einigen arabischen Journalisten kritisiert. Dagegen loben einige
Journalisten seine Werke. Die Kritiker stützen sich auf die geringe Anzahl
auf Arabisch erschienener Essays, in denen Schami seine politische Meinung
dargestellt und Kritik geübt hat an den Machthabern in den arabischen Län-
dern. Auf der Grundlage dieses Materials haben einige arabische Kritiker sich
ihre Vorstellung über die gesamte Literatur Schamis gebildet. 2004 erschie-
nen anlässlich der Buchmesse in Frankfurt mehrere Streitartikel zu Schami in
arabischen Zeitungen.
Der ägyptische Autor, Journalist und Chefredakteur der literarischen Wo-
chenschrift AÌbÁr al-Adab (dt. Literaturnachrichten) ÉamÁl al-ÇÐtanÐ (geb.
1945) stellte in einem seiner Artikel die beiden Autoren Schami und
Karasholi vergleichend gegenüber und lobte darin Karasholi, weil er ein posi-
tives Bild seiner Heimat in seinen lyrischen Werken, in Interviews, Aussagen
und Vorträgen malt. Insbesondere lobte der Journalist die patriotische Identi-
tät bei Karasholi, die er lyrisch formuliert. al-ÇÐtanÐ erwähnte auch, dass
Karasholi seine Heimatstadt Damaskus jährlich besucht, während Schami
nach seiner Auswanderung niemals seine Heimat besuche. Schami, der auf
Deutsch schreibt, distanziere sich von seiner Heimat nicht nur literarisch,
sondern in seinem eigenen Leben. al-ÇÐtanÐ plädiert in seiner Kritik für die
Loyalität zur Heimat und zur Sprache. Dazu kritisiert er das negative Ara-
berbild bei Schami. Er glaubt, dass Schami negative und schlechte Araberbil-
der in seinen Werken darstellt. Eine indirekte Antwort auf die Vorwürfe gab
Schami in einem Interview; darin sagte er, dass er etwa 4.500 Seiten veröf-
fentlicht habe, ohne in auch nur einer einzigen Zeile die arabischen Menschen
oder die arabische Kultur zu beschimpfen oder zu beleidigen. Schami
schlussfolgerte, dass die arabischen Kritiker zwischen seiner Kritik an den
arabischen Machthabern und seinen gesamten Werken nicht unterschieden.
182
In seinen Romanen formuliert Schami politische Kritik an den Machthabern
in der arabischen Welt. Er wendet seine Kritik nur an die arabischen Politiker
und Machthaber, im Gegenteil beschreibt er wahre und positive Bilder über
die Araber. Er beschreibt die Mächtigen in der arabischen Welt als Diktatu-
ren, dazu wurde von ihm die BaÝ×-Partei und die syrische Regierung stark
kritisiert und verspottet, sowohl in seinen Geschichten als auch in seinen In-
terviews. Obwohl er nicht zur Opposition in Syrien gehört, ist aber seine
politische Kritik deutlich zu dieser Gruppe zuzuordnen, wie in seinen Roma-
nen Eine Hand voller Sterne, Der ehrliche Lügner und Die dunkle Seite der
Liebe. Zusätzlich wurden in den meisten Werken Schamis der arabische Na-
tionalismus und die sozialistisch-doktrinäre BaÝ×-Partei angeprangert; in sei-
nem Roman Erzähler der Nacht führt der Minister ein Gespräch mit dem
Friseur Musa und äußert sich kritisch über die Verführung durch Stimme und
Sprache politischer Reden, die keinen Inhalt haben, und verweist auf die Re-
den des ehemaligen ägyptischen Präsidenten ÉamÁl ÝAbd an-NÁÒÐr. In den
Augen des Erzählers sind die Worte des Herrschers betrügerisch, aber die
einfachen Leute glaubten ihm:
‚Die Präsidenten reden immer länger, und die Leute werden immer schweigsamer,´ sagte Faris angewidert […]´, Nasser hat aber einen verdammt guten Kehlkopf. Wenn ich ihn höre, be-komme ich Gänsehaut und Tränen´, schwärmte Musa trotzig. ‚Ja, das stimmt´, erwiderte Faris, ‚und das ist das Problem.’368
In seinem Roman Der ehrliche Lügner erfindet Schami Namen für arabische
Städte wie „Morgana“ und „Tania“. Er wollte die politische und die soziale
Atmosphäre in der arabischen Region beschreiben. Der Diktator in dem Ro-
man heißt „Hadahek“, was im syrischen Dialekt „so ist es“ bedeutet. Viel-
leicht haben die Benennungen keine große Bedeutung, aber die gesamte Kri-
tik an den politischen Missständen erschwert die Übersetzung ins Arabische.
In diesem Roman wurden auch die politischen Lügen der Regierung des Dik-
tators und der staatlichen Presse negativ bewertet und scharf, aber listenreich
368 SCHAMI, Rafik: Erzähler der Nacht. Weinheim: Beltz Verlag. 1989. S. 32f.
183
kritisiert. Auch spottet Schami über die Erklärung der Wahlergebnisse durch
die Regierung. Die Menschenrechte in der arabischen Welt in Bezug auf das
Wahlrecht wurden ebenso thematisiert.
Literarisch thematisiert er außerdem die Zensur in seinem Roman Eine Hand
voller Sterne; darin gründet ein Junge eine Untergrundzeitung, die gegen die
politischen und gesellschaftlichen Missstände in Syrien anschreibt. Der Ich-
Erzähler gibt am Ende des Romans nicht nach und beschließt mit seinem
Freund Mahmud trotz der Verhaftung Habibs, des „Urhebers der Unter-
grundzeitung“ den Widerstand fortzusetzen. Der Roman endet mit den Wor-
ten: „Habib braucht die Zeitung. Wir werden den Militärs zeigen, wie viele
Habibs dieser gefangene Journalist zur Welt gebracht hat.“369 Im Roman
Die dunkle Seite der Liebe ist die Zensur das schrecklichste Instrument der
Diktatur. Wer das Regime kritisch beurteilt oder auch nur die Wahrheit aus-
spricht, wird verfolgt, gefoltert und getötet. Aufgrund der Zensierung der
Medien kann, nach Schamis Meinung, keine ernsthafte Literatur in den arabi-
schen Ländern entstehen.370 Der Roman zeigt, wie die arabische Gesellschaft
durch Kolonialmacht und Diktatur negativ beeinflusst wurde. Vor allem aber
wird aufgezeigt, wie sehr die Sippenstruktur das Verhalten und Handeln der
Menschen in den arabischen Ländern bestimmt. Diktatur, in welcher Form
auch immer, und die Sippenstruktur werden im Roman als wichtigste Fakto-
ren genannt, die die arabische Gesellschaft blockieren.
Wie gezeigt wurde, spielt Schamis Kritik an den politischen und gesellschaft-
lichen Seiten der arabischen Gesellschaft eine große Rolle in den Überset-
zungsschwierigkeiten seiner Werke durch arabische Verlage. Außerdem blei-
ben seine zwei ins Arabische übersetzten Romane ohne Resonanz im arabi-
schen Raum. So wartet Schami auf die zukünftige arabische Rezeption und
beschreibt seine Hoffnungen in dem folgenden Zitat:
369 SCHAMI, Rafik: Eine Hand voller Sterne. Weinheim: Beltz Verlag. 1987. S. 198. 370 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 159f.
184
Im nächsten Jahr sollen meine Werke beim Verlag Al-Kamel in Köln erscheinen. Dass es sich dabei um einen Exilverlag han-delt, zeigt wieder das Verhältnis der syrischen Machthaber zu meiner Person. In China hat man meine Bücher zugelassen, nicht aber in Syrien. Die arabischen Ausgaben werden in Köln produziert und gelangen dann auf leisen geduldigen Sohlen von Kamelen auch nach Syrien. Es freut mich, durch die Hintertüre in mein Land zurückkehren, ohne dass meine Freunde dort mich auf Französisch oder Englisch lesen müssen. Sie werden meine Stimme hören, ohne dass ich körperlich dort sein muss. 371
Die Untersuchung hat ergeben, dass die arabische Rezeption Schamis Werke
nicht ohne Probleme, Schwierigkeiten oder Missverständnisse gekennzeich-
net ist. Schließlich kann man sagen, dass Schami angeboten wurde, einige
seiner Werke ins Arabische zu übersetzen. Dieser Vorschlag von staatlicher
Seite hätte jedoch zur Folge gehabt, dass Textstellen zensiert worden wären,
was Schami ablehnte. Obwohl es für Schami eine Enttäuschung darstellt; in
den arabischen Ländern nicht gelesen zu werden, ist es für ihn ein großer
Erfolg auf den „schwarzen Listen“ der arabischen Länder zu stehen.372
5.3 Die syrisch- deutschsprachige Lyrik - Adel Karasholi als Beispiel
5.3.1 Biographisches
Adel Karasholi ist ein deutscher arabischstämmiger Lyriker, Essayist und
Übersetzer. Seine Muttersprache ist arabisch. Seine Gedichtbände erschienen
auf Deutsch. Karasholi, ein bilingualer Autor, gilt als der älteste unter den in
Deutschland lebenden arabischen Schriftsteller. Ebenfalls ist er einer von den
wenigen arabischstämmigen Schriftstellern, die sowohl auf Arabisch als auch
auf Deutsch literarisch erfolgreich tätig sind. Er lebt bald 50 Jahre in
371 FEHRENBACH, Achim: Durch die Hintertür nach Syrien. Interview mit Rafik Schami. In: Die Zeit Nr. 47. 2002. 372 Vgl. WILD: Rafik Schami. S. 149.
185
Deutschland; seit 1961 lebt er in Leipzig; seit 1992 besitzt er die deutsche
Staatsbürgerschaft. Ab 1964 arbeitete er am Germanistischen Institut der
Karl-Marx-Universität Leipzig; von 1968 bis 1993 war er Lektor an der Uni-
versität Leipzig. Seit 1993 arbeitet er als freier Schriftsteller.
Karasholi wurde am 15. Oktober 1936 als Sohn einer wohlhabenden kurdi-
schen Familie in Damaskus geboren. Er war eines von sieben Geschwistern.
Sein Vater, ein Gutsbesitzer, konnte zwei Neigungen seines Sohnes nicht
teilen: die marxistische Gesinnung und den Wunsch, ein Dichter zu wer-
den.373 Die islamische Religion hat lediglich eine untergeordnete Bedeutung
in seinem Leben. Auch seine kurdische Abstammung spielte für Karasholi
keine wesentliche Rolle. er bezeichnet sich selbst als „kulturell religiösen“
Menschen.374
In Syrien begann er früh, Gedichte zu schreiben; mit etwa 15 Jahren schrieb
er sein erstes Gedicht auf Arabisch. Er hat dieses Gedicht aus Liebeskummer
geschrieben. Die folgenden Gedichte waren stark von der Tradition der ara-
bischen Volkskunst geprägt. Bald wurde die Literatur zum alles beherr-
schenden Thema in seinem Leben. Er las die Werke der Weltliteratur und
besuchte Bibliotheken. Als er 16 Jahre alt war, gründete er eine Zeitung. Sein
Vater finanzierte sie, aber wegen sogenannter staatsfeindlicher Äußerungen
wurde sie bereits nach dem ersten Exemplar verboten.
In den 50er Jahren wurde er als junger Lyriker und Journalist bekannt. Er,
der kommunistisch und linksbürgerlich orientiert ist, hat sich seit den 50er
Jahren mit Politik beschäftigt. Seine Gedichte trugen nun vorwiegend tages-
373 Vgl. HÄNDLER: Adel Karasholi. S. 11. 374 Vgl. HÄNDLER: Interview mit Adel Karasholi zu Leben und Werk. Januar 1999. In: Ders.: Adel Karasholi. S. 83.
186
politischen Charakter. Nach der Einheit zwischen Syrien und Ägypten375 im-
migrierte er nach Deutschland.376
Literarisch aktiv war er in Deutschland vor allem als Lyriker. Er veröffent-
lichte vier Gedichtbände, daneben übersetzte er aus dem Arabischen ins
Deutsche und umgekehrt. Darüber hinaus verfasste er Essays, Kurzgeschich-
ten und arbeitete an Hörspielen mit. In Interviews diskutierte er verstärkt in
den letzten Jahren über gesellschaftliche und politische Ereignisse sowie über
den Nahost-Konflikt.
5.3.1.1 Der syrische Lyriker und die Migration nach Deutschland
Karasholi war in verschiedenen Bereichen tätig, bis ihm als Lyriker der
Durchbruch gelang. In den Jahren 1952 bis 1958 war er bei verschiedenen
syrischen Zeitungen als Literaturreporter tätig und leitete auch eine Studen-
tensendung bei Radio Damaskus. Er war mit 20 Jahren als Autor in Ägypten
und dem Libanon in engen Literaturkreisen bekannt.377
Karasholi war zwar nie Mitglied der kommunistischen Partei, seine politische
Gesinnung war aber sozialistisch. Zudem war der arabische Schriftstellerver-
band, dem Karasholi angehörte, marxistisch orientiert. Im Zuge des 1958
vollzogenen Zusammenschlusses Syriens und Ägyptens zu der Vereinigten
Arabischen Republik unter der Führung des ägyptischen Präsidenten an-
NÁÒÐr wurde nicht nur der marxistisch orientierte Schriftstellerverband verbo-
ten, sondern auch alle politischen Parteien und Massenorganisationen. Da-
375 Syrien und Ägypten schlossen sich 1958 zur Vereinigten Arabischen Republik unter der Führung des ägyptischen Präsidenten ÉamÁl ÝAbd an-NÁÒÐr zusammen, aber diese Einheit wurde 1961 aufgelöst. Die Syrer fühlten sich als Junior-Partner Ägyptens, deshalb putscht das Militär in Syrien 1961. 376 Vgl. HÄNDLER: Adel Karasholi. S. 12f. 377 Vgl. ebd. S. 13.
187
mals übte Literatur großen Einfluss auf die Menschen aus. Viele Schriftsteller
wurden wegen ihrer politischen und sozialen Kritik verfolgt oder verhaftet.
Nachdem auch gegen Karasholi ein Haftbefehl erging, entschied er sich, ins
Exil zu fliehen. 1959 floh er in den Libanon; nach zwei Jahren Herumirrens
durch die Welt als Exilant, fand er schließlich 1961 in der DDR seine zweite
Heimat. Die DDR war für ihn eine sichere Zuflucht. Über diese Periode in
seinem Leben sagt Karasholi:
[…] Das politische System in Syrien wurde dem in Ägypten angeglichen und in Ägypten herrschte ein Einparteiensystem. Es folgte eine Verhaftungswelle, auch gegen Mitglieder unseres Schriftstellerverbandes. Einige Mitglieder flohen nach Libanon, so auch ich. Ich hätte relativ gefahrlos zurückkehren können. Mein Vater war im Libanon und wollte mich zurückholen. Ein Verwandter meiner Familie war Innenminister in Syrien. Aller-dings hing eine Bedingung an meiner Rückkehr: Ich sollte mei-ne Kontakte offenbaren. Doch ich habe meinem Vater geant-wortet: Ich verkaufe meinen Bleistift nicht!378
Im Libanon lebte er im Untergrund und schlug sich als Gelegenheitsarbeiter
durch. Sein erster Besuch in der DDR fiel auf das Jahr 1959 anlässlich der
Leipziger Buchmesse. Karasholi erwähnte in einem Gespräch, dass der be-
kannte libanesische Philosoph Íusain MurÙÙa ein Flugticket für ihn besorg-
te.379 Ein jordanischer Dichter, der bei Radio Berlin International arbeitete,
hat Karasholi geholfen, in Deutschland zu bleiben. Dieser Dichter hatte als
Moderator der Studentensendung im Damaszener Rundfunk Karasholis ers-
ten Gedichte gesendet und sich gefördert.380
Karasholi hat in der DDR um Asyl gebeten; jedoch nach einem mehrwöchi-
gen Aufenthalt im Aufnahmelager Fürstenwalde wurde sein Asylgesuch ab-
378 Ebd. S. 79. 379 Vgl. KARASHOLI, Adel: Daheim in der Fremde. In: VON SAALFELD: Ich habe eine fremde Sprache gewählt. Ausländische Schriftsteller schreiben deutsch. Gerlingen: Blei-cher Verlag. 1998. S. 109-140. Besonders S. 111. 380 Ebd. S. 110.
188
gelehnt. Es geriet Karasholi zum Nachteil, dass er kein Mitglied in der kom-
munistischen Partei Syriens war. In Ost-Berlin übernahm der Vertreter der
Partei die geforderte Bürgschaft für den prominenten syrischen Dichter nicht.
Karasholi wurde nach West-Berlin abgeschoben.381 Ein neues Kapitel in
Karasholis Leben begann in der BRD, wo er seine lyrische Präsenz als
deutschsprachiger Dichter gründete.
5.3.1.2 Die ersten Jahre in Deutschland
Schon als arabischer Migrant begann Karasholis Leben in Deutschland mit
Schwierigkeiten. In München arbeitete er neun Stunden täglich am Fließband
in einer Fabrik. Er lebte von einem geringen Lohn in ärmlichen Verhältnissen.
In dieser Zeit erfuhr er am eigenen Leib, was es bedeutet, Gastarbeiter und
Fremder zu sein. Über diese Periode seines Lebens kann der Leser einige
Gedichte in seinem Gedichtband Wie Seide aus Damaskus lesen, in dem er
seinen Alltag, seine Gefühle und sein Leben in München und Westberlin be-
schrieb:
Allein bin ich
Kein Trost ist hier für mich in blauen Augen
gar kein Trost
Vergessen bringt mir nicht der Sterne Schatten
Kein Vergessen
Vorm Fenster fällt der Schnee auf leere Wege
ohne Ziel
Auf unfruchtbare Äcker und auf Grenzen fällt
er weiß382
381 Vgl. HÄNDLER: Interview mit Adel Karasholi zu Leben und Werk. S. 79f. 382 S. KARASHOLI, Adel: “Wände”. In: Wie Seide aus Damaskus. Gedichte. Berlin: Ver-lag Volk und Welt. 1968.
189
1961 ging er wieder nach Ost-Berlin, wo er mit Hilfe des kurdischen Studen-
tenverbands ein Stipendium bekam. Als Student lebte er in Leipzig, nahm an
einem Sprachkurs am Herder-Institut teil. Zunächst studierte er Theaterwis-
senschaften, dann am Johannes-R.-Becher-Institut Literaturwissenschaften
und promovierte anschließend über Bertolt Brecht. Bis 1970 arbeitete er an
seiner Dissertation.
