PN 127 - pharmacap.ch
Transcript of PN 127 - pharmacap.ch
THEMENAUSWAHL
Editorial
Mehr oder weniger aufregend
Neuheiten
VALETTE ® 2
Neue Antibabypille
CYSTINOL® 5
Bärentraubenblätter gegen Blasenentzündung
MISODEL® 7
zur Geburtseinleitung
Neuheiten (Fortsetzung)
MIRVASO® 9
und die Therapie der Rosazea
Wissenswertes
Sanddorn 12
Schluckauf 14
In Kürze 16
10/15
Nr. 127
Bild des Monats :
Die Behandlung der Rosazea: Photoshop sei Dank!
© Pharma-News Seite 2 Nr. 127, September 2015
Editorial
ADDYI®
Die Arzneimittelbehörde FDA hat in den USA die Zulassung des Medikaments Flibanserin (ADDYI®)
genehmigt, das den Sexualtrieb bei premenopausalen Frauen steigern soll. Zweimal hatte die FDA
das "Viagra für Frauen" durchfallen lassen, im dritten Anlauf hat die Lustpille nun die Zulassung
erhalten und stellt somit den ersten Wirkstoff dar, der offiziell in dieser Indikation zugelassen
wurde. Die rosa Pille wirkt im Gegensatz zu VIAGRA® weniger auf den Körper als vielmehr auf die
Psyche. Flibanserin ist ursprünglich ein Antidepressivum, das den Spiegel des lusthemmenden
Hormons Serotonin senken soll. Im Gegenzug hebt es die Konzentration von Dopamin und von
Noradrenalin (verantwortlich für die sexuelle Erregung) im Blut an. Allerdings ist ADDYI® nicht
nebenwirkungsfrei und kann zu niedrigem Blutdruck bis hin zum Kreislaufkollaps führen,
besonders wenn das Arzneimittel in Kombination mit Alkohol eingenommen wird. Zu den
häufigsten unerwünschten Wirkungen gehören ausserdem Schwindel, Müdigkeit, Schläfrigkeit,
Übelkeit, Schlafstörungen und Mundtrockenheit. Fraglich ist also, ob dieses Arzneimittel wirklich
DIE Lösung gegen Libidoverlust bei Frauen darstellt!
Viel Spass beim Lesen!
Jérôme Berger Pierre Bossert Marie-Théreèse
Guanter Germanier
Anne-Laure Guntern Séverine Huguenin Elodie Resenterra
Martine Ruggli
Neuheiten
VALETTE®
VALETTE® ist das erste einphasige orale
Kontrazeptivum mit dem Gelbkörperhor-
mon Dienogest und dem Östrogen Ethinyl-
estradiol, das in der Schweiz erhältlich ist.
In Deutschland ist das hormonale Kombina-
tionspräparat zur Schwangerschaftverhü-
tung allerdings schon seit zehn Jahren auf
dem Markt.1
Zur Erinnerung: Kombinierte Verhütungs-
pillen, also solche mit Östrogen und Proges-
1 Bayer, information scientifique VALETTE
© Pharma-News Seite 3 Nr. 127, September 2015
teron sind als Ein- oder Mehrphasenpillen erhältlich:2
• Einphasenpillen: sind die häufigsten und enthalten eine Kombination von Östrogen (meist
Ethinylestradiol) und Gestagen in konstanter Dosierung. Sie werden während 21, 22 oder 24
aufeinander folgenden Tagen eingenommen. Darauf folgt eine entsprechende Pause von 7, 6
oder 4 Tagen, wobei entweder eine Placebotablette oder keine Tablette eingenommen wird.
Während dieser Pause tritt die sogenannte Abbruchblutung ein (Menstruation).
• Mehrphasenpillen (Sequentialpräparate): in der Schweiz sind nur drei solche Präparate
erhältlich. Sie enthalten unterschiedliche Östrogen- und Gestagendosierungen in zwei, drei
oder vier Phasen des Zyklus (angepasst an den Hormonspiegel im normalen Menstruations-
zyklus):
o Zweiphasen-Präparat: GRACIAL®, 22 Tabletten, sechstägigeEinnahmepause
o Dreiphasen-Präparat: MILVANE®, 21 Tabletten, siebentägige Einnahmepause
o Vierphasen-Präparat: QLAIRA®, 26 wirkstoffhaltige Tabletten, zwei Placebotabletten, keine
Pause (durchgehende Einnahme)
Bis jetzt gab es in der Schweiz nur eine Verhütungspille mit dem Gestagen Dienogest, allerdings als
Vierphasen-Präparat, d.h. mit vier verschiedenen Hormondosierungen in einem Zyklusstreifen.
Dabei handelt es sich um QLAIRA®, das wie VALETTE® vom Hersteller Bayer produziert wird (siehe
PN Nr. 71 vom Februar 2010).
Dienogest gehört wie Cyproteron (enthalten u.a. in DIANE 35® und Generika), Chlormadinon
(enthalten z.B. in BELARA®) und Drospirenon (enthalten z.B. in YASMIN®) zu den Gestagenen mit
antiandrogener Partialwirkung durch Blockade des Androgenrezeptors. Gemäss Hersteller soll die
antiandrogene Wirkung von Dienogest ca. 40% der antiandrogenen Wirkung von Cyproteron
entsprechen und leicht höher sein als diejenige von Drospirenon und Chlormadinon.
Aufgrund seiner antiandrogenen Wirkung kann VALETTE® also Frauen mit Akne oder Hirsutismus
als orales Kontrazeptivum empfohlen werden. Allerdings ist VALETTE® offiziell ausschliesslich als
orales Verhütungsmittel zugelassen - im Gegensatz zu DIANE-35®, MINERVA® oder FEMINAC®,
deren Hauptindikation die Behandlung mässig schwerer bis schwerer Akne aufgrund von
Androgenempfindlichkeit und/oder Hirsutismus bei Patientinnen im gebärfähigen Alter ist (und
die nur nebenbei verhütend wirken).
Dienogest soll besonders gegen die Proliferation des Endometriums wirken und dadurch die
Menge und Dauer der Menstruationsblutung sowie die damit verbundenen Schmerzen reduzieren.
In VISANNE® ist Dienogest als Monosubstanz sogar zur Behandlung der Endometriose zugelassen.
In folgender Tabelle finden Sie eine Zusammenfassung der Unterschiede zwischen VALETTE® und
QLAIRA®. Dabei scheint die positive Wirkung von Dienogest auf das Endometrium in der
Kombination mit Estradiolvalerat (wie in QLAIRA®) stärker zu sein als in der Kombination mit
Ethinylestradiol wie in VALETTE®.1
Das in VALETTE® enthaltene Östrogen ist
Ethinylestradiol, ein synthetisches Derivat,
das in zahlreichen hormonalen Verhütungs-
mitteln als östrogene Komponente in Fix-
kombination mit einem Gestagen enthalten
ist. Im Vergleich zum Estradiolvalerat von
QLAIRA® ist die Anwendung dieses Östro-
gens deutlich besser dokumentiert.
2 pharManuel 2015, p. 32-44
Wer mehr wissen möchte…
Als Androgene bezeichnet man synthetische oder natürliche
Hormone, die die Entwicklung der männlichen Geschlechts-
merkmale steuern. Die Androgene werden in der Nebennieren-
rinde und im Hoden gebildet. Strukturell handelt es sich um
Steroidhormone, die ihre Wirkung über intrazelluläre Androgen-
Rezeptoren entfalten. Das wichtigste Androgen ist das Testo-
steron. Auch bei Frauen werden Androgene in kleinen Mengen im
Eierstock produziert. Diese Hormone stimulieren u.a. die
Talgdrüsen, erhöhen somit die Talgproduktion und können Akne
verursachen. Androgene sind besonders in der Adoleszenz aktiv,
was die hohe Prävalenz der Akne in dieser Lebensphase erklärt.
Die antiandrogene Wirkung einzelner oraler Kontrazeptiva kann
bei zahlreichen jungen Frauen nebst einer zuverlässigen Verhü-
tung eine Verbesserung des Hautbildes bewirken.
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VALETTE® QLAIRA®
Gestagen Dienogest (DNG)
Östrogen Ethinylestradiol (EE) Estradiolvalerat (EV)
Dosierung Einphasen-Präparate
Tag 1-21: 2 mg DNG, 0.03 mg EE
Vierphasen-Präparat
Tag 1-2: 3 mg EV
Tag 3-7: 2 mg DNG, 2 mg EV
Tag 8-24: 3 mg DNG, 2 mg EV
Tag 25-26: 1mg EV
Tag 27-28: Placebo
Einnahme Mit Pause: 1 Blisterpackung mit 21 Tabletten
während 3 Wochen, dann 1 Woche Pause.
Kontinuierlich: 28 Tabletten, darunter 2 Placebo ;
die neue Blisterpackung wird ohne Pause am Tag
nach der Einnahme der letzten Tablette der
vorherigen Packung begonnen
Vorteile Einfacheres Vorgehen bei vergessener
Einnahme, Möglichkeit die
Menstruationsblutung zu verschieben
Geringe Proliferation des Endometriums =>
Menstruationsblutungen sind schwach oder
bleiben aus (bei 20% der Anwenderinnen).