Am Leipziger Literaturinstitut traf er auf die sogenannte „Sächsische Dich-
terschule“. 1965 wurde der Haftbefehl gegen ihn aufgehoben, aber er blieb
aus persönlichen Gründen in Leipzig, wo er Mitglied des deutschen Schrift-
stellerverbands wurde. Mit der Aufhebung des Haftbefehls gegen ihn endete
sein „offizielles“ Exilleben; er blieb aber dennoch in der DDR und lebte mit
seiner deutschen Frau, übersetzte, dichtete und arbeitete seit 1968 an der
Karl-Marx-Universität in Leipzig als Lektor bis er sich ab 1993 als freier
Schriftsteller dem Schreiben widmete.
In seinem Gedichtband Wie Seide aus Damaskus formuliert er die Verwirkli-
chung der sozialistischen Utopie, die die Fremde für den Dichter ertragbar
macht. Die 60er Jahre waren die Zeit einer beginnenden Verwurzelung in der
DDR. Seine Ankunft in Leipzig war die Ankunft im Paradies, wie Karasholi
in einem Interview sagte:
Und dann kam ich nach Leipzig. Der erste Tag im Haus der Freundschaft: man gab mir ein Zimmer, geheizt, und die Lehre-rin ging mit mir ins Konsument, kaufte mir einen Mantel und einen Anzug und gab mir 300 Mark. Davon habe ich einen Plat-tenspieler gekauft und die 6. Sinfonie von Tschaikowski. Das weiß ich bis heute. Und ich fühlte mich als Mensch. Und da war die DDR für mich das Paradies.383
Karasholi hat in den ersten Jahren in Leipzig sich als ein deutscher
arabischstämmiger Lyriker in Deutschland begründet. Diese Begründung
383 HÄNDLER: Interview mit Adel Karasholi zu Leben und Werk. S. 81.
190
thematisierte er später in seinem Gedichtband Daheim in der Fremde. Als
Literat bekam Karasholi bereits nach kurzem Aufenthalt in Leipzig Aufmerk-
samkeit. Er wurde zu zahlreichen Lesungen mit deutschen Lyrikern wie u. a.
Volker Braun und Sarah Kirsch eingeladen; er bekam großen Zuspruch sei-
tens des deutschen Publikums.
5.3.1.3 Der syrische Dichter und die deutsche Sprache
Während seiner zwei Jahre in Westdeutschland hat Karasholi seine Deutsch-
kenntnisse nicht verbessert, weil er damals eine Abneigung gegen die gesam-
te westdeutsche Gesellschaft empfand. Am Herder-Institut begann er,
deutsch zu lernen. Er erlernte die deutsche Sprache sehr schnell und nach
fünf Monaten veranstaltete er seine erste zweisprachige Lesung und trug
seine ins Deutsche übersetzten Gedichten vor. Es störte ihn damals, dass er
seine Gedichte nicht selbst ins Deutsche übertragen konnte. Er wusste, dass
die Übersetzung nie das Originalwerk ersetzen kann. Karasholi betont seine
Unzufriedenheit mit Übersetzungen, weil sie nicht in seiner Sprache waren,
sondern in der Sprache der Nachdichter. Er wollte mit seinen Worten sagen,
wie er etwas empfand.384
In den ersten sechs Jahren in Deutschland studierten am Becher-Institut, an
dem Karasholi studierte, viele Schriftsteller, die später bekannt wurden.
Karasholi beschäftigte sich in dieser Zeit ständig mit Literatur und pflegte
zahlreiche Freundschaften mit Schriftstellerkollegen. Karasholi profitierte
von seinem Studium und der Promotion über Brecht; vor allem verbesserten
sich seine Deutschkenntnisse, und der Umgang mit der deutschen Literatur
beeinflusste sein eigenes Schreiben. Als Karasholi Brechts Werke las, geriet
er in eine Schaffenskrise, weil Karasholis Gedichte gefühlsbetont und reich
384 Vgl. ebd. S. 85.
191
an Metaphern waren. Nach einer intensiven Beschäftigung mit Brecht erlern-
te Karasholi die Verdichtung und die weniger emotionale Schreibweise.385
Auch die deutschen Schriftsteller Friedrich Hölderlin, Friedrich Gottlieb
Klopstock, Rainer Maria Rilke, Hans Magnus Enzensberger, Gottfried Benn,
Georg Maurer u.a. hatten Einfluss auf ihn gehabt. Als er auch souveräner mit
der Sprache umzugehen wusste, hat er versucht, sich von diesen Einflüssen
zu befreien und zu sich selbst zurückzufinden.
Karasholi verbesserte nicht nur seine deutsche Sprache, sondern entwickelte
seine Meinungen über Kommunikation, Sprachspiele, Kontakt mit dem Ad-
ressat u.a. Er schrieb deutsche Gedichte, die reine Kommunikationsmittel
waren; erst später, als er mit der Sprache besser umzugehen wusste, hatte er
auch Spaß am Experimentieren mit der Sprache, an Auseinandersetzung mit
der deutschen Literaturgeschichte. Da war für ihn dann der Adressat nicht
mehr so wichtig wie am Anfang. Das Ich war in den Mittelpunkt gerückt.
Diese Gedichte kann er mit gutem Gewissen der Öffentlichkeit zugänglich
machen.386
Seine ersten in deutscher Sprache verfassten Gedichte waren Liebesgedichte.
Karasholi nennt diese Gedichte operative Gedichte. Er findet, dass Wagnis
oder Torheit die Gründe des Schreibens waren. Aber er hat es aus der Not-
wendigkeit heraus getan, sich in der Sprache zu artikulieren, aus der er die
Signale der Wirklichkeit erhalten hat, in der er sich bewegt, die ihn von allen
Seiten seines Daseins umgab und belagerte. Er dachte zunächst nicht an eine
Veröffentlichung.387
Karasholis Lehrer Georg Maurer ermutigte ihn, eine Sammlung zusammen-
zustellen und zu veröffentlichen. Er meinte, es seien interessante und eigen-
385 Vgl. KARASHOLI: Daheim in der Fremde. S. 109-140. Besonders S. 112. 386 Ebd. S. 118ff. 387 Ebd. S. 110ff.
192
ständige Gedichte, die einen Duktus hätten, den deutsche Dichter nicht haben
können. Karasholi publizierte 1978 den Band Umarmung der Meridiane, in
dem sich in deutscher Sprache geschriebene Gedichte fanden. In diesem
Band beschrieb Karasholi sein Experiment, als Lyriker mit zwei Sprachen zu
leben. „Zu Hause“ fühlt sich der Lyriker sowohl in Leipzig als auch in Da-
maskus. Dieses Gefühl ist ein Mittel gegen den Verlust in den beiden Welten.
Sein eigenes Schicksal hat Karasholi von einem negativen zu einem positiven
Schicksal verändert und seine Identitätsprobleme gelöst. Das Ergebnis war
eine Doppelzüngigkeit. Die Worte „Umarmung der Meridiane“ erklären die
Gefühle eines arabisch-deutschen Dichters, der mit zwei Sprachen lebt:
Hin und her
Her und hin
Wo bin ich zu Haus
In zwei Sprachen bildet sich der Satz
In zwei Welten greifen die Hände
Im Traum spricht in Deutsch mit mir die Mutter
In Arabisch mein sächsisch Weib
Von Meridian zu Meridian
Leichtfüßig springen meine Träume
Weiten sich aus meines Baumes Zweige
Und jede Blüte trägt die Tätowierung
Altvertrauter Sonnenkarawanen
Die durchpulsen meines Baumes Adern388
Im Folgenden soll nun Karasholis Weg zum deutschen Lesepublikum anhand
seines deutschsprachigen lyrischen Werkes untersucht werden.
388 KARASHOLI, Adel: Umarmung der Meridiane. Gedichte. Halle-Leipzig: Mitteldeut-scher Verlag. 1978.
193
5.3.1.4 Die Gedichtbände
Es geht hier um eine kurze Interpretation von Karasholis Gesamtwerk; davon
ausgehend wird die Rezeption seiner Werke skizziert. Karasholi hat sieben
Lyrikbände veröffentlicht, daneben Übersetzungen Bertolt Brechts Werke
und eine Studie über ihn. 1962 erschien sein Gedichtband MawwÁl fī al-
Èurba in arabischer Sprache, 1968 seine ins Deutsche übersetzten Gedichte
„Wie Seide aus Damaskus“, dann die in deutscher Sprache publizierten Bän-
de Umarmung der Meridiane von 1978, Wenn Damaskus nicht wäre und
Also sprach Abdulla. In diesen Lyrikbänden fanden sich Karasholis Liebes-
gedichte und philosophische Gedichte, in denen die Einflüsse der beiden ihn
beeinflussenden Lebensperioden in Syrien und in Deutschland deutlich zu
erkennen sind. In seinen Gedichten zeichnete er eine Mischung aus den ver-
schiedenen Erfahrungen und verschiedenen Zeichensystemen aus dem Orient
und dem Okzident – insbesondere in seinem Gedichtband Umarmung der
Meridiane. Sowohl die Fremde als auch die Heimat prägten seine Schreib-
weise, nur schwer kann man ein Gedicht von ihm ohne Züge der Fremde
finden.
1968 erschien der Band Wie Seide aus Damaskus im Verlag Volk und Welt.
Die Gedichte wurden von befreundeten deutschen Lyrikern nachgedichtet.
Nach Abschluss der Übersetzungsarbeit bearbeitete Karasholis die übersetz-
ten Gedichte mit befreundeten Lyrikern.389 Die meisten Gedichte wurden in
der DDR-Zeit geschrieben; daneben finden sich darin Gedichte, die im Liba-
non und in Westdeutschland geschrieben wurden. Die Gedichte kreisen um
die Themen der Liebe, des Kampfes und des Abschieds, in denen Karasholi
seine Liebe zur Heimat thematisierte und seine Erfahrungen in der DDR be-
schrieb. Er setzt sich mit dieser neuen Wirklichkeit auseinander.
389 Vgl. RICHTER, Lutz: Im Gespräch mit Adel Karasholi. In: Deutsch als Fremdsprache. Literarisches Sonderheft. 1986. S. 96-103. Besonders S. 100.
194
An Karasholis metaphorischer gefärbter Sprache sind Einflüsse von Pablo
Neruda, Georg Maurer, Nazim Hikmet und Federico García Lorca deutlich
sichtbar.390 In diesem Band wird für den Leser Karasholis Liebe zu seiner
Frau spürbar, die mit ihm in seiner neuen Heimat lebt. Die Frau ist „wie Da-
maszener Seide“ goldfarben und weich. So findet Karasholi in der Liebe sein
Weg, sich in der neuen Heimat zu integrieren. Mithilfe dieser Liebe überwin-
det er ebenso die Grenzen zwischen zwei verschiedenen Ländern.
1959 veröffentlicht Karasholi den Gedichtband Also sprach Abdullah.
Karasholi schrieb 11 Gedichte zuerst auf Arabisch um sie dann ins Deutsche
zu übersetzen. Der Band erschien in drei Auflagen; die dritte überarbeitete
Auflage erschien 2006. Mit diesem Band wurde Karasholi berühmt. In den
Gedichten dieses Bandes formulierte der Dichter seine dialektischen Betrach-
tungen über seine Lebenserfahrungen in der Form der altislamischen Sufi-
Texte des 9. Jahrhunderts. Die Gedichte fügen sich förmlich wie Arabesken
ineinander. Thematisch kreisen sie um das unlösbare Paradox von Einheit
und Vielheit ebenso wie um Karasholis Sehnsucht nach Kommunikation mit
den anderen ohne sich selbst aufzugeben.
Anders als die Sufis, die davon ausgehen, Dass Gott der einzig Existierende
ist. Sie streben den Zustand des Aufgehens, des Entwerdens in Gott an. Die
Spaltung in Subjekt und Objekt soll aufgehoben werden, um in die göttliche
Einheit zurückzukehren, stellt Karasholi eine neue Formulierung der Bezie-
hung zwischen Subjekt und Objekt dar, indem sich das Subjekt nicht selbst
aufgibt.391 Zwar interessiert sich Karasholi in diesem Band für den Unter-
schied zwischen Verwurzelung und Entfremdung, aber insbesondere interes-
siert er sich für „aktive Anpassung“, die „keine Assimilierung“ ist.392 In ande-
ren Worten: die Gratwanderung ist die Hauptidee dieser Gedichte. In diesem
Band wie in anderen seiner Gedichtbände verwendet der Dichter die Technik
390 Vgl. ebd. S. 99. 391 Vgl. KARASHOLI: Daheim in der Fremde. S. 109-140. Besonders S. 137. 392 Vgl. ebd.
195
der Verdichtung und der metaphorischen Bilder, die zur philosophischen
Besinnung führen. Der Gedichtband thematisiert die Fremde und ihre sprach-
lichen, psychischen, philosophischen Ebenen. Von an-NiffarÐ393 und aus dem
Alten Testament übernahm Karasholi den Satz „und er sprach“, mit dem an-
NiffarÐ jede seiner Zeilen beginnt. Ähnlich wie die Bibelduktus „Lies Dir mal
Genises“ beginnt auch jedes Gedicht Karasholis mit dem typischen biblischen
Stil „und also sprach Abdulla zu mir“.
Karasholi nutzt einen philosophischen Monolog mit sich selbst; er spricht mit
sich. Abdullah ist eine fiktive Gestalt, die dem zweisprachigen Lyriker
Karasholi die Möglichkeit bietet, mit sich selbst Zwiesprache zu halten. Diese
zweite Person ist kein anderer als der innere Charakter des Dichters.
Karasholi beschreibt die durch die Fremde ausgelösten Veränderungen in
einer anderen Person und versucht, den inneren Zweifel bei ihm zu enthüllen.
Dazu sucht er nach Liebe, Heimat, Identität, Freude, Ehrlichkeit, Gerechtig-
keit und nach Zufriedenheit im Leben.
Das Gedicht „Seiltanz“ thematisiert das ganze Leben des Dichters und erklärt
sein Leben als Fremder in zwei Fremden. Der Dichter entzieht sich dem har-
ten unerträglichen Leben der zweiten Fremde und wendet sich der ersten,
leichteren Fremde seiner Heimat zu. Dort sind die Erinnerungen und die Er-
eignisse zart und fein. Dazu setzt sich der Dichter mit seinem Schicksal aus-
einander und lässt den Leser seinen Kampf gegen sein Schicksal als Fremder
spüren. Das Gedicht, zeigt dass der Tänzer Mut und Kraft braucht, um sich
Schritt für Schritt fortzubewegen und das andere Ende des Seils zu erreichen.
Dieses Bild umfasst die Idee des Gedichts. Karasholi schreibt:
Seiltanz394
393 an-NiffarÐ ist ein islamischer Mystiker aus dem 10. Jahrhundert. 394 KARASHOLI, Adel: Also sprach Abdulla. München: a1 Verlag. 2006. 3.überarbeitete Aufl. S. 11ff.
196
Und also sprach Abdulla zu mir
Fremde ist zu deiner Rechten
Und zu deiner Linken ist Fremde
Denn du tanzt auf einem Seil
Und er sprach
Die Frage steht der Frage im Wege
Die Antwort der Antwort desgleichen
Denn du tanzt auf einem Seil
Und er sprach
Weder der Osten ist Osten
Noch der Westen Westen in dir
Denn du tanzt auf einem Seil
Und er sprach
Schließe deine Augen
Und laufe so schnell du laufen kannst
Denn du tanzt auf einem Seil
Und er sprach
Näher als die Hand dem Körper
Und dem Auge die Pupille
Näher als dem Gedächtnis die Erinnerung
Und dem Kind die Mutterbrust
Ich aber sprach
Die Fremde ist mir nicht fremd
In der Wurzel nistet sich Fremde ein
Und immer
Ins Ungebundene gebet eine Sehnsucht
Ruft mich zurück
In den einsamen Nächten
Hinter die sieben Berge
197
Der Gedichtband Umarmung der Meridiane umfasst fünf Kapitel und er-
schien in zwei Auflagen. Die erste erschien im Jahr 1978; im Jahr 1982 folgte
die zweite Auflage. Die Überschriften entsprechen jeweils einem Gedichttitel
des jeweiligen Kapitels. In der zweiten Auflage hat der Dichter einige Ge-
dichte weggelassen und einige Kapitelüberschriften geändert. Der Titel bleibt
ohne Änderung. Der erste Teil enthält Gedichte, die die Exilsituationen the-
matisieren; der letzte Teil kommentiert internationale Ereignisse, wie den
„September 1973 in Chile“ – am 11. September putschte das Militär in Chile
gegen Präsident Salvador Allende –; in dem wichtigen Gedicht dieses Ban-
des, „Der alte Turban“, setzt sich der Autor mit den Stereotypen über die
arabische Welt auseinander. Der vierte Teil ergänzt den dritten Teil mit dem
Gedicht „Du fragst, warum ich dich Minze nenne“; darin finden sich Gedich-
te über Liebe und Tod. Im zweiten und dritten Teil schreibt er Gedichte über
seine Existenz in der Gesellschaft der DDR.
1984 veröffentlichte Karasholi seinen dritten deutschsprachigen Gedichtband
Daheim in der Fremde; dies geschah in einer Phase, die Enttäuschung und
Ernüchterung für Karasholi bedeutete. In dieser Phase kritisierte er die ge-
sellschaftliche Situation und verwies auf die Widersprüche und Mängel des
realen Sozialismus; er konnte sich nicht mit der Unzulänglichkeit der DDR-
Führung arrangieren. An seinen Gedichten waren sein Kampf für ein Leben
zwischen zwei Kulturen und Welten und seine Suche nach einer Identität
ablesbar. Weil Karasholi ein Grenzgänger zwischen Kulturen und Idiomen
ist,395 hat er für sich selbst eine Lösung gegen das begleitende Fremdgefühl
gefunden: Er beschreibt Leipzig als Heimatstadt und empfindet sie wie Da-
maskus eine echte Heimat. Wie er behauptet, können in ihm sich Meridiane
umarmen.396 „Daheim in der Fremde“ bedeutet seine innere Ankunft in der
395 Rolf Richter bezeichnet Karasholi als Grenzgänger zwischen Kulturen und Idiomen. In: RICHTER, Rolf: Von Lust & Last des Lebens in zwei Ländern & Sprachen. Der sy-risch-deutsche Dichter Adel Karasholi wird heute 60 und bleibt hoffnungsvoll. In: Leipzi-ger Volkszeitung 15.10.1996. S. 6. 396 KARASHOLI, Adel: Daheim in der Fremde? Leben in Leipzig und die Umarmung der Meridiane. In: Wochenpost Nr. 38. 10.09.1992. S. 3.
198
Stadt Leipzig. Dies bedeutet nicht, dass er so sehr an Leipzig gehangen hätte,
dass keine andere Stadt in Frage gekommen wäre. Erst durch die lange Zeit,
die er in Leipzig lebte, entstand eine innige Beziehung. In anderen Worten
kann man sagen, dass er Leipzig mag und dort seine Pläne realisieren kann.
Im folgenden Zitat erklärt Karasholi seine Beziehung zu dieser Stadt:
Heimat hat auch mit Orten, wo die Erinnerung Bescheid weiß, zu tun. Und in Leipzig kennt sich die Erinnerung am besten aus. Und das Beziehungsgeflecht ist eigentlich zumeist mit Leipzig entstanden. Und deshalb ist die Bindung zur DDR oder zu Deutschland durch Leipzig gekommen. Sicher spielt auch der Zufall eine Rolle. In Leipzig habe ich studiert, dort habe ich meine Frau kennengelernt. Ich wohne dort und hatte meine Arbeit an der Universität.397
In diesem Band formulierte Karasholi seine Gefühle und Gedanken in Bezug
auf die Fremde und beschrieb daneben die täglichen persönlichen Probleme.
Die darin behandelten Themen wie Fremde, Identität, Schmerzen, Sehnsucht
u. a. verloren in der nächsten Schaffensphase des Dichters in den 90er Jahren
an Bedeutung. Er wendet sich stattdessen philosophischen Themen und so-
phistischen Formen zu, wodurch die Gedichte abstrakt und weit von den
täglichen persönlichen Themen liegen.
Seit der Veröffentlichung des Gedichtbands Daheim in der Fremde zählt
Karasholi zu den bedeutenden deutschschreibenden Autoren. Die deutschen
Kritiker schätzen seine Begabung und seine Lyrik wert. Mit Hilfe dieser posi-
tiven Kritik und Rezensionen wurde Karasholi einem breiteren deutschen
Publikum bekannt.
397 HÄNDLER: Adel Karasholi. S. 21.
199
5.4 Die Aufnahme in Deutschland
5.4.1 Die Teilnahme an der „Sächsischen Dichterschule“
Die sächsische Lyrikwelle398 dauerte von 1962 bis 1965 und war ein Zeichen
der „kurzzeitigen Liberalisierung der Kulturpolitik“399; die „Sächsische
Dichterschule“ war Ausdruck der Aufbruchsstimmung und Euphorie der
60er Jahre. Volker Braun etablierte sich als Wortführer dieser Gruppe. Die
Gruppe umfasste ungefähr 20 Lyriker, einige von ihnen waren bereits sehr
bekannt wie Volker Braun, Heinz Czechowski, Sarah und Rainer Kirsch und
Wolf Biermann. Die meisten Lyriker waren Kollegen am Literaturinstitut
Johannes R. Becher oder studierten zumindest an einer sächsischen Universi-
tät. Die vorgetragenen Gedichte erinnerten damals an Brecht, Hölderlin,
Lorca und Kleist.
Karasholi war ein gern gesehener Gast auf den Lyrikveranstaltungen und hat
damals einige seiner in diesem Rahmen vorgetragener Gedichte in der Antho-
logie Auftakt 63 veröffentlicht. Aufgrund seiner positiv bewerteten Gedichte,
hatte Karasholi sich damals schnell einen guten Namen beim einheimischen
Publikum gemacht. In der Forschungsliteratur wird Karasholi allerdings nicht
zur „Sächsischen Dichterschule“ gezählt; obwohl er viele Gemeinsamkeiten
mit den Lyrikern dieser Gruppe aufwies. Seine vorgetragenen Gedichte, mit
denen Karasholi sich dem Publikum vorstellte, waren Gedichte, die den
Schmerz des Exillebens ausdrückten und Probleme wie Krieg und Frieden
thematisierten; beispielsweise die Gedichte „Appell für Vietnam“, „Wo ist
398 Die sächsische Lyrikwelle ist eine Propaganda- Erfindung war, um die DDR Kulturpo-litik in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. Außerdem führte diese Lyrikwelle zu verstärkter Veröffentlichungstätigkeit von Lyrik in Zeitschriften und beispielsweise Ver-anstaltungen von Lyrikabenden und Debatten mit Jugendlichen. In den frühen 60er Jahren wurden die Autoren der sogenannten Sächsischen Dichterschule, mit vor allem sozialisti-scher Lyrik bekannt. 399 HÄNDLER: Adel Karasholi. S. 83.
200
Dada“, „Carola und Buseina“, „Unser Sieg“ und „Blut fließt in Bagdad“.
Diese Gedichte erschienen nicht in seinem 1968 publizierten Gedichtband
Wie Seide aus Damaskus, jedoch wurden darin andere Gedichte wie „Meine
Geliebte kommt“, „Das Lied des emigrierten Vogels“, „Die Leute in meinem
Viertel“ und „Ich gelobe“ in diesen Band aufgenommen.
Für Karasholi war es wichtig, Möglichkeiten der Begegnung mit dem deut-
schen Publikum durch eine kleine Lyrikergruppe zu schaffen. In dieser Grup-
pe fühlte sich der Dichter nicht mehr als Fremder, und Leipzig entstand als
Pendant zu Damaskus in seinen Gedichten.
5.4.2 Karasholi und die deutsche Gesellschaft
Nach Iman Khalil können die in der DDR-Zeit entstandenen Werke
Karasholis in drei Schaffensphasen eingeteilt werden: Die erste Phase um-
fasst die in den 60er Jahren entstandenen Gedichte. In dieser Periode er-
schienen seine zwei Gedichtbände MawwÁl fī al-Èurba (1962) und Wie Seide
aus Damaskus (1968). Karasholi setzte sich kaum mit der Realität der DDR
auseinander. Deutlich sichtbar ist hingegen eine starke Verbindung mit orien-
talischen Elementen und Themen. Insbesondere tauchte seine Heimat als
Zentralthema in zahlreichen Gedichten auf.
In seiner zweiten Schaffensphase in den 70er und den frühen 80er Jahren
wandte sich Karasholi der DDR-Realität zu. 1978 erschien sein Gedichtband
Umarmung der Meridiane. Allerdings kritisierte Karasholi in diesem Band
einige Teile der Gesellschaft, um die Gesellschaft zu verbessern, nicht um das
dominierende System abzuschaffen.
In seiner dritten Schaffensphase in den 80er Jahren dominierten Melancholie
und Ratlosigkeit in seiner kritischen Auseinandersetzung mit der Gesell-
schaftsordnung. Karasholi hatte die Hoffnung aufgegeben, dass eine neue
201
verbesserte Gesellschaft aufgebaut werden könnte. In dieser Schaffensphase
veröffentlichte Karasholi den Gedichtband Daheim in der Fremde (1984).400
Von 1984 bis 1992 schreibt er weiter, ohne jedoch zu veröffentlichen, weil er
an den Einfluss der Literatur nicht mehr glaubte. Er hörte auch auf zu versu-
chen, den Kommunikationsprozess lyrisch zu schaffen. Seine Gedichte hatten
in den folgenden Jahren eine psychotherapeutische Funktion. Karasholi, sozi-
alistisch orientiert, sagt über seine Isolation im folgenden Zitat:
Ich dachte, gut, ich lebe hier, aber meine Gedichte können nicht viel bewirken. Ich habe mich in Gespräche eingeschaltet. Viel-leicht hätte ich auch irgendwann einmal wieder veröffentlicht, ich habe mich nicht völlig isoliert, aber das war nicht mehr so wichtig und primär für mich.401
Wie vorher erwähnt wurde, zeigt Karasholi deutliche Entwicklungen in sei-
ner Beziehung zur DDR. Der Dichter änderte sich von Isolation zu Integrati-
on. Die drei Schaffensphasen reflektieren allmählich seine lyrische Entwick-
lung und seine Behauptung an der Funktion der Lyrik in der Welt. Seit sei-
nem Gedichtband Also sprach Abdulla 1992 hat er keine weiteren Gedichte
veröffentlicht und widmete sich neben seiner Autobiographie vermehrt dem
Schreiben von Essays, was sich ebenfalls in der Berichterstattung nieder-
schlug.
400 Vgl. KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 158. 401 KARASHOLI, Adel in: Diskussionen. In: AMIRSEDGHI, Nasrin/BLEICHER, Tho-mas (Hrsg.): Literatur der Migration. Mainz: Donata Kinzelbach Verlag. 1997. S. 116-137.
202
5.4.3 Die öffentliche Wahrnehmung
5.4.3.1 Der Einzelfall
Die Auseinandersetzung mit dem Dichter Adel Karasholi zeigt, dass man ihn
von anderen in Deutschland lebenden Schriftstellern einfach unterscheiden
kann. Sein literarisches Wirken in der DDR der 60er Jahre begann er nicht als
Ausländer oder Migrationsautor, sondern als ein aus Syrien stammender Ly-
riker und als Einzelfall402. Während die Migrantenautoren in Westdeutsch-
land sich intensiv mit bestimmten Themen wie der Migration, der Exotik und
den Arbeitsprozessen beschäftigen, fand Karasholi für sich selbst als Dichter
einen eigenen Platz in der deutschen Literaturszene. Er hatte keine Veröf-
fentlichungsprobleme und musste auch nie zu einem kleinen Verlag gehen,
um seine Bände zu publizieren. Ganz im Gegenteil erschienen seine ersten
Gedichtbände 1968 im Verlag Volk und Welt und die folgenden Gedichtbän-
de wie Umarmung der Meridiane und Daheim in der Fremde im Mitteldeut-
schen Verlag. Beide waren zu DDR-Zeiten renommierte Verlage.
Zwar markieren die 60er Jahre die Anfänge von Karasholis literarischer Kar-
riere, aber die breite Anerkennung verdankt er mehr seiner sozialen Ausei-
nandersetzung in der Presse und in Interviews. Dazu trug auch die „Lyrik-
Welle“ bei; die Autoren der sogenannten Sächsischen Dichterschule und ihrer
sozialistischen Lyrik bekamen großen Zuspruch des ostdeutschen Publikums.
Der Dichterkreis umfasste nach Berendse 19 Lyriker der Jahrgänge 1935 bis
1940, die entweder aus Sachsen stammten oder dort studierten. Dazu er-
schienen auch viele Lyriker am Johannes-R.-Becher-Institut. Zu diesem
Dichterkreis gehörten damals Kurt Bartsch, Wolf Biermann, Thomas Brasch,
Volker braun, Heinz Czechowski, Adolf Endler, Elke Erb, Uwe Gressmann,
Bernd Jentzsch, Rainer Kirsch, Sarah Kirsch, Wulf KIrsten, Reiner Kunze,
402 Vgl. KHALIL: Arabisch-deutsche Literatur. S. 150.
203
Richard Leising, Kito Lorenc, Karl Mickel, Inge Müller und Walter Werner.
Sie verfügten über „kollektive Erfahrungen, gemeinsame Aufbruchstimmung
und ein Netz lyrischer Korrespondenz und Anspielungen.“403
Mit den Lyrikern Volker Braun, Heinz Czechowsky, Helmut Preissler, Sarah
Kirsch, Heinz Kahlau und Rainer Kirsch trat Karasholi während dieser Lyrik-
Euphorie vor die deutsche Öffentlichkeit. Und schon 1962, nur ein Jahr nach
seiner Ankunft in der DDR, erschien ein Bericht über Karasholis Lesung in
der Theaterschule in der Leipziger Volkszeitung.404 Zudem erschienen re-
gelmäßig seine in die deutsche Sprache übersetzten Gedichte in Zeitungen.
Diese Gedichte erschienen ebenfalls in seinem 1968 publizierten Gedichtband
Wie Seide aus Damaskus.
Der Vietnamkrieg, der in den 60er Jahren häufig in der Lyrik thematisiert
wurde, wurde auch von Karasholi aufgegriffen; zum ersten Mal 1961 in dem
Gedicht „Appell für Vietnam“, das in der Zeitung Neue Welt veröffentlicht
wurde. Die Verwendung eines Verses aus einem Gedicht Adel Karasholis
lässt einerseits auf wachsende Bekanntheit seiner Gedichte schließen – wie
die Verwendung der ersten Zeile des Gedichtes „Schütteln will ich die
Träumenden auf der Straße“, die bereits 1967 als Überschrift eines Artikels
über ein Theaterstück in der Leipziger Volkszeitung diente.405 Aber auch den
politischen Anspruch an seine Dichtung schließen.
403 Vgl. EMMERICH, Wolfgang: Kleine Literaturgeschichte der DDR. Leipzig: Kiepen-heuer Verlag. 1996. S. 382. 404 Vgl. SCHERENSCHMIDT, Hans: „Die Straße blutet“. Ein syrischer Poet liest Gedich-te. In: Leipziger Volkszeitung 30.06.1962. S. 9. 405 Vgl. MATHOW, Edith: „Schütteln will ich die Träumenden auf der Straße...“. In: Leipziger Volkszeitung 22.09.1967. S. 6.
204
5.4.3.2 Der Exot und die deutsche Rezeption
Die Frage, ob Karasholis Motive aus dem arabischen Raum verwendet wie
Beduine, Wüste, Kamele und Ölscheichs, um das deutsche Publikum anzu-
sprechen, lässt sich eindeutig mit Nein beantworten. Er übernimmt keine
Klischees oder Vorstellungen von den Arabern, sondern entlehnt sie einigen
Gedichten wie „Der alte Turban“ und „So wollen sie uns“. Karasholi, der
seine Kindheit nicht in einer Wüste verbrachte, vermittelt die arabische Reali-
tät in einer Stadt in Syrien. Er benutzt nicht das Wunderbare und die Wüste,
weil diese Motive eine naive Vorstellung über das Leben in der arabischen
Welt bilden, wo es nicht nur die Wüste gibt, sondern auch vielfältige geogra-
fische Räume wie moderne Städte. Karasholi ist der Ansicht, dass die deut-
schen Medien oft eine wesentliche Rolle bei der verzerrten oder ungenügen-
den Darstellung politischer Ereignisse in der arabischen Welt spielten. Hier
ist Karasholis Rolle als Kulturvermittler sehr wichtig. Er versucht, viele Vor-
urteile und Missverständnisse zu relativieren und dem deutschen Publikum
ein wenig von den arabischen kulturellen Leistungen näherzubringen.406
Während Karasholi die Exotik vermeidet, wurden seine frühen Geschichten
als exotisch-emotionale Gedichte rezipiert. In einem Bericht über eine ge-
meinsame Lesung von Werner Lindemann und Adel Karasholi wurden
Karasholis Gedichte als exotische Texte mit orientalischen Zügen bezeichnet.
Der Bericht verwies auf die orientalische Hinwendung an das Gefühl, die im
Kontrast zur Geistigkeit von Lindemanns Texten stand. In diesem Fall wurde
das Stereotyp des gefühlsbetonten Arabers auf Adel Karasholi angewandt.407
Wie sich Karasholi von der Verwendung exotischer und emotionaler Bilder
in seiner Lyrik loslöste, hat er in einem Gespräch erklärt, in dem Karasholi
darlegte, dass er in zwei Welten und zwei Kulturen lebt. Die arabische und
406 Zitiert bei RICHTER: Im Gespräch mit Adel Karasholi. S. 100. 407 LISCHKE. In: Neuer Tag. 23.01.1964. S. 4.
205
deutsche Welt haben verschiedene Zeichensystem. So prägen diese Kulturen
und Welten ihn und seine Lyrik. Anfangs hat er versucht, in den deutschen
Gedichten alles zu eliminieren, was auf Exotik hindeuten könnte. Er hat be-
wusst versucht, dies zu tun, weil er irgendwie verärgert oder fast beleidigt
war, wenn man ihn nur als einen Exoten akzeptiert. Deshalb wollte er sozu-
sagen rein deutsche Gedichte schreiben.408 Die beste Methode sei, wie
Karasholi erklärt, wenn er sich keine Gedanken darüber macht, ob seine Me-
taphern arabisch, deutsch oder gemischtsind. Wie aber die Kritiker seine Ge-
dichte werten, ist etwas anderes. Bis heute wird Karasholi von einigen Kriti-
kern vorgeworfen, seine Gedichte seien lediglich exotisch.
Auch wenn Karasholi sich später entschieden von dem Exoten-Image distan-
ziert hatte, hat ihm dies ohne Zweifel großen Erfolg und Bekanntheit be-
schert. In der Leipziger Volkszeitung wird ein Vortrag von ihm sogar als
„emotionaler Höhepunkt öffentlicher Veranstaltungen“ bewertet.409
Karasholi sagte selbst, dass die Gedichte seines ersten Gedichtbandes, da
dieser auf Arabisch entstand, „fest verankert in der arabischen
Lyriktradition“ waren.410 Auch hoffte er 1965 bei der Veröffentlichung eini-
ger seiner Gedichte in der Zeitschrift Neue Deutsche Literatur, dass trotz
Nachdichtungen, einige Eigenheiten und [der] Reichtum der arabischen Poe-
sie den deutschen Leser erreichen werde.411
Für die 60er Jahre kann das Bild, das die Presse von Adel Karasholi zeichne-
te, als einerseits überlagert von propagandistischen Äußerungen über den
Westen und andererseits als Reduzierung auf einen orientalischen Märchen-
erzähler zusammengefasst werden. Treffend formulierte dies Heiduczek, als
er die Rezensenten der damaligen Zeit beschrieb: „[Die Rezensenten], die
408 KARASHOLI: Daheim in der Fremde. S. 109-140. Besonders S. 116f. 409RICHTER, Helmut: Wiederbegegnung mit Adel. In: Leipziger Volkszeitung 30.05.1970. S. 4. 410 RICHTER: Im Gespräch mit Adel Karasholi. S. 97. 411 HÄNDLER: Adel Karasholi. S. 70
206
ihn als exotischen Bruder umarmten und auf dem Altar des proletarischen
Internationalismus stellen wollten.“412
In den 70er Jahren berichteten Medien über Karasholis Leben und Veröffent-
lichungen in den 60er Jahren, aber nicht über seinen Konflikt mit sich selbst
und seiner Zweisprachigkeit. Hier wurde die Thematik seiner Gedichte oder
ihrer Besonderheiten nicht diskutiert. Karasholi hat eine lyrische Entwicklung
gemacht, dabei sind seine Gedichte direkt auf Deutsch entstanden. Allerdings
auch mit dem Wissen, dass die Dichtung dadurch immer und unausweichlich
etwas vom Stil des Nachdichtenden erhielt.413 Hier verschwand das Exoti-
sche aus seinen Gedichten.