Stabilerer Östrogenspiegel => evtl. weniger
Kopfschmerzen, Blähungen und
Menstruationsschmerzen
Nachteile Stärkere Proliferation des Endometriums =>
stärkere Menstruationsblutungen
Verschiebung der Abbruchsblutung nicht möglich.
Erhöhtes Fehlerrisiko bei der Einnahme.3
Die Anwendung von VALETTE® entspricht der aller monophasischen oralen Kontrazeptiva wie z.B.
GYNERA®, MARVELON® oder YASMIN®…
Ein Zyklusstreifen enthält 21 weisse Dragées, welche in der auf der Packung angegebenen Reihen-
folge jeweils täglich möglichst zur gleichen Tageszeit eingenommen werden (wobei Verschiebun-
gen bis zu zwölf Stunden toleriert werden, siehe Vorgehen bei vergessener Tablette weiter unten).
Nach einem siebentägigen einnahmefreien Intervall, in welchem normalerweise eine Entzugsblu-
tung auftritt, wird eine neue Packung begonnen.
Frauen, die im letzten Monat keine hormonalen Kontrazeptiva angewendet haben, beginnen am
ersten Zyklustag (also am ersten Tag der Menstruation) mit der Einnahme. Der Schutz tritt dann
sofort ein. Wird erst am zweiten bis fünften Tag des Zyklus mit der Einnahme begonnen oder ist
der erste Zyklustag nicht eindeutig bestimmbar, sollte während der ersten sieben Tage der
Einnahme des ersten Zyklus zusätzlich eine nicht-hormonale Kontrazeptionsmethode angewendet
werden.1
Das Vorgehen bei vergessener Tablette ist dasselbe wie bei allen monophasischen oralen
Kontrazeptiva und deutlich einfacher als mit QLAIRA®: Wird innerhalb von 12 Stunden bemerkt,
dass die Einnahme des Dragées zum üblichen Zeitpunkt vergessen wurde, soll die Einnahme sofort
nachgeholt werden. Die folgenden Dragées sind wieder zur gewohnten Tageszeit einzunehmen.
Der kontrazeptive Schutz wird dann nicht beeinträchtigt.
Wird die Einnahme mehr als zwölf Stunden über den üblichen Zeitpunkt hinaus vergessen, ist der
kontrazeptive Schutz möglicherweise vermindert. Die zu ergreifenden Massnahmen sind in der
Packungsbeilage und in der Monographie (einsehbar unter www.swissmedicinfo.ch) genau
beschrieben.
Wie mit allen anderen Einphasen-Pillen ist eine Verschiebung der Menstruation möglich. Zur
3 arznei-telegramm 2009 ; 40 (7), p. 62
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Verlängerung des Zyklus ist die Einnahme ohne einnahmefreies Intervall mit der nächsten Packung
fortzusetzen. Dabei kann die Menstruation so lange wie gewünscht, aber längstens bis zum Ende
der zweiten Packung hinausgezögert werden. Während der Verlängerung kann es zu Schmier-
oder Durchbruchsblutungen kommen. Die reguläre Einnahme von VALETTE® wird nach der
üblichen siebentägigen Einnahmepause wieder aufgenommen. Der Beginn der Menstruation kann
auf einen anderen Wochentag verschoben werden, indem das einnahmefreie Intervall um so viele
Tage wie gewünscht verkürzt wird. Je kürzer die einnahmefreie Phase ist, desto
unwahrscheinlicher kommt es zu einer Entzugsblutung, bzw. desto häufiger treten während der
Einnahme der nächsten Packung Schmier-
und Durchbruchsblutungen auf.
Auch bei den unerwünschten Wirkungen
unterscheidet sich VALETTE® nicht von den
anderen oralen Kontrazeptiva. Am
häufigsten treten Kopfschmerzen und
Brustspannen auf. Was das thromboem-
bolische Risiko von Dienogest im Vergleich
zu den anderen Gestagen anbelangt, ist es
verfrüht, eine Aussage zu machen.1 Auf
jeden Fall ist Vorsicht geboten und die Patientin über Risiken, Alarmzeichen (siehe pharManuel
2015, Kapitel über Kontrazeptiva und Alarmzeichen) sowie ggf. über die Notwendigkeit eines
Rauchstopps zu informieren. Weitere Details über das thromboembolische Risiko von
Verhütungspillen finden Sie auch in den PN Nr. 92 vom April 2012.
VALETTE® - wichtig für die Beratung:
� Einphasisches orales Verhütungspräparat mit dem Östrogen Ethinylestradiol und dem
Gestagen Dienogenest. Dienogenest ist auch in der Vierphasen-Antibabypille QLAIRA®
enthalten und als Monosubstanz in VISANNE® zur Behandlung der Endometriose erhältlich.
� Das Vorgehen bei Vergessen einer Tablette ist einfacher als mit QLAIRA®; eine
Verschiebung der Menstruation ist möglich
� Aufgrund seiner antiandrogenen Wirkung kann sich das Verhütungsmittel positiv auf eine
Akne auswirken
CYSTINOL® (Trockenextrakt aus
Bärentraubenblättern)
Ein neues Arzneimittel mit Bärentraubenblätterextrakt
ist in der Schweiz unter dem Namen CYSTINOL® erhält-
lich, zugelassen zur Behandlung von Beschwerden bei
leichten, auch wiederkehrenden Infektionen der unte-
ren Harnwege (Cystitis) wie z.B. Brennen beim Wasser-
lassen und/oder häufigem Harndrang. CYSTINOL ist
aber nicht das einzige Präparat mit Bärentrauben-
blätterextrakt, das als Arzneimittel in dieser Indikation
registriert ist. Es gibt viele davon, wie z.B. ARKOCAPS
Bärentraube®, SIDROGA Bärentraubenblätter, PHYTO-
PHARMA Blasendragées®, usw…4
4 www.swissmedicinfo.ch
Wussten Sie das?
Das Gestagen Dienogest ist auch als Monosubstanz (also nicht in
Kombination mit einem Östrogen) in der Schweiz zur Behandlung
der Endometriose zugelassen. VISANNE® heisst das Präparat mit
2mg Dienogest (siehe PN Nr. 84 vom Juni 2011). Die Tabletten
müssen kontinuierlich eingenommen werden, unabhängig von evtl.
vaginalen Blutungen. Nach Beendigung einer Packung wird ohne
Einnahmepause sofort mit der Einnahme der Tabletten aus der
nächsten Packung begonnen. VISANNE® darf nicht als orales
Kontrazeptivum angewendet werden, da seine Wirksamkeit in
dieser Indikation nicht geprüft wurde.
© Pharma-News Seite 6 Nr. 127, September 2015
Bärentraubenblätter (auch Arctostaphylos uva-ursi)
werden traditionell zur Behandlung von Harnwegs-
infektionen angewendet. Zu den wichtigsten wirksam-
keitsbestimmenden Inhaltsstoffen der Bärentrauben-
blätter gehören Hydrochinonglykoside (mind. 6%) mit
ihren Hauptbestandteilen, dem Arbutin und Methyl-
arbutin. Sie wirken gegen viele gramnegative Bakterien.
Damit speziell das Arbutin seine volle Wirkung entfalten
kann, sollte der Harn allerdings alkalisch sein.5 Gemäss
dem Hersteller von CYSTINOL® sollen in vitro Studien die
harndesinfizierende Wirkung des Präparats belegen. Es
gibt allerdings keine einzige Studie, welche die klinische Wirksamkeit von Bärentraubenblättern
zur Behandlung von Harnwegsinfekten untermauern würde. Die Anwendung beruht also auf
Erfahrung und Tradition und wurde nie wissenschaftlich bestätigt.4,5 In diesem Zusammenhang ist
also schwer zu sagen, ob diese Art von Präparaten wirklich wirksam ist.
Die Dosierung von CYSTINOL® beträgt zwei Tabletten dreimal täglich nach dem Essen, mit reichlich
Flüssigkeit, vorzugsweise Wasser, während maximal einer Woche. Eine braun-grünliche Verfär-
bung des Urins kann während der Behandlung auftreten. Das Arzneimittel ist ausschliesslich bei
erwachsenen Frauen zugelassen (in der Regel werden Antibiotika eingesetzt). Harnwegs-
beschwerden von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren sowie männlichen Erwachsenen
gelten grundsätzlich als kompliziert und sollten mangels Daten zur Unbedenklichkeit bei diesen
Personengruppen nicht angewendet werden. Aus demselben Grund wird CYSTINOL® auch nicht in
der Schwangerschaft und Stillzeit empfohlen.4
Akute Blasenentzündung (Cystitis) bei gesunden nicht-
schwangeren Frau über 15 Jahren verlaufen unkompliziert. In
allen anderen Fällen wird eine ärztliche Abklärung empfoh-
len, insbesondere bei vorliegenden Krankheiten, welche die
Infektion begünstigen, wie z.B. Diabetes oder Immunsuppres-
sion. Zu den typischen, noch als „unkompliziert“ geltenden
Symptomen gehören eine schmerzhafte, häufige und erschwerte Harnentleerung, ein starker
Harndrang und Unterbauchschmerzen, kein vaginaler Juckreiz oder Ausfluss. Tritt Blut im Harn
auf, sollte die Patientin ärztlich untersucht werden.