In späteren Interviews sprach Karasholi über die deutsche Sprache, die zu
seiner Literatursprache wurde. Trotz seines Erfolges neigte Karasholi früh
dazu, seine Entscheidung, Gedichte in deutscher Sprache zu schreiben, als
„töricht aber […] schicksalhaft und unabwendbar“ zu bezeichnen.414 Auch
begleitete ihn, wie er selbst behauptet, eine unentwickelte Kritik seit seiner
ersten Publikation in den 60er Jahren, obwohl er verschiedene Schaffenspha-
sen durchmachte. Über die unveränderte Kritik sagte er:
Heute verkaufe ich die Exotik und die Leidenschaftlichkeit nicht mehr, aber die Reaktion ist ähnlich. Heute bezeichnet und behandelt man mich als Migrationsautor. Das kränkt mich manchmal mehr, eben weil ich es heute nicht mehr verkaufe.415
Seit Ende der 70er Jahre und Anfang der 80er Jahre distanzierte sich der
Dichter stark in seinen Gedichten von dem Image des Exoten und kritisierte
412 HEIDUCZEK, Werner: Also sprach Abdulla oder Die augenblicklichen Leiden des neuen K.. In: Die Andere Zeitung Nr. 45. 12.1990. S. 15. 413 Vgl. MIEREAU, Fritz: Mitternachtstrolleybus. Neue sowjetische Lyrik. Düsseldorf: Brücke-Verlag. 1965. S. 210f. Hier bezieht sich die Analyse auf Nachdichtungen aus dem Russischen, die allerdings zwar für Dichtung eine ‚Verfälschung‘ bedeutete, aber als sehr wichtig für die literarische Entwicklung der Nachdichter betrachtet wurde. 414 AIFAN: Araberbilder. S. 173. 415 HÄNDLER: Adel Karasholi. S. 77f.
207
das Metabild des Arabers.416 Er spricht sich für eine modernere Beurteilung,
im Gegensatz zu einer Verklärung des Orients aus. Das Gedicht „Der alte
Turban“ von 1978 beinhaltet scharfe Kritik Karasholis an den stereotypen
Vorstellungen von den Arabern und an der das Exotische erwartenden Re-
zeptionshaltung deutscher Leser. Karasholi kritisierte, dass das Araberbild
der Deutschen auf Vorstellungen des Nomadentums und Neureichtums we-
gen der Öleinnahmen reduziert wurde.
Hierbei verweist Karasholi auf die Rolle deutscher Medien bei der Konstruk-
tion von Klischees und Stereotypen über die Araber. Seit Jahrhunderten
wurde der Orient als ein märchenhafter Orient in den Illustrierten und Kin-
derbüchern konstruiert. Man kann dieses Gedicht als Kontrast gegen Karl
Mays exotische Geschichten über die Araber betrachten.417 Die bekannte
Figur „Hadji Chalif Omar“ aus Mays Geschichten wird hier abgelehnt:
Setzt ab von meinem Haupt
Den alten Turban
Zersprengt die Fesseln in euren Geschichten
Aus den Illustrierten und Kinderbüchern
Ich bin Hadji Chalif Omar nicht
Nicht der wandernde Beduine auf dem Kamel
Und der Ölscheich nicht mit falschen Zähnen
Kamel hinter Kamel
Und barfuß der Mann mit dem Turban
Sand grenzt den Himmel ab
Sand die Zukunft
Sand und Kamele...
So stehen wir in den Schaufenstern
416 Das Metabild ist das Feindbild des Anderen bezüglich des Eigenen. Vgl. AIFAN: Ara-berbilder. S. 206f. 417 Vgl. OMAR: Zwischen Exotik und deutsch-arabischem Alltag. S. 281.
208
Derer, Die davon leben
Die Zeile „So stehen wir in den Schaufenstern“ veranschaulicht, dass Araber
wie Handelsgut behandelt werden. „Der Zusammenhang zwischen der Etab-
lierung von Stereotypen und deren Kommerzialisierung wird mit der Meta-
pher („So stehen wir in den Schaufenstern“) bildhaft dargestellt“.418
Karasholi verwendete nomadische Elemente in seinem Gedicht wie die Wüs-
te, das Kamel, Ölscheichs, Beduine und Sand. Diese Elemente prägen die
Reproduktion aller Vorstellungen und Klischees über die Araber. Karasholi
gibt die Vorstellungen wieder, ohne sie zu beheben. Er begegnet der Erwar-
tungshaltung auf andere Art, indem die dominanten Klischees und Vorstel-
lungen ablehnt statt, sie zu reproduzieren.
Karasholi hat von Anfang an die Klischees und Vorstellungen über die Ara-
ber abgelehnt. Zwar prägten die arabischen emotionalen lyrischen Traditio-
nen seine ersten Gedichte, aber dies bedeutet nicht, dass er den dominieren-
den Vorstellungen über die Araber dient. Er betont immer, dass das Leben in
der arabischen Welt sich entwickelte und die arabische Gesellschaft vielfältig
wird.
5.4.3.3 Die deutsche Wahrnehmung in den vier Schaffensperioden
Im Folgenden wird die deutsche Rezeption von Adel Karasholis vier Schaf-
fensperioden dargestellt. Hier soll gezeigt werden, wie sich die Wahrneh-
mung des Dichters weg von dem „Exoten“ und hin zu einem deutsch schrei-
benden „Dichter“ veränderte. Es wird gezeigt werden, wie die deutschen
Berichterstattungen ihn als Angehörigen der arabischen Minderheit darstellte.
Zuerst wurden seine Gedichte als orientalische Gedichte rezipiert. Erst seit
den 90er Jahren werden seine Gedichte weder als Ausländerliteratur noch
418 Ebd.
209
Migranten- oder Gastarbeiterliteratur, sondern schlicht und einfach als „Ge-
dichte“ rezipiert.
Vor der Veröffentlichung des Gedichtbandes Umarmung der Meridiani er-
schienen einige Artikel, die sich mit Karasholis Lesungen befassten. In einem
Bericht der „Mitteldeutschen Neusten Nachrichten“ aus dem Jahr 1975 wur-
de über einen Abend mit Karasholi, an dem neben einer Lyriklesung auch
eine Diskussion stattfand, berichtet.419 Hierbei wird auf eine Diskussion über
das von Karasholi genutzte, in der deutschen Sprache so nicht vorhandene,
Wort: ‚Quellfeuer‘, das er mit den Worten rechtfertigt, er würde es eben
mögen, was seinen Gegenüber scheinbar überzeugte. Hier wird unterschwel-
lig deutlich, dass man dem nichtdeutschen Muttersprachler hier Anerkennung
für seine Sprachgewalt zollt, ihn also beginnt, auf Augenhöhe als Dichter zu
betrachten. Karasholi wird in eben diesem Artikel als in Leipzig Zweitbehei-
mateter420 beschrieben. Der Mitteldeutsche Verlag hat eine Lesung für drei
Autoren veranstaltet, dabei berichtete 1978 die Leipziger Volkszeitung von
dieser Lesung. In dem Bericht wird explizit auf das nicht nur Orientalische
hingewiesen, und Adel Karasholi eine Internationalität zugesprochen. 421
Alles hat Witz, atmet nicht bloß die Märchenfarben seiner syri-schen Heimat und berührt durch die Selbstverständlichkeit sei-nes Bekenntnisses zum Internationalismus.422
1979 erschien in der Neuen deutschen Literatur die erste Rezension über
Karasholis Gedichtband Die Umarmung der Meridiane. Eckhard Mieder
kritisierte darin die orientalisch-blumigen Gedichte Karasholis und deren ok-
kasionelle Wendungen und individuelle Neologismen423 Hier verwies Mieder
419 Vgl. “Mir gefällt Quellfeuer”. Im Klub der KMU: Begegnung mit Karasholi. In: Mit-teldeutsche Neueste Nachrichten Nr.14. 15.06.1975. S. 5. 420 Ebd. 421 FOERSTER, Christel: Komödiantengeschichte. Versuche und Lyrik voller Witz. “Abend der Autoren” beim Mitteldeutschen Verlag. In: Leipziger Volkszeitung Nr. 18.19.03.1978. S. 2. 422 Ebd. 423 MIEDER, Eckard: Bekenntnis - nicht fraglos. Rezension zu “Umarmung der Meridia-ne. In: Neue deutsche Literatur. Heft 8. 1979. S. 147-150.
210
auf brechtsche Einflüsse in Karasholis Gedichten. Seine Kritik richtete sich
sowohl gegen den Inhalt als auch gegen die Methode der Gedichte, die eine
deutliche Ähnlichkeit zu Brechts Lyrik aufwiesen. Er kritisiert ebenso die
angestrengte Sachlichkeit.424
Später, 1990, kritisierte Heiduczek in seinem Artikel in der DAZ Karasholis
Gedichtband Die Umarmung der Meridiane und stellte fest, dass Karasholi
sich von seinem Exoten-Image befreit hat. Diese Entwicklung würde – so
prognostizierte Heiduczek damals –Karasholis Popularität reduzieren.425 Da-
zu „bringt das Buch ihm nicht die erwarteten Streicheleinheiten der Rezen-
senten. Er wird auch nicht verprügelt, das wäre ja wenigstens eine Form der
Anerkennung. Der Kamel reitende Beduine wäre wahrscheinlich willkom-
mener.“ 426
Anlässlich Karasholis Aufnahme in den Schriftstellerverband im Jahr 1980
und der Verleihung des Kunstpreises der Stadt Leipzig im Jahr 1985, er-
schienen weitere Berichte und Meldungen in den deutschen Medien, in denen
Karasholi positiv charakterisiert wurde. Beispielsweise bezeichnete ihn die
Leipziger Volkszeitung als Teil der deutschen Literatur und sprach von einem
Glücksfall für unsere Literatur.427 Weitere positive Kritik erhielt Karasholi in
der Universitätszeitschrift der Karl-Marx-Universität in Leipzig. Ein darin
abgedruckter Aufsatz trug den Titel: Eine einzigartige Stimme in der Lyrik
unseres Landes.428 1984/85 wurde Karasholi als Vermittler zwischen den
Kulturen bezeichnet, insbesondere in der Berichterstattung der Leipziger
424 Ebd. 425 Vgl. HEIDUCZEK: Also sprach Abdulla oder Die augenblicklichen Leiden des neuen K. In: Die Andere Zeitung. Nr. 45. 12.1990. S. 15. 426 Ebd. 427 HEUBLEIN, U.: Sein Gedicht kennt Eiche und Ölbaum. Adel Karasholi, der syrische Dichter an unserer Universität, erhielt den Kunstpreis der Stadt Leipzig. In: Leipziger Volkszeitung 04.10.1985. S. 6. 428 H.-STARS, Marianne: Eine einzigartige Stimme in der Lyrik unseres Landes. In: UZ Leipzig 10.05.1985. S. 7.
211
Volkszeitung.429 Im Jahr 1985 erschien ein Bericht in den Mitteldeutschen
Neuesten Nachrichten über eine Autorenlesung mit Karasholi; wobei der
zwanglose Umgang mit dem Dichter hervorgehoben wird.430
In der Neuen deutschen Literatur schrieb Wolfgang Gabler 1985 über Da-
heim in der Fremde eine Kritik und stellte fest, dass Karasholi sich von den
Fesseln der Fremde und den Fremdheitsproblemen befreit hatte. Karasholi –
laut Gabler – ist in Deutschland kein Fremder mehr. Der Titel des Gedicht-
bandes wurde von Gabler als „koketter Versuch“ beschrieben,431 „Widersprü-
che aufzurufen, die für den Autor eigentlich gelöst sind“.432 1986 erschien
ein Interview mit dem Dichter in derselben Zeitschrift.433
1986 erschien erneut in der Leipziger Volkszeitung ein Bericht über eine Le-
sung Adel Karasholis anlässlich der 8. Leipziger Buchmesse. Seine Lyrik
wurde darin als „Bilder[…] überzeugender poetischer Ausdruckskraft“434
beschrieben. Im selben Jahr wurde ein Interview mit Adel Karasholi veröf-
fentlicht, sein Leben und seine literarische Karriere beleuchtete. Bemerkens-
wert darin war, dass Karasholi den Begriff „Terrorismus“ als Zuschreibung
zu den Arabern diskutierte. Er erklärte, dass dieser Begriff für die Bezeich-
nung von durch die Mafia ausgeführten Anschlägen von keinem benutzt
würde.435 In diesem Interview hat Karasholi sich zum ersten Mal über die
arabische Welt geäußert, was ab den 90er Jahren einen immer größeren
Raum in der Berichterstattung über den Dichter einnahm.
429 Vgl. H.-STARS, Marianne: Vermittler zwischen zwei Kulturen: Adel Karasholi. S. 7 – Vgl. „Meine zwei Länder und ich.“ In: Leipziger Volkszeitung 12.10.1985. S. 13. 430 Vgl. KARASHOLI, Adel: Ölbaum und Eiche, ungleiches Paar in mir. In: Mitteldeut-sche Neueste Nachrichten. Leipzig Nr. 4. 05.05.1985. S. 3. 431 Ebd. 432 Vgl. GABLER, Wolfgang: Zwischen Heimat und Fremde. In: Neue Deutsche Literatur. 9.1985. S. 145-147. Besonders S. 145. 433 Vgl. RICHTER: Im Gespräch mit Adel Karasholi. S. 97. 434 Adel Karasholi las seine Verse. In: Leipziger Volkszeitung 16.09.1986. S. 6. 435 Vgl. FLORSTEDT, R.: Scheitert ein Traum dürfen wir den Traum nicht verdammen. In: Leipziger Volkszeitung 23.10.1986. S. 6. (Interview).
212
In den 90er Jahren gibt es wieder mehr Pressemitteilungen, die sich mit Adel
Karasholi beschäftigen. In den Kritiken werden seine Werke sehr gelobt –
insbesondere nach der Verleihung des Adelbert-von-Chamisso-Preises im
Jahr 1992. Die überregionale westdeutsche Presse berichtete über Karasholi
und seine Gedichtbände.
5.4.3.4 Die Literaturpreise und die Folgen
Karasholi erhielt seit den 80er Jahren viele Literaturpreise. Die Verleihung
des Adelbert-von-Chamisso-Preises fand am 21. Februar 1992 statt. Die Be-
gründung für die Verleihung des Preises wurde anlässlich des 65. Geburts-
tages Karasholis in der Leipziger Volkszeitung abgedruckt. Sein Beitrag als
deutschsprachiger Dichter wird folgendermaßen beschrieben „Seine Lyrik
vereint auf glückliche Weise Orient und Okzident in vertraut-unvertrauten
Bildern. Seine Essays sind hellsichtige Auseinandersetzungen mit einer un-
übersichtlich gewordenen Welt, in der das Individuum verloren zu gehen
droht. Aus seinen Werken spricht die Formkraft und Ideenfülle eines Dich-
ters – zusammen mit der Weisheit eines Weltenbürgers“.436
Die überregionalen westlichen Medien berichteten damals über Karasholi.
Einige Berichte bezeichneten Karasholi als Migranten und andere berichteten
über seine literarische Karriere und Gedichtbände. Insbesondere wurden zwei
Aspekte hervorgehoben: Seine Ausbildung zum Dichter in der DDR, wobei
auch erwähnt wurde, dass er sich damals vom realsozialistischen Gesell-
schaftssystem abwandte. Dieser Aspekt wurde deutlich betont. Der andere
Aspekt war Karasholis Status als Nichtdeutscher.437
436 RICHTER: Von Lust & Last des Lebens in zwei Ländern & Sprachen. S. 6. 437 Wobei hiermit nur die Herkunft gemeint ist, da Adel Karasholi zu diesem Zeitpunkt bereits die deutsche Staatbürgerschaft angenommen hatte.
213
Wichtig ist zu erwähnen, dass Karasholi indirekt in den Pressemitteilungen
und Berichterstattungen als ausländischer Migrantautor bezeichnet wurde,
weil nur die ausländischen Migrantenautoren diesen Literaturpreis erhalten.
In den folgenden Beispielen werden diese Anmerkungen besonders deutlich.
Bemerkenswert ist, dass die Süddeutsche Zeitung aus diesem Anlass zwei
Artikel innerhalb eines Monats veröffentlichte.438 In den beiden kurzen Arti-
keln wurde betont, dass er und Galsan Tschinag in der DDR „die Dichter-
sprache erlernt“439hätten. Er wurde darüber hinaus als Teil der DDR-
Literaturgeschichte bezeichnet, wobei auch betont wurde, dass er seit 1985
kein weiteres Werk in der DDR veröffentlicht hatte. Einige Zeitungen veröf-
fentlichten damals ein paar seiner Reden, in denen Karasholi über seine
Flucht aus Syrien und seine Fremde sprach. Dazu betonte Karasholi seine
Verbundenheit mit der Stadt Leipzig und seine Liebe zu ihr genauso wie sei-
ne Sehnsucht nach seiner zweiten geliebten Stadt Damaskus. In der Leipziger
Volkszeitung wurde ein Teil seiner Rede veröffentlicht, in der Karasholi seine
Rede mit den Worten Chamissos beendete: „Ich glaube fast, ich sei ein deut-
scher Dichter.“440
Auf der anderen Seite wurde Karasholi aufgrund der Verleihung des Adel-
bert-von-Chamisso-Preises als Migrantautor bezeichnet. Die Berichterstat-
tung ging hier in zwei unterschiedliche Richtungen: Einerseits gab es kriti-
sche Auseinandersetzungen mit der Ausgrenzung der Migrationsliteratur und
andererseits die Ankündigungen der Veranstaltungen, die diese wiederum
verdeutlichen. Beispielsweise wurde Karasholi in einem Artikel in der Tages-
zeitung 1995 als Migrantautor bezeichnet. Diese Zeitung schrieb damals über
zehn Autoren der sogenannten Migrationsliteratur. Karasholi erklärte damals,
438 Vgl. VON SCHIRNDING, Albert: Die Dichtersprache in der DDR gelernt. Chamisso-Preis für Adel Karasholi und Galsan Tschinag. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 45. 24.02.1992. S. 10. 439 Ebd. 440 KARASHOLI; Adel: Der verlorene Schatten: Dankesrede zur Verleihung des Adelbert-von-Chamisso-Preises 1992. In: Leipziger Volkszeitung. Beilage zur Leipziger Buchmes-se. 06.05.1992. S. 8.
214
dass die Literatur einfach Literatur sei und dass ihre Identität im ästhetischen,
nicht im soziologischen Inhalt läge. Karasholi argumentiert, dass die Literatur
nicht den Migranten allein oder nur den Deutschen gehöre.441 Im gleichen
Jahr kritisierte Karasholi in einem Artikel in der Frankfurter Rundschau die
Migrationsliteratur als abgegrenzt. Karasholi diskutierte die deutsche Auf-
merksamkeit für die Dichter, die wenig die ästhetischen Werte der Dichtung
betrachten.442
In den Jahren 1994 und 1995 erschienen in der Leipziger Volkszeitung zwei
Artikel, in denen die Spannung zwischen Heimat und Fremde thematisiert
wird. Diese Artikel spiegeln eine kritische Auseinandersetzung mit der Be-
zeichnung der Dichtung Adel Karasholis als Migrationsliteratur wider. Tho-
mas Böhme verweist schon in dem Untertitel seines Artikels auf die unter-
schiedlichen Identitäten des Dichters, indem er ihn mit den Worten „Adel
Karasholi, Kurde, Syrer, als Wahlleipziger inzwischen Deutscher“443, vor-
stellte. 1995 äußerte sich der Dichter selbst zu der Frage, was er als Heimat
betrachtet, abhängig von seinem jeweiligen Aufenthaltsort- oder -land.
Es erschienen Berichte über Veranstaltungen. Hier wird Karasholis Auftreten
in Lesungen neben anderen Chamisso-Preisträgern erwähnt. Es wurde be-
richtet, dass er die Dresdner Chamisso-Poetikdozentur444 übernimmt, an Le-
sungen mit anderen Chamisso-Preisträgern445 bzw. nichtdeutschen Autoren
441 SENOCAK, Zafer: Gegen die Verortung ins Reservat. Migrationsliteratur 2000 - ein-gewanderte Autoren äußern sich zu Deutschland, ihrer Literatur und ihren Perspektiven. Drei Fragen, zehn unterschiedliche Antworten und Selbstbewertungen. In: Die Tageszei-tung 17.10.1995. S. 14f. 442 BRAUN, Michael: Untergrabene Subversion. Auf dem neunten internationalen Lyrikertreffen in Münster. In: Frankfurter Rundschau 02.05.1995. S. 8. 443 BÖHME, Thomas: Böse Ahnungen zur bitteren Gewißheit geworden. Die Gedichte des Adel Karasholi, Kurde, Syrer, als Wahlleipziger inzwischen Deutscher. In: Leipziger Volkszeitung 11.05.1994. S. 10. 444 Vgl. WEISS, N.: Zwiespalt der Zweisprachigkeit. Adel Karasholi beginnt die Dresdner Chamisso-Poetikdozentur. In: Sächsische Zeitung 09.06.2004. S. 10. 445 Vgl. „Gerade die Vielfältigkeit macht die Welt so bunt und interessant“. In: Backnan-ger Kreiszeitung 08.03.2005.
215
teilnimmt446 und als Teilnehmer der Literatur-Aktion ‚Poesie in der Stadt‘
auftritt.447 In diesen kritischen Artikeln wird jene Abgrenzung, - positiv oder
negativ- die in den kritischen Artikeln über Karasholi abgelehnt wird, über-
deutlich. Dies wird bei Betrachtung der Erscheinungsdaten der jeweiligen,
hier zitierten Artikel, von denen der älteste aus dem Jahr 2000 stammt, noch
deutlicher.
5.4.4 Die lyrische Sprache und der deutschen Leser
Die Untersuchung der lyrischen Sprache in den Gedichten von Karasholi
zeigt, dass er eine besondere lyrische Sprache verwendet. Er verwendet eine
abstrakte verdichtete Sprache und reichert sie mit Metaphern und rhetori-
schen Ausdrücken an. Insbesondere in seinem Gedichtband Also sprach Ab-
dulla verwendete Karasholi metaphorische und argumentative Zusammenfü-
gungen und eine künstlerische Form, die er der altislamischen sufischen
Struktur entlehnt hat. Die Besonderheiten der Gedichte führen zum Sufismus
zurück und zeigen den Wortschatz des Sufismus und die Besonderheit der
sufischen Sprache. Bei den Arabern ist die sufische Sprache bzw. die sufische
Literatur seit dem 10. Jahrhundert bekannt. Dem deutschen Leser sind nicht
nur einige sprachliche Formen aus dem arabischen Raum fremd, sondern
auch die Geheimnisse der sufischen und philosophischen Sprache. Dabei
führt Karasholis Sprache zu einer Duplizität des Verständnisses.448 Bei-
spielsweise braucht der Leser Vorwissen über den Sufismus und dessen Ge-
heimschriften beim Lesen des Gedichtes „Die Fremde ist mir nicht fremd“ in
dem Gedichtband „Also sprach Abdulla“:
446 Vgl. WOLFRAM, G.: Verlorene Schatten. Writers in Exile‘ lasen aus ihren Werken. In: Die Welt 26.07.2000. 447 Vgl. POHLE, J.: Wenn sich Schönheit und Geheimnis im Alltag paaren. Die Literatur-Aktion „Poesie in der Stadt“ startet morgen im Levantehaus. In: Die Welt 06.07.2004 –Vgl. WERNER, H.: Lyrischer Mut- und Muntermacher: Wie Literaturhäuser Berlin poeti-sieren. In: Die Welt 23.07.2004. 448 AL-SLAIMAN: Literatur in Deutschland am Beispiel arabischer Autoren. S. 94.
216
Ich aber sprach
Die Fremde ist mir nicht fremd
In der Wurzel nistet sich Fremde ein
Und immer
Ins Ungebundene gehet eine Sehnsucht
Ruft mich zurück
In den einsamen Nächten
Hinter die sieben Berge
Die „sieben Berge“ in diesem Gedicht sind nicht die sieben Berge aus der
deutschen Märchenwelt, sondern sind die sieben vorbereitenden Stadien in
der Laufbahn der sophistischen Entwicklung. Im Sufismus bedeuten diese
Stadien, die „Menschen“ genannt werden, die Grade der Bewusstseinswand-
lung. Diese Stadien bedeuten ebenso „nafs“ (Ich = Atem = Ego). Die Ent-
wicklungsstadien ermöglichen weitere Bereicherungen des Seins unter der
Anleitung eines Meisters. Die Grade der Entwicklungsstadien sind sieben
eingeordneten Grade: nafs ammÁra (die Entartete), nafs lawwÁma (die An-
klägerische), nafs mulhama (die Inspirierte), nafs muÔmaÞinna (die Stille), nafs
raÃÐya (die Erfüllte), nafs marÃÐya (die Erfüllende) und schließlich nafs ÒafÐya
wa kamila (die Reine und Vollendete).449 Die Zeichen, Symbole und Meta-
phern, die sich in den Gedichten finden, sind nicht selten zweideutig.
Karasholi lädt den Leser ein, sich in den Bedeutungen seiner lyrischen Spra-
che zu vertiefen. Weite Beispiele sind in dem Gedichtband Daheim in der
Fremde zu finden; darin verwendet Karasholi das Wort „Daheim“ anstatt
„Heimat“. Karasholi erklärt die dahinterstehende Idee, dass er diese Verwen-
dung benutzt, obwohl er nicht genau weißt, was Daheim und was Heimat
ist.450 Er benutzt stilistische Spiele, um einen neuen Ton in seinen Gedichten
zu erfinden und neue ungewöhnliche Wörter zu benutzen.
449 Ebd. S. 94f. 450 KARASHOLI, Adel: Nachdenken über Leipzig – Heute der Dichter Adel Karasholi. In Bigamie leben und die Meridiane umarmen. In: Leipziger Volkszeitung Nr.18.19.02.2006. S. 19.
217
Wie bereits erwähnt, führt Karasholi sein Publikum in seine eigene lyrische
Welt und zielt auf ein besseres Verständnis der arabischen Kultur und Litera-
tur. Die Kulturvermittlung bleibt allerdings auf seine Darstellung der arabi-
schen Sprachformen und der eigenen lyrischen Verwendungen bezogen. Ein
umfassendes Verständnis seiner Sprache erfordert ein gewisses Vorwissen
beim Leser. Ein Vorwissen vermittelt die ungewöhnlichen arabischen Ein-
flüsse in Karasholis Sprache und lässt den lyrischen Horizont des Dichters
deutlicher erkennen.
5.4.5 Artikel und Rezensionen über Adel Karasholi
Im Folgenden wird dargestellt, wie Karasholi in vielen Essays und Interviews
seit den 60er Jahren bis heute präsent ist. Ab den 90er Jahren stand er vor
allem als Essayist im Mittelpunkt der Berichte über ihn. Er trat häufig als
Interviewpartner zu tagespolitischen und gesellschaftlichen Themen auf. Zu-
dem erschienen seine Essays in der Tages- und Wochenpresse. Sein essayisti-
sches Schaffen und die Interviews kann man in zwei Perioden einteilen: Die
erste Periode dauerte von den 60er bis in die 80er Jahre; in dieser Zeitperiode
ging es in den geschriebenen Berichten und Interviews über Karasholi um
sein Leben, seine Dichtung und ihre Einordnung in die Literatur. In dieser
Periode wurde Karasholi stark als Dichter vorgestellt. Daneben waren seine
Gedichte und ihre Interpretation Gegenstand der Artikel.
In den 60er Jahren äußerte Karasholi seine Dankbarkeit und Sympathie zur
DDR in den deutschen Medien. In dieser Periode begann sich Karasholi in
der DDR heimisch zu fühlen und seine literarische Präsenz zu etablieren. Die
Zeitungen berichteten rund etwa zehn Jahre über sein Leben und Werk.
Wichtige Schwerpunkte seiner Essays und Interviews waren Ausländerfein-
dlichkeit, sein Leben in der DDR und politische Themen. Im Feld der politi-
schen Themen diskutierte Karasholi die politische Entwicklung der letzten
218
fast 20 Jahren. Zu Beginn der 90er Jahre erschienen Artikel zum Thema Aus-
länderfeindlichkeit, nach dem 11. September 2001 zum Terrorismus und zu
politischen Themen in der arabischen Welt, wie dem Irakkrieg und dem Nah-
ostkonflikt.
Nach der Wende stieg die Ausländerfeindlichkeit in Deutschland. Diese Fein-
dlichkeit entstand häufig mit der Begründung, dass die Ausländer als Ar-
beitskräfte in dem wiedervereinigten Deutschland nicht mehr gebraucht wür-
den. Bezüglich der Ausländerfeindlichkeit hat Karasholi einige wichtige Arti-
kel in deutschen Zeitungen veröffentlicht. Beispielsweise schrieb er 1990
einen Essay mit dem Titel „Demokratie nur für Deutsche“. Teile dieses Es-
says wurden in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht, wie
in der Tageszeitung in Ost- und Westdeutschland.451 In beiden Ausgaben der
Zeitung erschienen also zwei Artikel unter dem gleichen Titel, aber mit nur
bedingt gleichem Inhalt. Es ist nicht bekannt, ob Karasholi zwei Artikel an
zwei Zeitungen schickte, oder ob die Zeitungen den gleichen Essay für ihre
Zwecke gekürzt haben.
In der Tageszeitung (West) erschien der Essay mit dem Untertitel „Der in
Leipzig lebende syrische Schriftsteller Adel Karasholi über die Ausländer-
feindlichkeit in der DDR“.452 Es geht hier um die Ereignisse in der DDR.
Karasholi beschreibt seine persönlichen Erlebnisse, zum Beispiel, als jemand
an Weihnachten aus seinem Wagen „Ausländer raus“ schrie; er beschreibt
seine Angst vor der Ausweisung in den letzten Jahren vor der Wende. Dazu
sprach Karasholi über das Kommunalwahlrecht in der DDR und betonte,
dass er erst wählen wolle, wenn alle DDR-Bürger gewählt hätten.
451 Vgl. Die Tageszeitung Ost 13.03.1990, Die Tageszeitung West 20.02.1990, außerdem erschien es in der Universitätszeitung Leipzig 12.11.1990. S. 4. Neue Deutsche Literatur 6.1990. 452 KARASHOLI, Adel: Demokratie nur für Deutsche. Der in Leipzig lebende syrische Schriftsteller Adel Karasholi über die Ausländerfeindlichkeit in der DDR. In: Die Tages-zeitung (West) 20.02.1990. S. 10.
219
Im Gegensatz dazu deutet der Untertitel in der Tageszeitung (Ost) – „Rede
auf dem außerordentlichen Schriftstellerkongress in Berlin“ 453– bereits eine
andere Ausrichtung des Artikels an. Darin beschreibt Karasholi, dass die
Ausländerfeindlichkeit kein neues Gefühl ist, sondern ein Gefühl des
Ausgeschlossenseins während der Wende. Hier bietet Karasholi eine mögli-
che Lösung: den Dialog zwischen den Deutschen und Ausländern zu fördern,
um gegenseitiges Verständnis der Kulturen herzustellen. Hier hatte Karasholi
nicht nur die Kommunikation zwischen den Ausländern und den Deutschen
im Sinn, sondern zwischen Menschen, Völkern und Kulturen allgemein.454
Ein weiterer Essay zur Ausländerfeindlichkeit erschien 1992 in der Wochen-
post; darin analysierte Karasholi die Hintergründe der Ausländerfeindlichkeit.
Zum gleichen Thema erschien 2000 ein Interview mit Karasholi in der Leip-
ziger Volkszeitung, in dem der Dichter betonte, dass die Ausländerfeindlich-
keit ein europäisches und nicht ein ostdeutsches Phänomen sei.455 Nach die-
sem Artikel hat Karasholi keinen weiteren Artikel veröffentlicht, der explizit
Ausländerfeindlichkeit thematisierte. Er hat nur flüchtige Aussagen über die
Gefahr der Vorurteile und der vorgefassten Meinungen über Migranten ge-
äußert.456
Über sein Leben in der DDR äußerte sich Karasholi in vielen Interviews in
den 90er Jahren. Die DDR war kein Gegenstand eines bestimmten Essays
oder eines Interviews, sondern tauchte immer abhängig von anderen Themen
auf. Früh glaubte Karasholi an den real existierenden Sozialismus, den er in
der DDR sah; mit der Zeit jedoch und mit einem zunehmender Einsicht in das
453 Er wurde 1990 als Mitglied in den neuen Vorstand gewählt. 454 KARASHOLI, Adel: Demokratie nur für Deutsche. Rede auf dem außerordentlichen Schriftstellerkongress in Berlin. In: die Tageszeitung (Ost) 13.03.1990. S. 15-17. Beson-ders S. 10. 455 Vgl. PRÜVER, C.: Siehe den anderen lange an und langsam. Der syrisch-sächsische Dichter Adel Karasholi über ein (mögliches) friedliches Miteinander von Menschen und Kulturen. In: Leipziger Volkszeitung 12.07.2000. S. 9. (Interview). 456 Vgl. MELCHERT, Rulo: Kunstvolles Selbstgespräch. Gedichte Karasholis über die Fremde und das Zuhause. In: Sächsische Zeitung Nr. 16. 17.03.1996.
220
System verlor er diese Überzeugung. Er betont ebenso, dass viele mit der
Wiedervereinigung verbundenen Hoffnungen von der real existierenden
Marktschaft nicht erfüllt wurden. Diese Stellungnahme erschien in der Säch-
sischen Zeitung 2003.457
Das letzte Thema in Karasholis Essays und Interviews ist der Anschlag auf
das World Trade Center am 11. September 2001 und die daraus entstehen-
den Missverständnisse zwischen Araber-Muslimen und den Europäern. Zu
dieser Zeit war Karasholi in den deutschen Medien sehr präsent und äußerte
seine Haltung sowohl zu den Anschlägen als auch zum Irakkrieg und dem
Nahostkonflikt. In einem Interview zum Jahrestag der Leipziger Volkszeitung
2002 kritisierte Karasholi diese Ereignisse und deren Folgen. Karasholi zeig-
te, dass die Ursachen des Anschlags in September 2001 kaum diskutiert
wurden.458
In anderen Artikeln bzw. Interviews nahm Karasholi Stellung gegen Saddam
Hussein ein und bezeichnete ihn als ein Unglück für das irakische Volk.
Ebenso äußerte sich Karasholi in den letzten Jahren zu Terrorismus und zu
dessen Folgen. Beispielsweise sprach er in einem Interview 2005 in der Säch-
sischen Zeitung über die Ursachen, die die jungen Menschen zu Terrorakten
treiben.459 Außerdem sprach er als Araber über die Gefahr der wachsenden
Vorverurteilung oder zumindest Verdächtigung von Menschen anderer Haut-
farbe oder ebenso arabischer Namen.460 In jedem Artikel bzw. Interview
spricht Karasholi die Hoffnung aus, dass eine Verbesserung der Verständi-
457 LEMKE, U.: Und manchmal umarmen sich die Schatten. Von der Poesie als Zwiespra-che, Züge voller Biografien und einer Hand voll Asche im Schnee – Auskünfte des Schriftstellers Adel Karasholi. In: Sächsische Zeitung 23.06.2003. (Interview). 458 Vgl. HOYER, G.: Ein Jahr nach dem schlimmsten Terrorangriff der Geschichte. Er trägt die Gräben in sich. Adel Karasholi, Dichter, Philosoph und Brückenbauer zwischen den Kulturen. In: Leipziger Volkszeitung 11.09.2002. S. 27. (Interview). 459 Vgl. DASSLER, H.: Weil das Leben leben soll. Adel Karasholi, der in Leipzig lebende syrische Poet pendelt zwischen den Welten, vermittelt zwischen den Kulturen. In: Sächsi-sche Zeitung. Ostern 2005. (Interview). 460 Vgl. KARASHOLI, Adel. In: Leipziger Volkszeitung 14.10.2006.
221
gung zwischen den Kulturen eintreten solle. Die Lösung, wie Karasholi
glaubt, steht in einem verstärkten Dialog zwischen den beiden Kulturen.
5.4.6 Die Übertragung Karasholis Werke ins Arabische bzw. die Re-
zeption im arabischen Sprachraum
Zwar hat die amerikanische Zeitschrift Poetry Karasholi als einen von 33
modernen deutschen Lyrikern neben Brecht bis Braun ausgewählt, um die
Spannbreite deutscher Lyrik dem amerikanischen Publikum vorzustellen, es
findet sich aber kaum etwas über seine literarische Präsenz über den deut-
schen und den arabischen Sprachraum hinaus. Karasholi arbeitete in den
Sprachen arabisch und deutsch als Verfasser von Artikeln für den Rundfunk
und Zeitungen und als Herausgeber literarischer Texte. In der Tat tritt
Karasholi mehr in der deutschen als in der arabischen Literaturszene in Er-
scheinung. Bevor Karasholi nach Deutschland auswanderte, war er in Syrien
als Lyriker bekannt. Er blieb in Deutschland in Kontakt mit seiner Heimat.
Auch hat er nie aufgehört, auf Arabisch zu veröffentlichen, weil er in der
arabischen Literaturszene präsent bleiben wollte. So geriet er in Syrien nicht
in Vergessenheit. Zwar schreibt er seine Gedichte nicht auf Arabisch, aber er
übersetzte selbst seine eigenen deutschen Gedichte auf Arabisch und ist bis
heute mit der Übersetzung tätig. Er übersetzte aus dem Deutschen ins Arabi-
sche und umgekehrt.461 Eine seiner besonderen Übersetzungen ist die deut-
sche Übersetzung des palästinensischen Lyrikers Mahmud Darwisch. Ins
Arabisch übersetzte er Werke von Bertolt Brecht, Volker Braun, Georg
Maurer u. a.