Eine unkomplizierte akute Cystitis heilt bei 25 bis 60 % der Frauen ohne Antibiotika aus. Die
wichtigste Komplikation bei Fortschreiten der aufsteigenden Infektion ist die Pyelonephritis
(Nierenbeckenentzündung). Sie wird bei folgenden Symptomen vermutet: Fieber, Schüttelfrost,
schlechter Allgemeinzustand, Übelkeit, Flankenschmerzen, ggf. Rückenschmerzen. In diesem Fall
ist notfallmässig ein Arzt aufzusuchen.
Eine unkomplizierte akute Cystitis wird in der Regel mit
Antibiotika behandelt, um das Wohlbefinden der Patientin
möglichst schnell zu verbessern und eine Pyelonephritis zu
verhindern. Häufig kommen Nitrofurantoin (FURADAN-
TIN® oder UVAMIN®) Fosfomycin (MONURIL®) oder Cotri-
moxazol (BACTRIM®, NOPIL®) zum Einsatz. Angesichts der
steigenden Gefahr der Antibiotikaresistenz und des in der
Regel gutartigen Verlaufs von unkomplizierten Harnwegs-
5 www.passportsante.net
Man könnte versucht sein Bärentraubenblätter
mit Cranberry (grossfrüchtige Moosbeere) zu
vergleichen. Im Gegensatz zu Bärentrauben-
blättern scheint Cranberry aber hauptsächlich
zur Prävention und nicht für die Therapie von
Harnwegsinfekten nützlich zu sein (vgl. PN Nr.
76 vom August 2010, Artikel über MONURELLE®
Cranberry). Zur Erinnerung, die Ergebnisse der
verschiedenen Studien zur Wirksamkeit von
Cranberry fallen sehr unterschiedlich aus. Die
aktuelle Datenlage rechtfertigt also nicht den
Einsatz von Cranberry zur Rezidivprophylaxe
beim Harnwegsinfekt.5,6
Bei Harnwegsinfekten in der Schwanger-
schaft kommen Arzneimittel zum Einsatz,
deren Wirksamkeit und Sicherheit als ein-
deutig belegt gelten wie z.B. Co-Amoxicil-
lin (AUGMENTIN® und Generika) oder (z.B.
bei Penicillin-Allergie) Nitrofurantoin (FU-
RADANTIN® oder UVAMIN®).
© Pharma-News Seite 7 Nr. 127, September 2015
infekten werden antibiotikafreie Strategien immer mehr befürwortet (z.B. Phytotherapie,
Homöopathie usw.).6
In diesem Sinne haben pflanzliche Harnwegspräparate wie z.B. CYSTINOL® einen Stellenwert in der
Behandlung von unkomplizierten Harnwegsinfekten, wenn eine antibiotikafreie Strategie vom
behandelnden Arzt oder beim Fehlen von Alarmzeichen bei der Patientin gewählt wurde.
CYSTINOL® - wichtig für die Beratung:
� Neues Arzneimittel mit Bärentraubenblätterextrakt zur Linderung der Beschwerden bei
leichten, auch wiederkehrenden Infektionen der unteren Harnwege (Cystitis) wie z.B. Bren-
nen beim Wasserlassen und/oder häufigem Harndrang
� Die klinische Wirksamkeit der Bärentraubenblätter wurde nicht wissenschaftlich belegt
� Nicht zu verwechseln mit Cranberry (Moosbeere), die prophylaktisch eingesetzt wird
� Empfohlene Dosierung: zwei Tabletten dreimal täglich während maximal einer Woche
� Vorsicht: Alarmzeichen wie z.B. Blut im Harn oder Symptome, die eine Pyelonephritis ver-
muten lassen, unbedingt bei der Beratung beachten
MISODEL® (Misoprostol)
Unter dem Namen MISODEL® wurde ein neues Präpa-
rat mit Misoprostol in der Schweiz zugelassen, welches
bis anhin nur als Monosubstanz in CYTOTEC® oder als
Fixkombination mit Diclofenac in ARTHROTEC®
erhältlich war. Offiziell registriert war Misoprostol bis
jetzt nur zur Anwendung in der Gastroenterologie für
die Behandlung von Magen- und Zwölffingerdarm-
geschwüren und zur Vorbeugung von gastroduodena-
len Ulzera bei Patienten, welche aufgrund schwerer
Formen von Osteoarthritis oder chronischer Polyarthri-
tis unter Dauerbehandlung mit nicht-steroidalen Ent-
zündungshemmern (z.B. BRUFEN® und Generika, VOL-
TAREN® und Generika) stehen.
Misoprostol wird aber auch in der Gynäkologie breit
angewendet und MISODEL® wurde zu diesem Zweck mit folgender Indikation zugelassen: Geburts-
einleitung (d.h. Zervixreifung und Weheninduktion) bei Frauen ab der vollendeten 36. Schwanger-
schaftswoche.7
Wirkung und Indikation von Misoprostol in der Gastroenterologie und Gynäkologie
Misoprostol ist ein synthetisches Prostaglandin-E-Analog1 (PGE1). Im Magen-Darm-Bereich schützt
Prostaglandin E1 die Schleimhaut, hemmt die Säureproduktion und wirkt somit antiulzerös. In der
Geburtshilfe und Gynäkologie führt Prostaglandin E1 zu einer Erweichung der Zervix und löst am
Uterus Kontraktionen aus.
Deswegen wird der Wirkstoff neben der Geburtseinleitung auch für die Abortinduktion (z.B. bei
Fehlgeburten oder bei erwünschtem Schwangerschaftsabbruch oder vor gynäkologischen oder
6 pharmaSuisse, Cercles de qualité 2014, Antibiotiques 7 www.swissmedicinfo.ch
© Pharma-News Seite 8 Nr. 127, September 2015
geburtshilflichen Eingriffen sowie bei postpartalen Blutungen eingesetzt.8 Ausserhalb dieser
Indikationen ist Misoprostol aber gerade wegen seiner Wirkung auf die Zervix und den Uterus in
der Schwangerschaft absolut kontraindiziert.
Anwendung von Misoprostol zur Geburtseinleitung weiterhin kontrovers:
Obwohl in zahlreichen Studien die Wirksamkeit und die Sicherheit von Misoprostol in geburtshilf-
lichen und gynäkologischen Anwendungsgebieten nachgewiesen werden konnte, war der Wirk-
stoff bis jetzt nicht für diese Indikationen in der Schweiz offiziell registriert und wurde „off-label“
eingesetzt.9
Auf Anfrage der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft Perinatale Pharmakologie (SAPP) wurde
eine Indikationserweiterung für die geburtshilfliche Anwendung erreicht. Misoprostol ist nun
offiziell für diese Indikation registriert und als entfernbares vaginales Misoprostol-Freisetzungs-
system (Vaginal-Insert) in MISODEL® erhältlich. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass die
französische nationale Arzneimittelsicherheitsbehörde ANSM vor den Risiken einer Anwendung
von Misoprostol in der Geburtshilfe gewarnt hat. Für die französische Arzneimittelbehörde HAS
hat Misoprostol keinen Stellenwert in der Geburtshilfe.10,11,12
Risiken von Misoprostol
Die Risiken von Misoprostol sind hauptsächlich kardiovaskulärer Natur. Verschiedene gravierende
Fälle von Myokardinfarkt, Angina pectoris und Hirnschlag wurden registriert. Das Risiko hängt von
der Dosierung und der Applikation ab. Wird Misoprostol vaginal verabreicht, was häufig in der
Gynäkologie vorkommt, ist die Bioverfügbarkeit im Vergleich zur oralen Applikation erhöht - und
folglich auch das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse. Das Risiko hängt aber auch von der
Patientin ab: Adipositas, Rauchen und ein Alter über 35 Jahre wirken sich nachteilig aus.2
MISODEL®
Die Indikation von MISODEL® ist genau definiert: Geburtseinleitung (d.h. Zervixreifung und
Weheninduktion) bei Frauen ab der vollendeten 36. Schwangerschaftswoche mit unreifer Zervix,
bei welchen aufgrund einer mütterlichen Erkrankung oder einer foetalen Störung eine möglichst
rasche Entbindung angestrebt werden muss.
MISODEL® ist als Vaginal-Insert erhältlich mit 200 µg Misoprostol, welches über 24 Stunden
durchschnittlich 7 µg / h freisetzt. Es muss unmittelbar bis zur Anwendung tiefgekühlt (unterhalb
von -15°C) gelagert werden. Gemäss Packungsbeilage darf das Präparat nur von geburtshilflich
geschultem Personal in Kliniken mit voll eingerichteten geburtshilflichen Abteilungen und intensiv-
medizinischen Einrichtungen unter entsprechender fachärztlicher Aufsicht verwendet werden. Es
ist also kein Präparat, das Patientinnen in der Apotheke am Ladentisch abgegeben wird. Die
Auswirkung dieses neuen Arzneimittels auf die Verschreibung von CYTOTEC® bleibt zu beobach-
ten.
8 Revue médicale suisse, 2005, N®40, T. Warkus, A. Denys, P. Hohlfeld, S. Gerber, Prise en charge de l’hémorragie
post-partum 9 Revue prescrire Février 2015 / Tome 35 n° 376, page 109 10
Société suisse de Gynécologie et d’Obstétrique, Lettre d’experts N®38, Juin 2011 11 www.ansm.sante.fr 12
www.has-sante.fr/portail/jcms/c_2008308/fr/misodel-misoprostol-prostaglandine-uterotonique
Prostaglandine:
Prostaglandine sind eine Gruppe von Gewebehormonen, die mit Hilfe von Cycloxygenasen aus der Arachidonsäure entstehen. Es
gibt sehr viele Prostaglandine, die an verschiedenen wichtigen und z. T. entgegengesetzten physiologischen Prozessen beteiligt
sind. Ihre Wirkung hängt hauptsächlich vom Organ, in dem sie produziert werden, und von ihrer Konzentration ab. So können
einige Prostaglandine je nach Konzentration gefässerweiternd oder gefässverengend wirken. In einzelnen Organen verursachen
sie eine Dilatation, in anderen eine Kontraktion.9
© Pharma-News Seite 9 Nr. 127, September 2015
CYTOTEC® bei gebärfähigen Frauen
In der Gastroenterologie wurde Misoprostol durch die Protonenpumpenhemmer verdrängt und
wird kaum noch zur Behandlung oder Vorbeugung von gastroduodenalen Ulzera angewendet. Da
die Anwendung von Misoprostol mit Geburtsdefekten assoziiert wurde, muss das Präparat bei
voraussichtlicher Schwangerschaft abgesetzt werden. Tritt unter Einnahme von CYTOTEC® eine
Schwangerschaft auf, muss das Präparat sofort abgesetzt und die Schwangerschaftsüberwachung
verstärkt werden.13
MISODEL® - wichtig für die Beratung:
� Die Indikation zur Geburtseinleitung ab der vollendeten 36. Schwangerschaftswoche wurde
nun offiziell in der Schweiz zugelassen
� In dieser Indikation ist Misoprostol neu unter dem Namen MISODEL® als Vaginal-Insert
erhältlich, darf allerdings nur von geburtshilflich geschultem Personal in Kliniken mit voll
eingerichteten geburtshilflichen Abteilungen angewendet werden
� Misoprostol hat ausserdem eine antiulzeröse Wirkung und ist seit längerem zur Behand-
lung und Vorbeugung von gastroduodenalen Ulzera als Tablette in CYTOTEC® erhältlich
� Die Anwendung von Misoprostol wurde mit Geburtsdefekten assoziiert. Bei der Abgabe von
CYTOTEC® für gastroenterologische Zwecke (immer seltener) gilt es abzuklären, ob die
Patientin schwanger ist oder eine Schwangerschaft plant.
ROSAZEA
Diese Hautkrankheit hat einen hübschen
Namen, ist für die Betroffenen aber oft
sehr belastend - aufgrund ihrer Sympto-
me, ihrer Lokalisation im Gesicht und
auch der mit ihr verbundenen Vorurteile:
die Hautkrankheit Rosazea (auch Acne
Rosazea, Couperose, Gesichtsrose, Kup-
ferfinne, Kupferrose oder Rosacea ge-
nannt). In diesem Artikel widmen wir uns
der Pathologie und Therapie dieser Haut-
erkrankung und schauen uns vor allem
das neue Arzneimittel MIRVASO® an, das
zur symptomatischen Behandlung des
Gesichtserythems bei Rosazea indiziert ist.
Rosazea ist eine häufige chronisch entzündliche Hauterkrankung, die schubweise verläuft und vor
allem das Gesicht betrifft. Die Patienten haben stark gerötete Wangen und sind, ähnlich wie bei
der Akne, teils mit Pusteln, Papeln und Pickeln übersät. Doch während die Akne meist Jugendliche
befällt, tritt die Rosazea typischerweise erst im Erwachsenenalter zwischen 30 und 50 Jahren auf.
Selten können auch Kinder und Jugendliche betroffen sein. Hellhäutige Menschen (keltischer und
nordischer Hauttyp) erkranken häufiger. 14 Frauen sind häufiger betroffen als Männer (im
Verhältnis 3:1), bei Männern treten aber häufiger schwere chronische Formen auf. Die durch
Hautverdickungen bedingte „Knollennase“ (Rhinophym) wird fast ausschliesslich bei Männern
beobachtet. Die Ursachen dieser chronisch-entzündlichen, nicht-infektiösen und gutartigen
13
www.lecrat.org 14
La revue Prescrire, infos-patients 2013: „la rosacée une affection courante de la peau du visage“
© Pharma-News Seite 10 Nr. 127, September 2015
Erkrankung sind letztlich immer noch nicht aufgeklärt. Die Hautärzte gehen von einer Durchblu-
tungsstörung der Gefässe im Gesichtsbereich aus. Diese wird durch innere und äussere Reize
verstärkt.
Zu Beginn treten flüchtige Hautrötungen mit Hitzegefühl („Flushs“) auf, die häufig durch
Emotionen, heisse Getränke oder Alkohol hervorgerufen werden. Später entwickeln sich
persistierende Ödeme, Telangiektasien (sichtbare Erweiterungen oberflächlich gelegener kleinster
Blutgefässe (z.B. Kapillaren) von Haut und Schleimhaut) und schubweise ausbrechende Papeln
(Knötchen) und Pusteln (Eiterbläschen). In schwersten Fällen entstehen granulomartige Gewebe-
hyperplasien, Pusteln mit Hyperkeratose oder abszessartige, hämorrhagische Knoten (Rosacea
conglobata). Durch Wucherung des Bindegewebes und Hyperplasien der Talgdrüsenfollikel im
Bereich der Nase kann ein Rhinophym entstehen. Das Rhinophym wird manchmal als „Säufernase“
bezeichnet. Diese Stigmatisierung belastet die Betroffenen oftmals sehr und ist nicht fundiert,
denn Rosazea wird nicht durch einen übermässigen Alkoholkonsum ausgelöst.
Einige Patienten haben eine Seborrhoe, einige weisen eine trockene Schuppung der Haut auf. Die
Seborrhoe spielt aber keine Rolle in der Pathogenese der Rosazea. An den Augen können die
Follikel der Zilien mitbetroffen sein, was zu Konjunktivitis oder Blepharitis führt (Ophthalmo-
Rosazea). Keratitis und Iritis sind selten. Auch an der Bindehaut kann es zu Gefässerweiterungen
kommen.15,16
Die Rosazea, früher wegen der vermeintlichen Verwandtschaft mit der Acne vulgaris auch Acne
rosacea genannt, wird manchmal mit Akne verwechselt.14 Einige Kriterien helfen aber, eine Rosa-
zea von einer Akne abzugrenzen. Im Gegensatz zur Akne ist die Rosazea gekennzeichnet durch:17
- das Fehlen von Komedonen (auch Mitesser, erweiterte Haarfollikel, die mit Talg, Hornsubstanz
(Keratin) und oft auch mit Bakterien gefüllt sind)
- eine sichtbare Erweiterungen kleinster Blutgefässe im Gesicht
- eine gering ausgeprägte Seborrhö
- bei der Rosazea ist ausschliesslich das Gesicht betroffen, bei der Akne können auch Rücken und
Brust befallen sein
- das Alter der Betroffenen: Akne befällt meist Jugendliche, die Rosazea tritt hingegen erst im
Erwachsenenalter auf, in der Regel zwischen 30 und 50 Jahren
Rosazea-Patienten weisen eine Hyperreaktivität der Blutgefässe im Gesichtsbreich auf. Verschie-
dene Reize können einen akuten Schub der Rosazea auslösen, darunter:
• UV-Strahlen (Sonnenexposition)
• irritierenden Produkte, die Seifen, Alkohole, Menthol, Kampfer, Peelings, usw. enthalten
• Stress
• Faktoren, die gefässerweiternd wirken, wie z.B. Kaffee, Alkohol, heisse Getränke, stark gewürz-
te Speisen, Saunabesuche, usw.
• Hormonelle Faktoren im Zusammenhang mit der Menopause (z.B. Hitzewallungen)
• Langfristige Anwendung topischer Kortikoide, die eine Rosazea unterhalten kann.18
Die Rosazea verläuft in der Regel gutartig und bringt hauptsächlich kosmetische Probleme mit sich.