461Karasholi Übersetzungen ins Deutsche sind: Der Kopf des Mameluken Gaber, Theater-stück von Saadallah Wannus (1973). Al-Tabrisi und sein Diener Kuffa, Theatersück von Alfred Farag (1976). Das Unternehmen Wahnsinn, Theaterstück von Samih Al-Kasim (1979). Der Stuhl, Theaterstück von Muin Bsiso (1979). Auf dem Bürgersteig des Wider-stands, Dramatisches Gedicht (1979). Ins Arabische sind: Das Unsere, Gedichte von Georg Maurer (1981). Aufstieg und Fall der Stadt Mahafonny/ Der Jasager und der Nein-sager/ Dansen/ Was kostet das Eisen, von Bertold Brecht (1982). Che Guevara oder der Sonnenstaat, von Volker Braun (1986).
222
Karasholi galt seit den 70er Jahren als bedeutender Dichter und Übersetzer
sowohl in Syrien als auch in Deutschland. Durch Kanäle der Übersetzungen
ist Karasholi weiterhin in Syrien bekannt. Dazu berichten die arabischen Zei-
tungen über Karasholi als einen erfolgreichen und bedeutenden Dichter. Au-
ßerdem werden seine Übersetzungstätigkeit und seine Übersetzungen ins
Arabische hoch gelobt. Der Blick auf alle arabischen Artikel zeigt, dass
Karasholi für sich einen bedeutenden Platz in der arabischen Literaturszene
erarbeitet hat. Diese arabischen kritischen Bewertungen und Urteile dominie-
ren seit den 60er Jahren bis heute. Beispielsweise schrieb der Syrer ŠauqÐ
BaÈdÁdÐ462 1977 in einem offenen Brief über Karasholi:
Von weit her drangen die Nachrichten über ihn bis zu mir her; auch in der Fremde behauptete er sich als Dichter, des Deut-schen wie des Arabischen mächtig, als bedeutender Übersetzer, der sich souverän in beiden Sprachen bewegen kann, der mit außergewöhnlicher Klugheit und Heimatverbundenheit seine Brücken schlägt [...].463
Karasholi erhielt sowohl im deutschen als auch im arabischen Sprachraum
eine gute Reputation. Er bewegt sich zwischen zwei Sprachen, Kulturen und
Welten und bietet einen wichtigen literarischen Beitrag als deutschsprachiger
Dichter.
Die arabischen Zeitungen berichteten über die wichtigen Nachrichten über
Karasholi. Beispielsweise über die Auszeichnung des Dichters Karasholis im
Jahr 2006 durch den deutschen Schriftstellerverband anlässlich seines 70.
Geburtstages. 2006 wurde in der al-ÍayÁt Zeitung ein Bericht über diese
Ehrung veröffentlicht.464 Im Bericht steht ein kurzer Überblick über die Bio-
462 BAÇDÀDÏ, ŠauqÐ (geb. 1928) ist ein syrischer Dichter, Mitbegründer des arabischen Schriftstellerverbands und des syrischen Schriftstellerverbands. Er veröffentlichte mehr als 13 Gedichtbände und Prosawerke wie Kurzgeschichten und Romane. 463 BAÇDÀDÏ, ŠauqÐ: TaÎÐya ila ÝAdil QarašÙli. In: A×- Õaura Zeitung 11.06.1977. 464 Vgl. DARRÀÉ, FayÒal: ItiÎÁd al-kuttÁb al-almÁn yukarrimuhu fÐ ÝÐd mÐlÁdihi as-sabÝÐn. ÝAdil QarašÙli šÁÝir sÙrÐ Ýa×ara Ýala al-waÔan fÐ al-manfa al-almÁnÐ. In: Al-ÍayÁt Zeitung 12.12.2006.
223
grafie des Dichters und seine literarische Präsenz als Dichter und Übersetzer
in Deutschland.
Karasholi wie sein syrischer Kollege Suleiman Taufiq haben eine aktive lite-
rarische Präsenz im Bereich der Übersetzungstätigkeit. Die beiden sind Dich-
ter und Übersetzer, aber Taufiq ist bekannt in Deutschland bekannter als in
Syrien. Karasholi wird immer als Dichter bezeichnet.
5.5 Die Übersetzung vom Arabischen ins Deutsche - Suleiman Taufiq
als Beispiel
5.5.1 Biographisches
Suleiman Taufiq – Schriftsteller, Dichter, Übersetzer und Herausgeber arabi-
scher Literatur – wurde am 1953 in Beirut im Libanon geboren. Bis zu sei-
nem 18. Lebensjahr lebte er in Damaskus in Syrien bis er sich entschied, nach
Deutschland umzusiedeln, um dort weiter zu studieren. 1971 kam er nach
Berlin; 1972 wechselte er nach Aachen, wo er Philosophie und Vergleichen-
de Literatur studierte. Ab 1986 lebt er in Aachen als freier Schriftsteller und
Publizist.
Als arabischer Migrant kämpfte Taufiq neben seinen arabischen Kollegen um
Erkennung und Akzeptanz in Deutschland. Insbesondere spielte Taufiq eine
bedeutende Rolle in den 80er Jahren in der Entstehung und Entwicklungs-
phase der Migrationsliteratur in Deutschland. Als Angehöriger der arabischen
Minderheit und Mitglied der ersten Generation deutscher Schriftsteller arabi-
scher Herkunft nahm Taufiq an Veranstaltungen, Diskussionen u.a. teil und
wird als arabischer Pionier bezeichnet. In den 80er Jahren ist er bekannt ge-
worden als Mitbegründer und Mitherausgeber der literarischen Reihe „Süd-
wind – Gastarbeiterdeutsch“ und Herausgeber der Reihe Unterwegs sowie
224
der Zeitschrift Fremdworte.465 In der Reihe Unterwegs „setzt er sich von der
bloßen Gastarbeiterliteratur zugunsten literarischer Texte von immigrierten
Ausländern ab, die auch Themen aus ihren Herkunftsländern aufgreifen.“466
Taufiq ist der Begründer des Vereins „Südwind-Gastarbeiterdeutsch“. Die
Idee zur Vereinsbegründung kam Taufiq bei seiner Arbeit an dem Gedicht-
band Wir sind fremd wir gehen fremd, als er Franco Biondi traf. 1979 veröf-
fentlichte Taufiq gemeinsam mit Biondi einen Aufruf in der Zeitschrift Links-
kurve. Darin riefen sie zur Gründung einer Interessengruppe auf, die die Po-
pularisierung von Autoren nichtdeutscher Herkunft zum Ziel haben sollte.467
Neben Gedichten, Erzählungen, Essays, Geschichten für Kinder und Über-
setzungen in die deutsche Sprache schreibt Taufiq außerdem für Zeitschrif-
ten, Rundfunk und Fernsehen. Außerdem widmet er sich beim WDR der ara-
bischen Musik und den Verbindungslinien derselben zur Musik der europäi-
schen Tradition.468 Seit den 80er Jahren lebt Taufiq als freier Schriftsteller,
Publizist und Übersetzer. Mit seinen Werken und Übersetzungen bildet
Taufiq Brücken für die Völkerverständigung und Völkerannäherung.
5.5.2 Die Aufnahme in Deutschland
5.5.2.1 Der Prosaschreiber
Als Prosaschreiber hat Taufiq lediglich drei Werke veröffentlicht: ein Kinder-
buch und zwei Erzählungen. In einem Prosawerk, das Erzählungen enthält,
reflektiert er die syrische Gesellschaft, die Mentalität der Menschen und die
465 Vgl. AL– MAALY/NAJJAR: Lexikon Arabischer Autoren des 19. und 20. Jahrhun-derts. S. 263. 466 TANTOW, Lutz: Heimat in der Fremde. Tendenzen und Perspektiven der deutschen Literatur von Ausländern. In: Die Zeit Nr. 41. 05.10.1984. S. 19. 467 Vgl. AIFAN: Araberbilder. S. 152. 468 Vgl. TAUFIQ, Suleiman: Die andere Kultur. „Ich bin der Fremde“: Al Hawazi. Gesän-ge aus Algerien. Sendung: 24.8.1996 WDR5- Konturen: Flamenco & Co. Sendung: 16.04.1996. Zitiert von: AIFAN: Araberbilder. S. 153.
225
Lebensart in den 50er und 60er Jahre. Er nutzt sein Schreiben, um das west-
liche Sicht von der arabischen Gesellschaft zu korrigieren. Dies bedeutet,
dass er die arabischen Sitten, Traditionen und Lebensweisen beschreibt für
die deutschen Leser, die wenig über die arabische Gesellschaft von damals
wissen.
Im Mittelpunkt seiner Erzählung Warten steht der Fremde. Die Protagonisten
sind Menschen, die sich zwischen zwei verschiedenen Kulturen befinden.
Beim Versuch, sich in ihrer neuen Welt zu orientieren, geraten sie in Kon-
flikt, weil die neuen Bedienungen und Wünsche sich nicht mit den in der
Kindheit erlebten Werte und Pflichtvorstellungen vereinbaren lassen. Doch
die Geschichten sind auch eine Art Liebeserklärung an die Fremde, die im
Laufe der Zeit immer vertrauter wird. Humorvoll wird erzählt, wie die Pro-
tagonisten dieser Fremde allmählich heimische Gefühle entwickeln.
1992 schreibt Taufiq eine autobiografische Erzählung mit dem Titel Im
Schatten der Gasse. Darin beschreibt er seine Erinnerungen an die Kindheit
und an seiner Heimatstadt Damaskus. Man kann diese Erzählung zur realisti-
schen Prosa zählen. In dieser Erzählung wird eine Gasse beschrieben, in der
Taufiq aufgewachsen ist. Die verbotene Liebe und ihre Schicksal, die Tren-
nung zwischen Männern und Frauen u.a. sind Themen in dieser Erzählung.
Im Gegensatz zu seinen anderen Texten kann man in dieser Erzählung das
„Exotische“ finden; denn Taufiq wählte arabische Figuren und arabische
Handlungsorte.
Bestimmte von Taufiq beschriebene arabische Szenen, die in einer alten Gas-
se in Damaskus spielen, erscheinen für einen deutschen Leser fremdartig,
beispielsweise die Begeisterung der Menschen für die ägyptische Sängerin
Umm Kulthum, die an jedem Donnerstagvormittag im Radio zu hören ist.
Dann verstummte das rege Treiben in der Gasse, weil die Leute vor den Ra-
dios saßen und zuhörten: „Die Menschen, vor allem die Jugendlichen,
226
stöhnten vor Schmerz und Genuß. Das war einmal ein erotischer Genuß, der
ihnen nicht vorenthalten wurde.“469 Ebenfalls wechselte Taufiq die Erzähl-
perspektive: hier ist kein Ich-Erzähler vorhanden, sondern es wird auktorial
erzählt.470
Ein weiteres Beispiel für die Beschreibung fremder arabischer Lebenselemen-
te in Im Schatten der Gasse ist die Geschichte des Kuhhirten Amer. Er hat
einen Albtraum: Er träumt, dass er nach Damaskus geht und sich dort verirrt.
In der Beschreibung des Albtraums gibt es eine besondere Szene; darin
taucht ein Zug auf, der von Kindern, die an der Haltestelle warten, mit Stei-
nen beworfen wird. Die Kinder und ihre Eltern wurden von den Reisenden
verflucht. Dann erklärt Taufiq, warum die Kinder den Zug mit Steinen be-
warfen: „Die Kinder haben diese Angewohnheit von ihren Vätern und Groß-
vätern übernommen, ohne es zu wissen“.471
An einer anderen Stelle wird erzählt: Die Eisenbahnlinie stand in der Vergan-
genheit im Dienst der französischen Armee, der Besatzungsmacht. Die Fran-
zosen nutzten die Züge ausschließlich für den Transport ihrer Truppen. Da-
mals bewarfen die Kinder die Züge mit Steinen wegen der Franzosen; und
weil sie sich daran gewöhnten, hörten sie damit nicht auf, als keine Franzosen
mehr in den Zügen saßen. So wurde dies zur Gewohnheit und von einer Ge-
neration auf die nächste weitergegeben. Hier kann der Leser etwas über die
syrische Geschichte und die französische Besatzung erfahren.
Taufiqs Prosawerk Im Schatten der Gasse enthält in 157 Seiten einfache Er-
zählungen in einem zweisprachigen Buch arabisch-deutsch über das Alltags-
leben in einer kleinen Gasse von Damaskus. Taufiq hat wenige prosaische
Werke veröffentlicht. Er beschäftigte sich mit Übersetzungen und Lyrik mehr
als mit Prosa. So hat er bis 2005 keine prosaischen Werke veröffentlicht.
469TAUFIQ, Suleiman: Im Schatten der Gasse. Berlin: Edition Orient Verlag. 1992. S. 67. 470 Vgl. AIFAN: Araberbilder. S. 155. 471 Ebd. S. 49.
227
Warten, sein zweites Prosawerk, erschien 2005. Für Kinder schrieb er 2006
ein zweisprachiges Bilderbuch mit dem Titel Oh wie schön ist Fliegen.
5.5.2.2 Der Lyriker
Als Lyriker schreibt Taufiq über Liebe, Fremde und Heimat. Bislang veröf-
fentlichte er sechs Bände: Sein erster Gedichtband in deutscher Sprache war
Wir sind fremd wir gehen fremd (1978), Layali erschien 1984, Das Schwei-
gen der Sprache 1988. Spiegel des Anblicks (1993) vereinigt deutsche Ge-
dichte mit einigen zweisprachigen Gedichten, Mondtheater (2001) und Was
weißt du von mir (2004) versammeln arabisch-deutsche Liebesgedichte.
Taufiq, wie andere arabische Lyriker auch, hat seine ersten Gedichte mit exo-
tischen Elementen angereichert. In dem Band Layali (1984) ist die Exotik
deutlich vernehmbar. In dem Gedicht In deinen Augen472 zum Beispiel er-
kennt man deutlich die orientalischen Bilder und die arabischen Elemente wie
der arabische Tanz, Karawanen, Wüste u.a.:
Wenn du lachst, höre ich das Lachen der Kinder
Wenn du klatschst, höre ich den Rhythmus der arabischen Tänze
Wenn du dich bewegst, bewegen sich die Karawanen in einer
Wüste
Wenn ich deine Hand nehme, nehme ich die Hände des Morgens
Im Jahr 1993 erschien der Band Spiegel des Anblicks. Mit diesem Band ent-
fernte sich Taufiq von dem Exotischen und schrieb Gedichte ohne orientali-
sche Bilder oder exotische Elemente. Aifan ist der Ansicht, dass Taufiq be-
wusst die Thematisierung alles Arabischen meidet. Arabisches bedeutet für
ihn Exotismus, daran möchte er nicht teilhaben. Er will, dass seine Gedichte
472 TAUFIQ, Suleiman: Layali. Gedichte. Essen: Klartext Verlag. 1984. S. 58.
228
und Geschichten nicht den klassischen Erwartungen entsprechen. Seine Tex-
te müssen ganz fern von dem exotischen bzw. falschen deutschen Vorwissen
über die arabische Literatur bleiben.473
Die lyrische Entwicklung betreffend sagt Taufiq, dass er nach der Veröffent-
lichung seines Gedichtbandes Das Schweigen der Sprache die „deutsche
Emotionalität“ kannte. Dann nimmt er eine andere Position ein. Die deutsche
Emotionalität wird für ihn näher als die „arabische Emotionalität“. Die
„Sehnsucht“ besitzt bei ihm doppelte Bedeutung; die Sehnsucht nach Syrien
in Deutschland sowie die Sehnsucht nach Deutschland in Syrien.
5.5.2.3 Der Übersetzer und Herausgeber
Als Übersetzer hat sich Taufiq einen guten Namen erarbeitet und wurde da-
für durch die deutschen Kritiker und das Publikum sehr gelobt. Neben seiner
ins Arabische übersetzten Kleine Geschichte der deutschen Literatur von
Kurt Rothmann (1989) wurde neben seinen Übersetzungen aus dem Arabi-
schen ins Deutsche auch seine Tätigkeit als Herausgeber der Sammelbände
sehr positiv aufgenommen; seine Arbeit versucht, die Informationslücke in
Bezug auf die arabische Gesellschaft und Literatur zu schließen besonders als
Übersetzer trägt seine Arbeit an einem Informationsaustausch zwischen
Deutschland und der arabischen Welt bei.
Bedeutende Werke zeitgenössischer arabischer Literatur finden durch seine
Übersetzungen einen Weg zum deutschen Publikum. Taufiq hat die zu über-
setzenden Werke sorgfältig ausgewählt; darunter sind Bücher von Adonis,
Ghada Samman, Nawal Saadawi, Laila Al-Osman, Alifa Rifaat und Nagib
Machfuz zu finden. Daneben machte er ein breites Spektrum zeitgenössischer
473 Vgl. AIFAN: Araberbilder. S. 154.
229
Frauenliteratur auf dem deutschen Buchmarkt bekannt.474 Dies wurde von
Kritikern stark gelobt. Andrea Wörle vom Deutschen Taschenbuch Verlag
hat Taufiqs Verdienst hervorgehoben. Wörle beobachtet, dass seine zwei
vom Dtv herausgegebenen Anthologien Arabische Erzählungen und Frauen
in der arabischen Welt sehr gut aufgenommen werden. Für die Leser und
Leserinnen stellt, nach Wörle, diese Anthologien eine bedeutende Hilfe dar,
um einen Einblick in die Literatur und in die Kultur der arabischen Welt zu
gewinnen.475
In Arabische Erzählungen (2004) hat Taufiq 80 Erzählungen von 40 arabi-
schen Autoren gesammelt und übersetzt. Zum ersten Mal konnte der deut-
sche Leser einen Einblick in die arabische Prosaliteratur vom 8. Jahr-hundert
bis zur Gegenwart gewinnen. Durch die Erzählungen der Anthologie Frauen
in der arabischen Welt zeigte Taufiq dem deutschen Publikum das Leben der
Frauen in der arabischen Welt. Die Frauen sind die Heldinnen der Erzählun-
gen und stammen aus vielen arabischen Ländern.
1995 hat Taufiq gemeinsam mit Jutta Szostak eine Anthologie mit dem Titel
Der wahre Schleier ist das Schweigen im Fischer Taschenbuchverlag heraus-
gegeben. Der deutsche Leser konnte durch die Anthologie etwas über die
literarische Situation der Frauen in den arabischen Ländern erfahren. Der
Mangel an Informationen über die zeitgenössische arabische Literatur wird
mit dieser Anthologie behoben.
474 Nawal El-Saadawi: Schador. Frauen im Islam (Mitübersetzer). Bremen: CON Edition Verlag. (1980). Laila Al Osman: Die Wände zerreißen. Erzählungen. Berlin: Edition Orient Verlag. (1988). Alifa Rifaat: Erste Liebe letzte Liebe. Erzählungen. Erzählungen. Berlin: Edition Orient Verlag. (1989). – Die letzte Nacht nach Tausend Nächten. Erzäh-lungen. Berlin: Edition Orient Verlag. (1991). Adonis: Der Baum des Orients. Gedichte. Berlin: Edition Orient Verlag. (1989). Ghada Samman: Mit dem Taxi nach Beirut. Ro-man. Berlin: Edition Orient Verlag. (1990). Sargon Boulus: Ein unbewohntes Zimmer. Erzählungen. Meerbusch: Edition Orient Verlag. (1996). Nagib Machfuz: Geschichten aus unserem Viertel. In: WÖRLE, Andrea: Im Schatten der Paläste. Frankfurt am Main: Athenäum. 1987. 475 Vgl. KHALIL: Zur Rezeption arabischer Autoren in Deutschland. S. 122.
230
Weitere durch Taufiq herausgegebene und erwähnenswerte Anthologien
sind: Dinge, die andere nicht sehen – eine Sammlung mit Texten von 20
Lyrikerinnen aus dem arabischen Raum - erschien 2006; „Neue Arabische
Lyrik erschien 2004; Dies ist nicht die Welt, die wir suchen erschien 1983;
Zu Gast bei den Entwickelten erschien 1985 und Mittenaus Mittenein enthält
irakische Lyrik, die gemeinsam mit Khalid AL-Maaly und Stefan Weidner im
Jahr 1993 herausgegeben wurde.
Über Mangel an Anerkennung im Sinne von Literaturpreisen konnte sich
Taufiq nicht beschweren. Im Jahre 1983 erhielt Taufiq den Walter-
Hasenclever-Preis der Stadt Aachen. Taufiq, der deutsch-arabischer Schrift-
steller, Übersetzer und Herausgeber von Anthologien hat einen wichtigen
Beitrag zur arabischen Literatur als Bestandteil von der in Deutschland le-
benden arabischen Autorengruppe geleistet. Weil es in der Öffentlichkeit eine
Informationslücke gibt, hilft Taufiqs Arbeit, den Mangel an Informationen
über arabische Literatur, über die Situation und die literarische Produktion
der Frau in den arabischen Ländern zu beheben.
231
6 Ergebnis der Arbeit
Das Ziel dieser Studie ist die Untersuchung der deutschen Rezeption der in
Deutschland lebenden arabischen Autoren seit den 50er Jahren des 20. Jahr-
hunderts. Die arabischen Autoren bilden eine literarische Gruppe neben ande-
ren Autoren, die aus verschiedenen Minderheiten besteht. Sie liefern einen
wichtigen Beitrag zur Migrationsliteratur in Deutschland. Es wurde gezeigt,
dass die deutsche Rezeption arabischer Migrationsliteratur in unterschiedli-
chen Phasen verläuft und dass trotz der Rezeptionsproblematik einige arabi-
sche Autoren als die berühmtesten Migrantenautoren in Deutschland betrach-
tet werden. Es wurde dargestellt, dass die deutsche Rezeption arabischer
Literatur in der Zeit von 1950 bis 1980 von einer Lückenhaftigkeit gekenn-
zeichnet ist und die arabische Literatur innerhalb der Migrationsliteratur in
Deutschland nur marginal beachtet oder untersucht worden ist. Die arabische
Migrationsliteratur wurde als niveaulos abqualifiziert oder als Problemlitera-
tur, als authentisches Dokument ins Abseits gedrängt. In den 80er Jahren
verbesserte sich die deutsche Rezeption arabischer Literatur. Die 80er Jahre
gelten in der Geschichte der Migrationsliteratur als Gründungszeit und als ein
wichtiger Teil der deutschen modernen Literatur. Deshalb waren die Aktivi-
täten und die Zusammenarbeit von Autoren in dieser Zeit dynamischer als in
späteren Zeiten. Maßgeblich für die gute Aufnahme einiger arabischer Auto-
ren war stets der Berühmtheitsgrad. Seit den 90er Jahren bekommt die arabi-
sche Migrationsliteratur viel Lob und Kritik von der deutschen Literaturkritik
und der Literaturwissenschaft.
Die Erforschung der Rezeption der in Deutschland lebenden arabischen Au-
toren erfordert die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Migrationsli-
teratur sowie mit der Geschichte der Rezeption der Migrationsliteratur als
neues Phänomen in der modernen deutschen Literatur. Die literarischen An-
fänge markierten die Texte von italienischen und türkischen Immigranten, die
später bekannter als andere Minderheitenautoren werden. Neben diesen Min-
232
derheitenautoren kämpften die in Deutschland lebenden arabischen Autoren
etwa 20 Jahre, damit sie im deutschen Literaturbetrieb wahrgenommen und
als Autoren ernst genommen werden. Seit den 1990ern erregten sie mit ihren
Publikationen die deutsche Aufmerksamkeit und wurden nicht mehr als Be-
standteil der sogenannten „Migrationsliteratur“ in Deutschland rezipiert, son-
dern als individuelle Autoren.
Man kann zusammenfassend sagen, dass aufgrund der Literaturpreise, insbe-
sondere des Adelbert-von-Chamisso-Preises, die Einladungen zu literarischen
Veranstaltungen und Autorenlesungen, die Neuauflagen der Werke als Indiz
einer positiven Rezeption, allmählich die arabischen Autoren seit Ende der
80er Jahren mit ihren individuellen Unterschieden beachtet wurden. In den
80er Jahren beteiligten sich die arabischen Autoren mit Essays an der Debatte
um den Stellenwert und Definition der Literatur von ausländischen Autoren,
sowie um die Anerkennung dieser Literatur von den Immigranten im Allge-
meinen. Die 80er Jahre waren ebenso die Zeit, in der die ausländischen Im-
migranten aus verschiedenen Nationalitäten zusammenarbeiteten. Sie gründe-
ten damals die literarische Buchreihe Südwind-Gastarbeiterdeutsch und ga-
ben verschiedene Anthologien heraus. Unter der Mitwirkung von Immigran-
ten entstand auch der Polynationale Literatur und Kunstverein als erste Ver-
einigung ausländischer Autoren und Künstler in Deutschland.
Zusätzlich öffnet die Verleihung des Literaturnobelpreises an den ägypti-
schen Autor Nagib Machfuz eine weite Tür für die arabische Literatur, beim
deutschen Publikum bekannt zu werden. Hier spielten die Übersetzungen
arabischer Werke eine besondere Rolle. Insbesondere sind arabische Romane
seit dem Anfang der 90er Jahre nach und nach ins Deutsche übersetzt wor-
den. Die in Deutschland wohnhaften Autoren, die auf Arabisch schreiben,
haben ihre im Original arabischen Werke selbst übersetzt oder übersetzen
lassen. Hier ist es von Bedeutung, die Übersetzungen von Karasholi, Taufiq
und Al-Maaly hervorzuheben.
233
Um die literaturkritisch-interpretatorische Rezeption der arabischen Werke in
den 70er und 80er Jahren in Deutschland ist es nicht besser bestellt als um
die Rezeption der gesamten entstehenden Migrationsliteratur in Deutschland.
Die Kritik besteht im wesentlichen aus den wenigen veröffentlichten Essays,
Artikeln und Aufsätzen. Ein beträchtlicher Teil dieses literaturkritischen Ma-
terials stammt von den Wissenschaftlern, Übersetzern und den Fachleuten,
die sich mit der Migrationsliteratur beschäftigen wie u.a. Irmgard Ackermann
und Harald Weinrich. Die vorhandenen Informationen in diesen Artikeln ver-
größern nicht das Verständnis des Lesers für die arabischen Werke, weil sie
einfachen Vorstellungen der Autoren und ihrer Werke bieten.
Es ist wichtig anzumerken, dass die wissenschaftliche Rezeption der Migrati-
onsliteratur in Deutschland an den Inhalten dieser Literatur orientiert. Litera-
turkritik und Literaturwissenschaft beleuchteten die Entstehung- und Ent-
wicklungsphasen der Migrationsliteratur. Sie wiesen immer wieder auf das
Vorhandensein dieser Literatur hin, hoben deren Themenschwerpunkte her-
vor, mit Absicht umfassend auf den neuen Literaturzweig einzugehen. Wegen
der bedeutenden Zahl der italienischen und türkischen Schriftsteller, die seit
der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland leben, erscheinen
diese zwei Gruppen häufig in den deutschen Forschungen zum Thema Migra-
tion und Migrationsliteratur. Die Studien über die arabischen Autoren sind
gering. Zudem wurden die arabische Minderheit, ihre Probleme und ihre Ge-
schichte noch nicht untersucht. Die Studien über die arabischen Autoren be-
schränken sich auf bestimmte Themen wie u.a. Araberbilder und arabische
Märchen. Unter den arabischen Autoren wurden Schami und Karasholi un-
tersucht. In den Studien über Migrationsliteratur wurden die Namen der ara-
bischen Autoren und Autorinnen kaum erwähnt und ihre Werke kaum be-
leuchtet. Lediglich Beispieltexte von den arabischen Werken sind erwähnt.
Die Untersuchung im zweiten Kapitel stellte fest, dass die Rezeption arabi-
scher Autoren in Deutschland nicht ohne Probleme verläuft. Es herrscht eine
234
adäquate Rezeption sowie eine Fehlrezeption. Die Fehlrezeption entstand aus
Vorwissen und Vorurteilen. Die Untersuchung ergab, dass die Rezeption
arabischer Autoren seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts nicht ohne Re-
zeptionsproblematik läuft. Im 19. und 20. Jahrhundert, als eine Begeisterung
für den Orient in Deutschland herrschte, wurden einige literarische Produkti-
onen der arabischen Autoren als Darstellung orientalischer Exotik oder Folk-
lore rezipiert. Tausendundeine Nacht spielt dabei eine doppelte Rolle: Ers-
tens prägt sie das Bild der Araber mit Fantasie und Märchen. So sind einige
kritischen Urteile über arabische Literatur nicht frei von den vorgefassten
Meinungen. Dies erklärt die Gründe der bedeutenden Aufnahme der erzähle-
rischen Werke. Der Autor wird am erfolgreichsten, weil er die Vorstellung
des exotisch-erotischen Orients vorantreibt. Das änderte sich allmählich als
die arabischen Autoren über ihre Werke in der Presse sprachen.
Die Berichterstattung und die Artikel in Zeitungen klärten über die literari-
schen Eigenschaften jedes Werkes auf. Die Autoren selbst jedoch, die als
Erzähler tätig sind, profitieren von der Beliebtheit der arabischen Erzählkunst
beim deutschen Publikum, um ihrer Literatur Gehör zu verschaffen. Einige
arabische Autoren genießen einen guten Ruf in Deutschland wie Rafik Scha-
mi, der als fester Bestandteil der modernen deutschen Literatur betrachtet
wird, oder der erfolgreiche Lyriker Adel Karasholi, der für sich einen guten
Namen in Deutschland seit den 70er Jahren gebildet hat und sich Gehör ver-
schaffte. Man kann die Rezeption Karasholis und Schamis in Deutschland als
überaus positiv und als produktive Rezeption bezeichnen. Bei der Darstel-
lung der Rezeptionsaspekte der arabischen Autoren erscheinen neben Lob
ihrer Werke auch Missverständnisse und Vorurteile über ihre Werke.
Was die arabischen in Deutschland lebenden Schriftstellerinnen anbetrifft,
erfahren einige trotz der geringen Anzahl eine gute Aufnahme. Al-Hilali ge-
nießt wegen ihrer realistischen Erzählungen einen guten Ruf in Deutschland.
Weil die arabische Frauenliteratur in Deutschland nicht fern von der dominie-
235
renden Thematik in der modernen arabischen Frauenliteratur ist, wurden die
arabischen Schriftstellerinnen, die reale Geschichten bieten oder beeinflusst
von der Biographie schreiben, gut rezipiert. Diese Schriftstellerinnen spielen
eine kulturelle Vermittlungsrolle und bieten dem deutschen Lesepublikum in
Romanen wichtige Informationen über politische und soziale Zustände in
ihrer Heimat. Die Probleme von Frauen in einer arabisch-islamischen Gesell-
schaft sind ebenfalls Schwerpunkte der bisher nur wenig veröffentlichten
Romane. Trotz ihres wichtigen Beitrags zur arabischen Migrationsliteratur,
wurden die arabischen Schriftstellerinnen im Vergleich zu ihren türkischen
und italienischen Kolleginnen kaum untersucht.
Der folgende Teil der Untersuchung beschränkt sich auf die Rezeption der in
Deutschland lebenden syrischen Autoren und versucht zu zeigen, dass sich
Schamis Popularität in Deutschland von Anfang an und größtenteils wegen
seiner Tätigkeit als Erzähler vergrößerte. Dafür gibt es eine Erklärung: Das
mündliche Erzählen ist beim Publikum in Deutschland auf große Resonanz
gestoßen. Unter den meistgelesenen arabischen Erzähler gilt Schami als der
bekannteste. In den 80er Jahren brachte er entwickelte arabische Erzählkunst
auf die Bühne. Mit etwas Schauspielkunst wurden seine Erzählungen leben-
dig. Später vergrößerte sich sein Lesepublikum und er wurde zu einem er-
folgreichen deutschsprachigen Autor in Deutschland.
Der historische Hintergrund der Untersuchung ist die Geschichte der arabi-
schen Erzählkunst. In Arabien war die Erzählkunst seit Jahrhunderten die
beliebte orale Kunst, in der Volksgeschichten, Heldenerzählungen und mär-
chenhafte Erzählungen entstanden und entwickelt wurden. Die Untersuchung
der modernen arabischen Werke ergab, dass eine deutliche arabische Rück-
kehr zur Erzählkunst zu beobachten ist und eine Inspiration von Tausend-
undeiner Nacht deutlich auf den Gebieten Roman und Theater vorherrscht.
Diese Inspiration diente besonders zur Formulierung von politischer Kritik an
ihren Herkunftsländern.
236
Die deutsche Leserschaft begegnet Schamis Werk mit Begeisterung. Hierzu
trugen vor allem seine märchenhaften Erzählungen bei. Diese freundliche
Aufnahme begleitet ihn seit seiner ersten Erscheinung in der deutschen Lite-
raturszene. Dies erklärt die große Verkaufszahl seiner Werke und die darauf-
folgenden Auflagen. Die zahlreichen Publikationen bahnten ihm den Weg zur
internationalen Bekanntheit. Die Literaturpreise spielen ebenso eine große
Rolle bei der Rezeption seiner Literatur; sie haben das akademische Interesse
innerhalb des deutschen Literaturbetriebs auf ihn gelenkt und seinen Leser-
kreis größer werden lassen. Die Untersuchung stellt auch fest, dass Schamis
Erfolg aus den Quellen seiner Geschichten und Romanen entstand, die da
sind: Die Erzählsammlung Tausendundeine Nacht, die Kaffeehausgeschich-
ten, die alten arabischen MaqamÁt von al-HamaÆÁnÐ und al-ÍarÐrÐ und die
berühmte Fabelsammlung aus der abbasidischen Zeit Kalila und Dimna. Ne-
ben diesen Quellen sind seine eigenen Erfahrungen und sein Leben in einer
alten Gasse in Damaskus und die Erzählungen der anderen zwei wichtigen
Quellen, von denen die Kerne seiner Geschichten und Romane entstanden.
Die Untersuchung ergibt auch, dass Schamis Märchen nicht reine arabische
Märchen sind, sondern arabische Märchen auf der Erde der deutschen Wirk-
lichkeit. Inhaltlich verarbeitet er in den erzählerischen Werken einen großen
Abschnitt von seinen eigenen Leben in Syrien und Deutschland. Die Tren-
nung von der Südwindgruppe war Schamis Weg, als einzelner Autor zu
wahrgenommen zu werden. In derselben Zeit wuchsen die Verkaufszahlen
seiner Bücher. Nicht nur als Schriftsteller ist Schami in der deutschen Litera-
turszene präsent, sondern auch als Essayist, der in arabischen und deutschen
Zeitschriften veröffentlicht. Als politischer und Kinder- und Jugendautor hat
er für sich einen guten Namen gebildet. Die Bilder- und illustrierten Bücher
spielen eine wichtige Rolle in seinem Erfolg als Kinderautor. Schamis Weg
zum Erfolg als Kinder- und Jugendautor war nicht sehr leicht. Zum Veröf-
fentlichen seiner Werke stieß Schami auf viele Schwierigkeiten wie Ableh-
nungen von den Verlegern. Was die Kritik an Schamis Werken betrifft, wird
deutlich, dass Schami für seine Verwendung von orientalischen Klischees
237
kritisiert wurde. Manche Kritiker achten die Vorteile seines Erzählstils, ande-
re wiederum betrachten seine erzählerischen Texte als Trivialliteratur. Im
arabischen Sprachraum war Schami wenig erfolgreich im Vergleich mit sei-
nem Erfolg und Bekanntheitsgrad im deutschen Sprachraum.
Es wurde in Laufe der Untersuchung Karasholis Rezeption in Deutschland
skizziert und gezeigt, dass er sich als ein Autor seiner Wahlheimat Deutsch-
land fühlt. Sein erstes deutsches Werk wurde auf einen exotischen Aspekt hin
reduziert, aber dennoch ermöglichte es mit der Poesie, eine zu der Zeit nicht
sehr verbreitete Auseinandersetzung mit der arabischen Kultur. Später ging
er explizit auf Vorurteile gegenüber der arabischen Kultur ein und plädierte
schließlich in den Essays und Interviews, angesichts einer angespannten poli-
tischen Lage der beiden arabischen und europäischen Seiten, weiterhin für
einen Kulturaustausch. In den 70er, 80er und 90er Jahren gibt es Pressemit-
teilungen, die sich mit Adel Karasholi beschäftigen. Die Kritiker bewerteten
seine Werke mit deutlichem Lob besonders nach der Verleihung des Adel-
bert-von-Chamisso-Preises im Jahr 1992.