Bei vier von zehn Betroffenen heilt sie spontan und unabhängig von jeder Therapie in der Regel
nach mehreren Jahren ab.5 Da es keine Behandlungsmöglichkeit gibt, die eine definitive Heilung
der Rosazea garantiert, ist es das Ziel der medikamentösen Therapie, die Symptome zu vermin-
dern, um das Hautbild zu verbessern und das Komplikationsrisiko zu minimieren.19
15
www.planetesante.ch: la rosacée 2014 16
Checkliste Dermatologie: 5. Auflage (2005): Thieme Verlag, Stuttgart: 540-542 17 AWMF Online : Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft : 12/2008 ; Rosazea 18
La revue Prescrire, idées-force 2013: „rosacée en bref“ 19
La revue Prescrire 2013: idées-forces: rosacée: traitement
© Pharma-News Seite 11 Nr. 127, September 2015
Die Behandlung besteht zunächst aus topischen Präparaten (Gel oder Crème) mit Metronidazol
(ROSALOX® oder ROZEX®) oder Azelainsäure (SKINOREN®, allerdings nicht offiziell für diese Indika-
tion zugelassen). Beide Arzneimittel sind antibakteriell wirksam und weisen einen entzündungs-
hemmenden Effekt auf, welcher die Rötung, die Pusteln und Papeln günstig beeinflusst, sie kön-
nen aber die Haut austrocknen und Juckreiz verursachen.16,19
Bei unzureichender Wirkung oder wenn die unerwünschten Wirkungen übermässig stören, kann
eine orale Therapie mit Doxycyclin versucht werden. Das Präparat ORACEA® mit 40 mg Doxycyclin
ist zugelassen zur Behandlung der Rosazea. Zur Behandlung der Akne wird Doxycyclin mit 50 mg
dosiert (z.B. in VIBRAMYCIN AKNE®). Doxycyclin wirkt auch gegen die Augensymptome der Rosa-
zea.19 Leider haben diese Therapien nur wenig Einfluss auf die Telangiektasien. Diese stark erwei-
terten Kapillargefässe sind aber verantwortlich für ein sehr unangenehmes brennendes Gefühl.
MIRVASO® Gel ist seit 2014 in der Schweiz zur symptomatischen Behandlung des Gesichts-
erythems bei Rosazea zugelassen. MIRVASO® enthält den Alpha-2-Adrenorezeptorantagonisten
Brimonidin, ein Wirkstoff der bereits als Augentropfen (ALPHAGAN® u.a.) zur Behandlung des
erhöhten Augeninnendrucks bei Patienten mit Grünem Star bekannt war.20 Brimonidin reduziert
die Rosazea-bedingten Rötungen durch direkte kutane Vasokonstriktion.21 Die Wirkung hält 10 bis
12 Stunden an.
Die Wirksamkeit von MIRVASO® Gel in der Behandlung von mittelschwerem bis schwerem fazia-
lem, durch Rosazea ausgelöstem Erythem wurde bei über 500 Probanden mit Trägerstoff (Vehikel)
überprüft: Nach vier Behandlungswochen fanden 69% der mit MIRVASO® behandelten Probanden
eine Verbesserung ihrer Symptome gegenüber 38% in der Kontrollgruppe, die mit dem Trägerstoff
alleine behandelt wurden. Allerdings meldeten 10% der Probanden unter MIRVASO® eine Ver-
schlechterung ihres Hautzustands. In der Kontrollgruppe waren es nur 4%.19,20 Für die Patienten,
die auf die Therapie ansprechen, stellt die langanhaltende Wirksamkeit einen klaren Vorteil dar
und ermöglicht ihnen ein Teilhaben am Sozial- und Berufsleben, ohne dauernd kritische Blicke auf
sich zu ziehen.
Es liegen zwar keine Daten aus vergleichenden klinischen Studien mit oder ohne gleichzeitige
Anwendung anderer topischer Präparate zur Behandlung von Rosazea vor, jedoch deuten die
Ergebnisse einer offenen Langzeitsicherheitsstudie darauf hin, dass MIRVASO® gleichzeitig mit
anderen topischen Arzneimitteln zur Behandlung von entzündlichen Läsionen der Rosazea und mit
Kosmetika angewendet werden kann. Solche Produkte sollten nicht unmittelbar vor der täglichen
Anwendung von MIRVASO® aufgetragen werden, sondern erst, nachdem das aufgetragene
MIRVASO® Gel getrocknet ist.19
Die häufigsten unerwünschten Wirkungen sind lokale Nebenwirkungen wie Rötung, Juckreiz,
Brennen der Haut (1-10% der Patienten) und können evtl. auch durch den Trägerstoff verursacht
sein.20 Sie sind in der Regel mild bis mässig ausgeprägt und erfordern in der Regel kein Absetzen
der Behandlung. Systemische Wirkungen wurden nicht beobachtet.20,21
20
www.swissmedicinfo.ch 21
La revue Prescrire 2014 ; 34 (373): 806
© Pharma-News Seite 12 Nr. 127, September 2015
Die maximale empfohlene Tagesdosis beträgt insgesamt 1 g, aufgeteilt in fünf erbsengrosse Men-
gen, aufzutragen auf jeden der fünf Bereiche des Gesichtes (Stirn, Kinn, Nase, jede der beiden
Wangen). MIRVASO® sollte als dünne Schicht über das ganze Gesicht glatt und gleichmässig
aufgetragen werden, wobei die Augen, die Augenlider, die Lippen, der Mund und die Innenräume
der Nase auszusparen sind. Es ist wichtig die Hände sofort nach dem Auftragen von MIRVASO® zu
waschen.20 MIRVASO® muss nur einmal täglich aufgetragen werden, solange das Gesichtserythem
besteht. Der Patient kann die Behandlung unterbrechen, sobald die Situation für ihn verträglich ist
und sie bei einem neuen Schub wieder aufnehmen (zur Erinnerung: eine endgültige Heilung der
Rosazea ist zur Zeit nicht möglich).
MIRVASO® wurde nicht bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren und bei Erwachsenen über
65 Jahren getestet und darf demzufolge nicht bei diesen Patientengruppen angewendet werden.21
Als Ultima Ratio der Behandlung kann bei der therapieresistenten Rosacea papulopustulosa,
Rosacea conglobata und beim Rhinophym Isotretinoin (ROACCUTAN® und Generika) "off-label"
angewendet werden.16,19 Eine weitere Möglichkeit stellt die chirurgische Behandlung dar: Elektro-
oder Laserkoagulation der Gefässveränderungen
oder Abtragen der hypertrophischen Haut-
schichten beim Rhinophym. Die Behandlung sollte
in den Wintermonaten durchgeführt werden, um
Wechselwirkungen zwischen den Arzneistoffen
und UV-Strahlen zu minimieren. In der Regel sind
4 bis 6 Sitzungen notwendig, wobei all dies
natürlich auch von der persönlichen Situation des
Patienten abhängt. Die Behandlung muss alle zwei
bis drei Jahre wiederholt werden und wird nicht
von der Grundversicherung übernommen (man
rechnet zwischen 100 – 200 CHF pro Sitzung).
ROSAZEA - wichtig für die Beratung:
� Chronisch-entzündliche, zu Rezidiven neigende Hauterkrankung des Gesichtes, vermeintli-
che Verwandtschaft mit Akne
� Tritt hauptsächlich im Erwachsenalter zwischen 30 und 50 Jahren auf
� Es gibt keine heilende Therapie
� Topische Behandlung mit SKINOREN®, ROSALOX®, ROZEX® oder MIRVASO®
� Durch die Verengung der stark erweiterten Blutgefässe im Gesicht reduziert MIRVASO® die
Rosazea-bedingten Rötungen bei den meisten Patienten
� MIRVASO® Gel wird einmal täglich aufgetragen, solange das Erythem besteht. Die maximale
empfohlene Tagesdosis beträgt 1g
� Behandlung mit Doxycyclin peroral bei ungenügender Wirksamkeit der topischen Therapie
oder bei Augenbefall
� Bei schweren therapieresistenten Krankheitsformen wird Isotretinoin peroral "off-label"
eingesetzt
� Achtung: stark deckende Kosmetika (Camouflage Make-up) können die Haut zusätzlich
reizen und das Krankheitsbild noch verschlechtern
Gut zu wissen:
Patienten sind oftmals geneigt, stark deckende
Kosmetika anzuwenden. Diese reizen aber häufig die
Haut zusätzlich und verschlechtern die Rosazea. Einige
Anbieter von Dermokosmetika bieten allerdings
dermatologisch annehmbares Camouflage Make-up an,
wie z.B. das Avene Make-up Couvrance. Solche Produkte
können dazu beitragen, das Sozialleben der Patienten
während der Therapie deutlich zu verbessern.15
Mit dem
grünen Abdeckstift werden ausgeprägte Rötungen
neutralisiert. Wenn nötig, können noch eine getönte
Creme und evtl. noch etwas Puder darüber aufgetragen
werden, um das Hautbild zu verbessern.
© Pharma-News Seite 13 Nr. 127, September 2015
WISSENSWERTES
SANDDORN
Sanddorn ist in: man findet ihn mittler-
weile überall, in Nahrungsergänzungs-
mitteln, Crèmes, Shampoos, Säften, Ge-
tränken, Konfitüren, u.v.m. Doch was
weiss man genau über diese Pflanze mit
den leuchtend orangenen Früchten?
Sanddorn (englisch: sea buckthorn), auch
Weidendorn, Dünendorn, rote Schlehe
und Sandbeere genannt, wächst als som-
mergrüner Strauch und erreicht Wuchs-
höhen von 1 bis 6 Metern. Der gemeine
Sanddorn wächst überall in Europa, man
findet ihn aber auch im Nahen Osten und in Asien bis in den Himalaya. Sanddorn zeichnet sich
durch Windbeständigkeit, Wachstum auf salzhaltigen Böden und ein weitreichendes
Wurzelsystem aus. Er wird daher gerne zur Bodenbefestigung sandiger Standorte wie Dünen in
Fluss- und Küstengebieten eingesetzt. In Nordamerika ist Sanddorn aufgrund seiner therapeu-
tischen und nutritiven Eigenschaften sehr beliebt und wird in grossem Stil angebaut.22
In der traditionellen chinesischen, japanischen und indischen Medizin verwendet man Früchte,
Blätter- und Baumrindenextrakte des Sanddorns als Stärkungsmittel, zur Steigerung des Immun-
systems und gegen Müdigkeit und Stress, zur Behandlung verschiedener Haut- und Schleimhauter-
krankungen und in Kombination mit anderen Mitteln gegen Herzkreislauf-, Magen-Darm- oder
Atemwegsbeschwerden.
Die Früchte sind reich an Vitamin C und Carotinoiden, wobei Letztere den Früchten ihre orange
Farbe geben. Aus den Samen und dem Fruchtfleisch kann ein Öl extrahiert werden, das reich an
mehrfach ungesättigten Fettsäuren (hauptsächlich Omega-7- aber auch Omega-3-, -6- und -9-
Fettsäuren) und Vitamin E ist.
Es gibt nur wenige Studien mit Sanddorn und es handelt sich dabei hauptsächlich um in vitro oder
Tierversuche.22 Klinische Studien sind Mangelware: in einzelnen klein angelegten Studien konnte
dennoch eine positive Wirkung von Sanddornöl als Nahrungsergänzungsmittel auf Haut-, Vaginal-
und Augentrockenheit gezeigt werden.23
Die therapeutischen Wirkungen des Sanddorns werden hauptsächlich den Antioxidantien (Vitamin
C und E, Carotinoide) und den mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Omega) zugeschrieben.22 Wie
so oft bei Pflanzen mit verschiedenen Wirkstoffen, findet man ein breites Spektrum von Anwen-
dungsmöglichkeiten, die aber durch breiter angelegte klinischen Studien noch zu bestätigen sind.
So deuten z.B. in vitro-Versuche auf eine mögliche
Schutzwirkung auf das Herz-Kreislauf-System und
die Leber hin, wie auch auf eine regulierende Wir-
kung des Cholesterinspiegels sowie auf entzün-
dungs- und krebshemmende Eigenschaften.24 Die
22 www.passeportsante.net: argousier (consulté le 9.06.2015) 23 www.green-valais.ch: argousier (consulté le 9.6.2015) 24 ISRN Pharmacology 2012 ; article ID 436857, 6 pages
Wussten Sie das?
Der lateinische Name Hippophae rhamnoides enthält
die beiden griechischen Wörter hippos (Pferd) und
phaes (leuchtend). In der griechischen Antike wurden
Pferde mit Sanddorn gefüttert, damit sie an Gewicht
zunahmen und ein glänzendes Fell haben sollten. Die
Früchte des Sanddorns werden traditionell als
Nahrungsmittel verwendet. Die vitaminreichen Frücht-
chen werden manchmal "Zitrone des Nordens" oder
auch "Ananas Sibiriens" genannt.23
© Pharma-News Seite 14 Nr. 127, September 2015
topische Anwendung des fetten Öls soll die Wundheilung fördern. Diese Eigenschaft wird in
Osteuropa schon lange zur Heilung von Strahlenschäden, z.B. durch Röntgenstrahlen oder bei
Sonnenbrand, genutzt und einige Studien beim Menschen belegen sogar einen positiven Effekt auf
die Heilung von Verbrennungen. Auch der versuchsweise Einsatz bei der atopischen Dermatitis
scheint vielversprechend.22
In der Schweiz sind verschiedene Produkte mit Sanddorn auf dem Markt, darunter z.B. ω7
SANDDORN ARGOUSIER® von Pharma Medica, erhältlich als Kapseln oder Intim-Creme oder
PHARMALP® BERUHIGENDES GEL, anzuwenden bei Verbrennungen und anderen Hautentzündun-
gen (z.B. Sonnenbrand, Hautreizungen durch Brennnesseln, akute Entzündungen der Haut in
Verbindung mit einer Strahlentherapie).
ω7 SANDDORN ARGOUSIER® Kapseln sind ein Nahrungsergänzungsmittel mit Sanddornöl, Vitamin
E und Beta-Carotin. Sie sollen das Austrocknen der Augen-, Haut- und Schleimhäute vermindern,
empfohlen bei Augentrockenheit, atopischer Dermatitis oder zur Linderung der Vaginaltrocken-
heit in der Menopause. Die empfohlene Tagesdosis beträgt vier Kapseln täglich - idealerweise
aufgeteilt in zwei Kapseln am Morgen und zwei Kapseln am Abend – während vier Wochen –
danach zwei Kapseln pro Tag. Gemäss Hersteller kann das Präparat auch Kindern verabreicht
werden, wobei bei diesen weder eine Alters- noch eine Dosierungsangabe gemacht wird.
Besondere Vorsichtsmassnahmen sind nicht beschrieben.
Die Intimpflegecreme ω7 SANDDORN ARGOUSIER® mit Sanddornöl, Milchsäure und Hyaluron-
säure ist als kosmetisches Produkt registriert und wird zur Intimpflege bei trockener Vaginal-
schleimhaut empfohlen. Sie soll ein- bis zweimal täglich sparsam im Intimbereich aufgetragen
werden. Das normalerweise rotgefärbte Sanddornöl wurde entfärbt, so dass die Creme weiss ist
und die Kleider nicht verfärbt. Die Creme kann mit den Kapseln kombiniert werden.
PHARMALP® BERUHIGENDES GEL enthält nebst anderen Pflanzen auch Sanddorn für seine Wir-
kung bei Verbrennungen. Das Gel wird mehrmals täglich auf die betroffenen Stellen aufgetragen.
SANDDORN – wichtig für die Beratung:
� Pflanze mit orangen Früchten, die viel Vitamin C und Carotinoid enthalten. Aus den Samen
und dem Fruchtfleisch lässt sich ein Öl extrahieren, das reich an mehrfach ungesättigten
Fettsäuren (insbesondere Omega-7) und Vitamin E ist.
� Wird als Nahrungsergänzungsmittel und in der Kosmetik verwendet.
� Anwendung bei trockener Haut, trockener Vaginalschleimhaut und Augentrockenheit sowie
zur Pflege von Verbrennungen.
� Für die weiteren Anwendungsmöglichkeiten fehlt die Evidenz.
Wer mehr wissen möchte…
Omega-n- Fettsäuren sind ungesättigte Fettsäuren wobei das n als Ziffer die Position der ersten Doppelbindung der Fettsäure
angibt. Diese wird gezählt vom „Omega-Ende“ ausgehend, also dem der Carboxylgruppe gegenüberliegenden Ende des
Moleküls. Einige dieser mehrfach ungesättigten Fettsäuren werden als essentiell bezeichnet, weil sie lebensnotwendig für
unseren Organismus sind, wir sie aber nicht synthetisieren können. Es handelt sich dabei um die ω-3-Alpha-Linolensäure (ALL)
und die ω-6-Linolsäure (AL). Es gibt auch andere ω-3 Fettsäuren wie z.B. EPA und DHA, welche in grossen Mengen in Fisch- und
Krillöl enthalten sind und zur Prävention von kardiovaskulären Ereignissen eingesetzt werden (siehe PN Nr. 85 vom Juli 2011). ω-
7-Fettsäuren sind noch nicht gut erforscht.
© Pharma-News Seite 15 Nr. 127, September 2015
SCHLUCKAUF
Der Schluckauf, im Fachjargon Singultus ge-
nannt, ist ein unwillkürlicher, also willent-
lich nicht beeinflussbarer Reflex, ähnlich
wie Husten. Der Reflexbogen besteht aus
Nervus phrenicus, Nervus vagus und dem
Hirnstamm. Der Schluckauf-Befehl wird
über zwei Nervenstränge direkt vom Gehirn
zu den Atemmuskeln gesendet. Über den
gleichen Weg gelangen Informationen aus
dem Oberbauch (Magen, Speiseröhre), den
Atemwegen (Luftröhre) und sogar dem
äusseren Gehörgang zurück in das Gehirn.
Deshalb kann auch ein Fremdkörper oder
ein Insekt im Gehörgang Schluckauf auslö-
sen. Dabei zieht sich das Zwerchfell, ein flacher Muskel zwischen Brust- und Bauchraum, krampf-
artig in unregelmässigen Abständen zusammen. Gleichzeitig verschliesst sich schlagartig die
Stimmritze zwischen den Stimmbändern des Kehlkopfes, wodurch der Lufteinstrom abrupt unter-
brochen wird und das bekannte Schluckauf-Geräusch entsteht. Die Frequenz des Schluckaufs kann
von zwei bis 60 Mal pro Minute reichen.