Es kann einige gemeinsame Eigenschaften bei den arabischen Autoren entde-
cken werden. Alle arabischen Autoren haben ihre Erfahrungen als Migranten
literarisch thematisiert. Mann kann die Migration als Thema in den meisten
frühen Texten der ersten arabischen Generation finden.476 Anfänglich
vermeideten die arabischen Autoren die Exotik, trotzdem wurden ihre frühen
Texte als exotische emotionale Texte rezipiert. Auch wenn sie sich später
stark von dem Exoten-Image distanzierten, hat ihnen dies ohne Zweifel gro-
ßen Erfolg und Bekanntheit beschert. Seit Ende der 70er Jahre und Anfang
der 80er Jahre distanzierten sich die arabischen Autoren stark in den folgen-
den Werken von dem Exotischen und kritisierten direkt das Metabild des
Arabers.
476 Die Gedichte von Adel Karasholi, Suleiman Taufiq und Jusuf Naoum sind gute Beispile.
238
In den deutschen Medien schätzt man die arabischen Autoren, die zur ersten
und zweiten Generation gehören, als Kulturvermittler, die für die Annährung
zwischen Deutschland und den arabischen Ländern wirken und für einen Kul-
turaustausch plädieren. Sie schreiben für das einheimische Publikum in
Deutschland und bieten den deutschen Rezipienten ein richtiges Bild von den
arabischen Ländern und der vielfältigen zeitgenössischen Gesellschaft. Sie
erweitern das Verständnis der deutschen Rezipienten, in dem sie neue lyri-
sche und prosaische Sprache schreiben. Hier ist Karasholi ein gutes Beispiel.
Er verwendet eine besondere abstrakte, verdichtete lyrische Sprache und fügt
Metaphern und rhetorischen Ausdrücke hinzu. Insbesondere in seinem Ge-
dichtband Also sprach Abdulla, verwendet Karasholi metaphorische und
argumentative Zusammenfügungen, und ebenso eine künstliche Form, die
altislamischer Struktur entlehnt ist. Dadurch wird Völkerverständigung vor-
bereitet und es gelingt ihnen, ein richtiges Bild, frei von Klischees und fal-
schen Vorstellungen über Araber zu etablieren. Obwohl sie aus der deutschen
Tradition schöpfen, sind sie stark von der arabischen Literatur und Kultur
beeinflusst.
Das Wunderbare und die Wüste wurden von ihnen abgelehnt, weil diese Mo-
tive eine unentwickelte Vorstellung über das gegenwärtige Leben in der ara-
bischen Welt seien, wo es nicht nur Wüste gibt, sondern auch vielfältige geo-
graphische Räume wie moderne Städte u.a. In den Essays, Artikeln, Aufsät-
zen, in Diskussionen und Interviews haben sie sich mit den heutigen politi-
schen Ereignissen in der arabischen Welt und ihren Folgen beschäftigen.
Die Unterschiede zwischen den arabischen Autoren zeigen, dass nur
Karasholi in der DDR seit den 60er Jahren nicht als Ausländer- oder Migra-
tionsautor begann, sondern als aus Syrien eingereister Lyriker. Schon 1962,
nur ein Jahr nach seiner Ankunft in der DDR, erschien ein Bericht über
Karasholis Lesung in der Theaterschule in der Leipziger Volkszeitung. Dazu
erschienen regelmäßig seine in die deutsche Sprache übersetzten Gedichte in
239
Zeitungen. Die breite Anerkennung verdankt er seiner sozialen Auseinander-
setzung in die Presse und Interviews. Zudem trägt die Lyrik-Welle von 1962
bis 1965 zu seiner Anerkennung bei; die Autoren der sogenannten Sächsi-
schen Dichterschule mit sozialistischer Lyrik begeisterten damals das deut-
sche Publikum.
Aufgrund seiner hoch bewerteten Gedichte, hatte sich Karasholi einen
schnellen Ruhm beim deutschen Publikum erworben. Obwohl die arabischen
Dichter nicht nur als Lyriker tätig sind, wurde jeder arabische Dichter unter-
schiedlich rezipiert; Karasholi als Essayist, Khalid Al-Maaly als Verleger des
Palmyra Verlags und Suleiman Taufiq als Übersetzer und Herausgeber von
Sammelbänden. Gemeinsam trugen sie zu der Erfüllung der Informationslü-
cke über die Araber und die arabischen Kultur und Literatur bei. Vor allem
ist ihre ihre Übersetzungen aus der zeitgenössischen arabischen Literatur hier
hervorzuheben.
Betrachtet man die Geschichte der arabischen Migrationsliteratur im 19.
Jahrhundert und die Rolle der Werke von den arabischen Migranten als Be-
reicherung und Erneuerung der arabischen Literatur,477 dann kommt man an
der Tatsache nicht vorbei, dass die arabische Migrationsliteratur in Deutsch-
land keine innovative Funktion hat, weil sie als moderne arabische Migrati-
onsliteratur geringes Interesse von den arabischen Kritikern bekommt. Heut-
zutage sind die Trennung zwischen der arabischen Migrationsliteratur und
die gesamte arabische Literatur in den arabischen Ländern deutlich. Die
477 Wegen osmanischer Besetzung sind arabische Gruppen besonders aus Libanon und Syrien im 19. und 20. Jahrhundert ausgewanderten. Sie bildeten arabischen Minderheiten in Kanada, USA und in den südamerikanischen Ländern wie Brasilien, Venezuela, Argen-tinien und Chile. In der arabischen Literatur teilt sich die Migrationsliteratur in das südli-che und nördliche Exil. Sie hatten damals wirksame kulturelle und literarische Aktivitä-ten, Vereine und Veranstaltungen, die dem europäischen Publikum einen Einblick in die arabische Kultur gaben. In diesen Städten entstand eine arabische Literatur, heißt die arabische Migrationliteratur, die eine große literarische Schule wurde und Kritik und viel Interesse von den Kritikern in den arabischen Ländern bekam. Dank der „Mahjar-dichter“ im 19. und 20. Jahrhundert entstand die Modernisierung der arabischen Lyrik, dabei ent-hält das arabische Gedicht neue lyrische Form mit neuen metrischen Verwendungen ne-ben neuen behandelten Themen.
240
Werke von den Autoren sind nicht ins Arabische übersetzt und die Autoren
sind auch kaum in der Literaturszene in ihren Ländern bekannt.478 Der arabi-
sche Leser findet kaum übersetzte Werke von arabischen Migranten, beson-
ders in Syrien. Nur einige Ausnahmen zum Beispiel in Amerika wie Etel Ad-
nan, Naomi Schehab und Gohn Asfur sind im engeren Raum in der arabi-
schen Welt bekannt. Die literarischen Werke von diesen Autoren wurden ins
Arabisch übersetzt. Die Hauptursachen für diese Trennung ist die Krise der
literarischen Übersetzung aus dem Deutschen ins Arabische und die Rezepti-
onslage der deutschen Literatur in den arabischen Ländern.479 Deshalb wur-
den die Einflüsse der arabischen Migrationsliteratur in Deutschland auf die
gesamte arabische Literatur in den arabischen Ländern nicht untersucht.480
Schließlich kann zusammenfassend gesagt werden, dass die arabische Litera-
tur kein oberflächliches Phänomen in der deutschen Literaturszene ist. We-
gen des zunehmenden Interesses von der deutschen Seite vergrößert sich die
öffentliche Wahrnehmung der arabischen Literatur. Zudem wird deutlich,
478 Die deutschen Übersetzer wie Hartmut Fähndrich, Stefan Weidner, Regina Karasholi, Leila Chammaa, Eva Moldenhauer u.a. übernehmen eine schwere Aufgabe mit ihrer en-gen finanziellen Möglichkeiten und daraus resultierenden geringen Möglichkeiten. Neben den deutschen Spezialisten haben die arabischen Migranten, die in Deutschland leben auch einige Anthologien und Übersetzungen ins Deutsch übersetzt. 479 In den arabischen wissenschaftlichen Werken wird kein bestimmtes Jahr benannt, in dem der Beginn der Rezeption der deutschen Literatur im arabischen Orient angesetzt werden kann. Aber es ist möglich, das Jahr 1900 als den Anfangspunkt anzunehmen. In diesem Jahr wurde die erste arabische Übersetzung des Theaterstücks von Friedrich Schil-ler unter dem Titel Kabale und Liebe veröffentlicht. Das Merkmal, das die arabischen Übersetzungen deutscher Werke prägt, aus einer anderen europäischen Sprache. Das Eng-lische steht an erster, das Französische an zweiter Stelle. Ein weiteres Problem der Rezep-tion ist die geringe Zahl aktueller Zeitschriften, die übersetzte Texte fremdsprachiger Literaturen veröffentlichen. Die deutschen Schriftstellern wie Lessing, Goethe, Schiller, Thomas Mann, Brecht und Peter Weis sind u.a. schriftstellerische Größen, die ins Arabi-sche hätten übersetzt werden müssen, aber bis heute ist die arabische Rezeption dieser Persönlichkeiten eher unvollständig. 480 Die Migranten haben keine Rolle wie die Autoren in der Zeit von Gibran gespielten. Im Gegenteil zu der Modernisierung der arabischen Literatur hat sich Schami zum Bei-spiel eine Rückkehr zur alten arabischen Erzählkunst gerichtet. Die arabischen Autoren haben außer einigen Namen keine breiten Bekanntheitsgrade entweder in den verschiede-nen Exils, oder in der arabischen Welt. keiner von denen hat den Berühmtheitsgrad, die Gibran in der Vergangenheit gehabt hatte. Das Bekanntheitsgrad der Autoren, die nicht zur Exilautoren gehören wie Adonis, Mahmud Darwisch, Abd al-Rahman Munif, Nagib Machfuz u. a. ist mehr hoch als das Bekanntheitsgrad der gegenwärtigen Autoren im Exil.
241
dass die arabischen Autoren eine Vermittlerrolle in den deutsch-arabischen
Kulturbeziehungen spielen. Sie, die Romanciers, Lyriker, Essayisten und
Übersetzer, bieten auch dem deutschen Lesepublikum die Entwicklungen der
arabischen Region in den 20 und 21 Jahrhundert.
Die erscheinenden Fachzeitschriften wie Lisan, Zenith, Al-Maqam, Alif,
Fikrun wa Fann, Diwan und die auf Englisch erscheinende Banipal tragen
zur Verbreitung der Rezeption arabischer Literatur bei. Insbesondere be-
schäftigen sich diese Zeitschriften in Deutschland mit der aktuellen arabi-
schen Kultur und Literatur. Außerdem spielen elektronische Plattformen in
dem islamisch-deutsch-europäischen Kulturdialog wie Qantara u.a. eine be-
deutende Rolle.
Aktuell ist die Situation etwas besser als zu Ende des 20. Jahrhunderts. Vor-
handene arabische Werke erscheinen Dank der deutschen und schweizeri-
schen Verleger, die den Bekanntheitsgrad namhafter arabischer Schriftsteller
im deutschen Sprachraum fördern. Beispielsweise gibt es heutzutage Hans
Schiler Verlag, Edition Orient Verlag, Donata Kinzelbach Verlag, Union
Verlag, Hanser Verlag, Amman Verlag u.a., die ein Interesse an die arabische
Literatur und Kultur haben. Die deutsche Rezeption arabischer Literatur
steigert sich zunehmend. Jährlich wird eine beträchtliche Menge arabischer
Werke ins Deutsche übersetzt.481
481 Was die Verlage betrifft, haben die schweiße Übersetzern die Aufgabe, die arabische Literatur zu übersetzen, und die meiste Bücher über die arabische Literatur und besonders der Roman kommt von zwei Verleger in Schweiz, Lenos und Union. Seit 1983 beschäftig-te sich Lenos Verlag mit der arabischen Literatur nach dem Betritt der Übersetzer Hartmut Fähndrich zum Lenos Verlag.
242
7 Summary
In this study we expose some aspects of the receipt of the Arab emigration
literature in Germany, and we mean specifically the literature that written by
Arab writers have been living since 1950 in Germany. The subject of this
study covers a wide area of the literary works written by Arab writers and
Arab women writers belong to different Arab countries. Some of them write
in German and others write in Arabic his native Language and these works
are translated into German. These works are various including Poetry, prose,
narrative and cynical literature. The study of the Arab Emigrant literature in
Germany is done according to two aspects. The first is a part of receiving
Arabic literature in Germany since the eighteenth century till today, and the
second trend is placed within the frame of the emergent literature of minori-
ties in Germany since 1950, and here we should take into account the receipt
of Arabic literature according to chronological order including sixties and
seventies where it forms the period of the beginnings of minorities literature,
and then the eighties where it is the period of anthologies and literary clubs.
Also this study involves the impact of the literary prizes to widen the receipt
of minorities’ literature. This study also exposes the problems of receiving
Arabic literature such as the Exotic and folklore. And about the role of the
Arab women writers, this study shows that they present new images from the
Arabic modern community and Arab women today opposite of what a Ger-
man reader expects or knows of the cliché and ready models about the
Arabs.
The focus is in three main chapters on the writers who come from Syria
and publish their works in German language and they are Rafik Shami, Adel
Qara Shuli and Suleiman Tawfiq. As a model of the successful receipt of the
literary product they form literary phenomenon deserves the study. The narr-
ative literature and the stories of thousand and one nights -which known
widely in Germany- plays the main role in receiving the narrative and mytho-
243
logical works of Rafik Shami. The foundations of receiving of his literature
successfully are the sources of his Arabic stories as well as his political books
and stories for children to wide the audience. Also Adel Qara Shuli succeded
since his arrived Germany, except his first poems which are received as a
passionate Arabic poetry, but the following poetry works has received the
interest of German critics and journalists. He presents mystical and philo-
sophical language shocking the German reader who needs to a prior back-
ground knowledge to understand. In addition to that Qara Shuli shows as an
important translator and journalist publishing continually. Also the transla-
tions, selections from Arabic modern literature that Suleiman Tawfiq
presents has been received well, as it provides the German reader a clear idea
of Arabic modern literature and the talent of its writers who had not given
them any translation of their works into German till now. Tawfiq’s receiving
shows as a cultural mediator between the two civilizations and cultures <
Arab and German > more than he is a poet and narrator.
Finally this research leads to a result that the Arabic literature in general
and not only the literature of Arab emigrants in Germany which has gained
the interest of German critics and readers since nineties, the publishing hous-
es and literary magazines in Germany work to provide the best works of
Arabic modern literature to the audience of German readers to remove the
misunderstanding of this literature and not to remain an oriental literature
inheriting stories of thousand and one nights, but a modern literature de-
serves to be read. Research has also shown the role of books by Arab writers
in Germany to clarify the image of modern Arab society and improve the
receipt of the Arabic literature in general.
244
8 Literaturverzeichnis
8.1 Primärliteratur
ALAFENISCH, Salim: Das Kamel mit dem Nasenring. Erzählungen. Zürich:
Unionsverlag. 1990.
ALAFENISCH, Salim: Amira - Prinzessin der Wüste. Illustriert von Sabine Lochmann. Ravensburg: Ravensburger Buchverlag. 1994. ALAIYAN, Halima: Vertreibung aus dem Paradies. Meine lange Flucht aus Palästina. Marion von Schröder Verlag. 2003. 1. Aufl. AL-HILALI, Huda: Von Bagdad nach Basra. Geschichten aus dem Irak. Heidelberg: Palmyra Verlag. 1992. FARHAT-NASER, Sumaya: Thymian und Steine. Hrsg. von Rosmarie Kurz /Chudi Bürgi. Basel: Lenos Verlag. 1996. 4. Aufl. FARHAT-NASER, Sumaya: Verwurzelt im Land der Olivenbäume. Hrsg. von Dorothee Wilhelm/Manuela Reimann/Chudi Bürgi. Basel: Lenos Verlag. 2002. 2.Aufl. KARASHOLI, Adel: Wie Seide aus Damaskus. Gedichte. Berlin: Verlag Volk und Welt. 1968. KARASHOLI, Adel: Umarmung der Meridiane. Gedichte. Halle-Leipzig: Mitteldeutscher Verlag. 1978. 2. veränderte Aufl. 1982. KARASHOLI, Adel: Daheim in der Fremde. Gedichte. Halle-Leipzig: Mit-teldeutscher Verlag. 1984. KARASHOLI, Adel: Wenn Damaskus nicht wäre. Gedichte. München: A1 Verlag. 1992. 2. Aufl. 1993. KARASHOLI, Adel: Also sprach Abdulla.Gedichte. München: A1 Verlag. 1995. NAOUM, Jusuf: Nacht der Phantasie. Der Kaffeehauserzähler Abu al Abed. Frankfurt am Main: Brandes & Apsel. 1994. NAOUM, Jusuf: Nura. Eine Libanesin in Deutschland. Wuppertal: Peter Hammer Verlag. 1996.
245
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lag. 1996.
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8.3 Arabische Literatur
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wa at-taÝarrufu ilaihi wa taÞ×Ðruhu. In: Fikrun wa Fann. Nr. 51. S. 63-73.
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as-sabÝÐn. ÝAdil QarašÙli šÁÝir sÙrÐ Ýa×ara Ýala al-waÔan fÐ al-manfa al-almÁnÐ.
In: al-ÍayÁt Zeitung 12.12.2006.
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8.4 Plattformen in Internet
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http://www.marokko-dabg.de/Migration_Arabische_Migration.html. Besucht
am: 17.11.2006.
EL-WARDY, Haimaa: „’Migration in die Heimat’ Das Werk Rafik Schamis im Kontext der deutschsprachigen Literatur arabischer Schriftsteller in Deutschland.“ In: Trans. Internet Zeitschrift für Kulturwissenschaften. N.15. 2003. http:/www.inst.at/trans/15NR/03_1/elwardy15.htm. Besucht am: 27.11.2007. HEESS, Jutta: Die Fronten aufbrechen. Halima Alayian bringt deutsche, isra-elische und palästinensische jugendliche zusammen. In: Tages Zeitung 2007. http://www.taz.de/zeitung/taznews-verlag/panterpreis/panterpreis-2007/nominierte/nom6/. Besucht am: 04.10.2007. KEEVE, Viola: Purim, Putsch und Pubertät „Durch Bagdad fließt ein dunk-ler Strom“: Mona Yahias Roman einer jüdischen Kindheit im Irak. In: Jüdi-sche Allgemeine. http://www.juedische-allgemeine.de/leobaeck/belletristik/buch-04580.html. Besucht am: 28.08.2007. SCHMIDT-FINK, Ekkehart: interessanten Exoten zu verdächtigen Nach-barn- Arabische Migranten in Deutschland vor und nach dem 11. September. http://www.papyrusmagazin.de/archiv/2002_2003/september/9_10_2002_arabischemigranten.html. Besucht am: 22.10.2006.
264
Versicherung
Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig, nur mit
den angegebenen Hilfsmitteln und ohne fremde Hilfe angefertigt habe.
Berlin, 03.08.2010 Arig Saleh
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