Dieser Mechanismus schützt den Embryo vor dem Einatmen von Fruchtwasser und den Säugling
vor dem Einatmen von Milch beim Trinken an der Brust oder am Schoppen. Beim erwachsenen
Menschen scheint dieser Reflex keiner bekannten Funktion mehr zu dienen.25
Man unterscheidet zwei Formen des Schluckaufs, die unterschiedlich zu behandeln sind:
Gutartiger oder akuter Schluckauf: Dies ist der typische Schluckauf beim gesunden Menschen, den
wir alle schon erlebt haben. Er tritt nur ab und zu auf, dauert wenige Sekunden oder Minuten und
hört auch wieder spontan auf. Seine Ätiologie ist nicht bekannt, er kann in jedem Alter auftreten
und durch verschieden Faktoren ausgelöst werden, wie z.B.:
- eine vorübergehende Überdehnung des Magens, wie bei hastigem Essen, durch kohlen-
säurehaltige und kalte Getränke oder durch scharfes Essen
- vegetative Veränderungen, etwa bei Alkoholgenuss
- psychische Einflüsse wir Erschrecken, Angst, Lachen, Aufregung, Stress
- Schwangerschaft
- übermässiges Rauchen
- Husten
- Reizung der Speiseröhre
- Fremdkörper im äusseren
Gehörgang26
25 www.passeportsante.net, Hoquet, juin 2014 26 www.pharmavista.ch, 15.10.2007
Im Reflexbogen involvierte Nerven
Der Nervus phrenicus versorgt motorisch das Zwerchfell und ist an der Atmung
beteiligt. Er kontrolliert die Spannung und Entspannung des Zwerchfells.
Der Nervus Vagus ist der grösste Nerv des Parasympathikus und an der Regulie-
rung der Tätigkeit fast aller inneren Organe beteiligt, insbesondere des Herzens,
der Lunge und des Magen-Darm-Traktes. Neben seiner vegetativen Funktion ist
er an der motorischen Steuerung von Kehlkopf, Rachen und der oberen
Speiseröhre beteiligt und übermittelt Geschmacksempfindungen vom Zungen-
grund sowie Berührungsempfindungen aus dem Rachen, dem Kehlkopf und
einem Teil des äusseren Gehörgangs.
Das Stammhirn ist für die essentiellen Lebensfunktionen zuständig und steuert
Herzfrequenz, Blutdruck und Atmung. Zudem ist es für einige wichtige Reflexe
wie Lidschluss-, Schluck- oder Husten-Reflex verantwortlich. Es bildet die
Schnittstelle zwischen dem übrigen Gehirn und dem Rückenmark. Eintreffende
Informationen leitet es überkreuz weiter, daher wird die linke Körperhälfte von
der rechten Gehirnhälfte gesteuert und umgekehrt.25
© Pharma-News Seite 16 Nr. 127, September 2015
Behandlung des akuten Schluckaufs:
Obwohl der akute Schluckauf in der Regel selbstlimitierend ist und keinerlei Behandlung bedarf,
werden verschiedene mehr oder weniger alberne Methoden propagiert, um den Schluckauf zu
stoppen, wie z.B.:
• Ein grosses Glas Wasser in einem Zug leeren
• Wasser mit dem Kopf nach unten schlucken
• Dreimal trocken schlucken
• Zeigefinger vorsichtig in die Gehörgänge stecken und leicht hin und her bewegen (dies reizt
einen der wichtigen Schluckauf-Nerven)
• In einen Papiersack atmen
• plötzlich Luft anhalten in Folge eines Überraschungseffekts (Angst)
• Würgereiz und Erbrechen auslösen (Finger in den Hals stecken)
• einen Teelöffel Zucker schlucken (pur)
• Niesreiz auslösen (z.B. ein paar Körnchen Pfeffer durch die Nase einatmen)
Die Mehrheit dieser Methoden basieren auf Erfahrung und werden von Generation zu Generation
weitergegeben, ohne dass jemals wissenschaftlich bestimmt wurde, ob sie wirksam sind. Die
meisten beruhen auf Abwechslung, Stimulation der Stimmritze, Erhöhung des CO2-Gehalts in der
Lunge und spielen mit dem Atemrhythmus.
Andauernder oder chronischer Schluckauf: In seltenen Fällen kann der Schluckauf länger als 48
Stunden andauern. Er gilt dann als andauernd und sollte unbedingt abgeklärt werden. In
Einzelfällen kann ein Schluckauf Monate oder sogar Jahre fortbestehen, in diesen Zeiträumen aber
auch chronisch-rezidivierend auftreten. Ein Dauerschluckauf beeinträchtigt die Lebensqualität
stark und wirkt sich unter anderem negativ auf Schlaf und Ernährung aus. In der Regel liegen dem
persistierenden Schluckauf chronische Reizungen, Entzündungen oder Schädigungen von beteilig-
ten Nervenbahnen des Schluckauf-Reflexbogens zu Grunde, wie z.B.:27
- Irritation im Bereich der Speiseröhre: Ösophagitis (z.B.
Reflux), Dyskinesien (gestörte Muskelaktivität wie z.B.
Schluckstörungen, Verkrampfung der Speiseröhre bei
Schlucken), Hiatushernie, Ulcus
- Hirnstörungen (Hirnstammtumore, Hirnstammischämie,
Schädelhirntrauma, intrakranielle Blutung usw.)
- Entzündliche oder infektiöse Erkrankungen, welche die
beteiligten Nervenbahnen des Schluckaufreflexbogens reizen
- Metabolische und endokrinologische Störungen, wie z.B.
Blutzuckerentgleisungen, Harnvergiftung
- Rachen- oder Kehlkopf-Erkrankungen
- Arzneimittel (selten): meistens Kortikosteroide, aber auch Benzodiazepine wie z.B.
NOCTAMID®, TEMESTA®, LIBRAX®, Sulfonamide (z.B. BACTRIM® und Generika), Antiemetika
(z.B. ZOFRAN® und Generika, EMEND®), Antiepileptika (z.B. PETINIMID®), Phenobarbital,
Methyldopa und Morphin können einen andauernden Schluckauf auslösen.28
Behandlung des chronischen Schluckaufs:
27 www.evidis.ch, pharmaDigest, Hoquet possibilités de traitement, 8.11.2011 28 La Revue Prescrire, janvier 2008, no 291, 24
© Pharma-News Seite 17 Nr. 127, September 2015
Die Therapie des persistierenden Schluckaufs hängt vom auslösenden Faktor ab. Dabei ist die
Beseitigung der auslösenden Ursache – z.B. die Entfernung eines Fremdkörpers im Ohr, die
Drainage eines subphrenischen Abszesses oder die Operation eines Hirnstammtumors – stets
anzustreben. Wird der Schluckauf durch Arzneimittel ausgelöst, tritt er in der Regel zum ersten
Mal auf, nachdem das Arzneimittel einige Male eingenommen wurde, und wiederholt sich dann
nach jeder erneuten Einnahme innerhalb von einigen Minuten oder Stunden und dies während
der gesamten Behandlungszeit. Oftmals wird die Ursache dieser Art von Schluckauf erst dann
erkannt, wenn durch die Wiederaufnahme der medikamentösen Therapie der Schluckauf wieder
aufflammt.28
Ist eine ursächliche Behandlung nicht möglich, kann man es mit einer nicht-medikamentösen
Behandlung, wie z.B. der Stimulation der Rachenwand mit einer Sonde versuchen.
Einige Arzneimittel werden manchmal empirisch empfohlen, obwohl sie in der Regel unwirksam
und in dieser Indikation schlecht evaluiert sind,29 z.B.: Metoclopramid (PRIMPERAN®, PASPER-
TIN®), Baclofen (LIORESAL®) und Antiepileptika wie Gabapentin (NEURONTIN® und Generika).
Sollte die Behandlung nach einigen Tagen keine Linderung bringen, sollte sie in allen Fällen
gestoppt werden.
SCHLUCKAUF – wichtig für die Beratung:
� Willentlich nicht beeinflussbarer Reflex
� Man unterscheidet den gutartigen kurzfristigen Schluckauf und den chronischen oder per-
sistierenden Schluckauf, der länger als 48 Stunden anhält
� Der gutartige Schluckauf bedarf keinerlei Behandlung
� Der persistierende Schluckauf gehört ärztlich abgeklärt. Seine Behandlung basiert auf der
Beseitigung der auslösenden Ursache, sofern möglich
� Bis anhin gibt es für keine medikamentöse Therapie zur Behandlung des Schluckaufs wis-
senschaftliche Belege für ihr Wirksamkeit
In Kürze
Codein als Antitussivum für Kinder unter zwölf Jahren kontraindiziert
Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hat kürzlich den Stellenwert von Codein zur Hustenbe-
handlung revidiert. Codeinhaltige Antitussiva sind bei Kindern unter zwölf Jahren kontraindiziert
und dürfen zudem bei Kindern und Jugendlichen zwischen zwölf und achtzehn Jahren mit Atembe-
29 http://www.cochrane.org/fr/CD008768/interventions-dans-le-traitement-dun-hoquet-persistant-et-dun-hoquet-refractaire-chez-ladulte, 31.1.2013
Gut zu wissen:
Oral einzunehmende Nikotinersatzpräparate wie z.B. NICORETTE® oder NICOTINELL® verursachen häufig Schluckauf. Ein Patient
von drei ist betroffen. Dies hängt in der Regel mit einem zu schnellen Kauen zusammen. Sollte sich ein Patient über Schluckauf
nach Anwendung eines Nikotinersatzpräparats beschweren, erklären sie ihm die empfohlene Kautechnik: 10 bis 15 langsame
Kaubewegungen bis der Patient den Geschmack des Nikotins im Mund spürt, danach das Kaugummi in einer Backentasche
während ca. einer Minute ruhen lassen (bis der Geschmack wieder abgeklungen ist) bevor das Kaugummi wieder gekaut wird.
© Pharma-News Seite 18 Nr. 127, September 2015
schwerden (z.B. Asthma) nicht mehr angewendet werden. Dieselben Einschränkungen sollen nun
auch in der Schweiz gelten: Swissmedic verlangt, dass dieselben Anwendungseinschränkungen in
den Informationen der codeinhaltigen Antitussiva wie z.B. MAKATUSSIN® Tropfen oder PECTO-
CALMIN JUNIOR® aufgenommen werden. Der Stellenwert von Codein zur Schmerzbehandlung bei
Kindern (z.B. CO-DAFALGAN®) wurde hingegen nicht in Frage gestellt. Allerdings ist Codein neu
generell in der Stillzeit unabhängig von der Indikation (Behandlung von Husten oder Schmerzen)
kontraindiziert.
Risiko einer diabetischen Ketoazidose während der Behandlung mit SGLT2 -Inhibitoren (INVOKA-
NA®, VOKANAMET®, FORXIGA® und JARDIANCE®)
Seit dem letzten Jahr ist eine neue Substanzklasse der Antidiabetika zur Therapie des Typ-2-Diabe-
tes erhältlich, die SGLT2-Inhibitoren. Sie hemmen die Reabsorption von Glukose in der Niere, was
zu einer vermehrten Glukose-Ausscheidung über den Harn führt, den Blutzuckerspiegel senkt und
den Kalorienverlust fördert. Gegenüber anderen oralen Antidiabetika wie z.B. Metformin
(GLUCOPHAGE® und Generika), Glibenclamid (DAONIL® und Generika) oder Nateglinid (STARLIX®)
haben diese Arzneimittel den Vorteil, dass ihre Wirkung ausschliesslich vom Blutzuckerspiegel und
von der Nierenfiltrationsrate abhängt und nicht vom Insulinstoffwechsel. Dennoch verursachen
SGLT2-Inhibitoren aufgrund ihres Wirkmechanismus eine Reihe von unerwünschten Wirkungen:
Harnwegsinfektionen, Hypotonie und Blasendrang. Kürzlich wurde ein Pharmakovigilanz-
Warnbrief publiziert, um auf das Risiko einer diabetischen Ketoazidose während der Behandlung
mit SGLT2-Inhibitoren hinzuweisen. Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes, die eine Behandlung mit
SGLT2-Inhibitoren erhielten, wurden schwerwiegende und manchmal lebensbedrohliche Fälle von
diabetischer Ketoazidose beobachtet. Diese Stoffwechselstörung zeichnet sich aus durch Übelkeit,
Erbrechen, Appetitlosigkeit, Bauchschmerzen, starken Durst, übermässige Harnbildung, Gewichts-
verlust, Atembeschwerden, Verwirrtheit, ungewöhnliche Müdigkeit oder Schläfrigkeit. Die diabeti-
sche Ketoazidose geht gewöhnlich mit einem sehr hohen Blutzuckerspiegel (> 13 mmol/l) einher.
Im Gegensatz zum typischen Verlauf der diabetischen Ketoazidose war dies aber nicht bei den
Patienten mit SGLT2-Hemmern der Fall. Patienten, die mit SGLT2-Hemmern behandelt werden,
sollten über Anzeichen und Symptome einer Ketoazidose aufgeklärt und dazu angehalten werden,
sich unverzüglich an ihrem Arzt zu wenden, wenn sie solche Anzeichen und Symptome bemerken.
Weitere Informationen zu dieser Substanzklasse finden Sie in den PN Nr. 115 von Juli 2014
(INVOKANA®) und den PN 123 vom Mai 2015 (FORXIGA® und JARDIANCE®).
Anmerkung des Herausgebers
Die Empfehlungen in Pharma-News geben die Meinung der Autoren auf Grund der bei Redaktionsschluss vorhandenen Daten wieder. Der CAP trägt dafür keinerlei Verantwortung..
© Pharma-News Seite 19 Nr. 127, September 2015
Resultate des Lesetests der PN 125 – Die Gewinnerinnen:
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© Pharma-News Seite 20 Nr. 127, September 2015
LESETEST Pharma-News Nr. 126
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oder FALSCH oder beantworten Sie die Frage.
1) BULBOID® Rektalgel (mehrere Antworten möglich):
a) hat genau dieselbe Zusammensetzung wie die gleichnamigen Zäpfchen
b) ist ein Generikum von MICROLAX®
c) enthält eine Kombination aus Glycerin, Kamillen- und Malvenextrakt
d) ist ein Medizinalprodukt zur Behandlung der akuten Obstipation
e) wird von der Grundversicherung übernommen
2) RICHTIG oder FALSCH zum Pfeiffer‘schen Drüsenfieber?
a) Wie beim Herpes bleibt das auslösende Virus des Pfeifferschen Fieber lebenslänglich im
Körper
b) Es gibt eine spezifische medikamentöse Therapie des Pfeifferschen Drüsenfiebers
c) Wird zur Behandlung des Pfeifferschen Drüsenfieber ein Penicillin-Antibiotikum
angewendet, kann dies zu einem Hautauschlag führen
d) Während der akuten Krankheitsphase sollte der Patient unbedingt weiterhin regelmässig
Sport treiben
e) Der Pfeiffersche Drüsenfieber wird hauptsächlich mit dem Speichel übertragen
3) Wählen Sie aus!
a) Tramadol gehört zur WHO-Stufe:
zwei drei
b) Diclofenac ist:
wirksamer als Ibuprofen genauso wirksam wie Ibuprofen
c) Paracetamol:
darf in der Schwangerschaft angewendet werden ist kontraindiziert in der Schwangerschaft
d) Bei Patienten mit einem erhöhtem Herz-Kreislauf-Risiko ist Naproxen:
das NSAR der Wahl kontraindiziert
e) Das am besten für den Magen verträgliche NSAR ist
FELDEN® BRUFEN®
4) Kreuzen Sie die Arzneimittelkombinationen an, die kontraindiziert sind bzw. Wechselwirkungen
haben:
a) METAMUCIL® - MST CONTINUS®
b) TRAMAL® - FENTANYL MEPHA®
c) DAFALGAN® - OXYCONTIN®
d) BRUFEN® - CLEXANE®
e) VOLTAREN® - NEXIUM®
5) Anzuwenden bei akuter/chronischer Obstipation?
a) METAMUCIL® akut / chronisch
b) DULCOLAX® akut / chronisch
c) LECICARBON® akut / chronisch
d) LANSOYL® akut / chronisch
e) GATINAR® akut / chronisch
Richtig/Falsch
Richtig/Falsch
Richtig/Falsch
Richtig/Falsch
Richtig/Falsch
© Pharma-News Seite 21 Nr. 127, September 2015
6) Kreuzen Sie die Symptome an, die zum Pfeiffer‘schen Drüsenfieber passen:
a) Erhöhtes Lebervolumen
b) Halsschmerzen
c) Husten
d) Vergrösserung der Milz (Splenomegalie)
e) Müdigkeit
7) JA oder NEIN?
a) CELEBREX® lindert Schmerzen besser als die anderen NSAR Ja / Nein
b) Neuropathische Schmerzen werden gleich behandelt wie nozizeptive Schmerzen Ja / Nein
c) Es ist möglich, dass dasselbe NSAR unterschiedlich bei unterschiedlichen
Patienten wirkt, auch wenn diese ein ähnliches Schmerzmuster aufweisen Ja / Nein
d) Alle NSAR beeinträchtigen die Nierenfunktion Ja / Nein
e) Eine Allergie auf NSAR ist möglich Ja / Nein
8) Nennen Sie die drei Faktoren, die ausschlaggebend für die Dosierung der NMH (niedermolekularen
Heparine) sind:
−
−
−
9) Nennen Sie drei Patientengruppen, denen auf keinen Fall ein NSAR in der Apotheke empfohlen werden
darf
−
−
−
10) Kreuzen Sie die richtigen Aussagen zu den Heparinen und ihren Anwendungen an:
a) Heparine haben genau dieselbe Wirkung auf die Blutgerinnung wie ASPIRIN®
b) Um Hämatome zu vermeiden, darf nach der Heparinspritze die Injektionsstelle nicht massiert
werden
c) Die Fertigspritzen CLEXANE® dürfen nach der Anwendung mit dem normalen Kehricht entsorgt
werden
d) Heparine werden intramuskulär gespritzt
e) Für die UFH (unfraktionierten Herparine) gibt es ein Antidot
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